Ausgewählte Rechtsprechung und Rechtsentwicklung
Sonntag, 26. März 2017
LSG FSB, L 8 SO 116/09 B ER RG vom 31.08.2009, Bayerisches Landessozialgericht
L 8 SO 116/09 B ER RG

BAYERISCHES LANDESSOZIALGERICHT

in dem Beschwerdeverfahren

- Antragsteller

gegen

Bezirk O... Sozialverwaltung, vertreten durch den Bezirkstagspräsidenten, Ludwig-

Thoma-Straße 14, 93051 Regensburg



- Antragsgegner -



Beigeladen



Landkreis R., Grundsicherungs- und Sozialamt, vertreten durch das Land-

ratsamt R., vertreten durch den Landrat



wegen Anhörungsrüge gem. § 178 a SGG



erlässt der 8. Senat des Bayer. Landessozialgerichts in München



am 31. August 2009



ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter am Bayer. Landessozialge-

richt S. sowie die Richterin am Bayer. Landessozialgericht S. und den

Richter am Bayer. Landessozialgericht K. folgenden



Beschluss:



I. Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 22.07.2009 wird

zurückgewiesen.



II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



III. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.



Gründe:



I.



Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Hilfe zur Beschaffung

eines Kraftfahrzeuges, hilfsweise die Übernahme von Taxikosten für Krankenfahrten.



Mit Beschluss vom 22.07.2009 hat der Senat die Beschwerde gegen den Beschluss des

Sozialgerichts Regensburg vom 16.04.2009 zurückgewiesen. Auf den Inhalt des Be-

schlusses wird verwiesen.



Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 03.08.2009 , eingegangen beim Baye-

rischen Landessozialgericht am 04.08.2009, Anhörungsrüge erhoben. Zusammenfassend

hat der Antragsteller insbesondere gerügt, dass der Senat trotz detaillierter Anleitung

durch den Antragsteller keine ausreichende Sachermittlung durchgeführt habe. So

habe der Senat willkürlich nicht alle Akten des Sozialgerichts Regensburg beigezogen

und daher übersehen, dass der Beschwerdeführer vor den Fahrten am 13.07.2009 eine

Genehmigung der Fahrtkosten durch die Krankenkasse beantragt habe. Ferner habe der

Senat bei der Aufklärung des Sachverhalts unzweckmäßige und unpräzise Fragen auf-

geworfen. Daneben werden über die gesetzliche Krankenversicherung des Antragstellers

trotz medizinischer Notwendigkeit nicht alle notwendigen Fahrt- und sonstigen Leistungen

gewährleistet. Ferner habe es der Senat versäumt, im Rahmen der Aufklärung die Frage

der medizinischen Notwendigkeit der durchgeführten Behandlungsmaßnahmen durch

fachkundliche Stellungnahmen zu überprüfen. Darüber hinaus hat der Antragsteller Pro-

zesskostenhilfe für das Verfahren nach § 178 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) beantragt.



Ergänzend wird auf die weiteren Ausführungen des Antragstellers im Schreiben vom

03.08.2009 verwiesen.



Die zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet. Die Rüge ist insbesondere innerhalb einer

Frist von zwei Wochen (vgl. § 178a Abs. 2 S. 1 SGG) nach Kenntnis von der angeblichen

Verletzung des rechtlichen Gehörs in der gesetzlichen Form (§ 178a Abs. 2 S. 4 SGG)

erhoben worden.



Die Rüge ist aber nicht begründet. Die Anhörungsrüge dient nicht der Fortführung des

Verfahrens, sondern der Prüfung des verfassungsrechtlich abgesicherten Anspruchs auf

rechtliches Gehör (vergleiche BSG, Beschluss vom 08.11.2008, B 2 U 5/06 C). Der An-

spruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Grundgesetz, §§ 62, 128 Abs. 2 SGG) soll verhin-

dern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauf-

fassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruhen, zu denen sie sich nicht äußern

konnten, und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen mitein-

bezogen wird. Dabei muss das Gericht jedoch nicht ausdrücklich jedes Vorbringen des

Beteiligten bescheiden. Rechtliches Gehör sichert den Parteien ein Recht auf Information.

Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten im Prozess eigen-

bestimmt und situationsspezifisch gestalten können. Insbesondere sichert es, dass sie mit

den Ausführungen und Anträgen gehört werden (vgl. z.B. Beschluss des Bundesverfas-

sungsgerichts vom 30.04.2003, PbvU 1/02).



Der Senat hat die Übernahme der Taxikosten gegenüber dem Beigeladenen im Wesentli-

chen deshalb abgelehnt, da im Zeitpunkt der Entscheidung des Senat die Fahrten zu

den Arztterminen sichergestellt waren. Nach § 2 Abs. 1 SGB XII erhält Sozialhilfe nicht,

wer die erforderliche Leistung von anderen erhält. Nach dieser Vorschrift besteht grund-

sätzlich eine Verpflichtung zur Selbsthilfe (vgl. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII,

2. Auflage, § 2, Rz. 7). Auf Nachfrage durch den Senat hat der Antragsteller mitgeteilt, er

habe für alle Arzttermine einen Pkw benutzt, ihm seine keine Kosten hieraus entstanden

und es wäre ihm nicht mehr erinnerlich, zu welche Terminen er selbst gefahren sei oder

zu welchen Terminen er von einer anderen Person gefahren wurde. Die Frage, wer den

Antragsteller zu den Arztterminen gefahren habe, wurde nicht beantwortet. Auf die Frage,

in welchem Verhältnis der Antragsteller zu der Person, die ihn gefahren habe stehe, hat er

mitgeteilt, dass er zu dieser ein „gutes Verhältnis“ habe. Aufgrund dieser Ausführungen

stand für den Senat mit überwiegender Wahrscheinlichkeit fest, das aufgrund des Nach-

ranggrundsatzes in § 2 Abs. 1 SGB XII ein Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten

nicht besteht. Dies stellt sich als tragender Grund für die Ablehnung der Übernahme der

Taxikosten dar. Soweit der Senat weitere (ergänzende) Ausführungen insbesondere zur

Frage des Verhältnisses der gesetzlichen Krankenversicherung und Leistungen nach dem

SGB XII machte, sollten diese insbesondere dem Antragsteller und der zukünftigen Sach-

bearbeitung als Hinweis dienen. Eine Überraschungsenstscheidung beziehungweise ei-

ne Verletzung des rechtlichen Gehörs ist wegen der Angaben des Antragstellers insbe-

sondere im Schreiben vom 16.07.2009 nicht gegeben. Auf die vom Antragsteller in sei-

nem Beschwerdeschriftsatz vom 03.08.2009 niedergelegten Fragestellungen kam es auf-

grund der gesicherten Fahrten zum Arzt nicht an. Die Fragen in der Anfrage des Senats

vom 26.06.2009 waren allgemein verständlich formuliert und wurden vom Antragsteller

mit Schreiben vom 06.07.2009 beantwortet.



Der Antrag auf Prozesskostenhilfe ist abzulehnen. Nach § 73a Abs. 1 analog SGG

(i.V.m. § 114 ZPO) erhält ein beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftli-

chen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten

aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe , wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung

hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht willkürlich erscheint. Ist eine Vertretung

durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung

bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnte, wenn die Vertretung erforderlich erscheint

oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Da

die Anhörungsrüge keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (siehe unter II.) musste
der Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt werden.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.

S. S. K.

Faksimile  
1  
2  
3  
4  

... link (0 Kommentare)   ... comment


Beweislast für den Zugang und Garantenpflicht nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I
Gekürzte Chronologie der Petition
Beweislast für den Zugang und Garantenpflicht nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I
07.01.2015
Kurzfassung der Petition

Petition an den Deutschen Bundestag (mit der Bitte um Veröffentlichung)

§ 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I Rechtssichere Mitteilungen an die Behörde

Wortlaut der Petition

Der Deutsche Bundestag wird gebeten Sorge zu tragen, dass es Leistungsempfängern rechtssicher und ohne zusätzlichen Aufwand möglich ist, ihrer Mitteilungspflicht nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I mit einer Mitteilung an die Behörde nachzukommen. Beispielsweise könnte dies durch folgende Anfügung als § 60 Abs. 2 Satz 2 SGB I erreicht werden.

„Mitteilungen gelten als zugegangen, sobald sie in den Herrschaftsbereich der zuständigen oder einer zur Weiterleitung verpflichteten Behörde gelangen.“

Begründung

Bezieher von Sozialleistungen sind nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I verpflichtet, eine Änderung in den Verhältnissen, die für einen Anspruch auf eine laufende Leistung erheblich ist, richtig, vollständig und rechtzeitig mitzuteilen. Unterlassen sie dies vorsätzlich oder fahrlässig, so ist dies etwa gemäß § 404 Abs. 2
Nr. 26 SGB III eine Ordnungswidrigkeit. Weiter wird die Nichtmitteilung als Verletzung der Garantenpflicht nach § 13 Abs. 1 StGB gesehen und stellt somit Betrug im Sinne des § 263 StGB dar.
Es kommt also im Fall solchen Unterlassens regelmäßig nicht nur zu einer Aufhebung der Bewilligung und zur Rückzahlungspflicht für die zu Unrecht erhaltene Leistung, sondern es ist zusätzlich mit strafrechtlichen Konsequenzen wie Geld- oder Freiheitsstrafen zu rechnen. Nach der ständigen Rechtsprechung diverser Oberlandesgerichte ist die Pflicht des Empfängers von Sozialleistungen zur Mitteilung erst erfüllt, wenn die Mitteilung den für die Leistungsbewilligung zuständigen Sachbearbeiter des Leistungsträgers erreicht hat, siehe etwa Hanseatisches OLG 2. Strafsenat, II-104/03 vom 11.11.2003; OLG München, 4 St RR 159/07 vom 31.10.2007; OLG Köln, Ss 470/02 vom 17.12.2002.

Es ist für einen Leistungsempfänger im allgemeinen jedoch nicht möglich, überhaupt festzustellen, wer der zuständige Bedienstete ist, geschweige denn mit diesem in Kontakt zu treten oder diesem eine Meldung so zukommen zu lassen, dass der Zugang bei diesem später zweifelsfrei nachweisbar ist. Bei vielen Behörden
gelangt der Bürger überhaupt nur bis zur „Kundentheke“ oder telefonisch bis zur „Hotline“. Schon ein Anspruch auf Durchwahlnummern besteht nicht, siehe OVG Nordrhein-Westfalen Urteil 8 A 2429/14 vom 16.06.2015. Es ist somit oft schon unmöglich, Mitteilungen überhaupt an den befassten Bediensteten der Behörde zu adressieren, geschweige denn sicherzustellen, dass sie diesen gezielt erreichen.
Die Bürger erwarten von Staat und Verwaltung zu Recht qualitativ hochwertige Leistungen und eine zügige, serviceorientierte, effektive und effiziente Aufgabenerledigung, vergleiche Stellungnahme der Bundesregierung, Bt.Drs 16/6785, Seite 5. Es kann daher den Behörden zugemutet werden, intern dafür zu sorgen, dass Mitteilungen dem zuständigen Mitarbeiter zeitgerecht und vollständig zugehen. Die Folgen etwaiger Fehlleistungen in diesem Bereich hat die Behörde zu tragen, statt sie auf den Bürger abzuwälzen.

Schreiben des Petitionsausschusses vom 20.10.2015

Berlin, 20. Oktober 2015
Bezug: Ihr Schreiben vom
7. Oktober 2015

Sozialversicherung
Pet 3-18-11-820-025762 (Bitte bei allen Zuschriften angeben)

Sehr geehrter Herr ...,

hiermit bestätige ich den Eingang Ihrer Petition mit der ID-
Nummer 61439. Damit möchten Sie eine Ergänzung der
Vorschrift § 60 Erstes Buch sozialgesetzbuch (SGB I) erreichen.

Die inhaltliche Prüfung Ihrer Eingabe beginnt zunächst damit,
dass der Ausschussdienst von dem für Ihr Anliegen fachlich
zuständigen Bundesministerium eine Stellungnahme anfordert.
Sobald der Sachverhalt unter Berücksichtigung dieser
Stellungnahme aufgeklärt und die Rechtslage beurteilt ist,
erhalten Sie weitere Nachricht.

Um Petitionen auf der Internetseite des Deutschen Bundestages
sachgerecht präsentieren zu können, müssen sie bestimmten
Erfordernissen entsprechen, die in den Verfahrensgrundsätzen
des Petitionsausschusses als Voraussetzung für eine
Veröffentlichung niedergelegt sind.

Ihre Petition lässt erkennen, dass Sie offensichtlich von falschen
Voraussetzungen ausgegangen sind, denn es ist nicht gesetzlich
vorgesehen, dass Mitteilungen an die Behörde an die dort
zuständige Bearbeiterin bzw. den dort zuständigen Bearbeiter zu
richten sind.

Daher scheidet eine Veröffentlichung nach Nr. 3 Buchstabe f) der
„Richtlinie für die Behandlung von öffentlichen Petitionen“
gemäß Ziffer 7.1 (4) der Verfahrensgrundsätze (veröffentlicht
unter www.bundestag.de/petition) aus.

Damit ist keine Bewertung Ihres Anliegens verbunden. Das
Ergebnis des Petitionsverfahrens hängt allein vom Inhalt der
Petition ab und nicht von einer möglichen Zahl von
Unterstützern oder Gegnern. Ihre Petition wird so sorgfältig und

Seite 2

gründlich geprüft wie jede andere an den Deutschen Bundestag
gerichtete Eingabe.

Bitte teilen Sie dem Petitionsausschuss Änderungen des
Sachverhaltes oder Ihrer Anschrift unter dem angegebenen -
leicht geänderten - Aktenzeichen mit.

Personenbezogene Daten werden unter Wahrung des
Datenschutzes gespeichert und verarbeitet. Dazu gehört im
Regelfall auch, dass Ihre Petition mit allen von Ihnen gemachten
- auch personenbezogenen - Angaben dem zuständigen Ressort
der Bundesregierung zur Stellungnahme zugeleitet wird.

Mit freundlichen Grüßen
Schreiben des Petitionsausschusses vom 15.12.2015

Berlin, 15. Dezember 2015
Bezug: Mein Schreiben vom
20. Oktober 2015

Sozialversicherung
Pet 3-18-11-820-025762 (Bitte bei allen Zuschriften angeben)

Sehr geehrter Herr ...,

anliegend übersende ich Ihnen die zu Ihrer Eingabe eingeholte
Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
(BMAS) mit der Bitte um Kenntnisnahme.

Im Hinblick auf die Ausführungen des BMAS zu dem von Ihnen
vorgebrachten Anliegen bitte ich um Mitteilung, sofern noch
weitere Punkte aufklärungsbedürftig sind.

Falls Sie sich nicht mehr äußern sollten, geht der
Ausschussdienst davon aus, dass Ihr Petitionsverfahren als
abgeschlossen angesehen werden kann.

Mit freundlichen Grüßen
Schreiben des BMAS vom 03.12.2015

Bundesministerium
für Arbeit und Soziales

Bonn, 3. Dezember 2015 .

Sozialgerichtsbarkeit

Eingabe des Herrn ... vom 07. Oktober 2015
Ihr Schreiben vom 20. Oktober 2015
Pet 3-18-11-820-025762

Zu der o. a. Eingabe nehme ich wie folgt Stellung:

Mit der Eingabe schlägt der Petent die Einführung folgender Zugangsregelung in den § 60
Absatz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB l) vor: „Die Mitteilungen gelten als
zugegangen, sobald sie in den Zuständigkeitsbereich der zuständigen oder einer zur
Weiterleitung verpflichteten Behörde gelangen“.

Diese vom Petenten vorgeschlagene Änderung wird nicht befürwortet, da der Vorschlag
bereits das geltende Recht darstellt und kein Änderungsbedarf besteht.

Beim Zugang der Mitteilung an die Behörde gilt der allgemeine Grundsatz nach § 130
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Nach diesem Grundsatz gilt eine Willenserklärung bzw.
eine Mitteilung zugegangen, wenn diese so in den Machtbereich des; Empfängers gelangt
ist, dass unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Für
die Erfüllung des Zuganges ist grundsätzlich das Gelangen in den Machtbereich der
zuständigen Behörde entscheidend, nicht die Kenntnisnahme durch den zuständigen
Mitarbeiter der Behörde. Eine genauere Adressierung des zuständigen Bediensteten der
Behörde ist für den Zugang grundsätzlich nicht erforderlich.

Bei den vom Petenten zitierten Entscheidungen handelt es sich um Urteile der
ordentlichen Gerichte in strafrechtlichen Prozessen. Dabei ging es weniger um eine
Problematik im Zusammenhang mit der Zugangsregelung, sondern primär um den
strafrechtlichen Betrugstatbestand der „Täuschung“ durch Unterlassen (§§ 263,13
Strafgesetzbuch).

Die Mitteilungspflicht ist Teil einer effektiven Mitwirkungspflicht des Leistungsempfängers
(§ 60 Absatz 1 Nr. 2 SGB I). Der Zweck einer Mitwirkungs- und Mitteilungspflicht‚ auf
welche im strafrechtlichen Verfahren unter den Tatbestandsmerkmalen „Unterlassen
durch Täuschung“ (§ 263 StGB) und „Garantenpflicht“ (§ 13 StGB) Bezug genommen
wird, besteht darin, bei der Behörde unzutreffende Tatsachen zu berichtigen. An der
Erfüllung dieser Aufklärungspflicht bestehen im strafrechtlichen Verfahren Zweifel, wenn
die zuständige Behörde trotz (erstmaliger) Mitteilung durch den Leistungsempfänger -
irrtümlicherweise - weiterhin Zahlungen leistet und der Leistungsempfänger bei Kenntnis
von diesen zu Unrecht erfolgenden Leistungen untätig bleibt. Zur Erfüllung der
Aufklärungspflicht und zur Abwendung der Strafbarkeit des Betruges nach dem
Strafgesetzbuch hat der Leistungsempfänger die Mitteilung auf geeigneter Form
gegebenenfalls zu wiederholen, wenn es nah liegt bzw. der Leistungsempfänger erkennt,
dass seine Mitteilung die zuständige Behörde oder zumindest den zuständigen
Bediensteten nicht erreicht hat; dabei spielt es keine Rolle, ob die Mitteilung aufgrund
eines behördeninternen Versehens den zuständigen Mitarbeiter der Behörde nicht
erreichte. Der Leistungsempfänger erhält in dem beschriebenen Fall Leistungen, die ihm
nicht zustehen. Ein solcher Irrtum ist aufgrund der Mitwirkungspflicht nach § 60 Absatz 1
Nr. 2 SGB I aufzuklären und zwar im erforderlichen Fall durch mehrmalige Mitteilungen in
geeigneter und zumutbarer Form.

Ein Bedarf zur Gesetzesänderung besteht aus oben genannten Gründen nicht.

Die Petition sowie eine Kopie dieses Schreibens sind, beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen
Schreiben an den Petitionsausschuss vom 28.12.2015

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Petent dankt für die Übersendung des Schreibens des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 03.12.2015. Indes entspricht die dort dargelegte Sicht nicht der Realität, sondern es verhält sich, wie der Petent bereits dargelegt hat. Er hält sein Anliegen daher vollumfänglich aufrecht und bittet um Entscheidung hierüber.

Das BMAS teilt mit

Mit der Eingabe schlägt der Petent die Einführung folgender Zugangsregelung in den § 60 Absatz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) vor: „Die Mitteilungen gelten als zugegangen, sobald sie in den Zuständigkeitsbereich der zuständigen oder einer zur Weiterleitung verpflichteten Behörde gelangen“.

Wie unschwer aus der Petition zu ersehen ist, ist das Anliegen des Petenten

Der Deutsche Bundestag wird gebeten Sorge zu tragen, dass es Leistungsempfängern rechtssicher und ohne zusätzlichen Aufwand möglich ist, ihrer Mitteilungspflicht nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I mit einer Mitteilung an die Behörde nachzukommen.
Bei dem vom BMAS wiedergegebenen Satz handelt es sich, wie ebenfalls durch Lesen der Petition unmittelbar klar ist, um einen beispielhaften Vorschlag. Die Petition ist als öffentliche Petition zur Diskussion im Internetforum des Petitionsausschusses angelegt und dementsprechend die konkrete Beispielformulierung als Ausgangspunkt für eine dortige konstruktive Diskussion. Weitere Beispiele könnten etwa Gesetzesergänzungen auch an anderen Orten sein, zum Beispiel

Die Behörde hat sich Kenntnis zuschreiben zu lassen, sobald eine Mitteilung in ihren Zuständigkeitsbereich oder den einer zur Weiterleitung verpflichteten Behörde gelangt.

Die Mitteilungspflicht gilt als erfüllt ...“

oder auch weitere, komplexere Lösungen. Selbstverständlich steht es dem Gesetzgeber beispielsweise auch frei den gesamten Bereich der Mitteilungspflicht und der Frage, wie Unterlagen einem Träger nach dem SGB rechtssicher zugestellt werden können, neu zu regeln. Hier könnten an mehr als einer Stelle Verbesserungen vorgenommen werden, jedoch dürfte dieses Thema zu breit für den Rahmen einer öffentlichen Petition sein, so dass sich der Petent auf die Verbesserung in einem Teilpunkt konzentriert hat.

Insbesondere steht es dem Gesetzgeber selbstverständlich frei im Rahmen einer umfassenderen Neuregelung etwa auch eine Art „wiederholter Mitwirkungspflicht“ einzuführen, wie sie das BMAS anscheinend sieht. Eine solche besteht indes derzeit nicht, unbeschadet dessen, ob in Einzelfällen ein Betroffener durch solches Handeln an anderer Stelle die freie richterliche Beweiswürdigung möglicherweise dahin beeinflussen hätte können, eine günstigere Überzeugung zu finden und ein günstigeres Urteil zu fällen.
Es ist sehr leicht zu sehen, dass es auf die Möglichkeit, die Mitteilung zu wiederholen höchstens in zweiter Linie ankommt. Hierzu betrachte man etwa den Fall, dass der Leistungsempfänger durch glücklichen Zufall tatsächlich in der Lage ist, den Zugang der Mitteilung beim zuständigen Bediensteten nachzuweisen. Die vorliegenden Entscheidungen gründen sich rechtlich auf die Nichtkenntnis der Behörde, hätte der Angeklagte also den Zugang seiner Mitteilung beim zuständigen Mitarbeiter nachweisen können, so wäre er aus der Rechtssicht des Gerichts unmittelbar freizusprechen gewesen, einer wiederholten Mitteilung hätte es nicht bedurft. Das Gericht hätte weitere Entlastungsgründe nicht prüfen müssen. Schon daraus ergibt sich klar, dass es darauf ankommt, den Zugang beim zuständigen Bediensteten nachzuweisen, also die Rechtslage so ist, wie sie der Petent beschrieben hat.

Das BMAS teilt weiter mit

Eine genauere Adressierung des zuständigen Bediensteten der Behörde ist für den Zugang grundsätzlich nicht erforderlich.

Es geht nicht (nur) um die „genauere Adressierung des zuständigen Bediensteten“ sondern um dessen Kenntnis der Mitteilung. Der Bürger, der sich sicher sein will, seinen Pflichten entsprochen zu haben, kann dies nach der herrschenden Rechtsprechung nur indem er den Zugang beim zuständigen Bediensteten nachweist. Diesen Zustand hält der Petent für untragbar und daher dringend änderungsbedürftig.

Soweit das BMAS erklärt, dass Mitteilungen „gegebenenfalls zu wiederholen“ sind und hierzu ausführt, ist dies eben nur gegebenenfalls überhaupt von Relevanz. Dies ist ein anderer Aspekt des Falls ändert aber nichts daran, dass der Verurteilung die Rechtsauffassung zugrunde liegt, dass nur der Nachweis des Zugangs beim zuständigen Bediensteten ausreichend ist. Ohne diese Rechtsauffassung zugrunde zu legen, wäre von vorneherein keine Pflichtverletzung erkennbar, womit nicht einmal im Ansatz erkennbar wäre, worauf sich eine Verurteilung stützen könnte.

Die Darlegung des BMAS illustriert nur, dass auch wenn der direkte Beweis des Zugangs beim Sachbearbeiter nicht gelingt, ein Freispruch aus anderen Gründen grundsätzlich möglich ist, etwa Mangel an Vorsatz. Das ist natürlich völlig unbestritten, tut aber hier nichts zur Sache. Es ist im Strafprozess nicht unüblich, dass eine Reihe von möglichen Gründen für einen Freispruch zu prüfen ist, von denen letztlich einer ausreicht um tatsächlich zum Freispruch zu gelangen. Die Petition wendet sich selbstverständlich nicht dagegen, dass die Gerichte pflichtgemäß alle möglicherweise einen Freispruch verursachenden Gründe mit Sorgfalt prüfen, sondern gegen die Rechtsauffassung im Punkte des Zugangsnachweises. Die vom Petenten angeführten Beispiele belegen seine Behauptung, dass im Konfliktfall nach herrschender Ansicht nur der Nachweis des Zugangs beim zuständigen Bediensteten ausreicht. Dies liegt völlig klar zu Tage und eine etwaige gegenteilige Meinung des BMAS wäre schlicht kontrafaktisch.

Dass ein aus der Praxis gegriffener Beispielfall auch andere Aspekte hat, als jene weswegen er zum Nachweis der behaupteten Tatsache geeignet ist, ist zu erwarten. Dies für sich beeinträchtigt die Eignung als Nachweismittel nicht. Es ist indes zur Klärung des ursprünglichen Themas selten sinnvoll, einen anderen Aspekt des Beispielfalls herauszugreifen und stattdessen diesen zu diskutieren.

Die Ausführungen des BMAS sind, unabhängig davon, dass sie rechtlich unzutreffend sind, irrelevant für die Frage, die die Petition aufwirft. Da es in der Praxis häufig unmöglich oder mit gerade von Bedürftigen schwer zu schulternden Kosten verbunden sein wird, den Ansprüchen der OLG zu genügen, lautet diese letztlich, ob man sämtlichen Leistungsberechtigten jegliche Möglichkeit entziehen will, einer ihnen auferlegten Pflicht in klarer und geordneter Form abschließend nachzukommen. Derzeit ist die Rechtslage so, dass jeder der nicht den Beweis des Zugangs beim zuständigen Bediensteten führen kann sich jederzeit, auch im Nachhinein, vorhalten lassen muss, seine Pflicht verletzt zu haben. Es kann bezweifelt werden, ob sich viele der Betroffenen dieses Damoklesschwerts überhaupt bewusst sind.

Die Rechtsauffassung der Gerichte ist eindeutig, siehe etwa Leitsatz 1 des Hanseatischen OLG 2. Strafsenat, II-104/03 vom 11.11.2003

Die Pflicht des Empfängers von Sozialleistungen zur Mitteilung von Änderungen der leistungserheblichen Verhältnisse (hier: Arbeitsaufnahme) nach § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB I ist erst erfüllt, wenn die Mitteilung den für die Leistungsbewilligung zuständigen Sachbearbeiter des Leistungsträgers erreicht hat.

Der Petent hebt nochmals hervor, dass sein Petitionsbegehren ist

... dass es Leistungsempfängern rechtssicher und ohne zusätzlichen Aufwand möglich ist, ihrer Mitteilungspflicht nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I mit einer Mitteilung an die Behörde nachzukommen.
und er gegenüber allen geeigneten Vorschlägen hierfür offen ist. Alternativ könnte etwa die Behörde gesetzlich verpflichtet werden, dem Leistungsempfänger innerhalb kurzer Frist Eingang und Kenntnis der Änderungsmitteilung zu bestätigen. Dies schafft klare Verhältnisse. Trifft diese nicht ein, so weiß er, dass er seiner Pflicht noch nicht genügt hat, trifft sie aber ein, so kann er durch Vorlegen dieser Bestätigung beweisen mitgeteilt zu haben.

Soweit das BMAS den Beispielfall diskutiert, und darauf hinweist, es wären nicht zustehende Leistungen bezogen worden, könnte man auch darauf hinweisen dass der Zugang bei der Behörde nachweisbar war, diese aber rechtswidrig die Zahlung nicht eingestellt hat. Hätte sie dies pflichtgemäß getan, wäre strafrechtlich relevantes Verhalten überhaupt nicht erst entstanden. Von einer qualitativ hochwertigen Leistung und effektiven und effizienten Aufgabenerledigung wie sie die Bundesregierung dem Bürger zusichert kann also hier gerade nicht die Rede sein. Dennoch hat der Bürger alleine alle Konsequenzen zu tragen. Für die vorliegende Petition ist dies jedoch nicht relevant.

Soweit die Gerichte von einer Pflicht zur Wiederholung sprechen, etwa OLG München, 4 St RR 159/07 vom 31.10.2007

Der Leistungsempfänger hat dann die Pflicht, die Mitteilung in geeigneter Form zu wiederholen und auf diese Weise zu gewährleisten, dass der zuständige Bedienstete von den veränderten Umständen unverzüglich Kenntnis erhält.

handelt es sich um die Beschreibung des vom Leistungsberechtigten geforderten Realakts, der aus seiner Sicht bereits mitgeteilt hat; aus Sicht des Behördenmitarbeiters, der die erste Mitteilung nicht erhalten hat, liegt ja gerade keine Wiederholung vor. Das Gericht spricht hier also nicht von einer (kompletten) Mitteilung im Sinne des § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Eine solche hat nach der Rechtsauffassung der Gerichte ja gerade nicht stattgefunden, sonst wäre der Leistungsbezieher seiner Pflicht ja nachgekommen und damit einer Verurteilung die Basis entzogen. Daher kann sie schlechterdings (noch) nicht wiederholt werden.

Auch das OLG München weicht offenkundig nicht von der Rechtsprechung ab, dass es auf den Zugang beim zuständigen Bediensteten ankommt

Gehen daher in einem solchen Fall weiter Zahlungen der Behörde bei dem Leistungsempfänger ein, so liegt es nahe, dass die Mitteilung die Behörde oder zumindest den zuständigen Bediensteten nicht erreicht hat. … Hierfür spielt es keine Rolle, auf welchen Umständen die irrigen Vorstellungen des verfügenden Behördenmitarbeiters beruhen, ob also der Steuerberater den ihm vom Angeklagten erteilten Auftrag nicht ausgeführt hat, oder ob er dies zwar getan hat, jedoch die Mitteilung an einen anderen Behördenangehörigen gelangte und aufgrund eines behördeninternen Versehens nicht den zuständigen Mitarbeiter erreichte.

Im Übrigen beruht das Urteil des OLG München möglicherweise darauf, dass für entlastenden Vortrag die Frist des § 345 Abs. 1 StPO h versäumt wurde. Dies ist für das Petitionsanliegen allerdings gleichermaßen irrelevant wie die vom BMAS herangezogenen Falldetails.

Im Übrigen weist der Petent darauf hin, dass parallel zu dieser Entwicklung, die Leistungsberechtigten eine nicht mehr zu schulternde Last zur Beweisführung aufbürdet, im spiegelbildlichen Fall die förmlichen Anforderungen an Jobcenter oder eine Optionskommune zur Darlegung, dass ein Leistungsempfänger Kenntnis einer Pflicht hatte und bei deren Verletzung folglich zu sanktionieren ist, auf ein Minimum reduziert wurden. So lauten etwa § 31 SGB II derzeit

Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ...

und § 32 SGB XII

Kommen Leistungsberechtigte trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis …

wozu die BT‑Drs. 17/3404, Seite 111 erläutert

Künftig kann eine Pflichtverletzung im Sinne der Vorschrift auch vorliegen, wenn der Leistungsberechtigte die Rechtsfolgen seines Verhaltens kannte. Der Nachweis über eine schriftliche Rechtsfolgenbelehrung muss in diesem Fall nicht geführt werden.

das heißt es bedarf keinerlei förmlicher Unterrichtung mehr, womit die Behörde von solch kostenträchtiger und komplexer Mühsal wie etwa der Aushändigung einer Informationsbroschüre entlastet wird, wenn nur irgendwie nahegelegt werden kann, dass der Leistungsempfänger Kenntnis besitzen konnte.
Beschluss des Petitionsausschusses vom 20.02.2017

Berlin, 20. Februar 2017

Bezug: Ihre Eingabe vom

7. Oktober 2015; Pet 3-18-11-820—

025762

Anlagen: 1


Sehr geehrter Herr ...,

der Deutsche Bundestag hat Ihre Petition beraten und am

16. Februar 2017 beschlossen:



Das Petitionsverfahren abzuschließen.



Er folgt damit der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses

(BT—Drucksache 18/ 10996), dessen Begründung beigefügt ist.



Mit dem Beschluss des Deutschen Bundestages ist das

Petitionsverfahren beendet.



Mit freundlichen Grüßen

Kersten Steinke



— 48 - Prot. Nr. 18/76



Pet 3-18-11-820-025762



Sozialversicherung



Beschlussempfehlung



Das Petitionsverfahren abzuschließen.



Begründung



Der Petent möchte eine Ergänzung der Vorschrift des § 60 des Ersten Buches Sozi-

algesetzbuch erreichen.



Zur Begründung der Petition wird ausgeführt, dass es Leistungsempfängern ermög-

licht werden müsse, rechtssicher und ohne zusätzlichen Aufwand ihrer Mitteilungs-

pflicht nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) mit einer

Mitteilung an die Behörde nachzukommen. Dies könnte beispielsweise dadurch er-

reicht werden, dass § 60 Abs. 2 SGB I mit folgendem Satz ergänzt werde: „Mitteilun-

gen gelten als zugegangen, sobald sie in den Herrschaftsbereich der zuständigen

oder einer nur zur Weiterleitung verpflichteten Behörde gelangen“. Bezieher von So-

zialleistungen seien nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I verpflichtet, eine Änderung in den

Verhältnissen, die für einen Anspruch auf eine laufende Sozialleistung erheblich sei,

richtig, vollständig und rechtzeitig mitzuteilen. Unterließen sie dies vorsätzlich oder

fahrlässig, so gelte dies als Ordnungswidrigkeit. Es komme also im Fall eines sol-

chen Unterlassens regelmäßig nicht nur zur Aufhebung der Bewilligung und zu einer

Rückzahlungspflicht der zu Unrecht erhaltenen Leistung, sondern es sei zusätzlich

mit strafrechtlichen Konsequenzen wie Geld- oder Freiheitsstrafen zu rechnen. Zu-

dem sei die Pflicht des Empfängers von Sozialleistungen zur Mitteilung erst erfüllt,

wenn die Mitteilung den für die Leistungsbewilligung zuständigen Sachbearbeiter des

Leistungsträgers erreicht habe. Der Nachweis des Zugangs sei für einen Leistungs—

empfänger nicht realisierbar. Bei vielen Behörden gelange der Bürger überhaupt nur

bis zur „Kundentheke“ oder telefonisch bis zur „Hotline“. Auf die weiteren Ausführun—

gen in der Petition wird verwiesen.



- 49 - Prot. Nr. 18/76



noch Pet 3—18-11—820-025762



Der Ausschuss hat der Bitte des Petenten um Veröffentlichung seiner Petition nicht

entsprochen. Die Ablehnungsgründe wurden dem Petenten mit Schreiben vom 20.

Oktober 2015 mitgeteilt. Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegen-

heit gegeben, ihre Haltung zu der Eingabe darzulegen. Die hierzu verfasste Stei-

lungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) ist dem Peten-

ten mit Schreiben vom 15. Dezember 2015 übersandt worden. Hiergegen hat sich

der Petent gewandt. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung stellt sich unter

Einbeziehung der seitens der Bundesregierung genannten Aspekte wie folgt dar:



Wie das BMAS in der Stellungnahme richtigerweise ausführt, gilt beim Zugang der

Mitteilung an die Behörde der allgemeine Grundsatz nach § 130 Bürgerliches Ge-

setzbuch (BGB). Nach diesem Grundsatz gilt eine Willenserklärung bzw. eine Mittei-

lung als zugegangen, wenn diese so in den Machtbereich des Empfängers gelangt

ist, dass unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann.

Für die Erfüllung des Zuganges ist grundsätzlich das Gelangen in den Machtbereich

der zuständigen Behörde entscheidend und nicht die Kenntnisnahme durch den zu-

ständigen Mitarbeiter der Behörde. Eine genauere Adressierung des zuständigen

Bediensteten der Behörde ist für den Zugang grundsätzlich nicht erforderlich. Soweit

der Petent in diesem Zusammenhang einen Zugangsnachweis fordert, bleibt es je-

dem Leistungsempfänger unbenommen, von der Behörde im konkreten Einzelfall zu

verlangen, dass eine Empfangsbestätigung über den Erhalt von Angaben im Sinne

des § 60 Abs.1 Nr. 2 SGB I ausgestellt wird. Die Behörde entscheidet dann, in wel—

cher Weise diesem Verlangen Rechnung getragen wird. In aller Regel kann der Be-

troffene auf diesem Wege im Streitfall rechtssicher den Nachweis der Erfüllung sei-

ner Mitwirkungspflichten erbringen. Diese Verfahrensweise ist aus Sicht des Petiti-

onsausschusses auch sachgerecht, da eine Empfangsbestätigung jeder per Telefon,

E-Mail, postalisch oder persönlich eingehenden Information zu einem unverhältnis-

mäßig hohen Verwaltungsaufwand führen würde. Ergänzend merkt der Petitionsaus-

schuss an, dass auch jeder in persönlichen Angelegenheiten mit einem Ansprech-

partner der Behörde vereinbarte Termin für die Übergabe von Unterlagen mit der Bit-



— 50 - Prot. Nr. 18/76



noch Pet 3-18-11-820-025762



te genutzt werden kann, dass diese Übergabe entsprechend bestätigt wird. Für die

Job—Center gilt, dass die bei einem vereinbarten Termin getroffenen Feststellungen

durch die Sachbearbeitung in den IT—Verfahren und bei leistungsrelevanten Unterla-

gen in der Leistungsakte zu dokumentieren sind. Der Betroffene hat das Recht, zur

Klärung von Unklarheiten Akteneinsicht nehmen und kann sich auf diesem Wege

davon überzeugen, dass die entsprechenden Feststellungen dokumentiert wurden.



Grundsätzlich ist die Mitteilungspflicht Teil einer effektiven Mitwirkungspflicht des

Leistungsempfängers (§ 60 Absatz 1 Nr. 2 SGB I). Der Zweck einer Mitwirkungs- und

Mitteilungspflicht, auf welche im strafrechtlichen Verfahren unter den Tatbestands-

merkmalen „Unterlassen durch Täuschung" (§ 263 Strafgesetzbuch) und „Garanten—

pflicht" (§ 13 Strafgesetzbuch) Bezug genommen wird, besteht darin, bei der Behör-

de unzutreffende Tatsachen zu berichtigen. An der Erfüllung dieser Aufklärungs-

pflicht bestehen im strafrechtlichen Verfahren Zweifel, wenn die zuständige Behörde

trotz (erstmaliger) Mitteilung durch den Leistungsempfänger — irrtümlicherweise —

weiterhin Zahlungen leistet und der Leistungsempfänger bei Kenntnis von diesen zu

Unrecht erfolgenden Leistungen untätig bleibt. Zur Erfüllung der Aufklärungspflicht

und zur Abwendung der Strafbarkeit des Betruges nach dem Strafgesetzbuch hat der

Leistungsempfänger die Mitteilung auf geeigneter Form gegebenenfalls zu wiederho—

len, wenn es nahe liegt bzw. der Leistungsempfänger erkennt, dass seine Mitteilung

die zuständige Behörde oder zumindest den zuständigen Bediensteten nicht erreicht

hat; dabei spielt es keine Rolle, ob die Mitteilung aufgrund eines behördeninternen

Versehens den zuständigen Mitarbeiter der Behörde nicht erreichte. Der Leistungs-

empfänger erhält in dem beschriebenen Fall Leistungen, die ihm nicht zustehen. Ein

solcher Irrtum ist aufgrund der Mitwirkungspflicht nach § 60 Absatz 1 Nr. 2 SGB 1

aufzuklären und zwar im erforderlichen Fall durch mehrmalige Mitteilungen in geeig-

neter und zumutbarer Form.



— 51 — Prot. Nr. 18/76



noch Pet 3—18-11-820-025762



Nach den vorangegangenen Ausführungen sieht der Petitionsausschuss keine Not—

wendigkeit, das gesetzgeberische Anliegen des Petenten zu unterstützen. Er emp-

fiehlt deshalb, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht ent—

sprochen werden konnte.

... link (0 Kommentare)   ... comment


SG R, S 9 SO 5/15 vom 28.10.2016, Sozialgericht Regensburg
Beglaubigte Abschrift

S 9 SO 5/15

SOZIALGERICHT REGENSBURG

In dem Rechtsstreit

— Kläger -

Proz.-Bev.:

gegen

— Beklagter —

erlässt der Vorsitzende der 9. Kammer, Richter am Sozialgericht , ohne
mündliche Verhandlung am 28. Oktober 2016 folgenden
Beschluss:

I. Der Beklagte hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tra-
gen.

II. Die Beschwerde ist ausgeschlossen.

-2— S 9 SO 5/15

Gründe:

Der Kläger begehrte ursprünglich in der Hauptsache die Verbescheidung eines Antrags
auf Akteneinsicht durch Übersendung von Kopien.

Mit Telefax vom 26.07.2014 beantragte der Kläger beim Beklagten, über seinen „Antrag
auf Akteneinsicht durch Übersendung von Kopien gegen angemessene Kostenerstattung,
im Umfang wie es sich aus seinem Schreiben vom 28.08.2012, 24.12.2012, 01.01.2013
und vom 25.08.2013 sowie seinem Schreiben vom 13.06.2014 an das Sozialgericht Re—
gensburg zum Verfahren S 16 SO 61/13 ergebe, nach pflichtgemäßem Ermessen zu ent-
scheiden.“

Nachdem der Kläger den Beklagten mit Telefax vom 31.12.2014 an seinen Antrag vom
26.07.2014 auf Ermessensentscheidung (sowie „in Zweitschrift“ am 01.09.2014) erinnerte,
„weil er noch keine Entscheidung sowie eine sonstige Nachricht hierüber erhalten habe“,
hat der Kläger am 09.01.2015 wegen Nichtbescheidung seines Antrags vom 26.07.2014
Klage erhoben.

Mit Beschluss vom 09.02.2015 hat das Sozialgericht die vom Kläger beantragte Bewilli—
gung von Prozesskostenhilfe mit Rechtsanwaltsbeiordnung abgelehnt. Auf die hiergegen
eingelegte Beschwerde hat das Bayerische Landessozialgericht mit Beschluss vom
15.07.2016, Az. L 8 SO 57/15 B PKH, den Sozialgerichtsbeschluss vom 09.02.2015 auf-
gehoben und dem Kläger Prozesskostenhilfe mit Rechtsanwaltsbeiordnung bewilligt. In
den Gründen heißt es auszugsweise, dass es jedenfalls im Zeitraum 26.01.2015 bis
09.02.2015 nicht unvertretbar gewesen sei, Untätigkeit des Beklagten anzunehmen und
jedenfalls für diesen Zeitraum eine hinreichende Erfolgsaussicht der Untätigkeitsklage an—
genommen werden könne.

Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 11.08.2016 erklärt der Kläger das Verfahren in der
Hauptsache für erledigt. Er meint, dass der Beklagte durch seine Untätigkeit Anlass zur
Klageerhebung gegeben habe und beantragt gemäß § 193 Abs. 1 S. 3 SGG,
eine Kostenentscheidung zulasten des Beklagten.

—3— S 9 SO 5/15

Der Beklagte stellt keinen Antrag

und äußert sich auch nicht zur beantragten Kostenentscheidung.

Im Übrigen wird Bezug auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte genommen.

Endet ein Verfahren anders als durch Urteil, nämlich wie hier durch als Rücknahme aus-
zulegende Erledigungserkiärung, so entscheidet gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialge-
richtsgesetz (SGG) das Gericht auf Antrag durch Beschluss, ob und in welchem Umfang
die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Vorliegend hat der Kläger eine Kos—
tenentscheidung beantragt und das Verfahren hat sich anders als durch Urteil, nämlich
durch Rücknahme, erledigt.

Diese Kostenentscheidung ist grundsätzlich unter Berücksichtigung des bisherigen Sach—
und Streitstandes nach billigem Ermessen zu treffen. Dabei ist nach allgemeiner Ansicht
sowohl Raum für die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Antrags im Zeitpunkt
der Erledigung der Hauptsache als auch der Gründe, die zur Klageerhebung sowie zur
Erledigung geführt haben (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum
SGG, 11. Auflage, § 193 Rn. 13). Bei Erledigung einer Untätigkeitsklage gilt zudem, dass
der Kläger in der Regel keinen Kostenersatz erhält, wenn die Klage vor Ablauf der Sperr—
frist erhoben wurde und vor Ablauf der Sperrfrist auch ein entsprechender Verwaltungsakt
ergeht, demgegenüber aber der Beklagte grundsätzlich die außergerichtlichen Kosten der
Klägers zu erstatten hat, sofern die Klage nach den in § 88 SGG genannten Sperrfristen
erhoben wurde, sofern nicht der Beklagte einen zureichenden Grund für die Untätigkeit
hatte und diesen Grund dem Kläger mitgeteilt hatte oder er ihr bekannt war (Leitherer in:
Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 193 Rn. 13c).

Ausgehend von einem am 26.07.2014 beim Beklagten eingegangenem Antrag des Klä-
gers, war die sechsmonatige Frist zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 09.01.2015 noch
nicht abgelaufen. Allerdings teilte der Beklagte erst mit Ablauf der Sechsmonatsfrist am
26.01.2015 mit Schreiben vom 09.02.2015 mit, dass dem Kläger die gewünschten Auszü-
ge aus der Verwaltungsakte in Kopie zur Verfügung gestellt würden, sobald der Kläger
mitteilte, welche Teile er kopiert haben wolle.

-4- S 9 SO 5/15

Vor diesem Hintergrund entspricht es billigem Ermessen, dem Beklagten die Hälfte der
außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen.

Der Ausschluss der Beschwerde ergibt sich aus § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG.

Der Vorsitzende der 9. Kammer

Richter am Sozialgericht

Faksimile  1   2   3   4 

... link (0 Kommentare)   ... comment


1 BVR 2124/09 vom 30.09.2009
Ausfertigung

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

-1 BVR 2124/09 -

In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde

gegen a) den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz
vom 27. Juli 2009 - S 5 AS 1770/09 —‚

b) den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz
vom 28. Mai 2009 - S 10 AS 3718/08 ER -

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin H...
und die Richter G... ,
K...
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekannt-
machung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 30. September 2009 einstimmig beschlossen:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung
angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die
Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Sie hat kei-
ne hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil sie unzulässig ist.

Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht bereits der Grundsatz der
Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde entgegen. Dieser Grundsatz fordert
über die formelle Erschöpfung des Rechtsweges hinaus, dass der Beschwerde—
führer die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur
der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erreichen oder diese gar zu
verhindern (vgl. BVerfGE 79, 275 <278 f.>; 104, 65 <70>; BverfGK 10, 265
<267>). Daher ist auch die Erschöpfung des Rechtsweges in der Hauptsache
grundsätzlich geboten, wenn dort nach der Art des gerügten Grundrechtsversto-
ßes die Gelegenheit besteht, der verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen
(vgl. BVerfGE 79,275 <279>; 86, 15 <22>; 104, 65 <70 f.>; BVerfGK 10, 265
<267 f.>). Letztinstanzliche gerichtliche Entscheidungen im Verfahren des einst-
weiligen Rechtsschutzes können nur in Ausnahmefällen zulässigerweise mit der
Verfassungsbeschwerde angegriffen werden (vgl. BVerfGK 10, 227 <230>). Die
Notwendigkeit, vorab das Klageverfahren durchzuführen, entfällt allerdings, wenn
dies für den Beschwerdeführer nicht zumutbar ist (vgl. BVerfGE 79, 275 <278 f.>;
104,65 <70 f.>; BVerfGK 5, 237 <241>).

Eine solche Unzumutbarkeit ist hier nicht ersichtlich. Insbesondere folgt sie
nicht ohne weiteres aus dem Umstand, dass die dem Beschwerdeführer gewähr-
ten Leistungen wiederholt nach § 31 SGB II abgesenkt worden sind. Es kommt
vielmehr auf den jeweiligen Einzelfall an. Dabei muss auch Berücksichtigung fin—
den, ob es um Leistungen für die Gegenwart (vgl. BVerfGK 5, 237 <241>) oder für
die Vergangenheit geht. Die Verfassungsbeschwerde legt nicht dar, dass hier ein
Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar ist, obwohl der Be-
schwerdeführer Leistungen lediglich für die Vergangenheit begehrt.

Die Verfassungsbeschwerde ist im Übrigen auch nicht hinreichend begründet
(§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Sie zeigt die Möglichkeit einer Grundrechts—
verletzung nicht substantiiert auf und setzt sich insbesondere mit dem Umfang des
aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Anspruchs auf vorläufigen Rechtsschutz nicht
auseinander. Zwar gebietet Art. 19 Abs. 4 GG die Gewährung vorläufigen Rechts—
schutzes durch die Fachgerichte in Fällen, in denen ansonsten schwere und un-
zumutbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Ent-
scheidung in der Hauptsache nicht in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 94, 166 <216>;
BVerfGK 5, 237 <241>)‚ bzw. in denen eine erhebliche und nicht wiedergutzuma—
chende Verletzung von Grundrechten drohen würde (vgl. BVerfGE 93, 1 <13 f.>;
94, 166 <216>). Dies schließt aber gerade nicht aus, dass auch die Fachgerichte
im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens berücksichtigen, dass um
Leistungen für die Vergangenheit gestritten wird.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG
abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

H... G... K...

Amtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
des Bundessverfassungsgerichts

Faksimile  

... link (0 Kommentare)   ... comment


Freitag, 17. März 2017
Anrechnungsfreie Nachzahlung bei widerrechtlicher Sanktion
Gekürzte Chronologie
der Petition Pet 4-18-11-81503-021496
Anrechnungsfreie Nachzahlung bei widerrechtlicher Sanktion
Kurzfassung der Petition

(mit der Bitte um Veröffentlichung)

Titel Sozialrecht “Anrechnungsfreie Nachzahlung bei widerrechtlicher Minderung"

Seite2

Wortlaut der Petition

Es wird folgender § 31a Abs. 5 SGB II eingefügt

(5) Erweisen sich Minderungen als zu Unrecht vorgenommen oder wurde zu Unrecht auf andere als Geldleistungen verwiesen, sind die Geldleistungen vollständig und anrechnungsfrei nachzuentrichten.

Anm.: Die Einzelheiten der Nachentrichtung richten sich nach den Normen des SGB I und SGB X, etwa die Verzinsung nach § 44 SGB I. Dienst- und Sachleistung sind im SGB II nach § 4 SGB II grundsätzlich möglich, jedoch die Ausnahme (etwa § 24 Abs. 2 SGB II).

Begründung

Gesetzgeberische Absicht ist, dass auch Hilfebedürftige vorrangig zu selbständigem Wirtschaften angehalten werden sollen. Der Handel mittels Zahlungsmittel ist die dominierende Warenaustauschform und somit hat jede Abweichung hiervon ein erhöhtes Stigmatisierungsrisiko. Die Dispositionsfreiheit (§ 20 SGB II, Art 2 Abs. 1 GG), das heißt das Recht auf dem gesamten Markt das bevorzugte Angebot selbst wähen zu können, kann nur mit allgemein geltenden Zahlungsmittel zur Entfaltung gelangen.

Einschränkungen gelten im Fall sogenannter Sanktionen. In diesem Fall sollen Geldleistung teilweise oder vollständig gestrichen werden, können und soll das Existenzminimum durch andere Leistungsformen gesichert werden. Wie oben dargelegt ergibt sich, dass im Wertesystem der Grundsicherung ein solcher Verweis auf Nichtgeldleistungen als belastend zu sehen ist. Die vorliegende Petition befasst sich nicht mit Sanktionen an sich. Gegenstand hier ist allein die Frage, wie in Fällen zu verfahren ist, in denen sich Sanktionen schlussendlich als rechtswidrig herausstellen oder generell ein Verweis auf Dienst- oder Sachleistungen, auch in Form etwa von Gutscheinen erfolgte, für die sich später ergibt, dass dieser rechtsgrundlos erging.

Derzeit ist die Situation so, dass zwar Nachzahlungen erfolgen, die Grundsicherungsträger aber hiergegen etwa den Nominalwert der zwischenzeitlich erteilten Gutscheine etwa für Lebensmittel gegenrechnen. Dass der zu Unrecht sanktionierte, durch den Entzug der Geldleistung de facto gezwungen war, diese anzunehmen, findet keine Berücksichtigung. Nimmt der zu Unrecht Sanktionierte die lebensnotwendigen Gutscheine an, wird ihm dies als Annahme an Erfüllungs statt gemäß § 364 Abs. 1 BGB vorgehalten (so auch Bayerisches Landessozialgericht, L 11 AS 654/14 vom 26.11.2014).

Ein Rechtsstaat ist dem Legalitätsprinzip und dem Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet. Besonders in Bereichen in denen er noch belastende Eingriffe am Existenzminimum vornimmt, muss er sich an höchsten Sorgfaltsmaßstäben messen lassen. Eine Nachentrichtung ist grundsätzlich geeignet die Belastung während Zeiten überdurchschnittlicher Einschränkung durch einen vergrößerten Freiraum in der Folgezeit wenigstens teilweise zu kompensieren.

Anregungen für die Forendiskussion

Eine im Einzelfall möglicherweise unbeabsichtigt auftretende Überkompensation - etwa wenn ein zu Unrecht Sanktionierter vorhatte in nächster Zeit besonders sparsam zu leben, um etwa für einen einmaligen Bedarf anzusparen - dürfe in der Praxis oft unnachweisbar sein und ist im Hinblick auf die grundrechtlich gebotene Gleichbehandlung und darauf, dass Unschuldige nichts zu befürchten haben sollen, hinzunehmen. Ohnehin verbleibt es bei einem hinzunehmenden Sonderopfer für die Allgemeinheit für diejenigen Personen, die zufällig gerade in der Zeit der zu Unrecht erlittenen Sanktion, besonderen Bedarf decken wollten, der nicht mehr ohne Weiteres nachgeholt werden kann. Beide Restrisiken der Lebensführung verbleiben. Es ist nicht einzusehen, warum der Staat sich des seinen einseitig zu Lasten Unschuldiger entledigen können sollte.
Schreiben des Petitionsausschusses vom 21.05.2015

Berlin, 21. Mai 2015

Bezug: Ihre Eingabe vom 1. Mai 2015

Arbeitslosengeld II

Sehr geehrter Herr ...,



hiermit bestätige ich den Eingang Ihrer Petition, mit der Sie fol-

gendes Anliegen vortragen:



Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass Hilfsbedürftige

zum selbständigen Wirtschaften angehalten werden sollen und

Geldleistungen vollständig und anrechnungsfrei bei unrechten

Minderungen nachzuentrichten sind.



Der Ausschussdienst, dem die Ausarbeitung von Vorschlägen für

den Petitionsausschuss obliegt, hat das von Ihnen vorgetragene

Anliegen sorgfältig geprüft.



Nach Prüfung aller Gesichtspunkte ist der Ausschussdienst zu

dem Ergebnis gekommen, dass eine Umsetzung Ihres Anliegens

angesichts der gegenwärtigen Handlungsprioritäten auf diesem

Gebiet ausgeschlossen erscheint. Diese Auffassung stützt sich

insbesondere auf folgende Erwägungen:



Die Nichtanrechnung der geleisteten Sachleistungen oder geld-

werten Leistungen würde zu einer rechtswidrigen Erhöhung des

Regelbedarfs führen.



Sofern Sie keine entscheidungserheblichen Bedenken gegen die

inhaltliche Bewertung Ihrer Eingabe vortragen, wird den Abge-

ordneten des Petitionsausschusses in sechs Wochen vorgeschla-

gen werden, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil Ihrem

Anliegen nicht entsprochen werden kann. Folgen der Ausschuss

und das Plenum des Deutschen Bundestages diesem Vorschlag,

erhalten Sie keinen weiteren Bescheid.



Seite 2



Weil Ihre Petition nicht den gewünschten Erfolg haben wird,

sieht der Ausschuss von einer Veröffentlichung auf der Internet-

seite des Petitionsausschusses ab. Diese Entscheidung erfolgte

auf der Grundlage der „Richtlinie für die Behandlung von öffent-

lichen Petitionen“ (Pkt. 4e) gemäß Ziffer 7.1 (4) der Verfahrens-

grundsätze, die unter www.bundestag.de/Petitionen veröffent-

licht sind.



Personenbezogene Daten werden unter Wahrung des Datenschut-

zes gespeichert und verarbeitet.



Mit freundlichen Grüßen


Schreiben des Petenten vom 10.06.2015

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit erhebe ich Bedenken gegen Ihr in obigem Schreiben angekündigtes Vorgehen.

Soweit Sie ausführen

… hiermit bestätige ich den Eingang Ihrer Petition, mit der Sie folgendes Anliegen vortragen:

Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass Hilfsbedürftige zum selbständigen Wirtschaften angehalten werden sollen …

ist dies unrichtig.

Zwar ist ein ähnlicher Passus in der Begründung enthalten, allerdings eben dort und nicht im Wortlaut der Petition. Er dient überdies dort ersichtlich nicht zur weiteren Ausformulierung des Petitionsbegehrens, sondern zur Beschreibung des status quo, denn er lautet

Gesetzgeberische* Absicht ist, dass auch Hilfebedürftige vorrangig zu selbständigem Wirtschaften angehalten werden sollen.

Da dies überdies bereits lege lata ist, vergleiche etwa § 20 SGB II

Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

wäre eine hierauf gerichtete Petition ohnehin im Wesentlichen sinnlos, da nicht mehr erreicht werden muss, was schon der Fall ist.

Im Wesentlichen richtig hingegen ist, dass die Petition erreichen soll, dass Geldleistungen bei unrechten Minderungen wenigstens vollständig und anrechnungsfrei nachzuentrichten sind. Hierzu hat der Petent auch eine konkrete Gesetzesformulierung vorgeschlagen, verschließt sich jedoch nicht Alternativen mit gleicher Wirkung.

Weiter führen Sie aus

Nach Prüfung aller Gesichtspunkte ist der Ausschussdienst zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Umsetzung Ihres Anliegens angesichts der gegenwärtigen Handlungsprioritäten auf diesem Gebiet ausgeschlossen erscheint. Diese Auffassung stützt sich insbesondere auf folgende Erwägungen:

Die Nichtanrechnung der geleisteten Sachleistungen oder geldwerten Leistungen würde zu einer rechtswidrigen Erhöhung des Regelbedarfs führen.

Zunächst stellt der Petent hiermit klar, dass er sich mit seiner Petition an den deutschen Bundestag in seiner Funktion als demokratischer Gesetzgeber wendet. Schon deswegen ist der Vorwurf, der Petent fordere Rechtswidriges ohne jeden Sinn, insbesondere selbst dann, wenn der Vorschlag tatsächlich geltendem Recht widersprechen würde, denn es steht dem Gesetzgeber grundsätzlich zu, eben dieses geltende Recht jederzeit außer Kraft zu setzen, wenn er es für tunlich hält.

Es ist im Übrigen auch nicht erkennbar, dass der Vorschlag geltendem Recht widersprechen würde. Vielmehr wendet er sich gegen eine bestimmte Rechtsauslegung. Die Behauptung, die Nichtanrechnung der geleisteten Sachleistungen oder geldwerten Leistungen würde zu einer rechtswidrigen Erhöhung des Regelbedarfs führen, wird vom Petitionsausschuss nicht weiter begründet und ist nicht nachvollziehbar. Gemäß § 20 SGB II steht dem Hilfebedürftigen ein Geldbetrag als Pauschale zu

Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; ...

diesen hat er nicht oder nicht im vollen Umfang erhalten, wenn er eine widerrechtliche Sanktion zu erdulden hatte. Ob daneben Sachleistungen erbracht wurden ist für die Erfüllung dieses Anspruchs zunächst irrelevant.

Wie bereits in der Petition dargelegt, beruht die rechtliche Bewertung, die zur Anrechnung führt, darauf, dass dem zu Unrecht Sanktionierten vorgeworfen wird, er hätte die Gutscheine angenommen. Das überzeugt jedoch nicht, da die Beantragung und die Annahme dieser Gutscheine durch vis compulsiva (etwa bei Lebensmittelgutscheinen durch Hunger) oder der Drohung damit erzwungen wurde und wie sich herausgestellt hat, dies alles keine hinreichende Rechtsgrundlage hatte.

Der Verweis des Petitionsausschusses auf „gegenwärtigen Handlungsprioritäten“ ist unverständlich, denn weder wird gesagt, was diese Handlungsprioritäten wären, noch warum sie zwangsläufig einer Umsetzung des Begehrens des Petenten entgegenstehen.

Der Petent hält daher seine Bitten im vollen Umfang aufrecht und bittet um Entscheidung hierüber.
Schreiben des Petitionsausschusses vom 07.01.2016

Berlin, 7. Januar 2016

Bezug: Ihre Eingabe vom 1. Mai 2015:

Anlagen: 1

Kersten Steinke, MdB
...

Sehr geehrter Herr ...,

der Deutsche Bundestag hat Ihre Petition beraten und am
17. Dezember 2015 beschlossen:

Das Petitionsverfohren abzuschließen.

Er folgt damit der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
(ET—Drucksache 18/7067), dessen Begründung beigefügt ist. '

Mit dem Beschluss des Deutschen Bundestages ist das
Petitionsverfahren beendet.

Mit freundlichen Grüßen

Kersten Steinke


— 140 — Prot. Nr. 18/51

Pet4-18-11-81503f021496 84069 Schierling

Arbeitslosengeld II

Beschlussempfehlung

Das Petitionsverfahren abzuschließen.

Begründung

Der Petent fordert, dass Geldleistungen vollständig und anrechnungsfrei
nachzuentrichten sind, sofern sich Minderungen als zu Unrecht vorgenommen
erweisen oder zu Unrecht auf Dienst- oder Sachleistungen verwiesen wurde.

Zur Begründung trägt der Petent im Wesentlichen vor, der Handel mittels Zahlungs-
mittel sei die dominierende Warenaustauschform und somit habe jede Abweichung
hiervon ein erhöhtes Stigmatisierungsrisiko. Einschränkungen gebe es im Falle von
Sanktionen. Dabei könne auf Nichtgeldleistungen verwiesen werden.

Stelle sich später heraus, dass der Verweis auf Dienst— oder Sachleistungen rechts—
grundlos ergangen sei, erfolgten zwar die Nachzahlungen, doch werde der Nominal—
wert der zwischenzeitlich erteilten Gutscheine etwa für Lebensmittel gegengerech—
net. Die erzwungene Annahme der Gutscheine werde dem Leistungsempfänger
nach höchstrichterlicher Rechtsprechung als Annahme an Erfüllung statt gemäß §
364 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entgegengehalten. Eine Nachentrich-
tung sei geeignet, die vorherige Belastung wenigstens teilweise zu kompensieren.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die vom Petenten
eingereichten Unterlagen verwiesen.

Der Bitte des Petenten um Veröffentlichung seiner Eingabe auf der Internetseite des
Deutschen Bundestages hat der Ausschuss nicht entsprochen.

Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Der Staat ist nach Art. 1 Abs. 1 sowie dem Sozialstaatsgebot nach Art. 20 Abs. 1
Grundgesetz verpflichtet, mittellosen Bürgern die Mindestvoraussetzungen für ein

- 141 — Prot. Nr. 18/51

noch Pet 4-18-11-81503-021496

menschenwürdiges Dasein erforderlichenfalls durch Sozialleistungen zu sichern. lm
Rahmen der Entscheidung, in welchem Umfang Fürsorgeleistungen unter Berück-
sichtigung vorhandener Mittel und anderer gleichwertiger Staatsaufgaben gewährt
werden können, ist dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet.

Der Gesetzgeber hat sich entschieden, mit der Grundsicherung für Arbeitssuchende
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) eine steuerfinanzierte staatliche
bedarfsorientierte und bedürftigkeitsabhängige reine Fürsorgeleistung zur Sicherung
des Lebensunterhaltes des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der mit ihm in Be-
darfsgemeinschaft zusammenlebenden Angehörigen einzurichten. Er hat es dabei
mit den Grundsätzen eines aus Steuermitteln finanzierten Fürsorgesystems für nicht
vereinbar gehalten, höhere Leistungen zu gewähren, als für die Sicherung des Exis—
tenzminimums notwendig wären.

Liegen Pflichtverletzungen des Leistungsberechtigten vor, ist in § 31a Absätze 3 und
4 SGB II vorgesehen, die Leistungen in Sachleistungen oder geldwerten Leistungen
zu erbringen. Sind die Sanktionen zu Unrecht erfolgt, werden die Geldleistungen .
nachgezahlt, wobei die bereits in anderer Form erbrachten Leistungen angerechnet
werden müssen, da eine Nichtanrechnung zu einer rechtswidrigen Erhöhung des
Regelbedarfs führen würde. Dies wäre, wie bereits ausgeführt, mit den Interessen
des Steuerzahlers nicht zu vereinbaren.

Der Ausschuss hält die geltende Rechtslage für sachgerecht und vermag eine
Rechtsänderung im Sinne der Eingabe nicht zu unterstützen. Der Petitionsausschuss
empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht ent—
sprochen werden konnte.

Der von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellte Antrag, die Petition der
Bundesregierung — dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales — als Material zu
überweisen, ist mehrheitlich abgelehnt worden.

Anmerkungen

*) Der Schreibfehler im Original „Gesetzgeberischen Absicht ist, dass auch Hilfebedürftige vorrangig zu selbständigem Wirtschaften angehalten werden sollen.“ wurde korrigiert.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Freitag, 17. März 2017
Ablösung der Erreichbarkeitsanordnung (EAO) durch § 7 Abs. 4a SGB II
Gekürzte Chronologie der Petition zur Ablösung der Erreichbarkeitsanordnung (EAO) durch § 7 Abs. 4a SGB II
Petition vom 14.06.2015

Petition an den Deutschen Bundestag

(mit der Bitte um Veröffentlichung)

Seite2

Wortlaut der Petition

Der Deutsche Bundestag möge beschließen ...

1. Gesetzesänderung

§ 77 Abs. 1 SGB II wird mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Demzufolge tritt § 7 Abs 4a SGB II mit
sofortiger Wirkung in Kraft.

2. ad-hoc Regelung zum weiteren Verfahren

Die zuständigen Träger nach dem SGB II entscheiden nach pflichtgemäßem Ermessen, ob ein wichtiger
Grund vorliegt und die Eingliederung in Arbeit nicht beeinträchtigt wird.

Begründung

Die Regelungen zur Ortsabwesenheit Erwerbsfähiger die sich vormals an der Erreichbarkeits-Anordnung vom
23. Oktober 1997 orientierten, haben sich im SGB II als von geringer Brauchbarkeit erwiesen und führten
stattdessen zu zahlreichen auch schwerwiegenden Problemen in der Praxis, bis hin zum unüberwindlichen
Hindernis für die Eingliederung in Arbeit, die die Vorschrift eigentlich fördern sollte. Der Gesetzgeber hat
dies längst erkannt und durch Artikel 2 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des
Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 BGBl. I S. 453 den § 7 Abs. 4a SGB II von
Grund auf neu gefasst. Bedauerlicherweise läuft diese Nachbesserung leer.

Nach § 77 Abs. 1 SGB II gilt die alte, inferiore Fassung weiter, da bisher die geforderte Rechtsverordnung
nach § 13 Abs. 3 SGB II nicht erlassen wurde. Ein Grund, durch diese, als Übergangsregelung gedachte
Norm, auf Dauer die von vielen Seiten dringend gewünschte Ablösung der Erreichbarkeits-Anordnung durch
eine moderne, zweckmäßige Regelung zu blockieren, ist schon lange nicht mehr erkennbar.

Wiewohl eine einheitliche Rechtsverordnung im Grundsatz ein erstrebenswertes Ziel ist, ist aufgrund von
deren anhaltendem Fehlen die Vorschrift des § 77 Abs. 1 SGB II zum Hemmschuh geworden. Indem die
zuständige Behörde ihr im Einzelfall auszuübendes Ermessen konsequent an dem in § 7 Abs 4a SGB II zum
Ausdruck kommenden Ziel der Vermeidung von Eingliederungshemmnissen ausrichtet, ist dieser für eine
Übergangszeit, bis eine Rechtsverordnung erlassen wird, auch alleine besser geeignet den Gesetzeszweck zu
erfüllen. Die Erreichbarkeits-Anordnung ist bereits jetzt obsolet.

Sinnvoll wäre weiter, wenn die Behörde die Zustimmung auch im Nachhinein und von Amts wegen erteilen
kann. Beantragende von Leistungen nach dem SGB II sind darüber zu belehren, dass sie eine Zustimmung
frühzeitig beantragen sollen. Leistungsberechtigte, die vor Abwesenheit die Zustimmung beantragen, sollen
eine Entscheidung hierüber möglichst frühzeitig erhalten. Die Rechtsverordnung kann diese oder andere Wege
gehen. Mit ihrem in Kraft treten entfällt die ad hoc Regelung.

Anregungen für die Forendiskussion

Seite3

Einer weiteren, noch darüber hinausgehenden Verbesserung durch die Rechtsverordnung, deren
Erwünschtheit die Petition nicht angreift, wird entgegengesehen. Es besteht jedoch kein Grund den jetzigen,
vom Gesetzgeber schon lange als unsinnig bis hin zum im Einzelfall untragbar erkannten Zustand nur
deswegen fortbestehen zu lassen, weil die durch Sofortaufhebung des § 77 Abs. 1 SGB II erzielbare
Verbesserung "nur" spürbar, aber noch nicht perfektioniert ist. Es handelt sich um eine ohne Weiteres und
sofort durchführbare Novellierung, die spätere, weitere Verbesserungen nicht blockiert.

Der Regelfall ist die vollständige Klärung vor Inanspruchnahme der Ortsabwesenheit. Für Fälle, in denen dies
nicht möglich ist, etwa wegen unvorhersehbarer Ereignisse, muss eine Möglichkeit zu nachträglicher
Zustimmung bestehen. Um unproblematische Fälle unbürokratisch zu erledigen, kann die Behörde die
Zustimmung von sich aus ohne Weiteres erteilen.
Schreiben des Petitionsausschusses vom 15.07.2015

Berlin. 15. Juli 2015

Arbeitslosengeld II

Pet 4-18-11-81503-022397 (Bitte bei allen Zuschriften angeben)

Sehr geehrter Herr ...,

hiermit bestätige ich den Eingang Ihrer Petition mit der ID-
Nummer: 59392.

Von der von Ihnen gewünschten Veröffentlichung Ihrer Eingabe
wurde abgesehen, da sich bereits eine sachgleiche Petition in der
parlamentarischen Prüfung befindet.

Sie finden diese auf unserer Homepage
www.bundestag.de/Petitionen unter der ID-Nummer 53758.

Ihre Petition wird deshalb als Mehrfachpetition zu dieser
Leitpetition behandelt und mit ihr Zusammen geprüft. Zu
gegebener Zeit erhalten Sie eine abschließende Nachricht. Bis
dahin bitte ich um Geduld.

Personenbezogene Daten werden unter Wahrung des Daten-
schutzes gespeichert und verarbeitet.

Auf das geänderte Aktenzeichen weise ich hin.
Mit freundlichen Grüßen
Schreiben an den Petitionsausschusses vom 22.07.2015

Sehr geehrte Damen und Herren,

in Ihrem oben genannten Schreiben führen Sie aus

Von der von Ihnen gewünschten Veröffentlichung Ihrer Eingabe wurde abgesehen, da sich bereits eine sachgleiche Petition in der parlamentarischen Prüfung befindet.

Sie finden diese auf unserer Homepage www.bundestag.de/Petitionen unter der ID-Nummer 53758.

Es ist richtig, dass die Petition mit der ID-Nummer 53758 ebenso wie die vorliegende Petition sich mit der Ortsanwesenheitspflicht von Beziehern von Arbeitslosengeld II befasst. Allerdings gibt der Petent zu bedenken, dass sich hiermit die Gemeinsamkeiten wohl schon erschöpft haben dürften. Dies sollte klar werden, wenn man sich etwa vergegenwärtigt, zu was eine Umsetzung der jeweiligen Petition durch den Deutschen Bundestag führen würde. Im Fall der Petition mit der ID-Nummer 53758 würden damit § 7 Abs 4a SGB II nie in Kraft treten, sondern die Pflichten wären völlig aufgehoben, die Ortsabwesenheit ungeregelt und dem jeweiligen Betroffenen überlassen. Die vorliegende Petition dagegen würde, gerade im Gegenteil dazu, zum Inkraftreten von § 7 Abs 4a SGB II führen.

Beiliegend übersendet der Petent zur Verdeutlichung eine reformulierte Version der Petition.
Schreiben des Petitionsausschusses vom 03.09.2015

Berlin, 3. September 2015
Bezug: Ihr Schreiben vom,
22. Juli 2015

Arbeitslosengeld II
Pet 4-18-11-81503-022397 (Bitte bei allen Zuschriften angeben)

Sehr geehrter Herr ...,

ich bestätige den Eingang Ihres Schreibens.

Angesichts der Rechtslage kann bedauerlicherweise nichts weiter
in Ihrer Angelegenheit veranlasst werden.

Nach abschließender Behandlung werden Sie unaufgefordert un-
terrichtet.

Mit freundlichen Grüßen
Schreiben des Petitionsausschusses vom 30.03.2016

Berlin. 30. März 2016

Bezug: Ihre Eingabe vom

14. Juni 2015; Pet 4-18-11—81503—022397

Anlagen: 1

Sehr geehrter Herr ...,

der Deutsche Bundestag hat Ihre Petition beraten und am
17. März 2016 beschlossen:

Das Petitionsverfahren abzuschließen.

Er folgt damit der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
(BT—Drucksache 18/7900). dessen Begründung beigefügt ist.

Mit dem Beschluss des Deutschen Bundestages ist das
Petitionsverfahren beendet.

Mit freundlichen Grüßen

- 94 - I Prot. Nr. 18/56

Pet4-18—11—81503v

Arbeitslosengeld II

Beschlussempfehlung

Das Petitionsverfahren abzuschließen.

Begründung

Mit der Petition wird gefordert, die Ortsanwesenheitsregelung für Arbeitslosengeld II-
Bezieher aufzuheben.

Zur Begründung wird im Wesentlichen angeführt, dass Arbeitslose täglich ihren
Briefkasten kontrollieren müssten und ihren Wohnort nicht verlassen dürften, um auf
Bewerbungsangebote schnell reagieren zu können. Im Zeitalter elektronischer Kom-
munikationsmöglichkeiten sei dies nicht mehr erforderlich, für Bewerbungsangebote
auf die nach eigener Ansicht unzuverlässige und langwierige Postzustellung zuwar—
ten. Dank moderner Verkehrsmittel sei es Arbeitslosen auch jederzeit möglich, am
nächsten Morgen an jedem beliebigen Ort in Deutschland zur Bewerbung anzutre-
ten.

Zudem seien Selbstständige von der Regelung zu befreien, da für diese Gruppe die
Grundlage, auf der die Ortsanwesenheitspflicht aufbaue, ohnehin nie bestanden ha-
be. Selbstständige würden ansonsten in ihrer beruflich notwendigen Flexibilität be—
hindert.

Dem Petitionsausschuss liegen zu diesem Thema mehrere Eingaben mit verwandter
Zielsetzung vor, die wegen des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen parla-
mentarischen Prüfung unterzogen werden. Es wird um Verständnis gebeten, dass
nicht auf alle der vorgetragenen Aspekte im Einzelnen eingegangen werden kann.

Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Petitionsaus—
schusses eingestellt. Sie wurde von 236 Mitzeichnern unterstützt. Außerdem gingen
53 Diskussionsbeiträge ein.

- 95 - Prot. Nr. 18/56

noch Pet4-18-11-81503-

Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter anderem unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten
Aspekte wie folgt zusammenfassen:

Nach § 7 Abs. 4 a Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhält keine Leistungen,
wer sich ohne Zustimmung des zuständigen Trägers außerhalb des zeit— und ortsna—
hen Bereiches aufhält. Die Bestimmungen der grundsätzlich für den Bereich der Ar-
beitslosenversicherung erlassenen Erreichbarkeitsanordnung (EAO) vom
23. Oktober 1997, geändert durch Anordnung vom 16. November 2001, gelten ent-
sprechend.

Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, möglichst zu vermeiden, dass die Abwesen-
heit Einfluss auf die berufliche Eingliederung hat. Leistungsberechtigte sollen den
Eingliederungsbemühungen zur Verfügung stehen. Mit § 1 EAO wird die Pflicht eines
Arbeitslosen — und über § 7 Abs. 4 a SGB II auch des arbeitslosen erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen —— geregelt, sicherzustellen, dass er an Werktagen durch Briefpost
erreichbar sein muss. Eine Erreichbarkeitspflicht an Tagen, die keine Werktage sind,
wäre nicht erfüllbar, da an solchen Tagen keine Briefpost ausgeliefert wird. Insoweit
ist es konsequent, die Erreichbarkeitspflicht nur für Werktage zu regeln. Der Aufent—
halt innerhalb dieses Bereiches ist nach § 1 Abs. 1 EAO insbesondere erforderlich,
um Mitteilungen der Agentur für Arbeit persönlich zur Kenntnis zu nehmen, das Ar—
beitsamt aufzusuchen, mit einem möglichen Arbeitgeber oder Träger einer berufli-
chen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und bei Bedarf persönlich
mit diesem zusammenzutreffen oder eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen‚ oder
an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen. Dabei ist es nicht aus-
geschlossen, dass Vorstellungstermine auch an Sonn- und Feiertagen wahrge—
nommen werden könnten, insbesondere in Berufen, in denen Arbeit an solchen Ta-
gen üblich ist. Darüber hinaus haben die eigenständigen Bemühungen um Eingliede—
rung (z. B. das Verfassen von Bewerbungen) ohnehin auch unabhängig von der Öff-

- 96 - Prot. Nr. 18/56

noch Pet 4-18-11-81503

nungszeit der Agentur für Arbeit bzw. des zuständigen Trägers der Grundsicherung
für Arbeitsuchende zu erfolgen.

In § 7 Abs. 4 a SGB II wird aber auch das Recht geregelt, sich außerhalb des zeit-
und ortsnahen Bereiches aufzuhalten. Möchte ein Arbeitsloser den zeit- und ortsna-
hen Bereich verlassen, kann dies zu einer Beeinträchtigung der beruflichen Einglie—
derung führen. Das vorherige Zustimmungserfordernis dient daher dazu, dass durch
den zuständigen Träger abgeklärt wird, ob eine solche Beeinträchtigung durch die
Abwesenheit droht. Ist dies nicht der Fall, steht die Abwesenheit der Verfügbarkeit —
und damit dem Leistungsanspruch — "bis zu drei Wochen im Kalenderjahr" nicht
entgegen. Diese Formulierung begünstigt die Betroffenen. Dem Arbeitslosen wird
ermöglicht, sich für einen zusammenhängenden Zeitraum von bis zu drei Wochen
außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches aufzuhalten. Dafür ist es unerheblich,
ob ein Zeitraum von "18 Werktagen" oder von "drei (Kalender-) Wochen" geregelt
wird. Möchte der Arbeitslose hingegen von seinem Recht in mehreren Teilzeiträumen
Gebrauch machen, hat er durch die getroffene Regelung je nach Aufteilung der Orts—
abwesenheitszeiten die Möglichkeit, sich an bis zu 21 Werktagen außerhalb des zeit-
und ortsnahen Bereiches aufzuhalten.

Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn für den Aufenthalt außerhalb des zeit- und
ortsnahen Bereichs ein wichtiger Grund vorliegt und die Eingliederung in Arbeit nicht
beeinträchtigt wird. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, bei Teilnahme an ei—
ner ärztlich verordneten Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation,
bei Teilnahme an einer Veranstaltung, die staatspolitischen, kirchlichen oder gewerk-
schaftlichen Zwecken dient oder sonst im öffentlichen Interesse liegt oder bei Aus-
übung einer ehrenamtlichen Tätigkeit.

Die Zustimmung kann auch erteilt werden, wenn für den Aufenthalt außerhalb des
zeit— und ortsnahen Bereichs kein wichtiger Grund vorliegt und die Eingliederung in
Arbeit nicht beeinträchtigt wird. Hierbei soll die Dauer der Abwesenheit in der Regel
insgesamt 3 Wochen im Kalenderjahr nicht überschritten werden.

- 97 - Prot. Nr. 18/56

noch Pet4-18-11-81503

Dem Vortrag, dass eine elektronische Erreichbarkeit ausreichend sei, kann nicht ge-
folgt werden.

Die Umstellung des bisher praktizierten Verwaltungsverfahrens würde voraussetzen,
dass jede erwerbsfähige leistungsberechtigte Person über entsprechende technische
Geräte zum Empfang elektronischer Nachrichten verfügt. Die Anschaffung solcher
Geräte ist in der Regel mit Kosten verbunden. Zusätzlich fallen in der Regel auch
monatliche Nutzungsentgelte an. Die Zustellung mit der Briefpost ist hingegen für die
leistungsberechtigte erwerbsfähige Person kostenlos. Auch eine Nutzung elektroni—
scher Kommunikationswege auf ausdrücklichen Wunsch des Betroffenen kommt
nicht in Betracht. Es entspricht der Lebenswirklichkeit, dass der Empfang elektroni—
scher Nachrichten durch verschiedene Umstände eingeschränkt oder unmöglich sein
kann. So kann es bei einem Wechsel des Telekommunikationsanbieters für einen
bestimmten Zeitraum zu einer Unterbrechung der Empfangsmöglichkeiten kommen;
ausstehende Zahlungen ‚der Nutzungsentgelte (z. B. bei sogenannten „prepaid-
Verträgen“) können ebenfalls zur Nichterreichbarkeit führen. Es kann nicht Aufgabe
des Jobcenters sein, zuvor das Vorliegen der Empfangsvoraussetzungen zu prüfen
bzw. im Nachgang der Übermittlung, die erfolgreiche Datenübermittlung zu überprü-
fen.

Die Nutzung der Briefpost stellt demgegenüber ein für Bürger und Verwaltung rechts-
sicheres und transparentes Verfahren dar. Unabhängig von technischen Anforderun-
gen und Kosten ist die Nachrichtenübermittlung an die erwerbsfähige leistungsbe-
rechtigte Person sichergestellt.

Auch die Argumentation, dass erwerbsfähige Leistungsberechtigte von jedem Auf-
enthaltsort in Deutschland Aufforderungen zur Meldung im Jobcenter am nächsten
Werktag Folge leisten könnten, überzeugt nicht. Vielmehr dürfte ein erheblicher zeitli-
cher und finanzieller Aufwand erforderlich sein, um bei einem Aufenthalt außerhalb
des zeit- und ortsnahen Bereiches rechtzeitig das Jobcenter erreichen zu können.

Gerade eine zusätzliche finanzielle Belastung der erwerbsfähigen leistungsberechtig-

- 98 - Prot. Nr. 18/56

noch Pet4-18-11-81503

ten Person dürfte in der Regel im Hinblick auf deren Hilfebedürftigkeit problematisch
sein.

Zu der mit der Petition zusätzlich geforderten Aussetzung des Vollzugs der Regelung
in § 7 Absatz 4a SGB II bei selbständig Erwerbstätigen, die ergänzend Arbeits—
losengeld II beziehen, ist auf Folgendes hinzuweisen.

Nach geltender Rechtslage finden die Regelungen der EAO nur auf arbeitslose er-
werbsfähige Leistungsberechtigte Anwendung. Soweit die selbständig ausgeübte
Erwerbstätigkeit einen zeitlichen Umfang einnimmt, die zum Wegfall der Arbeitslosig-
keit führt, findet die EAO keine Anwendung. Gleichwohl unterliegen auch selbständig
Erwerbstätige mit ergänzendem Bezug von Arbeitslosengeld II weiterhin der Selbst-
hilfeverpflichtung. Sie sind trotz selbständiger Erwerbstätigkeit verpflichtet, alle Mög—
lichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen.
Dies bedeutet in der Regel, die selbständige Erwerbstätigkeit auszuweiten bzw. so
auszugestalten, dass sie wirtschaftlich tragfähig ist und die Hilfebedürftigkeit durch
die selbständige Tätigkeit innerhalb eines angemessenen Zeitraums dauerhaft über—
wunden wird. Sofern eine wirtschaftliche Tragfähigkeit nicht erreicht werden kann, ist
der betroffenen erwerbsfähigen‚ leistungsberechtigten Person auch die Aufgabe der
selbständigen Tätigkeit zugunsten einer abhängigen Beschäftigung zumutbar (vgl.
§ 10 Absatz 2 Nummer 5 SGB II). Das Jobcenter muss daher weiterhin die Möglich-
keit haben, die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person mit der Briefpost zu errei-
chen. Die betroffene leistungsberechtigte Person kann sich nicht darauf berufen, Auf—
forderungen und Mitteilungen des Jobcenters wegen Ortsabwesenheit nicht zur
Kenntnis nehmen und Aufforderungen nicht Folge leisten zu können. Im Zweifel ist
die betroffene leistungsberechtigte Person gehalten, ihre - auch beruflich bedingte
Abwesenheit - dem Jobcenter in geeigneter Weise anzuzeigen. Dies ermöglicht dem
Jobcenter die Versendung von Aufforderungen (z. B. Meldeaufforderungen) entspre—
chend dem Aufenthalt der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person an ihrem
Wohnort.

- 99 — Prot. Nr. 18/56 V

noch Pet 4—18-11—81503-

Erforderliche Abwesenheiten wegen der Ausübung der selbständigen Tätigkeit wer—
den von der Erreichbarkeitsanordnung nicht erfasst.

Abschließend ist anzumerken, dass die Regelung der Ortsanwesenheitspflicht keine
Freiheitsberaubung darstellt. Die Regelung ist nur mit Leistungsansprüchen verbun-
den, greift aber nicht in Art. 11 des Grundgesetzes ein.

Der Ausschuss hält die geltende Rechtslage für sachgerecht und vermag sich nicht
für die mit der Petition geforderte Gesetzesänderung auszusprechen.

Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil
dem Anliegen der Petition nicht entsprochen werden konnte.

Der von der Fraktion DIE LINKE. gestellte Antrag, die Petition der Bundesregierung —
dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales — als Material zu überweisen und
den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben, ist mehrheitlich
abgelehnt worden.
Petition vom 30.03.2016

Petition an den Deutschen Bundestag
(mit der Bitte um Veröffentlichung)

Seite2

Wortlaut der Petition

Der Deutsche Bundestag möge beschließen

1. Gesetzesänderung

§ 77 Abs. 1 SGB II wird mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Demzufolge tritt § 7 Abs 4a SGB II mit
sofortiger Wirkung in Kraft.

2. ad-hoc Regelung zum weiteren Verfahren

Die zuständigen Träger nach dem SGB II entscheiden nach pflichtgemäßem Ermessen, ob ein wichtiger
Grund vorliegt und die Eingliederung in Arbeit nicht beeinträchtigt wird.

Begründung

Die Petition entspricht wortgleich der Petition Pet 4181181503022397, die der Petent am 14.06.2015 beim
Deutschen Bundestag eingereicht hat. Der Petent verweist daher zur inhaltlichen Begründung seines Anliegens
auf die Darlegungen zu dieser Petition und beschränkt sich im Weiteren hier darauf, zu erläutern, warum er
mit der vorliegenden Petition sein Anliegen erneut dem Deutschen Bundestag vorträgt.

Mit Schreiben vom 15.07.2016 hat der Petitionsausschuss mitgeteilt, dass sich bereits die sachgleiche Petition
mit der IDNummer 53758 in der parlamentarischen Prüfung befinde und die eingereichte Petition als
Mehrfachpetition zu dieser Petition behandelt werde. Mit Schreiben vom 22.07.2015 hat der Petent darauf
hingewiesen, dass sich die Petitionen nur oberflächlich ähnlich sind und sich insbesondere in ihren möglichen
Auswirkungen wesentlich unterscheiden. Weiter hat er einen alternativen Vorschlag für eine umfangreichere
ad-hoc Regelung übersandt.

Mit Scheiben vom 30.03.2016 hat der Petitionsausschuss mitgeteilt, dass das Verfahren abgeschlossen wurde
und die Begründung der Beschlussempfehlung übersandt. Diese erläutert, warum es für erforderlich gehalten
wird, dass eine Erreichbarkeits- und Aufenthaltsregelung weiterhin besteht. Der Begründung ist indes keine
Auseinandersetzung mit dem Begehren der Petition Pet 4181181503022397 zu entnehmen, die gerade keine
völlig Abschaffung solcher Regelungen verlangt, sondern eher im Gegenteil wünscht, dass die im Gesetz
bereits bestehenden Regelungen hierzu in Kraft treten, indem die Übergangsvorschrift, die dies verhindert,
gestrichen wird.

Der Petent bittet daher den Deutschen Bundestag sich mit dem Kernanliegen seiner Petition, nämlich der oben
genannten Gesetzesänderung aus Nr. 1, zu befassen.
Schreiben des Petitionsausschusses vom 19.01.2017

Berlin, .19. Januar 2017
Bezug: Ihr Schreiben vom
21. Dezember 2016

Arbeitslosengeld II
Pet 4-18-11-81503-022397 (Bitte bei allen Zuschriften angeben)

Sehr geehrter Herr ...,

der Petitionsausschuss hat zum vorgetragenen Anliegen dem
Plenum des Deutschen Bundestages den Antrag vorgelegt, das
Petitionsverfahren abzuschließen. Das Plenum des Deutschen
Bundestages hat diese Beschlussempfehlung angenommen.
Damit ist Ihre Eingabe ordnungsgemäß behandelt worden.

Artikel 17 des Grundgesetzes gewährt nur einen Anspruch auf
eine einmalige sachliche Prüfung des gleichen Vorbringens
durch dieselbe Stelle.
Ich bitte daher um Verständnis, dass Ihr erneutes Schreiben, das
sich lediglich auf das bereits behandelte Anliegen bezieht, zu
keiner nochmaligen parlamentarischen Prüfung Anlass gibt.

Mit freundlichen Grüßen

... link (0 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 29. September 2016
3 RK 3/82 vom 23.03.1983, Bundessozialgericht
BSGE 55, 37, 38 ff [BSG 23.03.1983 - 3 RK 3/82] = SozR 2200 § 194 Nr 10

Bundessozialgericht

3 RK 3/82

Verkündet am

23. März 1983

Im Namen des Volkes

Urteil

in dem Rechtsstreit

Klägerin und Revisionsklägerin,
Prozeßbevollmächtigte:

gegen

Beklagte und Revisionsbeklagte,
Prozeßbevollmächtigter:

Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche
Verhandlung vom 23. März 1983
für Recht erkannt:

Auf die Sprungrevision der Klägerin wird das Urteil des
Sozialgerichts Dortmund vom 28. September 1981 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das
Sozialgericht zurückverwiesen.

- 2 -

Gründe:



I



Die Klägerin begehrt die Erstattung von Krankentransportkosten.



Die Klägerin wohnt in D. und ist Mitglied der Beklagten. Am

27. April 1980 erlitt sie während ihres Urlaubs im Sauerland

einen Unterschenkelbruch rechts. Sie wurde zum nächstgelegenen

Krankenhaus, dem M. -H. -Krankenhaus in W. gefahren.

Dort wurde vom Chefarzt Dr. K. (K.) die Reposition

durchgeführt und ein Transportgips angelegt. Die Klägerin wurde

am selben Tag noch liegend ins Knappschaftskrankenhaus D.

transportiert. Für diese Fahrt stellte der Kreis S. 468,-- DM

in Rechnung, die die Klägerin beglich.



Die Übernahme der Kosten für die Fahrt von W. nach D.

lehnte die Beklagte am 7. Oktober 1980 ab. Mit ihrem Widerspruch

machte die Klägerin geltend, sie sei Mutter eines vierjährigen

Kindes. Ihm wäre es wegen der Dauer einer Reise von D. nach

W. (über BO km) praktisch nicht möglich gewesen, die Klä-

gerin regelmäßig zu sehen. Eine Trennung von Mutter und Kind

wirke sich unter Berücksichtigung der psychosomatischen Zusam-

menhänge auch für den Genesungsprozeß der Mutter äußerst nach-

teilig aus.



Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Sozialgericht



- 3 -



(SG) hat ausgeführt, der Transport der Klägerin von W. nach

D. sei nicht durch die Art und Weise der erforderlichen

Krankheitsbehandlung bedingt gewesen. Die erforderliche, medizi-

nisch ausreichende und zweckmäßige Krankenhauspflege wäre im

M. -H. -Krankenhaus gesichert gewesen. Medizinisch erforder-

lich sei die Verlegung nach D. auch nicht deshalb gewesen,

weil das Verbleiben der Klägerin in W. zu psychischen

Störungen mit Krankheitswert bei dem Kind hätte führen können.

Die Möglichkeit des Eintritts einer Krankheit bei einem anderen

könne die medizinische Notwendigkeit im Hinblick auf die zu

behandelnde Krankheit des Versicherten nicht beeinflussen. Am

27. April 1980 hätten auch konkrete Hinweise darauf gefehlt, daß

die sofortige Verlegung nach D. die medizinisch einzig

geeignete Maßnahme zur Sicherstellung des Genesungsprozesses der

Klägerin gewesen wäre. Vielmehr habe der verantwortliche Chefarzt

mitgeteilt, daß eine medizinische Notwendigkeit zur Verlegung

nicht bestanden habe. Diese Notwendigkeit werde auch nicht durch

das kassenarztrechtlich vorgesehene Formular der Anordnung des

Krankentransports bestätigt, denn darin gehe es nicht um die

Frage, ob die Verlegung erforderlich sei, sondern um deren Art

und Weise. Zwar behaupte die Klägerin, das Krankenhaus habe die

Verlegung veranlaßt. Es sei aber jedenfalls nicht Aufgabe der

Krankenkasse, Kosten einer nicht medizinisch bedingten Verlegung

zu tragen. Medizinische Gründe für die Verlegung habe Dr. K.

ausdrücklich verneint.



Die Klägerin hat Sprungrevision eingelegt und macht geltend, das

kassenarztrechtlich vorgesehene Formular bestätige die Notwen-



- 4 -



digkeit der Verlegung. Auch sei der Transport der Klägerin not-

wendig gewesen wegen der gesundheitlichen Gefährdung von Mutter

und und und der Beeinträchtigung des Genesungsprozesses durch

die Trennung zwischen beiden.



Die Klägerin beantragt sinngemäß,



die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des

Sozialgerichts Dortmund vom 28. September 1981

und der Bescheide vom 7. Oktober 1980 und

3. Februar 1981 zu verurteilen, an sie 468,-- DM

nebst 4 % Zinsen ab 1. März 1981 zu zahlen.



Die Beklagte beantragt,



die Revision zurückzuweisen.



II



Die Revision ist im Sinn der Zurückverweisung der Sache an das

SG zu neuer Verhandlung und Entscheidung begründet. Anhand der

im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen des SG kann

der Senat nicht abschließend entscheiden, ob die angefochtenen

Bescheide rechtmäßig sind, und cb der Anspruch der Klägerin be-

steht.



Nach § 194 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) übernimmt die

Beklagte die im Zusammenhang mit der Gewährung einer Leistung

der Krankenkasse erforderlichen Fahrkosten für den Versicherten.



- 5 -



Der Anspruch aus § 19A Abs 1 RV0 setzt voraus, daß die Kassen-

leistung dem Versicherten an einem bestimmten Ort zu gewähren

ist und der Transport lediglich dazu dient, ihn zu diesem Ort zu

befördern (Urteil des Senats vom 28. März 1979 in BSGE NB, 139 =

SozR 2200 § 194 RVO Nr U). Aus den Feststellungen des SG ergibt

sich nicht, ob die Beklagte der Klägerin die Krankenhausbehand-

lung in diesem Sinn gerade im Knappschaftskrankenhaus in D.

zu gewähren hatte.



Die Gewährung der stationären Behandlung im Knappschaftskranken-

haus und die dafür erforderliche Fahrt nach D. sind nicht

von Dr. K. in einer für die Beklagten verbindlichen Weise

angeordnet worden. Mit Recht hat das SG die Frage offengelassen,

ob die Fahrt von W. nach D. Q von der Klägerin oder von

Dr. K. veranlaßt worden ist. Das SG hat bindend festgestellt,

Dr. K. habe die Verlegung jedenfalls nicht aus medizinischen

Gründen veranlaßt. Wenn der Arzt die Verlegung des Versicherten

von einem Krankenhaus in ein anderes aus medizinischen Gründen

veranlaßt, mag dies die Pflicht der Krankenkasse zur Übernahme

der Transportkosten auch dann nach sich ziehen, wenn die Gründe

objektiv nicht gegeben waren. Eine derartige Verpflichtung der

Krankenkasse ist zwar nicht ausdrücklich geregelt. Es liegt aber

nahe, sie dem Grundgedanken von Vorschriften wie § 20 Abs 5 des

Bundesmantelvertrages Ärzte (BMVÄ) vom 28. August 1978 zu ent-

nehmen. Nach § 20 Abs 5 BMVÄ bleibt bei der Verordnung von Kran-

kenhauspflege die Kostenverpflichtungserklärung gegenüber dem

Krankenhaus der Krankenkasse vorbehalten. Veranlaßt der Arzt in

Notfällen ausnahmsweise von sich aus die Aufnahme in ein



- 6 -



Krankenhaus, so hat er dieses in der Verordnung besonders zu be-

gründen. Aus der Vorschrift ergibt sich aber keinerlei Anhalts-

punkt dafür, daß ein Arzt durch seine Verordnung die Kasse zu

Leistungen verpflichten könnte, die er nicht im einzelnen für

medizinisch begründet hält.



Die Kosten des Transports von W. nach D. sind von der

Beklagten auch nicht schon deshalb zu tragen, weil Dr. K. die

ärztliche Notwendigkeit der Krankenfahrt festgestellt hat. Das SG

hat festgestellt, der Arzt treffe mit dem Formular keine

Anordnung hinsichtlich des "Ob" des Transports. Damit hat das SG

eine tatsächliche Feststellung getroffen, die mit der

Sprungrevision nicht angegriffen werden kann (§ 161 Abs 4

Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Die Klägerin bezieht sich in ihrer

Revisionsbegründung insoweit auf das Urteil des

Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz vom 24. Januar 1980

- L 5 K 46/79 -. Darin wird ausgeführt, Chefarzt Dr. M. habe den

Transport auf einem dafür vorgesehenen Formblatt angeordnet, und

die Anordnung beziehe sich nicht lediglich auf die Art des

Transports, sondern auch auf die Durchführung selbst; das

Formblatt sei nämlich als Nachweis der ärztlichen Anordnung für

die Krankenkasse bestimmt. Das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz

enthält insoweit tatsächliche Feststellungen, wobei es noch nicht

einmal vom gleichen Formblatt ausgeht wie im Fall der Klägerin.

Für den Rechtsstreit der Klägerin gegen die Beklagte sind die

Feststellungen des LSG Rheinland-Pfalz nicht verbindlich. Die

Auslegung der formularmäßigen Erklärung durch das SG läßt auch

keinen rechtlichen Fehler erkennen. Allerdings dient das



- 7 -



Formblatt dem Nachweis für die Krankenkasse. Das SG war aber

nicht an der Auslegung gehindert, daß es nur um den Nachweis der

angeordneten Art des Transports geht. Insoweit wird die Auslegung

durch die neuen Richtlinien über die Verordnung von

Krankenfahrten, Krankentransport- und Rettungsdienstleistungen

vom 26. Februar 1982 (BAnz Beilage 32 Seite 9) bestätigt. Darin

ist die Auswahl des Beförderungsmittels eingehend geregelt. Es

wird zwar auch bestimmt, daß Ausgangs- und Zielort der Fahrt

anzugeben sind. Die Richtlinien sehen aber keine Aussage des

Arztes über den Zweck und die Notwendigkeit der Fahrt vor.



Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Fahrkosten kann sich

aber aus einem anderen Rechtsgrund ergeben. Unter den

Krankenhäusern, mit denen Verträge über die Erbringung von

Krankenhauspflege bestehen, kann der Versicherte nach § 184 Abs 2

RVO wählen. Der Versicherte bestimmt mit dieser Wahl des Kran-

kenhauses allerdings nicht den Ort der Leistung in der Weise, daß

die Bestimmung die Pflicht der Krankenkasse zur Übernahme der

Kosten für die Fahrt dorthin nach sich zieht. Vielmehr hat er

selbst die Mehrkosten zu tragen, wenn er ohne zwingenden Grund

ein anderes ale eines der nächsterreichbaren Vertragskranken-

häuser in Anspruch nimmt (§ 184 Abs 2 Satz 2 RVO). Die Vorschrift

des § 184 Abs 2 Satz 2 RVO ist im vorliegenden Fall anwendbar.

Zu dem dieser Vorschrift im ambulanten Bereich entsprechenden

§ 368d Abs 2 RVO hat der Senat bereits entschieden, daß auch die

Kosten der Fahrt zum gewählten Arzt Mehrkosten in diesem Sinn

sind, soweit sie die Kosten der Fahrt zum nächsterreichbaren Arzt

überschreiten (BSG SozR 2200 § 368d RVO Nr N). Anderes



- 8 -



Krankenhaus iS des § 184 Abs 2 Satz 2 RVO ist allerdings in der

Regel das im Krankheitsfall zuerst aufgesuchte Krankenhaus.

Indessen ist kein durchschlagender Grund erkennbar, warum die

Vorschrift nicht auch im Fall des Krankenhauswechsels, der

Verlegung von einem Krankenhaus in ein anderes angewendet werden

soll. Die Klägerin hätte je nach Art des Unfalls genausogut

unmittelbar vom Unfallort nach D. gebracht werden können.

Nach der Interessenlage kann die - offenbar nur ambulante -

Erstversorgung in W. die Erstattung der Fahrkosten nach

D. nicht ausschließen.



Die Klägerin hat das Knappschaftskrankenhaus in D. "in

Anspruch genommen", selbst wenn die Verlegung dorthin allein von

Dr. K. oder durch andere Angestellte des W. Krankenhauses

veranlaßt werden sein sollte. Inanspruchnahme bedeutet keine

bewußt ausgeübte Wahl. Der Versicherte nimmt grundsätzlich das

Krankenhaus in Anspruch, in dem er sich behandeln läßt.



Die Feststellungen des SG reichen nicht aus für eine Entscheidung

darüber, ob für die Verlegung der Klägerin von W. nach

D. ein zwingender Grund gegeben war.



Zur Übernahme der Kosten für einen solchen Weitertransport ist

die Kasse nur verpflichtet, wenn Gründe dafür in der Art und

Weise der Krankheitsbehandlung liegen (BSG SozR 2200 § 194 RVO

Nr 4). Die erforderliche, medizinisch ausreichende und zweck-

mäßige Krankenhauspflege wäre nach den bindenden Feststellungen

des SG im M. -H. -Krankenhaus in W. gesichert gewesen.



- 9 -



Mit Recht hat das SG auch dargelegt, die Gefahr von psychischen

Störungen bei dem Kind der Klägerin sei kein in der Art und

weise der Krankheitsbehandlung liegender Grund. Krankheitsbe-

handlung in diesem Sinn ist nur die Behandlung der Klägerin

selbst. Zu den gesetzlichen Aufgaben der gesetzlichen Kranken-

versicherung gehört es nicht, gesundheitliche Gefahren für

Familienangehörige des Kranken abzuwehren, auch wenn die Angehö-

rigen selbst Krankenversicherungsschutz genießen.



Zu Unrecht hat das SG keine Feststellungen darüber getroffen, ob

und in welcher Weise die Trennung von Mutter und Kind den Gene-

sungsprozeß der Mutter beeinträchtigt hätte. Das SG hat die

Sachaufklärung dazu unterlassen, weil am 27. April 1980 offen-

kundig alle konkreten Hinweise für die Notwendigkeit der Verle-

gung aus diesem Grund gefehlt haben. Darauf kommt es indessen

nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob die Notwendigkeit objek-

tiv vorgelegen hat. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom

28. März 1979 angedeutet, daß die Gefahr einer psychischen

Erkrankung des Versicherten beim Verbleib in dem Krankenhaus

außerhalb seines Wohnorts für die Entscheidung erheblich sein

könnte. Im Verhältnis einer Mutter zu ihrem vierjährigen Kind

liegt die Beeinträchtigung des Genesungsprozesses der Mutter

durch eine Trennung nicht so fern, daß das SG von einer weiteren

Sachaufklärung ohne weiteres entbunden wäre. wenn die Gefahr

ernsthaft bestanden hat, wird das SG eine etwa zu befürchtende

Verzögerung der Genesung gegen die Transportkosten abzuwägen und

auch etwaige andere Möglichkeiten der Kontaktsicherung zu

berücksichtigen haben.



- 10 -



Die Kostenentscheidung bleibt dem Urteil des SG vorbehalten.



Faksimile 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

... link (0 Kommentare)   ... comment


Dienstag, 31. Mai 2016
11 RA 9/79 vom 15.11.1979, Bundessozialgericht
Bundessozialgericht

- 11 RA 9/79 -

Verkündet am

15. November 1979
als Urk. Beamter
der Gesch. Stelle

Im Namen des Volke

Urteil

in dem Rechtsstreit

Kläger,

Prozeßbevollmächtigter

gegen

Beklagte und Revisionsbeklagte,

beigeladen

Revisionsklägerin

Der 11. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die
mündliche Verhandlung vom 15. November 1979
für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beigeladenen werden die Urteile
des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom
11. Oktober 1978 und des Sozialgerichts Konstanz
vom 25. Februar 1977 aufgehoben.

Die Klage auf Verurteilung der Beigeladenen zur Ge-
währung vorläufiger Leistungen wird abgewiesen.

- 2 -

Auf die Klage gegen die Beklagte werden deren Bescheide
vom 25. März und 8. August 1974 aufgehoben. Die Beklagte
wird verurteilt, dem Kläger unter Beachtung der Rechts-
auffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu er—
teilen. Im übrigen wird die Klage gegen die Beklagte
abgewiesen.

1 .

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen
Kosten des Rechtsstreits zu zwei Dritteln, die Beige—
ladene hat sie ihm zu einem Drittel zu erstatten.

Gründe:

Der Kläger begehrt berufsfördernde Maßnahmen.

Er beantragte sie im September 1972 bei der beigeladenen
Bundesanstalt für Arbeit (BA); dabei strebte er die Um-
schulung zum Bautechniker an; als Dachdeckermeister könne
er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr tätig sein. Da
der Kläger Versicherter im Sinne des § 15 des Angestellten—
versicherungsgesetzes (AVG) damaliger Fassung - überdie
auch im Sinne des § 15a idF des Rehabilitations-Angleichungs-
gesetzes (RehaAnglG) - ist, erklärte sich die Beklagte für
zuständig. Sie lehnte den Antrag ab, weil ein Berufswechsel
aus medizinischer Sicht nicht angezeigt sei (Bescheid vom
25. März 1974, Widerspruchsbescheid vom 8. August 1974).

Der Kläger hat hierauf Klage erhoben zunächst mit dem An—
trag, die Beklagte zur Gewährung von berufsfördernden Maß-
nahmen zu verurteilen. Nachdem die Beklagte die Beiladung
der BA beantragt hatte, begehrte er hilfsweise noch deren
Verurteilung. Im Hinblick hierauf lud das Sozialgericht (SG)

- 3 -

die BA nach § 75 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)
zum Rechtsstreit bei. Es holte ärztliche Gutachten ein,
die sich für eine Umschulung des Klägers aussprechen. In
der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 25. Februar 1977
beantragte der Kläger daraufhin, die Beigeladene zur Ge-
währung von Beihilfen zur beruflichen Umschulung in gesetz-
licher Höhe, hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung ihrer
Bescheide zur Gewährung berufsfördernder Maßnahmen zu ver-
urteilen. Durch Urteil vom 25. Februar 1977 hat das SG dem
Hauptantrag in der Weise entsprochen, daß es die Beige-
ladene verurteilt hat, dem Kläger berufsfördernde Maßnahmen
zu gewähren. Es hielt den Hauptantrag nach § 6 Abs 2
Nr 2 RehaAnglG für begründet; aufgrund dieser Bestimmung
müsse die Beklagte hier vorläufige Leistungen erbringen,
da seit dem Beiladungsbeschluß streitig und ungeklärt sei,
welcher Rehabilitationsträger die zur Erhaltung der
Leistungsfähigkeit des Klägers erforderlichen berufs-
fördernden Maßnahmen zu gewähren habe.

Auf die Berufung der Beigeladenen hat das Landessozial—
gericht (LSG) deren Verurteilung in die Feststellung ihrer
Verpflichtung zu vorläufigen Leistungen umgewandelt; außer—
dem hat es die Bescheide der Beklagten aufgehoben, da die
Beklagte die gerichtlich voll nachprüfbaren materiell—
rechtlichen Voraussetzungen des § 13 AVG zu Unrecht verneint
habe (Urteil vom 11. Oktober 1978). Zur Begründung der vor—
läufigen Leistungspflicht der BA hat das LSG noch geltend
gemacht, daß die Zuständigkeit der Beklagten gemäß § 13
Abs 5 AVG die Zuständigkeit der Beigeladenen nach § 56
Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG, idF des RehaAnglG)
unberührt lasse. Deren Leistungspflicht entfalle nach
§ 57 AVG nicht bereits bei Zuständigkeit eines anderen
Rehabilitationsträgers, sondern erst, wenn dieser vorrangig
verpflichtet sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme be—
stehe kein Streit mehr darüber, daß der Kläger Behinderter
und berufsfördernde Maßnahmen bei ihm zur Rehabilitation
erforderlich seien. Im Rahmen des § 6 Abs 2 RehaAnglG sei

- 4 -

über die von der Beigeladenen behauptete Verpflibhtung
der Beklagten zur Leistung nach §§ 15 ff AVG nicht zu be-
finden. Lediglich die Verurteilung der Beigeladenen zur
Leistung sei in eine entsprechende Feststellung abzuändern
gewesen, weil ein Leistungsurteil die genaue Bezeichnung
der Maßnahme voraussetzen.'

Die Beigeladene beantragt mit der vom LSG zugelassenen
Revision,

das Urteil des LSG aufzuheben, soweit

ihre Leistungspflicht festgestellt sowie
ihre (weitergehende) Berufung zurück—
gewiesen wurde, und die Beklagte zu verur—
teileng über den Antrag des Klägers auf
Gewährung berufsfördernder Leistungen zur
Rehabilitation erneut zu entscheiden.

Sie rügt Verletzung der §§ 6 Abs 2 RehaAnglG, 57 AFG. Der
Streit, ob sie oder die Beklagte vorrangig verpflichtet
sei, betreffe eine reine Rechtsfrageg die im gericht-
lichen Verfahren keinen Fall der ungeklärten Zuständigkeit '
im Sinne des § 6 Abs 2 RehaAnglG zu begründen vermöge. Die
Vorleistungspflicht gelte nur im Verwaltungsverfahren, sie
sei nicht dazu da, den Gerichten die Entscheidung über
die endgültige Zuständigkeit zu ersparen. Im übrigen stehe
§ 57 AFG ihrer Verurteilung entgegen, da die Beklagte
ihre Zuständigkeit nicht durch eine Ermessensausübung
beseitigen könne.

Der Kläger und die Beklagte beantragen,
die Revision zurückzuweisen,

hilfsweise schließt sich der Kläger dem
Revisionsantrag der Beigeladenen an.

II.

Die Revision der Beigeladenen ist begründet.

1. Auf das Rechtsmittel ist.zunächst zu prüfen, ob das LSG
zu Recht eine Verpflichtung der Beigeladenen zu vor-
läufigen Leistungen aufgrund von § 6 Abs 2 RehaAnglG fest-
gestellt hat. Diese vorrangige Prüfungspflicht ergibt
sich aus der vom Kläger vor dem SG vollzogenen Klage-
änderung. Seine dort in der letzten mündlichen Verhandlung
gestellten Anträge bedeuteten aus mehreren Gründen eine
Klageänderung. Zum einen richtete der Kläger damit die
Klage von da an in erster Linie gegen die Beigeladene. Da-
für konnte er sich nicht auf § 75 SGG stützen. In dessen
Absatz 5 ist zwar bestimmt, daß ein Versicherungsträger
nach Beiladung verurteilt werden kann. Diese Vorschrift
erlaubt einem Kläger jedoch nicht Jede gewünschte Rechts—
verfolgung gegen einen solchen Beigeladenen ohne Vor-
schalten der sonst erforderlichen Rechtsbehelfe. § 75
Abs 5 SGG gibt den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit
aus prozeßökonomischen Gründen die Befugnis, in Fällen,
in denen der Kläger einen nicht leistungspflichtigen
Versicherungsträger verklagt, den in Wirklichkeit
leistungspflichtigen Versicherungsträger nach Beiladung
zu verurteilen, um einen neuen Rechtsstreit und die Gefahr
sich widersprechender Entscheidungen zu vermeiden (BSGE
9, 67, 69). Demnach kommt eine Verurteilung der Beige—
ladenen nur subsidiär in Betracht; sie darf erst statt—.
finden, wenn (soweit) die Klage gegen den Beklagten keinen
Erfolg haben kann. Das schließt zwar nicht aus, daß ein
Kläger nach einer inzwischen feststehenden Zuständigkeit
des Beigeladenen sich auf Anträge gegen den Beigeladenen
beschränkt und sogar die Klage gegen den Beklagten zurück—
nimmt (BSG, Breithaupt 1966, 800), weil dabei die Sub-
sidiarität der Verurteilung des Beigeladenen erhalten
bleibt. Im vorliegenden Fall hat der Kläger jedoch nicht

- 5 -

seine Anträge aus solchen Gründen gegen die Beigeladene
beschränkt. Er hat vielmehr mit seiner nun in erster Linie
gegen die Beigeladene gerichteten Klage-diese zur Be-
klagten gemacht. Hierin lag ein Parteiwechsel, der als ein
Fall der Klageänderung gilt (BSGE 8, 115; 20, 218). Ab-
gesehen davon hat der Kläger mit der Klage gegen die Bei—
geladene einen Anspruch erhoben, zu dessen Erfüllung die
Beigeladene nach § 75 Abs 5 SGG nicht verurteilt werden
durfte. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob der Kläger
dabei ursprünglich mehr einen Anspruch auf Förderung der
beruflichen Umschulung nach § 47 AFG im Auge hatte oder
ob er entsprechend der Deutung des SG (und auch des LSG)
schon bei der Änderung seiner Anträge einen Anspruch auf
vorläufige Leistungen nach § 6 Abs 2 RehaAnglG geltend
machen wollte. In beiden Fällen handelte es sich gegen—
über dem gegen die Beklagte erhobenen Rehabilitations-
begehren um im Anspruchsgrund und in den Rechtsfolgen
verschiedene Ansprüche. Einer Verurteilung nach § 75
Abs 5 SGG muß allerdings nicht stets inhaltlich derselbe
Anspruch wie der gegen den Beklagten erhobene zugrunde
liegen; so kann zB auch nach einer Abweisung der Klage auf
Zahlung von Übergangsgeld der Beigeladene zur Zahlung de
Krankengeldes verurteilt werden, das zum Ruhen des Über—
gangsgeldes führt (vgl Urteil vom 9. September 1971
— 3 RK 110/69 -, Die Leistungen aus der gesetzlichen
Krankenversicherung 1972, 152). In solchen Fällen müssen
sich aber die - inhaltlich verschiedenen — Ansprüche gegen
den Beklagten und den Beigeladenen gegenseitig ausschließen;
es muß sich um zwei Ansprüche handeln, die nicht nebenein—
ander bestehen. Hier hat der Kläger gegen die Beigeladene
aber einseitig einen Anspruch geltend gemacht, der in keiner
Wechselwirkung zu dem gegen die Beklagte erhobenen
Rehabilitationsanspruch stehen konnte. Dem steht nicht ent-
gegen, daß der Rehabilitationsanspruch gegen den zu-
ständigen Träger nach § 6 Abs 2, Satz 1, letzter Halb—
satz RehaAnglG als erfüllt gilt, wenn (soweit) vorläufige
Leistungen erbracht werden, weil diese Wirkung nicht dem

- 7 -

Anspruch auf vorläufige Leistungen anhaftet, vielmehr
erst mit seiner Erfüllung eintritt.

Die somit vollzogene Klageänderung war allerdings nach
§ 99 Abs 2 SGG zulässig, weil sich die übrigen Beteiligten
in der mündlichen Verhandlung vor dem SG auf sie eingelassen
haben. Zu Recht haben sich daher die Vorinstanzen in erster
Linie mit dem neuen Hauptantrag des Klägers befaßt. Sie
haben jedoch verkannt, daß die in ihm verkörperte Klage
gegen die Beigeladene unzulässig ist. Denn die Beigeladene
hat über den nunmehr in erster Linie gegen sie erhobenen
Anspruch nicht durch Verwaltungsakt entschieden. Eine reine
Leistungsklage gegen sie nach § 54 Abs 5 SGG kam nicht in
Betracht, da über den Antrag ein Verwaltungsakt zu ergehen
hatte. Richtige Klageform war damit die kombinierte An—
fechtungs— und Leistungsklage. Deren Erhebung setzt jedoch
die Durchführung des Verwaltungsverfahrens voraus. Die
Zulässigkeit der Klageänderung konnte den Kläger von dieser
Voraussetzung nicht freistellen (vgl BSG 10, 218). Der vor-
liegende Mangel ist auch nicht durch die schriftsätzlichen
Äußerungen der BA während des Berufungsverfahrens geheilt
worden. Die Beklagte hat darin zwar eine Verpflichtung zu
vorläufigen Leistungen bestritten; damit hat sie aber er-
sichtlich keine Verwaltungsentscheidung über den Anspruch
treffen wollen (vgl BSG aaO). Die Vorinstanzen hätten somit
die gegen die Beigeladene gerichtete Klage als unzulässig
ansehen müssen. Auf die Revision der Beigeladenen mu
ßder Senat die gegen sie gerichtete Klage aus diesem Grunde
abweisen.

Damit hat der Senat aufgrund der weiteren Revisionsanträge
über den vor dem SG zuletzt gestellten Hilfsantrag de
Klägers auf Verurteilung der Beklagten zu befinden, mit dem
der Kläger seinen ursprünglichen Klageantrag weiterverfolgt.
Durch die Klageänderung des Klägers ist diese Klage wegen
der seitdem vorliegenden eventuellen subjektiven Klagen—
häufung zu einer bedingten Klage geworden. Eine bedingte

- 8 -

Klageerhebung wird nach überwiegender Meinung zwar als un—
zulässig erachtet (vgl vor allem LG Berlin NJW 1958, 833).
Trotzdem hält der Senat die "Hilfsklage" unter den bem
sonderen Umständen des vorliegenden Rechtsstreits für zu-
lässig. Denn die sonst allgemein gegen die Zulässigkeit
einer bedingten Klageerhebung angeführten Gründe greifen
hier nicht durch. Kostenrechtliche Schwierigkeiten können
im sozialgerichtlichen Verfahren kaum befürchtet werden.
Auch dürften Komplikationen vor Rechtsmittelinstanzen nach
Abweisung einer in Vorinstanzen erfolgreichen Hilfsklage
hier nicht entstehen; denn wenn auf eine solche Hilfsklage
ein Rehabilitationsanspruch gegen die Beklagte und bei der
nach § 75 SGG gebotenen Prüfung ferner gegen die Beige-
ladene nicht anerkannt würde, dann bedarf es keines Rück-
griffs auf die Hauptklage, weil dann auch kein Anspruch auf
vorläufige Leistungen gegeben sein könnte. Dem Kläger läßt
sich ferner ein Bedürfnis am hilfsweisen Festhalten an der
Klage gegen die Beklagte nicht absprechen. Im übrigen ist
in diesem Zusammenhang noch darauf hinzuweisen, daß da
sozialgerichtliche Verfahren in der nach § 75 Abs 5 SGG
hilfsweise eröffneten Möglichkeit zur Verurteilung eine
Beigeladenen für den Anwendungsbereich dieser Vorschrift
im Ergebnis eine bedingte Klageerhebung bereits anerkennt,
so daß diese Klageform im sozialgerichtlichen Verfahren
nicht als schlechthin ausgeschlossen angesehen werden kann.

Der Hilfsantrag, dh die in ihr verkörperte Klage gegen die
Beklagte ist auch im wesentlichen begründet, weil die Be-
klagte zu Unrecht die gesetzlichen Voraussetzungen für die
Gewährung von berufsfördernden Maßnahmen durch sie ver-
neint hat. Aus den vom LSG getroffenen tatsächlichen Fest-
stellungen, die nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden v
sind, ergibt sich, daß die Erwerbsfähigkeit des Klägers in-
folge von Krankheit gefährdet ist und voraussichtlich durch
berufsfördernde Maßnahmen erhalten werden kann. Damit sind
die Voraussetzungen des § 13 Abs 1 AVG (idF vor und nach
dem RehaAnglG) erfüllt. Festgestellt ist auch, daß der

- 9 -

Kläger zu dem von der Beklagten zu betreuenden Personen-
kreis von Versicherten gehört; die die Leistungspflicht der
Beklagten einschränkenden Vorschriften des 20. Renten—
anpassungsgesetzes vom 27. Juni 1977 (20. RAG) sind auf den
vorliegenden Fall, in dem die Notwendigkeit zu berufs-
fördernden Maßnahmen schon vor deren Inkrafttreten gegeben
war, nicht anzuwenden (vgl Urteil des Senats vom 14. Sep-
tember 1978 — 11 RA 70/77 —). Die Ansicht der Beklagten, da
ßnach § 15 Abs 3 AVG vorrangig die Beigeladene zur beruf-
lichen Rehabilitation des Klägers verpflichtet sei, ist un—
zutreffend; diese Vorschrift läßt lediglich eine Zuständig-
keit und Verpflichtung der Beigeladenen "unberührt"; sie
wird demnach nur bedeutsam, wenn eine Zuständigkeit und eine
Verpflichtung der BA aufgrund einer anderen Vorschrift über—
haupt bestehen (vgl §§ 2 Abs 2; 4 Abs 1 Satz 3, 5 Abs 1
Satz 2 RehaAnglG, die ebenfalls andere Gegebenheiten "unbe-
rührt" lassen). Wie der Senat in seinem Urteil vom
15. März 1979 — 11 RA 56/78 — aber bereits ausgeführt und
in seinem heutigen Urteil in der Sache 11 RA 22/79 erneut
entschieden hat, sind nach § 57 AFG berufsfördernde Maßnahmen
der BA ausgeschlossen, wenn der zu Betreuende zu den Per-
sonen gehört, für die der Rentenversicherungsträger nach
§§ 15 ff AVG "zuständig" ist. Eine solche "Zuständigkeit"
der Beklagten ist aber hier gegeben.

Die Bescheide der Beklagten sind daher aufzuheben, wie e
das LSG im Ergebnis zu Recht bereits getan hat; zugleich
ist die Beklagte zur Erteilung eines neuen Bescheides auf
den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauf—
fassung des Gerichts zu verpflichten. Dabei wird die Be-
klagte nunmehr ihr Ermessen auszuüben und zu berücksich-
tigen haben, daß der Kläger, wenn nicht die Beklagte für ihn
"zuständig" wäre, einen Rechtsanspruch gegen die Beigeladene
haben würde (vgl hierzu Urteil des Senats vom 15. März 1979
- 11 RA 36/78 —). Das bedeutet allerdings nicht, daß da
Ermessen der Beklagten schon jetzt in dem Sinne einge-
schränkt wäre, daß jede andere Entscheidung als die

- 10 -

Leistungsgewährung an den Kläger als rechtswidrig im
Sinne des § 54 Abs 2 Satz 2 SGG angesehen werden müßte;
deshalb war die Klage gegen die Beklagte, soweit sie
deren Verurteilung zur Leistung verlangte‚ abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Dabei hat der Senat mitberücksichtigt, daß die Beige-
ladene nach § 6 Abs 2 RehaAnglG gegebenenfalls auch von
Amts wegen tätig werden muß; für die Beigeladene hätte
im Verlauf des Rechtsstreits vor den Vorinstanzen wegen
des Zuständigkeits— und Verpflichtungsstreites mit der
Beklagten Anlaß zur Gewährung von vorläufigen Leistungen
an den Kläger gemäß § 6 Abs 2 RehaAnglG bestanden, zumal
damals eine Entscheidung des Bundessozialgerichts zur
Abgrenzung der Zuständigkeiten noch ausstand.

Faksimile 

... link (0 Kommentare)   ... comment


B 1 KR 41/08 B vom 09.07.2008, Bundessozialgericht
BUNDESSOZIALGERICHT
Beschluss
in dem Rechtsstreit
Az: B 1 KR 41/08 B
L 5 KR 362/07 (Bayerisches LSG)
S 4 KR 186/05 (SG Landshut)


Kläger und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigte:


g e g e n


A,
Beklagte und Beschwerdegegnerin.


Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat am 9. Juli 2008 durch den Präsidenten
M und die Richter Prof. Dr. S und Dr. H
beschlossen:

Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nicht-
zulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom
10. Dezember 2007 gewährt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im genannten Beschluss
wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

- 2 -

G r ü n d e :

I

1
Der 1926 geborene Kläger bat seine Krankenkasse (Beklagte) im Dezember 2004 um eine
"verbindliche" Mitteilung, in welcher Höhe seine Hinterbliebenen Sterbegeld aus seiner
Krankenversicherung erhalten werden. Die Beklagte teilte ihm unter Übersendung einer
formularmäßigen "Information zum Wegfall des Sterbegeldes" mit, der Anspruch auf Sterbegeld
sei seit dem 1.1.2004 ausgeschlossen (Schreiben vom 17.12.2004 und 9.2.2005). Hiergegen
erhob der Kläger Widerspruch. Die Beklagte wies ihn im Folgenden erneut auf den Wegfall des
Sterbegeldes sowie darauf hin, dass gegen ihre Auskunft ein Widerspruch nicht zulässig sei.
Der Kläger bat um Erteilung eines rechtsmittelfähigen Verwaltungsaktes, worauf die Beklagte
seinen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.7.2005 zurückwies. Sie führte aus, der
Widerspruch sei unzulässig, weil sie dem Kläger eine bloße Auskunft erteilt, aber keinen
Verwaltungsakt erlassen habe.

2
Das Sozialgericht (SG) hat die auf Mitteilung der Höhe des Krankengeldes, hilfsweise auf Ver-
pflichtung der Beklagten zur Erteilung eines entsprechenden Bescheides gerichtete Klage ab-
gewiesen. Dem Kläger fehle das Rechtsschutzinteresse sowohl für die begehrte Mitteilung über
die Höhe des Sterbegeldes als auch hinsichtlich des Antrags auf Neubescheidung, weil er
selbst nicht Inhaber eines möglichen Anspruchs auf Sterbegeld sein könne (Urteil vom
29.3.2007). Das Landesozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen. Die Schreiben der
Beklagten vom 17.12.2004 und 9.2.2005 seien als Ablehnungsbescheide zu qualifizieren, denn
sie verneinten unter Erläuterung der Rechtsgrundlagen konkret einen Anspruch des Klägers auf
Sterbegeld. Die Beklagte sei zwar nicht berechtigt gewesen, den Widerspruch als unzulässig
zurückzuweisen. Weil der Widerspruchsbescheid in der Sachverhaltsbeschreibung jedoch auch
Ausführungen zur materiellen Regelung enthalte und die Beklagte unmissverständlich zum
Ausdruck gebracht habe, dass sie einen Anspruch des Klägers verneine, sei auch insoweit von
einer materiellen Entscheidung auszugehen. Ebenso habe das SG durch die "tenorierte Abwei-
sung der Klage zum Ausdruck gebracht, dass dem Kläger kein Anspruch auf Sterbegeld zu-
steht". Dies sei rechtlich zutreffend, sodass nicht näher darauf einzugehen sei, ob die Klage im
Ergebnis mangels Rechtsschutzbedürfnisses oder mangels materiellen Anspruchs ohne Erfolg
bleibe. Dem Kläger stehe ebenso wenig wie seinen Rechtsnachfolgern ein Anspruch auf
Sterbegeld zu. Der Ausschluss des Sterbegeldes seit 1.1.2004 sei mit dem GG vereinbar (Be-
schluss vom 10.12.2007).

3
Mit Beschluss vom 3.4.2008 hat der erkennende Senat den Antrag des Klägers, ihm für das
Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG
Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren und einen Rechtsanwalt beizuordnen, mangels Erfolgs-


- 3 -


aussicht der Beschwerde abgelehnt. Der Kläger hat jetzt durch einen Rechtsanwalt Nichtzulas-
sungsbeschwerde eingelegt und beantragt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

II

4
1. Dem Kläger ist, nachdem sein Antrag auf Bewilligung von PKH zwecks Durchführung des
Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde abgelehnt worden war, Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand zu gewähren. Wird das in der Rechtsmittelfrist ordnungsgemäß eingereichte
Prozeßkostenhilfegesuch eines iS von § 114 Satz 1 ZPO "armen" Beteiligten abgelehnt, ist
Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn das Rechtsmittel binnen eines Monats nach Zustellung
der Ablehnung formgerecht eingelegt wird (vgl BSG SozR 1500 § 67 Nr 13, 15). So liegt der
Fall hier.

5
2. Die Beschwerde ist jedoch unzulässig. Die Revision ist nur zuzulassen, wenn die Rechts-
sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), wenn das Urteil von einer Ent-
scheidung des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichts-
höfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung
beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2) oder ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird, auf dem die an-
gefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1). Derartige Gründe
werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a
Abs 2 Satz 3 SGG dargetan.

6
a) Die Beschwerdebegründung lässt schon nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, wel-
cher der drei Zulassungsgründe geltend gemacht werden soll; Normen werden insoweit nicht
genannt und Zulassungsgründe nicht ausdrücklich bezeichnet. Soweit in der Beschwerde-
begründung ausgeführt wird, die der angefochtenen Entscheidung des LSG zu Grunde
liegende Meinung des BSG in SozR 4-2500 § 58 Nr 1 könne nicht aufrechterhalten werden,
weil sie gegen Art. 3, 14, 20 und 25 GG sowie Art 6 EMRK verstoße, macht der Kläger allenfalls
sinngemäß eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend.
Die Darlegungserfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG verlangen insoweit jedoch, dass
eine Rechtsfrage klar formuliert und ausgeführt wird, inwiefern diese Frage im angestrebten
Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall
hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100
§ 111 Nr 1 S 2 f; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Zwar kann auch die
Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift von grundsätzlicher Bedeutung sein (vgl BSG SozR
1500 § 160a Nr 17). Jedoch ist eine Rechtsfrage, die das BSG bereits entschieden hat, nicht
mehr klärungsbedürftig. Sie kann somit keine grundsätzliche Bedeutung mehr haben, es sei
denn, die Beantwortung der Frage ist aus besonderen Gründen klärungsbedürftig geblieben
oder erneut geworden. Auch das muss substantiiert vorgetragen werden (BSG SozR 3-1500
§ 160a Nr 21 S 38 mwN). Hieran fehlt es. Der Kläger setzt sich jedoch weder mit der

- 4 -

Entscheidung des BSG vom 13.12.2005 (SozR 4-2500 § 58 Nr 1) auseinander, in welcher der
Senat die verfassungsrechtlichen Aspekte des Wegfalls des Sterbegeldes eingehend behandelt
hat, noch zeigt er in seiner Beschwerdebegründung sonstige, darüber hinausgehende
verfassungsrechtliche Gesichtspunkte auf.

7
b) Die Beschwerde ist auch nicht nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG wegen Vorliegens eines Verfah-
rensfehlers zuzulassen. Zwar wird in der Beschwerdebegründung ausgeführt, das SG habe die
Klage mit der "denkwürdigen Begründung" abgewiesen, das Sterbegeld gehe den Kläger nichts
an. Und weiter "es wird - auch in der Fachliteratur - wiederholt festgestellt, dass erstinstanzliche
Gerichte (zum Zwecke der Selbstentlastung) Klagen und sonstige Anträge auch mit 'abwegigen'
Argumenten abweisen, um die Sache loszuwerden und der Rechtsmittelinstanz die eigentliche
Sachaufklärung und Entscheidungsfindung zu überlassen. Diese Vorgehensweise ist rechts-
widrig und widerspricht sozialstaatlichen Prinzipien. Denn die Rechtsmittelinstanz hat vornehm-
lich die Aufgabe, einen weitestgehend erschöpfend aufbereiteten Sachverhalt und die darauf
gegründete Entscheidung zu überprüfen, nicht aber erstinstanzlich tätig zu werden. Denn sonst
ginge dem/der Rechtsuchenden eine wichtige Tatsacheninstanz verloren, also auch die Über-
prüfungsmöglichkeit des Sachverhalts. In vorliegender Sache könnte ein solcher Fall vorliegen."

8
Mit diesem Vorbringen werden Verfahrensfehler nicht in der gebotenen Weise dargetan. Der
Senat hat jedoch bereits in seinem Beschluss vom 3.4.2008 darauf hingewiesen, dass das LSG
eine Sachenscheidung über den geltend gemachten Anspruch getroffen hat. Ob das SG einen
Verfahrensfehler begangen hat, ist für die Nichtzulassungsbeschwerde nur dann erheblich,
wenn es sich um einen auch in der Berufungsinstanz fortwirkenden Verfahrensfehler handelt
(BSG, Beschluss vom 13.8.1998 - B 2 U 251/97 B). Hierzu trägt der Kläger nichts vor.
9 Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG abgesehen.
10 Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
M H S

Faksimile  

... link (0 Kommentare)   ... comment


Samstag, 7. Mai 2016
LSG SHS, L 5 KR 73/08 vom 16.09.2009, Schleswig-Holsteinsches Landessozialgericht
L 5 KR 73/08
S 1 KR 153/06 SG Itzehoe


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES LANDESSOZIALGERICHT


verkündet am 16.09.2009


Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle



IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL


In dem Rechtsstreit



- Klägerin und Berufungsklägerin -

Prozessbevollmächtigter:

gegen



BKK RWE, Welfenallee 32, 29225 Celle, 9

— Beklagte und Berufungsbeklagte -



Prozessbevollmächtigter:



hat der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts auf die mündliche Ver-

handlung vom 16. September 2009 in Schleswig durch



den Richter am Landessozialgericht ---‚



den Richter am Landessozialgericht ---,



den Richter am Landessozialgericht --- sowie

den ehrenamtlichen Richter --- und



den ehrenamtlichen Richter ---



für Recht erkannt:



Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe

vom 9. April 2008 wird zurückgewiesen.



Die Beteiligten haben einander auch für den zweiten Rechtszug keine

Kosten zu erstatten.



Die Revision wird nicht zugelassen.



- 2 -



T a t b e s t a n d



Die Beteiligten streiten über eine Erstattungsforderung wegen

Fahrkosten in Höhe von insgesamt 3.400,00 EUR.



Die Klägerin ist die Sonderrechtsnachfolgerin des am 26. Au-

gust 1945 geborenen und am 16. Februar 2006 Verstorbenen Ver-

sicherten der Beklagten J.—T. N.. Dieser litt seit 1997 an ei—

ner Lebererkrankung, die Lebertransplantationen in den Jahren

2001 und 2004 erforderlich machten. Die Behandlung erfolgte in

der letzten Zeit der Erkrankung vor allem in den Universitäts-

kliniken K. und H.. Der Versicherte war schwerbehindert mit

einem Grad der Behinderung von 100 und der Zuerkennung der

Merkzeichen „B“ und „G“ ab 1. November 2004. Seit dem,

14. Dezember 2005 war er in die Pflegestufe II nach dem Sozi-

algesetzbuch, Elftes Buch (SGB XI) eingestuft.



Am 28. März 2006 beantragte die Klägerin Fahrkostenerstattung

für die Jahre 2004 bis Februar 2006, und zwar für Fahrten zu

und von stationären Aufenthalten, ambulanten Behandlungen und

für Besuchsfahrten. Hierzu legte sie eine Verordnung von Kran-

kenbeförderung zur stationären Krankenhausbehandlung der All-

gemeinärzte Dres. S. vor und erstellte eine Auflistung über

die durchgeführten Krankentransporte und die einzelnen Be-

suchsfahrten.



Mit Bescheid vom 25. April 2006 nahm die Beklagte zunächst ei—

ne Erstattung in Höhe von 24,60 EUR für eine Krankenbeförde—

rung vom 14. Dezember 2004 abzüglich des Eigenanteils vor und

lehnte eine weitere Kostenübernahme ab. Diesen Eigenanteil be-

richtigte sie mit weiterem Bescheid vom 4. Mai 2006. Dagegen

wandte sich die Klägerin mit ihrem am 5. Mai 2006 bei der Be-

klagten eingegangenen Widerspruch, mit dem sie geltend machte,

die Fahrt vom l4. Dezember 2004 habe einer Notfallbehandlung



- 3 -



gedient und es hätten nur 10,00 EUR Eigenanteil abgezogen wer-

den dürfen. Sie verwies auf die Schwerbehinderteneigenschaft

des Versicherten und führte aus, er sei seit 1997 kontinuier—

lich in der Universitätsklinik K. ambulant und stationär be-

handelt worden, die Bescheinigungen lägen seit 2002 vor. Die

Fahrkosten seien als Ausnahme zu erstatten, da die Behand-

lungsfrequenz hoch gewesen sei, ein Schaden an Leib und Seele

des Versicherten habe vermieden werden können und er unter Zu-

erkennung des Merkzeichens „H“ schwerbehindert gewesen sei.

Die behandelnden Ärzte hätten ausweislich ihrer Atteste bei

Auftreten einer akuten hepatischen Enzephalopathie eine sofor-

tige Einweisung in die Universitätskliniken in K. oder H. er-

beten. Hierzu fügte sie eine Auflistung über die ambulanten

und stationären Krankenhausbehandlungen bei. Mit weiterem Be-

scheid vom 12. Mai 2006 nahm die Beklagte eine Erstattung in

Höhe von insgesamt 271,40 EUR für die Fahrkosten anlässlich

der stationären Krankenhausaufenthalte vor. Zur Begründung

führte sie aus, eine Übernahme der Fahrkosten zu einer ambu-

lanten Behandlung sei nur noch in besonderen Ausnahmefällen

nach vorheriger Genehmigung durch die Krankenkasse möglich.

Dies sei insbesondere der Fall, wenn der Patient mit einem

durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema behan-

delt werde, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen län-

geren Zeitraum erfordere, und diese Behandlung oder der zu

dieser Handlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in

einer Weise beeinträchtige‚ dass eine Beförderung zur Vermei-

dung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich sei. Alterna-

tiv müsse ein Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen

„aG“, „Bl“ oder „H“ oder eine Einstufung in die Pflegestu-

fen II oder III vorliegen. Der Versicherte habe keinen vorhe-

rigen Antrag gestellt und sei nicht als Schwerbehinderter mit

dem Merkzeichen „H“ anerkannt, in die Pflegestufe II sei er

erst ab dem 14. Dezember 2005 eingestuft worden. Eine hohe Be-

handlungsfrequenz habe trotz des langen Zeitraums der Erkran-



- 4 -



kung und der daraus resultierenden Krankenhausbehandlungen

nicht vorgelegen; eine solche Frequenz sei z. B. bei einer

Strahlentherapie oder Dialyse anzuerkennen, wenn mit der Be-

handlung ein durch die Grunderkrankung vorgegebenes Therapie-

schema verfolgt werde. Mit Bescheid vom 17. Mai 2006 erstatte-

te die Beklagte weitere Kosten für Heimfahrten am 22. und

24. September 2004 in Höhe von insgesamt 52,80 EUR. Zur Be-

gründung ihres weitergehenden Anspruches legte die Klägerin

u. a. eine Bescheinigung der Klinik für A. C. und T. vom

13. April 2005 über die zwingend erforderliche Begleitung zu

den Untersuchungen wegen der bestehenden Enzephalopathie von

April bis Juni 2004 sowie eine weitere Bescheinigung vom

12. Dezember 2005 der Klinik vor; darin heißt es, die regelmä-

ßigen Besuche der Klägerin seien bis zur Re—

Lebertransplantation am 21. Juni 2005 medizinisch erwünscht

gewesen, da dadurch eine psychologische Führung und Betreuung

des Versicherten mehrstündig am Tag optimal gewährleistet ge-

wesen sei. Nach der Re—Transplantation sei die Betreuung wegen

der zahlreichen Komplikationen nach der Operation und der spä-

teren Tumorerkrankung medizinisch und psychologisch ebenfalls

indiziert gewesen. Die Beklagte hob mit weiterem Bescheid vom

7. Juli 2006 die vorangegangenen Bescheide vom 25. April‚.

4. Mai, 12. Mai und 17. Mai 2006 auf und erstattete der Kläge-

rin insgesamt Fahrkosten in Höhe von 670,80 EUR. Der Betrag

umfasste die Kosten der Hin— und Rückfahrten zu den Aufnahme-

und Entlassungsterminen der stationären Krankenhausbehandlun-

gen‚ jeweils vergütet mit 0,24 EUR bzw. 0,22 EUR und ab

1. September 2005 mit 0,20 EUR je Kilometer. Zur Begründung

führte die Beklagte aus, die Kosten der allgemeinen Besuchs-

fahrten von Angehörigen seien der allgemeinen Lebensführung

zuzurechnen und könnten nicht übernommen werden, auch wenn die

Besuche den Krankheitsverlauf günstig beeinflusst hätten und

wünschenswert gewesen seien. Die Übernahme der Fahrkosten des

ersicherten zu den ambulanten Behandlungen lehnte die Beklag-



- 5 -



te aus den Gründen des Bescheides vom 12. Mai 2006 ab. Zur

weiteren Begründung ihres Widerspruchs trug die Klägerin vor,

der Versicherte sei mit einer hohen Frequenz in Dauerbehand—

lung gewesen. Die Behandlung habe nur in K. oder H. durchge-

führt werden können. Die Begleitung sei medizinisch indiziert

gewesen und ihre Notwendigkeit durch ärztliche Atteste nachge-

wiesen. Sie habe die Betreuung sicherstellen müssen, da der

Versicherte u. a. desorientiert gewesen und im Mai 2005 einmal

weggelaufen sei. Sie habe in der Vergangenheit die Leistungen

wiederholt mündlich beantragt. Außerdem sei die Absenkung des

Erstattungsbetrages auf 0,20 EUR pro Kilometer nicht angekün-

digt worden. Darin liege ein Beratungsfehler. Die Fahrkosten‚

die sie seit 1997 erhalten habe, seien ihr bereits vorher ge-

nehmigt worden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Wider-

spruchsbescheid vom 19. Oktober 2006 zurück und führte aus,

die Rechtslage sei hinsichtlich der Erstattung der Fahrkosten

zur ambulanten Behandlung seit dem 1. Januar 2004 neu geregelt

worden. Die Erstattung erfordere eine vorherige Genehmigung

für Ausnahmefälle, wie sie im angefochtenen Bescheid dargelegt

worden seien.



Gegen die Entscheidung hat die Klägerin am 2. November 2006

beim Sozialgericht Itzehoe Klage erhoben, der sie eine Auflis-

tung der ambulanten Behandlungen 2004 und 2005 sowie eine Lis-

te der Besuchstage beigefügt hat. Sie hat ausgeführt, die Er-

stattung der Besuchsfahrten sei zwar vom Gesetzgeber nicht di-

rekt geregelt, aber unter den allgemeinen Voraussetzungen des

§ 60 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) zulässig. Insbe-

sondere sei die Erstattung möglich, wenn die Fahrten bei lan-

ger Abwesenheit des Versicherten zu seiner psychischen Unter-

stützung unentbehrlich und zwingend notwendig seien. Hierzu

hat sie sich auf die ärztlichen Bescheinigungen der Universi-

tätskliniken gestützt. Insgesamt sei auf der Grundlage eines

Kilometersatzes von 0,20 EUR pro Kilometer für 85 Fahrten und



- 6 -



einer Wegstrecke pro Fahrt von 200 km ein Erstattungsbetrag



von 3.400,00 EUR im Streit.



Die Klägerin hat beantragt,



den Bescheid der Beklagten vom 7. Juli 2006 in der Fas-

sung des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2006

abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr weitere

3.400,00 EUR an Fahrkosten zu erstatten.



Die Beklagte hat beantragt,



die Klage abzuweisen.



Unter Verweisung auf die Begründung des Widerspruchsbescheides

hat sie ausgeführt, die Ausnahmen für eine Fahrkostenerstat—

tung zu ambulanten Behandlungen seien nicht erfüllt, da dem

Versicherten nicht das Merkzeichen „aG“ zuerkannt gewesen und

keine Dialysebehandlung‚ onkologische Chemo- oder Strahlenthe-

rapie oder eine vergleichbare Behandlung durchgeführt worden

sei. Besuchsfahrten hätten ebenfalls vorher genehmigt werden

müssen, um ihr - der Beklagten — rechtzeitig die Gelegenheit

zur Prüfung der Voraussetzungen zu geben. Im Übrigen sei aus

den vorgelegten Unterlagen nicht erkennbar, in welchem Umfang

und mit welcher Besuchsfrequenz eine psychische Stützung des

Versicherten erforderlich gewesen sei, da in dem ärztlichen

Attest lediglich die optimale psychologische Führung und Be-

treuung hervorgehoben sei. Die Klägerin habe eine Betreuungs-

funktionen erfüllt, die im Rahmen der Behandlungspauschale ei-

ne originäre Leistung des Krankenhauses sei. Dabei sei zu be-

rücksichtigen, dass allein die gesundheitlichen Auswirkungen

derartiger Besuche auf die Krankheit des Versicherten berück-

sichtigt werden könnten. Zwar sei im weiteren Attest vom

13. April 2005 die Notwendigkeit der Begleitung an den Unter-



-7 -



suchungstagen attestiert, aus den dargelegten Gründen könnten

die Kosten hierfür jedoch nicht übernommen werden.



Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 9. April 2008 die Klage

abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das vorherige

Antragserfordernis für die Fahrkosten folge bereits aus § 13

Abs. 3 Satz l SGB V; es sei nicht zu erkennen, dass die Leis-

tungen unaufschiebbar gewesen seien. Im Übrigen habe die Be-

klagte die Fahrkostenerstattung auch nicht zu Unrecht abge-

lehnt. Denn die Fahrkosten könnten nur nach vorheriger Geneh-

migung in besonderen Ausnahmefällen, die jedoch nicht vorlä-

gen, erstattet werden. Weitere Ausnahmeerfordernisse seien die

Merkzeichen „aG“‚ „Bl“ oder „H“ nach dem Sozialgesetzbuch,

9. Buch, die dem Versicherten nicht zuerkannt worden seien;

eine gleichfalls als Ausnahme anerkannte Einstufung in die

Pflegestufe II sei erst im Dezember 2005 erfolgt. Für die Be-

suchsfahrten gebe es schließlich keine gesetzliche Anspruchs-

grundlage. Es sei nicht zu verkennen, dass die Anwesenheit der

Klägerin bei dem Verstorbenen für sie selbst und für diesen

notwendig gewesen sei, mangels einer gesetzlichen Grundlage

seien die Kosten jedoch der allgemeinen Lebensführung zuzu—

rechnen. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch stelle

gleichfalls keine Rechtsgrundlage dar, denn er setze einen Be-

ratungsfehler voraus. Ein solcher Anspruch scheitere bereits

daran, dass die Beklagte nicht in der Lage wäre, im Wege einer

rechtmäßigen Amtshandlung die Fahrkosten zu erstatten, da es

an einer Rechtsgrundlage fehle.



Gegen die ihrem Prozessbevollmächtigten am 18. Juni 2008 zuge-

stellte Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin,

die am 17. Juli 2008 beim Sozialgericht Itzehoe eingegangen

ist. Sie macht einen Vertrauensschutz geltend und trägt hierzu

vor, der Verstorbene sei seit 1997 in regelmäßiger Behandlung

gewesen und die Fahrkosten seien fortlaufend stets im Folge—



- 3 -



jahr erstattet worden, und zwar ab 2002 beginnend mit dem Be-

handlungsjahr 1998. Dies sei problemlos gehandhabt worden. An-

lässlich einer stationären Reha—Maßnahme in Ka. habe die BfA

ebenfalls die Fahrkosten für sie und die Übernachtungskosten

getragen. Die Gesetzesänderung ab 1. Januar 2004 habe die Be-

klagte ihr nicht mitgeteilt. Anlässlich eines Telefonats An-

fang 2004 wegen der zukünftigen Fahrten habe die Mitarbeiterin

der Beklagten R. ihr die Auskunft erteilt, auch ab 2004 würden

die Fahrkosten fortlaufend übernommen, wenn sie bis 2003 ge-

tragen worden seien. Das Telefonat stelle einen Antrag auf

Kostenübernahme dar, die Mitarbeiterin habe nicht auf einen

schriftlichen Antrag verwiesen. Die Klägerin schildert den

weiteren Krankheits- und Behandlungsablauf des Versicherten.



Die Klägerin beantragt,



das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 9. April 2008

aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. Juli

2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom

19. Oktober 2006 abzuändern und die Beklagte zu verur-

teilen, ihr weitere Fahrkosten in Höhe von 3.400,00 EUR

zu erstatten.



Die Beklagte beantragt,



die Berufung zurückzuweisen.



Sie bestreitet, dass die Klägerin die Kostenübernahme Anfang

2004 mündlich beantragt habe. Es gebe keinen Hinweis darauf,

dass in der Vergangenheit die Fahrkosten einvernehmlich am

Jahresende erstattet worden seien, die Erstattung sei vielmehr

unregelmäßig erfolgt. Hierzu legt die Beklagte diverse Leis-

tungsmasken vor.



-9 -



In der mündlichen Verhandlung haben dem Senat die Verwaltungs-

vorgänge der Beklagten, die Akte S 1 P 33/06 des Sozialge-

richts Itzehoe und die Verfahrensakte vorgelegen. Zur Ergän-

zung der Einzelheiten wird darauf Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts

Itzehoe ist zulässig, aber nicht begründet. Zutreffend hat das

Sozialgericht die Entscheidung der Beklagten bestätigt. Die

Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung weiterer Kosten.

für Fahrten ihres verstorbenen Ehemannes und für Besuchsfahr-

ten. Dabei geht es infolge der Aufhebung der vorangegangenen

Bescheide durch den Bescheid vom 7. Juli 2006 allein noch um

die Fahrten des Versicherten zu den ambulanten Behandlungen

und um die Besuchsfahrten der Klägerin selbst.



Die Ansprüche der Versicherten der gesetzlichen Krankenversi-

cherung auf Fahrkosten sind durch Art. 1 Nr. 38 des Gesetzes

vom 14. November 2003 (BGBl. 1, s. 2190 — GKV-Modernisierungs—

gesetz) mit Wirkung vom l. Januar 2004 neu geregelt worden.

Nach § 60 Abs. l SGB V übernimmt die Krankenkasse nach den Ab-

sätzen 2 und 3 der Vorschrift die Fahrkosten einschließlich

der Krankentransporte, wenn sie im Zusammenhang mit einer

Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen

notwendig sind. Aus dieser Formulierung und dem Hinweis auf

die zwingende Notwendigkeit, ferner aus der Tatsache, dass

§ 60 in der Gesetzesfassung vom 14. November 2003 gegenüber

der vorangegangenen Regelung eine Einschränkung vorsah (dazu

Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegever-

sicherung, § 60 SGB V Rz. 2), ergibt sich, dass die Bestimmun-

gen eng ausgelegt werden müssen. Nach § 60 Abs. 2 SGB V sind

Leistungsfälle für Fahrkosten aufgeführt, die hier nicht ein-



- 10 -



schlägig sind, denn es handelt sich um Fahrten im Zusammenhang

mit stationären Krankenhausbehandlungen (Nr. 1), um Rettungs-

fahrten (Nr. 2), um Krankentransporte mit notwendiger fachli-

cher Betreuung (Nr. 3) sowie um Fahrten im Zusammenhang mit

ambulanten Krankenbehandlungen‚ wenn dadurch eine an sich ge-

botene vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehand-

lung vermieden oder verkürzt wird oder wenn diese nicht durch-

führbar ist (Nr. 4). Diese Voraussetzungen liegen sämtlichst

nicht vor. Nach § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V können Fahrkosten im

Zusammenhang mit ambulanten Behandlungen nur nach vorheriger

Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen erstattet werden, die

der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92

Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V festgelegt hat. Hieraus folgt be-

reits, dass für die Besuchsfahrten der Klägerin selbst im Ge-

setz, anders als in der früheren Regelung des § 194 Abs. 3

RVO‚ keine Anspruchsgrundlage vorgesehen ist. Der Senat unter-

stellt hierbei zwar, dass diese Fahrten psychologisch und me-

dizinisch indiziert gewesen sind, wie dies in den von der Klä-

gerin vorgelegten Arztbriefen ausgeführt ist. Es handelt sich

jedoch nicht um eine ärztliche oder ärztlich veranlasste Kran-

kenbehandlung, da die Klägerin dadurch, dass ihre Begleitung

des Versicherten auf den Fahrten medizinisch sinnvoll gewesen

ist, nicht zu einer ärztlichen Hilfsperson wird. Eine An-

spruchsgrundlage für die Besuchsfahrten ergibt sich aus dem

Gesetz nicht (vgl. auch LSG Essen vom 23. August 1994 — L 5 KR

303/92; Hasfeld in juris—PK § 60 SGB V Rz. 45).



Für die Fahrten zu den ambulanten Behandlungen fehlt es zum

einen bereits an der vorherigen Genehmigung durch die Beklagte

im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V. Zum anderen sind jedoch

auch die weiteren Voraussetzungen nicht erfüllt. Die Richtli-

nien gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V, die der Gemeinsame

Bundesausschuss mit Wirkung vom 1. Januar 2004 am 22. Januar

2004 erlassen hat (BAnz Nr. 18 S. 1342 — Krankentransport-



- 11 -



richtlinien —)‚ sehen für die Übernahme der Kosten für Kran-

kentransporte und Fahrten grundsätzlich nach § 2 eine Verord-

nung vor. Dies gilt jedoch nach § 2 Abs. 3 nicht, wenn — wie

hier — Fahrten mit einem privaten Kraftfahrzeug durchgeführt

werden. Es ist daher unerheblich, dass die vorgelegten ärztli-

chen Verordnungen nur zu einem geringfügigen Teil, nämlich für

den 17. Februar, 15. März, 16. Juni und 13. September 2005 so-

wie 12. Mai 2006, Fahrten zu ambulanten Behandlungen und im

Übrigen stationäre Krankenhausbehandlungen betrafen.



Jedoch können nach S 8 der Richtlinien die Kosten nur in be—

sonderen Ausnahmefällen übernommen werden, wenn Fahrten zu am-

bulanten Behandlungen betroffen sind. Nach § 8 Abs. 2 ist Vo-

raussetzung für eine Genehmigung, dass der Patient mit einem

durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema behan-

delt wird, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen länge—

ren Zeitraum aufweist und dass diese Behandlung oder der zu

dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in

einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermei-

dung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist. Hierzu

ist in Anlage 2 zu der Richtlinie eine nicht abschließende

Liste für die Ausnahmefälle erstellt worden. Darin sind eine

Dialysebehandlung sowie eine onkologische Strahlentherapie

oder onkologische Chemotherapie aufgenommen worden. Diese Vo-

raussetzungen liegen hier nicht vor, da der Versicherte keine

schematische Therapiebehandlung erfahren hat. Zwar ist er we-

gen der Lebererkrankung, die in eine Tumorerkrankung mündete,

über einen längeren Zeitraum behandelt worden. Der behandelnde

Arzt Dr. Sa. hat auch am 9. September 2005 eine schwere chro-

nische Krankheit im Sinne des § 62 SGB V attestiert. Die Vo-

raussetzungen für eine Krankheit in diesem Sinne liegen be-

reits dann vor, wenn der Versicherte mindestens ein Jahr lang

vor Ausstellen der Bescheinigung jeweils wenigstens einmal im

Quartal wegen derselben Krankheit in ärztlicher Behandlung



- 12 -



war. Dies kann jedoch mit den Anforderungen an eine Übernahme

der Fahrkosten im Sinne der Richtlinien zu § 60 Abs. 1 Satz 3

SGB V nicht gleichgesetzt werden. Die Feststellung zu § 62

SGB V dient der Einschätzung, ob die Belastungsgrenze insge-

samt überschritten ist. Die Entscheidung darüber folgt nach

anderen Grundsätzen als die Kostenerstattung für Fahrten zu

und von ambulanten Behandlungen. Dies folgt aus dem Vergleich

der Kriterien zu § 62 und § 60 Abs. l SGB V. Die Fahrkosten zu

einer einmaligen Krankenbehandlung je Quartal i.S.d. § 62

SGB V belasten den Versicherten in ungleicher Weise gegenüber

Fahrkosten zu einer Dialyse oder onkologischen Behandlung. Die

regelmäßig erforderliche Behandlungsfrequenz und die systemi—

sche Behandlung fehlen hier. Es lag den Behandlungen, insbe-

sondere den Notfallbehandlungen, kein bestimmendes Therapie-

schema zugrunde. Aus dem Grunde stellt auch die Bescheinigung

vom 9. September 2005 keine Grundlage für die Kostenerstattung-

dar. Die Voraussetzungen für § 8 Abs. 2 der Richtlinien sind

nicht erfüllt.



Nach § 8 Abs. 3 der Richtlinien können die Fahrkosten zur am-

bulanten Behandlung darüber hinaus verordnet oder genehmigt

werden, wenn ein Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen

„aG“, „Bl“ oder „H“ zuerkannt worden ist oder wenn die Voraus-

- setzungen der Pflegestufe II oder III nach dem Sozialgesetz-

buch, Elftes Buch erfüllt sind. Die Merkzeichen zu der Schwer-

behinderteneigenschaft lagen bei den Versicherten sämtlich

nicht vor, die Pflegestufe II wurden erst nach Durchführung

der hier geltend gemachten Fahrten zuerkannt, daher sind auch

die Voraussetzungen dieser Alternative nicht erfüllt. Insge-

samt stellen die Krankentransportrichtlinien keine Grundlage

für die Übernahme der Kosten einer ambulanten Behandlung des

Versicherten dar.



- 13 -



Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht auf einen Vertrau-

ensschutz stützen, weil die Mitarbeiterin der Beklagten R.

den Versicherten oder die Klägerin nicht auf die Gesetzesände-

rung hingewiesen oder ausgeführt hat, die Kosten würden auch

weiterhin übernommen werden. Dabei ist zu berücksichtigen,

dass eine schriftliche Zusage der Mitarbeiterin im Sinne des

§ 34 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch nicht vorliegt. Es kann

dahingestellt bleiben, ob eine Verpflichtung der Mitarbeiterin

zur Aufklärung über die Gesetzesänderung bestand, nachdem die

Beklagte vorher Fahrkosten erstattet hatte. Denn hierauf kommt

es nicht entscheidungserheblich an. Dabei vermag der Senat den

Vortrag der Klägerin, sie habe die Fahrkosten eines Jahres

erst im Folgejahr eingereicht, nach Vorlage der Leistungsmas—

ken durch die Beklagte nicht nachzuvollziehen. Denn daraus er-

geben sich in unregelmäßiger Reihenfolge in den Jahren 2002

und 2003 Erstattungen von Fahrkosten. Unerheblich, ob der Er-

stattungsanspruch sich auf einen Vertrauensschutz der Klägerin

auf Fortführung der vorangegangenen Verfahrensweise oder auf

einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch‚ der sich auf ei-

ne nach § 14 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I) gebotene

und unterlassene Beratung stützen konnte (Seewald, Kasseler

Kommentar, § 14 SGB I Rz. 24), wären die Erstattungsvorausset-

zungen nicht erfüllt, denn in beiden Fällen fehlt es an dem

Alternativverhalten, das im einen Fall infolge des Vertrauens-

schutzes, im anderen Fall infolge der gebotenen und unterlas—

senen Beratung unterblieben ist. Für die Fahrten zu und von

den ambulanten Behandlungen ergibt sich dies von selbst, denn

der Versicherte musste sie notwendigerweise wahrnehmen und

hatte keine andere Gestaltungsmöglichkeit, um die Behandlungen

durchführen zu lassen. Jedoch auch hinsichtlich der Besuchs-

fahrten hat die Klägerin stets ausgeführt, dass sie diese für

notwendig erachtete. Es fehlt jeglicher Hinweis darauf, dass

sie dann, wenn sie davon gewusst hätte, dass sie die Kosten

für die Fahrten selbst zu übernehmen hätte, von den Besuchen



- 14 -



Abstand genommen hätte. Selbst wenn man folglich eine gebotene

Aufklärung durch die Beklagte als Folge der Gesetzesänderung

zum 1. Januar 2004 unterstellt, folgt daraus kein Leistungsan-

spruch der Klägerin. Zudem darf der Herstellungsanspruch nur

auf eine zulässige Leistung gerichtet sein. Eine solche wäre,

wie ausgeführt, eine Fahrkostenerstattung nicht.



Die Abweisung der Ansprüche durch die Beklagte erfolgte daher

zu Recht.



Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz

(SGG) .



Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 16O

Abs. 2 SGG liegen nicht vor.



Rechtsmittelbelehrung



Dieses Urteil kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bun-

dessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das

Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.



Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten

innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim



Bundessozialgericht

Graf-Bernadotte-Platz 5

34119 Kassel



einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem Bundessozialgericht

eingegangen sein.



Als Prozessbevollmächtigte sind zugelassen



- Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände

für ihre Mitglieder oder für andere Verbände und Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung

und deren Mitglieder. Sie müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln,



- selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit soziaI- oder berufspolitischer Zwecksetzung, be-

rufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft, Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben

die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger

nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und

die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Ge-

währ für eine sachkundige Prozessvertretung bieten. Die genannten Organisationen dürfen nur ihre



- 15 -



jeweiligen Mitglieder vertreten und müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln,



- juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorstehend be-

zeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung

und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusam-

menschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durch-

führt, und wenn die Organisationfür die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet. Sie müssen durch Per-

sonen mit Befähigung zum Richteramt handeln,



- jeder Rechtsanwalt,



- jeder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Be-

fähigung zum Richteramt.



Ein Beteiligter, der danach zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.



Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung

ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunter—

nehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäf-

tigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen

Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammen-

schlüsse vertreten lassen.



Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils schriftlich zu begründen.

In der Begründung muss



- die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder



- die Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe

des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder



- ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden.

Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 I Satz 1 Sozialgerichtsgesetz nicht

und eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz nur gerügt werden, soweit das Landessozialge-

richt einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.



Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon

durch einen Bevollmächtigten aus dem Kreis der oben genannten Gewerkschaften oder Vereinigun-

gen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwaltes beantragen.



Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim Bundessozialgericht

entweder schriftlich oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.



Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhält-

nisse sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorge-

schriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten oder durch den Schreibwa-

renhandel bezogen werden.



Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Beschwerde begehrt, so müssen der Antrag und

die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegebenenfalls nebst entspre-

chenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde beim Bundessozialge-

richt eingegangen sein.



Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt wer-

den.



- 16 -



Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Anwalt

zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundes-

sozialgericht ausgewählt.

Faksimile  1   2   3   4   5   6   7   8   9   10   11   12   13   14   15   16  

... link (0 Kommentare)   ... comment


Sonntag, 3. Januar 2016
LSG BAY, L 8 SO 64/09 B ER vom 22.07.2009, Bayerisches Landessozialgericht
L 8 SO 64/09 B ER

S 4 SO 16/09 ER

Bayerisches Landessozialgericht
In dem Beschwerdeverfahren
H.
Antragsteller und Beschwerdeführer
gegen B.
Antragsgegner und Beschwerdegegner
Beigeladen
L.

wegen einstweiliger Anordnung

erlässt der 8. Senat des Bayr. Landessozialgerichts in München

am 22. Juli 2009

ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter am Bayer. Landessozial-
gericht S. sowie die Richter am Bayr. Landessozialgericht K und K folgenden

Beschluss

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 16. April 2009
wird zurückgewiesen

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten

III. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt

Gründe:

Zwischen den Beteiligten ist die Frage der vorläufigen Gewährung einer Hilfe zur
Beschaffung eines Kraftfahrzeugs streitig.

Der 1963 geborene Kläger ist multimorbid erkrankt (unter anderem Zustand nach
dreimaliger Nierentransplantation, Peritonealdialyse, Schilddrüsenkarzinom) und
bezieht Rente wegen voller Erwerbsminderung. Beim Antragsteller wurde eine
Schwerbehinderung mit dem Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzei-
chen “G“ und “Rf“ festgestellt. Ein zunächst im Februar 2007 beim Landratsamt
Regensburg gestellter Antrag auf Gewährung einer Hilfe zur Beschaffung eines
Kraftfahrzeugs wurde zur weiteren Bearbeitung an den Beklagten weitergeleitet.
Mit Schreiben vom 11.04.2007 wurde vom Antragsgegner angeregt sich noch-
mals mit der Krankenkasse bezüglich der Frage einer Kostenbeteiligung zur Repa-
ratur beziehungsweise Neuanschaffung eines Kraftfahrzeugs zu wenden. Mit
Schreiben vom 02.12.2008 teilte der Antragsteller mit, dass die Krankenkasse er-
neut eine Beihilfe abgelehnt habe. Danach sei eine Übernahme nur möglich, wenn
ein Arzt die Benutzung eines Taxis verordne. Dies könne er jedoch nur, wenn
zwingende medizinische Gründe die Benutzung eines privaten Kfz ausschließen. Hinsichtlich der Frage der Kostenübernahme habe er bereits gegen seine Kran-
kenversicherung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes versucht, eine ent-
sprechende Unterstützung zu erlangen. Gleichzeitig widersprach der Antragsteller
der Ablehnung im Bescheid vom 11.04.2007. Daneben begehrte er vorläufige
Leistungen nach § 43 Sozialgesetzbuch (SGB) I sowie eine Vorschusszahlung
(§ 42 SGB I). Mit einem weiteren Schreiben vom 03.12.2008 beantragte er die
Rücknahme des ablehnenden Bescheides nach § 44 SGB X.

Im Rahmen eines sozialgerichtlichen Verfahrens (Az.: S 14 KR 60/08) hat der Antragsteller gegenüber seiner Krankenversicherung die Übernahme der anfallenden Kosten für die Nutzung eines Taxis für seine Fahrten zu ambulanten Untersuchungen und Behandlungen begehrt. Das Sozialgericht Regensburg – SG – hat mit Gerichtsbescheid vom 13.06.2008 die Klage abgewiesen und ausgeführt, soweit es Taxifahrten betreffe, seien die Voraussetzungen der anwendbaren Krankentransportrichtlinie nicht erfüllt. Eine hohe Behandlungsfrequenz sei zu Recht vom MDK abgelehnt worden. Im Rahmen des sich daran anschließenden Berufungsverfahrens, hat der Klägerbevollmächtigte vorgetragen, der Kläger sei aufgrund seiner körperlichen Konstitution nicht in der Lage, die notwendigen Termine für die Dialyse oder zu den genannten Ärzten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewältigen. Der Kläger besitze kein eigenes Kfz und werde durch eine Bekannte zu den Terminen gefahren. Eine Entscheidung über das Berufungsverfahren liegt noch nicht vor (Az. L 5 KR 187/08).

Mit Bescheid vom 13.02.2009 lehnte der Antragsgegner die Gewährung einer Betriebskostenpauschale sowie die Übernahme von Instandhaltungskosten für ein Kraftfahrzeug ab. Nach § 54 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit § 10 Abs. 6 der Verordnung zu § 60 SGB XII könnten die Fahrten zum Arzt und ärztlich verordneten Therapien nicht berücksichtigt werden, weil diese Fahrten bei zwingender Notwendigkeit von der Krankenkasse sicherzustellen sind. Aufgrund des Nachrangsprinzips seien sie daher nicht zu berücksichtigen.

Hiergegen erhob der Antragsteller am 18.02.2009 Widerspruch. Mit Bescheid vom 06.03.2009 wies die Regierung der Oberpfalz den Widerspruch zurück.

Am 18.03.2009 hat der Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme von Leistungen für Krankenfahrten beim SG beantragt. Er müsse durchschnittlich zwei bis dreimal pro Monat notwendige Krankenfahrten durchführen. Er habe bis Dezember 2008 aufgrund seines niedrigen Einkommens Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten. Am 21.02.2009 habe ihm das Sozialamt Regensburg mitgeteilt, dass der monatliche Bedarf der Grundsicherung nunmehr um 18,19 € überstiegen werde. Aufgrund seiner finanziellen Situation müsse er Fahrten von Dritten erbitten.

Mit Beschluss des SG Regensburg vom 16.04.2009 hat dieses den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Hiergegen richtet sich die am 11.05.2009 beim Landessozialgericht (LSG) erhobene Beschwerde. Mit Beschluss des LSG vom 25.06.2009 hat dieses den Landkreis Regensburg gemäß § 175 Abs. 1, 153, 106 Abs. 3 Nr. 6 SGG beigeladen.

Der Antragsteller hat in seiner Beschwerdeschrift zusammenfassend ausgeführt, er sei kein Dialysepatient und benötige keine Fahrten zu Dialysebehandlung. Aus sonstigen medizinischen Gründen seien jedoch regelmäßige Arztbesuche notwendig. Entgegen der Auffassung des SG bestehe eine besondere Eilbedürftigkeit. Es sei ihm letztlich nicht zumutbar, gegenüber nicht unterhaltspflichtigen Personen durch “Erbetteln“ die notwendigen Leistungen zu erhalten. Ergänzend weist der Antragsteller auf die Bedeutung von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz hin. Ferner wird die unterlassene Beiladung der Krankenversicherung gerügt. Auf Nachfrage durch den Senat, welche ärztlichen Termine im Zeitraummärz bis Mai 2009 stattfanden, hat der Antragsteller mit Schreiben vom 06.07.2009 mitgeteilt, er habe am 03.03.2009 einen Zahnarzttermin in Schierling, am 13.03.2009, 24.04.2009 und 20.05.2009 jeweils einen Termin in Regensburg zur Verabreichung von Vitaminpräparaten gehabt. Die letzten drei Behandlungen wurden auch nicht direkt durch Ärzte, sondern von nicht ärztlichem Personal in der Praxisgemeinschaft durchgeführt. Ferner hat der Antragsteller gerügt, dass nicht unverzüglich Prozesskostenhilfe bewilligt worden sei. Ergänzend wird auf die umfangreichen Schriftsätze, zuletzt vom 16.07.2009, des Antragstellers verwiesen.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung des Beschlusses des SG vom 16.04.2009 den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihm Beihilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges sowie die Übernahme der Betriebskosten für ein Kraftfahrzeug, hilfsweise die Übernahme von Taxikosten und Prozesskosten zu bewilligen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Beigeladene hat mit Schreiben vom 09.07.2009 mitgeteilt, er würde gegebenenfalls eine erneute Bedarfsprüfung nach § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII durchführen, wenn die Nichtleistungspflicht der Krankenkassen verbindlich festgestellt ist und sich daraus dem Grunde nach eine Leistungspflicht des Beigeladenen ergäbe.

Der Senat hat zur weiteren Aufklärung die Akten des Antragsgegners, des Sozialgerichts München in den Verfahren S 4 SO 16/09, S 14 KR 60/08, S 14 KR 69/08 ER, S 14 KR 70/08, S 14 KR 66/08 sowie des LSG in den Verfahren L 5 KR 161/08, L 5 B 314/08 KR ER, L 5 B 748/08 KR ER C, L 5 KR 187/08 und L 5 KR 9/09 B PKH beigezogen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückgewiesen.

Nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Abs. 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Die einstweilige Anordnung soll den Zeitraum bis zu einer abschließenden Hauptsacheentscheidung durch eine Zwischenregelung überbrücken und auf diese Weise den Rechtsstreit in der Hauptsache entscheidungsfähig erhalten.

Eine Regelungsanordnung kann grundsätzlich nur erlassen werden, wenn das Gericht die für die Bejahung des Hauptsacheanspruchs (Anordnungsanspruch) wie auch für die Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung zur Abwendung eines wesentlichen Nachteils (Anordnungsgrund) erforderlichen Tatsachen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (Glaubhaftmachung im Sinne des Beweismaßstabes) bejaht.

Nach Auffassung des Senats verbleibt es bei der oben dargestellten Maßstabsbildung, da auch bei Versagen des einstweiligen Rechtsschutzes keine schwere und unzumutbare – anders nicht abwendbare Beeinträchtigung – insbesondere im Hinblick auf die Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens oder des Gesundheitsschutzes (Art. 1 und 2 Grundgesetz – GG - ) droht (Bundesverfassungsgericht – BVerfG – Beschluss vom 12.05.2005. 1 BvR 569/05 und Beschluss vom 06.02.2007, Az.: 1 BvR 3101/06.). Der Antragsteller ist gesetzlich krankenversichert und damit wird grundsätzlich ausreichend Gesundheitsschutz gewährt.

1. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass dem Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit kein Anordnungsanspruch gegen den Antragsgegner auf die begehrten Leistungen zusteht.

a) Soweit der Antragsteller die Übernahme der Anschaffungskosten bzw. Unterhaltskosten für ein Kfz begehrt, lässt sich ein solcher Anspruch nicht aus §§ 53 ff SGB XII in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Eingliederungshilfeverordnung – EinglhVO -, ableiten. Die Kfz-Hilfe, deren Voraussetzungen durch § 8 Abs. 1 EinglhVO ausgestaltet wird, dient vorwiegend der Teilhabe am Arbeitsleben und auch zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Im vorliegenden Fall geht es jedoch vorwiegend um die Frage der Ermöglichung von Arztbesuchen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. dazu etwa Urteil des Bayerischer Verwaltungsgerichtshofs München vom 26.07.2004, Az.: 12 B 03.2723 bzw. Verwaltungsgericht B-Stadt vom 30.09.2003, Az.: Au 3 K 03.748, m.w.N.) ist § 8 EinglhVO eng auszulegen. Soweit die Hilfe zu anderen Zwecken als der beruflichen Eingliederung beantragt wird, müssen diese Gründe mindestens vergleichbar gewichtig sein. Dem schließt sich auch der erkennende Senat an (vgl. Bayerisches Landessozialgericht v. 22.09.2008 Az.: L 8 B 684/08 SO ER) Nur ausnahmsweise wäre dies bei besonderen Fallkonstellationen im Hinblick auf den Gesundheitsschutz denkbar. Da jedoch beim Antragsteller nur vereinzelte Fahrten zum Arzt erforderlich sind, kommt dies im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Dabei stützt sich der Senat auf den vom Antragsteller in seinen Schriftsätzen vom 16.03.2009 sowie vom 06.07.2009 vorgetragenen Sachverhalt, wonach durchschnittlich zwei bis dreimal im Monat notwendige Krankenfahrten zu erledigen sind. Im vom Senat nachgefragten Zeitraum von März bis Juni waren insgesamt nur drei außerhalb des Wohnorts des Antragstellers gelegene Termine erforderlich. Ferner hat der medizinische Dienst in seiner Stellungnahme vom 13.11.2007 festgestellt, dass beim Antragsteller aufgrund seiner chronischen Erkrankung keine hohe Behandlungsfrequenz erforderlich sei. Nur bei auftretenden Komplikationen könnte sich die Zahl erhöhen. Auf die Frage der Unterhaltskosten für ein Kfz ist daher nicht weiter einzugehen.

b) Nach Auffassung des Senats besteht auch kein Anspruch auf Übernahme der Wegekosten nach § 48 SGB XII, da nach Art. 80 Abs. 1 i.V.m. Art 82 Bayerisches Gesetz zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG) der Antragsgegner nicht zuständiger Leistungserbringer ist und die Leistungen der Krankenhilfe gegenüber den Leistungen des SGB V nachrangig sind.

2. a) Hinsichtlich der Übernahme der Beschaffungs- und Unterhaltskosten für ein Kfz besteht gegenüber dem Beigeladenen kein Anordnungsanspruch, da für die Kfz-Hilfe als Leistung der Eingliederungshilfe nach dem sechsten Kapitel des SGB XII gemäß Art. 82 Abs. 1 Nr. 1 AGSG der Antragsgegner zuständiger Leistungsträger ist.

b) Soweit hilfsweise die Übernahme der Taxikosten begehrt wird, besteht nach Auffassung des Senats gegenüber dem Beigeladenen jedenfalls kein Anordnungsgrund. Wie der Antragssteller in seinem Schreiben vom 06.07.2009 selbst ausführt, sind aufgrund des „guten Verhältnisses“ des Antragstellers zu der Person, die ihn zur Behandlung nach Regensburg fährt, grundsätzlich die Fahrten gesichert. Dabei ist ihm zuzumuten, auch wenn der Antragsteller nur ein geringes Einkommen hat, das lediglich 18,41 € über dem errechneten Bedarf liegt, demjenigen, der ihn nach Regensburg fährt angemessen zu entschädigen. Der Gesetzgeber hat gleichzeitig mit der Einführung des SGB XII zum 01.01.2005 durch Erhöhung der Regelsätze pauschal die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erfassten Leistungen als abgegolten gesehen. So enthält der Regelsatz nach § 28 SGB XII für die Gesundheitspflege Leistungen in Höhe von 3,68% sowie für Fahrtkosten und Verkehr in Höhe von 4,48%. Aus der vom Beigeladenen vorgelegten Bedarfsberechnung für den Zeitraum Februar bis Juni 2009 ergibt sich ferner, dass der Beigeladene auch einen Mehrbedarf wegen Erwerbsminderung in Höhe von 47,77 € berücksichtigt hat. Auch dieser Mehrbedarfszuschlag steht insoweit dem Antragsteller zumindest teilweise für Fahrtkosten zur Verfügung. Aufgrund des Nachranggrundsatzes der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 SGB XII) hat sich der Antragsteller insoweit die Leistungen Dritter zurechnen zu lassen.

Ferner hat der Antragsteller auch keinen Antrag auf Übernahme von Taxikosten bei seiner gesetzlichen Krankenversicherung – vor – der Fahrt nach Regensburg gestellt. Dies ergibt sich aus den beigezogenen Akten des Sozialgerichts Regensburg (vgl. Gerichtsbescheid des SG vom 13.06.2008, Az.: S 14 KR 60/08) Danach konnte das SG insbesondere nicht über einen möglichen Anspruch nach § 60 I S. 3 SGB V entscheiden. Nach Auffassung des Senats ist es dem Antragsteller aber grundsätzlich zuzumuten, zunächst – vor – einer Fahrt zum Arzt nach Regensburg die Übernahme von Taxikosten zu beantragen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich nur um wenige Fahrten handelt.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass grundsätzlich Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung gegen den Beigeladenen keinen Anordnungsanspruch haben. Durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz-GMG) vom 14.11.2003 (Bundesgesetzblatt I, 2003, Nr. 55, S. 2190ff.) ist § 60 SGB V neugefasst worden. Gem. § 60 Abs. 1 S. 1 SGB V darf die Krankenkasse nur Fahrkosten übernehmen, die aus „zwingenden medizinischen Gründen notwendig“ sind. Dass die vorliegenden Gründe medizinischer Art und zwingend sein müssen, ist durch das GKV-ModernisierungsG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190, mWv 01.01.2004) klargestellt worden. Allerdings hat man bereits vorher dem Begriffsmerkmal „notwendig“ entnommen, dass es sich um zwingend und unvermeidlich entstehende Aufwendungen handeln muss (BSGE 55, 37 = SozR 2200 § 194 Nr. 10). Andere Behandlungsalternativen, bei denen keine Fahrkosten anfallen, dürfen daher nicht bestehen (vergleiche Höfler in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 60. Ergänzungslieferung 2009, RdNr. 11; Gerlach in Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch V, § 60, Rz.: 18). Sofern jedoch in Ausnahmefällen – etwa bei einer Dialysebehandlung – aus medizinischen Gründen darüber hinaus Fahrten erforderlich sind, werden diese nach § 60 Abs. 1 S. 3 SGB V nach vorheriger Genehmigung übernommen. Zugleich hat der Gesetzgeber mit dem GKV-Modernisierungsgesetz auch die Hilfen bei Gesundheit nach dem Fünften Kapitel des SGB XII strikt an das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung angebunden (vergleiche Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, Kommentar zum Sozialgesetzbuch XII, 17. Aufl., § 52, Rz.: 2). So richtet sich nach § 52 Abs. 1 SGB XII auch die Krankenhilfe nach den Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung. Darüber hinaus ist für den Senat nicht erkennbar, aus welchen dringenden medizinischen Gründen die Verabreichung von Vitaminpräparaten, welche in der in Regensburg gelegenen Praxis durch nicht ärztliches Personal erfolgt, nicht auch durch den Hausarzt des Antragstellers, Dr. Großhauser, am Wohnort des Klägers erfolgen kann. Auch der Antragsteller hat insoweit kein Gründe angeführt. Sofern aus medizinischen Gründen jedoch diese Fahrten nach Regensburg erforderlich sein sollten, wäre es dem Antragsteller bei der niedrigen Frequenz an Behandlungsterminen zumutbar, eine vorherige Genehmigung bei seiner gesetzlichen Krankenversicherung zu beantragen und insoweit auch die Übernahme nach § 60 Abs. 1 S. 3 SGB V zu begehren. Soweit des SG in seinem Gerichtsbescheid vom 13.06.2008 die Übernahme von Taxifahrten ablehnte, fehlte es bereits an einer – vorherigen – Genehmigung, so dass durch das SG keine weitere Prüfung veranlasst war.

Sofern aufgrund der chronischen Erkrankung des Antragstellers eine Summierung von fortlaufenden Belastungen auftreten würde, die weder durch den Regelsatz noch durch einen Mehrbedarf im Sinne des § 30 SGB XII erfasst werden, käme ausnahmsweise eine abweichende Festsetzung des Regelsatzes in Betracht. Hierbei dürfen jedoch die gesetzlichen Vorgaben von § 52 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit § 60 SGB V nicht umgangen werden. Da jedoch derzeit aufgrund des Nachranggrundsatzes in § 2 Abs. 1 SGB XII ein dahingehender Bedarf durch Leistungen Dritter gesichert ist, sieht der Senat insoweit keine Veranlassung im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens, eine weitere Prüfung durchzuführen. Sollten diese Fahrten zukünftig nicht mehr gesichert sein, wird der Beigeladene jedoch im Rahmen eines entsprechenden Antrags gegebenenfalls unter anderem über ein medizinisches Gutachten zu klären haben, inwieweit dem Antragsteller die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln zumutbar, eine Behandlung in Regensburg medizinisch notwendig ist und eine übermäßige, vom Regelsatz nicht gedeckte Belastung besteht.

3. Eine Beiladung der DAK ist nach Auffassung des Senats nicht sachdienlich, da durch die vorliegende Entscheidung nicht unmittelbar die Interessen der Krankenversicherung berührt waren. Die Voraussetzungen von § 75 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

III.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) ist zulässig (§§ 73a Sozialgerichtsgesetz – SGG – i.V.m. 127 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung – ZPO), aber nicht begründet.

Nach § 73 a Abs. 1 SGG (i.V.m. § 114 ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtige Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Zur Beurteilung der Erfolgsaussichten kommt es auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag an (vgl. Meyer-Ladewig, Komm. zum SGG, 9. Aufl., RdNr. 7b zu § 73 a). Hinreichende Erfolgsaussichten lagen und liegen bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht vor.

Bei der Prüfung der hinreichenden Aussicht auf Erfolg im Rahmen der PKH erfolgt nur eine vorläufige (summarische) Prüfung. Dabei ist der verfassungsrechtlich gezogene Rahmen (Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3, 19 Abs. 4 Grundgesetz) zu beachten. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Meyer-Ladewig, Komm. zum SGG, 9. Aufl., RdNr. 7, 7 a zu § 73 a). Deshalb dürfen keine allzu überspannten Anforderungen gestellt werden (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.04.2000, Az.: 1 BvR 81/00, NJW 2000, 1936). Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet nach der gebotenen summarischen Prüfung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Dabei ist, wie sich aus dem auf die Rechtsverfolgung abstellenden Wortlaut und dem Normzweck der §§ 114 Satz 1, 119 Satz 2 ZPO ergibt, entscheidend auf den voraussichtlichen Erfolg in der Sache selbst und nicht auf einen davon losgelösten Erfolg des Rechtsmittels zu sehen. Prozesskostenhilfe ist deshalb auch nicht zu bewilligen, wenn das materielle Ergebnis sich in der Berufungsinstanz voraussichtlich nicht ändern wird (vgl. auch BGH, Beschluss vom 28. September 1993 - III ZA 3/93 – ZIP 1993, 1729). Denn der Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten weitgehend gleichen Zugang zu Gerichten wie dem Bemittelten zu gewähren, gebietet lediglich, ihn einem solchen Bemittelten gleichzustellen, der seine Prozesskostenaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko mit berücksichtigt (BVerfGE 81, 347, 356 ff = NJW 1991, 413f,; BVerfG FamRZ 1993, 664, 665).

Wie sich aus den Ausführungen zu II. ergibt, konnte dem Antrag auf Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg nicht stattgegeben werden. Daher kann dahingestellt bleiben, ob ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe des Antragstellers nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 SGG gegen die DGB-Rechtsschutz GmbH besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

S. K. K.


Ausgefertigt Bayerisches Landessozialgericht, München, den 24. Juli 2009






Faksimile noch nicht verfügbar

... link (0 Kommentare)   ... comment


Samstag, 2. Januar 2016
Gutachten des MDK vom 13.11.2007
Frage der Krankenversicherung und voller Wortlaut der Stellungnahme des MDK

Fragestellung

Liegen die Voraussetzungen gemäß den Richtlinien sh. Anlage vor?

Die Mobilität ist zwar beeinträchtigt, die hohe Behandlungsfrequenz (3x|Wo) liegt aber nicht vor, daher sind die Voraussetzungen für Kostenerstattungen der Fahrkosten durch die GKV nicht erfüllt.



Faksimile noch nicht verfügbar

... link (0 Kommentare)   ... comment


Gutachten des MDK vom 27.11.2007
Frage der Krankenversicherung und voller Wortlaut der Stellungnahme des MDK

Fragestellung

Liegt eine vergleichbaren Beeinträchtigung der Mobilität analog den Merkzeichen “aG“, “Bl“, “H“ bzw. der Pflegestufe II oder III und eine Behandlung über einen längeren Zeitraum vor.

Nein


Faksimile noch nicht verfügbar

... link (0 Kommentare)   ... comment


Samstag, 24. Oktober 2015
BSG, 7 RAr 37/80 vom 21.07.1981
Bundessozialgericht 7 RAr 37/80 vom 21.07.1981

Bundessozialgericht

- 7 RAr 37/80 -

I m N a m e n d e s V o l k e s

U r t e i l

in dem Rechtsstreit

Klägerin und Revisionsbeklagte,
Bevollmächtigter

g e g e n

Beklagte und Revisionsklägerin.

Der 7. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne

mündliche Verhandlung am 21. Juli 1981
für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des
Hessischen Landessozialgerichts vom 10. Mai 1979

— L 1/Ar - 958/78 und L 1/Ar — 1018/78 — in

Ziffern I und IV aufgehoben.

Die Sache wird insoweit zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung an das Landessozialgericht zurück-
verwiesen.

 - 2 -

G r ü n d e :

Die Klägerin wendet sich gegen eine Sperrzeit nach § 119
des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG).

Die 1951 geborene Klägerin war vom 1. September 1969 bis
28. Februar 1977 als kaufmännische Angestellte im Unter-
nehmen ihres Vaters beschäftigt gewesen. Sie meldete sich
am 5. März 1977 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld
(Alg). Am Tag der Arbeitslosmeldung wurde der Klägerin eine
Arbeit als kaufmännische Angestellte beim Verband der Bau-
industrie in K angebotene Die Beklagte gab die Art der
angebetenen Arbeit mit "Kaufmännische Angestellte” das
vorgesehene Entgelt mit “tarifliches Entgelt" an.

Der vorgesehene Arbeitgeber teilte dem Arbeitsamt mit
Schreiben vcm 24. März 1977 mitg die Klägerin habe ihm mit
Schreiben vom 4. März 1977 lediglich den Vermittlungsvor—
schlag übermittelt und angefragt, ob die Stelle noch frei
sei. Daraufhin habe der Verband die Klägerin um einen An—
ruf gebeten, um einen Vorstellungstermin vereinbaren zu
können. Am 18. März 1977 habe die Klägerin angerufen und
die Meinung geäußert sie habe sicherlich nicht die er-
forderlichen Voraussetzungen für den zu besetzenden Arbeits-
platz. Die Klägerin gab gegenüber dem Arbeitsamt an die
ihr angebotene Arbeit habe sie nicht erhalten. Die Sekre-
tärin der Verbandsgeschäftsstelle in R habe ihr mitge-
teilt, es würde eine ältere Dame gewünscht, sie (die Klä—
gerin) sei zu jung (Schreiben vom 5. April 1977).

Mit Bescheid vom 25. Oktober 1977 stellte die Beklagte den
Eintritt einer Sperrzeit von vier Wochen vom 19. März bis
15. April 1977 fest und hob die Bewilligung von Arbeits-
losengeld (Alg) für die Dauer der Sperrzeit auf. Die

 - 3 -

Beklagte hatte am selben Tag Alg ab 5. März 1977 für eine
Auspruchsdauer von 312 Wochentagen bewilligt. Mit einem
weiteren Bescheid vom 25. Oktober 1977 versagte die Be-
klagte die Leistung von Alg gemäß § 66 des Sozialgesetz-
buches - Allgemeiner Teil — (SGB 1) mit Wirkung vom
19. April 1977, weil die Klägerin der Aufforderung zur
Vorsprache am 19. und 26. April 1977 nicht nachgekommen
sei und hierdurch die Ermittlungen über das Vorliegen der
Anspruchsvoraussetzungen vereitelt habe, Die Widersprüche
der Klägerin gegen diese Bescheide blieben erfolglos
(Widerspruchsbescheide vom 7. Februar 1978).

Während des Klageverfahrens änderte die Beklagte ihre Auf—
hebungsentscheidung durch Bescheid vom 30. März 1978 dahin—
gehend ab, daß die Bewilligung von Alg mit Wirkung ab
3. Mai 1977 aufgehoben wurde. In der Begründung des Be—
scheides wurde ausgeführt, die Klägerin sei nicht bereit,
jede zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes anzunehmen, was sich aus
ihren Erklärungen ergebe. Die Klägerin wandte sich mit
ihrer Klage auch gegen diesen Bescheid.

Durch Urteil vom 17. Juli 1978 hat das Sozialgericht (SG)
Kassel den Bescheid vom 25. Oktober 1977 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 1978 über den Ein-
tritt einer Sperrzeit aufgehoben, im übrigen die Klage ab-
gewiesen und die Berufung zugelassen. Gegen dieses Urteil
haben sowohl die Beklagte als auch die Klägerin Berufung
eingelegt, die Klägerin hat ferner beantragt, das ihr noch
zustehende Alg mit 10 vH zu verzinsen.

Durch Urteil vom 10. Mai 1979 hat das Landessozialgericht
(LSG) die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, auf die
Berufung der Klägerin das Urteil des SG dahingehend abge-
ändert, daß der Bescheid der Beklagten vom 30. März 1978
aufgehoben wird; die Klage auf Zahlung von Zinsen hat das
LSG abgewiesen. Zur Begründung hat das LSG insbesondere

 - 4 -

ausgeführt: Für den Eintritt einer Sperrzeit nach § 119
Abs 1 Nr 2 AFG habe es an einer ausreichenden Belehrung
über die Rechtsfolgen gefehlt, die eintreten, wenn ein
Arbeitsloser eine vom Arbeitsamt angebotene Arbeit nicht
annehme oder antrete, Die Belehrung müsse den Arbeitslosen
nicht nur über die Möglichkeit von Folgen iS des § 119 AFG
unterrichten, sondern insbesondere auch alle Einzelheiten
bezüglich der angebotenen Arbeit vermitteln, die für eine
sachgerechte Entscheidung über die Annahme oder Nichtan-
nahme nötig seien, Sie müsse in allen Punkten verständlich
sein und die Auffassungsgabe des einzelnen berücksichtigen.
Sie müsse vor allem erfolgen, bevor der Arbeitslose Ver-
handlungen mit dem Arbeitgeber aufnehme und bevor es zu
einer Ablehnung des Arbeitsangebotes gegenüber dem Arbeit-
geber komme. Im vorliegenden Fall hätte eine solche Be-
lehrung gefehlt. Die Angaben der Beklagten hätten nicht
deutlich genug erkennen lassen, wie die tarifliche Ein-
stufung und nach welcher tariflichen Gehaltsgruppe die
Entlohnung hätte erfolgen sollen. Der Bautarifvertrag sehe
nämlich für kaufmännische Angestellte mehrere Tarifgruppen
mit unterschiedlichen, zum Teil stark abweichenden Gehalts-
tarifen vor. Die Angaben der Art der Tätigkeit mit "Kauf-
männische Angestellte" und der Entlohnung mit "tarifliches
Entgelt" erfüllten nicht die Voraussetzungen einer aus-
reichenden Belehrung.

Der Bescheid vom 30. März 1978, der den Bescheid vom
25. Oktober 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 7. Februar 1978 ersetzt habe und der Gegenstand des
Verfahrens geworden sei, sei aufzuheben gewesen. Es habe an
der gemäß § 34 SGB 1 erforderlichen Anhörung der Klägerin
gefehlt.

Der geltend gemachte Zinsanspruch der Klägerin sei bereits
deshalb abzuweisen gewesen, weil sie die Klage, mit der sie
in erster Instanz denselben Anspruch erhoben hätte, inso-
weit zurückgenommen habe.

 - 5 -

Der erkennende Senat hat auf die dahin beschränkte Nichtzu-
lassungsbeschwerde der Beklagten mit Beschluß vom
20. März 1980 die Revision insoweit zugelassen, als das
LSG auf die Berufung der Beklagten über den Sperrzeit-
bescheid vom 25. Oktober 1977 idF des Widerspruchsbescheides
vom 7. Februar 1978 entschieden hat.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des
§ 119 Abs 1 Nr 2 AFGo Nach der bisherigen Rechtsprechung sei
ein Arbeitsangebot ausreichend bestimmtg wenn es alle Ans
gaben enthalte, deren der Arbeitslose bedürfe, um sich über
die zulässigen Ablehnungsgründe schlüssig werden zu können.
Dabei sei zB die Nennung des Arbeitsentgelts nicht erforder-
lich, es genüge und entspreche regelmäßig auch dem Intern
esse der Beteiligten„ daß dem Arbeitslosen eine eigene
Prüfungsmöglichkeit eröffnet sei, denn nur der Nachweis der
Gelegenheit zum Vertragsabschluß sei Aufgabe der Beklagten
Diese Rechtsprechung sei durch das Urteil des Bundessozial-
gerichts (BSG) vom 10. Oktober 1978 (BSGE 47, 101 =
SozR 4100 § 119 Nr 5) nicht aufgegeben worden, was sich
aus der Gesamtheit der Ausführungen dieses Urteils ergebe.
Somit sei auch das Arbeitsangebot für die Klägerin aus-
reichend bestimmt gewesen. Die Klägerin habe es auch so auf-
gefaßt und sich bei dem Verband nach der offenen Stelle er-
kundigt. Aus seiner rechtlichen Sicht habe das LSG nicht
geprüft, ob das Verhalten der Klägerin ursächlich für das
Nichtzustandekommen des Arbeitsverhältnisses gewesen sei.
Der Rechtsstreit müsse deshalb zur Nachholung dieser Feste
stellungen an das LSG zurückverwiesen werden.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit in ihm
(unter I) die Berufung der Beklagten gegen das Ur—
teil des SG Kassel vom 17. Juli 1978 zurückge—
wiesen wurde„ und den Rechtsstreit insoweit zu
neuer Verhandlung und Entscheidung an die Vor-
instanz zurückzuverweisen.

 - 6 -

Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht durch einen
zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vertreten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne münd-
liche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt ($ 124
Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG—).

II

Die Revision der Beklagten ist iS der Zurückverweisung der
Sache an das LSG begründet.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Urteil des LSG
nur insoweit, als es über die Rechtmäßigkeit des Sperrzeit-
bescheides vom 25. Oktober 1977 in der Gestalt des Wider-
spruchsbescheides vom 7. Februar 1978 entschieden hat. Als
Folge des Zulassungsbeschlusses des Senats vom 20. März 1980
hat die Beklagte nämlich nur insoweit eine zulässige Re-
vision eingelegt. Im übrigen ist das Urteil des LSG rechts-
kräftig geworden.

Eine Sperrzeit tritt nach § 119 Abs 1 Nr 2 AFG ein, wenn
der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine
Arbeit nicht annimmt oder nicht antritt, ohne für sein
Verhalten einen wichtigen Grund zu haben, Diese Rechts-
folge tritt jedoch nur ein, wenn die abgelehnte oder nicht
angetretene Arbeit vom Arbeitsamt "angeboten" worden ist:
durch dieses gegenüber dem früheren Recht (vgl § 78 des
Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenver-
sicherung -AVAVG-; ebenso § 90 AVAVG aF) erweiterte Er—
fordernis der angebotenen Arbeit soll insbesondere sicher-
gestellt werden, daß der Arbeitslose in jedem Einzelfall
über die Rechtsfolgen, die im Falle der Ablehnung ein-
treten können, belehrt wird (vgl schriftl Bericht des
Bundestagsausschusses für Arbeit zu BT-Drucks V/4110 S 21).

 - 7 -

Das heißt, die Belehrung muß im Zusammenhang und in Ver-
bindung mit dem jeweils konkreten Angebot die jeweils
hierfür drohende Rechtsfolge nach Dauer und Wirkung be-
zeichnen, die eintreten kann, wenn dem Arbeitslosen für
die Nichtannahme oder den Nichtantritt der Arbeit kein
wichtiger Grund zur Seite steht. Daraus ergibt sich zu-
gleich, daß das Angebot der Arbeitsverwaltung auch dazu
dienen soll, bereits in der Phase der Arbeitsvermittlung
eine Prüfung zu ermöglichen, ob die angebotene Arbeit
"zumutbar" ist oder ob dem Arbeitslosen - im Hinblick
auf seine Eignung und seine persönlichen Verhältnisse -
zulässige Ablehnungsgründe zur Seite stehen. Die insoweit
von der Arbeitsverwaltung bereits bei der Arbeitsver-
mittlung in Beachtung der Grundsätze der §§ 14 ff AFG zu
treffende Abwägung zwischen der Eignung und den persön-
lichen Verhältnissen des Arbeitsuchenden einerseits und
dem zu vermittelnden Arbeitsplatz andererseits erfordert
ein ausreichend bestimmtes (konkretisiertes) Angebot;
nur ein solches Angebot ermöglicht dem Arbeitslosen die
Prüfung, ob zulässige Ablehnungsgründe gegeben sind
(BSGE 4, 1, 3). Genügt das Angebot diesen Bestimmtheits»
anforderungen nicht, ist es rechtsunwirksam und daher
grundsätzlich nicht geeignet, die Rechtswirkungen einer
Leistungssperre im Falle unbegründeter Weigerung der An—
nahme oder des Antritts der angebotenen Arbeit auszulösen.
Dasselbe gilt, wenn das Arbeitsangebot zwar ausreichend
bestimmt ist, aber nicht den Grundsätzen einer sachge—
rechten Arbeitsvermittlung entspricht (BSGE 44, 71, 74
= SozR 4100 § 119 Nr 3),

Der Eintritt der Rechtsfolge einer Leistungssperre nach
§ 119 Abs 1 Nr 2 AFG setzt mithin voraus,

1. daß das Angebot ausreichend bestimmt ist,

2. daß das Angebot nicht gegen die Grundsätze sachgerechter
Arbeitsvermittlung iS von §§ 14 ff AFG verstößt und

3. daß es außerdem mit einer ausreichenden Rechtsfolgen—
belehrung verbunden ist bzw in Zusammenhang steht,

 - 8 -

Liegen diese Voraussetzungen nicht vor so löst die Ab-
lehnung des Angebots eine Leistungssperre grundsätzlich
nicht aus.

Die Frage, wenn ein ausreichend bestimmtes Angebot vor-
liegt, kann nicht generell beantwortet werden, sondern muß
nach den besonderen Umständen des jeweiligen Vermittlungs-
falles beurteilt werden (BSGE 4, 1, 3). Maßstäbe für die
Beurteilung ergeben sich aus den Aufgaben der Arbeitsver-
mittlung einerseits und dem Zweck der Sperrzeitregelung
andererseits. Da Aufgabe der Arbeitsvernittlung nur die An-
bahnung eines Arbeitsvertrages ist, der Abschluß des
Arbeitsvertrages hingegen dem Arbeitsuchenden und Arbeit-
geber vorbehalten bleiht, ist das Arbeitsangebot des § 119
Abs 1 Nr 2 AEG nicht mit der Arbeitsvertragsofferte
(§§ 145 ff des Bürgerlichen Gesetzbuches -BGB-) zu ver-
wechseln (vgl Eckert ua, Gemeinschaftskommentar zum AFG,
Stand: Dezember 1979, RdNr 31 zu § 119). Das Angebot eines
Arbeitsplatzes durch die Arbeitsverwaltung (Vermittlungs-
angebot) dient lediglich dem Nachweis der Gelegenheit zum
Abschluß eines Arbeitsvertrages (BSGE 44, 71, 73 = SozR 4100
§ 119 Nr 3). Demgemäß muß das Vermittlungsangebot nicht alle
Arbeitsbedingungen enthalten deren es zum Abschluß eines
Arbeitsvertrages bedurfte. Es genügt vielmehr, daß dem
Arbeitsuchenden eine eigene Prüfungsmöglichkeit beim Arbeit-
geber eröffnet wird. Durch die Arbeitsvermittlung soll weder
dem Arbeitsuchenden noch dem Arbeitgeber die Selbstverant-
wortung für die Gestaltung ihrer wirtschaftlichen oder
beruflichen Existenz abgenommen werden; deshalb muß die
Klärung der näheren Einzelheiten des angebahnten Arbeiten
Verhältnisses grundsätzlich der Fühlungnahme zwischen
Arbeitsuchendem und Arbeitgeber vorbehalten bleiben.

Andererseits muß aber das Arbeitsangebot in Hinblick auf
die drehenden Rechtsfölgen der Leistungssperre so weit kon-
kretisiert sein, daß sich der Arbeitsuchende über die zu
lässigen Ablehnungsgründe schlüssig werden kann (BSGE 4, 1,3;

 - 9 -

BSGE 44, 71, 73 = SozR 4100 § 119 Nr 5; BSGE 47, 101, 105
= SozR 4100 § 119 Nr 5). Das heißt, der Arbeitsuchende muß
sich aufgrund der Angaben der Arbeitsverwaltung eine Vor—
stellung von der angebotenen Beschäftigung machen können,
die es ihm ermöglicht zu prüfen, ob er die angebotene Arbeit
annehmen bzw antreten will oder nicht. Dafür genügt es zu-
nächst, wenn aus den Informationen des Arbeitsamtes ersicht-
lich wird, daß es sich um einen bestimmten Arbeitsplatz an
einem bestimmten Ort handelt, den der Arbeitsuchende auf-
grund seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit grundsätzlich
auszufüllen vermag; das Arbeitsangebot muß deshalb im allge—
meinen mindestens den Arbeitgeber, die Arbeitsstätte und die
Art der zu verrichtenden Tätigkeit benennen. Welche Angaben
über diese Mindestangaben hinaus erforderlich sind, hängt
von den Umständen des einzelnen Vermittlungsfalles ab. Ange-
sichts der Komplexität des Vermittlungsauftrags der Bundes-
anstalt für Arbeit und der Vielfalt der Lebenssachverhalte,
die für die Ablehnung einer Arbeit aus wichtigem Grund in
Betracht kommen können, lassen sich diesbezügliche An-
forderungen nicht generell, sondern nur nach den Gegeben—
heiten des einzelnen Vermittlungsfalles aufstellen. Hierbei
ist zunächst danach zu differenzieren, ob es sich um die
Vermittlung in eine Tätigkeit der bisher ausgeübten Art oder
jedenfalls eine verwandte Tätigkeit handelt oder ob das An-
gebot für den Arbeitslosen eine neue Tätigkeit betrifft. Soll
der Arbeitsuchende wieder in seinen bisherigen Beruf bzw ver-
wandten Beruf oder einen ähnlichen Beruf in der gleichen
Branche vermittelt werden, sind an die Bestimmtheit im all-
gemeinen weniger hohe Anforderungen als bei der Vermittlung
in einen neuen Beruf zu stellen, weil regelmäßig davon aus-
gegangen werden kann, daß der Arbeitsuchende bezüglich des
bereits ausgeübten Berufs hinreichende Vorstellungen über die
zu erwartenden Arbeitsbedingungen besitzt. Das gleiche gilt,
wenn die zu vermittelnde — neue - Tätigkeit einem typischen,
üblichen Berufsbild entspricht, dessen Bedingungen als be-
kannt vorausgesetzt werden können. Dies gilt allerdings nur
mit der Einschränkung, daß hinsichtlich des anzubietenden

 - 10 -

konkreten Arbeitsplatzes keine Besonderheiten bestehen
(§ 1h Abs 1 AFG); auf derartige Besonderheiten bzw unüb-
liche Arbeitsbedingungen hat die Arbeitsverwaltung hinzu—
weisen. So sind zB Angaben über die nähere Gestaltung der
Arbeitszeit erforderlich, wenn diese von der üblichen
Arbeitszeit abweicht, etwa Nacht— oder Schichtarbeit zu
verrichten ist.

Auch die Frage, ob das Arbeitsangebot Angaben über die
Höhe der zu erwartenden Entlohnung enthalten muß, hängt im
wesentlichen von den Umständen des einzelnen Vermittlungs-
falles ab. Da die Höhe des Entgelts zur Ablehnung der ange—
botenen Arbeit jedenfalls dann berechtigt, wenn nicht der
Tariflohn bzw der im Beruf ortsübliche Lohn gezahlt wird
(§ 16 AFG, § 78 Abs 2 Nr 1 AVAVG), bedarf es grundsätzlich
der Information, daß das zu erwartende Entgelt diesen An-
forderungen entspricht. Dies genügt im allgemeinen aber
auch nur dann, wenn der Arbeitsuchende sich über die Höhe
des zu erwartenden "tariflichen"Entge1ts eine ausreichende
Vorstellung machen kann, dh wenn ihm die Entlohnungsmaß—
stäbe des in Betracht kommenden Tarifvertrages - etwa auf-
grund seiner bisherigen Tätigkeit - bekannt sind oder wenn
er aus sonstigen Informationen über die Qualität der ange-
botenen Arbeit (zB Hilfspolier, Former mit Facharbeiter-
qualifikation) auf die in dieser Qualifikationsstufe üb-
liche Entlohnung schließen kann. Da der Arbeitslose eine
Verschlechterung seines Status und der Arbeitsbedingungen
im allgemeinen nur hinzunehmen braucht, wenn dies nach Lage
und Entwicklung des Arbeitsmarktes unvermeidbar ist (vgl
Regierungsentwurf zum HStruktG — BR-Drucks 575/75 S 52;
Bericht des Haushaltsausschusses - BR—Drucks 7/4243 S 9/10),
gehört zu einem ausreichend konkretisierten Arbeitsangebot
für den Regelfall auch, daß sich der Arbeitslose eine Vor-
stellung von der qualitativen Wertschätzung der angebotenen
Beschäftigung bzw dem für sie üblichen (tariflichen) Ent—
gelt machen kann, das Indiz für die qualitative Wertschätzung
sein kann. Dies gilt Jedenfalls in Fällen wie dem vorliegen-
den, in dem das Arbeitsangebot in die erste Zeit der

 - 11 -

Arbeitslosigkeit fällt (vgl BSGE 44, 71 = SozR 4100 § 119 Nr 5).
Denn da in diesen Fällen von der Arbeitsverwaltung zunächst
eine dem Berufsbild und der sozialen Stellung des Arbeit-
suchenden entsprechende Vermittlung (in eine berufsgerechte,
berufsnahe und gleichwertige Tätigkeit) versucht werden muß,
kann für die Frage, ob ein wichtiger Grund zur Arbeitsab—
lehnung vorliegt bzw die angebotene Tätigkeit zumutbar ist,
von Bedeutung sein, ob diese gegenüber dem früheren Qualifi—
kationsstand des Arbeitsuchenden einen Abstieg bedeutet bzw
Lohneinbußen mit sich bringt.

Auch in diesen Fällen bedarf es näherer Angaben über die Höhe
des zu erwartenden Entgelts lediglich dann nicht, wenn bei
dem Arbeitsuchenden Kenntnisse über die Entlohnungsmaßstäbe
des einschlägigen Tarifbereichs aufgrund seiner bisherigen
Tätigkeit sicher vorausgesetzt werden können und aufgrund der
Angaben über die zu verrichtende Tätigkeit feststeht, daß bei
ihm eine ausreichende Vorstellung über die Höhe des Entgelts
- etwa hinsichtlich der Zuordnung in die maßgebliche Qualifi-
kationsstufe bzw Tarifgruppe - vorhanden ist. Hingegen bedarf
es konkreter Informationen über das Arbeitsentgelt immer dann,
wenn der Arbeitsuchende in einen neuen Beruf vermittelt wer—
den soll oder wenn die angegebene Tätigkeit im bisherigen
Berufsbereich so allgemein umschrieben ist, daß sich der zu
Vermittelnde ohne entsprechende Hinweise - etwa auf die zu
erwartende tarifliche Einstufung — keine Vorstellung über
die Entlohnung machen kann.

Allerdings wird es häufig vom Inhalt des einzelnen Ver—
mittlungsauftrages des Arbeitgebers abhängen, ob die Beklagte
konkrete Hinweise auf das Entgelt geben kann, so zB wenn die
Höhe des Arbeitsentgelts bzw die tarifliche Einstufung bewußt
offengehalten und von der speziellen Leistungsfähigkeit des
Arbeitsuchenden (seiner Ausbildung, Eignung, Erfahrung usw)
für den speziellen Arbeitsplatz oder den betreffenden Betrieb
abhängig gemacht wird. Dies kann bei Aufträgen zur Vermittlung
von Bewerbern für sogenannte gehobene Berufe der Fall sein

 - 12 -

oder bei Vermittlungsaufträgen, die - etwa bei Produktions-
erweiterung oder Neuansiedlung von Betrieben - bestimmte
Gruppen von Fachkräften umfassen, über deren Einsatz und
damit über deren endgültige Entlohnung bzw tarifliche Ein-
stufung erst nach Vorstellung der in Betracht kommenden Be-
werber entschieden wird. In derartigen Fällen hat die
Arbeitsverwaltung jedoch, sofern nicht wenigstens ein Rahmen
für die zu erwartende Entlohnung bzw tarifliche Einstufung
angegeben werden kann, darauf hinzuweisen, daß das Arbeits—
entgelt erst in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber ausge-
handelt werden kann.

Information über das Arbeitsentgelt bedeutet mithin nicht,
daß die Beklagte regelmäßig dem Arbeitslosen das Entgelt
genau ("auf Heller und Pfennig") anzugeben hätte; es genügt
vielmehr - abgesehen von den vorgenannten Sonderfällen -,
daß die angebotene Arbeit nach Tätigkeitsart oder -merkmalen,
evtl nach ihrer tariflichen Einstufung, genau bezeichnet ist,
wenn erwartet werden kann, daß dem zu Vermittelnden die Ent-
lohnungsgrundsätze bekannt sind„ Andernfalls bedarf es kon-
kreter Angaben über die Höhe des Entgelts. Dies gilt insbe—
sondere in den Fällen, in denen die Vermittlung in die erste
Zeit der Arbeitslosigkeit fällt. Insoweit weicht der Senat
nicht von seiner bisherigen Rechtsprechung ab. Soweit im Ur-
teil vom 22. Juni 1977 (BSGE 44, 71, 75 = SozR 4100 § 119
Nr 5) allgemein ausgeführt wurde, daß es Angaben der Arbeits—
verwaltung zB zum Entgelt nicht bedürfe und soweit im Urteil
vom 10. Oktober 1978 (BSGE 47, 101, 105 = SozR 4100 § 119 Nr. 5)
gefordert wurde, daß alle diejenigen Einzelheiten bezüglich
der angebotenen Arbeit mitzuteilen seien, derer es für eine
sachgerechte Entscheidung über Annahme oder Nichtannahme der
Arbeit bedürfe, findet dies seine Grundlage in den dort ent-
schiedenen Einzelfällen.

Unter Beachtung der vorgenannten Grundsätze kann im Falle der
Klägerin, wie das LSG zutreffend entschieden hat, nicht von
einem ausreichenden Arbeitsangebot gesprochen werden (aA LSG
Schleswig—Holstein, Breithaupt 1980, 607, 611). Aufgrund

 - 13 -

der Berufsangabe "Kaufmännische Angestellte" und der Be-
zeichnung des Entgelts als "tariflich" konnte sich die Klä-
gerin, obwohl sie bereits mehrere Jahre als kaufmännische An-
gestellte tätig war, keine Vorstellungen machen, welcher
Qualifikationsstufe die angebotene Arbeit zuzuordnen war bzw
wie hoch etwa ihr Arbeitsentgelt sein würde. Die Berufs-
bezeichnung "Kaufmännische Angestellte" umschreibt allgemein
kaufmännische Angestellte und umfaßt eine Vielzahl qualita-
tiv unterschiedlicher Tätigkeiten, für die in den Tarifver-
trägen im allgemeinen mehrere Tarifgruppen mit unterschied-
lichen, zum Teil stark voneinander abweichenden Gehalts-
tarifen (Vergütungsstufen) vorgesehen sind, wie es das LSG
auch für den vorliegenden Fall festgestellt hat. Die Klägerin,
die eben erst arbeitslos geworden war und daher vorrangig zu—
nächst in eine gleichwertige Tätigkeit zu vermitteln war,
konnte sich mangels näherer Hinweise über die Zuordnung der
angebotenen Arbeit zu den im kaufmännischen Bereich üblichen
Qualifikationsstufen über die Frage eines wichtigen Grundes
zur Arbeitsablehnung nicht schlüssig werden. Über die Frage,
ob die Angabe "tarifliches Entgelt“ ausgereicht hätte, wenn
der Klägerin eine wesentlich genauere Beschreibung der Tätig-
keit gegeben worden wäre, braucht der Senat nicht zu ent-
scheiden.

Arbeitsangebote, die - wie im Falle der Klägerin - nicht
ausreichend bestimmt sind, sind rechtsunwirksam und können
daher die Rechtswirkungen einer Sperrzeit grundsätzlich nicht
auslösen. Der Arbeitslose ist in solchen Fällen berechtigt,
das derart fehlerhafte Angebot dem vermittelnden Arbeitsamt
gegenüber unmittelbar abzulehnen.

Gleichwohl kann der Arbeitslose sich im Nachhinein nicht
darauf berufen, daß das Angebot unzureichend konkretisiert
war, wenn er von dem Recht zur Ablehnung zunächst keinen Ge-
brauch macht, sondern aufgrund des ihm unterbreiteten Ange-
bots Kontakte mit dem Arbeitgeber aufnimmt und sich dadurch
selbst die Gelegenheit verschafft, bisher fehlende Infor-
mationen über das Arbeitsangebot zu erhalten. Er hat dann
durch sein Verhalten zum Ausdruck gebracht, daß er das

 - 14 -

Angebot als ausreichend bestimmt akzeptiert, und hat sich
damit des Rechts begeben, dessen Mangel nachträglich zur Ab—
wendung der gesetzlichen Folgen der Leistungssperre geltend
zu machen. Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens ("venire
contra factum proprium") als Sonderfall des Rechtsgrund—
satzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gilt auch im Bereich
des öffentlichen Rechts, insbesondere auch des Sozialver-
sicherungsrechts, und kommt in diesem Sinne sowohl für das
Handeln der Verwaltungsbehörden bzw der Versicherungsträger
als auch für das Verhalten des einzelnen in Betracht (vgl
Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd I, 10. Aufl,
S 172; Staudinger/Weber, Kommentar zum BGB, Bd II, Teil I b,
11. Aufl 1961, § 242 RdNrn A 60 ff; A 106, D 589 f mwN;
BSGE 7, 199 f; 25, 62, 65). Es muß sich allerdings bei der
Rechtsgestaltung um Beziehungen handeln, deren sachgemäße Ab-
wicklung nur möglich ist, wenn beide Teile ihr Verhalten in
einer dem Erfordernis des § 242 BGB für das bürgerliche Recht
entsprechenden Weise dem Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme
unterstellen (BSGE 7, 199, 201). Insoweit ist zu berücksich-
tigen, daß der Arbeitslose, der im Leistungsbezug steht und
alsbald wieder in Arbeit vermittelt werden soll, aufgrund.des
zur Beklagten bestehenden Versicherungsverhältnisses nicht
nur zur Inanspruchnahme der Versicherungsleistungen (Alg) be-
rechtigt ist und Anspruch auf Betreuung durch die Beklagte
hat, sondern als Glied der Solidargemeinschaft auch zur Mit-
wirkung im Rahmen des Versicherungsverhältnisses — hier bei
der Anbahnung eines neuen Arbeitsverhältnisses - verpflichtet
ist (vgl BSGE 4, 1, 7). Ungeachtet der Verpflichtungen der Be-
klagten aus §§ 4, 15, 14 AFG muß von ihm erwartet werden, daß
er Bemühungen der Arbeitsverwaltung bei der Vermittlung eines
Arbeitsplatzes unterstützt; dazu gehört auch die Mitteilung
derjenigen Umstände, die im Rahmen einer ordnungsgemäßen Durch-
führung der Arbeitsvermittlung dazu dienen, die Interessen der
Beklagten und damit der Versichertengemeinschaft zu wahren
(vgl BSGE 45, 119, 121). Nimmt der Arbeitslose ein von der
Arbeitsverwaltung unterbreitetes - nicht ausreichend bestimmtes -
Vertragsangebot widerspruchslos hin und verwendet er es

 - 15 -

bestimmungsgemäß, indem er sich an den Arbeitgeber wendet
und sich dadurch selbst Gelegenheit verschafft, noch
fehlende Informationen zu erhalten, so kann er sich nach-
träglich, wenn es aus anderen Gründen nicht zum Vertrags-
abschluß kommt, nicht auf die mangelhafte Konkretisierung
des Angebots berufen; denn sein Verhalten läßt auf den
Willen schließen, daß er von seinem Recht auf Ablehnung des
Angebots wegen nicht ausreichender Bestimmtheit keinen Ge-
brauch machen will, so daß die - spätere - a Berufung auf
dieses Recht als treuwidriges Verhalten ("protestatio facto
contraria") zu werten wäre.

Ist das der Klägerin unterbreitete Vertragsangebot deshalb
vorliegend im Hinblick auf ihr Verhalten als rechtswirksam
zu behandeln, so kommt es für die Entscheidung der Frage, ob
eine Sperrzeit nach § 119 Abs 1 Nr 2 AFG eingetreten ist,
auf die weitere Prüfung an, ob das Angebot nicht gegen die
Grundsätze sachgerechter Arbeitsvermittlung iS der §§ 14 ff AFG
verstößt und ob im Zusammenhang mit dem Angebot eine rechts—
wirksame Rechtsfolgenbelehrung erteilt war, ferner ob ein
Ablehnungstatbestand (Nichtannahme oder Nichtantritt der ange-
botenen Arbeit) gegeben ist und ob der Klägerin für die Ab-
lehnung ein wichtiger Grund zur Seite gestanden hat. Hierzu
hat das LSG - von seiner Rechtsauffassung aus zu Recht -
noch keine Feststellungen getroffen,

Bezüglich der Prüfung der Frage, ob eine ausreichende Rechts—
folgenbelehrung erteilt war, wird das LSG zu beachten haben,
daß die oa Erwägungen über den Verlust des Rechts, sich auf
die Unbestimmtheit eines Angebots berufen zu können, bei einer
unvollständigen oder aus sonstigen Gründen unzureichenden
Rechtsfolgenbelehrung keine Anwendung finden. Denn die in
§ 119 Abs 1 Nr 2 AFG ausdrücklich angeordnete Belehrungs-
pflicht dient einem übergeordneten sozialen Schutzzweck, näm—
lich den Arbeitslosen vor den Folgen einer unbegründeten
Arbeitsablehnung - Sperrzeitwirkung - zu warnen: sie hat des-
halb zwingenden, formalen Charakter und muß im Zusammenhang
mit jedem einzelnen Vermittlungsangebot erneut erfüllt werden°

 - 16 -

In diesem Bereich ist das Verhalten des Arbeitslosen wegen
des zwingenden Charakters der der Beklagten auferlegten
Pflicht einer Beurteilung nach den Grundsätzen des § 242 BGB
entzogen; eine mangelhafte Belehrung steht dem Eintritt einer
Sperrzeit stets entgegen.

In dem Umfang, in dem die Beklagte Revision eingelegt hat,
kann das Urteil des LSG (Ziffer I) demnach keinen Bestand
behalten. Dies hat gleichzeitig die Aufhebung der Kostenent-
scheidung (Ziffer IV) zur Folge. Die Sache ist insoweit an
das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das die erforder-
lichen Feststellungen noch nachzuholen und sodann erneut
über die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zu
entscheiden haben wird.

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens
zu entscheiden haben.

Faksimile  

1   2   3   4   5   6   7   8   9   10   11   12   13   14   15   16 

 

... link (0 Kommentare)   ... comment


Samstag, 11. Juli 2015
BVerfG, 1 BVR 1294/15 vom 29.06.2015, Bundesverfassungsgericht
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
-1 BVR 1294/15 -

In dem Verfahren
über

die Verfassungsbeschwerde

des Herrn
— Bevollmächtigte:

gegen den Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts
vom 6. Mai 2015 - L 8 SF 62/15 AB —

und Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
und Beiordnung eines Rechtsanwalts

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten K
den Richter E
und die Richterin B
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekannt-
machung vom 11. August 1993 (BGBl l S. 1473)
am 29. Juni 2015 einstimmig beschlossen:

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und
Beiordnung von Rechtsanwältin Zelinskij-Zunik wird abge—
lehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hin-
reichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung
angenommen.

Von einer Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Kirchhof Eichberger Britz

Ausgefertigt

(Wagner)
Amtsinspektorin
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
des Bundesverfassungsgerichts

Faksimile 1 2

... link (0 Kommentare)   ... comment


Mittwoch, 1. Juli 2015
SG DD, S 12 AS 192/15, 29.04.2015, Sozialgericht Dresden
Beglaubigte Abschrift

S 12 AS 192/15

SOZIALGERICHT DRESDEN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

— Kläger -

gegen

Landkreis Meißen Jobcenter Meißen, vertreten durch den Landrat, Brauhausstraße 21,
01662 Meißen

— Beklagter —

hat die 12. Kammer des Sozialgerichts Dresden auf die mündliche Verhandlung vom
29. April 2015 in Dresden durch die Richterin am Sozialgericht und die ehrenamtli—
chen Richter Herr und Frau für Recht erkannt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, den Überprüfungsantrag des Klägers vom
11.07.2014, eingegangen am 11.07.2014, auf Überprüfung aller Leistungsbe-
scheide für ihn und seinen Sohn rückwirkend zum 01.09.2013 zu bescheiden.

II. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

— 2 — S 12 AS 192/15

Tatbestand:

Gegenstand des Verfahrens ist eine Untätigkeitsklage, mit welcher der Kläger die Verurtei-
lung des Beklagten zur Entscheidung über seinen Überprüfungsantrag vom 11.07.2014 be—
gehrt.

Der im Jahr geborene Kläger bewohnt seit Mai 2010 eine 74 m2 große erdgasbeheizte
Drei-Raum—Wohnung in Meißen. Die monatliche Gesamtmiete für diese Wohnung beträgt
Euro und setzt sich aus einer Grundmiete von Euro und den Vorauszahlun-
gen für Heiz— und Warmwasserkosten von Euro sowie für sonstige Betriebskosten
von Euro zusammen.

Vor dem Amtsgericht Meißen schlossen der Kläger und seine von ihm getrenntlebende
Ehefrau am 22.08.2013 eine Vereinbarung dahingehend, dass sie die elterliche Sorge für
den im Jahre geborenen gemeinsamen Sohn des Klägers künftig gemeinsam ausüben
werden und das Kind sich im wöchentlichen Wechsel bei jedem Elternteil aufhalten wird.
Das Kindergeld für den Sohn des Klägers erhält die Kindsmutter. Der Kläger bezieht vor—
läufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II und erhält seit
dem 01.09.2013 den Regelsatz für seinen Sohn sowie den alleinerziehenden Mehrbedarf
anteilig zu 50 % ausgezahlt.

Mit Schreiben vom 11.07.2014, eingegangen beim Beklagten per Fax am gleichen Tage,
machte der Kläger geltend, dass sein Sohn entgegen der familienrechtlichen Vereinbarung
nicht im Wechselmodel beim Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau lebt, sondern sich
bei der Kindesmutter maximal zwei Tage pro Woche, nämlich von Mittwochabend
17:30 Uhr bis zum Kitabeginn am Donnerstagmorgen sowie von Freitagabend bis Sams—
tagabend, maximal Sonntagmorgen, aufhält. Dass der Regelsatz und der alleinerziehenden
Mehrbedarf vor diesem Hintergrund nur hälftig gezahlt würden, sei aufgrund der tatsächli—
chen Gegebenheiten nicht korrekt.

— 3 — S 12 AS 192/15

Am 12.01.2015 hat der Kläger die hier streitgegenständliche Untätigkeitsklage mit dem
Ziel erhoben, den Beklagten zu verpflichten. über den Überprüfungsantrag vom
11.07.2014 zu entscheiden. Zur Begründung hat er ausgeführt, für die Nichtbescheidung
sei kein zureichender Grund erkennbar. Auch auf die Nachfrage vom 09.12.2014 sei eine
Reaktion des Beklagten nicht erfolgt.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zum Erlass eines rechtmäßigen Bescheides mit Leistungen in
rechtmäßiger Höhe zu verpflichten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung. dass die begehrte Überprüfungsentscheidung noch nicht habe getrof—
fen werden können. da der insofern maßgebliche Sachverhalt noch nicht geklärt sei. Der
Kläger habe sich zu dem konkreten Umfang des Aufenthaltes seines Sohnes bei sich nicht
näher erklärt und auch mit der Klage keine genauen Angaben gemacht. Darüber hinaus
handele es sich bei dem geltend gemachten Mehrbedarf lediglich um eine bedarfserhöhen—
de Position, die nicht gesondert beansprucht werden könne. Es könne sich lediglich unter
Zugrundelegung eines insoweit bestehenden höheren Bedarfs ein höherer Leistungsan-
spruch insgesamt ergeben. Eine diesbezügliche Prüfung setze jedoch eine bestehende
Klarheit insbesondere über die Einkommensverhältnisse des Klägers in dem zu überprü—
fenden Leistungszeitraum ab 2013 voraus. Hierüber habe sich der Kläger nicht erklärt. Ab—
gesehen hiervon sei ein Anspruch auf höhere SGB—II—Leistungen auch dann nicht gegeben.
wenn der leistungsrechtliche Bedarf ohne Notwendigkeit erhöht werde. Zwischen dem
Kläger und seiner zwischenzeitlich geschiedenen Frau sei vor dem Familiengericht Meißen
eine Umgangsregelung getroffen worden. Diese Regelung sei auch durch keine neue rich-
terliche Entscheidung abgeändert worden. Dass eine anderweitige Praktizierung zwingend
erforderlich sei, sei nicht dargelegt worden.

— 4 — S 12 AS l92/15

Hinsichtlich des weiteren Sach— und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten. die beigezo—
genen Verfahren S 43 AS 4197/14, S 43 AS 2298/14 ER sowie S 43 AS 5294/14 ER und '
die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die dem Gericht vorgelegen haben und
Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe:

Die fom— und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig und begründet. Der Beklagte war
verpflichtet. über den Überprüfungsantrag des Klägers vom 11.07.2014 grundsätzlich in—
nerhalb der Frist des § 88 Abs. l Satz 1 SGG zu entscheiden.

Nach § 88 Abs. l Satz l SGG ist eine Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem
Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes zulässig, wenn ein Antrag auf Vornahme
eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht be—
schieden worden ist. Die Frist war bei Klageerhebung abgelaufen und der für einen zu—
reichenden Grund darlegungspflichtige Beklagte hatte keinen hinreichenden Grund für die
Nichtbescheidung. Soweit der Beklagte in der Klageerwiderung vorgetragen hat. der Klä-
ger habe sich zum konkreten Umfang des Aufenthaltes seines Sohnes bei sich nicht näher
erklärt, ist dies nicht zutreffend. Der Kläger hatte bereits in seinem Überprüfungsantrag
vom l.07.2014 genau dargestellt, in welchen Zeiträumen sich sein Sohn bei der geschie-
denen Ehefrau aufhält und damit in welchen anderen Zeiträumen bei ihm. Insofem er—
scheint die erneute Nachfrage des Beklagten im Schreiben vom 19.08.2014 an den Kläger
diesbezüglich nicht nachvollziehbar, da der Kläger die Antwort auf die Frage schon gege—
ben hatte. Die Einholung weiterer Auskünfte, insbesondere von der geschiedenen Ehefrau
des Klägers obliegt der Amtsermittlungspflicht des Beklagten. Der Beklagte hätte im
Rahmen dieser Pflicht eine Bestätigung der geschiedenen Ehefrau selbst anfordern können
und müssen.

Zutreffend hat der Kläger hervorgehoben, dass er in Kenntnis der Tatsache, dass es sich bei
dem Mehrbedarf nur um eine bedarfserhöhende Position handelt, eine Überprüfung der
Leistungsbescheide insgesamt für den Überprüfungszeitraum beantragt hat. Eine etwaige

— 5 — S 12 AS l92/l5

fehlende Mitwirkung des Klägers für die Neuberechnung des gesamten Anspruches stellt
keinen sachlichen Grund für die Nichtbescheidung des Überprüfungsantrages dar. Gegebe—
nenfalls nach Prüfung der entsprechenden Voraussetzungen muss der Leistungsträger
nämlich nach § 66 SGB I vorgehen, um einer Untätigkeitsklage die Grundlage zu entzie—
hen (BSG, Uiteil vom 26.08.1994, L 13 RJ 17/94; LSG Nordrhein—Westfalen, Beschluss
vom 16.05.2013 L 19 AS 535/13 B). Auch im vorliegenden Falle gilt nichts anderes. Ne-
ben einer Versagungsentscheidung hätte der Beklagte darüber hinaus die Möglichkeit ge-
habt, über den Anspruch des Klägers erneut vorläufig zu entscheiden. Es ist kein Grund
erkennbar, warum eine vorläufige Entscheidung auch nach Ablauf des Bewilligungszeit—
raumes nicht zulässig sein sollte. Die Kammer teilt die insofern vom LSG Sachsen im
PKH—Beschluss vom 23.01.2013 (L 7 AS 1033/12 B PKH) vertretene Auffassung nicht.
Die Auffassung, einer Klage auf höhere vorläufige Leistungen fehle das Rechtsschutzbe—
dürfnis, wenn der betreffende Leistungszeitraum abgelaufen ist, kann nur dann richtig sein,
wenn zugleich der Grund für die Vorläufigkeit entfallen ist. Wenn hingegen eine endgülti-
ge Festsetzung für den abgelaufenen Bewilligungszeitraum tatsächlich noch nicht möglich
ist, z. B. weil Einkünfte noch nicht sicher feststehen, ist eine Klage auf höhere vorläufige
Leistungen auch für diesen Zeitraum zulässig (so zutreffend auch 3. Senat des Sächsischen
LSG vom 22.04.2013. Az.: L 3 AS 1310/12 B PKH. SG Berlin, Beschluss vom 29.08.2014
S 197 AS 8527/13, SG Dresden, Urteil vom 27.08.2013, Az.: S 49 AS 2681/12). Weiterhin
hätte der Beklagte im Falle unklarer Einkommensverhältnisse die Möglichkeit, das Ein-
kommen zu schätzen.

Ob die Voraussetzungen einer vorläufigen Bewilligung bei Klageerhebung vorgelegen ha—
ben, ist vorliegend jedoch für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich, denn Streitge—
genstand ist lediglich die Pflicht des Beklagten zur Bescheidung. Insofern genügt hier die
Feststellung, dass auch eine gegebenenfalls unklare Tatsachengrundlage den Beklagten
grundsätzlich nicht daran hindert, über einen Antrag zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Die Berufung ist von Gesetzes wegen zulässig, da der Gesamtbetrag der in Streit stehenden
Leistungen den Beschwerdewert nach § 144 Abs. l Nr. l SGG übersteigt.

— 6 — S 12 AS 192/15

Rechtsmittelbelehrung

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Sächsischen Landessozialgericht.
Kauffahrtei 25, 09120 Chemnitz. schriftlich, mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäfts—
stelle oder in elektronischer Form einzulegen.

Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Dresden.
Fachgerichtszentrum, Hans-Oster-Straße 4, 01099 Dresden schriftlich, mündlich zur Niederschrift des Ur-
kundsbeamten der Geschäftsstelle oder in elektronischer Form eingelegt wird.

Die elektronische Form wird durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der
Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa über den elektronischen Rechts-
verkehr in Sachsen (SächsERVerkVO) vom 6. Juli 2010 (SächsGVBl. S. 190) in den elektronischen Ge-
richtsbrielkasten zu übermitteln ist: nähere Hinweise finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de,

Die Einlegung der Berufung durch einfache E-Mail wahrt daher die Form nicht. Es wird darauf hingewiesen,
dass das Rechtsmittel innerhalb der Frist in der vorgeschriebenen Form einzulegen ist.

Die Berufungsschritt soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur
Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Die Vorsitzende der 12. Kammer

Richterin am Sozialgericht

Für die Richtigkeit der Abschrift:

Sozialgericht Dresden

Dresden, den 06.05.2015

Sozialgericht Dresden Dresden, den 29.04.2015

- öffentliche Sitzung -

S 12 AS 192/15

Niederschrift

über die mündliche Verhandlung der 12. Kammer

In dem Rechtsstreit

- Kläger —

gegen

Landkreis Meißen Jobcenter Meißen, vertreten durch den Landrat, Brauhausstraße 21,
01662 Meißen

- Beklagter -

Anwesend:

Vorsitzende: Richterin am Sozialgericht
ehrenamtlicher Richter Herr
ehrenamtliche Richterin Frau

Auf die Hinzuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle wird verzichtet. Die Vor-
sitzende übernimmt die Protokollierung durch Aufzeichnung auf einem Tonträger.

Nach Aufruf der Sache erscheinen:

fiir den Kläger der Kläger persönlich

für den Beklagten Herr unter Berufung auf eine bei
Gericht hinterlegte Generalterminsvoll-
macht sowie Herr ,

- 2 – S 12 AS 192/15

Beigezogen ist die Verwaltungsakte des Beklagten unter dem Az.: 1104.0012157, die zum
Gegenstand des Verfahrens gemacht wird.

Die Vorsitzende eröffnet die mündliche Verhandlung und trägt den Sachverhalt vor. So-
dann erhalten die Beteiligten das Wort. Das Sach— und Streitverhältnis wird mit ihnen erör-
tert.

Der Kläger erklärt:

Bis Juli 2014 war meine geschiedene Frau wegen ihrer Ausbildung nicht in der Lage, das
vorm Familiengericht geschlossene Wechselmodel einzuhalten, weshalb mein Sohn sich
mehr bei mir als bei ihr aufgehalten hat. Deshalb habe ich den Überprüfungsantrag gestellt,
wobei ich den Antrag im Hinblick auf den Regelsatz bezüglich meines Sohnes zwischen—
zeitlich zurückgenommen habe und nur den Antrag auf den erhöhten alleinerziehenden
Mehrbedarf aufrechterhalten habe, weil ich im Hinblick auf meinen Sohn nicht mehr genau
angeben kann, an welchen Tagen er bei mir war.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, über den Überprüfungsantrag des Klägers vom
11.07.2014, eingegangen am 11.07.2014, auf Überprüfung aller Leistungsbe-
scheide für ihn und seinen Sohn rückwirkend zum 01.09.2013 zu bescheiden.

- vorgespielt und genehmigt '

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

- vorgespielt und genehmigt -

Die Vorsitzende schließt die mündliche Verhandlung. Das Gericht zieht sich zur geheimen
Beratung zurück.

-3- S 12 AS 192/15

Nach geheimer Beratung verkündet die Vorsitzende

IM NAMEN DES VOLKES
folgendes

Urteil:

1. Der Beklagte wird verurteilt, den Überprüfungsantrag des Klägers vom 11.07.2014,
eingegangen am 11.07.2014, auf Überprüfung aller Leistungsbescheide für ihn und
seinen Sohn rückwirkend zum 01.09.2013 zu bescheiden.

2. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Der wesentliche Inhalt der Entscheidungsgründe wird den Beteiligten mitgeteilt.

- F.d.R.d.Ü.V. Tonträger -

Richterin am Sozialgericht Justizbeschäftigte

Beginn der Verhandlung:
Ende der Verhandlung:


Faksimile

... link (0 Kommentare)   ... comment


SG DD, S 12 AS 1184/15, 29.04.2015, Sozialgericht Dresden
Beglaubigte Abschrift

S 12 AS 1184/15

SOZIALGERICHT DRESDEN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

Kläger zu l:

— Kläger zu 2.
gegen

Landkreis Meißen Jobcenter Meißen. vertreten durch den Landrat. Brauhausstraße 21,.
01662 Meißen

- Beklagter

hat die 12. Kammer des Sozialgerichts Dresden auf die mündliche Verhandlung mm
29. April 2015 in Dresden durch die Richterin am Sozialgericht und die ehrenamtli-
ehen Richter Herr und Frau fiir Recht erkannt:

I. Der Beklagte wird verurteilt, den Weiterbewilligungsantrag der Kläger vom
25.08.2014 betreffend den Leistungszeitraum Oktober 2011 bis März 20l5 zu
bescheiden.

II. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger.

- 2 - S 12 AS 1184/15

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Untätigkeitsklage, ob der Beklagte derzeit ver-
pflichtet ist, über den Weiterbewilligungsantrag der Kläger vom 25.08.2014 zu entschei-
den, insbesondere ob der Beklagte die Entscheidungsfrist des § 88 Abs. 1 SGG ohne zu-
reichenden Grund überschritten hat.

Der im Jahre geborene Kläger zu 1. mit deutscher Staatsangehörigkeit ist Vater des
im Juli geborenen Sohnes (nachfolgend: Kläger zu 2.). Vor dem Amtsgericht Meißen
schloss der Kläger zu 1, mit der Mutter des Klägers zu 2. am .2013 eine Vereinba-
rung dahingehend. dass sie die elterliche Sorge für den im Jahre geborenen gemein-
samen Sohn künftig gemeinsam ausüben werden und das Kind sich im wöchentlichen
Wechsel bei jedem Elternteil aufhalten wird Dieses Wechselmodell wird von den geschie-
denen Eheleuten seit August 2011 gelebt.

Seit Mai bewohnt der Kläger zu 1. eine 74 qm große 3-Raum Wohnung in Meißen.
Die monatliche Gesamtmiete für diese Wohnung betrug € (Grundmiete:
Vorauszahlung für Heiz— und Warnmasserkosten: € Vorauszahlung für kalte Be»
triebskosten: €. Ab 01.10.2014 erhöhte der Vermieter die monatliche Vorauszah-
lung für Heiz— und Warmwasserkosten auf In einer korrigierten Fassung erhöht
der Vermieter mit Schreiben vom 23.06.1014 die monatliche Vorauszahlung für Heiz- und
Warmwasserkosten ab 01.07.2014 auf €. Zudem forderte der Vermieter mit Schrei-
ben vom 23.06.2014 die Zustimmung zur Erhöhung der Grundmiete auf € ab
01.08.2014, die der Kläger zu 1. verweigert hat. Der Vermieter kündigte mit Schreiben
vom 11.06.20l4 das Mietverhältnis fristlos und forderte den Kläger zu 1. auf, die Woh—
nung zu räumen und an ihn herauszugeben. Derzeit wohnen die Kläger weiterhin in dieser
Unterkunft.

Im 2014 heiratete der Kläger zu 1. die im Jahre geborene die
Mutter des im April geborenen Sohnes ist. Beide zogen der An-

- 3 – S 12 AS 1184/15

meldebestätigung der Stadt vom 2014 zufolge aus der um
2014 in die Wohnung des Klägers zu 1.

Seit 2010 bezogen die Kläger zu 1. und 2. vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Auf Antrag hat das
Sozialgericht Dresden mit Beschluss vom 23.04.2014 (S 43 AS 2298/14 ER) den Beklag-
ten im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet. den Klägern zu 1. und 2. für die
Zeit vom 01.04.2014 bis 30.09.2014 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunter-
halts nach dem SGB II zu gewähren.

Am 25.08.2014 stellte der Klüger zu 1. für die Zeit ab 01.10.2014 einen Antrag auf Wei-
tergewährung von Grundsicherungsleistungen an ihn und den Kläger zu 2. beim Beklagten.
Gleichzeitig reichte er beim Beklagten Kontoauszüge seiner Konten bei der Deutschen
Bank, der Postbank und einem Paypalkonto ein. Mit Änderungsmitteilung vom 02.09.3014
wurde dieser Antrag auf die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft
und erweitert.

Am 01.09.2014 haben die Kläger zu 1. und 2. beim Sozialgericht Dresden im Wege der
einstweiligen Anordnung die Weitergewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebens-
unterhalts für die Zeit ab 01.10.2014 sowie höhere Leistungen für den Zeitraum vom
01.06.2014 bis 30.09.2014 unter Abänderung des gerichtlichen Beschlusses vom
23.04.1014 (S 43 AS 2298/14 ER) beantragt. Mit Schreiben vom 34.09.2014 sowie
26.09.2014 haben und ebenfalls Leistungen nach
dem SGB II im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemacht.

Mit gerichtlichen Beschluss vom 01.10.2014 wurde der Beklagte daraufhin verpflichtet.
den Klägern zu 1. und 2. und den weiteren Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft
und vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II im Zeitraum Oktober bis März 2015 zu gewähren (S 43 AS 5294/14
ER).

- 4 - S 12 AS 1184/15

Die vom Beklagten gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde wurde vom Sächsi-
schen Landessozialgericht mit Beschluss vom 03.02.2015 (L 2 AS 1326/14 B ER) zu-
rückgewiesen.

Über den Weiterbewilligungsantrag vom 25.08.2014 in der Fassung der Änderung vom
02.09.2014 hat der Beklagte bislang nicht entschieden. Leistungen an die Kläger erfolgten
ausschließlich faktisch aufgrund des gerichtlichen Beschlusses vom 01.10.2014 und des
Beschlusses im Beschwerdeverfahren L 2 AS 1326/14 B ER.

Am 05.032015 hat der Kläger zu 1. die hier streitgegenständliche Untätigkeitsklage für
sich und - nach sinngemäßer Auslegung des Klagebegehrens - für seinen Sohn, den Kläger
zu 2. erhoben.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten zu verurteilen. über den Weiterbewilligungsantrag vom 25.08.2014 zu ent-
scheiden

Der Beklagte beantragt.

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung. über die Anträge habe bislang nicht abschließend entschieden wer—
den können. du insbesondere die Einkommensverhältnisse des Klägers zu 1. noch nicht
hinreichend geklärt seien.

Das Gericht hat die Verwaltungsakte des Beklagten und die Gerichtsakten zu den Verfah—
ren S 43 AS 2298/14 ER und S 43 AS 5293/14 ER beigezogen. Auf den Inhalt der Verwal-
tungs- und Gerichtsakten wird sachverhaltsergänzend Bezug genommen.

- 5 - S 12 AS 1184/15

Entscheidungsgründe:

Die von den Klägern erhobene Untätigkeitsklage im Sinne des § 88 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) ist zulässig und begründet.

Die Untätigkeitsklage ist zulässig. Insbesondere ist die Sperrfrist des § 88 Abs. 1 SOG von
sechs Monaten für die Entscheidung über den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom
25.08.2014 abgelaufen.

Die Untätigkeitsklage ist auch begründet. Der Beklagte hat über den Weiterbewilligungs-
antrag der Kläger vom 25.08.2014 den streitgegenständlichen Zeitraum betreffend nicht in
angemessener Frist entschieden. Ferner besteht kein zureichender Grund im Sinne des § 88
Abs.1 SGG dafür, dass der Beklagte noch nicht über den Weiterbewilligungsantrag der
Kläger entschieden hat. Ein solcher Grund ist insbesondere nicht darin zu sehen. dass aus
Sicht des Beklagten die Einkommens— und Vermögensverhältnisse des Klägers zu 1. sowie
der Umfang der Tätigkeit der Ehefrau des Klägers zu 1. noch nicht ausreichend aufgeklärt
sind. Unabhängig von der Frage, ob der Beklagte dem Vortrag des Klägers zu 1. zu seinen
Einkommensverhältnissen Glauben schenkt, sind die Ermittlungen des Beklagten an einem
Punkt angekommen, an dem die Kläger einen Anspruch auf eine Sachentscheidung und
damit auch auf eine Eröffnung des Rechtsweges zu den Sozialgerichten haben.

Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes des zureichenden Grundes im Sinne
des § 88 SGG. der unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen ist.
sind die Garantien des effektiven Rechtschutzes gemäß §§ 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) und

- 6 - S 12 AS 1184/l5

des Rechts auf eine Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist gemäß Art. 6 Abs 1
der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zu berücksichtigen (so Leitherer in
Meyer - Ladewig/ Keller/ Leitherer. Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz. 10. Auflage
2012. zu § 88 SGG Rn 7a m.w.N.). Um das Spannungsverhältnis zwischen dem Recht des
Klägers auf effektiven Rechtsschutz und eine zeitnahe Verwaltungsentscheidung einerseits
und der Pflicht des Beklagten zur umfassenden Aufklärung des wesentlichen Sachverhalts
(vgl. § 20 Abs 1 und 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X) andererseits aufzulösen.
muss der Beklagte das Verwaltungsverfahren so zügig wie möglich betreiben und bei
Überschreitung der gesetzlich zugebilligten Entscheidungsfrist des § 88 Abs. 1 SGG aus
Sicht der Kammer spätestens bei Erschöpfung der wesentlichen Ermittlungsmöglichkeiten
eine Sachentscheidung treffen.

Vorliegend hat der Beklagte mit der Klageerwiderung vorgetragen, der Kläger zu1l. sei
zuletzt mit behördlichen Schreiben vom 25.03.2015 aufgefordert worden. Angaben im
Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Leistungszeitraum zu machen. Insoweit ist
festzustellen, dass diese Aufforderung erst nach Ablauf der Frist des § 88 Abs. 1 Satz 1
SGG erging‚ so dass davon auszugehen ist, dass der Beklagte das Verwaltungsverfahren
nicht mit der gebotenen Konsequenz und Schnelligkeit betrieben hat. Das zuvor an den
Klüger zu 1. und seine Ehefrau gesandte Schreiben vom 14.11.2014 haben diese mit
Schriftsätzen vom 03.12.20l4 beantwortet Die davor liegenden Anfragen des Beklagten
betreffen entweder nicht den zu bescheidenden Leistungszeitraum, wurden vom Kläger zu
1. bereits beantwortet oder übersteigen die Grenzen zumutbarer Mitwirkung (wie z.B. die
Frage nach den genutzten IP-Adressen). Die Kammer ist unter Würdigung des sich aus den
Verwaltungsakten und den Akten der vielfach geführten gerichtlichen Streitigkeiten erge—
benden Sachverhaltes zu der Überzeugung gelangt, dass die bisherige Verfahrensweise des
Beklagten. den Klägern eine Sachentscheidung vorzuenthalten, da Einkommen des Klägers
zu 1. vermutet wird, nicht haltbar ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den
Verdachtsmomenten des Beklagten nach wie vor um bloße Mutmaßungen handelt. Greif—
bare Anhaltspunkte für erzieltes Einkommen sind nicht ersichtlich. Soweit der Beklagte
von Einkommenszufluss ausgeht, hat er eine entsprechende Sachentscheidung zu treffen.
die den Klägern den Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet. Soweit der Beklagte nach
erfolgter Bewilligung Anhalt für eine Betrugshandlung des Klägers zu 1. hat. obliegt ihm.

- 7 – S 12 AS 1184/15

den Sachverhalt den zuständigen Strafermittlungsbehörden zu übergeben. Allerdings hat
die Kammer derzeit Zweifel. dass der hierfür erforderliche Anfangsverdacht überhaupt be-
steht.

Soweit der Beklagte weiterhin davon ausgeht, die Entscheidung über den Leistungsantrag
sei davon abhängig. dass der Kläger zu 1. sich zu einer Äußerung erkläre, die er im Zu-
sammenhang mit einem Bundesfreiwilligendienst vom 01.09.2013 bis 12.10.2013 getätigt
haben soll, ist darauf hinzuweisen, dass existenzsichernde Leistungen nicht aufgrund von
bloßen Mutmaßungen verweigert werden dürfen, die sich auf vergangene Umstände stüt—
zen, wenn diese über die gegenwärtige Lage eines Anspruchstellers keine eindeutigen Er-
kenntnisse ermöglichen (so auch LSG Sachsen, Beschluss vom 05.03.2015. AZ L 2 AS
1326/14 B ER). Nur wenn unter Angabe von Tatsachen konkret vorgetragen werde. über
welches - bisher verschwiegene - Einkommen der Arbeitssuchende aktuell verfügt. so
dass diesem auch eine Widerlegung möglich wäre, könnten berechtigte Zweifel an der Hil-
febedürftigkeit bestehen. Umstände in der Vergangenheit dürfen daher nur soweit herange—
zogen werden, als sie eindeutige Erkenntnisse über die gegenwärtige Lage des Arbeitssu-
chenden ermöglichen (vgl. auch LSG Hessen, Beschluss vom 07.11.2005. AZ 1. 7 AS
81/05 ER. L 7 AS 102/05 ER). So liegt es vorliegend nicht. Die für den streitigen Zeitraum
vorliegenden Kontoauszüge des Klägers zu 1. und seiner Ehefrau lassen weder den Bezug
von Einkommen erkennen. noch den Besitz von verwertbarem Vermögen. Auch finden
sich in der Verwaltungsakte findet sich keinerlei Hinweise. die die Mutmaßung des Be-
klagten. der Kläger zu 1. würde Einkommen aus selbständiger Tätigkeit erzielen. irgend-
wie untermauern. Unter Berücksichtigung der mehrfachen und wiederholten Äußerungen
des Klägers zu 1., er erziele kein Einkommen, hätte der Beklagte über den Antrag ent—
scheiden müssen. Angaben zu den weiteren Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft lagen
vor Ablauf der Frist des § 88 SGG ebenfalls vor.

Streitgegenstand ist vorliegend allein die Pflicht des Beklagten zur Entscheidung über den
Antrag vom 25.08.2014. Insofern kommt es auf den Beweisantrag des Beklagten im
Schreiben vom 16.04.2015 nicht an, da das Gericht die Sachentscheidung des Beklagten
über den Weiterbewilligungsantrag der Kläger nicht vorwegnahmen darf.

— 8 - S 12 AS 1184/15

Der Antrag ist darüber hinaus nur als Beweisermittlungsantrag zu verstehen. da er den
formellen Anforderungen an einen Beweisantrag nicht genügt (§ 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG)
und einen bloßen Ausforschungsbeweis darstellt. Es ist nicht angegeben dass die benann-
ten Zeugen Angaben zur Höhe des vom Kläger zu 1. etwa erzielten Einkommen machen
können.

Die Kostenentscheidung, beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Suche.
lm Hinblick auf den Gesamtbetrag der in Streit stehenden Leistungen fiir den Zeitraum
Oktober 2014 bis März 2015 ist die Berufung von Gesetzes wegen zulässig da der Be—
schwerdewert nach § 144 Abs. 1 Nr. I SGG überschritten wird.

— 9 - S 12 AS 1184/15

Rechtsmittelbelehrung

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Sächsischen Landessozialgericht.
Kauffahrtei 25. 09120 Chemnitz. schriftlich, mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäfts—
stelle oder in elektronischer Form einzulegen.

Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Dresden.
Fachgerichtszentrum, Hans-Oster-Straße 4 01099 Dresden schriftlich, mündlich zur Niederschrift des Ur-
kundsbeamten der Geschäftsstelle oder in elektronischer Form eingelegt wird.

Die elektronische Form wird durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der
Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa über den elektronischen Rechts-
verkehr in Sachsen (SächsERVerkVO) vom 6. Juli 2010 (SächsGVBl. S. 190) in den elektronischen Ge-
richtsbriefkasten z übermitteln ist: nähere Hinweise finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de,

Die Einlegung der Berufung durch einfache E-Mail wahrt daher die Form nicht. Es wird darauf hingewiesen,
dass das Rechtsmittel innerhalb der Frist in der vorgeschriebenen Form einzulegen ist.

Die Berufungsschritt soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur
Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Die Vorsitzende der 12. Kammer

Richterin am Sozialgericht

Für die Richtigkeit der Abschrift:

Sozialgericht Dresden


-------------------------------------------- -

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen und die Berufung zuzulassen.

- vorgespielt und genehmigt -

Die Vorsitzende schließt die mündliche Verhandlung. Das Gericht zieht sich zur geheimen
Beratung zurück.

Nach geheimer Beratung verkündet die Vorsitzende

IM NAMEN DES VOLKES

folgendes
Urteil:

1. Der Beklagte wird verurteilt, den Weiterbewilligungsantrag der Kläger vom
25.08.2014 betreffend den Leistungszeitraum Oktober 2014 bis März 2015 zu be—
scheiden.

2. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger.

Der wesentliche Inhalt der Entscheidung wir den Beteiligten mitgeteilt.

- F.d.R.d.Ü.v. Tonträger -

Richterin am Sozialgericht J ustizbeschäftigte

Beginn der Verhandlung:
Ende der Verhandlung:

Faksimile

... link (0 Kommentare)   ... comment


Dienstag, 30. Juni 2015
BSG, B 4 AS 417/13 B vom 25.02.2014, Bundessozialgericht
BUNDESSOZIALGERICHT
Beschluss
in dem Rechtsstreit

Az: B 4 AS 417/13 B
L 34 AS 224/13 (LSG Berlin-Brandenburg)
S 82 AS 33442/11 (SG Berlin)

.................................,
Kläger, Antragsteller
und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigte:
............................................,

g e g e n

Jobcenter Berlin Neukölln,
Mainzer Straße 27, 12053 Berlin,
Beklagter und Beschwerdegegner.
Der 4. Senat des Bundessozialgerichts hat am 25. Februar 2014 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. V o e l z k e
S. K n i c k r e h m
sowie die Richterinnen
und B e h r e n d
beschlossen:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landes-
sozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. August 2013 wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und
Rechtsanwältin N. A.
in B.
beizuordnen, wird abgelehnt.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

- 2 -

G r ü n d e :

I

[1] Der Beklagte forderte den durchgehend SGB II-Leistungen beziehenden Kläger mit drei Melde-
aufforderungen vom 9.9.2011 (Meldetermin am 22.9.2011 um 8:45 Uhr), vom 20.10.2011 (Mel-
determin am 31.10.2011 um 8:45 Uhr) und vom 7.11.2011 (Meldetermin am 14.11.2011 um
9:15 Uhr) auf, bei ihm zu erscheinen, um über sein Bewerberangebot bzw seine berufliche Situ-
ation zu sprechen. Das Alg II werde um 10 % des maßgebenden Regelbedarfs für die Dauer
von drei Monaten gemindert, wenn er der Einladung ohne wichtigen Grund nicht folge. Die Wi-
dersprüche gegen die Meldeaufforderungen wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheide
vom 28.11.2011).

[2] Der Beklagte minderte die SGB II-Leitungen für den Zeitraum vom 1.1.2012 bis 31.3.2012 um
10 % des maßgebenden Regelbedarfs, weil der Kläger trotz schriftlicher Belehrung über die
Rechtsfolgen zu dem Meldetermin am 31.10.2012 ohne wichtigen Grund nicht erschienen sei
(Bescheid vom 13.12.2011; Widerspruchsbescheid vom 31.1.2012), ebenso für den Zeitraum
vom 1.2.2012 bis 30.4.2012 (Bescheid vom 13.1.2012; Widerspruchsbescheid vom 19.3.2012).
Das LSG hat die Berufung gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid vom 15.1.2013 zu-
rückgewiesen (Urteil vom 28.8.2013). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt,
ein Rechtsschutzbedürfnis für die Fortsetzungsfeststellungsklage zu der Rechtswidrigkeit der
Aufforderung zur persönlichen Meldung am 9.9.2011, 20.10.2011 und 7.11.2011 fehle. Die auf
Aufhebung der Bescheide vom 13.12.2011 und 13.1.2012 gerichtete Klage könne keinen Erfolg
haben, weil diese rechtmäßig seien. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Absenkung des
Alg II für den hier auf vier Monate begrenzten Zeitraum bestünden nicht. Das LSG hat die Revi-
sion nicht zugelassen.

[3] Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revi-
sion und beantragt die Bewilligung von PKH.

II

[4] Die Beschwerde ist nicht zulässig, weil die als Zulassungsgründe geltend gemachte grundsätz-
liche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und ein Verfahrensfehler (§ 160 Abs
2 Nr 3 SGG) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden sind (§ 160a
Abs 2 S 3 SGG). Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169
SGG zu verwerfen.

- 3 -

[5] Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwer-
debegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu
entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im
allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revi-
sionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG
SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch: BVerfG SozR
3-1500 § 160a Nr 7). Der Beschwerdeführer hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage
unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und ggf des Schrifttums nicht
ohne Weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur
Klärung der Rechtsfrage im Allgemeininteresse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

[6] Mit seinem Vorbringen wird der Kläger diesen Darlegungserfordernissen nicht gerecht. Er for-
muliert als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung: "Stellt die Sanktionierung von Empfän-
gern von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch durch Kürzungen der Regelleis-
tung ohne die ersatzweise Erbringung von Sachleistungen einen Verstoß gegen das Grundrecht
auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Ver-
bindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG dar?" Nach der Entscheidung des
BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) sei das
Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums dem Grunde nach
unverfügbar und müsse eingelöst werden. Die Unterschreitung des in § 20 Abs 2 SGB II fest-
gelegten Regelbedarfs durch den Gesetzgeber sei - jedenfalls sofern die Minderung nicht durch
die Gewährung von Sachleistungen ausgeglichen werde - zwangsläufig ein Eingriff in das
Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Die aufgeworfene
Frage sei bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden worden. In der rechtswissenschaftli-
chen Literatur überwiege die Auffassung, dass Sanktionen grundsätzlich zulässig seien. Auch in
der Rechtsprechung sei die Verfassungsmäßigkeit des Sanktionsrechts bisher nicht wesentlich
in Frage gestellt worden.

[7] Mit diesem Vorbringen hat der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht
ausreichend dargetan. Zwar weist er zutreffend darauf hin, dass es der Senat in seinem Urteil
vom 9.11.2010 (B 4 AS 27/10 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 6) offen gelassen hat, ob verfassungs-
rechtliche Bedenken gegen die Absenkung des Alg II für einen auf vier Monate begrenzten Zeit-
raum vom 1.11.2007 bis 29.2.2008 bei einer Absenkung um 20 vH bzw 30 vH bestehen, weil im
konkreten Fall ergänzende Sachleistungen "in angemessenem Umfang" angeboten worden
waren. Der Kläger hat sich jedoch nicht in dem erforderlichen Umfang mit der grundsätzlichen
Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage im Hinblick auf den hier konkret vorliegenden Ein-
zelfall, insbesondere der Minderung wegen eines Meldeversäumnisses um 10 vH der Regel-
leistung für einen auf einige Monate befristeten Zeitraum auseinandergesetzt. Insofern hätte
sich der Kläger auch mit den Aussagen des BVerfG zu einem Abzug von 10 % des Regelbe-

- 4 -

darfs über einen gewissen Zeitraum im Rahmen der Darlehensregelung (vgl nunmehr § 42a
SGB II) befassen müssen. Dieses hat die Rückführung eines Darlehens zur Deckung eines
unvermutet auftretenden und unabweisbaren einmaligen Bedarfs durch Einbehalt der Regel-
leistung in Höhe von 10 % als "vorübergehende monatliche Kürzung der Regelleistung" im
Grundsatz verfassungsrechtlich nicht beanstandet (vgl BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09,
1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - juris RdNr 150).

[8] Soweit der Kläger "die Einordnung der unterbliebenen Entscheidung des Sozialgerichts über den
mit Schriftsatz vom 02. Mai 2012 klageerweiternd gestellten Antrag auf Erstattung von 221,40 €
wegen der Sanktionen vom 01. Januar 2012 bis 30. April 2012 als offensichtlich versehentlich"
sowie die Übertragung auf den Einzelrichter beanstandet, ist ein Verfahrensfehler nicht ausrei-
chend bezeichnet. Insofern fehlt es bereits an einer substantiierten Darlegung der Tatsachen,
aus denen sich der Mangel ergeben soll (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG,
10. Aufl 2012, § 160a RdNr 16 mwN). Auch reicht nicht die hier nur aufgestellte Behauptung,
dass das angefochtene Urteil auf diesem Verfahrensmangel beruht.

[9] Dem Kläger steht PKH nicht zu, weil seine Rechtsverfolgung aus den genannten Gründen keine
Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a SGG). Aus diesem Grund entfällt auch die Beiordnung eines
Rechtsanwalts.

[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Faksimile 1 2 3 4

... link (0 Kommentare)   ... comment


SG R, S 2 KR 252/12 vom 21.09.2012, Sozialgericht Regensburg
S 2 KR 252/12

SOZIALGERICHT REGENSBURG

In dem Rechtsstreit

- Klägerin -

Proz.-Bev‚:
Rechtsanwälte Treutler u.KoIi., Prüfeninger Straße 62, 93049 Regensburg - 897/2012"

8109017 -
gegen
AOK Bayern - Die Gesundheitskasse -, Direktion Regensburg, vertreten durch den Direk-
tor, Bruderwöhrdstraße 9, 93055 Regensburg

- Beklagte -

erlässt der Vorsitzende der 2. Kammer Vizepräsident des Sozialgerichts P. ohne
mündliche Verhandlung am 21. September 2012 folgenden

Beschluss:

Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstat-
ten.

Gründe:

Die Klägerin stand im Bezug von Krankgeld, als die Beklagte mit Bescheid vom
29.02.2012 entschied, die Zahlung von Krankengeld zum 04.03.2012 zu beenden.

- 2 – S 2 KR 252/12

Dies wurde mit dem Ende der Arbeitsunfähigkeit begründet. Zuvor war vom Medizini—
schen Dienst der Krankenversicherung (MDK) eine Stellungnahme eingeholt worden.

Der schriftlich erhobene Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.02.2012 ging bei der
Beklagten am 12.03.2012 ein.

Die Beklagte holte daraufhin noch eine Stellungnahme des MDK ein, die am 23.03.2012
bei der Beklagten einging. Unter Bezugnahme auf das Ergebnis dieser Stellungnahme
wurde der Klägerin mit Schreiben vom 26.03.2012 die Nichtabhilfe mitgeteilt. Hierzu äu—
ßerte sich die Klägerin am 29.03.2012 und teilte auf die ausdrückliche Anfrage durch die
Beklagte mit, den Widerspruch aufrecht zu erhalten. Am 12.04.2012 folgte ein Telefonge-
spräch einer Mitarbeiterin der Beklagten mit der Klägerin. Es wurde dann am 27.04.2012
eine weitere Stellungnahme des MDK eingeholt, die dieser am 03.05.2012 verlegte.

Am 18.06.2012 ging bei Gericht die Untätigkeitsklage ein.
Der Widerspruchsbescheid der Beklagten datiert vom 01.08.2012.

Mit der Klage wurde auf den Umstand verwiesen, dass über den Widerspruch vom
12.03.2012 noch nicht entschieden war.

Nach Erlass des Widerspruchsbescheides ist die Klage in der Hauptsache mit dem am
08.08.2012 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz für erledigt erklärt werden.

Zugleich hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

Dieser Antrag wird damit begründet, dass für die Kostentragung auf den vermutlichen
Verfahrensausgang abzustellen ist. Nach bisherigem Sach- und Streitstand sei die erho-
bene Untätigkeitsklage vom 18.06.2012 im Zeitpunkt des Eintritts des erledigenden Ereig—
nisses zulässig und begründet gewesen. Die Beklagte habe den Widerspruch nicht inner-
halb der Frist des § 88 Abs. 2 SGG verbeschieden. Ein zureichender Grund für die Frist—
überschreitung habe nicht vorgelegen. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt gegenüber
der Beklagten erklärt, dass sie mit der Überschreitung der 3—Monats-Frist einverstanden
sei. Die Klägerin sei auf die Krankengeldzahlung dringend angewiesen.

- 3 – S 2 KR 252/12

Die Beklagte beantragt sinngemäß,
den Antrag abzulehnen.

Sie begründet dies damit, dass im vorliegenden Fall auf Grund der Notwendigkeit der me—
dizinischen Beurteilung und damit der Einschaltung des MDK ein Grund für die Fristüber-
schreitung vorlag. Insbesondere wird in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass die
Beklagte auf den von der Klägerin im Widerspruchsverfahren vorgelegten Bericht und ihre
Beschwerden eingegangen sei. Die starre Betrachtung der dreimonatigen Frist durch den
Prozessbevollmächtigten könne dazu führen, dass Sachverhalte ohne ausreichende
Überprüfung mit einem Widerspruchsbescheid abzulehnen seien. Auch habe die Klägerin
bei einem Telefonat in keinster Weise zum Ausdruck gebracht, mit der Erteilung des Wi-
derspruchsbescheides am 01.08.2012 nicht einverstanden zu sein. Die Beklagte habe
davon ausgehen können, dass die Überschreitung der Frist akzeptiert werde.

Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren anders als
durch Urteil beendet wird (§ 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Vorschrift
des § 193 SGG geht den Regelungen in den §§ 91 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) vor, die
auch nicht über § 202 SGG entsprechend anwendbar sind. Über die Kosten ist nach
sachgemäßen richterlichen Ermessen zu entscheiden. Dabei ist der Ausgang des Verfah—
rens mit zu berücksichtigen und der zu diesem Zeitpunkt bestehende Sach- und
Streitstand.

Im vorliegenden Fall war am 18.06.2012 eine Untätigkeitsklage nach § 88 SGG erhoben
worden. Die Untätigkeitsklage war darauf gerichtet, dass von der Beklagten ein Wider-
spruchsbescheid erlassen wird (vgl. § 88 Abs. 2 SGG). Ziel der Untätigkeitsklage ist auch
in einem solchen Fall die bloße Bescheidung und nicht der Erlass eines Verwaltungsaktes
mit einem bestimmten Inhalt (vgl. BSGE 72, 118, 121; BSGE 73, 244). Als am 01.08.2012
der Widerspruch erlassen wurde, entfiel nachträglich für die Untätigkeitsklage das
Rechtsschutzbedürfnis. Mit der (einseitigen) Erklärung der Erledigung in der Hauptsache
durch die Klägerin wurde diesem Umstand Rechnung getragen. Damit hat sich das Ver-
fahren in der Hauptsache erledigt.

- 4 – S 2 KR 252/12

Die Untätigkeitsklage war im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig. Die Erhe-
bung der Untätigkeitsklage setzt nach § 88 Abs. 2 SGG in Fällen wie dem vorliegenden
den Ablauf einer Frist von 3 Monaten ohne Entscheidung der Widerspruchsbehörde vor-
aus. Diese Sperrfrist war im vorliegenden Fall abgelaufen. Die Untätigkeitsklage war auch
begründet. Dies ist der Fall, wenn die Behörde ohne zureichenden Grund nicht innerhalb
der Frist entscheiden hat (vgl. BSGE 73, 244). Ein solcher Grund kann durchaus in aut-
wändigen Sachverhaltsermittlungen liegen, etwa in der Einholung von Sachverständigen»
gutachten. im vorliegenden Fali wurden jedoch zwei Stellungnahmen vom MDK eingeholt,
was auch kurzfristig möglich ist. Hinzu kommt, dass nach dem Telefonat mit der Klägerin
(vgl. Gesprächsnotiz hierüber) vom 12.04.2012 erst 27.04.2012 eine weitere Stellungw
nahme des MDK nach Aktenlage eingeholt wurde. Auch wenn der Klägerin telefonisch
mitgeteilt worden sein sollte, dass der Fall in der Widerspruchssitzung vom 01.08.2012
entschieden werde, kann daraus nicht geschlossen werden, dass sich die Klägerin mit der
Erhebung der Untätigkeitsklage widersprüchlich verhalten habe. Es ist nicht davon auszu-
gehen, dass die Klägerin Kenntnis von den Fristen des § 88 Abs. 2 SGG hatte und damit
von der Möglichkeit der Erhebung der Untätigkeitsklage. Nur wenn dies der Fall wäre und
die Beklagte auch ausdrücklich auf diese Fristen hingewiesen hätte, könnte ein etwaiges
widerspruchsloses Einlassen überhaupt Bedeutung erlangen. Unter Berücksichtigung al-
ler Umstände nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand erscheint es angemessen, dass
die Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt.

Dieser Beschluss ist nach § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG unanfechtbar.

Der Vorsitzende der 2. Kammer

P

Vizepräsident des Sozialgerichts

Faksimile

... link (0 Kommentare)   ... comment


Sonntag, 28. Juni 2015
SG DD, S 12 AS 194/15, 29.04.2015. Sozialgericht Dresden
Beglaubigte Abschrift

S 12 AS 194/15

SOZIALGERICHT DRESDEN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

— Kläger zu l.-

- Kläger zu 2.—

gegen

Landkreis Meißen Jobcenter Meißen, vertreten durch den Landrat, Brauhausstraße 21,
01662 Meißen

- Beklagter -

hat die 12. Kammer des Sozialgerichts Dresden auf die mündliche Verhandlung vom
29. April 2015 in Dresden durch die Richterin am Sozialgericht und die ehrenamtli-
chen Richter und für Recht erkannt:

I. Der Bescheid vom 30.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
19.12.2014 wird aufgehoben.

II. Der Beklagte hat den Klägern deren außergerichtliche Kosten zu erstatten.

— 2 – S 12 AS 194/15

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte zu Recht Leistungen nach dem Zweiten
Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen fehlender Mitwirkung versagt hat.

Die Kläger beziehen Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 10.01.2014 hatte der
Beklagte den Klägern für den Zeitraum Januar bis März 2014 vorläufig Leistungen der
Grundsicherung wie folgt bewilligt:

Januar 2014
Februar 2014
und März 2014

Am 17.03.2014 beantragte der Kläger zu 1 die Weiterbewilligung der Leistungen zur Si-
cherung des Lebensunterhaltes für sich und seinen minderjährigen Sohn, den Kläger zu 2,
ab 01.04.2014. Aufgrund eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens leistete der Beklagte
im Zeitraum von April 2014 bis September 2014 vorläufig auf der Grundlage des Be-
schlusses des Sozialgerichts Dresden vom 23.04.2014, Az.: S 43 AS 2298/14, für April
und Mai 2014 Euro, für Juni Euro, für Juli und August 2014 jeweils

Euro und für September 2014 Euro. Dabei wurden die Kosten für Unterkunft und
Heizung in Höhe von jeweils monatlich Euro direkt an den Vermieter der Kläger

sowie ein Betrag von Euro monatlich direkt an die
bezahlt.

Mit Schreiben vom 11.04.2014, 18.08.2014, 19.08.2014, 26.09.2014 07.10.2014 und
10.10.2014 forderte der Beklagte vom Kläger zu 1 unter Hinweis auf die Mitwirkungs-
pflichten nach §§ 60 und 66 SGB I weitere Unterlagen und Auskünfte zur Bearbeitung des
Antrages vom 17.03.2014 an. Diese Auskünfte hielt der Beklagte für die Aufklärung der
im Bewilligungszeitraum maßgeblichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der
Kläger für erforderlich.

Nachdem der Beklagte davon ausging, dass die angeforderten Unterlagen und Auskünfte

-3— S 12 AS 194/15

nicht vollständig übermittelt bzw. erteilt wurden, versagte er mit Bescheid vom 30.10.2014
die beantragten Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.04.2014 bis 30.09.2014 wegen
fehlender Mitwirkung nach § 66 SGB I. Der Kläger habe Angaben zu seinen Aufenthalten
nur bedingt gemacht. Eine geordnete Aufstellung von Einnahmen und Aus-
gaben aus der Beteiligung an dem Betrieb sei nicht vorgelegt worden.
Absprachen mit Frau , die den übernommen haben soll,
seien nicht offenbart worden. Weitere Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit
würden ebenfalls weiteren Aufklärungsbedarf erfordern. Anderweitige Tätigkeiten seien
nicht unaufgefordert offenbart worden, auch auf die Anfrage, ob von
Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft betrieben werden, sei keine Auskunft erteilt worden.
Es sei dabei zu beachten, dass durch das Betreiben von Einnahmen erwirt-
schaftet werden könnten, auch wenn es nur Einnahmen aus Werbung seien. Zur Erzielung
von Einnahmen auf Konten Dritter sei nicht Stellung genommen worden. Eine nähere
Überprüfung dahingehend, ob Tätigkeiten im Internet auf die Erzielung von Einkommen
gerichtet gewesen sind durch die Forderung nach Offenlegung von Domains und Zustim-
mung zur Auskunftserteilung durch die Telefongesellschat sei wegen fehlender Zustim-
mung nicht möglich gewesen. Es könne auch nicht festgestellt werden, welche Kranken-
geldleistungen der Kläger zu 1 im Zeitraum vom 17.04.2014 bis 20.06.2014 erhielt. Kon-
toauszüge vom 20.08.2014 bis 30.10.2014 seien nicht vorgelegt worden. Ob und in wel-
chem Umfang bei Vorliegen der Voraussetzung des § 66 SGB I Maßnahmen ergriffen
werden, stehe im Ermessen des Beklagten als Leistungsträger. In diesem Zusammenhang
sei in erster Linie zu berücksichtigen, dass sich der Beklagte über einen längeren Zeitraum
um eine Klärung bemüht habe. Diese Bemühungen würden bereits deutlich vor dem streit—
gegenständlichen Leistungszeitraum einsetzen, wobei sich im Rahmen der Prüfung immer
mehr der Behörde verheimlichte Tatsachen herausgestellt hätten und weitere Unklarheiten
auftraten. Zu keinem Zeitpunkt sei erkennbar gewesen, dass der Kläger zu 1 von sich aus
bestrebt gewesen wäre, durch unaufgeforderte umfassende Angaben keinen Raum für das
Auftauchen neuer Unklarheiten aufkommen zu lassen. Insbesondere lege die Verheimli-
chung eines Bankkontos bei der Deutschen Bank bei diversen Folgeantragstellungen nahe,
dass der Kläger zu 1 ganz bewusst von einer vollständigen Aufdeckung der tatsächlichen
Vermögensverhältnisse abgesehen habe. Dieses Verhalten sei nicht länger hinnehmbar,
zumal die aufzuklärenden Umstände sämtlich der Sphäre des Klägers zuzurechnen sei, in

-4- S 12 AS 194/15

die die Behörde keinen Einblick habe. An diesem Abwägungsergebnis ändere sich auch
nichts deshalb, dass weitere Personen zur Bedarfsgemeinschaft gehören. Diesem Aspekt
komme im Hinblick auf den Sohn des Klägers zu 1, den hiesigen Kläger zu 2, ohnehin nur
geringere Bedeutung zu, da sich dieser nur zeitweise beim Kläger zu 1 aufhalte. Auch blei-
be ohne Auswirkung, wenn der Kläger in irgendeinem von ihm an das Sozialgericht unmit-
telbar gerichteten Schriftsatz näher auf die Forderungen des Beklagten zur Mitwirkung
eingegangen sein sollte. Insoweit erscheine insbesondere die fehlende Bereitschaft zur Klä-
rung durch eigene Angaben beizutragen oder diese Klärung durch den Landkreis zuzulas—
sen gleichermaßen als ausreichend für die getätigte Ermessenentscheidung.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Kläger vom 10.11.2014 wies der Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 19.12.2014 zurück. Zur Begründung führte er lediglich aus,
dass soweit die Versagung gestützt wurde auf die unvollständigen Angaben zu den Ein-
kommens- und Verrnögensverhältnissen, es sich um relevante Verhältnisse handelt, die
zum Zeitpunkt des Erlasses des Versagungsbescheides noch nicht aufgeklärt waren und
auch zwischenzeitlich nicht aufgeklärt worden seien. Weitere Erwägungen finden sich im
Widerspruchsbescheid vorn 19.12.2014 nicht.

Hiergegen richtet sich die am 12.01.2015 erhobene Klage. Die Kläger tragen zur Begrün-
dung vor, dass die Begründung des Widerspruchsbescheides nicht nachvollziehbar sei. Der
Beklagte habe in keinem der bereits gerichtlich gefiihrten Verfahren einen substanziellen
Nachweis für ein durch den Kläger erzieltes Einkommen außerhalb des Bezuges der Regel-
leistungen vorgelegt. Überdies habe der Kläger zu 1 alle behördlichen Schreiben beantwor-
tet, teilweise über die geführten einstweiligen Rechtsschutzverfahren beim Sozialgericht
Dresden. Das Gericht habe die entsprechenden Schreiben auch an den Beklagten weiterge-
leitet. Unklarheiten aus der Vergangenheit dürfe der Beklagte nicht heranziehen, um die
Bescheidung des Antrags vollständig abzulehnen. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen,
dass in der Bedarfsgemeinschaft minderjährige Kinder leben. Es sei unzulässig, das Kin—
deswohl durch die Verweigerung der Leistung zu gefährden.

Die Kläger beantragen,

—5- S 12 AS 194/15

den Bescheid des Beklagten vom 30.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbe-
scheids vom 19.12.2014 aufzuheben und den Klägern ihre außergerichtlichen
Kosten zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist weiterhin der Auffassung, dass der Kläger zu 1. den Forderungen immer nur teilwei-
se nachgekommen sei, wobei häufig nur das eingeräumt worden sei, was zwischenzeitlich
ohnehin der Behörde bekannt geworden sei. Darüber hinaus hätten sich immer wieder Ver-
änderungen in den Verhältnissen feststellen lassen, über die der Kläger zu 1. den Beklagten
nicht von sich aus unterrichtet habe. Die vom Kläger gemachten Angaben würden regel-
mäßig einer näheren Überprüfung nicht standhalten bzw. es ergäben sich unter deren Zu—
grundelegung völlige Ungereimtheiten. Insbesondere sei der Kläger zu 1. Erklärungen
schuldig geblieben im Zusammenhang mit der bereits mehrere Jahre vor dem streitgegen-
ständlichen Leistungszeitraum von ihm ins und im
dortigen Dienstleistungsangebot zur Erstellung von Webseiten. Aufgrund der Ungereimt-
heiten im Klägervortrag werde auch beantragt, Frau und als
Zeugen zu vernehmen. Mitwirkungshandlungen, die es dem Beklagten ermöglichen wür-
den, die Richtigkeit der vom Kläger zu 1. behaupteten Angaben zu überprüfen, verweigere
dieser. Im Hinblick auf die Behauptung des Klägers zu 1., seine jetzige Ehefrau habe
kein Konto gehabt und sei ohne jedes Bargeld nach Deutschland übergesiedelt,
werde auch die Vernehmung der Ehefrau des Klägers zu 1. als Zeugin beantragt.

Das Gericht hat die Leistungsakte des Beklagten beigezogen und zum Gegenstand des Ver-
fahrens gemacht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach— und Streitstandes wird auf das gegenseiti-
ge Vorbringen in der Gerichtsakte sowie die beigezogene Leistungsakte Bezug genommen.

— 6 – S 12 AS 194/15

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Wider-
spruchsbescheides ist wegen Ermessensmissbrauchs rechtswidrig und daher aufzuheben.
Die Klage der anwaltlich nicht vertretenen Kläger war sachdienlich dahingehend auszule-
gen, dass diese die vollständige Aufhebung des Versagungsbescheides des Beklagten be-
gehren.

Streitgegenstand kann vorliegend allein die im Wege der Anfechtungsklage begehrte Auf-
hebung des auf § 66 Abs. 1 SGB I gestützten Versagungsbescheides vom 30.10.2014 in
Gestalt des Widerspruchsbescheids vorn 19.12.2014 sein. Gegen die Versagung einer So-
zialleistung wegen fehlender Mitwirkung ist grundsätzlich nur die reine Anfechtungsklage
gegeben. Eine unmittelbare Klage auf existenzsichemde Leistungen kommt nur aus-
nahmsweise in Betracht, wenn sich bei einer Aufhebung der Entscheidung über die Versa-
gung wegen fehlender Mitwirkung das Verwaltungsverfahren lediglich wiederholen würde
(vgl. BSG Beschluss vom 25.02.2013 B 14 AS 133/12 B). Diese Konstellation ist vorlie-
gend nicht ersichtlich.

Die Rechtmäßigkeit eines auf § 66 SGB I gestützten Bescheides richtet sich allein danach,
ob die dort nominierten Tatbestandsmerkmale der mangelnden Mitwirkung gegeben sind
und zwar unabhängig davon, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Leistung
vorliegen.

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 66 Abs. 1 Satz l SGB I. Nach die-
ser Vorschrift kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlung bis zur Nachholung der
Mitwirkung die Leistung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraus-
setzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind, wenn derjenige, der eine Sozialleistung
beantragt, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt
und hierdurch die Aufklärung des Sachverhaltes erheblich erschwert wird.

Der Beklagte hat hier den Kläger zu 1 vor Erlass des Versagensbescheides nach § 66
Abs.3 SGB I mit Schreiben vom 11.04.2014, 18.08.2014, 19.08.2014, 26.09.2014,

—7- S 12 AS 194/15

07.10.2014 und 10.01.2014 unter Fristsetzung zur Mitwirkung aufgefordert und auf die
Folgen einer mangelnden Mitwirkung schriftlich hingewiesen. Dabei ergibt sich der Um-
fang der streitigen Mitwirkungspflicht auf § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I. Danach hat, wer Sozi-
alleistungen beantragt, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind.

Ob vorliegend tatsächlich entscheidungserhebliche Angaben unterlassen bzw. nicht durch
entsprechende Unterlagen nachgewiesen worden sind bzw. welche Anforderungen an die
Konkretisierung der anzugebenden Tatsachen zu stellen, kann offen bleiben. Die Beschei—
de sind schon aus formellen Gründen rechtswidrig und damit aufzuheben. Selbst wenn das
Vorhandensein der tatbestandlichen Voraussetzung für eine Versagung nach § 66 Abs. 1
SGB I unterstellt wird — was jedoch höchst zweifelhaft ist —‚ fehlt es an einer ordnungsge-
mäßen Ermessenausübung des Beklagten.

Nach § 66 Abs. 1 Satz l SGB I „kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die
Leistungen bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entzie-
hen“. Das Gesetz räumt den Verwaltungsträgem einen Entscheidungsspielraum ein, den
die Gerichte zu beachten haben. Gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG dürfen sie nur prüfen, ob
die Verwaltung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Er-
messen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch ge-
macht hat, ob sie also die ihr durch das Verwaltungsverfahrensrecht (vgl. § 39 Abs. 1
Satz 1 SGB I) auferlegte Verhaltenspflicht beachtet hat, ihr Ermessen entsprechend dem
Zweck der Ermächtigung entsprechend auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Er-
messens einzuhalten. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich darauf, ob der Leis—
tungsträger seiner Pflicht zur Ermessensbetätigung nachgekommen ist (falls nein: Ermes-
sensnichtgebrauch), ob er mit dem Ergebnis seiner Ermessenbetätigung, der Entscheidung,
die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten, d. h. eine nach dem Gesetz nicht
zugelassene Rechtfolge gesetzt (Ermessensüberschreitung) und ob er von dem Ermessen in
einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat
(Abwägungsdefizit, Ermessensmissgebrauch; zu Vorstehendem: BSG, Urteil vom l4. De—
zember 1994 — 4 RA 42/94 — SozR 3/ 1200 5 39 Nr. 1 und Urteil vom 25. Januar 1994 —
4 RA 16/92 — SozR 3/1300 § 50 Nr. 16 jeweils mit weiteren Nachweisen). Die Ermessen—
erwägungen sind dem Betroffenen im Bescheid im Einzelnen darzulegen. Die Begründung

- 8 — S 12AS 194/15

muss ersehen lassen, welche Gesichtspunkte der Beklagte bei der Ausübung des Ermessens
berücksichtigt und wie er diese gesichtet hat (Engelmann in von Wulffen: SGB X, 8. Aufl.
§ 35 Rn 7). Konkret erstreckt sich das Ermessen bei der Versagung darauf, ob der Leis-
tungsträger überhaupt von der Möglichkeit der Versagung Gebrauch macht (also auch, ob
er die Leistung gleichwohl gewährt oder belässt; vgl. BSG, Urteil vom 26. Mai 1983 —
10 RKG 13/82 — SozR 1200 § 66 Nr. 10), in welchem Umfang weitere Ermittlungen ange—
stellt werden sollen (es sei denn, die leistungserheblichen Tatsachen sind von Amts wegen
schlechterdings nicht ermittelbar), ob eine Nachfrist eingeräumt wird und ob die Leistung
befristet oder ohne die Fristbestimmung ganz oder teilweise entzogen wird (vgl. Trenkhin-
terberger in Gieße/Kramer, Kommentar SGB I bis X 2. Aufl. § 66 SGB I Rn 17).

Vorliegend ist festzustellen, dass der Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2014 kei-
nerlei Ermessenserwägungen enthält. Im Ausgangbescheid vom 30.10.2014 stellt der Be-
klagte auf Seite fünf zutreffender weise fest, dass das Ergreifen von Maßnahmen nach § 66
SGB I im Ermessen des Leistungsträgers steht. Die daran anschließenden „Erwägungen“
stellen jedoch keinen Ermessengebrauch dar, da es sich hierbei um eine Wiederholung des
Tatsachenvortrages handelt, der nochmals in andere Worte gefasst wurde. Dabei ist aller-
dings zu beachten, dass sich das Ermessen nur auf die Rechtsfolgen einer Norm (Engel-
mann in von Wulffen SGB X § 35 Rn 6; Wagner in Juris-Praxiskommentar SGB I § 39 Rn
8) bezieht, sodass grundsätzlich die Vermengung von Tatbestandsvoraussetzungen mit
Rechtsfolgen unzulässig ist. Die Frage, welche konkreten Tatsachen im Rahmen einer Be-
antragung von Sozialleistungen anzugeben und welche Unterlagen vorzulegen sind, bzw.
inwieweit eine Mitwirkung hierzu erforderlich und zumutbar ist, ergeben sich aus den Tat-
bestandsnorrnen der §§ 60 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB I i. V. m § 65 Abs. 1 SGB I. Im Rah-
men ihrer „Ermessenserwägungen“ schildert der Beklagte den Klägern im Wesentlichen
erneut die Tatbestandsvoraussetzungen, welche sich bereits aus dem ersten Teil des Be-
scheides ergeben. Einziger Gesichtspunkt, den der Beklagte in die Ermessensabwägungen
auf der Rechtsfolgenseite einbezogen hat, ist vorliegend die Frage der Zeit- und Bearbei-
tungsdauer im Hinblick auf die Verpflichtung Sozialleistungen möglichst Zeitnah zu er—
bringen. Weitere Erwägungen auf der Rechtsfolgenseite finden sich nicht. Insbesondere
hält es die Kammer für ermessensfehlerhaft, dass der Beklagte die persönliche Situation
des Klägers zu 1. mit einem minderjährigen Kind nicht angemessen berücksichtigt hat.

-9— S 12 AS 194/15

Mit einem Nebensatz stellt der Beklagte fest, dass diesem Aspekt nur geringe Bedeutung
zukommt, da sich das Kind (der Kläger zu 2.) nur zeitweise beim Kläger zu 1. aufhält. Je-
doch lebt der sechsjährige Sohn des Klägers zu 1. mindestens zu 50 % bei diesem, so dass
keinesfalls von einem nur geringen Umfang des Aufenthaltes auszugehen ist. Der Beklagte
hätte diesen Aspekt zwingend berücksichtigen müssen und gegebenenfalls über eine nur
teilweise Versagung nachdenken müssen. Hierzu fehlen jedoch jedwede Ausführungen des
Beklagten. Darüber hinaus hat der Beklagte mit keinem Wort abgewogen, dass es sich bei
den beantragten Leistungen um existenzsichemde Leistungen handelt und durch die voll-
ständige Versagung das Existenzminimum des Klägers zu l. als auch des minderjährigen
Klägers zu 2. gefährdet ist. Zusammengefasst enthält die angefochtene Bescheidung ledig—
lich durch den Gebrauch von Leerformeln Anhaltpunkte dafür, dass der Beklagte sich
überhaupt bewusst war, vorliegend eine Ermessensentscheidung treffen zu müssen. Etwai-
ge Auswirkungen auf die Kläger werden in keiner Weise in die Erwägungen einbezogen,
insbesondere findet eine Abwägung unter Berücksichtigung der klägerischen Belange ge—
rade nicht statt.

Abwegig ist in diesem Zusammenhang auch die Auffassung des Beklagten, es sei nicht zu
berücksichtigen, wenn der Kläger zu . auf die Anforderungen des Beklagten im Rahmen
von Schriftsätzen gegenüber dem Sozialgericht Dresden in einstweiligen Rechtsschutzver-
fahren eingegangen sein sollte. Der Beklagte hätte die in diesem Zusammenhang getätigten
Äußerungen des Klägers zur Kenntnis nehmen müssen. Denn es handelte sich bei den ge-
führten einzelnen Rechtsschutzverfahren um den gleichen Leistungszeitraum, weshalb der
Beklagte auch die in diesem Zusammenhang geführten Ermittlungen bzw. Ergebnisse
wahrzunehmen hat. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Anforderung des Beklagten
in den Aufforderungsschreiben teilweise datenschutzrechtlich erheblich bedenklich sind.
Insbesondere dürfte die geforderte Zustimmung zur Auskunftserteilung der Telefongesell-
schaft rechtlich nicht zulässig sein.

Eine Versagung wäre daher nur dann rechtmäßig, wenn eine Ermessensreduzierung auf nur
eine mögliche Entscheidung vorliege, eine andere, als die vom Beklagten getroffene Ent-
scheidung also nicht in Betracht käme. Dies ist nach Auffassung der Kammer hier nicht
der Fall. Insbesondere hat der Beklagte weiterhin Möglichkeiten, eigene Ermittlungen

- 10 - S 12 AS 194/15

durchzuführen, vorläufig bzw. darlehnsweise Leistungen zu gewähren oder aber auch, so-
fern er den Angaben des Klägers zu 1. keinen Glauben schenkt, die Leistung abzulehnen.
Denn eine Entscheidung nach § 66 Abs. 1 SGB I darf dann nicht ergehen, wenn der Sozial-
leistungsträger die Angaben des Leistungsberechtigten für unwahr hält. In diesem Falle ist
dessen Vorbringen nach § 20 SGB X zu würdigen und der Antrag gegebenenfalls abzu-
lehnen. Dies setzt aber grundsätzlich Entscheidungsreife in der Sache selbst voraus. Inso-
fern muss der Beklagte auch die ihm zur Verfügung stehenden Ermittlungsmaßnahmen
ausschöpfen, insbesondere z. B. solche nach § 60 Abs. 2 und Abs. 4 SGB II.

Zur Klarstellung wird nochmals darauf hingewiesen, dass es der Kammer nicht zusteht, ihr
Ermessen anstelle desjenigen der Verwaltung zu setzen. Ob und in welchem Umfang hier
weitere Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen sind, hat der Beklagte daher im Ein-
zelfall im Wege des zustehenden Ermessens zu entscheiden (vgl. LSG Baden-
Württemberg, Urteil vom 19.07.2007, L 7 AS 1703/06 Rn 24 ff zitiert nach juris).

Dem Beweisantrag des Beklagten aus dem Schreiben vom 16.03.2015, Frau

Frau sowie Frau im Rahmen der mündlichen Verhand-
lung zu vernehmen, war nicht zu folgen. Es ist hier durch den Beklagten weder das Be-
weisthema angegeben worden noch wurde umrissen, was genau die Beweisaufnahme der
benannten Zeugen ergeben soll, sodass es sich um keinen ordentlichen Beweisantrag im
Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG handelt, sondern um einen reinen Beweisermittlungsan-
trag. Darüber hinaus kommt es vorliegend, da es sich um eine reine Anfechtungsklage ge-
gen einen Versagensbescheid handelt, auf die Aussage der Zeugen gerade nicht an, da über
den materiell-rechtlichen Anspruch nicht entschieden wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und folgt der Entscheidung in
der Hauptsache.

Die Berufung war von Gesetzes wegen zulässig, da der Gesamtbetrag der versagten Leis-
tungen den Wert von 750,00 Euro übersteigt (§ 144 Abs. 1 Nr. l SGG).

-11- S 12 AS 194/15

Rechtsmittelbelehrung

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Sächsischen Landessozialgericht,
Kauffahrtei 25, 09120 Chemnitz, schriftlich, mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäfts-
stelle oder in elektronischer Form einzulegen.

Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Dresden,
Fachgerichtszentrum, Hans-Oster-Straße 4, 01099 Dresden schriftlich, mündlich zur Niederschrift des Ur-
kundsbeamten der Geschäftsstelle oder in elektronischer Form eingelegt wird.

Die elektronische Form wird durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der
Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa über den elektronischen Rechts-
verkehr in Sachsen (SächsERVerkVO) vom 6. Juli 2010 (SächsGVBl. S. 190) in den elektronischen Ge-
richtsbriefkasten zu übermitteln ist; nähere Hinweise finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.

Die Einlegung der Berufung durch einfache E-Mail wahrt daher die Form nicht. Es wird darauf hingewiesen,
dass das Rechtsmittel innerhalb der Frist in der vorgeschriebenen Form einzulegen ist.

Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur
Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Die Vorsitzende der 12. Kammer

Richterin am Sozialgericht

Für die Richtigkeit der Abschrift:
Sozialgericht Dresden

Dresden. den 06.05.2015


Urkundsbeamter de Geschäftsstelle


Sozialgericht Dresden Dresden, den 29.04.2015
- öffentliche Sitzung -

S 12 AS 194/15

Niederschrift

über die mündliche Verhandlung der 12. Kammer

In dem Rechtsstreit

1.

- Kläger —
2.

- Kläger -

gegen

Landkreis Meißen Jobcenter Meißen, vertreten durch den Landrat, Brauhausstraße 21,
0 l 662 Meißen

- Beklagter -

Anwesend:

Vorsitzende: Richterin am Sozialgericht
ehrenamtlicher Richter Herr
ehrenamtliche Richterin Frau

Auf die Hinzuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle wird verzichtet. Die Vor-
sitzende übernimmt die Protokollierung durch Aufzeichnung auf einem Tonträger.

Nach Aufruf der Sache erscheinen:

für den Kläger der Kläger persönlich auch als gesetzlicher
Vertreter des Klägers zu 2

für den Beklagten Herr unter Berufung auf eine bei

Gericht hinterlegte Generalterminsvoll-
macht sowie Herr.

-2- S 12 AS 194/15

Beigezogen ist die Verwaltungsakte des Beklagten unter dem Az.: 1104.0012157, die zum
Gegenstand des Verfahrens gemacht wird.

Die Vorsitzende eröffnet die mündliche Verhandlung und trägt den Sachverhalt vor. So-
dann erhalten die Beteiligten das Wort. Das Sach- und Streitverhältnis wird mit ihnen erör-
tert.

Der Kläger erklärt:

Aus seiner Sicht ist er den Mitwirkungsaufforderungen in jedweder Hinsicht nachgekom-
men. Wobei er zuzugeben habe, dass dies im Laufe des Verfahrens S 43 AS 2298/14 ER
auch gegenüber dem Gericht erfolgte, da das einstweilige Rechtsschutzverfahren den strei-
tigen Leistungszeitraum betraf. Keine Angaben seien dann gemacht worden, wenn der
Kläger die Grenzen der zulässigen Mitwirkungspflicht bezweifle; in diesen Punkten habe
er um Benennung der Rechtsgrundlage gebeten. Dieser Aufforderung sei der Beklagte aber
bis heute nicht nachgekommen. Im Übrigen sei die Versagung insbesondere für den Kläger
zu 2, den minderjährigen Sohn, aus Sicht des Klägers zu 1 nicht zulässig, da dieser keine
Mitwirkungspflichten verletzt habe. Auch für seine jetzige Ehefrau und deren Sohn, die ab
August Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sind, gelte das gleiche, da diese von Mitwir-
kungsverpflichtungen ebenfalls nicht betroffen sind.

Der Beklagtenvertreter verweist im Hinblick auf die Rechtsgrundlage für die geforderten
Mitwirkungshandlungen auf § 60 SGB I und nimmt nochmals Bezug auf die bereits getä-
tigten Ausführungen, dass im Versagungszeitraum ständig Veränderungen, betreffend die
Webseite des Klägers, im Internet zu erkennen waren. Außerdem sei der Kläger, wie im
Versagungsbescheid aufgeführt, Mitwirkungshandlungen nur unzureichend nachgekom-
men. So sei beispielsweise bis zum Erlass des Versagungsbescheides das erzielte Kranken-
geld nicht mitgeteilt worden. Auch habe der Beklagte erst im Nachhinein von der Existenz
eines Kontos bei der erfahren. Abschließend erklärt der Beklagtenvertre-
ter, dass sich insgesamt aus der Vielzahl der vom Kläger zu leistenden Kosten, als Beispiel
werden die Kosten für den jetzt zur Verfügung stehenden PKW genannt, indiziert werde,
dass auch Einkommen zur Verfügung stehe, was dem Beklagten so nicht bekannt ist.

Hierauf erwidert der Kläger, dass er seinen Krankengeldbezug im Verfahren S 43 AS
2298/14 ER offen gelegt habe und darüber hinaus dem Beklagten mittlerweile auch lü-
ckenlos alle Kontoauszüge vorliegen würden. Im Bezug auf den genutzten PKW erklärt
der Kläger, dass es eine Vereinbarung mit seinem Schwiegervater gebe, der nach wie vor
Eigentümer des Fahrzeuges sei. Die laufenden Kosten für das Auto würden aus dem Re-
gelsatz finanziert, was aus Sicht des Klägers zu 1 auch möglich sei. Auch die Reise in die
mit dem Bus war aus dem Regelsatz finanzierbar und wurde aus diesem finanziert.

Der Beklagtenvertreter wendet diesbezüglich noch ein, dass es nur auf den Zeitpunkt des
Erlasses der Versagungsentscheidung ankommt und die Frage, welchen Mitwirkungs-
pflichten der Kläger bis dahin nachgekommen ist, nicht, ob er eventuell im Nachgang in
einem der führten Gerichtsverfahren weitere Unterlagen eingereicht hat.

Der Kläger erklärt hierzu ergänzend, dass aus seiner Sicht alle Mitwirkungshandlungen im

- 3 – S 12 AS 194/15

Rahmen der laufenden Verfahren betreffend die jeweiligen Leistungszeiträume auch er-
folgt sind. Die Zweitschriften habe der Beklagte auch insofern über die Schriftsätze des
Sozialgerichts erhalten. Der Kläger ergänzt darüber hinaus nochmals, dass aus seiner Sicht
nicht nachvollziehbar ist, wie die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, insbeson-
dere sein minderjähriger Sohn sowie seine jetzige Frau und sein Stiefsohn mit in die Mit—
haftung genommen werden können, wenn der Beklagte der Auffassung ist, er, der Kläger
zu 1, wirke nicht ausreichend mit.

Der Kläger ergänzt weiter, dass der Beklagte immer wieder die Formulierung verwendet:
"würde der Kläger Einkommen erzielen, wäre ....". Jedoch habe der Beklagte bis heute
keinen Nachweis erbracht, dass der Kläger Einkommen erziele und der Kläger selbst kön-
ne keinen negativen Beweis dafür antreten, dass er kein Einkommen erzielt. Im Hinblick
auf die Mitwirkungspflichten ist er im Übrigen der Auffassung, dass diesen Mitwirkungs-
pflichten auch Grenzen gesetzt sind, insbesondere wenn die informationelle Selbstbestim-
mung und die Persönlichkeitsrechte betroffen sind.

Der Kläger ergänzt weiter, dass nach seiner Auffassung in dem Falle, dass ihm der Beklag-
te einen Sozialbetrug vorwirft, er ein Aussageverweigerungsrecht hätte, worauf ihn der
Beklagte aber bisher in den Mitwirkungsaufforderungen nicht hingewiesen hat. Bisher hat
der Kläger auch immer mitgewirkt und von dem Aussageverweigerungsrecht keinen Ge-
brauch gemacht.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid vom 30.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom

19.12.2014 aufzuheben und ihnen die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

- vorgespielt und genehmigt -

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen und die Berufung zuzulassen.

- vorgespielt und genehmigt -

Die Vorsitzende schließt die mündliche Verhandlung. Das Gericht zieht sich zur geheimen
Beratung zurück.

- 4 – S 12 AS 194/15

Nach geheimer Beratung verkündet die Vorsitzende

IM NAMEN DES VOLKES

folgendes

Urteil:

1. Der Bescheid vom 30.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
19.12.2014 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte hat den Klägern deren außergerichtliche Kosten zu erstatten.

Der wesentliche Inhalt der Entscheidung wir den Beteiligten mitgeteilt.

— F.d.R.d.Ü.v. Tonträger -

Richterin am Sozialgericht Justizbeschäfiigte

Beginn der Verhandlung:
Ende der Verhandlung:

Faksimile

... link (0 Kommentare)   ... comment


Samstag, 6. Juni 2015
Anrechnungsfreie Nachzahlung bei widerrechtlicher Sanktion

Gekürzte Chronologie

der Petition Pet 4-18-11-81503-021496

 

Kurzfassung der Petition

(mit der Bitte um Veröffentlichung)

 

Titel Sozialrecht “Anrechnungsfreie Nachzahlung bei
widerrechtlicher Minderung"

01.05.2015

 

Seite2

 

Wortlaut der Petition

 

Es wird folgender § 31a Abs. 5 SGB II eingefügt

(5) Erweisen sich Minderungen als
zu Unrecht vorgenommen oder wurde zu Unrecht auf andere als
Geldleistungen verwiesen, sind die Geldleistungen vollständig und
anrechnungsfrei nachzuentrichten.

Anm.: Die Einzelheiten der Nachentrichtung richten sich nach den
Normen des SGB I und SGB X, etwa die Verzinsung nach § 44 SGB I.
Dienst- und Sachleistung sind im SGB II nach § 4 SGB II
grundsätzlich möglich, jedoch die Ausnahme (etwa § 24 Abs. 2 SGB
II).

Begründung

Gesetzgeberische Absicht ist, dass auch
Hilfebedürftige vorrangig zu selbständigem Wirtschaften angehalten
werden sollen. Der Handel mittels Zahlungsmittel ist die dominierende
Warenaustauschform und somit hat jede Abweichung hiervon ein erhöhtes
Stigmatisierungsrisiko. Die Dispositionsfreiheit (§ 20 SGB II, Art 2
Abs. 1 GG), das heißt das Recht auf dem gesamten Markt das
bevorzugte Angebot selbst wähen zu können, kann nur mit allgemein
geltenden Zahlungsmittel zur Entfaltung gelangen.

Einschränkungen gelten im Fall sogenannter Sanktionen. In diesem
Fall sollen Geldleistung teilweise oder vollständig gestrichen
werden, können und soll das Existenzminimum durch andere
Leistungsformen gesichert werden. Wie oben dargelegt ergibt sich,
dass im Wertesystem der Grundsicherung ein solcher Verweis auf
Nichtgeldleistungen als belastend zu sehen ist. Die vorliegende
Petition befasst sich nicht mit Sanktionen an sich. Gegenstand hier
ist allein die Frage, wie in Fällen zu verfahren ist, in denen sich
Sanktionen schlussendlich als rechtswidrig herausstellen oder
generell ein Verweis auf Dienst- oder Sachleistungen, auch in Form
etwa von Gutscheinen erfolgte, für die sich später ergibt, dass
dieser rechtsgrundlos erging.

Derzeit ist die Situation so, dass zwar Nachzahlungen erfolgen,
die Grundsicherungsträger aber hiergegen etwa den Nominalwert der
zwischenzeitlich erteilten Gutscheine etwa für Lebensmittel
gegenrechnen. Dass der zu Unrecht sanktionierte, durch den Entzug der
Geldleistung de facto gezwungen war, diese anzunehmen, findet keine
Berücksichtigung. Nimmt der zu Unrecht Sanktionierte die
lebensnotwendigen Gutscheine an, wird ihm dies als Annahme an
Erfüllungs statt gemäß § 364 Abs. 1 BGB vorgehalten (so auch
Bayerisches Landessozialgericht,
L 11 AS 654/14 vom 26.11.2014).

Ein Rechtsstaat ist dem Legalitätsprinzip und dem
Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet. Besonders in Bereichen in
denen er noch belastende Eingriffe am Existenzminimum vornimmt, muss
er sich an höchsten Sorgfaltsmaßstäben messen lassen. Eine
Nachentrichtung ist grundsätzlich geeignet die Belastung während
Zeiten überdurchschnittlicher Einschränkung durch einen
vergrößerten Freiraum in der Folgezeit wenigstens teilweise zu
kompensieren.

Anregungen für die Forendiskussion

Eine im Einzelfall möglicherweise unbeabsichtigt auftretende
Überkompensation - etwa wenn ein zu Unrecht Sanktionierter vorhatte
in nächster Zeit besonders sparsam zu leben, um etwa für einen
einmaligen Bedarf anzusparen - dürfe in der Praxis oft unnachweisbar
sein und ist im Hinblick auf die grundrechtlich gebotene
Gleichbehandlung und darauf, dass Unschuldige nichts zu befürchten
haben sollen, hinzunehmen. Ohnehin verbleibt es bei einem
hinzunehmenden Sonderopfer für die Allgemeinheit für diejenigen
Personen, die zufällig gerade in der Zeit der zu Unrecht erlittenen
Sanktion, besonderen Bedarf decken wollten, der nicht mehr ohne
Weiteres nachgeholt werden kann. Beide Restrisiken der Lebensführung
verbleiben. Es ist nicht einzusehen, warum der Staat sich des seinen
einseitig zu Lasten Unschuldiger entledigen können sollte.

Schreiben des
Petitionsausschusses vom 21.05.2015

Berlin, 21. Mai 2015

Bezug: Ihre Eingabe vom 1. Mai 2015

Arbeitslosengeld II

Sehr geehrter Herr ...,

 

hiermit bestätige ich den Eingang Ihrer Petition, mit der Sie
fol-

gendes Anliegen vortragen:

 

Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass Hilfsbedürftige

zum selbständigen Wirtschaften angehalten werden sollen und

Geldleistungen vollständig und anrechnungsfrei bei unrechten

Minderungen nachzuentrichten sind.

 

Der Ausschussdienst, dem die Ausarbeitung von Vorschlägen für

den Petitionsausschuss obliegt, hat das von Ihnen vorgetragene

Anliegen sorgfältig geprüft.

 

Nach Prüfung aller Gesichtspunkte ist der Ausschussdienst zu

dem Ergebnis gekommen, dass eine Umsetzung Ihres Anliegens

angesichts der gegenwärtigen Handlungsprioritäten auf diesem

Gebiet ausgeschlossen erscheint. Diese Auffassung stützt sich

insbesondere auf folgende Erwägungen:

 

Die Nichtanrechnung der geleisteten Sachleistungen oder geld-

werten Leistungen würde zu einer rechtswidrigen Erhöhung des

Regelbedarfs führen.

 

Sofern Sie keine entscheidungserheblichen Bedenken gegen die

inhaltliche Bewertung Ihrer Eingabe vortragen, wird den Abge-

ordneten des Petitionsausschusses in sechs Wochen vorgeschla-

gen werden, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil Ihrem

Anliegen nicht entsprochen werden kann. Folgen der Ausschuss

und das Plenum des Deutschen Bundestages diesem Vorschlag,

erhalten Sie keinen weiteren Bescheid.

 

Seite 2

 

Weil Ihre Petition nicht den gewünschten Erfolg haben wird,

sieht der Ausschuss von einer Veröffentlichung auf der Internet-

seite des Petitionsausschusses ab. Diese Entscheidung erfolgte

auf der Grundlage der „Richtlinie für die Behandlung von
öffent-

lichen Petitionen“ (Pkt. 4e) gemäß Ziffer 7.1 (4) der
Verfahrens-

grundsätze, die unter www.bundestag.de/Petitionen veröffent-

licht sind.

 

Personenbezogene Daten werden unter Wahrung des Datenschut-

zes gespeichert und verarbeitet.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Schreiben des Petenten vom 10.06.2015

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit erhebe ich Bedenken gegen Ihr in obigem Schreiben
angekündigtes Vorgehen.

Soweit Sie ausführen


… hiermit bestätige ich den Eingang Ihrer Petition, mit der Sie
folgendes Anliegen vortragen:


Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass Hilfsbedürftige zum
selbständigen Wirtschaften angehalten werden sollen …

ist dies unrichtig.

Zwar ist ein ähnlicher Passus in der Begründung enthalten,
allerdings eben dort und nicht im Wortlaut der Petition. Er dient
überdies dort ersichtlich nicht zur weiteren Ausformulierung des
Petitionsbegehrens, sondern zur Beschreibung des status quo, denn er
lautet


Gesetzgeberische*
Absicht ist, dass auch Hilfebedürftige vorrangig zu selbständigem
Wirtschaften angehalten werden sollen.

Da dies überdies bereits lege lata ist, vergleiche etwa § 20
SGB II


Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten
Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich;
dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu
berücksichtigen.

wäre eine hierauf gerichtete Petition ohnehin im Wesentlichen
sinnlos, da nicht mehr erreicht werden muss, was schon der Fall ist.

Im Wesentlichen richtig hingegen ist, dass die Petition erreichen
soll, dass Geldleistungen bei unrechten Minderungen wenigstens
vollständig und anrechnungsfrei nachzuentrichten sind. Hierzu hat
der Petent auch eine konkrete Gesetzesformulierung vorgeschlagen,
verschließt sich jedoch nicht Alternativen mit gleicher Wirkung.

Weiter führen Sie aus


Nach Prüfung aller Gesichtspunkte ist der Ausschussdienst zu dem
Ergebnis gekommen, dass eine Umsetzung Ihres Anliegens angesichts der
gegenwärtigen Handlungsprioritäten auf diesem Gebiet ausgeschlossen
erscheint. Diese Auffassung stützt sich insbesondere auf folgende
Erwägungen:


Die Nichtanrechnung der geleisteten Sachleistungen oder geldwerten
Leistungen würde zu einer rechtswidrigen Erhöhung des Regelbedarfs
führen.

Zunächst stellt der Petent hiermit klar, dass er sich mit seiner
Petition an den deutschen Bundestag in seiner Funktion als
demokratischer Gesetzgeber wendet. Schon deswegen ist der Vorwurf,
der Petent fordere Rechtswidriges ohne jeden Sinn, insbesondere
selbst dann, wenn der Vorschlag tatsächlich geltendem Recht
widersprechen würde, denn es steht dem Gesetzgeber grundsätzlich
zu, eben dieses geltende Recht jederzeit außer Kraft zu setzen, wenn
er es für tunlich hält.

Es ist im Übrigen auch nicht erkennbar, dass der Vorschlag geltendem
Recht widersprechen würde. Vielmehr wendet er sich gegen eine
bestimmte Rechtsauslegung. Die Behauptung, die Nichtanrechnung der
geleisteten Sachleistungen oder geldwerten Leistungen würde zu einer
rechtswidrigen Erhöhung des Regelbedarfs führen, wird vom
Petitionsausschuss nicht weiter begründet und ist nicht
nachvollziehbar. Gemäß § 20 SGB II steht dem
Hilfebedürftigen ein Geldbetrag als Pauschale zu


Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt.
Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten
Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich;
...

diesen hat er nicht oder nicht im vollen Umfang erhalten, wenn er
eine widerrechtliche Sanktion zu erdulden hatte. Ob daneben
Sachleistungen erbracht wurden ist für die Erfüllung dieses
Anspruchs zunächst irrelevant.

Wie bereits in der Petition dargelegt, beruht die rechtliche
Bewertung, die zur Anrechnung führt, darauf, dass dem zu Unrecht
Sanktionierten vorgeworfen wird, er hätte die Gutscheine angenommen.
Das überzeugt jedoch nicht, da die Beantragung und die Annahme
dieser Gutscheine durch vis compulsiva (etwa bei
Lebensmittelgutscheinen durch Hunger) oder der Drohung damit
erzwungen wurde und wie sich herausgestellt hat, dies alles keine
hinreichende Rechtsgrundlage hatte.

Der Verweis des Petitionsausschusses auf „gegenwärtigen
Handlungsprioritäten“ ist unverständlich, denn weder wird gesagt,
was diese Handlungsprioritäten wären, noch warum sie zwangsläufig
einer Umsetzung des Begehrens des Petenten entgegenstehen.

Der Petent hält daher seine
Bitten im vollen Umfang aufrecht und bittet um Entscheidung hierüber.

 

Beschlussempfehlung

 

 

 

Anmerkungen

Der Schreibfehler im Original
„Gesetzgeberischen Absicht ist, dass auch Hilfebedürftige
vorrangig zu selbständigem Wirtschaften angehalten werden sollen.“
wurde korrigiert.

... link (0 Kommentare)   ... comment


status
Menu
Suche
 
Kalender
November 2024
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
Letzte Aktualisierungen
Beweislast für den Zugang...
Gekürzte Chronologie der Petition Beweislast für den Zugang und Garantenpflicht nach § 60 Abs. 1...
by anselmf
BVerfG, 1 BvR 1484/10 vom 28.09.2010,...
Ausfertigung BUNDESVERFASSUNGSGERICHT - 1 BvR 1484/10 - In dem Verfahren über die...
by anselmf
LSG FSB, L 8 SO 116/09 B ER RG...
L 8 SO 116/09 B ER RG BAYERISCHES LANDESSOZIALGERICHT in dem Beschwerdeverfahren - Antragsteller gegen Bezirk...
by anselmf
11 RA 9/79 vom 15.11.1979, Bundessozialgericht
Bundessozialgericht - 11 RA 9/79 - Verkündet am 15. November 1979 als Urk. Beamter der Gesch. Stelle...
by anselmf
SG R, S 9 SO 5/15 vom 28.10.2016,...
Beglaubigte Abschrift S 9 SO 5/15 SOZIALGERICHT REGENSBURG In dem Rechtsstreit — Kläger - Proz.-Bev.: gegen —...
by anselmf

xml version of this page

made with antville