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Dienstag, 30. Juni 2015
SG R, S 2 KR 252/12 vom 21.09.2012, Sozialgericht Regensburg
S 2 KR 252/12

SOZIALGERICHT REGENSBURG

In dem Rechtsstreit

- Klägerin -

Proz.-Bev‚:
Rechtsanwälte Treutler u.KoIi., Prüfeninger Straße 62, 93049 Regensburg - 897/2012"

8109017 -
gegen
AOK Bayern - Die Gesundheitskasse -, Direktion Regensburg, vertreten durch den Direk-
tor, Bruderwöhrdstraße 9, 93055 Regensburg

- Beklagte -

erlässt der Vorsitzende der 2. Kammer Vizepräsident des Sozialgerichts P. ohne
mündliche Verhandlung am 21. September 2012 folgenden

Beschluss:

Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstat-
ten.

Gründe:

Die Klägerin stand im Bezug von Krankgeld, als die Beklagte mit Bescheid vom
29.02.2012 entschied, die Zahlung von Krankengeld zum 04.03.2012 zu beenden.

- 2 – S 2 KR 252/12

Dies wurde mit dem Ende der Arbeitsunfähigkeit begründet. Zuvor war vom Medizini—
schen Dienst der Krankenversicherung (MDK) eine Stellungnahme eingeholt worden.

Der schriftlich erhobene Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.02.2012 ging bei der
Beklagten am 12.03.2012 ein.

Die Beklagte holte daraufhin noch eine Stellungnahme des MDK ein, die am 23.03.2012
bei der Beklagten einging. Unter Bezugnahme auf das Ergebnis dieser Stellungnahme
wurde der Klägerin mit Schreiben vom 26.03.2012 die Nichtabhilfe mitgeteilt. Hierzu äu—
ßerte sich die Klägerin am 29.03.2012 und teilte auf die ausdrückliche Anfrage durch die
Beklagte mit, den Widerspruch aufrecht zu erhalten. Am 12.04.2012 folgte ein Telefonge-
spräch einer Mitarbeiterin der Beklagten mit der Klägerin. Es wurde dann am 27.04.2012
eine weitere Stellungnahme des MDK eingeholt, die dieser am 03.05.2012 verlegte.

Am 18.06.2012 ging bei Gericht die Untätigkeitsklage ein.
Der Widerspruchsbescheid der Beklagten datiert vom 01.08.2012.

Mit der Klage wurde auf den Umstand verwiesen, dass über den Widerspruch vom
12.03.2012 noch nicht entschieden war.

Nach Erlass des Widerspruchsbescheides ist die Klage in der Hauptsache mit dem am
08.08.2012 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz für erledigt erklärt werden.

Zugleich hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

Dieser Antrag wird damit begründet, dass für die Kostentragung auf den vermutlichen
Verfahrensausgang abzustellen ist. Nach bisherigem Sach- und Streitstand sei die erho-
bene Untätigkeitsklage vom 18.06.2012 im Zeitpunkt des Eintritts des erledigenden Ereig—
nisses zulässig und begründet gewesen. Die Beklagte habe den Widerspruch nicht inner-
halb der Frist des § 88 Abs. 2 SGG verbeschieden. Ein zureichender Grund für die Frist—
überschreitung habe nicht vorgelegen. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt gegenüber
der Beklagten erklärt, dass sie mit der Überschreitung der 3—Monats-Frist einverstanden
sei. Die Klägerin sei auf die Krankengeldzahlung dringend angewiesen.

- 3 – S 2 KR 252/12

Die Beklagte beantragt sinngemäß,
den Antrag abzulehnen.

Sie begründet dies damit, dass im vorliegenden Fall auf Grund der Notwendigkeit der me—
dizinischen Beurteilung und damit der Einschaltung des MDK ein Grund für die Fristüber-
schreitung vorlag. Insbesondere wird in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass die
Beklagte auf den von der Klägerin im Widerspruchsverfahren vorgelegten Bericht und ihre
Beschwerden eingegangen sei. Die starre Betrachtung der dreimonatigen Frist durch den
Prozessbevollmächtigten könne dazu führen, dass Sachverhalte ohne ausreichende
Überprüfung mit einem Widerspruchsbescheid abzulehnen seien. Auch habe die Klägerin
bei einem Telefonat in keinster Weise zum Ausdruck gebracht, mit der Erteilung des Wi-
derspruchsbescheides am 01.08.2012 nicht einverstanden zu sein. Die Beklagte habe
davon ausgehen können, dass die Überschreitung der Frist akzeptiert werde.

Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren anders als
durch Urteil beendet wird (§ 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Vorschrift
des § 193 SGG geht den Regelungen in den §§ 91 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) vor, die
auch nicht über § 202 SGG entsprechend anwendbar sind. Über die Kosten ist nach
sachgemäßen richterlichen Ermessen zu entscheiden. Dabei ist der Ausgang des Verfah—
rens mit zu berücksichtigen und der zu diesem Zeitpunkt bestehende Sach- und
Streitstand.

Im vorliegenden Fall war am 18.06.2012 eine Untätigkeitsklage nach § 88 SGG erhoben
worden. Die Untätigkeitsklage war darauf gerichtet, dass von der Beklagten ein Wider-
spruchsbescheid erlassen wird (vgl. § 88 Abs. 2 SGG). Ziel der Untätigkeitsklage ist auch
in einem solchen Fall die bloße Bescheidung und nicht der Erlass eines Verwaltungsaktes
mit einem bestimmten Inhalt (vgl. BSGE 72, 118, 121; BSGE 73, 244). Als am 01.08.2012
der Widerspruch erlassen wurde, entfiel nachträglich für die Untätigkeitsklage das
Rechtsschutzbedürfnis. Mit der (einseitigen) Erklärung der Erledigung in der Hauptsache
durch die Klägerin wurde diesem Umstand Rechnung getragen. Damit hat sich das Ver-
fahren in der Hauptsache erledigt.

- 4 – S 2 KR 252/12

Die Untätigkeitsklage war im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig. Die Erhe-
bung der Untätigkeitsklage setzt nach § 88 Abs. 2 SGG in Fällen wie dem vorliegenden
den Ablauf einer Frist von 3 Monaten ohne Entscheidung der Widerspruchsbehörde vor-
aus. Diese Sperrfrist war im vorliegenden Fall abgelaufen. Die Untätigkeitsklage war auch
begründet. Dies ist der Fall, wenn die Behörde ohne zureichenden Grund nicht innerhalb
der Frist entscheiden hat (vgl. BSGE 73, 244). Ein solcher Grund kann durchaus in aut-
wändigen Sachverhaltsermittlungen liegen, etwa in der Einholung von Sachverständigen»
gutachten. im vorliegenden Fali wurden jedoch zwei Stellungnahmen vom MDK eingeholt,
was auch kurzfristig möglich ist. Hinzu kommt, dass nach dem Telefonat mit der Klägerin
(vgl. Gesprächsnotiz hierüber) vom 12.04.2012 erst 27.04.2012 eine weitere Stellungw
nahme des MDK nach Aktenlage eingeholt wurde. Auch wenn der Klägerin telefonisch
mitgeteilt worden sein sollte, dass der Fall in der Widerspruchssitzung vom 01.08.2012
entschieden werde, kann daraus nicht geschlossen werden, dass sich die Klägerin mit der
Erhebung der Untätigkeitsklage widersprüchlich verhalten habe. Es ist nicht davon auszu-
gehen, dass die Klägerin Kenntnis von den Fristen des § 88 Abs. 2 SGG hatte und damit
von der Möglichkeit der Erhebung der Untätigkeitsklage. Nur wenn dies der Fall wäre und
die Beklagte auch ausdrücklich auf diese Fristen hingewiesen hätte, könnte ein etwaiges
widerspruchsloses Einlassen überhaupt Bedeutung erlangen. Unter Berücksichtigung al-
ler Umstände nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand erscheint es angemessen, dass
die Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt.

Dieser Beschluss ist nach § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG unanfechtbar.

Der Vorsitzende der 2. Kammer

P

Vizepräsident des Sozialgerichts

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