SG DD, S 12 AS 192/15, 29.04.2015, Sozialgericht Dresden
anselmf
Beglaubigte Abschrift
S 12 AS 192/15
SOZIALGERICHT DRESDEN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
— Kläger -
gegen
Landkreis Meißen Jobcenter Meißen, vertreten durch den Landrat, Brauhausstraße 21,
01662 Meißen
— Beklagter —
hat die 12. Kammer des Sozialgerichts Dresden auf die mündliche Verhandlung vom
29. April 2015 in Dresden durch die Richterin am Sozialgericht und die ehrenamtli—
chen Richter Herr und Frau für Recht erkannt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, den Überprüfungsantrag des Klägers vom
11.07.2014, eingegangen am 11.07.2014, auf Überprüfung aller Leistungsbe-
scheide für ihn und seinen Sohn rückwirkend zum 01.09.2013 zu bescheiden.
II. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
— 2 — S 12 AS 192/15
Tatbestand:
Gegenstand des Verfahrens ist eine Untätigkeitsklage, mit welcher der Kläger die Verurtei-
lung des Beklagten zur Entscheidung über seinen Überprüfungsantrag vom 11.07.2014 be—
gehrt.
Der im Jahr geborene Kläger bewohnt seit Mai 2010 eine 74 m2 große erdgasbeheizte
Drei-Raum—Wohnung in Meißen. Die monatliche Gesamtmiete für diese Wohnung beträgt
Euro und setzt sich aus einer Grundmiete von Euro und den Vorauszahlun-
gen für Heiz— und Warmwasserkosten von Euro sowie für sonstige Betriebskosten
von Euro zusammen.
Vor dem Amtsgericht Meißen schlossen der Kläger und seine von ihm getrenntlebende
Ehefrau am 22.08.2013 eine Vereinbarung dahingehend, dass sie die elterliche Sorge für
den im Jahre geborenen gemeinsamen Sohn des Klägers künftig gemeinsam ausüben
werden und das Kind sich im wöchentlichen Wechsel bei jedem Elternteil aufhalten wird.
Das Kindergeld für den Sohn des Klägers erhält die Kindsmutter. Der Kläger bezieht vor—
läufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II und erhält seit
dem 01.09.2013 den Regelsatz für seinen Sohn sowie den alleinerziehenden Mehrbedarf
anteilig zu 50 % ausgezahlt.
Mit Schreiben vom 11.07.2014, eingegangen beim Beklagten per Fax am gleichen Tage,
machte der Kläger geltend, dass sein Sohn entgegen der familienrechtlichen Vereinbarung
nicht im Wechselmodel beim Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau lebt, sondern sich
bei der Kindesmutter maximal zwei Tage pro Woche, nämlich von Mittwochabend
17:30 Uhr bis zum Kitabeginn am Donnerstagmorgen sowie von Freitagabend bis Sams—
tagabend, maximal Sonntagmorgen, aufhält. Dass der Regelsatz und der alleinerziehenden
Mehrbedarf vor diesem Hintergrund nur hälftig gezahlt würden, sei aufgrund der tatsächli—
chen Gegebenheiten nicht korrekt.
— 3 — S 12 AS 192/15
Am 12.01.2015 hat der Kläger die hier streitgegenständliche Untätigkeitsklage mit dem
Ziel erhoben, den Beklagten zu verpflichten. über den Überprüfungsantrag vom
11.07.2014 zu entscheiden. Zur Begründung hat er ausgeführt, für die Nichtbescheidung
sei kein zureichender Grund erkennbar. Auch auf die Nachfrage vom 09.12.2014 sei eine
Reaktion des Beklagten nicht erfolgt.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zum Erlass eines rechtmäßigen Bescheides mit Leistungen in
rechtmäßiger Höhe zu verpflichten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung. dass die begehrte Überprüfungsentscheidung noch nicht habe getrof—
fen werden können. da der insofern maßgebliche Sachverhalt noch nicht geklärt sei. Der
Kläger habe sich zu dem konkreten Umfang des Aufenthaltes seines Sohnes bei sich nicht
näher erklärt und auch mit der Klage keine genauen Angaben gemacht. Darüber hinaus
handele es sich bei dem geltend gemachten Mehrbedarf lediglich um eine bedarfserhöhen—
de Position, die nicht gesondert beansprucht werden könne. Es könne sich lediglich unter
Zugrundelegung eines insoweit bestehenden höheren Bedarfs ein höherer Leistungsan-
spruch insgesamt ergeben. Eine diesbezügliche Prüfung setze jedoch eine bestehende
Klarheit insbesondere über die Einkommensverhältnisse des Klägers in dem zu überprü—
fenden Leistungszeitraum ab 2013 voraus. Hierüber habe sich der Kläger nicht erklärt. Ab—
gesehen hiervon sei ein Anspruch auf höhere SGB—II—Leistungen auch dann nicht gegeben.
wenn der leistungsrechtliche Bedarf ohne Notwendigkeit erhöht werde. Zwischen dem
Kläger und seiner zwischenzeitlich geschiedenen Frau sei vor dem Familiengericht Meißen
eine Umgangsregelung getroffen worden. Diese Regelung sei auch durch keine neue rich-
terliche Entscheidung abgeändert worden. Dass eine anderweitige Praktizierung zwingend
erforderlich sei, sei nicht dargelegt worden.
— 4 — S 12 AS l92/15
Hinsichtlich des weiteren Sach— und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten. die beigezo—
genen Verfahren S 43 AS 4197/14, S 43 AS 2298/14 ER sowie S 43 AS 5294/14 ER und '
die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die dem Gericht vorgelegen haben und
Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Die fom— und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig und begründet. Der Beklagte war
verpflichtet. über den Überprüfungsantrag des Klägers vom 11.07.2014 grundsätzlich in—
nerhalb der Frist des § 88 Abs. l Satz 1 SGG zu entscheiden.
Nach § 88 Abs. l Satz l SGG ist eine Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem
Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes zulässig, wenn ein Antrag auf Vornahme
eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht be—
schieden worden ist. Die Frist war bei Klageerhebung abgelaufen und der für einen zu—
reichenden Grund darlegungspflichtige Beklagte hatte keinen hinreichenden Grund für die
Nichtbescheidung. Soweit der Beklagte in der Klageerwiderung vorgetragen hat. der Klä-
ger habe sich zum konkreten Umfang des Aufenthaltes seines Sohnes bei sich nicht näher
erklärt, ist dies nicht zutreffend. Der Kläger hatte bereits in seinem Überprüfungsantrag
vom l.07.2014 genau dargestellt, in welchen Zeiträumen sich sein Sohn bei der geschie-
denen Ehefrau aufhält und damit in welchen anderen Zeiträumen bei ihm. Insofem er—
scheint die erneute Nachfrage des Beklagten im Schreiben vom 19.08.2014 an den Kläger
diesbezüglich nicht nachvollziehbar, da der Kläger die Antwort auf die Frage schon gege—
ben hatte. Die Einholung weiterer Auskünfte, insbesondere von der geschiedenen Ehefrau
des Klägers obliegt der Amtsermittlungspflicht des Beklagten. Der Beklagte hätte im
Rahmen dieser Pflicht eine Bestätigung der geschiedenen Ehefrau selbst anfordern können
und müssen.
Zutreffend hat der Kläger hervorgehoben, dass er in Kenntnis der Tatsache, dass es sich bei
dem Mehrbedarf nur um eine bedarfserhöhende Position handelt, eine Überprüfung der
Leistungsbescheide insgesamt für den Überprüfungszeitraum beantragt hat. Eine etwaige
— 5 — S 12 AS l92/l5
fehlende Mitwirkung des Klägers für die Neuberechnung des gesamten Anspruches stellt
keinen sachlichen Grund für die Nichtbescheidung des Überprüfungsantrages dar. Gegebe—
nenfalls nach Prüfung der entsprechenden Voraussetzungen muss der Leistungsträger
nämlich nach § 66 SGB I vorgehen, um einer Untätigkeitsklage die Grundlage zu entzie—
hen (BSG, Uiteil vom 26.08.1994, L 13 RJ 17/94; LSG Nordrhein—Westfalen, Beschluss
vom 16.05.2013 L 19 AS 535/13 B). Auch im vorliegenden Falle gilt nichts anderes. Ne-
ben einer Versagungsentscheidung hätte der Beklagte darüber hinaus die Möglichkeit ge-
habt, über den Anspruch des Klägers erneut vorläufig zu entscheiden. Es ist kein Grund
erkennbar, warum eine vorläufige Entscheidung auch nach Ablauf des Bewilligungszeit—
raumes nicht zulässig sein sollte. Die Kammer teilt die insofern vom LSG Sachsen im
PKH—Beschluss vom 23.01.2013 (L 7 AS 1033/12 B PKH) vertretene Auffassung nicht.
Die Auffassung, einer Klage auf höhere vorläufige Leistungen fehle das Rechtsschutzbe—
dürfnis, wenn der betreffende Leistungszeitraum abgelaufen ist, kann nur dann richtig sein,
wenn zugleich der Grund für die Vorläufigkeit entfallen ist. Wenn hingegen eine endgülti-
ge Festsetzung für den abgelaufenen Bewilligungszeitraum tatsächlich noch nicht möglich
ist, z. B. weil Einkünfte noch nicht sicher feststehen, ist eine Klage auf höhere vorläufige
Leistungen auch für diesen Zeitraum zulässig (so zutreffend auch 3. Senat des Sächsischen
LSG vom 22.04.2013. Az.: L 3 AS 1310/12 B PKH. SG Berlin, Beschluss vom 29.08.2014
S 197 AS 8527/13, SG Dresden, Urteil vom 27.08.2013, Az.: S 49 AS 2681/12). Weiterhin
hätte der Beklagte im Falle unklarer Einkommensverhältnisse die Möglichkeit, das Ein-
kommen zu schätzen.
Ob die Voraussetzungen einer vorläufigen Bewilligung bei Klageerhebung vorgelegen ha—
ben, ist vorliegend jedoch für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich, denn Streitge—
genstand ist lediglich die Pflicht des Beklagten zur Bescheidung. Insofern genügt hier die
Feststellung, dass auch eine gegebenenfalls unklare Tatsachengrundlage den Beklagten
grundsätzlich nicht daran hindert, über einen Antrag zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Die Berufung ist von Gesetzes wegen zulässig, da der Gesamtbetrag der in Streit stehenden
Leistungen den Beschwerdewert nach § 144 Abs. l Nr. l SGG übersteigt.
— 6 — S 12 AS 192/15
Rechtsmittelbelehrung
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Sächsischen Landessozialgericht.
Kauffahrtei 25, 09120 Chemnitz. schriftlich, mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäfts—
stelle oder in elektronischer Form einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Dresden.
Fachgerichtszentrum, Hans-Oster-Straße 4, 01099 Dresden schriftlich, mündlich zur Niederschrift des Ur-
kundsbeamten der Geschäftsstelle oder in elektronischer Form eingelegt wird.
Die elektronische Form wird durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der
Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa über den elektronischen Rechts-
verkehr in Sachsen (SächsERVerkVO) vom 6. Juli 2010 (SächsGVBl. S. 190) in den elektronischen Ge-
richtsbrielkasten zu übermitteln ist: nähere Hinweise finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de,
Die Einlegung der Berufung durch einfache E-Mail wahrt daher die Form nicht. Es wird darauf hingewiesen,
dass das Rechtsmittel innerhalb der Frist in der vorgeschriebenen Form einzulegen ist.
Die Berufungsschritt soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur
Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Die Vorsitzende der 12. Kammer
Richterin am Sozialgericht
Für die Richtigkeit der Abschrift:
Sozialgericht Dresden
Dresden, den 06.05.2015
Sozialgericht Dresden Dresden, den 29.04.2015
- öffentliche Sitzung -
S 12 AS 192/15
Niederschrift
über die mündliche Verhandlung der 12. Kammer
In dem Rechtsstreit
- Kläger —
gegen
Landkreis Meißen Jobcenter Meißen, vertreten durch den Landrat, Brauhausstraße 21,
01662 Meißen
- Beklagter -
Anwesend:
Vorsitzende: Richterin am Sozialgericht
ehrenamtlicher Richter Herr
ehrenamtliche Richterin Frau
Auf die Hinzuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle wird verzichtet. Die Vor-
sitzende übernimmt die Protokollierung durch Aufzeichnung auf einem Tonträger.
Nach Aufruf der Sache erscheinen:
fiir den Kläger der Kläger persönlich
für den Beklagten Herr unter Berufung auf eine bei
Gericht hinterlegte Generalterminsvoll-
macht sowie Herr ,
- 2 – S 12 AS 192/15
Beigezogen ist die Verwaltungsakte des Beklagten unter dem Az.: 1104.0012157, die zum
Gegenstand des Verfahrens gemacht wird.
Die Vorsitzende eröffnet die mündliche Verhandlung und trägt den Sachverhalt vor. So-
dann erhalten die Beteiligten das Wort. Das Sach— und Streitverhältnis wird mit ihnen erör-
tert.
Der Kläger erklärt:
Bis Juli 2014 war meine geschiedene Frau wegen ihrer Ausbildung nicht in der Lage, das
vorm Familiengericht geschlossene Wechselmodel einzuhalten, weshalb mein Sohn sich
mehr bei mir als bei ihr aufgehalten hat. Deshalb habe ich den Überprüfungsantrag gestellt,
wobei ich den Antrag im Hinblick auf den Regelsatz bezüglich meines Sohnes zwischen—
zeitlich zurückgenommen habe und nur den Antrag auf den erhöhten alleinerziehenden
Mehrbedarf aufrechterhalten habe, weil ich im Hinblick auf meinen Sohn nicht mehr genau
angeben kann, an welchen Tagen er bei mir war.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, über den Überprüfungsantrag des Klägers vom
11.07.2014, eingegangen am 11.07.2014, auf Überprüfung aller Leistungsbe-
scheide für ihn und seinen Sohn rückwirkend zum 01.09.2013 zu bescheiden.
- vorgespielt und genehmigt '
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
- vorgespielt und genehmigt -
Die Vorsitzende schließt die mündliche Verhandlung. Das Gericht zieht sich zur geheimen
Beratung zurück.
-3- S 12 AS 192/15
Nach geheimer Beratung verkündet die Vorsitzende
IM NAMEN DES VOLKES
folgendes
Urteil:
1. Der Beklagte wird verurteilt, den Überprüfungsantrag des Klägers vom 11.07.2014,
eingegangen am 11.07.2014, auf Überprüfung aller Leistungsbescheide für ihn und
seinen Sohn rückwirkend zum 01.09.2013 zu bescheiden.
2. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Der wesentliche Inhalt der Entscheidungsgründe wird den Beteiligten mitgeteilt.
- F.d.R.d.Ü.V. Tonträger -
Richterin am Sozialgericht Justizbeschäftigte
Beginn der Verhandlung:
Ende der Verhandlung:
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SG DD, S 12 AS 1184/15, 29.04.2015, Sozialgericht Dresden
anselmf
Beglaubigte Abschrift
S 12 AS 1184/15
SOZIALGERICHT DRESDEN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
Kläger zu l:
— Kläger zu 2.
gegen
Landkreis Meißen Jobcenter Meißen. vertreten durch den Landrat. Brauhausstraße 21,.
01662 Meißen
- Beklagter
hat die 12. Kammer des Sozialgerichts Dresden auf die mündliche Verhandlung mm
29. April 2015 in Dresden durch die Richterin am Sozialgericht und die ehrenamtli-
ehen Richter Herr und Frau fiir Recht erkannt:
I. Der Beklagte wird verurteilt, den Weiterbewilligungsantrag der Kläger vom
25.08.2014 betreffend den Leistungszeitraum Oktober 2011 bis März 20l5 zu
bescheiden.
II. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger.
- 2 - S 12 AS 1184/15
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Untätigkeitsklage, ob der Beklagte derzeit ver-
pflichtet ist, über den Weiterbewilligungsantrag der Kläger vom 25.08.2014 zu entschei-
den, insbesondere ob der Beklagte die Entscheidungsfrist des § 88 Abs. 1 SGG ohne zu-
reichenden Grund überschritten hat.
Der im Jahre geborene Kläger zu 1. mit deutscher Staatsangehörigkeit ist Vater des
im Juli geborenen Sohnes (nachfolgend: Kläger zu 2.). Vor dem Amtsgericht Meißen
schloss der Kläger zu 1, mit der Mutter des Klägers zu 2. am .2013 eine Vereinba-
rung dahingehend. dass sie die elterliche Sorge für den im Jahre geborenen gemein-
samen Sohn künftig gemeinsam ausüben werden und das Kind sich im wöchentlichen
Wechsel bei jedem Elternteil aufhalten wird Dieses Wechselmodell wird von den geschie-
denen Eheleuten seit August 2011 gelebt.
Seit Mai bewohnt der Kläger zu 1. eine 74 qm große 3-Raum Wohnung in Meißen.
Die monatliche Gesamtmiete für diese Wohnung betrug € (Grundmiete:
Vorauszahlung für Heiz— und Warnmasserkosten: € Vorauszahlung für kalte Be»
triebskosten: €. Ab 01.10.2014 erhöhte der Vermieter die monatliche Vorauszah-
lung für Heiz— und Warmwasserkosten auf In einer korrigierten Fassung erhöht
der Vermieter mit Schreiben vom 23.06.1014 die monatliche Vorauszahlung für Heiz- und
Warmwasserkosten ab 01.07.2014 auf €. Zudem forderte der Vermieter mit Schrei-
ben vom 23.06.2014 die Zustimmung zur Erhöhung der Grundmiete auf € ab
01.08.2014, die der Kläger zu 1. verweigert hat. Der Vermieter kündigte mit Schreiben
vom 11.06.20l4 das Mietverhältnis fristlos und forderte den Kläger zu 1. auf, die Woh—
nung zu räumen und an ihn herauszugeben. Derzeit wohnen die Kläger weiterhin in dieser
Unterkunft.
Im 2014 heiratete der Kläger zu 1. die im Jahre geborene die
Mutter des im April geborenen Sohnes ist. Beide zogen der An-
- 3 – S 12 AS 1184/15
meldebestätigung der Stadt vom 2014 zufolge aus der um
2014 in die Wohnung des Klägers zu 1.
Seit 2010 bezogen die Kläger zu 1. und 2. vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Auf Antrag hat das
Sozialgericht Dresden mit Beschluss vom 23.04.2014 (S 43 AS 2298/14 ER) den Beklag-
ten im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet. den Klägern zu 1. und 2. für die
Zeit vom 01.04.2014 bis 30.09.2014 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunter-
halts nach dem SGB II zu gewähren.
Am 25.08.2014 stellte der Klüger zu 1. für die Zeit ab 01.10.2014 einen Antrag auf Wei-
tergewährung von Grundsicherungsleistungen an ihn und den Kläger zu 2. beim Beklagten.
Gleichzeitig reichte er beim Beklagten Kontoauszüge seiner Konten bei der Deutschen
Bank, der Postbank und einem Paypalkonto ein. Mit Änderungsmitteilung vom 02.09.3014
wurde dieser Antrag auf die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft
und erweitert.
Am 01.09.2014 haben die Kläger zu 1. und 2. beim Sozialgericht Dresden im Wege der
einstweiligen Anordnung die Weitergewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebens-
unterhalts für die Zeit ab 01.10.2014 sowie höhere Leistungen für den Zeitraum vom
01.06.2014 bis 30.09.2014 unter Abänderung des gerichtlichen Beschlusses vom
23.04.1014 (S 43 AS 2298/14 ER) beantragt. Mit Schreiben vom 34.09.2014 sowie
26.09.2014 haben und ebenfalls Leistungen nach
dem SGB II im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemacht.
Mit gerichtlichen Beschluss vom 01.10.2014 wurde der Beklagte daraufhin verpflichtet.
den Klägern zu 1. und 2. und den weiteren Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft
und vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II im Zeitraum Oktober bis März 2015 zu gewähren (S 43 AS 5294/14
ER).
- 4 - S 12 AS 1184/15
Die vom Beklagten gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde wurde vom Sächsi-
schen Landessozialgericht mit Beschluss vom 03.02.2015 (L 2 AS 1326/14 B ER) zu-
rückgewiesen.
Über den Weiterbewilligungsantrag vom 25.08.2014 in der Fassung der Änderung vom
02.09.2014 hat der Beklagte bislang nicht entschieden. Leistungen an die Kläger erfolgten
ausschließlich faktisch aufgrund des gerichtlichen Beschlusses vom 01.10.2014 und des
Beschlusses im Beschwerdeverfahren L 2 AS 1326/14 B ER.
Am 05.032015 hat der Kläger zu 1. die hier streitgegenständliche Untätigkeitsklage für
sich und - nach sinngemäßer Auslegung des Klagebegehrens - für seinen Sohn, den Kläger
zu 2. erhoben.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten zu verurteilen. über den Weiterbewilligungsantrag vom 25.08.2014 zu ent-
scheiden
Der Beklagte beantragt.
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung. über die Anträge habe bislang nicht abschließend entschieden wer—
den können. du insbesondere die Einkommensverhältnisse des Klägers zu 1. noch nicht
hinreichend geklärt seien.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte des Beklagten und die Gerichtsakten zu den Verfah—
ren S 43 AS 2298/14 ER und S 43 AS 5293/14 ER beigezogen. Auf den Inhalt der Verwal-
tungs- und Gerichtsakten wird sachverhaltsergänzend Bezug genommen.
- 5 - S 12 AS 1184/15
Entscheidungsgründe:
Die von den Klägern erhobene Untätigkeitsklage im Sinne des § 88 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) ist zulässig und begründet.
Die Untätigkeitsklage ist zulässig. Insbesondere ist die Sperrfrist des § 88 Abs. 1 SOG von
sechs Monaten für die Entscheidung über den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom
25.08.2014 abgelaufen.
Die Untätigkeitsklage ist auch begründet. Der Beklagte hat über den Weiterbewilligungs-
antrag der Kläger vom 25.08.2014 den streitgegenständlichen Zeitraum betreffend nicht in
angemessener Frist entschieden. Ferner besteht kein zureichender Grund im Sinne des § 88
Abs.1 SGG dafür, dass der Beklagte noch nicht über den Weiterbewilligungsantrag der
Kläger entschieden hat. Ein solcher Grund ist insbesondere nicht darin zu sehen. dass aus
Sicht des Beklagten die Einkommens— und Vermögensverhältnisse des Klägers zu 1. sowie
der Umfang der Tätigkeit der Ehefrau des Klägers zu 1. noch nicht ausreichend aufgeklärt
sind. Unabhängig von der Frage, ob der Beklagte dem Vortrag des Klägers zu 1. zu seinen
Einkommensverhältnissen Glauben schenkt, sind die Ermittlungen des Beklagten an einem
Punkt angekommen, an dem die Kläger einen Anspruch auf eine Sachentscheidung und
damit auch auf eine Eröffnung des Rechtsweges zu den Sozialgerichten haben.
Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes des zureichenden Grundes im Sinne
des § 88 SGG. der unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen ist.
sind die Garantien des effektiven Rechtschutzes gemäß §§ 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) und
- 6 - S 12 AS 1184/l5
des Rechts auf eine Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist gemäß Art. 6 Abs 1
der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zu berücksichtigen (so Leitherer in
Meyer - Ladewig/ Keller/ Leitherer. Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz. 10. Auflage
2012. zu § 88 SGG Rn 7a m.w.N.). Um das Spannungsverhältnis zwischen dem Recht des
Klägers auf effektiven Rechtsschutz und eine zeitnahe Verwaltungsentscheidung einerseits
und der Pflicht des Beklagten zur umfassenden Aufklärung des wesentlichen Sachverhalts
(vgl. § 20 Abs 1 und 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X) andererseits aufzulösen.
muss der Beklagte das Verwaltungsverfahren so zügig wie möglich betreiben und bei
Überschreitung der gesetzlich zugebilligten Entscheidungsfrist des § 88 Abs. 1 SGG aus
Sicht der Kammer spätestens bei Erschöpfung der wesentlichen Ermittlungsmöglichkeiten
eine Sachentscheidung treffen.
Vorliegend hat der Beklagte mit der Klageerwiderung vorgetragen, der Kläger zu1l. sei
zuletzt mit behördlichen Schreiben vom 25.03.2015 aufgefordert worden. Angaben im
Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Leistungszeitraum zu machen. Insoweit ist
festzustellen, dass diese Aufforderung erst nach Ablauf der Frist des § 88 Abs. 1 Satz 1
SGG erging‚ so dass davon auszugehen ist, dass der Beklagte das Verwaltungsverfahren
nicht mit der gebotenen Konsequenz und Schnelligkeit betrieben hat. Das zuvor an den
Klüger zu 1. und seine Ehefrau gesandte Schreiben vom 14.11.2014 haben diese mit
Schriftsätzen vom 03.12.20l4 beantwortet Die davor liegenden Anfragen des Beklagten
betreffen entweder nicht den zu bescheidenden Leistungszeitraum, wurden vom Kläger zu
1. bereits beantwortet oder übersteigen die Grenzen zumutbarer Mitwirkung (wie z.B. die
Frage nach den genutzten IP-Adressen). Die Kammer ist unter Würdigung des sich aus den
Verwaltungsakten und den Akten der vielfach geführten gerichtlichen Streitigkeiten erge—
benden Sachverhaltes zu der Überzeugung gelangt, dass die bisherige Verfahrensweise des
Beklagten. den Klägern eine Sachentscheidung vorzuenthalten, da Einkommen des Klägers
zu 1. vermutet wird, nicht haltbar ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den
Verdachtsmomenten des Beklagten nach wie vor um bloße Mutmaßungen handelt. Greif—
bare Anhaltspunkte für erzieltes Einkommen sind nicht ersichtlich. Soweit der Beklagte
von Einkommenszufluss ausgeht, hat er eine entsprechende Sachentscheidung zu treffen.
die den Klägern den Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet. Soweit der Beklagte nach
erfolgter Bewilligung Anhalt für eine Betrugshandlung des Klägers zu 1. hat. obliegt ihm.
- 7 – S 12 AS 1184/15
den Sachverhalt den zuständigen Strafermittlungsbehörden zu übergeben. Allerdings hat
die Kammer derzeit Zweifel. dass der hierfür erforderliche Anfangsverdacht überhaupt be-
steht.
Soweit der Beklagte weiterhin davon ausgeht, die Entscheidung über den Leistungsantrag
sei davon abhängig. dass der Kläger zu 1. sich zu einer Äußerung erkläre, die er im Zu-
sammenhang mit einem Bundesfreiwilligendienst vom 01.09.2013 bis 12.10.2013 getätigt
haben soll, ist darauf hinzuweisen, dass existenzsichernde Leistungen nicht aufgrund von
bloßen Mutmaßungen verweigert werden dürfen, die sich auf vergangene Umstände stüt—
zen, wenn diese über die gegenwärtige Lage eines Anspruchstellers keine eindeutigen Er-
kenntnisse ermöglichen (so auch LSG Sachsen, Beschluss vom 05.03.2015. AZ L 2 AS
1326/14 B ER). Nur wenn unter Angabe von Tatsachen konkret vorgetragen werde. über
welches - bisher verschwiegene - Einkommen der Arbeitssuchende aktuell verfügt. so
dass diesem auch eine Widerlegung möglich wäre, könnten berechtigte Zweifel an der Hil-
febedürftigkeit bestehen. Umstände in der Vergangenheit dürfen daher nur soweit herange—
zogen werden, als sie eindeutige Erkenntnisse über die gegenwärtige Lage des Arbeitssu-
chenden ermöglichen (vgl. auch LSG Hessen, Beschluss vom 07.11.2005. AZ 1. 7 AS
81/05 ER. L 7 AS 102/05 ER). So liegt es vorliegend nicht. Die für den streitigen Zeitraum
vorliegenden Kontoauszüge des Klägers zu 1. und seiner Ehefrau lassen weder den Bezug
von Einkommen erkennen. noch den Besitz von verwertbarem Vermögen. Auch finden
sich in der Verwaltungsakte findet sich keinerlei Hinweise. die die Mutmaßung des Be-
klagten. der Kläger zu 1. würde Einkommen aus selbständiger Tätigkeit erzielen. irgend-
wie untermauern. Unter Berücksichtigung der mehrfachen und wiederholten Äußerungen
des Klägers zu 1., er erziele kein Einkommen, hätte der Beklagte über den Antrag ent—
scheiden müssen. Angaben zu den weiteren Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft lagen
vor Ablauf der Frist des § 88 SGG ebenfalls vor.
Streitgegenstand ist vorliegend allein die Pflicht des Beklagten zur Entscheidung über den
Antrag vom 25.08.2014. Insofern kommt es auf den Beweisantrag des Beklagten im
Schreiben vom 16.04.2015 nicht an, da das Gericht die Sachentscheidung des Beklagten
über den Weiterbewilligungsantrag der Kläger nicht vorwegnahmen darf.
— 8 - S 12 AS 1184/15
Der Antrag ist darüber hinaus nur als Beweisermittlungsantrag zu verstehen. da er den
formellen Anforderungen an einen Beweisantrag nicht genügt (§ 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG)
und einen bloßen Ausforschungsbeweis darstellt. Es ist nicht angegeben dass die benann-
ten Zeugen Angaben zur Höhe des vom Kläger zu 1. etwa erzielten Einkommen machen
können.
Die Kostenentscheidung, beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Suche.
lm Hinblick auf den Gesamtbetrag der in Streit stehenden Leistungen fiir den Zeitraum
Oktober 2014 bis März 2015 ist die Berufung von Gesetzes wegen zulässig da der Be—
schwerdewert nach § 144 Abs. 1 Nr. I SGG überschritten wird.
— 9 - S 12 AS 1184/15
Rechtsmittelbelehrung
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Sächsischen Landessozialgericht.
Kauffahrtei 25. 09120 Chemnitz. schriftlich, mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäfts—
stelle oder in elektronischer Form einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Dresden.
Fachgerichtszentrum, Hans-Oster-Straße 4 01099 Dresden schriftlich, mündlich zur Niederschrift des Ur-
kundsbeamten der Geschäftsstelle oder in elektronischer Form eingelegt wird.
Die elektronische Form wird durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der
Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa über den elektronischen Rechts-
verkehr in Sachsen (SächsERVerkVO) vom 6. Juli 2010 (SächsGVBl. S. 190) in den elektronischen Ge-
richtsbriefkasten z übermitteln ist: nähere Hinweise finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de,
Die Einlegung der Berufung durch einfache E-Mail wahrt daher die Form nicht. Es wird darauf hingewiesen,
dass das Rechtsmittel innerhalb der Frist in der vorgeschriebenen Form einzulegen ist.
Die Berufungsschritt soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur
Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Die Vorsitzende der 12. Kammer
Richterin am Sozialgericht
Für die Richtigkeit der Abschrift:
Sozialgericht Dresden
-------------------------------------------- -
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und die Berufung zuzulassen.
- vorgespielt und genehmigt -
Die Vorsitzende schließt die mündliche Verhandlung. Das Gericht zieht sich zur geheimen
Beratung zurück.
Nach geheimer Beratung verkündet die Vorsitzende
IM NAMEN DES VOLKES
folgendes
Urteil:
1. Der Beklagte wird verurteilt, den Weiterbewilligungsantrag der Kläger vom
25.08.2014 betreffend den Leistungszeitraum Oktober 2014 bis März 2015 zu be—
scheiden.
2. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Der wesentliche Inhalt der Entscheidung wir den Beteiligten mitgeteilt.
- F.d.R.d.Ü.v. Tonträger -
Richterin am Sozialgericht J ustizbeschäftigte
Beginn der Verhandlung:
Ende der Verhandlung:
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BSG, B 4 AS 417/13 B vom 25.02.2014, Bundessozialgericht
anselmf
BUNDESSOZIALGERICHT
Beschluss
in dem Rechtsstreit
Az: B 4 AS 417/13 B
L 34 AS 224/13 (LSG Berlin-Brandenburg)
S 82 AS 33442/11 (SG Berlin)
.................................,
Kläger, Antragsteller
und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigte:
............................................,
g e g e n
Jobcenter Berlin Neukölln,
Mainzer Straße 27, 12053 Berlin,
Beklagter und Beschwerdegegner.
Der 4. Senat des Bundessozialgerichts hat am 25. Februar 2014 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. V o e l z k e
S. K n i c k r e h m
sowie die Richterinnen
und B e h r e n d
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landes-
sozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. August 2013 wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und
Rechtsanwältin N. A.
in B.
beizuordnen, wird abgelehnt.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
- 2 -
G r ü n d e :
I
[1] Der Beklagte forderte den durchgehend SGB II-Leistungen beziehenden Kläger mit drei Melde-
aufforderungen vom 9.9.2011 (Meldetermin am 22.9.2011 um 8:45 Uhr), vom 20.10.2011 (Mel-
determin am 31.10.2011 um 8:45 Uhr) und vom 7.11.2011 (Meldetermin am 14.11.2011 um
9:15 Uhr) auf, bei ihm zu erscheinen, um über sein Bewerberangebot bzw seine berufliche Situ-
ation zu sprechen. Das Alg II werde um 10 % des maßgebenden Regelbedarfs für die Dauer
von drei Monaten gemindert, wenn er der Einladung ohne wichtigen Grund nicht folge. Die Wi-
dersprüche gegen die Meldeaufforderungen wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheide
vom 28.11.2011).
[2] Der Beklagte minderte die SGB II-Leitungen für den Zeitraum vom 1.1.2012 bis 31.3.2012 um
10 % des maßgebenden Regelbedarfs, weil der Kläger trotz schriftlicher Belehrung über die
Rechtsfolgen zu dem Meldetermin am 31.10.2012 ohne wichtigen Grund nicht erschienen sei
(Bescheid vom 13.12.2011; Widerspruchsbescheid vom 31.1.2012), ebenso für den Zeitraum
vom 1.2.2012 bis 30.4.2012 (Bescheid vom 13.1.2012; Widerspruchsbescheid vom 19.3.2012).
Das LSG hat die Berufung gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid vom 15.1.2013 zu-
rückgewiesen (Urteil vom 28.8.2013). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt,
ein Rechtsschutzbedürfnis für die Fortsetzungsfeststellungsklage zu der Rechtswidrigkeit der
Aufforderung zur persönlichen Meldung am 9.9.2011, 20.10.2011 und 7.11.2011 fehle. Die auf
Aufhebung der Bescheide vom 13.12.2011 und 13.1.2012 gerichtete Klage könne keinen Erfolg
haben, weil diese rechtmäßig seien. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Absenkung des
Alg II für den hier auf vier Monate begrenzten Zeitraum bestünden nicht. Das LSG hat die Revi-
sion nicht zugelassen.
[3] Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revi-
sion und beantragt die Bewilligung von PKH.
II
[4] Die Beschwerde ist nicht zulässig, weil die als Zulassungsgründe geltend gemachte grundsätz-
liche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und ein Verfahrensfehler (§ 160 Abs
2 Nr 3 SGG) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden sind (§ 160a
Abs 2 S 3 SGG). Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169
SGG zu verwerfen.
- 3 -
[5] Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwer-
debegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu
entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im
allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revi-
sionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG
SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch: BVerfG SozR
3-1500 § 160a Nr 7). Der Beschwerdeführer hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage
unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und ggf des Schrifttums nicht
ohne Weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur
Klärung der Rechtsfrage im Allgemeininteresse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
[6] Mit seinem Vorbringen wird der Kläger diesen Darlegungserfordernissen nicht gerecht. Er for-
muliert als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung: "Stellt die Sanktionierung von Empfän-
gern von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch durch Kürzungen der Regelleis-
tung ohne die ersatzweise Erbringung von Sachleistungen einen Verstoß gegen das Grundrecht
auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Ver-
bindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG dar?" Nach der Entscheidung des
BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) sei das
Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums dem Grunde nach
unverfügbar und müsse eingelöst werden. Die Unterschreitung des in § 20 Abs 2 SGB II fest-
gelegten Regelbedarfs durch den Gesetzgeber sei - jedenfalls sofern die Minderung nicht durch
die Gewährung von Sachleistungen ausgeglichen werde - zwangsläufig ein Eingriff in das
Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Die aufgeworfene
Frage sei bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden worden. In der rechtswissenschaftli-
chen Literatur überwiege die Auffassung, dass Sanktionen grundsätzlich zulässig seien. Auch in
der Rechtsprechung sei die Verfassungsmäßigkeit des Sanktionsrechts bisher nicht wesentlich
in Frage gestellt worden.
[7] Mit diesem Vorbringen hat der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht
ausreichend dargetan. Zwar weist er zutreffend darauf hin, dass es der Senat in seinem Urteil
vom 9.11.2010 (B 4 AS 27/10 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 6) offen gelassen hat, ob verfassungs-
rechtliche Bedenken gegen die Absenkung des Alg II für einen auf vier Monate begrenzten Zeit-
raum vom 1.11.2007 bis 29.2.2008 bei einer Absenkung um 20 vH bzw 30 vH bestehen, weil im
konkreten Fall ergänzende Sachleistungen "in angemessenem Umfang" angeboten worden
waren. Der Kläger hat sich jedoch nicht in dem erforderlichen Umfang mit der grundsätzlichen
Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage im Hinblick auf den hier konkret vorliegenden Ein-
zelfall, insbesondere der Minderung wegen eines Meldeversäumnisses um 10 vH der Regel-
leistung für einen auf einige Monate befristeten Zeitraum auseinandergesetzt. Insofern hätte
sich der Kläger auch mit den Aussagen des BVerfG zu einem Abzug von 10 % des Regelbe-
- 4 -
darfs über einen gewissen Zeitraum im Rahmen der Darlehensregelung (vgl nunmehr § 42a
SGB II) befassen müssen. Dieses hat die Rückführung eines Darlehens zur Deckung eines
unvermutet auftretenden und unabweisbaren einmaligen Bedarfs durch Einbehalt der Regel-
leistung in Höhe von 10 % als "vorübergehende monatliche Kürzung der Regelleistung" im
Grundsatz verfassungsrechtlich nicht beanstandet (vgl BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09,
1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - juris RdNr 150).
[8] Soweit der Kläger "die Einordnung der unterbliebenen Entscheidung des Sozialgerichts über den
mit Schriftsatz vom 02. Mai 2012 klageerweiternd gestellten Antrag auf Erstattung von 221,40 €
wegen der Sanktionen vom 01. Januar 2012 bis 30. April 2012 als offensichtlich versehentlich"
sowie die Übertragung auf den Einzelrichter beanstandet, ist ein Verfahrensfehler nicht ausrei-
chend bezeichnet. Insofern fehlt es bereits an einer substantiierten Darlegung der Tatsachen,
aus denen sich der Mangel ergeben soll (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG,
10. Aufl 2012, § 160a RdNr 16 mwN). Auch reicht nicht die hier nur aufgestellte Behauptung,
dass das angefochtene Urteil auf diesem Verfahrensmangel beruht.
[9] Dem Kläger steht PKH nicht zu, weil seine Rechtsverfolgung aus den genannten Gründen keine
Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a SGG). Aus diesem Grund entfällt auch die Beiordnung eines
Rechtsanwalts.
[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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SG R, S 2 KR 252/12 vom 21.09.2012, Sozialgericht Regensburg
anselmf
S 2 KR 252/12
SOZIALGERICHT REGENSBURG
In dem Rechtsstreit
- Klägerin -
Proz.-Bev‚:
Rechtsanwälte Treutler u.KoIi., Prüfeninger Straße 62, 93049 Regensburg - 897/2012"
8109017 -
gegen
AOK Bayern - Die Gesundheitskasse -, Direktion Regensburg, vertreten durch den Direk-
tor, Bruderwöhrdstraße 9, 93055 Regensburg
- Beklagte -
erlässt der Vorsitzende der 2. Kammer Vizepräsident des Sozialgerichts P. ohne
mündliche Verhandlung am 21. September 2012 folgenden
Beschluss:
Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstat-
ten.
Gründe:
Die Klägerin stand im Bezug von Krankgeld, als die Beklagte mit Bescheid vom
29.02.2012 entschied, die Zahlung von Krankengeld zum 04.03.2012 zu beenden.
- 2 – S 2 KR 252/12
Dies wurde mit dem Ende der Arbeitsunfähigkeit begründet. Zuvor war vom Medizini—
schen Dienst der Krankenversicherung (MDK) eine Stellungnahme eingeholt worden.
Der schriftlich erhobene Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.02.2012 ging bei der
Beklagten am 12.03.2012 ein.
Die Beklagte holte daraufhin noch eine Stellungnahme des MDK ein, die am 23.03.2012
bei der Beklagten einging. Unter Bezugnahme auf das Ergebnis dieser Stellungnahme
wurde der Klägerin mit Schreiben vom 26.03.2012 die Nichtabhilfe mitgeteilt. Hierzu äu—
ßerte sich die Klägerin am 29.03.2012 und teilte auf die ausdrückliche Anfrage durch die
Beklagte mit, den Widerspruch aufrecht zu erhalten. Am 12.04.2012 folgte ein Telefonge-
spräch einer Mitarbeiterin der Beklagten mit der Klägerin. Es wurde dann am 27.04.2012
eine weitere Stellungnahme des MDK eingeholt, die dieser am 03.05.2012 verlegte.
Am 18.06.2012 ging bei Gericht die Untätigkeitsklage ein.
Der Widerspruchsbescheid der Beklagten datiert vom 01.08.2012.
Mit der Klage wurde auf den Umstand verwiesen, dass über den Widerspruch vom
12.03.2012 noch nicht entschieden war.
Nach Erlass des Widerspruchsbescheides ist die Klage in der Hauptsache mit dem am
08.08.2012 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz für erledigt erklärt werden.
Zugleich hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Dieser Antrag wird damit begründet, dass für die Kostentragung auf den vermutlichen
Verfahrensausgang abzustellen ist. Nach bisherigem Sach- und Streitstand sei die erho-
bene Untätigkeitsklage vom 18.06.2012 im Zeitpunkt des Eintritts des erledigenden Ereig—
nisses zulässig und begründet gewesen. Die Beklagte habe den Widerspruch nicht inner-
halb der Frist des § 88 Abs. 2 SGG verbeschieden. Ein zureichender Grund für die Frist—
überschreitung habe nicht vorgelegen. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt gegenüber
der Beklagten erklärt, dass sie mit der Überschreitung der 3—Monats-Frist einverstanden
sei. Die Klägerin sei auf die Krankengeldzahlung dringend angewiesen.
- 3 – S 2 KR 252/12
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
den Antrag abzulehnen.
Sie begründet dies damit, dass im vorliegenden Fall auf Grund der Notwendigkeit der me—
dizinischen Beurteilung und damit der Einschaltung des MDK ein Grund für die Fristüber-
schreitung vorlag. Insbesondere wird in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass die
Beklagte auf den von der Klägerin im Widerspruchsverfahren vorgelegten Bericht und ihre
Beschwerden eingegangen sei. Die starre Betrachtung der dreimonatigen Frist durch den
Prozessbevollmächtigten könne dazu führen, dass Sachverhalte ohne ausreichende
Überprüfung mit einem Widerspruchsbescheid abzulehnen seien. Auch habe die Klägerin
bei einem Telefonat in keinster Weise zum Ausdruck gebracht, mit der Erteilung des Wi-
derspruchsbescheides am 01.08.2012 nicht einverstanden zu sein. Die Beklagte habe
davon ausgehen können, dass die Überschreitung der Frist akzeptiert werde.
Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren anders als
durch Urteil beendet wird (§ 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Vorschrift
des § 193 SGG geht den Regelungen in den §§ 91 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) vor, die
auch nicht über § 202 SGG entsprechend anwendbar sind. Über die Kosten ist nach
sachgemäßen richterlichen Ermessen zu entscheiden. Dabei ist der Ausgang des Verfah—
rens mit zu berücksichtigen und der zu diesem Zeitpunkt bestehende Sach- und
Streitstand.
Im vorliegenden Fall war am 18.06.2012 eine Untätigkeitsklage nach § 88 SGG erhoben
worden. Die Untätigkeitsklage war darauf gerichtet, dass von der Beklagten ein Wider-
spruchsbescheid erlassen wird (vgl. § 88 Abs. 2 SGG). Ziel der Untätigkeitsklage ist auch
in einem solchen Fall die bloße Bescheidung und nicht der Erlass eines Verwaltungsaktes
mit einem bestimmten Inhalt (vgl. BSGE 72, 118, 121; BSGE 73, 244). Als am 01.08.2012
der Widerspruch erlassen wurde, entfiel nachträglich für die Untätigkeitsklage das
Rechtsschutzbedürfnis. Mit der (einseitigen) Erklärung der Erledigung in der Hauptsache
durch die Klägerin wurde diesem Umstand Rechnung getragen. Damit hat sich das Ver-
fahren in der Hauptsache erledigt.
- 4 – S 2 KR 252/12
Die Untätigkeitsklage war im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig. Die Erhe-
bung der Untätigkeitsklage setzt nach § 88 Abs. 2 SGG in Fällen wie dem vorliegenden
den Ablauf einer Frist von 3 Monaten ohne Entscheidung der Widerspruchsbehörde vor-
aus. Diese Sperrfrist war im vorliegenden Fall abgelaufen. Die Untätigkeitsklage war auch
begründet. Dies ist der Fall, wenn die Behörde ohne zureichenden Grund nicht innerhalb
der Frist entscheiden hat (vgl. BSGE 73, 244). Ein solcher Grund kann durchaus in aut-
wändigen Sachverhaltsermittlungen liegen, etwa in der Einholung von Sachverständigen»
gutachten. im vorliegenden Fali wurden jedoch zwei Stellungnahmen vom MDK eingeholt,
was auch kurzfristig möglich ist. Hinzu kommt, dass nach dem Telefonat mit der Klägerin
(vgl. Gesprächsnotiz hierüber) vom 12.04.2012 erst 27.04.2012 eine weitere Stellungw
nahme des MDK nach Aktenlage eingeholt wurde. Auch wenn der Klägerin telefonisch
mitgeteilt worden sein sollte, dass der Fall in der Widerspruchssitzung vom 01.08.2012
entschieden werde, kann daraus nicht geschlossen werden, dass sich die Klägerin mit der
Erhebung der Untätigkeitsklage widersprüchlich verhalten habe. Es ist nicht davon auszu-
gehen, dass die Klägerin Kenntnis von den Fristen des § 88 Abs. 2 SGG hatte und damit
von der Möglichkeit der Erhebung der Untätigkeitsklage. Nur wenn dies der Fall wäre und
die Beklagte auch ausdrücklich auf diese Fristen hingewiesen hätte, könnte ein etwaiges
widerspruchsloses Einlassen überhaupt Bedeutung erlangen. Unter Berücksichtigung al-
ler Umstände nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand erscheint es angemessen, dass
die Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt.
Dieser Beschluss ist nach § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG unanfechtbar.
Der Vorsitzende der 2. Kammer
P
Vizepräsident des Sozialgerichts
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SG DD, S 12 AS 194/15, 29.04.2015. Sozialgericht Dresden
anselmf
Beglaubigte Abschrift
S 12 AS 194/15
SOZIALGERICHT DRESDEN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
— Kläger zu l.-
- Kläger zu 2.—
gegen
Landkreis Meißen Jobcenter Meißen, vertreten durch den Landrat, Brauhausstraße 21,
01662 Meißen
- Beklagter -
hat die 12. Kammer des Sozialgerichts Dresden auf die mündliche Verhandlung vom
29. April 2015 in Dresden durch die Richterin am Sozialgericht und die ehrenamtli-
chen Richter und für Recht erkannt:
I. Der Bescheid vom 30.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
19.12.2014 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat den Klägern deren außergerichtliche Kosten zu erstatten.
— 2 – S 12 AS 194/15
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte zu Recht Leistungen nach dem Zweiten
Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen fehlender Mitwirkung versagt hat.
Die Kläger beziehen Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 10.01.2014 hatte der
Beklagte den Klägern für den Zeitraum Januar bis März 2014 vorläufig Leistungen der
Grundsicherung wie folgt bewilligt:
Januar 2014
Februar 2014
und März 2014
Am 17.03.2014 beantragte der Kläger zu 1 die Weiterbewilligung der Leistungen zur Si-
cherung des Lebensunterhaltes für sich und seinen minderjährigen Sohn, den Kläger zu 2,
ab 01.04.2014. Aufgrund eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens leistete der Beklagte
im Zeitraum von April 2014 bis September 2014 vorläufig auf der Grundlage des Be-
schlusses des Sozialgerichts Dresden vom 23.04.2014, Az.: S 43 AS 2298/14, für April
und Mai 2014 Euro, für Juni Euro, für Juli und August 2014 jeweils
Euro und für September 2014 Euro. Dabei wurden die Kosten für Unterkunft und
Heizung in Höhe von jeweils monatlich Euro direkt an den Vermieter der Kläger
sowie ein Betrag von Euro monatlich direkt an die
bezahlt.
Mit Schreiben vom 11.04.2014, 18.08.2014, 19.08.2014, 26.09.2014 07.10.2014 und
10.10.2014 forderte der Beklagte vom Kläger zu 1 unter Hinweis auf die Mitwirkungs-
pflichten nach §§ 60 und 66 SGB I weitere Unterlagen und Auskünfte zur Bearbeitung des
Antrages vom 17.03.2014 an. Diese Auskünfte hielt der Beklagte für die Aufklärung der
im Bewilligungszeitraum maßgeblichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der
Kläger für erforderlich.
Nachdem der Beklagte davon ausging, dass die angeforderten Unterlagen und Auskünfte
-3— S 12 AS 194/15
nicht vollständig übermittelt bzw. erteilt wurden, versagte er mit Bescheid vom 30.10.2014
die beantragten Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.04.2014 bis 30.09.2014 wegen
fehlender Mitwirkung nach § 66 SGB I. Der Kläger habe Angaben zu seinen Aufenthalten
nur bedingt gemacht. Eine geordnete Aufstellung von Einnahmen und Aus-
gaben aus der Beteiligung an dem Betrieb sei nicht vorgelegt worden.
Absprachen mit Frau , die den übernommen haben soll,
seien nicht offenbart worden. Weitere Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit
würden ebenfalls weiteren Aufklärungsbedarf erfordern. Anderweitige Tätigkeiten seien
nicht unaufgefordert offenbart worden, auch auf die Anfrage, ob von
Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft betrieben werden, sei keine Auskunft erteilt worden.
Es sei dabei zu beachten, dass durch das Betreiben von Einnahmen erwirt-
schaftet werden könnten, auch wenn es nur Einnahmen aus Werbung seien. Zur Erzielung
von Einnahmen auf Konten Dritter sei nicht Stellung genommen worden. Eine nähere
Überprüfung dahingehend, ob Tätigkeiten im Internet auf die Erzielung von Einkommen
gerichtet gewesen sind durch die Forderung nach Offenlegung von Domains und Zustim-
mung zur Auskunftserteilung durch die Telefongesellschat sei wegen fehlender Zustim-
mung nicht möglich gewesen. Es könne auch nicht festgestellt werden, welche Kranken-
geldleistungen der Kläger zu 1 im Zeitraum vom 17.04.2014 bis 20.06.2014 erhielt. Kon-
toauszüge vom 20.08.2014 bis 30.10.2014 seien nicht vorgelegt worden. Ob und in wel-
chem Umfang bei Vorliegen der Voraussetzung des § 66 SGB I Maßnahmen ergriffen
werden, stehe im Ermessen des Beklagten als Leistungsträger. In diesem Zusammenhang
sei in erster Linie zu berücksichtigen, dass sich der Beklagte über einen längeren Zeitraum
um eine Klärung bemüht habe. Diese Bemühungen würden bereits deutlich vor dem streit—
gegenständlichen Leistungszeitraum einsetzen, wobei sich im Rahmen der Prüfung immer
mehr der Behörde verheimlichte Tatsachen herausgestellt hätten und weitere Unklarheiten
auftraten. Zu keinem Zeitpunkt sei erkennbar gewesen, dass der Kläger zu 1 von sich aus
bestrebt gewesen wäre, durch unaufgeforderte umfassende Angaben keinen Raum für das
Auftauchen neuer Unklarheiten aufkommen zu lassen. Insbesondere lege die Verheimli-
chung eines Bankkontos bei der Deutschen Bank bei diversen Folgeantragstellungen nahe,
dass der Kläger zu 1 ganz bewusst von einer vollständigen Aufdeckung der tatsächlichen
Vermögensverhältnisse abgesehen habe. Dieses Verhalten sei nicht länger hinnehmbar,
zumal die aufzuklärenden Umstände sämtlich der Sphäre des Klägers zuzurechnen sei, in
-4- S 12 AS 194/15
die die Behörde keinen Einblick habe. An diesem Abwägungsergebnis ändere sich auch
nichts deshalb, dass weitere Personen zur Bedarfsgemeinschaft gehören. Diesem Aspekt
komme im Hinblick auf den Sohn des Klägers zu 1, den hiesigen Kläger zu 2, ohnehin nur
geringere Bedeutung zu, da sich dieser nur zeitweise beim Kläger zu 1 aufhalte. Auch blei-
be ohne Auswirkung, wenn der Kläger in irgendeinem von ihm an das Sozialgericht unmit-
telbar gerichteten Schriftsatz näher auf die Forderungen des Beklagten zur Mitwirkung
eingegangen sein sollte. Insoweit erscheine insbesondere die fehlende Bereitschaft zur Klä-
rung durch eigene Angaben beizutragen oder diese Klärung durch den Landkreis zuzulas—
sen gleichermaßen als ausreichend für die getätigte Ermessenentscheidung.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Kläger vom 10.11.2014 wies der Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 19.12.2014 zurück. Zur Begründung führte er lediglich aus,
dass soweit die Versagung gestützt wurde auf die unvollständigen Angaben zu den Ein-
kommens- und Verrnögensverhältnissen, es sich um relevante Verhältnisse handelt, die
zum Zeitpunkt des Erlasses des Versagungsbescheides noch nicht aufgeklärt waren und
auch zwischenzeitlich nicht aufgeklärt worden seien. Weitere Erwägungen finden sich im
Widerspruchsbescheid vorn 19.12.2014 nicht.
Hiergegen richtet sich die am 12.01.2015 erhobene Klage. Die Kläger tragen zur Begrün-
dung vor, dass die Begründung des Widerspruchsbescheides nicht nachvollziehbar sei. Der
Beklagte habe in keinem der bereits gerichtlich gefiihrten Verfahren einen substanziellen
Nachweis für ein durch den Kläger erzieltes Einkommen außerhalb des Bezuges der Regel-
leistungen vorgelegt. Überdies habe der Kläger zu 1 alle behördlichen Schreiben beantwor-
tet, teilweise über die geführten einstweiligen Rechtsschutzverfahren beim Sozialgericht
Dresden. Das Gericht habe die entsprechenden Schreiben auch an den Beklagten weiterge-
leitet. Unklarheiten aus der Vergangenheit dürfe der Beklagte nicht heranziehen, um die
Bescheidung des Antrags vollständig abzulehnen. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen,
dass in der Bedarfsgemeinschaft minderjährige Kinder leben. Es sei unzulässig, das Kin—
deswohl durch die Verweigerung der Leistung zu gefährden.
Die Kläger beantragen,
—5- S 12 AS 194/15
den Bescheid des Beklagten vom 30.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbe-
scheids vom 19.12.2014 aufzuheben und den Klägern ihre außergerichtlichen
Kosten zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist weiterhin der Auffassung, dass der Kläger zu 1. den Forderungen immer nur teilwei-
se nachgekommen sei, wobei häufig nur das eingeräumt worden sei, was zwischenzeitlich
ohnehin der Behörde bekannt geworden sei. Darüber hinaus hätten sich immer wieder Ver-
änderungen in den Verhältnissen feststellen lassen, über die der Kläger zu 1. den Beklagten
nicht von sich aus unterrichtet habe. Die vom Kläger gemachten Angaben würden regel-
mäßig einer näheren Überprüfung nicht standhalten bzw. es ergäben sich unter deren Zu—
grundelegung völlige Ungereimtheiten. Insbesondere sei der Kläger zu 1. Erklärungen
schuldig geblieben im Zusammenhang mit der bereits mehrere Jahre vor dem streitgegen-
ständlichen Leistungszeitraum von ihm ins und im
dortigen Dienstleistungsangebot zur Erstellung von Webseiten. Aufgrund der Ungereimt-
heiten im Klägervortrag werde auch beantragt, Frau und als
Zeugen zu vernehmen. Mitwirkungshandlungen, die es dem Beklagten ermöglichen wür-
den, die Richtigkeit der vom Kläger zu 1. behaupteten Angaben zu überprüfen, verweigere
dieser. Im Hinblick auf die Behauptung des Klägers zu 1., seine jetzige Ehefrau habe
kein Konto gehabt und sei ohne jedes Bargeld nach Deutschland übergesiedelt,
werde auch die Vernehmung der Ehefrau des Klägers zu 1. als Zeugin beantragt.
Das Gericht hat die Leistungsakte des Beklagten beigezogen und zum Gegenstand des Ver-
fahrens gemacht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach— und Streitstandes wird auf das gegenseiti-
ge Vorbringen in der Gerichtsakte sowie die beigezogene Leistungsakte Bezug genommen.
— 6 – S 12 AS 194/15
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Wider-
spruchsbescheides ist wegen Ermessensmissbrauchs rechtswidrig und daher aufzuheben.
Die Klage der anwaltlich nicht vertretenen Kläger war sachdienlich dahingehend auszule-
gen, dass diese die vollständige Aufhebung des Versagungsbescheides des Beklagten be-
gehren.
Streitgegenstand kann vorliegend allein die im Wege der Anfechtungsklage begehrte Auf-
hebung des auf § 66 Abs. 1 SGB I gestützten Versagungsbescheides vom 30.10.2014 in
Gestalt des Widerspruchsbescheids vorn 19.12.2014 sein. Gegen die Versagung einer So-
zialleistung wegen fehlender Mitwirkung ist grundsätzlich nur die reine Anfechtungsklage
gegeben. Eine unmittelbare Klage auf existenzsichemde Leistungen kommt nur aus-
nahmsweise in Betracht, wenn sich bei einer Aufhebung der Entscheidung über die Versa-
gung wegen fehlender Mitwirkung das Verwaltungsverfahren lediglich wiederholen würde
(vgl. BSG Beschluss vom 25.02.2013 B 14 AS 133/12 B). Diese Konstellation ist vorlie-
gend nicht ersichtlich.
Die Rechtmäßigkeit eines auf § 66 SGB I gestützten Bescheides richtet sich allein danach,
ob die dort nominierten Tatbestandsmerkmale der mangelnden Mitwirkung gegeben sind
und zwar unabhängig davon, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Leistung
vorliegen.
Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 66 Abs. 1 Satz l SGB I. Nach die-
ser Vorschrift kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlung bis zur Nachholung der
Mitwirkung die Leistung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraus-
setzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind, wenn derjenige, der eine Sozialleistung
beantragt, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt
und hierdurch die Aufklärung des Sachverhaltes erheblich erschwert wird.
Der Beklagte hat hier den Kläger zu 1 vor Erlass des Versagensbescheides nach § 66
Abs.3 SGB I mit Schreiben vom 11.04.2014, 18.08.2014, 19.08.2014, 26.09.2014,
—7- S 12 AS 194/15
07.10.2014 und 10.01.2014 unter Fristsetzung zur Mitwirkung aufgefordert und auf die
Folgen einer mangelnden Mitwirkung schriftlich hingewiesen. Dabei ergibt sich der Um-
fang der streitigen Mitwirkungspflicht auf § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I. Danach hat, wer Sozi-
alleistungen beantragt, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind.
Ob vorliegend tatsächlich entscheidungserhebliche Angaben unterlassen bzw. nicht durch
entsprechende Unterlagen nachgewiesen worden sind bzw. welche Anforderungen an die
Konkretisierung der anzugebenden Tatsachen zu stellen, kann offen bleiben. Die Beschei—
de sind schon aus formellen Gründen rechtswidrig und damit aufzuheben. Selbst wenn das
Vorhandensein der tatbestandlichen Voraussetzung für eine Versagung nach § 66 Abs. 1
SGB I unterstellt wird — was jedoch höchst zweifelhaft ist —‚ fehlt es an einer ordnungsge-
mäßen Ermessenausübung des Beklagten.
Nach § 66 Abs. 1 Satz l SGB I „kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die
Leistungen bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entzie-
hen“. Das Gesetz räumt den Verwaltungsträgem einen Entscheidungsspielraum ein, den
die Gerichte zu beachten haben. Gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG dürfen sie nur prüfen, ob
die Verwaltung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Er-
messen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch ge-
macht hat, ob sie also die ihr durch das Verwaltungsverfahrensrecht (vgl. § 39 Abs. 1
Satz 1 SGB I) auferlegte Verhaltenspflicht beachtet hat, ihr Ermessen entsprechend dem
Zweck der Ermächtigung entsprechend auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Er-
messens einzuhalten. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich darauf, ob der Leis—
tungsträger seiner Pflicht zur Ermessensbetätigung nachgekommen ist (falls nein: Ermes-
sensnichtgebrauch), ob er mit dem Ergebnis seiner Ermessenbetätigung, der Entscheidung,
die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten, d. h. eine nach dem Gesetz nicht
zugelassene Rechtfolge gesetzt (Ermessensüberschreitung) und ob er von dem Ermessen in
einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat
(Abwägungsdefizit, Ermessensmissgebrauch; zu Vorstehendem: BSG, Urteil vom l4. De—
zember 1994 — 4 RA 42/94 — SozR 3/ 1200 5 39 Nr. 1 und Urteil vom 25. Januar 1994 —
4 RA 16/92 — SozR 3/1300 § 50 Nr. 16 jeweils mit weiteren Nachweisen). Die Ermessen—
erwägungen sind dem Betroffenen im Bescheid im Einzelnen darzulegen. Die Begründung
- 8 — S 12AS 194/15
muss ersehen lassen, welche Gesichtspunkte der Beklagte bei der Ausübung des Ermessens
berücksichtigt und wie er diese gesichtet hat (Engelmann in von Wulffen: SGB X, 8. Aufl.
§ 35 Rn 7). Konkret erstreckt sich das Ermessen bei der Versagung darauf, ob der Leis-
tungsträger überhaupt von der Möglichkeit der Versagung Gebrauch macht (also auch, ob
er die Leistung gleichwohl gewährt oder belässt; vgl. BSG, Urteil vom 26. Mai 1983 —
10 RKG 13/82 — SozR 1200 § 66 Nr. 10), in welchem Umfang weitere Ermittlungen ange—
stellt werden sollen (es sei denn, die leistungserheblichen Tatsachen sind von Amts wegen
schlechterdings nicht ermittelbar), ob eine Nachfrist eingeräumt wird und ob die Leistung
befristet oder ohne die Fristbestimmung ganz oder teilweise entzogen wird (vgl. Trenkhin-
terberger in Gieße/Kramer, Kommentar SGB I bis X 2. Aufl. § 66 SGB I Rn 17).
Vorliegend ist festzustellen, dass der Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2014 kei-
nerlei Ermessenserwägungen enthält. Im Ausgangbescheid vom 30.10.2014 stellt der Be-
klagte auf Seite fünf zutreffender weise fest, dass das Ergreifen von Maßnahmen nach § 66
SGB I im Ermessen des Leistungsträgers steht. Die daran anschließenden „Erwägungen“
stellen jedoch keinen Ermessengebrauch dar, da es sich hierbei um eine Wiederholung des
Tatsachenvortrages handelt, der nochmals in andere Worte gefasst wurde. Dabei ist aller-
dings zu beachten, dass sich das Ermessen nur auf die Rechtsfolgen einer Norm (Engel-
mann in von Wulffen SGB X § 35 Rn 6; Wagner in Juris-Praxiskommentar SGB I § 39 Rn
8) bezieht, sodass grundsätzlich die Vermengung von Tatbestandsvoraussetzungen mit
Rechtsfolgen unzulässig ist. Die Frage, welche konkreten Tatsachen im Rahmen einer Be-
antragung von Sozialleistungen anzugeben und welche Unterlagen vorzulegen sind, bzw.
inwieweit eine Mitwirkung hierzu erforderlich und zumutbar ist, ergeben sich aus den Tat-
bestandsnorrnen der §§ 60 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB I i. V. m § 65 Abs. 1 SGB I. Im Rah-
men ihrer „Ermessenserwägungen“ schildert der Beklagte den Klägern im Wesentlichen
erneut die Tatbestandsvoraussetzungen, welche sich bereits aus dem ersten Teil des Be-
scheides ergeben. Einziger Gesichtspunkt, den der Beklagte in die Ermessensabwägungen
auf der Rechtsfolgenseite einbezogen hat, ist vorliegend die Frage der Zeit- und Bearbei-
tungsdauer im Hinblick auf die Verpflichtung Sozialleistungen möglichst Zeitnah zu er—
bringen. Weitere Erwägungen auf der Rechtsfolgenseite finden sich nicht. Insbesondere
hält es die Kammer für ermessensfehlerhaft, dass der Beklagte die persönliche Situation
des Klägers zu 1. mit einem minderjährigen Kind nicht angemessen berücksichtigt hat.
-9— S 12 AS 194/15
Mit einem Nebensatz stellt der Beklagte fest, dass diesem Aspekt nur geringe Bedeutung
zukommt, da sich das Kind (der Kläger zu 2.) nur zeitweise beim Kläger zu 1. aufhält. Je-
doch lebt der sechsjährige Sohn des Klägers zu 1. mindestens zu 50 % bei diesem, so dass
keinesfalls von einem nur geringen Umfang des Aufenthaltes auszugehen ist. Der Beklagte
hätte diesen Aspekt zwingend berücksichtigen müssen und gegebenenfalls über eine nur
teilweise Versagung nachdenken müssen. Hierzu fehlen jedoch jedwede Ausführungen des
Beklagten. Darüber hinaus hat der Beklagte mit keinem Wort abgewogen, dass es sich bei
den beantragten Leistungen um existenzsichemde Leistungen handelt und durch die voll-
ständige Versagung das Existenzminimum des Klägers zu l. als auch des minderjährigen
Klägers zu 2. gefährdet ist. Zusammengefasst enthält die angefochtene Bescheidung ledig—
lich durch den Gebrauch von Leerformeln Anhaltpunkte dafür, dass der Beklagte sich
überhaupt bewusst war, vorliegend eine Ermessensentscheidung treffen zu müssen. Etwai-
ge Auswirkungen auf die Kläger werden in keiner Weise in die Erwägungen einbezogen,
insbesondere findet eine Abwägung unter Berücksichtigung der klägerischen Belange ge—
rade nicht statt.
Abwegig ist in diesem Zusammenhang auch die Auffassung des Beklagten, es sei nicht zu
berücksichtigen, wenn der Kläger zu . auf die Anforderungen des Beklagten im Rahmen
von Schriftsätzen gegenüber dem Sozialgericht Dresden in einstweiligen Rechtsschutzver-
fahren eingegangen sein sollte. Der Beklagte hätte die in diesem Zusammenhang getätigten
Äußerungen des Klägers zur Kenntnis nehmen müssen. Denn es handelte sich bei den ge-
führten einzelnen Rechtsschutzverfahren um den gleichen Leistungszeitraum, weshalb der
Beklagte auch die in diesem Zusammenhang geführten Ermittlungen bzw. Ergebnisse
wahrzunehmen hat. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Anforderung des Beklagten
in den Aufforderungsschreiben teilweise datenschutzrechtlich erheblich bedenklich sind.
Insbesondere dürfte die geforderte Zustimmung zur Auskunftserteilung der Telefongesell-
schaft rechtlich nicht zulässig sein.
Eine Versagung wäre daher nur dann rechtmäßig, wenn eine Ermessensreduzierung auf nur
eine mögliche Entscheidung vorliege, eine andere, als die vom Beklagten getroffene Ent-
scheidung also nicht in Betracht käme. Dies ist nach Auffassung der Kammer hier nicht
der Fall. Insbesondere hat der Beklagte weiterhin Möglichkeiten, eigene Ermittlungen
- 10 - S 12 AS 194/15
durchzuführen, vorläufig bzw. darlehnsweise Leistungen zu gewähren oder aber auch, so-
fern er den Angaben des Klägers zu 1. keinen Glauben schenkt, die Leistung abzulehnen.
Denn eine Entscheidung nach § 66 Abs. 1 SGB I darf dann nicht ergehen, wenn der Sozial-
leistungsträger die Angaben des Leistungsberechtigten für unwahr hält. In diesem Falle ist
dessen Vorbringen nach § 20 SGB X zu würdigen und der Antrag gegebenenfalls abzu-
lehnen. Dies setzt aber grundsätzlich Entscheidungsreife in der Sache selbst voraus. Inso-
fern muss der Beklagte auch die ihm zur Verfügung stehenden Ermittlungsmaßnahmen
ausschöpfen, insbesondere z. B. solche nach § 60 Abs. 2 und Abs. 4 SGB II.
Zur Klarstellung wird nochmals darauf hingewiesen, dass es der Kammer nicht zusteht, ihr
Ermessen anstelle desjenigen der Verwaltung zu setzen. Ob und in welchem Umfang hier
weitere Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen sind, hat der Beklagte daher im Ein-
zelfall im Wege des zustehenden Ermessens zu entscheiden (vgl. LSG Baden-
Württemberg, Urteil vom 19.07.2007, L 7 AS 1703/06 Rn 24 ff zitiert nach juris).
Dem Beweisantrag des Beklagten aus dem Schreiben vom 16.03.2015, Frau
Frau sowie Frau im Rahmen der mündlichen Verhand-
lung zu vernehmen, war nicht zu folgen. Es ist hier durch den Beklagten weder das Be-
weisthema angegeben worden noch wurde umrissen, was genau die Beweisaufnahme der
benannten Zeugen ergeben soll, sodass es sich um keinen ordentlichen Beweisantrag im
Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG handelt, sondern um einen reinen Beweisermittlungsan-
trag. Darüber hinaus kommt es vorliegend, da es sich um eine reine Anfechtungsklage ge-
gen einen Versagensbescheid handelt, auf die Aussage der Zeugen gerade nicht an, da über
den materiell-rechtlichen Anspruch nicht entschieden wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und folgt der Entscheidung in
der Hauptsache.
Die Berufung war von Gesetzes wegen zulässig, da der Gesamtbetrag der versagten Leis-
tungen den Wert von 750,00 Euro übersteigt (§ 144 Abs. 1 Nr. l SGG).
-11- S 12 AS 194/15
Rechtsmittelbelehrung
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Sächsischen Landessozialgericht,
Kauffahrtei 25, 09120 Chemnitz, schriftlich, mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäfts-
stelle oder in elektronischer Form einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Dresden,
Fachgerichtszentrum, Hans-Oster-Straße 4, 01099 Dresden schriftlich, mündlich zur Niederschrift des Ur-
kundsbeamten der Geschäftsstelle oder in elektronischer Form eingelegt wird.
Die elektronische Form wird durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der
Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa über den elektronischen Rechts-
verkehr in Sachsen (SächsERVerkVO) vom 6. Juli 2010 (SächsGVBl. S. 190) in den elektronischen Ge-
richtsbriefkasten zu übermitteln ist; nähere Hinweise finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.
Die Einlegung der Berufung durch einfache E-Mail wahrt daher die Form nicht. Es wird darauf hingewiesen,
dass das Rechtsmittel innerhalb der Frist in der vorgeschriebenen Form einzulegen ist.
Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur
Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Die Vorsitzende der 12. Kammer
Richterin am Sozialgericht
Für die Richtigkeit der Abschrift:
Sozialgericht Dresden
Dresden. den 06.05.2015
Urkundsbeamter de Geschäftsstelle
Sozialgericht Dresden Dresden, den 29.04.2015
- öffentliche Sitzung -
S 12 AS 194/15
Niederschrift
über die mündliche Verhandlung der 12. Kammer
In dem Rechtsstreit
1.
- Kläger —
2.
- Kläger -
gegen
Landkreis Meißen Jobcenter Meißen, vertreten durch den Landrat, Brauhausstraße 21,
0 l 662 Meißen
- Beklagter -
Anwesend:
Vorsitzende: Richterin am Sozialgericht
ehrenamtlicher Richter Herr
ehrenamtliche Richterin Frau
Auf die Hinzuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle wird verzichtet. Die Vor-
sitzende übernimmt die Protokollierung durch Aufzeichnung auf einem Tonträger.
Nach Aufruf der Sache erscheinen:
für den Kläger der Kläger persönlich auch als gesetzlicher
Vertreter des Klägers zu 2
für den Beklagten Herr unter Berufung auf eine bei
Gericht hinterlegte Generalterminsvoll-
macht sowie Herr.
-2- S 12 AS 194/15
Beigezogen ist die Verwaltungsakte des Beklagten unter dem Az.: 1104.0012157, die zum
Gegenstand des Verfahrens gemacht wird.
Die Vorsitzende eröffnet die mündliche Verhandlung und trägt den Sachverhalt vor. So-
dann erhalten die Beteiligten das Wort. Das Sach- und Streitverhältnis wird mit ihnen erör-
tert.
Der Kläger erklärt:
Aus seiner Sicht ist er den Mitwirkungsaufforderungen in jedweder Hinsicht nachgekom-
men. Wobei er zuzugeben habe, dass dies im Laufe des Verfahrens S 43 AS 2298/14 ER
auch gegenüber dem Gericht erfolgte, da das einstweilige Rechtsschutzverfahren den strei-
tigen Leistungszeitraum betraf. Keine Angaben seien dann gemacht worden, wenn der
Kläger die Grenzen der zulässigen Mitwirkungspflicht bezweifle; in diesen Punkten habe
er um Benennung der Rechtsgrundlage gebeten. Dieser Aufforderung sei der Beklagte aber
bis heute nicht nachgekommen. Im Übrigen sei die Versagung insbesondere für den Kläger
zu 2, den minderjährigen Sohn, aus Sicht des Klägers zu 1 nicht zulässig, da dieser keine
Mitwirkungspflichten verletzt habe. Auch für seine jetzige Ehefrau und deren Sohn, die ab
August Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sind, gelte das gleiche, da diese von Mitwir-
kungsverpflichtungen ebenfalls nicht betroffen sind.
Der Beklagtenvertreter verweist im Hinblick auf die Rechtsgrundlage für die geforderten
Mitwirkungshandlungen auf § 60 SGB I und nimmt nochmals Bezug auf die bereits getä-
tigten Ausführungen, dass im Versagungszeitraum ständig Veränderungen, betreffend die
Webseite des Klägers, im Internet zu erkennen waren. Außerdem sei der Kläger, wie im
Versagungsbescheid aufgeführt, Mitwirkungshandlungen nur unzureichend nachgekom-
men. So sei beispielsweise bis zum Erlass des Versagungsbescheides das erzielte Kranken-
geld nicht mitgeteilt worden. Auch habe der Beklagte erst im Nachhinein von der Existenz
eines Kontos bei der erfahren. Abschließend erklärt der Beklagtenvertre-
ter, dass sich insgesamt aus der Vielzahl der vom Kläger zu leistenden Kosten, als Beispiel
werden die Kosten für den jetzt zur Verfügung stehenden PKW genannt, indiziert werde,
dass auch Einkommen zur Verfügung stehe, was dem Beklagten so nicht bekannt ist.
Hierauf erwidert der Kläger, dass er seinen Krankengeldbezug im Verfahren S 43 AS
2298/14 ER offen gelegt habe und darüber hinaus dem Beklagten mittlerweile auch lü-
ckenlos alle Kontoauszüge vorliegen würden. Im Bezug auf den genutzten PKW erklärt
der Kläger, dass es eine Vereinbarung mit seinem Schwiegervater gebe, der nach wie vor
Eigentümer des Fahrzeuges sei. Die laufenden Kosten für das Auto würden aus dem Re-
gelsatz finanziert, was aus Sicht des Klägers zu 1 auch möglich sei. Auch die Reise in die
mit dem Bus war aus dem Regelsatz finanzierbar und wurde aus diesem finanziert.
Der Beklagtenvertreter wendet diesbezüglich noch ein, dass es nur auf den Zeitpunkt des
Erlasses der Versagungsentscheidung ankommt und die Frage, welchen Mitwirkungs-
pflichten der Kläger bis dahin nachgekommen ist, nicht, ob er eventuell im Nachgang in
einem der führten Gerichtsverfahren weitere Unterlagen eingereicht hat.
Der Kläger erklärt hierzu ergänzend, dass aus seiner Sicht alle Mitwirkungshandlungen im
- 3 – S 12 AS 194/15
Rahmen der laufenden Verfahren betreffend die jeweiligen Leistungszeiträume auch er-
folgt sind. Die Zweitschriften habe der Beklagte auch insofern über die Schriftsätze des
Sozialgerichts erhalten. Der Kläger ergänzt darüber hinaus nochmals, dass aus seiner Sicht
nicht nachvollziehbar ist, wie die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, insbeson-
dere sein minderjähriger Sohn sowie seine jetzige Frau und sein Stiefsohn mit in die Mit—
haftung genommen werden können, wenn der Beklagte der Auffassung ist, er, der Kläger
zu 1, wirke nicht ausreichend mit.
Der Kläger ergänzt weiter, dass der Beklagte immer wieder die Formulierung verwendet:
"würde der Kläger Einkommen erzielen, wäre ....". Jedoch habe der Beklagte bis heute
keinen Nachweis erbracht, dass der Kläger Einkommen erziele und der Kläger selbst kön-
ne keinen negativen Beweis dafür antreten, dass er kein Einkommen erzielt. Im Hinblick
auf die Mitwirkungspflichten ist er im Übrigen der Auffassung, dass diesen Mitwirkungs-
pflichten auch Grenzen gesetzt sind, insbesondere wenn die informationelle Selbstbestim-
mung und die Persönlichkeitsrechte betroffen sind.
Der Kläger ergänzt weiter, dass nach seiner Auffassung in dem Falle, dass ihm der Beklag-
te einen Sozialbetrug vorwirft, er ein Aussageverweigerungsrecht hätte, worauf ihn der
Beklagte aber bisher in den Mitwirkungsaufforderungen nicht hingewiesen hat. Bisher hat
der Kläger auch immer mitgewirkt und von dem Aussageverweigerungsrecht keinen Ge-
brauch gemacht.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid vom 30.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
19.12.2014 aufzuheben und ihnen die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
- vorgespielt und genehmigt -
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und die Berufung zuzulassen.
- vorgespielt und genehmigt -
Die Vorsitzende schließt die mündliche Verhandlung. Das Gericht zieht sich zur geheimen
Beratung zurück.
- 4 – S 12 AS 194/15
Nach geheimer Beratung verkündet die Vorsitzende
IM NAMEN DES VOLKES
folgendes
Urteil:
1. Der Bescheid vom 30.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
19.12.2014 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte hat den Klägern deren außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Der wesentliche Inhalt der Entscheidung wir den Beteiligten mitgeteilt.
— F.d.R.d.Ü.v. Tonträger -
Richterin am Sozialgericht Justizbeschäfiigte
Beginn der Verhandlung:
Ende der Verhandlung:
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Anrechnungsfreie Nachzahlung bei widerrechtlicher Sanktion
anselmf
Gekürzte Chronologie
der Petition Pet 4-18-11-81503-021496
Kurzfassung der Petition
(mit der Bitte um Veröffentlichung)
Titel Sozialrecht “Anrechnungsfreie Nachzahlung bei
widerrechtlicher Minderung"
01.05.2015
Seite2
Wortlaut der Petition
Es wird folgender § 31a Abs. 5 SGB II eingefügt
(5) Erweisen sich Minderungen als
zu Unrecht vorgenommen oder wurde zu Unrecht auf andere als
Geldleistungen verwiesen, sind die Geldleistungen vollständig und
anrechnungsfrei nachzuentrichten.
Anm.: Die Einzelheiten der Nachentrichtung richten sich nach den
Normen des SGB I und SGB X, etwa die Verzinsung nach § 44 SGB I.
Dienst- und Sachleistung sind im SGB II nach § 4 SGB II
grundsätzlich möglich, jedoch die Ausnahme (etwa § 24 Abs. 2 SGB
II).
Begründung
Gesetzgeberische Absicht ist, dass auch
Hilfebedürftige vorrangig zu selbständigem Wirtschaften angehalten
werden sollen. Der Handel mittels Zahlungsmittel ist die dominierende
Warenaustauschform und somit hat jede Abweichung hiervon ein erhöhtes
Stigmatisierungsrisiko. Die Dispositionsfreiheit (§ 20 SGB II, Art 2
Abs. 1 GG), das heißt das Recht auf dem gesamten Markt das
bevorzugte Angebot selbst wähen zu können, kann nur mit allgemein
geltenden Zahlungsmittel zur Entfaltung gelangen.
Einschränkungen gelten im Fall sogenannter Sanktionen. In diesem
Fall sollen Geldleistung teilweise oder vollständig gestrichen
werden, können und soll das Existenzminimum durch andere
Leistungsformen gesichert werden. Wie oben dargelegt ergibt sich,
dass im Wertesystem der Grundsicherung ein solcher Verweis auf
Nichtgeldleistungen als belastend zu sehen ist. Die vorliegende
Petition befasst sich nicht mit Sanktionen an sich. Gegenstand hier
ist allein die Frage, wie in Fällen zu verfahren ist, in denen sich
Sanktionen schlussendlich als rechtswidrig herausstellen oder
generell ein Verweis auf Dienst- oder Sachleistungen, auch in Form
etwa von Gutscheinen erfolgte, für die sich später ergibt, dass
dieser rechtsgrundlos erging.
Derzeit ist die Situation so, dass zwar Nachzahlungen erfolgen,
die Grundsicherungsträger aber hiergegen etwa den Nominalwert der
zwischenzeitlich erteilten Gutscheine etwa für Lebensmittel
gegenrechnen. Dass der zu Unrecht sanktionierte, durch den Entzug der
Geldleistung de facto gezwungen war, diese anzunehmen, findet keine
Berücksichtigung. Nimmt der zu Unrecht Sanktionierte die
lebensnotwendigen Gutscheine an, wird ihm dies als Annahme an
Erfüllungs statt gemäß § 364 Abs. 1 BGB vorgehalten (so auch
Bayerisches Landessozialgericht,
L 11 AS 654/14 vom 26.11.2014).
Ein Rechtsstaat ist dem Legalitätsprinzip und dem
Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet. Besonders in Bereichen in
denen er noch belastende Eingriffe am Existenzminimum vornimmt, muss
er sich an höchsten Sorgfaltsmaßstäben messen lassen. Eine
Nachentrichtung ist grundsätzlich geeignet die Belastung während
Zeiten überdurchschnittlicher Einschränkung durch einen
vergrößerten Freiraum in der Folgezeit wenigstens teilweise zu
kompensieren.
Anregungen für die Forendiskussion
Eine im Einzelfall möglicherweise unbeabsichtigt auftretende
Überkompensation - etwa wenn ein zu Unrecht Sanktionierter vorhatte
in nächster Zeit besonders sparsam zu leben, um etwa für einen
einmaligen Bedarf anzusparen - dürfe in der Praxis oft unnachweisbar
sein und ist im Hinblick auf die grundrechtlich gebotene
Gleichbehandlung und darauf, dass Unschuldige nichts zu befürchten
haben sollen, hinzunehmen. Ohnehin verbleibt es bei einem
hinzunehmenden Sonderopfer für die Allgemeinheit für diejenigen
Personen, die zufällig gerade in der Zeit der zu Unrecht erlittenen
Sanktion, besonderen Bedarf decken wollten, der nicht mehr ohne
Weiteres nachgeholt werden kann. Beide Restrisiken der Lebensführung
verbleiben. Es ist nicht einzusehen, warum der Staat sich des seinen
einseitig zu Lasten Unschuldiger entledigen können sollte.
Schreiben des
Petitionsausschusses vom 21.05.2015
Berlin, 21. Mai 2015
Bezug: Ihre Eingabe vom 1. Mai 2015
Arbeitslosengeld II
Sehr geehrter Herr ...,
hiermit bestätige ich den Eingang Ihrer Petition, mit der Sie
fol-
gendes Anliegen vortragen:
Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass Hilfsbedürftige
zum selbständigen Wirtschaften angehalten werden sollen und
Geldleistungen vollständig und anrechnungsfrei bei unrechten
Minderungen nachzuentrichten sind.
Der Ausschussdienst, dem die Ausarbeitung von Vorschlägen für
den Petitionsausschuss obliegt, hat das von Ihnen vorgetragene
Anliegen sorgfältig geprüft.
Nach Prüfung aller Gesichtspunkte ist der Ausschussdienst zu
dem Ergebnis gekommen, dass eine Umsetzung Ihres Anliegens
angesichts der gegenwärtigen Handlungsprioritäten auf diesem
Gebiet ausgeschlossen erscheint. Diese Auffassung stützt sich
insbesondere auf folgende Erwägungen:
Die Nichtanrechnung der geleisteten Sachleistungen oder geld-
werten Leistungen würde zu einer rechtswidrigen Erhöhung des
Regelbedarfs führen.
Sofern Sie keine entscheidungserheblichen Bedenken gegen die
inhaltliche Bewertung Ihrer Eingabe vortragen, wird den Abge-
ordneten des Petitionsausschusses in sechs Wochen vorgeschla-
gen werden, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil Ihrem
Anliegen nicht entsprochen werden kann. Folgen der Ausschuss
und das Plenum des Deutschen Bundestages diesem Vorschlag,
erhalten Sie keinen weiteren Bescheid.
Seite 2
Weil Ihre Petition nicht den gewünschten Erfolg haben wird,
sieht der Ausschuss von einer Veröffentlichung auf der Internet-
seite des Petitionsausschusses ab. Diese Entscheidung erfolgte
auf der Grundlage der „Richtlinie für die Behandlung von
öffent-
lichen Petitionen“ (Pkt. 4e) gemäß Ziffer 7.1 (4) der
Verfahrens-
grundsätze, die unter www.bundestag.de/Petitionen veröffent-
licht sind.
Personenbezogene Daten werden unter Wahrung des Datenschut-
zes gespeichert und verarbeitet.
Mit freundlichen Grüßen
Schreiben des Petenten vom 10.06.2015
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit erhebe ich Bedenken gegen Ihr in obigem Schreiben
angekündigtes Vorgehen.
Soweit Sie ausführen
… hiermit bestätige ich den Eingang Ihrer Petition, mit der Sie
folgendes Anliegen vortragen:
Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass Hilfsbedürftige zum
selbständigen Wirtschaften angehalten werden sollen …
ist dies unrichtig.
Zwar ist ein ähnlicher Passus in der Begründung enthalten,
allerdings eben dort und nicht im Wortlaut der Petition. Er dient
überdies dort ersichtlich nicht zur weiteren Ausformulierung des
Petitionsbegehrens, sondern zur Beschreibung des status quo, denn er
lautet
Gesetzgeberische*
Absicht ist, dass auch Hilfebedürftige vorrangig zu selbständigem
Wirtschaften angehalten werden sollen.
Da dies überdies bereits lege lata ist, vergleiche etwa § 20
SGB II
Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten
Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich;
dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu
berücksichtigen.
wäre eine hierauf gerichtete Petition ohnehin im Wesentlichen
sinnlos, da nicht mehr erreicht werden muss, was schon der Fall ist.
Im Wesentlichen richtig hingegen ist, dass die Petition erreichen
soll, dass Geldleistungen bei unrechten Minderungen wenigstens
vollständig und anrechnungsfrei nachzuentrichten sind. Hierzu hat
der Petent auch eine konkrete Gesetzesformulierung vorgeschlagen,
verschließt sich jedoch nicht Alternativen mit gleicher Wirkung.
Weiter führen Sie aus
Nach Prüfung aller Gesichtspunkte ist der Ausschussdienst zu dem
Ergebnis gekommen, dass eine Umsetzung Ihres Anliegens angesichts der
gegenwärtigen Handlungsprioritäten auf diesem Gebiet ausgeschlossen
erscheint. Diese Auffassung stützt sich insbesondere auf folgende
Erwägungen:
Die Nichtanrechnung der geleisteten Sachleistungen oder geldwerten
Leistungen würde zu einer rechtswidrigen Erhöhung des Regelbedarfs
führen.
Zunächst stellt der Petent hiermit klar, dass er sich mit seiner
Petition an den deutschen Bundestag in seiner Funktion als
demokratischer Gesetzgeber wendet. Schon deswegen ist der Vorwurf,
der Petent fordere Rechtswidriges ohne jeden Sinn, insbesondere
selbst dann, wenn der Vorschlag tatsächlich geltendem Recht
widersprechen würde, denn es steht dem Gesetzgeber grundsätzlich
zu, eben dieses geltende Recht jederzeit außer Kraft zu setzen, wenn
er es für tunlich hält.
Es ist im Übrigen auch nicht erkennbar, dass der Vorschlag geltendem
Recht widersprechen würde. Vielmehr wendet er sich gegen eine
bestimmte Rechtsauslegung. Die Behauptung, die Nichtanrechnung der
geleisteten Sachleistungen oder geldwerten Leistungen würde zu einer
rechtswidrigen Erhöhung des Regelbedarfs führen, wird vom
Petitionsausschuss nicht weiter begründet und ist nicht
nachvollziehbar. Gemäß § 20 SGB II steht dem
Hilfebedürftigen ein Geldbetrag als Pauschale zu
Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt.
Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten
Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich;
...
diesen hat er nicht oder nicht im vollen Umfang erhalten, wenn er
eine widerrechtliche Sanktion zu erdulden hatte. Ob daneben
Sachleistungen erbracht wurden ist für die Erfüllung dieses
Anspruchs zunächst irrelevant.
Wie bereits in der Petition dargelegt, beruht die rechtliche
Bewertung, die zur Anrechnung führt, darauf, dass dem zu Unrecht
Sanktionierten vorgeworfen wird, er hätte die Gutscheine angenommen.
Das überzeugt jedoch nicht, da die Beantragung und die Annahme
dieser Gutscheine durch vis compulsiva (etwa bei
Lebensmittelgutscheinen durch Hunger) oder der Drohung damit
erzwungen wurde und wie sich herausgestellt hat, dies alles keine
hinreichende Rechtsgrundlage hatte.
Der Verweis des Petitionsausschusses auf „gegenwärtigen
Handlungsprioritäten“ ist unverständlich, denn weder wird gesagt,
was diese Handlungsprioritäten wären, noch warum sie zwangsläufig
einer Umsetzung des Begehrens des Petenten entgegenstehen.
Der Petent hält daher seine
Bitten im vollen Umfang aufrecht und bittet um Entscheidung hierüber.
Beschlussempfehlung
Anmerkungen
Der Schreibfehler im Original
„Gesetzgeberischen Absicht ist, dass auch Hilfebedürftige
vorrangig zu selbständigem Wirtschaften angehalten werden sollen.“
wurde korrigiert.
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... comment
Petition zur Begründung des Gerichtsbescheids
anselmf
Gekürzte Chronologie
der Petition Pet 3-18-11-8206-014539
vorgezogene Begründung des Gerichtsbescheids
Petition vom 08.11.2014
Petition an den Deutschen Bundestag
(mit der Bitte um Veröffentlichung)
Titel Gesetzgebung - Sozialgerichtsgesetz, vorgezogene Begründung des
Gerichtsbescheids nach § 105 SGG
Petition 55791 - 08. November 2014
Seite2
Wortlaut der Petition
Der Deutsche Bundestag möge beschließen ...
§ 105 SGG wird dergestalt neu gefasst, dass den Beteiligten vorher die Gründe des beabsichtigten
Gerichtsbescheids mitzuteilen und sie zu hören sind. Dies wird als durchsetzbares Recht der Beteiligten
gestaltet.
Begründung
Eine mögliche konkrete Formulierung von § 105 SGG nF wäre etwa die Folgende.
(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache
keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
Den Beteiligten sind vorher die Gründe des Gerichtsbescheids mitzuteilen und sie sind zu hören. Die
Vorschriften über Urteile gelten entsprechend. Der Gerichtsbescheid darf nur auf Gründe gestützt werden, die
gemäß Satz 2 mitgeteilt wurden.
(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel
einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben,
kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche
Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.
(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt oder wird in dem
durch das eingelegte Rechtsmittel eröffneten Verfahren festgestellt, dass er nicht den Voraussetzungen des
Abs. 1 genügt, gilt er als nicht ergangen. Die Feststellung des Fehlens der Voraussetzungen und die
Zurückverweisung erfolgt von Amts wegen. § 159 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden.
(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung
des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids
folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
Die folgenden Anmerkungen beziehen sich auf die derzeitige Gesetzesfassung.
Das Gehörsrecht der Beteiligten nach § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG wird von den Sozialgerichten dahingehend
verstanden, dass die Beteiligten nur zur Tatsache dass ein Gerichtsbescheid beabsichtigt ist, zu hören sind
(Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, C. H. Beck § 105 RdNr. 10a) und es entbehrlich ist, dass das Gericht
auch nur mitteilt wie es zu entscheiden gedenkt, oder seine Rechtssicht mitteilt oder die Gründe, dafür anführt,
dass es der Ansicht ist, die Sache sei einfach und geklärt. Ebensowenig wird es für erforderlich gehalten die
Gründe zu nennen, auf denen der Gerichtsbescheid selbst beruhen wird. Dementsprechend bestehen derzeit
Mitteilungen an die Beteiligten mitunter inhaltlich nur aus dem Satz, dass das Gericht beabsichtigt durch
Gerichtsbescheid zu entscheiden und der Angabe einer Frist bis zu der sich diese hierzu äußern können.
Es ergibt sich aus dem Änderungsvorschlag keine Belastung der Sozialgerichte.
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Anregungen für die Forendiskussion
§ 105 Abs. 1 SGG ermöglicht es dem Sozialgericht ohne mündliche Verhandlung, also rein auf dem
Schriftweg, zu entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher
Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Ein Gerichtsbescheid ist somit geeignet in einfachen Fällen das
Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, was sich sowohl zugunsten des Gerichts als auch der
Beteiligten auswirken kann.
Die Entscheidung per Gerichtsbescheid zu entscheiden ist allerdings grundsätzlich beschwerend. Ein
Betroffener, der der Ansicht ist, dass die Sache zur weiteren Klärung doch eine mündliche Verhandlung
erfordert, kann diese nur erhalten wenn gegen den Gerichtsbescheid kein Rechtsmittel möglich ist. Ist gegen
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts beispielsweise die Berufung zum Landessozialgericht möglich, so ist
er, wenn er nicht vollständig auf Rechtsmittel verzichten will, gezwungen, diese einzulegen.
Schreiben des Petitionsausschusses vom 08.11.2014
Sehr geehrter Herr ...,
hiermit bestätige ich den Eingang Ihrer Petition mit der ID-
Nummer 55791.
Sie möchten eine Änderung der Vorschrift § 105 Sozialgerichts-
gesetz (SGG) erreichen.
Die inhaltliche Prüfung Ihrer Eingabe beginnt zunächst damit,
dass der Ausschussdienst von dem für Ihr Anliegen zuständigen
Bundesministerium eine Stellungnahme anfordert. Sobald der
Sachverhalt unter Berücksichtigung dieser Stellungnahme aufge-
klärt und die Rechtslage beurteilt ist, erhalten Sie weitere Nach-
richt.
Um Petitionen auf der Internetseite des Deutschen Bundestages
sachgerecht präsentieren zu können, ist es schon angesichts der
Vielzahl von Eingaben nicht möglich, allen Veröffentlichungs-
wünschen nachzukommen. Zu berücksichtigen ist insbesondere,
inwieweit eine Bitte oder Beschwerde ein Anliegen von allge-
meinem Interesse zum Gegenstand hat und ob sich Anliegen und
Darstellung für eine sachliche öffentliche Diskussion eignen. Zu-
dem soll sich in der Auswahl der veröffentlichten Eingaben eine
Vielfalt von Themen und unterschiedlichen Sichtweisen mög-
lichst vieler Petenten widerspiegeln.
Vor dem Hintergrund der vorgenannten Erwägungen konnte Ihrer
Bitte, Ihre Eingabe auf der Internetseite des Petitionsausschusses
zu veröffentlichen, leider nicht entsprochen werden.
Darüber hinaus könnte die Veröffentlichung Ihrer Petition zu
Missverständnissen führen. Denn die Beteiligten sind gemäß
§ 105 Abs. 1 S. 2 SGG zu hören. Das Gericht muss den Beteiligten
mitteilen, dass es eine Entscheidung ohne mündliche
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Verhandlung durch Gerichtsbescheid in Betracht zieht und Ihnen
Gelegenheit geben, sich dazu zu äußern. Die Beteiligten können
dann Gründe für die Anberaumung einer mündlichen
Verhandlung vorbringen oder Beweisanträge stellen.
Damit ist keine Bewertung Ihres Anliegens verbunden. Das Er-
gebnis des Petitionsverfahrens hängt allein vom Inhalt der Peti-
tion ab und nicht von einer möglichen Zahl von Unterstützern
oder Gegnern. Ihre Petition wird so sorgfältig und gründlich ge-
prüft wie jede andere an den Deutschen Bundestag gerichtete
Eingabe.
Sobald die Prüfung Ihrer Zuschrift abgeschlossen ist, werden Sie
über das Ergebnis unaufgefordert unterrichtet. Ich bitte Sie, sich
bis dahin zu gedulden.
Schreiben vom 28.11.2014 an den Petitionsausschuss
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich danke für Ihr oben genanntes Schreiben, in dem Sie auch inhaltlich auf das Anliegen des Petenten eingehen und zu möglichen Missverständnissen ausführen. Daher und aufgrund der Zeichenbeschränkung bei der Einreichung einer Petition über das Internet teilt dieser hierzu weiter mit.
§ 105 Abs. 1 SGG ermöglicht es dem Sozialgericht ohne mündliche Verhandlung, also rein auf dem Schriftweg, zu entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Ein Gerichtsbescheid ist somit geeignet in einfachen Fällen das Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, was sich sowohl zugunsten des Gerichts als auch der Beteiligten auswirken kann.
Die Entscheidung per Gerichtsbescheid zu entscheiden ist allerdings grundsätzlich beschwerend. Ein Betroffener, der der Ansicht ist, dass die Sache zur weiteren Klärung doch eine mündliche Verhandlung erfordert, kann diese nur erhalten wenn gegen den Gerichtsbescheid kein Rechtsmittel möglich ist. Ist gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts beispielsweise die Berufung zum Landessozialgericht möglich, so ist er, wenn er nicht vollständig auf Rechtsmittel verzichten will, gezwungen, diese einzulegen. Er ist damit gezwungen eine weitere Instanz anzurufen und die weitere rechtliche Auseinandersetzung am oft weiter entfernten Landessozialgericht zu führen. Das Bemühen die Angelegenheit zügig und möglichst in einer Instanz zu klären wird damit konterkariert.
Durch den Gerichtsbescheid ist die erste Instanz beendet. Dies hat beispielsweise zur Folge, dass eine für die erste Instanz gewährte Prozesskostenhilfe endet und keine anwaltliche Vertretung mehr besteht, sondern erst ein weiteres Prozesskostenhilfeverfahren zu führen ist. Für die Führung des Prozesskostenhilfeverfahrens sind auch bei Bedürftigen keine Hilfen vorgesehen (Bundesgerichtshof VIII ZR 298/83 vom 30.05.1984).
Das Gehörsrecht der Beteiligten nach § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG wird von den Sozialgerichten dahingehend verstanden, dass die Beteiligten nur zur Tatsache dass ein Gerichtsbescheid beabsichtigt ist, zu hören sind (Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, C. H. Beck § 105 RdNr. 10a) und es entbehrlich ist, dass das Gericht auch nur mitteilt wie es zu entscheiden gedenkt, oder seine Rechtssicht mitteilt oder die Gründe, dafür anführt, dass es der Ansicht ist, die Sache sei einfach und geklärt. Ebensowenig wird es für erforderlich gehalten die Gründe zu nennen, auf denen der Gerichtsbescheid selbst beruhen wird. Dementsprechend bestehen Mitteilungen an die Beteiligten mitunter inhaltlich nur aus dem Satz, dass das Gericht beabsichtigt durch Gerichtsbescheid zu entscheiden und der Angabe einer Frist bis zu der sich diese hierzu äußern können.
Es ist schwer zu sehen, welchen Sinn die Vorschrift, die Beteiligten im Voraus zu hören überhaupt haben soll, wenn diesen nur bekannt wird, dass es sich nach Auffassung des Gerichts um einen einfachen Fall handelt, aber noch nicht einmal klar ist, ob das Gericht beabsichtigt die Klage abzuweisen, ihr stattzugeben oder sonstwie zu entscheiden. Da das Gericht alleine festlegt, ob es per Gerichtsbescheid entscheidet und es insbesondere einer Zustimmung der Beteiligten nicht bedarf, besteht deren einzige Möglichkeit, einen etwaigen Irrtum des Gerichts zu korrigieren und auf dieses einzuwirken, darin, in der Sache vorzutragen und auf die Kraft der Argumente zu vertrauen. Ohne Wissen, worauf es dem Gericht ankommt, ist ein solcher Vortrag aber nur ins Blaue hinein möglich.
Soweit das Gericht neue, im bisherigen Verfahren noch nicht erörterte Sach- und Rechtsfragen der Entscheidung zugrunde legen will, besteht schon aufgrund des allgemeinen Gehörsrechts die Pflicht dies vor der endgültigen Entscheidung mitzuteilen. Somit wäre § 105 Abs. 1 Satz 3 SGG überflüssig, wenn der Gesetzgeber nicht ein darüber hinausgehendes Gehörsrecht der Beteiligten schaffen will, das sich darauf bezieht, welche von den bisher bereits angesprochenen Punkten das Gericht für erheblich hält. Die Petition beabsichtigt, dieses Gehörsrecht auch effektiv nutzbar zu machen. Hierdurch kann das Verfahren weiter beschleunigt werden, etwa indem Beteiligte zum Nachgeben veranlasst werden, wenn ihnen die Auffassung des Gerichts frühzeitig bekannt wird, aber auch, wenn sie schon im schriftlichen Verfahren einen etwaigen Irrtum des Gerichts berichtigen können.
Es ergibt sich aus dem Änderungsvorschlag keine Belastung der Sozialgerichte, denn der Gerichtsbescheid selbst ist wegen § 105 Abs. 1 Satz 3 SGG ebenso wie ein Urteil zu begründen. Eine Mitteilung der Gründe schon im Schreiben, das mitteilt, dass Gerichtsbescheid ergehen kann, verlagert somit allenfalls die Arbeit zur schriftlichen Ausformulierung der Begründung zeitlich nach vorne und erspart diese dafür später. Eine Pflicht des Gerichts zusätzlich zu den Gründen des beabsichtigten Gerichtsbescheids ausdrücklich darzulegen, warum die Voraussetzungen für die Entscheidung per Gerichtsbescheid vorliegen, besteht auch nach der vorgeschlagenen Änderung nicht.
Im oben genannten Schreiben vom 08.11.2014 führen Sie aus
Darüber hinaus könnte die Veröffentlichung Ihrer Petition zu Missverständnissen führen. Denn die Beteiligten sind gemäß § 105 Abs. 1 S. 2 SGG zu hören.
Dass die Petition über das übliche Maß, das eine Kommunikation im Internet mit sich bringt, hinaus besonders dazu geeignet ist Missverständnisse zu erzeugen, kann der Petent nicht erkennen. Insbesondere bestreitet er nicht, dass die Beteiligten zu hören sind, vielmehr geht es ihm darum durch ein zeitliches Vorziehen der Begründung das Verfahren weiter in der Effizienz zu steigern, da so ein gezielter und damit präziser und verschlankter Vortrag möglich ist, der insbesondere bereits die Rechtssicht des Gerichts berücksichtigt und auf diese eingeht. Im Idealfall können etwa die Argumente des Gerichts eine Seite zum Nachgeben bewegen, so dass zudem das Verfahren verkürzt wird.
Weiter führen Sie aus
Das Gericht muss den Beteiligten mitteilen, dass es eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid in Betracht zieht und Ihnen Gelegenheit geben, sich dazu zu äußern. Die Beteiligten können dann Gründe für die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vorbringen oder Beweisanträge stellen.
Wie oben dargelegt bestreitet der Petent dies nicht, vielmehr baut sein Petitionsanliegen gerade hierauf auf. Auf das Gehörsrecht nach § 105 Abs. 1 S. 2 SGG hat der Petent auch in der per Internet eingereichten Begründung der Petition ausdrücklich hingewiesen. Im Übrigen haben die Beteiligten auch ohne Aufforderung des Gerichts die Möglichkeit sich in jeder Hinsicht zu der Sache zu äußern, so etwa der Kläger schon in seiner Klage und der Beklagte in seiner Stellungnahme hierzu. Insbesondere können die Beteiligten bereits hier alle ihnen wesentlich erscheinenden Punkte anbringen und Anträge stellen und es ist nicht ersichtlich, warum sie dies nicht tun sollten. Die reine Mitteilung, dass das Gericht durch Gerichtsbescheid entscheiden kann, hat keinen inhaltlichen Informationswert und ist daher weder geeignet die Beteiligten zum Überdenken ihrer Position zu veranlassen noch ihnen einen Anhaltspunkt zu geben, welcher weitere Vortrag oder welche Beweisanträge am zweckdienlichsten sein könnten.
Wie dargelegt ist die verkürzte Begründung der Tatsache geschuldet, dass längere Erläuterungen über die Schnittstelle im Internet nicht vorgebracht werden können und im Übrigen auch Links zu ausführlicheren Darlegungen nicht gestattet sind. Andererseits ist aber darauf hinzuweisen, dass eine sich ergebende Diskussion nicht nur dazu geeignet ist, zu Lücken in der Darlegung nachzutragen, sondern auch dazu Missverständnisse direkt im Dialog auszuräumen. Zusammenfassend ist es für den Petenten daher nicht verständlich, warum gerade die Veröffentlichung dieser Petition vermehrt zu Missverständnissen Anlass geben sollte die nicht ohne Weiteres in einer öffentlichen Diskussion sofort wieder ausgeräumt werden können.
Schreiben des Petitionsausschuss vom 12.02.2015
Sehr geehrter Herr ...,
die aufgrund Ihrer Eingabe eingeleitete Prüfung dauert noch an.
Sie erhalten so bald wie möglich weitere Nachricht.
Schreiben vom 21.05.2015 an den Petitionsausschuss
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit obigem Schreiben teilten Sie mir mit, dass die Prüfung noch andauere. Dies ist die letzte Nachricht, die mir von Ihnen vorliegt. Da mir die mit Ihrem Schreiben vom 08.11.2014 angekündigte Stellungnahme des zuständigen Bundesministerium ebenfalls noch nicht vorliegt, möchte ich, um etwaigen Irrläufern auf dem Postweg entgegenzuwirken, hiermit auf diese Umstände hinweisen.
Schreiben des Petitionsausschuss vom 27.05.2015
Sehr geehrter Herr ...,
ich bestätige Ihnen den Eingang Ihres Schreibens.
Ihre Eingabe habe ich den Abgeordneten, die dem Petitionsaus-
schuss zu Ihrem Anliegen Bericht erstatten werden. zugeleitet.
Die Antwort der Bundesregierung bzw. die Stellungnahme des
BMAS wurde ebenfalls den Berichterstattern des Petitionsaus-
schusses durch den Ausschussdienst übersandt. Sie dient dem
parlamentsinternen Meinungs- und Willensbildungsprozess im
Hinblick darauf, ob die Antwort der Bundesregierung als ab—
schließend akzeptiert werden kann.
Nach abschließender Behandlung Ihrer Petition durch den Deut-
schen Bundestag werden Sie unaufgefordert über das Ergebnis
unterrichtet werden. Ich bitte Sie, sich bis dahin zu gedulden.
Schreiben vom 01.06.2015 an den Petitionsausschuss
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich danke für die Weiterleitung meines Schreibens an die Berichterstatter.
Um jedes Missverständnis zur Intention meiner Nachfrage vom 21.05.20125 auszuschließen möchte ich hierzu noch Folgendes nachtragen. Ich bitte die Mitglieder des Petitionsausschusses ausdrücklich mir Stellungnahmen der Bundesregierung beziehungsweise von Behörden wie dem BMAS im Volltext und rechtzeitig genug zur Verfügung zu stellen, dass ich hierauf, falls erforderlich, inhaltlich eingehen kann.
Es kann leider nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass eine Behörde, auch ein Bundesministerium, bei einmaliger Darlegung ohne klärende Diskussion einen Sachverhalt oder eine Rechtslage auch zutreffend erfasst. Ich weise beispielhaft auf meine frühere Petition Pet 2-17-15-8271-052556 hin, in der das Bundesministerium für Gesundheit ursprünglich die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht für maßgebend hielt und erst auf meinen Hinweis hin sich mit der einschlägigen Rechtsprechung des tatsächlich zuständigen Bundessozialgerichts befasste, welches zum damaligen Thema zu wesentlich anderen Schlüssen gelangte als bei einer bloße analoge Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht zu erwarten gewesen wäre. Ein solches „aneinander vorbei reden“ sollte natürlich unbedingt vermieden werden, weil es sachgerechte Äußerungen und Entscheidungen behindert.
Eine gegebenenfalls erforderliche Klärung kann am besten in einer Vordiskussion direkt zwischen dem Petenten und der Behörde erreicht werden und entlastet auch den Petitionsausschuss, dem damit eine bereits völlig geklärte Angelegenheit vorgelegt werden kann.
Eine Antwort des Referats Pet 3 auf dieses Schreiben ist nicht erforderlich, ich bitte lediglich wie gewünscht mein Schreiben weiter zu leiten. Im Übrigen warte ich weiter ab.
Schreiben des Petitionsausschusses vom 29.02.2016
Berlin, 29. Februar 2016
Bezug: Ihre Eingabe vom
8. November 2014; Pet 3-18-11—8206-014539
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Sehr geehrter Herr ,
der Deutsche Bundestag hat Ihre Petition beraten und am
25. Februar 2016 beschlossen:
Das Petitionsvelfahren abzuschließen.
Er folgt damit der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
(BT-Drucksache 18/7571), dessen Begründung beigefügt ist.
Mit dem Beschluss des Deutschen Bundestages ist das
Petitionsverfahren beendet.
Mit freundlichen Grüßen
- 52 — Anl. 3 z. Prot. 18/54
Pet 3-18-11-8206-014539
Sozialgerichtsbarkeit
Beschlussempfehlung
Das Petitionsverfahren abzuschließen.
Begründung
Der Petent fordert eine Änderung des § 105 Sozialgerichtsgesetz.
Der Petent führt aus, dass gemäß § 105Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für das
Sozialgericht die Möglichkeit bestehe, ohne mündliche Verhandlung - also rein auf
Grundlage der dem Gericht vorliegenden schriftlichen Unterlagen - zu entscheiden,
wenn die zu behandelnde Sache keine besondere Schwierigkeit tatsächlicher oder
rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt grundsätzlich geklärt sei. Betroffene, die
der Ansicht sind, dass die Sache zur weiteren Klärung eine mündliche Verhandlung
erfordere, könnten diese nur dann erzwingen, wenn gegen den Gerichtsbescheid
kein Rechtsmittel möglich sei. In solchen Fällen seien Betroffene gezwungen, Beru—
fung beim zuständigen Landessozialgericht einzulegen. In diesem Zusammenhang
fordert der Petent, dass den Beteiligten eines sozialgerichtlichen Verfahrens die
Gründe des beabsichtigten Gerichtsbescheides ohne mündliche Verhandlung zwin—
gend vorher mitgeteilt werden müssten. Zudem müsse eine Anhörung durch das zu-
ständige Gericht erfolgen. Nach Einschätzung des Petenten hätten die von ihm vor-
geschlagenen Änderungen des § 105 SGG keine erhöhte Belastung der Sozialge—
richte zur Folge.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die vom Petenten
eingereichten Unterlagen Bezug genommen.
Der Bitte des Petenten um Veröffentlichung seiner Eingabe auf der Internetseite des
Deutschen Bundestages hat der Ausschuss nicht entsprochen.
- 53 - Anl. 3 z. Prot. 18/54
noch Pet 3—18-11—8206—014539
Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung - dem Bundesministerium für Arbeit
und Soziales (BMAS) - Gelegenheit gegeben, ihre Haltung zu der Eingabe darzule—
gen.
Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich unter Einbeziehung der sei-
tens der Bundesregierung angeführten Aspekte wie folgt zusammenfassen:
Nach § 105 Absatz1 Satz 2 SGG muss das Gericht alle Beteiligten dazu anhören,
dass es beabsichtigt, in einer Sache durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Nach
dem Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. auch Artikel 103 Abs. 1 Grund-
gesetz und § 62 SGG) sind die Beteiligten darüber zu informieren, dass das Gericht
von dem Vorliegen eines Sachverhalts ausgeht, der weder besondere tatsächliche
noch besondere rechtliche Schwierigkeiten aufweist, und dass außerdem nach Auf—
fassung des Gerichts der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten müssen darauf hin-
gewiesen werden, dass sie sich in der Sache äußern und Bedenken gegen die vom
Gericht beabsichtigte Verfahrensweise geltend machen können. Aus der Anhörung
muss jedenfalls ersichtlich sein, dass die Beteiligten die Gelegenheit-haben, Gründe
für die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vorzubringen oder Beweisan—
träge zu stellen. Die Anhörung muss konkret auf den einzelnen Fall bezogen sein.
Ein formularmäßiger Hinweis reicht nicht aus.
Aus Sicht des Petitionsausschusses besteht weder eine Verpflichtung noch ein Be—
darf, darüber hinaus zu regeln, dass das Gericht generell verpflichtet ist, seine
Rechtsauffassung zur Sache selbst mitzuteilen. Insbesondere enthält Artikel 103 Ab—
satz 1 des Grundgesetzes keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung, keine
allgemeine Aufklärungspflicht des Gerichts über die Rechtslage und auch nicht über
seine Rechtsauffassung zur Rechtssache und den Erfolgsaussichten. Auch aus dem
Zweck der Regelung des § 105 Absatz1 Satz 2 SGG ergibt sich kein zwingendes
Argument für eine derartige Hinweispflicht. Der Zweck der Regelung besteht lediglich
darin, den Beteiligten Gelegenheit zu geben, innerhalb einer bestimmten Frist Grün—
de vorzutragen, die für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sprechen.
Wären in der Anhörungsmitteilung inhaltliche Ausführungen zu tatsächlichen oder
rechtlichen Fragen erforderlich, würden die Beteiligten, über deren Angelegenheit per
- 54 - Anl. 3 z. Prot. 18/54
noch Pet 3-18—11-8206—014539
Gerichtsbescheid entschieden werden soll, gegenüber denjenigen Beteiligten besser
gestellt, in deren Verfahren nach mündlicher Verhandlung entschieden werden soll.
Denn in der mündlichen Verhandlung erörtert der Vorsitzende zwar das Sach- Und
Streitverhältnis mit den Beteiligten (§ 112 Absatz 2 Satz 2 SGG), eine Pflicht zur
Darstellung seiner Rechtsansicht oder zu einem umfassenden Rechtsgespräch
ergibt sich daraus aber nicht.
Der mit § 105 SGG verfolgte Zweck der Beschleunigung des Verfahrens darf zudem
nicht durch überzogene Anforderungen an die Anhörung unterlaufen werden. Die
Auffassung des Petenten, mit seinem Änderungsvorschlag ergebe sich keine Mehr—
belastung der Sozialgerichte, wird seitens des Petitionsausschusses nicht geteilt.
Der Ausschuss hält die geltende Rechtslage für Sachgerecht und vermag sich nicht
für eine Rechtsänderung im Sinne des Petenten auszusprechen. Er empfiehlt des-
halb, das Petitionsverfahren abzuschließen, da dem Anliegen nicht entsprochen
werden konnte.
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BVerfG, 1 BVR 641/14 vom 16.04.2014, Bundesverfassungsgericht
anselmf
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BVR 641/14 -
In dem Verfahren
über den Antrag
auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
des Herrn
für die beabsichtigte Verfassungsbeschwerde
gegen den Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts
vom 20. Januar 2014 - L 8 SO 2/13 -
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten K,
den Richter M
und die Richterin B
gemäß § 93d Abs. 2 in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Be-
kanntmachung vom 11. August 1993 (BGBI l S. 1473)
am 16. April 2014 einstimmig beschlossen:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird
abgelehnt, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung ohne
Aussicht auf Erfolg ist.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
K M B
Faksimile
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LSG NSB, L 11 AS 676/15 B ER vom 13.05.2015, Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
anselmf
LANDESSOZIALGERICHT
NIEDERSACHSEN-BREMEN
BESCHLUSS
L 11 AS 676/15 B ER
S 49 AS 1268/15 ER Sozialgericht Hannover
In dem Beschwerdeverfahren
A.
- Antragstellerin und Beschwerdeführerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte B.
gegen
Jobcenter Schaumburg,
Breslauer Straße 2 - 4, 31655 Stadthagen
- Antragsgegner und Beschwerdegegner -
hat der 11. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen am 13. Mai 2015 in Celle
durch die Richter C. - Vorsitzender - und D. sowie die Richterin Dr. E. beschlossen:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts
Hannover vom 24. April 2015 aufgehoben.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,
der Antragstellerin vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache
im Rahmen einer freien Förderung nach § 16f SGB II ein Darlehen in Höhe von
2.000 Euro zur Bezahlung des bereits gekauften Pkw zu bewilligen.
Der Antragsgegner erstattet der Antragstellerin die Kosten beider Rechtszüge.
Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter
Beiordnung von Rechtsanwalt F. gewährt.
Ratenzahlung wird nicht angeordnet.
Gründe
I.Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung eines
Darlehens, um damit einen von ihr gekauften Pkw zu bezahlen.
Die Antragstellerin und ihre minderjährigen Kinder wohnen in G. und beziehen seit Längerem
Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Nach Anga-
ben der Antragstellerin ist eines ihrer Kinder auf einen Rollstuhl angewiesen, ein anderes erlitt
im vergangenen Jahr einen Schlaganfall und hat Herzrhythmusstörungen. Zuletzt wurden ihr
und dreien der vier Kinder als sog. Aufstocker mit Bescheid vom 1. April 2015 Grundsiche-
rungsleistungen vorläufig bewilligt.
Im Januar 2015 schloss die Antragstellerin einen Arbeitsvertrag mit der H. GmbH über eine
Tätigkeit als Pflegehelferin im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung ab.
Am Sonntag, dem 1. März 2015 übersandte die Antragstellerin dem Antragsgegner eine E-
Mail, in welcher sie mitteilte, dass ihr Auto am Vortag endgültig liegengeblieben sei. Eine Re-
paratur würde sich auf etwa 1.000 Euro belaufen und einige Zeit dauern, da Ersatzteile nicht
vorrätig seien. Sie frage an, ob der Antragsgegner ihr helfen könne, die drohende Arbeitslo-
sigkeit zu vermeiden. In einer Gesprächsnotiz einer Mitarbeiterin des Antragsgegners vom
Folgetag, dem 2. März 2015, ist festgehalten, dass die Antragstellerin an diesem Tag telefo-
nisch ein Darlehen für einen Pkw nach § 16f SGB II beantragt habe (Bl. 1063 Verwaltungsak-
te - VA). Der Antragstellerin seien die Konditionen für eine Darlehensgewährung erläutert
worden. Die Kundin wolle den ausgefertigten Antrag abholen. Einer weiteren Gesprächsnotiz
vom gleichen Tage zufolge (Bl. 1065 VA) hat die Antragstellerin am 2. März dann mitgeteilt,
dass der Pkw nicht auf sie, sondern wegen der Schwerbehinderten-Förderung und der güns-
tigeren Kfz-Versicherung wieder auf ihren 16-jährigen Sohn zugelassen werden solle. Eine
Bewilligung des Darlehens sei ihr, so der Vermerk, nicht zugesagt worden, sondern lediglich
die Prüfung nach Eingang der vollständigen Unterlagen.
Am selben Tag kaufte die Antragstellerin bei der Firma I. Automobile einen Pkw. Wie sich aus
der in der Verwaltungsakte enthaltenen Kopie des Fahrzeugbriefs ergibt, wurde am gleichen
Tage auch die Zulassung des erworbenen Pkw auf den Namen des schwerbehinderten Soh-
nes der Antragstellerin im Fahrzeugbrief vorgenommen (Bl. 999 VA).
Nachdem das ausgefüllte Antragsformular auf die Gewährung des Darlehens, Kostenvoran-
schläge über andere Pkw und weitere Unterlagen am 5. März 2015 beim Antragsgegner ein-
gegangen waren, lehnte dieser die Darlehensgewährung mit Bescheid vom 6. März 2015 ab.
Die Kaufpreise sämtlicher drei Kostenvoranschläge lägen über 2.000 Euro, denn der Rester-
lös für das alte Auto habe 400 Euro betragen und hätte in die Kaufpreisbetrachtung mit einbe-
zogen werden müssen. Außerdem habe die Kaufpreissumme schon vorgelegen, da das
Fahrzeug bereits auf den Sohn der Antragstellerin zugelassen worden sei. Das Fahrzeug sei
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auch nicht marktpreisgerecht. Aus Gründen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit könne
daher kein Darlehen gewährt werden.
Den Widerspruch der Antragstellerin wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom
31. März 2015 zurück.
Dagegen hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 10. April 2015 unter dem Aktenzeichen J.
Klage beim Sozialgericht (SG) Hannover erhoben. Sie hat außerdem mit Schreiben vom sel-
ben Tage Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und diesen damit begrün-
det, dass der Autohändler den Pkw zwischenzeitlich zurückfordere. Aufgrund der Aussagen
der Mitarbeiter des Antragsgegners sei die Antragstellerin davon ausgegangen, dass sie die
Förderung erhalten werde. Dies habe sie dem Autohändler erzählt. Er und auch sie seien da-
von ausgegangen, dass kurzfristig eine Zahlung durch den Antragsgegner erfolgen werde.
Die Darlehensgewährung sei der einzige Weg, um die Erwerbstätigkeit aufrechtzuerhalten.
Sie werde an wechselnden Arbeitsorten eingesetzt und könne nicht auf öffentliche Verkehrs-
mittel zurückgreifen. Sie habe auch nicht lange mit dem Erwerb eines Fahrzeugs warten kön-
nen. Aufgrund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sei sie nicht in der Lage,
die Mittel selbst aufzubringen. Kein Autohändler würde ihr ein Auto auf Ratenzahlungsbasis
verkaufen. Sie habe die Äußerungen des Antragsgegners so verstanden, dass sie mit einem
Darlehensbetrag in Höhe von 2.000 Euro rechnen könne, ohne dass der Wert des Altfahrzeu-
ges zu berücksichtigen sei.
Die Richtigkeit dieser Angaben hat die Antragstellerin an Eides statt versichert.
Sie hat außerdem ein Schreiben des Autohändlers vom 9. April 2015 vorgelegt, in welchem
dieser die Zahlung anmahnt und darauf hinweist, dass er auf die Angaben der Antragstellerin
vertraut habe, wonach das Jobcenter die Zahlung übernehmen werde.
Mit Beschluss vom 24. April 2015, der dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am
27. April 2015 zugestellt wurde, hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anord-
nung abgelehnt. Es bestünden bereits Zweifel am Vorliegen eines Anordnungsgrundes, da die
Antragstellerin und ihre Kinder Grundsicherungsleistungen erhielten und daher zweifelhaft sei,
ob durch die Ablehnung der Darlehensgewährung eine gegenwärtige Notlage geschaffen
werde. Letztlich könne dies aber dahinstehen, da kein Anordnungsanspruch glaubhaft ge-
macht worden sei. Einen Anspruch auf Darlehensgewährung auf der Grundlage des – allein
in Betracht kommenden - § 16f SGB II hätte die Antragstellerin, so das SG, nur bei einer Er-
messensreduzierung auf Null. Diese liege aber nicht vor, da die Antragstellerin den Weg zur
Arbeitsstätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen könne. Es könne dahinstehen, ob
bereits der Umstand, dass der Antrag erst am 5. März 2015 und damit drei Tage nach dem
Seite 3/9
Kauf des Kfz beim Antragsgegner eingegangen sei, grundsätzlich einen Anspruch entfallen
lasse.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 30. April 2015 eingeleg-
ten Beschwerde. Es sei unzutreffend, dass sie öffentliche Verkehrsmittel nutzen könne, um
zur Arbeitsstelle zu gelangen. Dies werde durch die nunmehr vorgelegte Auskunft des Arbeit-
gebers bestätigt. Ein Anordnungsgrund liege vor, denn der Kfz-Händler sei nach einem Tele-
fonat mit dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin nur bis maximal Anfang Mai bereit,
mit dem Zurückholen des Fahrzeugs zuzuwarten. Sofern der Antragstellerin kein Kfz mehr zur
Verfügung stehe, werde sie ihren Arbeitsplatz verlieren.
Der Antragsgegner nimmt auf den Schriftverkehr und auf die Gesprächsvermerke aus dem
Verwaltungsverfahren sowie auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 31. März
2015 Bezug. Er hält den angefochtenen Beschluss für rechtmäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird
auf die Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist – auch in Ansehung von § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) –
zulässig, da im Hauptsacheverfahren die Berufung zulässig wäre. Der insoweit maßgebliche
Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG von mehr als 750 Euro ist erreicht. Zwar be-
gehrt die Antragstellerin den Betrag von 2.000 Euro nicht als Zuschuss, sondern lediglich als
Darlehen, welches naturgemäß zurückzuzahlen ist. Daraus folgt aber keine Minderung des
Beschwerdewertes auf 750 Euro oder weniger. Entscheidend ist, dass die Antragstellerin den
Betrag in Höhe von 2.000 Euro nach ihrem Vorbringen benötigt, um damit - dauerhaft - das
Kraftfahrzeug mit einem entsprechenden Wert zu erwerben. Daher bestehen keine Zweifel an
der Zulässigkeit der Beschwerde.
Die Beschwerde ist auch begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufi-
gen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Rege-
lung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Voraussetzungen dafür, d. h.
der Anordnungsanspruch – die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren
beabsichtigt ist – sowie der Anordnungsgrund – die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen
Regelung – sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG, § 920 Abs. 3 Zivilprozess-
ordnung – ZPO -). Steht dem Antragsteller ein von ihm geltend gemachter Anspruch voraus-
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sichtlich zu und ist ihm nicht zuzumuten, den Ausgang des Verfahrens abzuwarten, hat er
Anspruch auf die beantragte Leistung im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes. Zwar sind im
Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich die Erfolgsaussichten in
der Hauptsache zu prüfen. Ist aber im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und
Rechtslage nicht möglich, so ist eine Entscheidung auf der Grundlage einer Folgenabwägung
unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers einerseits und der
öffentlichen Belange des Antragsgegners andererseits vorzunehmen (vgl. Bundesverfas-
sungsgericht – BVerfG – Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – NVwZ 2005, S.
927ff.).
Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt, dass der Antragsgegner vorläufig bis zu einer Ent-
scheidung in der Hauptsache zu der begehrten Darlehensgewährung zu verpflichten ist. Ins-
besondere liegt ein streitiges Rechtsverhältnis vor, da die Antragstellerin gegen den Wider-
spruchsbescheid vom 31. März 2015 Klage erhoben hat.
Im Hinblick auf den Anordnungsanspruch ergibt sich bei der im einstweiligen Rechtsschutz-
verfahren gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung, dass ein solcher Anspruch
gegeben sein dürfte. Jedenfalls erweist sich die Ablehnung der Darlehensgewährung als
rechtswidrig. Als Anspruchsgrundlage für die Gewährung eines Darlehens zum Erwerb eines
Pkw kommt § 16f Abs. 1 SGB II in Betracht. Demnach kann die Agentur für Arbeit die Mög-
lichkeiten der gesetzlich geregelten Eingliederungsleistungen durch freie Leistungen zur Ein-
gliederung in Arbeit erweitern, wobei die freien Leistungen den Zielen und Grundsätzen des
SGB II entsprechen müssen. Leistungsträger nach dieser Vorschrift sind nicht nur die Bundes-
agentur für Arbeit, sondern auch die nach § 6a SGB II zugelassenen kommunalen Träger
(Harks in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 16f, Rn. 9), zu denen nach der
Kommunalträger-Zulassungsverordnung vom 24. September 2004 auch der Antragsgegner
gehört. Bei § 16f SGB II handelt es sich um eine eigenständige Anspruchsgrundlage, die als
Generalklausel ausgestaltet ist (Stölting in: Eicher, SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchen-
de, Kommentar, 3. Auflage 2013, § 16f Rn. 7). Sie ist auch dann anwendbar, wenn Leistun-
gen präventiv erbracht werden, etwa zur Sicherstellung einer die Hilfebedürftigkeit verringern-
den selbständigen Tätigkeit (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. Juni 2010 – L
14 AS 933/10 B, zit. nach juris: Finanzierung eines Arbeitszimmers) oder zur Abwendung des
Arbeitsplatzverlustes, sofern trotz der Erwerbstätigkeit weiter Hilfebedürftigkeit besteht (Stöl-
ting, a.a.O.), was gerade bei sog. Aufstockern wie der Antragstellerin der Fall ist (vgl. auch
Grühn in: Gagel, SGB II/SGB III, Grundsicherung/Arbeitsförderung, § 16f Rn. 6 sowie Voelzke
in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand: 2015, K § 16f Rn. 15). Aufgabe und Ziel der Grundsicherung
für Arbeitsuchende ist nämlich nach § 1 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 SGB II unter anderem, den Um-
fang der Hilfebedürftigkeit durch eine Erwerbstätigkeit zu verringern. Leistungen im Rahmen
einer Einzelförderung können als Zuschuss, Darlehen oder als Kombination beider gewährt
Seite 5/9
werden (vgl. die „Gemeinsame Erklärung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und
der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Ministerien der Länder als auf-
sichtsführende Stellen nach § 47 SGB II zu den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach
§ 16 SGB II i.V.m. §§ 45, 46 und nach § 16f SGB II“, 3. Aktualisierte Fassung: Oktober 2012,
S. 25). Hinsichtlich des möglichen Leistungsinhalts sind die nach § 16f SGB II denkbaren
Leistungen allerdings an § 20 SGB II zu messen (Grühn, a. a. O., Rn. 9). Die vom Regelbe-
darf erfassten Leistungsinhalte können grundsätzlich nicht Gegenstand der sog. freien Leis-
tungen sein (vgl. Grühn, a. a. O.).
Da der Erwerb eines Pkw nicht vom Regelbedarf abgedeckt ist, kommt insoweit grundsätzlich
eine freie Förderung nach § 16f SGB II in Betracht (so auch ausdrücklich: Gemeinsame Erklä-
rung des BMAS u.a., a.a.O., S. 44).
Voraussetzung für die Leistungsgewährung ist, da es sich um eine Eingliederungsleistung
handelt, ferner die Einhaltung der in § 3 Abs. 1 Satz 1 SGB II normierten Grundsätze (Stölting,
a.a.O.). Eine freie Leistung kann demnach nur dann erbracht werden, wenn sie zur Vermei-
dung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit für die Einglie-
derung erforderlich ist. Dies hat die Antragstellerin im Hinblick auf die begehrte Darlehensge-
währung für den Kauf eines Pkw glaubhaft gemacht. Sie hat an Eides statt versichert, dass
sie nicht auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen kann. Diese Ausführungen sind - bei der
im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung – nachvoll-
ziehbar. So ist unbestritten, dass die Antragstellerin schon bislang einen Pkw besaß, mit dem
sie die Arbeitsstelle erreicht hat. Aus den von ihr vorgelegten Stundenzetteln (Bl. 88 bis 91
GA) ergibt sich, dass der morgendliche Arbeitsbeginn – auch an Sonntagen – um 6.00 Uhr
oder 6.30 Uhr liegt. Bei Arbeitsbeginn um die Mittagszeit liegt das Arbeitsende um 20.30 Uhr.
Bereits diese Uhrzeiten stellen üblicherweise in weniger großen Städten wie G. eine Heraus-
forderung dar, wenn es um die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel geht. Hinzu kommt, dass
die Antragstellerin an unterschiedlichen Arbeitsstellen zum Einsatz kommt. Die vorgelegten
Stundenzettel für den Monat April belegen zwei verschiedene Arbeitsstätten. Die eingereichte
Bestätigung des Arbeitgebers (Bl. 101 Gerichtsakte - GA) schildert die Rahmenbedingungen
ihrer Tätigkeit derart, dass sie auch kurzfristig im Raum K. L., M., N., O., P. und Q. eingesetzt
werden könne. Für die Einsätze sei Mobilität mit dem Pkw zwingend erforderlich. Die Schicht-
zeiten seien mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu realisieren und der Wechsel erfolge in-
nerhalb weniger Tage. Diese Angaben entsprechen der in § 1 Nr. 1 des Arbeitsvertrages ent-
haltenen Regelung, wonach die Antragstellerin bei Kunden der H. GmbH an verschiedenen
Orten eingesetzt wird (Bl. 788 VA).
Gegen eine Darlehensgewährung zum Erwerb des Pkw spricht auch nicht der Umstand, dass
das Fahrzeug bereits auf den Namen des Sohnes der Antragstellerin zugelassen wurde und
Seite 6/9
sie das Fahrzeug faktisch bereits besitzt. Die Antragstellerin hat an Eides statt versichert,
dass der Autohändler sich darauf eingelassen habe, den alten Pkw unter Anrechnung von 400
Euro in Zahlung zu nehmen und im Übrigen auf eine kurzfristige Zahlung des Antragsgegners
zu warten. Der Kaufvertrag vom 2. März 2015 (Bl. 69 GA) und das Schreiben des Verkäufers
vom 9. April 2015 bestätigen diese Angaben. Soweit der Antragsgegner im Verwaltungsver-
fahren angedeutet hat, dass möglicherweise die volle Kaufpreissumme bereits beglichen wor-
den sei, fehlen hierfür Anhaltspunkte. Die Antragstellerin und der Verkäufer müssten aller-
dings mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen, wenn sich dies im Hauptsacheverfahren
bewahrheiten sollte.
Auch der kurze zeitliche Abstand zwischen Einholung von Kostenvoranschlägen und dem
Erwerb des Pkw spricht nicht gegen die Glaubhaftigkeit der von der Antragstellerin gemachten
Angaben. Hätte sie längere Zeit mit dem Erwerb eines Pkw gewartet, so hätte man ihr umge-
kehrt vorhalten können, dass dieser offensichtlich nicht dringend benötigt werde.
Gegen einen Anordnungsanspruch spricht schließlich auch nicht, dass die Antragstellerin den
Pkw erworben hat, noch bevor sie den schriftlichen Antrag eingereicht und der Antragsgegner
über diesen abschließend entschieden hatte. Eine Antragstellung hat der Antragsgegner
selbst bereits im Anruf der Antragstellerin am 2. März 2015 gesehen, wie dem Vermerk auf Bl.
1063 der Verwaltungsakte zu entnehmen ist. Auch die in § 16f Abs. 2 Satz 1 vorgesehene
Beschreibung des Leistungsziels durch den Leistungsträger ist ohne Weiteres noch nach Er-
werb des Pkw und vor der Darlehensbewilligung möglich. Anders als der Antragsgegner in der
Verwaltungsakte vermerkt hat (Bl. 1062), folgt aus dem bereits erfolgten Pkw-Erwerb kein
grundsätzlicher Förderausschluss.
Auch der vom Antragsgegner angeführte und in § 3 Abs. 1 Satz 4 SGB II verankerte Grund-
satz von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit spricht bei summarischer Betrachtung nicht ge-
gen die Darlehensgewährung. Dass die Reparatur des alten Pkw unwirtschaftlich gewesen
wäre, hat der Antragsgegner selbst anerkannt (vgl. Bl. 1001 VA). Die vom Antragsgegner be-
nannte 2000-Euro-Grenze für den Neuerwerb findet keine direkte Stütze im Gesetz und die
Einschätzung, dass der gekaufte Pkw nicht marktpreisgerecht sei, muss im Hauptsachever-
fahren überprüft werden. Auch ein Pkw für 2.400 Euro erscheint nicht von vornherein unwirt-
schaftlich.
Der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis der Antragstellerin bis Ende Oktober 2015 befristet
ist, spricht ebenfalls nicht gegen dessen Sicherung durch die Darlehensgewährung. Auch eine
zeitlich begrenzte Verringerung der Hilfebedürftigkeit ist ein legitimes und anzustrebendes Ziel
von Eingliederungsleistungen. Im Übrigen führen befristete Arbeitsverhältnisse nicht selten zu
unbefristeten und damit zur dauerhaften Überwindung oder Verringerung der Hilfebedürftig-
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keit. Offensichtlich fordert auch der Antragsgegner selbst nach seiner Verwaltungspraxis für
derartige Eingliederungsleistungen ein zum Zeitpunkt der Antragstellung noch für mindestens
sechs weitere Monate laufendes Arbeitsverhältnis (Aktenvermerk Bl. 1063 VA).
Liegen somit die Voraussetzungen des § 16f SGB II nach summarischer Prüfung vor, so ge-
währt die Norm einen Anspruch auf eine Ermessensentscheidung des Leistungsträgers. Ein
gebundener Anspruch auf die Gewährung eines Darlehens ließe sich nur bei einer Ermes-
sensreduzierung auf Null begründen.
Bei summarischer Prüfung erweist sich die ablehnende Entscheidung des Antragsgegners als
ermessensfehlerhaft. So ist nicht nachvollziehbar begründet worden, warum der Antragsgeg-
ner eine Begrenzung auf genau 2.000 Euro vornimmt. Auch muss im Hauptsacheverfahren
geprüft werden, ob der Antragsteller die individuelle Lebenssituation der Antragstellerin, ins-
besondere ihre familiäre Situation im Rahmen seiner Ermessensentscheidung berücksichtigt
hat, wie es § 3 Abs. 1 Nr. 2 SGB II vorsieht. Dagegen spricht, dass er dies im angefochtenen
Bescheid nicht erwähnt hat. Im Aktenvermerk auf Bl. 1062 der Verwaltungsakte wird ausführt,
dass die familiäre Situation der Antragstellerin höchst bedauerlich sei und es ihr hoch anzu-
rechnen sei, dass sie trotz ihrer behinderten Kinder einer beruflichen Tätigkeit nachgehe.
Nichtsdestoweniger habe kein Entscheidungsspielraum bestanden. Dies belegt, dass die fa-
miliäre und individuelle Situation der Antragstellerin gerade nicht in eine Abwägung einbezo-
gen wurde und die im SGB II angelegte Individualisierung der Leistungserbringung (vgl. Grei-
ser in: Eicher, SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchende, Kommentar, 3. Auflage 2013, § 3
Rn. 9) gerade nicht erfolgt ist.
Der Senat lässt offen, ob - wofür durchaus nicht unerhebliche Anhaltspunkte bestehen - eine
Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. Die Antragstellerin hat nämlich unter Berücksichti-
gung des ebenfalls glaubhaft gemachten Anordnungsgrundes zumindest aufgrund der im vor-
liegenden Fall gebotenen Folgenabwägung Anspruch auf Erlass der begehrten einstweiligen
Anordnung.
Die Eilbedürftigkeit und daraus folgend ein Anordnungsgrund ergeben sich aus dem Umstand,
dass die Antragstellerin glaubhaft gemacht hat, dass sie für die Ausübung ihrer Berufstätigkeit
auf einen Pkw angewiesen ist und ohne Pkw die reale Gefahr des alsbaldigen Arbeitsplatzver-
lustes besteht. Es erscheint auch glaubhaft, dass der Verkäufer tatsächlich den Pkw zurück-
fordern wird, wenn die Zahlung des Kaufpreises ausbleibt. Der Prozessbevollmächtigte hat
nach eigenen Angaben mit dem Autoverkäufer telefoniert und dessen Zuwarten bis Anfang
Mai erreicht. Daraus folgt, dass ein Abwarten auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren
nicht zumutbar ist. Der drohende Verlust des Arbeitsplatzes wäre durch eine erst im Haupt-
sacheverfahren ergehende Entscheidung nicht mehr rückgängig zu machen.
Seite 8/9
Demgegenüber sind die Folgen für den Antragsgegner auch angesichts des Umstandes, dass
er zur wirtschaftlichen und sparsamen Leistungserbringung angehalten ist, überschaubar. Er
wird lediglich zur Darlehensgewährung verpflichtet und dürfte keinen endgültigen Verlust er-
leiden, zumal die Antragstellerin sich mit der Zahlung von Raten in Höhe von 200 Euro monat-
lich einverstanden erklärt hat.
Da die Rechtsverfolgung aus den genannten Gründen erfolgreich und die Antragstellerin pro-
zessarm ist, war ihr für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
C.
D.
Dr. E.
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SG KI, S 36 AS 1459/13 vom 30.04.2015, Sozialgericht Kiel
anselmf
Az.: S 36 AS 1459/13
SOZIALGERICHT KIEL
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
ln dem Rechtsstreit
1. Frau . Kiel
2. Herrn , Kiel
3. Herrn Kiel
4. Herrn , Kiel.
- Kläger -
Prozessbevollmächtigter ‚ zu 1—4: Rechtsanwalt Helge Hildebrandt,
Holtenauer Straße 154, 24105 Kiel
256/13
gegen
Jobcenter Kiel, vertreten durch den Geschäftsführer, Adolf-Westphal-Straße 2, 24143 Kiel
- Beklagter -
hat die 36. Kammer des Sozialgerichts Kiel auf die mündliche Verhandlung vom 30. April
2015 in Kiel durch den Richter am Sozialgericht , den ehrenamtlichen Richter
den ehrenamtlichen Richter für Recht erkannt:
Der Bescheid des Beklagten vom 18.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbe-
scheides vom 24.10.2013 wird abgeändert, und der Beklagte wird verurteilt, den
Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Widerspruchsverfah-
ren W 2264/13 zu erstatten.
Der Beklagte erstattet den Klägern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten
dieses Verfahrens.
Rechtsmittelbelehrung
Dieses Urteil kann nur dann mit der Berufung angefochten werden, wenn sie nachträglich zugelassen
wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Berufung mit der Beschwerde angefochten wer-
den.
Die Berufung ist zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
- das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemein-
samen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht
und auf dieser Abweichung beruht oder
- ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird
und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem
Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgericht
Gottorfstr. 2
24837 Schleswig
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten einzulegen.
Die Frist beträgt bei einer Zustellung im Ausland drei Monate.
Die Beschwerdeschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen und die zur Begründung dienenden i
Tatsachen und Beweismittel angeben.
- 3 -
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Erstattung von Kosten eines Widerspruchsverfahrens.
Die Kläger beziehen dauerhaft Leistungen nach dem SGB II vom Beklagten. Sie leben in ei-
ner Wohnung, für die monatlich Kosten oberhalb der vom Beklagten angesetzten Mietober—
grenze anfallen. Hierauf wurden die Kläger erstmals mit Schreiben vom 06.04.2010 hinge-
wiesen. Wegen nachgewiesener dauerhafter gesundheitlicher Einschränkungen hat der Be-
klagte in der Folge jedoch keine Absenkung vorgenommen.
Mit Schreiben vom 17.01.2013 forderte der Beklagte die Kläger erneut zur Senkung der
Unterkunftskosten auf. Die Kosten für die von Ihnen bewohnte Unterkunft sei zu hoch und
müsse innerhalb von sechs Monaten durch Umzug oder Untervermietung gesenkt werden.
Das Schreiben enthielt zudem die Bitte, sich im Fall der Unzumutbarkeit an die zuständige
Integrationsfachkraft zu wenden; die bisher berücksichtigten gesundheitlichen Einschrän—
kungen wurden nicht erwähnt. In der Folge gab es wiederholten telefonischen Kontakt, wobei
der Inhalt der Gespräche umstritten ist.
Mit Bescheid vom 26.07.2013 gewährte der Beklagte den Klägern Leistungen für den Zeit—
raum August 2013 bis Januar 2014 unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in
Höhe der Mietobergrenze.
Hiergegen erhoben die Kläger mit der Begründung Widerspruch, es sei Ihnen aus verschie-
denen Gründen nicht zumutbar umzuziehen. So seien der Schulbesuch der Kinder, die be-
vorstehende Verkleinerung der Bedarfsgemeinschaft und die gesundheitlichen Einschrän-
kungen zu berücksichtigen. Außerdem sei die vom Beklagten angesetzte Mietobergrenze
ohnehin fehlerhaft festgesetzt.
Mit Abhilfebescheid vom 18.10.2013 half der Beklagte dem Widerspruch in der Sache ab.
Kosten seien für das Widerspruchsverfahren jedoch nicht zu erstatten, da die Kläger erst-
mals im Laufe des Widerspruchsverfahrens aktuelle medizinische Nachweise vorgelegt hät-
ten, die die Unzumutbarkeit des Umzuges belegten.
Gegen diese Kostenentscheidung erhoben die Kläger Widerspruch. Der Beklagte habe seit
Jahren Kenntnis von den dauerhaften gesundheitlichen Einschränkungen. Außerdem sei hie-
rauf von der Klägerin zu 1. auch im Laufe des Kostensenkungsverfahrens ausdrücklich im
Rahmen der telefonischen Kontakte hingewiesen worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2013 wies der Beklagte den Widerspruch aus den
Gründen des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück.
Mit der vorliegenden Klage machen die Kläger geltend, es bestehe ein Anspruch auf Erstat—
tung der Kosten des Widerspruchsverfahrens, da sie die entsprechenden Angaben nicht erst
nach Erlass des Bescheides vom 26.07.2013 gemacht hätten. Außerdem fehle es auch an
einer entsprechenden Mitwirkungsaufforderung durch den Beklagten.
- 4 -
Die Kläger beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 18.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 24.10.2013 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern die not—
wendigen außergerichtlichen Kosten für das Widerspruchsverfahren W 2264/13 zu er-
statten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seine Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden. Ausweislich der in der
Verwaltungsakte befindlichen Vermerke seien von den Klägern im Kostensenkungsverfahren
keine Angaben zu den gesundheitlichen Einschränkungen gemacht worden
Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten haben der erkennenden Kammer '
vorgelegen und. sind Grundlage der vorliegenden Entscheidung. Hinsichtlich der Einzelheiten
des Sach- und Streitstandes wird auf diese Unterlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Kostenentscheidung des angegriffenen Abhilfebescheides erweist sich als rechtswidrig
und verletzt die Kläger in ihren Rechten.
Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen
Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen. der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckent-
sprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Wider-
spruch erfolgreich ist. Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, aus weichen Gründen '
ein Widerspruch erfolgreich gewesen ist. ‘
Erfolgreich ist ein Widerspruch im Sinne des § 63 SGB X jedoch regelmäßig nur dann, wenn
er auch ursächlich für die abhelfende Entscheidung ist. Dies ist nach der Rechtsprechung
regelmäßig dann nicht der Fall, wenn die abhelfende Entscheidung zum Beispiel auf der
Nachholung von Mitwirkungspflichten oder veränderten Tatsachen beruht.
Es kann insofern vorliegend dahin stehen, ob die Kläger im Rahmen des Kostensenkungs-
verfahrens auf die fortbestehenden gesundheitlichen Einschränkungen hingewiesen haben,
denn es fehlt bereits an einer entsprechenden Mitwirkungsverpflichtung.
-5-
Die die Kostenfolge des § 63 SGB X ausschließende Nachholung einer Mitwirkungshandlung
setzt nämlich zunächst voraus, dass eine entsprechende Mitwirkungsverpflichtung besteht.
Welche Mitwirkungspflichten bestehen, ergibt sich im Wesentlichen aus § 60 SGB l. Danach
besteht insbesondere die Pflicht, alle leistungserheblichen Tatsachen und alle diesbezüglich
erfolgenden Änderungen mitzuteilen. Die leistungserheblichen Angaben sind dabei grund-
sätzlich mit den in den entsprechenden Antragsformularen abgefragten Sachverhalten iden-
tisch. Insoweit sind aber keine fehlerhaften oder unzureichenden Angaben der Kläger er-
sichtlich. Gleiches gilt für die Mitteilung leistungserheblicher Änderungen, da hinsichtlich der
gesundheitlichen Einschränkungen gerade keine Änderung der Tatsachen vorliegt. Weiter—
gehende Mitwirkungspflichten bestehen aber nur insoweit, wie die Behörde den Leistungs-
bezieher hierzu ausdrücklich auffordert. Dies gilt auch dann, wenn die Behörde das Fortbe-
stehen bestimmter Umstände — wie hier der gesundheitlichen Einschränkungen - überprüfen
will, denn ohne eine solche Aufforderung sieht das Gesetz keine Verpflichtung vor, unverän-
derte Tatsachen in bestimmten Abständen erneut durch entsprechende Nachweise zu bele-
gen. Es besteht dann ein Spannungsfeld zwischen Mitwirkung (§§ 60 ff. SGB I) und. Amtser—
mittlung (§ 20 SGB X). Will die Behörde eine grundsätzlich bekannte und in der Vergangen-
heit bereits belegte Tatsache auf ihr Fortbestehen überprüfen, muss sie dies von Amts we-
gen selbst ermitteln. Benötigt sie dafür die Mitwirkung des Betroffenen (z.B. weil sie aus
Gründen der Schweigepflicht keinen Zugang zu medizinischen Unterlagen erhält), muss sie
diesen individuell und konkret hierzu auffordern.
Dies ist vorliegend jedoch nicht erfolgt. Die Kostensenkungsaufforderung vom 17.01.2013
enthält zwar alle für den Standardfall erforderlichen Angaben, sie fordert die Kläger aber
nicht auf, neue Nachweise über ihre gesundheitliche Situation vorzulegen. Dies wäre aber
aufgrund der Umstände des konkreten Falles erforderlich gewesen, da gerade hierauf das
bisherige Absehen von einer Kostensenkung beruhte. Insofern reicht auch der allgemeine
Hinweis auf die Benennung von Gründen für eine Unzumutbarkeit des Umzugs nicht aus,
wenn konkrete Gründe bislang für eine Unzumutbarkeit als ausreichend angesehen worden
sind. Denn wenn der Behörde ein derart konkreter Sachverhalt bekannt ist, muss sie diesen
auch konkret im Rahmen der bestehenden Pflicht zur Amtsermittlung überprüfen und kann
dies nicht durch einen pauschalen Hinweis auf den Leistungsbezieher abwälzen. Ein solcher
allgemeiner Hinweis ist allenfalls dann ausreichend, wenn für die Behörde nach Aktenlage
keinerlei Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit des Umzuges bestehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und orientiert sich am_Ergebnis in der
Hauptsache.
Richter am Sozialgericht
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Kilometerpauschale für Krankenfahrten
anselmf
Gekürzte Chronologie
der Petition Pet 2-17-15-8271-052556
Kilometerpauschale für Krankenfahrten
04.07.2013 Kurzfassung der Petition
Petition an den Deutschen Bundestag
(mit der Bitte um Veröffentlichung)
Titel Sozialrecht - Kilometerpauschale für Krankenfahrten
Seite 2
Wortlaut der Petition
Der Deutsche Bundestag möge beschließen
"Es wird klargestellt, dass der Bezug auf den Höchstbetrag in § 60 Abs. 1 Nr. 4 SGB V so zu verstehen ist,
dass für Krankenfahrten die höchste im Bundesreisekostengesetz genannte Kilometerpauschale maßgebend
ist. Derzeit ist diese 30 Cent."
Die Petition betrifft die Kilometerpauschale, die von der gesetzlichen Krankenversicherung für Fahrten mit
einem privaten Kfz gezahlt wird. Sie ist darauf gerichtet, den gesetzmäßigen Zustand wieder herzustellen.
Begründung
Einschlägig ist für die Bestimmung der Kilometerpauschale § 60 SGB V.
§ 60 Abs. 1 Nr. 4 SGB V lautet auszugsweise
"Als Fahrkosten werden anerkannt ... bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für jeden gefahrenen
Kilometer den jeweils auf Grund des Bundesreisekostengesetzes festgesetzten Höchstbetrag für
Wegstreckenentschädigung ... "
Der maßgebende Auszug des § 6 Abs. 1 des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) über
Wegstreckenentschädigung lautete in der Fassung vor dem 01.09.2005
"Für Strecken, die der Dienstreisende mit einem ihm gehörenden Kraftfahrzeug zurückgelegt hat, wird als
Auslagenersatz eine Wegstreckenentschädigung gewährt, und zwar je Kilometer bei Benutzung von
1. Kraftfahrzeugen mit einem Hubraum bis 80 ccm 10 Cent,
2. Kraftfahrzeugen mit einem Hubraum von mehr als 80 bis 350 ccm 13 Cent,
3. Kraftfahrzeugen mit einem Hubraum von mehr als 350 bis 600 ccm 16 Cent,
4. Kraftfahrzeugen mit einem Hubraum von mehr als 600 ccm 22 Cent."
Die Krankenkassen haben zur damaligen Zeit ohne Ermittlung des Hubraums des Fahrzeugs unterschiedslos
22 Cent erstattet. Dies entspricht dem Wortlaut der Norm, da § 60 Abs. 1 Nr. 4 SGB V ausdrücklich den
Höchstbetrag vorschreibt und diese lex specialis somit die Unterscheidung nach Hubraum außer Kraft setzt.
Seit 01.09.2005 ist die Wegstreckenentschädigung nach den Vorschriften des § 5 Abs. 1 Satz 2 und
§ 5 Abs. 2 Satz 1 in 20 Cent beziehungsweise 30 Cent differenziert. Eine strikte gesetzliche Vorgabe, wie
vormals die Bindung an den Hubraum, existiert innerhalb des Bundesreisekostengesetzes nicht mehr, sondern
wurde durch das gebundene Ermessen des Dienstherrn ersetzt. In seiner aktuellen Fassung lautet der relevante
Teil des BRKG nunmehr
"(1) Für Fahrten mit anderen als den in § 4 genannten Beförderungsmitteln wird eine
Wegstreckenentschädigung gewährt. Sie beträgt bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges oder eines anderen
motorbetriebenen Fahrzeuges 20 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke, ...
(2) Besteht an der Benutzung eines Kraftwagens ein erhebliches dienstliches Interesse, beträgt die
Wegstreckenentschädigung 30 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke."
Seite 3
Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben beschlossen, 20 Cent zu erstatten. Eine Durchsetzung des
höheren, dem Wortlaut nach eigentlich vorgesehen Betrags von 30 Cent auf dem Rechtsweg ist nicht möglich.
Neben der Normenklarheit sprechen für die begehrte Klarstellung auch sozialstaatliche und
Gerechtigkeitsüberlegungen. Eine Kilometerpauschale von 20 Cent ist ersichtlich zu niedrig, um die
tatsächlichen Betriebskosten eines Kfz zu decken. Kosten für Fahrten zu ambulanten Behandlungen zeichnen
sich dadurch aus, dass ihnen keine sonstigen Einnahmen gegenüberstehen, wie es etwa bei Fahrten zur
Arbeitsstätte durch den Arbeitslohn der Fall sein kann. Somit kommt es bei Notwendigkeit ambulante
Behandlung mit dem Kfz aufzusuchen unweigerlich zu einem Vermögensverzehr, der bis zum Verlust des Kfz
führen kann.
Anregungen für die Forendiskussion
Einige Sachverhalte kann ich vorliegend wegen der Beschränkung der Zeichenzahl leider nur behaupten, nicht
näher erklären, siehe etwa die Behauptung, dass der Rechtsweg aussichtslos ist. Falls an vertiefenden
Ausführungen Interesse besteht, bitte ich um Nachfrage.
04.07.2013 Langfassung der Petition
Öffentliche Bitte 43893 zur Kilometerpauschale für Krankenfahrten
Der Deutsche Bundestag möge beschließen
Es wird klargestellt, dass der Bezug auf den Höchstbetrag in § 60 Abs. 1 Nr. 4 SGB V so zu verstehen ist, dass für Krankenfahrten die höchste im Bundesreisekostengesetz genannte Kilometerpauschale maßgebend ist. Derzeit ist diese 30 Cent.
Begründung:
Die Petition betrifft die Kilometerpauschale, die von der gesetzlichen Krankenversicherung für Fahrten mit einem privaten Kfz gezahlt wird. Sie ist darauf gerichtet, den gesetzmäßigen Zustand wieder herzustellen.
Einschlägig ist für die Bestimmung der Kilometerpauschale § 60 SGB V. § 60 Abs. 1 Nr. 4 SGB V lautet auszugsweise
Als Fahrkosten werden anerkannt … bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für jeden gefahrenen Kilometer den jeweils auf Grund des Bundesreisekostengesetzes festgesetzten Höchstbetrag für Wegstreckenentschädigung …
Der maßgebende Auszug des § 6 Abs. 1 des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) über Wegstreckenentschädigung lautete in der Fassung vor dem 01.09.2005
Für Strecken, die der Dienstreisende mit einem ihm gehörenden Kraftfahrzeug zurückgelegt hat, wird als Auslagenersatz eine Wegstreckenentschädigung gewährt, und zwar je Kilometer bei Benutzung von
1. Kraftfahrzeugen mit einem Hubraum bis 80 ccm 10 Cent,
2. Kraftfahrzeugen mit einem Hubraum von mehr als 80 bis 350 ccm 13 Cent,
3. Kraftfahrzeugen mit einem Hubraum von mehr als 350 bis 600 ccm 16 Cent,
4. Kraftfahrzeugen mit einem Hubraum von mehr als 600 ccm 22 Cent.
Die Krankenkassen haben zur damaligen Zeit ohne Ermittlung des Hubraums des Fahrzeugs unterschiedslos 22 Cent erstattet. Dies entspricht dem Wortlaut der Norm, da § 60 Abs. 1 Nr. 4 SGB V ausdrücklich den Höchstbetrag vorschreibt und diese lex specialis somit die Unterscheidung nach Hubraum außer Kraft setzt.
Seit 01.09.2005 ist die Wegstreckenentschädigung nach den Vorschriften des § 5 Abs. 1 Satz 2 und § 5 Abs. 2 Satz 1 in 20 Cent beziehungsweise 30 Cent differenziert. Eine strikte gesetzliche Vorgabe existiert innerhalb des Bundesreisekostengesetzes nicht mehr, sondern wurde durch das gebundene Ermessen des Dienstherrn ersetzt. In seiner aktuellen Fassung lautet der relevante Teil des BRKG nunmehr
(1) Für Fahrten mit anderen als den in § 4 genannten Beförderungsmitteln wird eine Wegstreckenentschädigung gewährt. Sie beträgt bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges oder eines anderen motorbetriebenen Fahrzeuges 20 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke, ...
(2) Besteht an der Benutzung eines Kraftwagens ein erhebliches dienstliches Interesse, beträgt die Wegstreckenentschädigung 30 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke.
Diese Änderung des BRKG war Gegenstand einer Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Leistungsrecht am 01./02. Juni 2005 in Bonn. Das Rundschreiben zu dieser Besprechung führt hierzu aus
Am 31. Mai 2005 (Bundesgesetzblatt Nr. 30; Seite 1418 ) wurde mit dem Gesetz zur Reform des Reisekostenrechts ein neues Bundesreisekostengesetz (BRKG) veröffentlicht. Das Gesetz tritt am 01. September 2005 in Kraft.
Diese Gesetzesänderung hat unmittelbaren Einfluss auf die Höhe der Fahrkosten bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs (PKW), denn nach § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V wird bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für jeden gefahrenen Kilometer der jeweils auf Grund des BRKG festgesetzte Höchstbetrag als Fahrkosten anerkannt. Das BRKG sieht in § 5 eine differenzierte Betrachtung der Kilometer-Sätze vor. Es stellt sich die Frage, welcher Satz bei Anwendung des § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V in Betracht kommt.
Besprechungsergebnis:
Mit In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Reform des Reisekostenrechts zum 01. September 2005 ist bei einer PKW-Nutzung die Wegstreckenentschädigung nach § 5 Abs. 1 BRKG in Höhe von 20 Cent je Kilometer bei Anwendung des § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V maßgebend. Eine Differenzierung der Wegstreckenentschädigung unter Berücksichtigung des höheren Kilometersatzes nach § 5 Abs. 2 BRKG kommt nicht in Betracht, da es in den Leistungsfällen an einem "erheblichen dienstlichen Interesse" mangelt.
Die Krankenkassen haben sich also entschlossen, die lex specialis, dass der Höchstbetrag und nicht etwa der Betrag nach dem BRKG zu wählen ist, ab 01.09.2005 zu ignorieren und stattdessen das BRKG direkt anzuwenden. Warum so vorzugehen ist wird nicht begründet. Dadurch ergibt sich das Problem, wie es nunmehr überhaupt möglich sein soll, einen Kilometersatz für Krankenfahrten zu ermitteln, da ja das BRKG in der neuen Fassung nach dienstlichem Interesse unterscheidet, indem es bei erheblichem im Gegensatz zu nur gewöhnlichem dienstlichem Interesse 30 Cent statt 20 Cent zugesteht. Der Versicherte steht aber gegenüber seiner Krankenkasse in keinem Dienstverhältnis. Die bisherige Interpretation, dass das Wort „Höchstbetrag“ eine lex specialis Regelung vorgibt würde hingegen keinen Problemen begegnen, da dann wie vormals die Differenzierung nach Hubraum nunmehr die Differenzierung nach Erheblichkeit des dienstlichen Interesses ohne Belang wäre und der Höchstbetrag der gegebenen Kilometersätze, also nunmehr 30 Cent, zu wählen wäre.
Die Spitzenverbände der Krankenkassen lösen dieses Problem dadurch, dass sie eine Festlegung auf 20 Cent treffen. Sie begründen dies damit, dass es in den Leistungsfällen an einem "erheblichen dienstlichen Interesse" mangle ohne näher zu erklären, warum dem so ist. Gleichzeit sagen sie damit unausgesprochen, dass ein gewöhnliches dienstliches Interesse vorliegt, denn andernfalls käme nach dem BRKG überhaupt keine Erstattung in Frage (§ 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 und § 13 Abs. 1 Satz 1 BRKG). Warum die Spitzenverbände der Krankenkassen zu der Auffassung gelangten, Krankenfahrten wären gerade mit gewöhnlichen Dienstreisen ohne erhebliches Interesse gleichzusetzen, ist ebensowenig ersichtlich wie warum sie das Wort Höchstbetrag mit Betrag gleichsetzen.
Den Antrag B 1 KR 6/10 BH, der unter anderem zum Ziel hatte, die Korrektheit dieser Festlegung durch die Spitzenverbände der Krankenkassen zu überprüfen, wurde vom Bundessozialgericht am 21.05.2010 abgelehnt, da es sich nicht um eine klärungsbedürftige Frage handle, da ihre Beantwortung so gut wie unbestritten sei oder die Antwort von vorneherein praktisch außer Zweifel stehe. Hierzu führt das Bundessozialgericht wie folgt aus
Auch unabhängig von einer höchstrichterlichen Klärung ist indes eine Rechtsfrage dann als nicht klärungsbedürftig anzusehen, wenn ihre Beantwortung so gut wie unbestritten ist (vgl zB BSG SozR 1500 § 160 Nr 17) oder die Antwort von vorneherein praktisch außer Zweifel steht (vgl zB BSGE 40, 40 = SozR 1500 § 160a Nr 4). So liegt es hier bei der vom Kläger indirekt aufgeworfenen Frage unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien (vgl BT-Drucks 12/3608 S 82) und dem Sinn und Zweck der Verweisungsregel in § 60 Abs 3 Nr 4 SGB V, die für den Ausnahmefall des § 5 Abs 2 Satz 2 BRKG keinen Anwendungsraum bietet.
Was nach Ansicht des Bundessozialgerichts der Sinn und Zweck der Verweisungsregel ist, wird von diesem nicht weiter erklärt. Der betreffende Abschnitt der Bundestagsdrucksache 12/3608 lautet
Zu Buchstabe b)
Die Regelung nach der für jeden gefahrenen Kilometer 0,31 DM anerkannt werden, entsprach bei ihrer Einführung durch das Gesundheitsreformgesetz zum 1. Januar 1989 dem seinerzeit geltenden Höchstsatz für die Wegstreckenentschädigung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Bundesreisekostengesetz (BRKG). Dieser Höchstsatz wurde durch die Verordnung zur Änderung reisekostenrechtlicher Vorschriften des Bundesministeriums des Inneren vom 29. November 1991 (BGBl. S 2154) mit Wirkung vom 1. Oktober 1991 im Hinblick auf die geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse auf 0,38 DM erhöht. Künftige Anpassungen sollen nunmehr auch für die Kilometerpauschale der gesetzlichen Krankenversicherung gelten.
Dies bezieht sich auf Seite 8 Nr. 28 derselben Drucksache die ausführt
§ 60 wird wie folgt geändert
b) in Absatz 3 Nr. 4 wird die Bezeichnung „31 Deutsche Pfennige“ ersetzt durch „ den jeweils auf Grund des Bundesreisekostengesetzes festgesetzten Höchstbetrag für Wegstreckenentschädigung“
Durch Rückänderung folgt, dass das Gesetz im Endeffekt wie folgt geändert wurde. Von
Als Fahrkosten werden anerkannt … bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für jeden gefahrenen Kilometer 31 Deutsche Pfennige ...
zu
Als Fahrkosten werden anerkannt … bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für jeden gefahrenen Kilometer den jeweils auf Grund des Bundesreisekostengesetzes festgesetzten Höchstbetrag für Wegstreckenentschädigung …
Die Begründung des Gesetzgebers hierfür ist, dass sich der Kilometersatz in Zukunft dynamisch mit Änderung des BRKG ändern solle, wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die bisher direkt im Gesetz angegebene Erstattungshöhe sich am Höchstsatz des BRKG orientierte. Als nun mit der Änderung des BRKG zum 01.09.2005 der Änderungsfall eintrat, für den der Gesetzgeber die Dynamisierung vorgesehen hatte, stieg der Höchstsatz des BRKG von 22 Cent auf 30 Cent, gleichzeitig sank der Kilometersatz für Krankenfahrten von 22 Cent auf 20 Cent. Es ist nicht erkennbar, warum es Sinn und Zweck der Dynamisierung gewesen sein soll, diese gegenläufige Veränderung auszulösen. Dass die Spitzenverbände der Krankenkassen die Auswirkung der Änderung des BRKG zu einem Tagesordnungspunkt machten, also offenbar Klärungs- und Abstimmungsbedarf sahen, stützt ebenfalls nicht die Meinung des Bundessozialgerichts, die Auslegung sei so gut wie unbestritten oder die Antwort würde von vorneherein praktisch außer Zweifel stehen.
Neben der Normenklarheit sprechen für die begehrte Klarstellung auch sozialstaatliche und Gerechtigkeitsüberlegungen.
Eine Kilometerpauschale von 20 Cent ist ersichtlich zu niedrig, um die tatsächlichen Betriebskosten eines Kfz zu decken. So beliefen sich laut „ADAC Autokosten“ etwa schon 2009 Kosten eines Toyota Yaris 1.33 bei üblicher Nutzung auf 31,6 Cent pro km. Kosten für Fahrten zu ambulanten Behandlungen zeichnen sich auch dadurch aus, dass ihnen keine sonstigen Einnahmen gegenüberstehen, wie es etwa bei Fahrten zur Arbeitsstätte durch den Arbeitslohn der Fall sein kann. Somit kommt es bei Notwendigkeit ambulante Behandlungen mit dem Kfz aufzusuchen unweigerlich zu einem Vermögensverzehr. Ist kein genügend hohes sonstiges Einkommen oder Vermögen vorhanden, führt dies früher oder später zum Verlust des Fahrzeugs, etwa können Reparaturen nicht mehr bezahlt werden oder eine erforderliche Anschaffung ist nicht möglich, da hierfür nicht angespart werden konnte. Sind aber weiterhin Behandlungen und somit weitere Transporte erforderlich müssen diese etwa per Taxi erfolgen, was zu Kostensteigerung führen kann, soweit eine solche Lösung rechtlich überhaupt zulässig ist.
Nämlich gehen die Krankentransport-Richtlinien (KrTransp-RL) schon der Langbezeichnung als „Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten“ nach sowie gemäß § 1 KrTransp‑RL und aufgrund der Regel-Ausnahme Formulierung von § 2 sowie § 7 KrTransp-RL anscheinend davon aus, dass außer in den explizit genannten Ausnahmen jeder Krankentransport einer Verordnung bedarf (so auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 9 KR 100/06 vom 10.09.2008). Ein Taxitransport ist jedoch keine der explizit genannten Ausnahmen und bedarf also somit einer Verordnung. Diese darf gemäß § 7 Abs. 3 KrTransp-RL nur erfolgen, „wenn der Versicherte aus zwingenden medizinischen Gründen öffentliche Verkehrsmittel oder ein privates Kraftfahrzeug nicht benutzen kann.“ Es ist fraglich, ob das schlichte Nichtvorhandensein eines privaten Kraftfahrzeugs als zwingender medizinischer Grund gilt, denn etwa hat das Hessische Landessozialgericht im Urteil L 1 KR196/04 vom 06.09.2005 zum Fall eines täglich notwendigen Arztbesuchs im Rahmen einer Methadontherapie ausgeführt
Nach der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 15/1525 vom 8. September 2003, Seite 94) hat der behandelnde Arzt zu entscheiden, ob und inwieweit zwingende medizinische Gründe vorliegen. Fahrten zur ambulanten Behandlung bedürfen der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse und dürfen nur in ganz besonderen Ausnahmefällen von den Krankenkassen übernommen werden.
Eine solche medizinische Notwendigkeit und insbesondere die Voraussetzung, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist, liegt bei der Klägerin nicht vor. Sie hebt vielmehr darauf ab (vgl. insbesondere Schriftsatz vom 11. Mai 2004 im Verfahren S 12 KR 950/04 ER), dass sie als Bezieherin von Hilfe zum Lebensunterhalt und allein erziehende Mutter aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sei, die Kosten zur Methadon-Substitution zu bezahlen. Dies sind zwar nachvollziehbare finanzielle Gründe, jedoch keine zwingenden medizinischen Gründe. In der Stellungnahme vom 27. April 2004 führt Dr. G. vom MDK überzeugend aus, dass es sich bei der Heroinabhängigkeit, die zur Substitutionstherapie geführt hat, nicht um ein Krankheitsbild handelt, das in seiner Schwere mit einem Nierenversagen mit Dialysepflicht oder einem bösartigen Tumor mit onkologischer Therapie vergleichbar sei. Vergleichbar seien Substitutionspatienten vielmehr mit Patienten, die einer dauerhaften medikamentösen Therapie bedürften, wie beispielsweise insulinpflichtige Diabetiker. Auch hier sei eine regelmäßige, mehrfach täglich Therapie notwendig, die allerdings selbständig durch die Patienten erfolge. Eine solche Form der häuslichen Therapie sei medizinisch gesehen auch bei der Substitution möglich. Die Notwendigkeit, die Substitution innerhalb der Praxis durchzuführen, bestehe nämlich nicht aufgrund medizinischer Sachverhalte, sondern werde durch die Richtlinien der Bundesärztekammer i. V. m. der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung begründet. Somit fehle allein deshalb schon die zwingende medizinische Notwendigkeit.
Eine bloße Notwendigkeit im Zusammenhang mit einer erforderlichen Behandlung, auch wenn sie wie hier absolut zwingend, da durch Rechtsvorschriften gegeben ist, ist daher nicht ausreichend, eine medizinische Notwendigkeit zu begründen.
30.08.2013 Schreiben des Bundesministerium für Gesundheit
Bundesministerium
für Gesundheit
Gesetzliche Krankenversicherung — Leistungen — ;
Der Petent fordert, die Wegstreckenentschädigung für die Nutzung eines privaten Pkw für
Fahrten zu ambulanten Behandlungen von 20 auf 30 Eurocent zu erhöhen.
Zunächst ist anzumerken, dass es sich bei der Erstattung von Fahrkosten nach § 60 SGB V nicht
um eine Hauptleistung, sondern um eine Nebenleistung der gesetzlichen Krankenversicherung
handelt.
Die Krankenkassen übernehmen im Rahmen des § 60 Absatz 1 bis 3 SGB V in Verbindung mit
den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschuss über die Verordnung von Krankenfahrten,
Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach § 92 Absatz 1 Nummer 12 SGB V
(Krankentransport-Richtlinien) die Kosten von Fahrten, wenn die Fahrten im Zusammenhang
mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig ist. Die
Versicherten haben, soweit keine Zuzahlungsbefreiung nach § 62 SGB V vorliegt, dabei nach § 61
Satz 1 SGB V entsprechende Zuzahlungen zu leisten.
Gemäß § 60 Absatz 1 Satz 2 SGB V bestimmt die medizinische Notwendigkeit, welches Fahrzeug
im Einzelfall benutzt werden kann. Bei der Auswahl des jeweiligen Transportmittels ist daher
von dem verordnenden Arzt vor allem der Gesundheitszustand des jeweiligen Versicherten zu
berücksichtigen. In Übereinstimmung hiermit regelt § 4 der Krankentransport-Richtlinien, dass
bei der Art der Beförderung ausschließlich die zwingende medizinische Notwendigkeit im
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Einzelfall maßgeblich ist, wobei der Gesundheitszustand des Patienten und dessen Gehfähigkeit
zu berücksichtigen sind. Erstattungsfähig sind, in den von § 60 Absatz 3 SGB V vorgegebenen
Grenzen, die Fahrkosten, die bei der Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels, der
Benutzung eines Taxis oder Mietwagens, der Benutzung eines Kranken- oder Rettungsfahrzeuges
und der Benutzung eines privaten Kraftfahrzeuges entstehen.
Die Reihenfolge der in § 60 Absatz 3 Nummer 1 bis 4 SGB V genannten Verkehrsmittel spiegelt
wider, welche Verkehrsmittel aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebotes vorrangig zu benutzen
sind. In erster Linie sollen die erforderlichen Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln
durchgeführt werden (§ 60 Absatz 3 Nr. 1 SGB V). Nachrangig soll die Benutzung eines Taxis oder
Mietwagens (§ 60 Absatz 3 Nr. 2 SGB V) erfolgen und erst wenn dies alles nicht möglich ist,
kommt die Benutzung eines Krankenkraftwagens oder Rettungsfahrzeuges (§ 60 Absatz 3 Nr. 3
SGB V) in Betracht. Die Anerkennung von Fahrkosten bei der Benutzung eines privaten
Kraftfahrzeugs (§ 60 Absatz 3 Nr. 4 SGB V) hängt zwar nicht davon ab, dass ein anderes
Verkehrsmittel nicht benutzt werden kann, allerdings werden höchstens die Kosten anerkannt,
die bei der Inanspruchnahme des nach Nummern 1 bis 3 erforderlichen Transportmittels
entstanden wären.
Nach § 60 Absatz 3 Nr. 4 SGB V wird bei der Benutzung eines privaten Kraftfahrzeuges für jeden
gefahrenen Kilometer der jeweils auf Grund des Bundesreisekostengesetzes - BRKG -
festgesetzte Höchstbetrag für Wegstreckenentschädigung erstattet, begrenzt allerdings auf den
Betrag der Kosten, die bei Inanspruchnahme des nach § 60 Absatz 3 Nr. 1-3 SGB V erforderlichen
Transportmittels entstanden wären. Gemäß § 5 Absatz 1 Satz 1 BRKG beträgt die
Wegstreckenentschädigung bei der Benutzung eines Kraftfahrzeuges oder eines anderen
motorbetriebenen Fahrzeuges 20 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke, höchstens jedoch
130 €.
Soweit vom Petenten angemerkt wird, dass die Höhe der Wegstreckenentschädigung von 20
Cent je gefahrenen Kilometer nicht angemessen sei, ist zu berücksichtigen, dass der Benutzung
öffentlicher Verkehrsmittel der Vorrang einzuräumen ist. So lag der Überarbeitung des BRKG im
Jahre 2005 unter anderem die Zielsetzung zugrunde, Anreize zur Wahl umweltverträglicher
Verkehrsmittel und zu umweltgerechtem Verhalten im Verkehr zu setzen (Bundesrats-
Drucksache: 16/05, Seite 1). Die mangelnde Kostendeckung des Betrages ist, wie das
Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 1. Juli 2010 (Az.: 6 PB 7/10) entschieden hat,
auch gerechtfertigt. Wer in Ausübung der reisekostenrechtlichen Wahlfreiheit ein privates
Kraftfahrzeug benutzt, obwohl die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel möglich und
zumutbar ist, hat im Regelfall ein überwiegendes privates Interesse.
Zusammenfassend lasst sich feststellen, dass die Übernahme von Kosten für die Benutzung eines
in § 60 Absatz 3 SGB V genannten Verkehrsmittels sichergestellt ist. Der Versicherte hat mit
Ausnahme gegebenenfalls zu tragender Zuzahlungen, die auch bei der Nutzung eines privaten
Kraftfahrzeuges anfallen, hinsichtlich der in den Nummern 1 bis 3 genannten Verkehrsmittel,
keine finanziellen Lasten zu tragen. Soweit sich eine mangelnde Kostendeckung bei der
Erstattung der Kosten ergibt, die bei der Benutzung eines privaten Kraftfahrzeuges nach § 60
Absatz 3 Nummer 4 anfallen, sind die zum Bundesreisekostengesetz genannten Gesichtspunkte
zu berücksichtigen. Eine Änderung der bestehenden Rechtslage ist nicht beabsichtigt.
05.09.2013 Schreiben des Ausschussdienstes
Sehr geehrter Herr ...
der Ausschussdienst, dem die Ausarbeitung von Vorschlägen für den Petitions-
ausschuss obliegt, hat das von Ihnen vorgetragene Anliegen sorgfältig geprüft und in
diese Prüfung die beigefügte Stellungnahme einbezogen.
Nach Prüfung aller Gesichtspunkte kommt der Ausschussdienst zu dem Ergebnis,
dass eine Umsetzung Ihres Anliegens ausgeschlossen erscheint. Diese Auffassung
stützt. sich insbesondere auf die in der Stellungnahme des Fachministeriums
schlüssig dargelegte Begründung, weshalb eine Gesetzesänderung im Sinne Ihres
Anliegens nicht in Aussicht gestellt werden kann.
Einwendungen gegen diese Bewertung können Sie innerhalb von sechs Wochen
mitteilen. Nach Ablauf dieser Zeit wird den Abgeordneten des Petitionsausschusses
vorgeschlagen, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil Ihrem Anliegen nicht
entsprochen werden kann. Folgen der Ausschuss und das Plenum des Deutschen
Bundestages diesem Vorschlag, erhalten Sie keinen weiteren Bescheid.
Weil Ihre Petition nicht den gewünschten Erfolg haben wird, sieht der Ausschuss von
einer Veröffentlichung auf der Internetseite des Petitionsausschusses ab (vgl. Nr. 4e
der Richtlinie für die Behandlung von öffentlichen Petitionen gemäß Ziffer 7.1 (4) der
Verfahrensgrundsätze; veröffentlicht unter www.bundestag‚de/Petitionen).'
01.10.2013 Stellungnahme zum Schreiben des Bundesministerium für Gesundheit vom 30.08.2013
Sehr geehrte Damen und Herren,
zu Ihrem mit oben genanntem Schreiben übersandten Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 30.08.2013 erhebe ich folgende Einwendungen:
Zunächst ist klarzustellen, dass der Petent keine Gesetzesänderung fordert. Er fordert weder eine Änderung des Bundesreisekostengesetzes noch des § 60 oder 92 SGB V. Er fordert auch keine Änderung der untergesetzlichen Krankentransport-Richtlinen.
Vielmehr fordert er eine Klarstellung der Auslegung des Wortes „Höchstbetrag“ in § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V. Er fordert, dass klargestellt wird, dass wieder verstärkt auf den Wortlaut abzustellen ist, insbesondere, dass zu berücksichtigen ist, dass die Norm auf den „Höchstbetrag für Wegstreckenentschädigung“ verweist, nicht etwa auf den „Betrag für Wegstreckenentschädigung“. Dies ist die einzige Forderung des Petenten. Da das Bundesreisekostengesetz zwei mögliche Beträge, nämlich 20 Cent und 30 Cent nennt, und der höchste Betrag hieraus somit 30 Cent ist, hat eine am Wortlaut orientierte Auslegung zur Folge, dass der Erstattungsbetrag 30 Cent beträgt. Dies ist keine zusätzliche Forderung des Petenten, sondern eine sächliche Folge, wenn der Forderung nach stärker am Wortlaut orientierter Auslegung entsprochen würde. Der Petent fordert insoweit eine Rückkehr zur früher praktizierten Auslegung, bei der von damals vier möglichen Beträgen der Höchstbetrag, der damals 22 Cent betrug, erstattet wurde. Auch dies ist keine zusätzlich Forderung des Petenten, sondern ergibt sich als Folge aus seiner einzigen Forderung und ist dieser im Übrigen äquivalent, das heißt der Petent könnte seine Forderung auch so formulieren, dass er eine Rückkehr zur alten Auslegung fordert. Der Gesetzgeber war sich bei Änderung des Bundesreisekostengesetzes mutmaßlich bewusst, dass dieses auch Auswirkungen auf die Erstattung von Fahrkosten für Krankenfahrten hat, denn er hat mit dem Änderungsgesetz gleichzeitig korrespondierende Änderungen am SGB V vorgesehen (Art. 9 Bundestagsdrucksache 16/05). Er hat somit in diesem Bewusstsein die Bezeichnung „Höchstbetrag“ im § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V belassen.
Zum Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit nimmt der Petent im Einzelnen wie folgt Stellung:
Im ersten Satz führt das BundesminiHubersterium für Gesundheit aus, dass der Petent eine Erhöhung der Wegstreckenentschädigung von 20 auf 30 Cent pro Kilometer fordert. Das ist, wie oben dargelegt, nur insoweit zutreffend als dies eine Folge der Forderung des Petenten ist.
Das Bundesministerium für Gesundheit führt dann zunächst bis einschließlich Zeile 21 Seite 2 zu verschiedenen Normen aus, insbesondere zur Wahl des Transportmittels nach der medizinischen Notwendigkeit. Es ist nicht zu erkennen, welchen Bezug diese Ausführungen zur Forderung des Petenten haben. Der Petent fordert keine Abschaffung der genannten Gesetzeskriterien oder eine Ausweitung oder sonstige Änderung des Kreises der Personen, die Anspruch auf Fahrkostenerstattung in Form des Höchstbetrags nach § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V für ein privates Kfz bei Fahrten zur Behandlung haben. Geändert werden soll nicht der Personenkreis, sondern die Festlegung der Höhe des Anspruchs den Personen aus diesem Kreis geltend machen können.
Ab Zeile 21 Seite 2 teilt das Bundesministerium für Gesundheit mit
Gemäß § 5 Absatz 1 Satz 1 BRKG beträgt die Wegstreckenentschädigung bei der Benutzung eines Kraftfahrzeuges oder eines anderen motorbetriebenen Fahrzeuges 20 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke, höchstens jedoch 130 €.
Dies ist richtig, jedoch unvollständig, denn es kommt für die hier vorliegende Fragestellung nicht nur auf § 5 Abs. 1 Satz 1 BRKG an, denn es geht hier um Fahrkostenerstattungen, wie sie § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V vorsieht. Der hier relevante Teil von § 60 Abs. 3 SGB V lautet
(3) Als Fahrkosten werden anerkannt
…
4. bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für jeden gefahrenen Kilometer den jeweils auf Grund des Bundesreisekostengesetzes festgesetzten Höchstbetrag für Wegstreckenentschädigung, höchstens jedoch die Kosten, die bei Inanspruchnahme des nach Nummer 1 bis 3 erforderlichen Transportmittels entstanden wären.
Mit der Formulierung „auf Grund des Bundesreisekostengesetzes festgesetzten“ bezieht sich § 60 Abs. 3 SGB V offensichtlich auf das gesamte Bundesreisekostengesetz als Grundlage für die Festsetzung, insbesondere heißt es nicht „... auf Grund des § 5 Abs. 1 Satz 1 des Bundesreisekostengesetzes festgesetzten ...“. Damit ist zunächst jede Regelung im Bundesreisekostengesetz in Betracht zu ziehen, welche Wegstreckenentschädigung für private Kfz festlegt, also auch der gesamte § 5 BRKG. Der hier relevante Teil besteht somit zunächst zumindest aus den ersten beiden Absätzen des § 5 BRKG und lautet also.
1) Für Fahrten mit anderen als den in § 4 genannten Beförderungsmitteln wird eine Wegstreckenentschädigung gewährt. Sie beträgt bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges oder eines anderen motorbetriebenen Fahrzeuges 20 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke, höchstens jedoch 130 Euro. Die oberste Bundesbehörde kann den Höchstbetrag auf 150 Euro festsetzen, wenn dienstliche Gründe dies im Einzelfall oder allgemein erfordern.
(2) Besteht an der Benutzung eines Kraftwagens ein erhebliches dienstliches Interesse, beträgt die Wegstreckenentschädigung 30 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke. Das erhebliche dienstliche Interesse muss vor Antritt der Dienstreise in der Anordnung oder Genehmigung schriftlich oder elektronisch festgestellt werden.
Es sind demnach zunächst offensichtlich zwei Kilometerpauschalen, nämlich 20 Cent und 30 Cent möglich. Auf dieser Grundlage ist nun durch Anwendung der weiteren einschlägigen Normen eine Auswahl zu treffen.
Wählt man das althergebrachte, dem Wortlaut entsprechende und vom Petenten geforderte Verfahren, die Verwendung der Bezeichnung „Höchstbetrag“ als lex specialis zu deuten, so kommt hier diese ohne Weiteres zur Anwendung und als Kilometerpauschale ergibt sich somit der Höchstbetrag aus 20 Cent und 30 Cent, also 30 Cent.
Ignoriert man diese Vorgabe aus § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V, so stellt sich die Frage, wie überhaupt weiter vorzugehen ist, denn es wäre nun nach dem Wortlaut des § 5 BRKG zu ermitteln, ob ein erhebliches dienstliches Interesse oder lediglich eine gewöhnliches dienstliches Interesse vorliegt. Da es sich bei der zu beurteilenden Krankenfahrt jedoch nicht um eine Dienstfahrt handelt, es insbesondere schon eines Dienstherrn und eines dienstlichen Zwecks ermangelt, ist nicht ohne Weiteres klar, wer dies und nach welchen Kriterien entscheiden soll. Wie bereits in der Begründung der Petition dargelegt und wie das Bundesministerium hier selbst nochmal vorführt besteht die derzeitige „Lösung“ dieses Auslegungsproblems darin, sich nicht mit diesem zu befassen, indem § 5 Abs. 2 BRKG kommentarlos als nicht existent behandelt wird. Dies benachteiligt Kranke gegenüber Bediensteten, da bei letzteren immerhin noch in manchen Fällen eine Erstattung in Höhe von 30 Cent möglich ist.
Würde der Versicherte konsequent analog zu einem Bediensteten behandelt, indem die Krankenkasse analog zu den reisekostenrechtlichen Vorschriften über das Vorliegen eines erheblichen Interesses an der Benutzung eines Kfz entscheidet, so würde dies im Übrigen voraussichtlich ebenfalls zu einem Erstattungsbetrag von 30 Cent führen, denn nach 5.2.2 BRKGVwV liegt ein erhebliches dienstliches Interesse vor, wenn ein Dienstgeschäft sonst nicht durchgeführt werden kann oder das Kfz nach Sinn und Zweck eines Dienstgeschäfts notwendig ist und ein Dienstkraftfahrzeug nicht zur Verfügung steht, insbesondere wenn das Dienstgeschäft bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden Beförderungsmittels nicht durchgeführt werden kann oder ein solches nicht zur Verfügung steht. Dies dürfte als erfüllt anzusehen sein, wenn ein Kfz erforderlich ist und nur in diesen Fällen kommt nach § 60 Abs. 3 SGB V überhaupt eine Wegstreckenentschädigung in Frage.
Erst im letzten Absatz der Seite 2 befasst sich das Bundesministerium für Gesundheit direkt mit dem Anliegen des Beschwerdeführers.
Soweit vom Petenten angemerkt wird, dass die Höhe der Wegstreckenentschädigung von 20 Cent je gefahrenen Kilometer nicht angemessen sei, ist zu berücksichtigen, dass der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel der Vorrang einzuräumen ist.
Wie dargelegt bezieht sich die Petition einzig darauf, den Rechtsanspruch von Versicherten, die Anspruch auf Fahrkostenerstattung als Höchstbetrag nach § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V für ein privates Kfz haben, festzulegen und zwar nicht seinem Umfang, sondern nur der Höhe nach. Einen wirksamen Anspruch auf Fahrkostenerstattung nach § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V für ein privates Kfz haben Versicherte aufgrund der Einschränkung „ ... höchstens jedoch die Kosten, die bei Inanspruchnahme des nach Nummer 1 bis 3 erforderlichen Transportmittels entstanden wären.“ aus § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V indes nur, wenn das private Kfz als Transportmittel erforderlich ist, denn sofern beispielsweise öffentliche Verkehrsmittel genutzt werden können, und dies günstiger ist als die Erstattung des Höchstbetrags aus dem Bundesreisekostengesetz, wird in jedem Fall nur der geringere Betrag für das öffentliche Verkehrsmittel erstattet, unabhängig vom tatsächlich verwendeten Transportmittel. In diesen Fällen wirkt sich also die vom Kläger vorgeschlagene Klarstellung überhaupt nicht aus. Es verbleiben somit, soweit ein öffentliches Verkehrsmittel günstiger wäre, nur mehr die Fälle, in denen ein Kfz erforderlich ist, nur diese können von der vorgeschlagenen Änderung profitieren. In diesen Fällen kann jedoch der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel kein wie immer gearteter Vorrang eingeräumt werden, da diese kein geeignetes Transportmittel sind und somit überhaupt nicht in Frage kommen, sondern eben ein privates Kfz erforderlich ist.
Das Bundesministerium für Gesundheit führt weiter aus
So lag der Überarbeitung des BRKG im Jahre 2005 unter anderem die Zielsetzung zugrunde, Anreize zur Wahl umweltverträglicher Verkehrsmittel und zu umweltgerechtem Verhalten im Verkehr zu setzen (Bundesrats-Drucksache: 16/05, Seite 1).
Anreize zu einer bestimmten Wahl können nur gegeben werden, wenn überhaupt eine Wahl zwischen verschiedenen Alternativen möglich ist. In den vorliegend vor allem interessierenden Fällen, dass ein privates Kfz erforderlich ist, ist gerade keine Wahl des Versicherten möglich. Ist es dem Versicherten möglich ein öffentliches Verkehrsmittel zu wählen, so werden ohnehin höchstens dessen Kosten erstattet. Die Petition betrifft Versicherte nicht, die aus eigenem Entschluss ein privates Kfz benutzen, obgleich ein öffentliches Verkehrsmittel benutzt werden könnte, wenn ein öffentliches Verkehrsmittel günstiger für die Krankenkasse ist.
Das Bundesministerium für Gesundheit führt weiter aus
Die mangelnde Kostendeckung des Betrages ist, wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 1. Juli 2010 (Az.: 6 PB 7/10) entschieden hat, auch gerechtfertigt.
Zunächst ist die Meinung eines Gerichts vorliegend schon deswegen von untergeordneter Bedeutung, weil der Petent ein Wort des Gesetzgebers begehrt und dessen Wille nach Art. 20 Abs. 3 GG die Gerichte bindet. Die Entscheidung 6 PB 7.10 des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.07.2010 ist außerdem deswegen dem Ansinnen des Petenten nicht entgegengerichtet, weil es sich dort um die Beurteilung einer tatsächlichen Dienstfahrt handelt und das Bundesverwaltungsgericht zudem in Abs. 26 ausdrücklich ausführt
Anders liegt es, wenn die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ausscheidet und die zugunsten des Personalratsmitgliedes eingreifenden Regelungen in § 5 Abs. 1 BRKG eine auch nur annähernd kostendeckende Erstattung nicht zulassen. In solchen Fällen hält die "große Wegstreckenentschädigung" nach § 5 Abs. 2 BRKG eine Regelung bereit, die bei sachgerechter Anwendung im Einklang mit dem Benachteiligungsverbot des § 8 BPersVG sicherstellt, dass der Beschäftigte nicht mit Kosten belastet bleibt, die er bei ordnungsgemäßer Wahrnehmung seines Personalratsmandats nicht vermeiden kann (vgl. Beschluss vom 12. November 2009 a.a.O. Rn. 19).
Das Bundesverwaltungsgericht hält die Unterdeckung also in dem Zusammenhang für gerechtfertigt, dass Bediensteten der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel generell tatsächlich möglich ist und dass in den Fällen, in denen dies nicht möglich ist, eine Erstattung in Höhe von 30 Cent gewährt werden kann und bei korrekter Anwendung auch zu gewähren ist.
Wie dargelegt garantiert im Falle der Krankenfahrten bereits § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V, dass höhere Kosten für ein Kfz nicht übernommen werden, wenn dieses nicht erforderlich, sondern ein öffentliches Verkehrsmittel ausreichend ist. Die Petition ändert hieran nichts, sie versucht lediglich sicherzustellen, dass geschieht, was das Bundesverwaltungsgericht in Abs. 26 fordert, im Bereich der Krankenfahrten aber nicht realisiert ist: dass eine wenigstens annähernd kostendeckende Erstattung erfolgt, wenn die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ausscheidet.
Im Gegensatz zum Reisekostenrecht ist nach der derzeitigen Auslegung des Wortes „Höchstbetrag“ in § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V im Fall von Krankenfahrten keine Öffnungsklausel gegeben. Der Erstattungsbetrag von 30 Cent kommt nie zur Anwendung. Eine Möglichkeit, dass etwa die Krankenkasse nach Ermessen auch 30 Cent bewilligen könnte, gibt es nicht. Das Krankenversicherungsrecht ist an dieser Stelle defizitär und stellt den Versicherten deutlich schlechter als den Bediensteten. So bleibt der Versicherte mit Kosten belastet, die er nicht vermeiden kann. Dies selbst dann wenn er wegen geringen Einkommens und Vermögens überhaupt nicht in der Lage ist, die Kosten zumutbar selbst aufzubringen. Dieser Zustand ist schon aus rechts- und sozialstaatlichen Gründen bedenklich.
Das Bundesverwaltungsgericht ist für den Bereich des gesetzlichen Krankenversicherungsschutzes nicht zuständig. Das zuständige Bundessozialgericht hat bereits entschieden, dass § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V für den Ausnahmefall des § 5 Abs. 2 Satz 2 BRKG „ keinen Anwendungsraum bietet“ (B 1 KR 6/10 BH vom 21.05.2010, Abs. 6), das heißt eine Erstattung von 30 Cent statt 20 Cent ist nie möglich, auch nicht in begründeten Ausnahmefällen. Eine Änderung dahingehend, dass Kranke, die zwingend auf ein Kfz angewiesen sind, wenigstens annähernd die entstehenden Kosten erstattet bekommen, kann daher nur mehr durch Tätigwerden des Gesetzgebers erzielt werden. Eben dies begehrt der Petent.
Das Bundesministerium für Gesundheit teilt weiter mit
Wer in Ausübung der reisekostenrechtlichen Wahlfreiheit ein privates Kraftfahrzeug benutzt, obwohl die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel möglich und zumutbar ist, hat im Regelfall ein überwiegendes privates Interesse.
Der Petent weist nochmals darauf hin, dass in den Fällen, die durch seine Petition hauptsächlich betroffen sind, keine Wahlfreiheit besteht, da ein Kfz erforderlich ist. Dementsprechend besteht auch keine „reisekostenrechtlichen Wahlfreiheit“ und es ist auch kein Ausüben der – real nicht bestehenden – Freiheit möglich. Versicherte, die auf die Benutzung eines privaten Kfz angewiesen sind erleiden den in der Petitionsbegründung erläuterten (...) Vermögensschaden bis hin zum Verlust des Kfz.
Soweit das Bundesministerium für Gesundheit hier darauf abstellt, dass es auch Personen, die nur Anspruch auf die Kosten eines öffentlichen Verkehrsmittels haben, freisteht, ein Kfz zu benutzen, haben diese zusätzlich entstehende Kosten schon jetzt zu tragen. Hieran ändert sich durch Umsetzung der Petition nichts. Soweit also die Erstattung nach der Kilometerpauschale, die für die Benutzung des privaten Kfz zu zahlen wäre, schon jetzt höher ist, als die der Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels, kann hier kein Anreiz entstehen, ein privates Kfz statt eines öffentlichen Verkehrsmittels zu benutzen, da immer nur der niedrigere Betrag erstattet wird, hier also nach wie vor nur der Betrag für die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels erstattet wird, sich am Erstattungsbetrag also nichts ändert. Dieser ist auch nach Umsetzung der Petition ebenso wie bisher durch den Betrag, der für öffentliche Verkehrsmittel erstattet wird, gedeckelt.
Nur wenn ein Versicherter lediglich Anspruch auf die Kosten eines öffentlichen Verkehrsmittels hat, zugleich diese Kosten aber höher sind als die der Benutzung eines privates Kfz kann sich eine Erhöhung ergeben. Diese ist ihrerseits wieder durch den Betrag, der für öffentliche Verkehrsmittel erstattet wird, gedeckelt. Es ist also auch in diesem Fall gesichert, dass die Erstattung bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel höher oder wenigstens gleich hoch, wie bei Benutzung eines Kfz ist. Insoweit also überhaupt eine Wahlfreiheit besteht, ist die Erstattung bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel immer höher oder wenigstens gleich hoch wie bei Benutzung eines Kfz. Dies wird durch gesetzliche Vorgaben garantiert, die von der Petition nicht betroffen sind.
Nur für Personen, die eine Wahl haben und die dadurch, dass sie aufgrund eigener Wahl ein Kfz benutzen zugleich der gesetzlichen Krankenversicherung Kosten ersparen - oder im Grenzfall höchstens dieselben Kosten verursachen, wie bei Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels - kann sich also durch eine erhöhte Kilometerpauschale überhaupt ein Anreiz ergeben dieses Verhalten fortzusetzen oder ein solches Verhalten aufzunehmen. Ein Anreiz zur Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel kann hier also nur geschaffen werden, wenn gleichzeitig für die gesetzliche Krankenversicherung überhöhte Ausgaben in Kauf genommen werden. Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu fördern, selbst wenn dies nur um den Preis höherer Kosten für die gesetzliche Krankenversicherung zu erreichen ist, hätte er dies am einfachsten und effektivsten dadurch sicherstellen können, dass er nur die Kosten für das erforderliche und tatsächlich benutzte Transportmittel erstattet. Diese Änderung ist ihm nach wie vor und unabhängig von der vorliegenden Petition jederzeit möglich.
Das Bundesministerium für Gesundheit teilt weiter mit
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Übernahme von Kosten für die Benutzung eines in § 60 Absatz 3 SGB V genannten Verkehrsmittels sichergestellt ist.
Dies ist falsch, denn in Fällen, in denen ein Kfz erforderlich ist, wird nur eine Erstattung von 20 Cent pro Kilometer geleistet. Dies dürfte für nahezu alle marktüblichen Kfz unzureichend sein (laut http://www.adac.de/infotestrat/autodatenbank/autokosten/autokosten-rechner/default.aspx etwa Toyota iQ 1.0 ab 31,8 Cent, Toyota Aygo 1.0 ab 28,2 Cent, Skoda Citigo 1.0 Green tec Elegance ab 30,2 Cent, Fiat Panda 1.2 8V ab 31,4 Cent, Fiat 500 1.2 8V Start&Stopp Pop Star ab 33,8 Cent, KIA Picanto 1.0 Attract ab 28,2 Cent). Zudem widerspricht das Bundesministerium für Gesundheit hier der von ihm selbst gegebenen Lesart des von ihm angeführten Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts, dass eine mangelnde Kostendeckung besteht.
Das Bundesministerium für Gesundheit teilt weiter mit
Der Versicherte hat mit Ausnahme gegebenenfalls zu tragender Zuzahlungen, die auch bei der Nutzung eines privaten Kraftfahrzeuges anfallen, hinsichtlich der in den Nummern 1 bis 3 genannten Verkehrsmittel, keine finanziellen Lasten zu tragen.
Das ist ersichtlich falsch. Der Versicherte der auf ein Kfz angewiesen ist, hat zusätzlich zu den Zuzahlungen die Kosten pro Kilometer zu tragen, die sich als Differenz seiner tatsächlich notwendigen Ausgaben pro Kilometer abzüglich lediglich 20 Cent Fahrtkostenerstattung ergeben. Wie oben dargelegt, ist selbst unter günstigsten Annahmen davon auszugehen, dass die tatsächlichen Kosten diese 20 Cent deutlich überschreiten. Eine Obergrenze für die zusätzlichen Kosten existiert nicht, sie können also auch ruinös sein.
Das Bundesministerium für Gesundheit teilt weiter mit
Soweit sich eine mangelnde Kostendeckung bei der Erstattung der Kosten ergibt, die bei der Benutzung eines privaten Kraftfahrzeuges nach § 60 Absatz 3 Nummer 4 anfallen, sind die zum Bundesreisekostengesetz genannten Gesichtspunkte zu berücksichtigen.
Es erschließt sich nicht, auf welche Fälle das Bundesministerium für Gesundheit abstellt, wenn es nunmehr einräumt, was es soeben noch bestritten hatte: dass eine Unterdeckung bestehen kann. Mit dem Hinweis auf „zum Bundesreisekostengesetz genannten Gesichtspunkte“ will das Bundesministerium für Gesundheit vermutlich auf seine Darlegung, es solle die Wahl eines öffentlichen Verkehrsmittels statt eine privaten Kfz gefördert werden, hinweisen. Es bleibt dem Petenten nur, abermals darauf hinzuweisen, dass vorliegend nicht nur die reisekostenrechtlichen, sondern auch die krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften zu beachten sind, nach denen die Erstattungshöhe ohnehin auf die Kosten eines öffentlichen Verkehrsmittels gedeckelt ist, sofern dieses ausreichend ist. Übersteigende Kosten durch Benutzung eines privaten Kfz werden von der gesetzlichen Krankenversicherung nur erstattet, wenn dessen Benutzung erforderlich ist. Daran ändert sich durch die Petition nichts.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Petition, im Fall des Erfolgs, keinerlei Auswirkungen auf die Unterdeckung hat, die möglicherweise entsteht, wenn ein Versicherter, für dessen Transport lediglich ein öffentliches Verkehrsmittel erforderlich ist, dennoch aus eigenem Entschluss ein privates Kfz benutzt, denn in diesen Fällen kommt der Höchstbetrag ohnehin nicht zum Tragen. Diese aus eigener Wahlfreiheit entstehende Differenz trägt der Versicherte nach wie vor selbst. Die Differenz um die es hier geht ist nicht die zwischen den Kosten eines öffentlichen Verkehrsmittels und den Kosten eines Kfz, sondern die zwischen 20 Cent und 30 Cent, also 10 Cent pro Kilometer. Hier können bei häufigen Behandlungen in großer Entfernung, etwa wenn ein Dialysepatient aus dem ländlichen Raum dreimal in der Woche zur Dialyse und zurück fährt, erhebliche Summen entstehen, die insbesondere Menschen der unteren Einkommensschichten überfordern.
Obwohl sie im ersten Satz zutreffend die sächliche Änderung, die sich aus einer Umsetzung der Petition ergibt, wiedergibt, ist aufgrund der Fehlerhaftigkeit der Stellungnahme zweifelhaft, dass das Bundesministerium für Gesundheit Art, Wirkung und Umfang der Petition vollumfänglich erfasst hat. Da sich aus der Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit keine nachvollziehbaren Gründe ergeben, warum die Petition, so sie sach- und rechtsfehlerfrei bewertet würde, aussichtslos wäre, hält der Petent sie aufrecht und bittet, sie nochmals zu überdenken. Er bittet eine Abschrift dieses Schreibens dem Bundesministerium für Gesundheit zu übersenden und diesem die Gelegenheit zu weiterer Stellungnahme zu geben. Er bittet um Mitteilung der Entscheidung des Petitionsausschusses.
06.11.2013 Schreiben des Bundesministerium für Gesundheit
Bundesministerium
für Gesundheit
Gesetzliche Krankenversicherung - Leistungen
Eingabe des ... vom 4. Juli 2013
Hier: Ergänzende Äußerung vom 1. Oktober 2013
Zu der o. a. Eingabe nehme ich wie folgt Stellung:
Der Petent fordert, die Wegstreckenentschädigung für die Nutzung eines privaten PKW für
Fahrten zu ambulanten Behandlungen von 20 auf 30 Eurocent zu erhöhen.
In diesem Zusammenhang wird zunächst auf unser Schreiben vom 30. August 2013 verwiesen.
Ergänzend ist Folgendes anzumerken: Die vom Petenten angesprochene Höhe der
Erstattungsbeträge im Falle der Benutzung eines privaten Fahrzeugs bemisst sich nach § 60
Absatz 3 Nr. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Hierin erfolgt eine Anknüpfung an das
Bundesreisekostengesetz (BRKG). Der somit einschlägige § 5 Absatz 1 Satz 2 BRKG sieht eine
Wegeentschädigung von 20 Eurocent je gefahrenem Kilometer vor. Die vom Petenten
gewünschte Möglichkeit einer darüber hinausgehenden Kostenerstattung besteht indes nicht.
Insbesondere ist nach derzeitiger Rechtslage der vom Petenten angesprochene Rückgriff auf § 5
Absatz 2 BRKG, der einen Erstattungsbetrag von 30 Eurocent je gefahrenem Kilometer vorsieht,
nicht möglich. Dies stellte jüngst das Bundessozialgericht klar, das eine sich hiergegen wendende
Revision nicht zur Entscheidung annahm (BSG, Beschluss vom 21. Mai 2010 - B 1 KR 6/10 BH).
Darin bestätigte das Gericht explizit, dass es den Krankenkassen verwehrt ist, aus
Billigkeitsgesichtspunkten im Einzelfall auf § 5 Absatz 2 BRKG zurückzugreifen. Zur Begründung
führte es aus, dass nach derzeitiger Rechtslage eine entsprechend enge Auslegung der Norm
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allgemein anerkannt sei. Zudem böten die insoweit maßgeblichen Gesetzgebungsmaterialen
auch keinen Raum für eine anderweitige Interpretation der Vorschrift, da in diesen ebenfalls nur
auf den damals geltenden § 6 Absatz 1 Satz 1 BRKG verwiesen werde (vgl. BT-Drs. 12/3608, S. 82
f.) Dieser entspricht dem heutigen § 5 Absatz 1 BRKG.
Abschließend sei angemerkt, dass die gegen diesen Beschluss erhobene Verfassungsbeschwerde
vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen wurde (BVerfG, Beschluss
vom 28. September 2010 - 1 BvR 1484/10). Auch aus grundgesetzlicher Sicht bestehen gegen die
Regelungen damit keine Bedenken, so dass eine Änderung des § 60 SGB V insoweit nicht
angezeigt ist.
19.11.2013 Schreiben des Ausschussdienstes
Deutscher Bundestag
Referat Pet 2
Sehr geehrter Herr ...,
beigefügt übersende ich Ihnen eine weitere, zu Ihrer Eingabe an-
geforderte Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesund-
heit vom 06.11.2013 mit der Bitte um Kenntnisnahme.
Der Ausschussdienst des Petitionsausschusses, dem die Aus-
arbeitung von Vorschlagen für den Ausschuss obliegt, hat das
von Ihnen vorgetragene Anliegen erneut geprüft und in diese
Prüfung die beigefügte Stellungnahme einbezogen.
Auch nach erneuter Prüfung aller Gesichtspunkte kommt der
Ausschussdienst zu dem Ergebnis, dass Ihre Petition nicht den
gewünschten Erfolg haben wird. Diese Auffassung stützt sich
insbesondere auf die in der Stellungnahme des Fachministe-
riums schlüssig dargelegte Begründung, weshalb eine Gesetzes-
änderung im Sinne Ihres Anliegens nicht in Aussicht gestellt
werden kann.
Einwendungen gegen diese Bewertung können Sie innerhalb von
sechs Wochen mitteilen. Nach Ablauf dieser Zeit wird den Abge-
ordneten des Petitionsausschusses vorgeschlagen, das Petitions-
verfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen
werden kann. Folgen der Ausschuss und das Plenum des Deut-
schen Bundestages diesem Vorschlag, erhalten Sie keinen weite-
ren Bescheid.
03.12.2013 Stellungnahme zum Schreiben des Bundesministerium für Gesundheit vom 06.11.2013
Sehr geehrte Damen und Herren,
zu Ihrem oben genannten Schreiben beziehungsweise dem mit diesem übersandten Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 06.11.2013 erhebe ich folgende Einwendungen:
Zunächst ist erneut klarzustellen, dass der Petent keine Gesetzesänderung fordert. Er fordert weder eine Änderung des Bundesreisekostengesetzes noch des § 60 oder 92 SGB V. Er fordert auch keine Änderung der untergesetzlichen Krankentransport-Richtlinen. Vielmehr fordert er, dass klargestellt wird, dass wieder verstärkt auf den Wortlaut abzustellen ist, insbesondere, dass zu berücksichtigen ist, dass die Norm auf den „Höchstbetrag für Wegstreckenentschädigung“ verweist, nicht etwa auf den „Betrag für Wegstreckenentschädigung“ oder den „Betrag für Wegstreckenentschädigung ausschließlich nach § 5 Abs. 1 BRKG“.
Im Einzelnen nimmt der Petent zum Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit wie folgt Stelllung:
Das Bundesministerium für Gesundheit behauptet
Der Petent fordert, die Wegstreckenentschädigung für die Nutzung eines privaten PKW für Fahrten zu ambulanten Behandlungen von 20 auf 30 Eurocent zu erhöhen.
Dies ist nur teilweise zutreffend. Würde dem Begehren des Petenten entsprochen, würde dies nicht zu einer Verpflichtung der Krankenkassen führen, in jedem Fall, in dem ein privates Kraftfahrzeug benutzt wird, eine Kilometerpauschale von 30 Cent zu erstatten. Dies ist nämlich nicht der der Fall, wenn die Kosten, die bei Inanspruchnahme des erforderlichen Transportmittels entstanden wären, niedriger sind. Somit greift die Erstattungserhöhung höchstens dann, wenn ein privates Kraftfahrzeug oder ein noch teureres Transportmittel erforderlich ist. Dies ergibt sich direkt aus § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V, der durch die Petition unangetastet bleibt.
Das Bundesministerium für Gesundheit führt weiter aus
Die vom Petenten angesprochene Höhe der Erstattungsbeträge im Falle der Benutzung eines privaten Fahrzeugs bemisst sich nach § 60 Absatz 3 Nr. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Hierin erfolgt eine Anknüpfung an das Bundesreisekostengesetz (BRKG).
Dies ist zutreffend und zwar erfolgt die Anknüpfung ausdrücklich per Verweis auf den „auf Grund des Bundesreisekostengesetzes festgesetzten Höchstbetrag“.
Das Bundesministerium für Gesundheit führt weiter aus
Der somit einschlägige § 5 Absatz 1 Satz 2 BRKG sieht eine Wegeentschädigung von 20 Eurocent je gefahrenem Kilometer vor.
Soweit das Bundesministerium für Gesundheit mit dem Bezug „somit“ auf den vorhergehenden Satz aussagen will, dass die Anknüpfung an das Bundesreisekostengesetz bereits begründet, dass nur § 5 Absatz 1 Satz 2 BRKG einschlägig sein könne, ist dies nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, weil der Wortlaut der Bezugnahme eben gerade nicht nur auf diesen Teil des Bundesreisekostengesetzes geht, sondern auf den „auf Grund des Bundesreisekostengesetzes festgesetzten Höchstbetrag“. Eine Einschränkung auf einzelne Paragraphen des Bundesreisekostengesetzes oder gar einzelne Absätze hierin als Grundlage zur Ermittlung des Höchstbetrags sieht der Wortlaut gerade nicht vor.
Soweit der Deutsche Bundestag sich dem Begehren des Petenten verweigern sollte, würde es dieser allerdings für sinnvoll halten, ersatzweise den Wortlaut des § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V dahingehend zu ändern, dass dieser zukünftig Bezug nimmt auf den „Betrag für Wegstreckenentschädigung ausschließlich nach § 5 Abs. 1 BRKG“. Damit wäre auch bei Ablehnung der Petition zumindest der Normenklarheit gedient.
Das Bundesministerium für Gesundheit führt weiter aus
Insbesondere ist nach derzeitiger Rechtslage der vom Petenten angesprochene Rückgriff auf § 5 Absatz 2 BRKG, der einen Erstattungsbetrag von 30 Eurocent je gefahrenem Kilometer vorsieht, nicht möglich. Dies stellte jüngst das Bundessozialgericht klar, das eine sich hiergegen wendende Revision nicht zur Entscheidung annahm (BSG, Beschluss vom 21. Mai 2010 – B 1 KR 6/10 BH). Darin bestätigte das Gericht explizit, dass es den Krankenkassen verwehrt ist, aus Billigkeitsgesichtspunkten im Einzelfall auf § 5 Absatz 2 BRKG zurückzugreifen.
Diese Darlegung ist im Ergebnis korrekt, wiewohl es sich bei dem bezeichneten Beschluss um die Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrags handelt, da diese Ablehnung wegen Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Beschwerde erfolgte. Es ergibt sich somit, dass es nicht etwa ohne Weiteres aus dem Wortlaut der einschlägigen Normen ersichtlich ist, dass nur 20 Cent erstattet werden, sondern dass dies maßgebend auf eine Entscheidung der Rechtsprechung zurückzuführen ist.
Dementsprechend begehrt der Petent auch keine Änderung einer gesetzlichen oder untergesetzlichen Norm, sondern eine Klarstellung durch den Deutschen Bundestag in seiner Rolle als Gesetzgeber, die die bisherige Auslegung der Normen durch das Bundessozialgericht unterbindet und die Auslegung stattdessen zurückführt zum Wortlaut der Normen.
Das Bundesministerium für Gesundheit führt weiter aus
Zur Begründung führte es aus, dass nach derzeitiger Rechtslage eine entsprechend enge Auslegung der Norm allgemein anerkannt sei.
Der Petent hat bereits in seiner Petition vom 04.07.2013 ab Seite 4, Zeile 1 Stellung zu den Ausführungen des Bundessozialgerichts genommen. Leider geht das Bundesministerium für Gesundheit auf diese Darlegungen nicht ein.
Damit, dass das Bundesministerium für Gesundheit ausführt, das Bundessozialgericht sei der Ansicht, dass die „Auslegung der Norm allgemein anerkannt“ sei, stellt es vermutlich auf die Ausführung des Gerichts ab, dass eine Revisionszulassung auch bei Nichtvorliegen höchstrichterlicher Rechtsprechung ausscheide, wenn die Antwort auf die Rechtsfrage „so gut wie unbestritten ist“ oder „die Antwort von vorneherein praktisch außer Zweifel steht“. Zum ersten Nichtzulassungsgrund ist anzumerken, dass das Bundessozialgericht keinerlei Rechtsprechung anführt, die seine Auffassung bestätigt. Auch sonst ist dem Petenten keine Gerichtsentscheidung aus der Zeit vor dem 21.05.2010 bekannt außerhalb des durch B 1 KR 6/10 BH selbst bestimmten Instanzenzugs, die sich mit der Frage der Höhe der Kilometerpauschale nach § 60 SGB V befasst. Dass die Auffassung des Bundessozialgerichts „unbestritten“ ist, scheint demzufolge nicht etwa darauf zu beruhen, dass sich mit der Frage bereits eine Vielzahl von Gerichten befasst hat und diese im Wesentlichen zum selben Ergebnis wie das Bundessozialgericht gekommen wären, sondern darauf, dass es nie eine Befassung mit der Frage und somit nie eine Möglichkeit zum Bestreiten der vom Bundessozialgericht favorisierten Antwort gegeben hat. Es handelt sich somit mutmaßlich um eine einsame ad hoc Entscheidung des Bundessozialgerichts. Zum zweiten Nichtzulassungsgrund fehlt es an jeder Darlegung, warum eine Abweichung vom Wortlaut der Vorschrift hier nicht nur möglich, sondern sogar unausweichlich sein soll.
Das Bundesministerium für Gesundheit führt weiter aus
Zudem böten die insoweit maßgeblichen Gesetzgebungsmaterialien auch keinen Raum für eine anderweitige Interpretation der Vorschrift, da in diesen ebenfalls nur auf den damals geltenden § 6 Absatz 1 Satz 1 BRKG verwiesen werde (vgl. BT-Drs. 12/3608, S. 82 f.) Dieser entspricht dem heutigen § 5 Absatz 1 BRKG.
Zu den entsprechenden Ausführungen des Bundessozialgerichts hat der Petent bereits in seiner Petition vom 04.07.2013 ab Seite 5, Zeile 7 Stellung genommen. Leider geht das Bundesministerium für Gesundheit auf diese Darlegungen nicht ein. Es ist schlicht nicht ersichtlich, wie das Bundessozialgericht hier überhaupt argumentiert, da es nur unter Benennung der Bundesdrucksache eine Behauptung aufstellt, ohne dass ein argumentativer Zusammenhang zwischen der in Bezug genommenen Drucksache und der gezogenen Folgerung dargelegt oder erkennbar wäre. Es ist insbesondere nach wie vor nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Bezeichnung „Höchstbetrag“ gedankenlos verwandt hat oder dass er mit der Einführung einer Dynamisierung beabsichtigte die Fahrkostenpauschale in den Fällen, in denen ein privates Kraftfahrzeug erforderlich ist, zu reduzieren.
Das Bundesministerium für Gesundheit führt weiter aus
Abschließend sei angemerkt, dass die gegen diesen Beschluss erhobene Verfassungsbeschwerde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen wurde (BVerfG, Beschluss vom 28. September 2010 - 1 BvR 1484/10). Auch aus grundgesetzlicher Sicht bestehen gegen die Regelungen damit keine Bedenken, so dass eine Änderung des § 60 SGB V insoweit nicht angezeigt ist.
Das Bundesministerium für Gesundheit verkennt die Aussagekraft einer nicht zur Entscheidung angenommenen Verfassungsbeschwerde. Alleine dass eine gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichtete Verfassungsbeschwerde ohne Erfolg bleibt, belegt nicht, dass die dem Verfahren zugrundeliegenden Normen oder Rechtsauslegungen des Gerichts verfassungskonform wären. Verfassungsbeschwerden können aus vielfältige Gründen bis hin zu reinen Formalia wie beispielsweise nicht oder zu spät übersandter vollständiger Unterlagen, unvollständigen Vortrags oder Nichterschöpfung anderer Abhilfemöglichkeiten scheitern. Insoweit bedürfte es einer Darlegung durch das Bundesministerium für Gesundheit, warum vorliegend aus der Entscheidung 1 BvR 1484/10 folgt, dass die Regelung und ihre Auslegung keinen Verfassungsbedenken begegnen.
Im Übrigen ist es auch nicht notwendig, dass die Normen oder Rechtsauslegungen verfassungswidrig wären, damit dem Begehren des Petenten entsprochen werden kann, denn dem Deutschen Bundestag steht es zu, auch nicht verfassungswidrige Normen abzuändern und auch nicht verfassungswidrige Rechtsauslegungen der Gerichte für obsolet zu erklären. Letzteres begehrt der Petent. Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob zusätzlich aus „grundgesetzlicher Sicht“ Änderungsbedarf besteht.
In seinem Schreiben vom 19.11.2013 führt der Petitionsausschuss aus
Auch nach erneuter Prüfung aller Gesichtspunkte kommt der Ausschussdienst zu dem Ergebnis, dass Ihre Petition nicht den gewünschten Erfolg haben wird. Diese Auffassung stützt sich insbesondere auf die in der Stellungnahme des Fachministeriums schlüssig dargelegte Begründung, weshalb eine Gesetzesänderung im Sinne Ihres Anliegens nicht in Aussicht gestellt werden kann.
Dies greift jedoch ins Leere, denn der neuerlichen Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit ist keinerlei Empfehlung für das weitere Vorgehen zu entnehmen, insbesondere behauptet das Bundesministerium für Gesundheit nicht, der Petition könne oder solle nicht entsprochen werden. Das Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit gibt lediglich einen, im im oben dargelegten Umfang teilweise zutreffenden, teilweise unzutreffenden Kommentar zur Rechtslage ab, ohne eine ausdrückliche Empfehlung in die eine oder andere Richtung überhaupt auszusprechen, geschweige denn eine entsprechende Empfehlung zu begründen.
Zwar führt das Bundesministerium für Gesundheit aus
Insbesondere ist nach derzeitiger Rechtslage der vom Petenten angesprochene Rückgriff auf § 5 Absatz 2 BRKG, der einen Erstattungsbetrag von 30 Eurocent je gefahrenem Kilometer vorsieht, nicht möglich.
und dies wird vom Petenten auch nicht bestritten. Jedoch ist gerade dies der Anlass für die Petition. Wäre die derzeitige Rechtslage so, dass 30 Cent erstattet werden könnten, wäre die Petition in ihrer vorliegenden Form unnötig, da dann jeder betroffene Bürger durch Anrufung der Gerichte selbst auf Abhilfe dringen kann. Da dem jedoch nicht so ist, ist ein Wort des Gesetzgebers, welches die Rechtslage ändert, erforderlich. Der Petent ist der Auffassung, dass sein Vorschlag, insoweit er ohne eine Gesetzesänderung auskommt die mildeste und insoweit er die Normenklarheit wieder herstellt zugleich konsequenteste Variante darstellt, dem Missstand abzuhelfen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich die neuerliche Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit ausschließlich mit formellen Rechtsgründen beschäftigt, die darlegen, wie die derzeitige Lage ist. Rechtliche oder inhaltliche Gründe die gegen die Petition sprechen führt das Bundesministerium für Gesundheit nicht mehr an. Auch scheint es von seiner bisherigen Ansicht im Schreiben vom 30.08.2013, Seite 3 abgerückt zu seine, dass die derzeit gewährte Pauschale kostendeckend sei, da es auf die vom Petenten aufgezeigte Fehlerhaftigkeit dieser Auffassung nicht weiter eingeht. Es führt jedoch nicht aus, ob und gegebenenfalls warum es diesen Zustand für hinnehmbar hält oder wie seiner Ansicht nach diesem abgeholfen werden könnte.
Das Bundesministerium für Gesundheit geht nicht auf die inhaltliche Darlegung des Petenten ein, dass und warum die begehrte Klarstellung aus rechts- wie sozialstaatlichen Gründen wünschenswert ist. Da sich somit auch unter Berücksichtigung der zweiten Stellungnahme keine nachvollziehbaren Gründe ergeben, warum die Petition, so sie sach- und rechtsfehlerfrei bewertet wird, aussichtslos wäre, hält der Petent sie aufrecht und bittet, sie nochmals zu überdenken. Er bittet eine Abschrift dieses Schreibens dem Bundesministerium für Gesundheit zu übersenden und diesem die Gelegenheit zu weiterer Stellungnahme zu geben. Da das Bundesministerium für Gesundheit mit seiner Wiedergabe des Beschlusses B 1 KR 6/10 BH des Bundessozialgerichts vom 21.05.2010 möglicherweise beabsichtigt, sich inhaltlich auf diesen zu stützen, sowie aufgrund der dargelegten Unklarheiten in der Begründung dieses Beschlusses, bittet der Petent, dem Bundessozialgericht eine Abschrift der Petitionsakte zu übersenden und diesem die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Er bittet um Mitteilung der Entscheidung des Petitionsausschusses.
25.09.2014 Beschlussempfehlung
- 144 -
Gesetzliche Krankenversicherung
— Leistungen —
Beschlussempfehlung
Das Petitionsverfahren abzuschließen
Begründung
Der Petent fordert eine Klarstellung, wonach für Krankenfahrten die höchste im Bun-
desreisekostengesetz genannte Kilometerpauschale maßgebend ist.
Die Petition betrifft die Wegstreckenentschädigung für die Nutzung eines privaten
Pkw für Fahrten zu ambulanten Behandlungen, die von 20 auf 30 Eurocent zu erhö-
hen sei.
Zu den Einzelheiten des Vortrags des Petenten wird auf die von ihm eingereichten
Unterlagen verwiesen.
Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung stellt sich auf der Grundlage von Stel-
lungnahmen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) wie folgt dar:
Der Petitionsausschuss weist auf die ausführliche erläuternde Stellungnahme des
BMG vom 30.08.2013 hin, welche er inhaltlich unterstützt. Sie ist dem Petenten be-
reits im Rahmen des Petitionsverfahrens übersandt worden. Zur Vermeidung von
Wiederholungen verweist der Petitionsausschuss auf diese Ausführungen.
Mit ergänzendem Vortrag verfolgt der Petent sein Anliegen weiter. Der Petitions-
ausschuss verweist insoweit auf die dem Petenten übersandte zweite Stellungnahme
des BMG vom 06.11.2013, die der Petitionsausschuss inhaltlich unterstützt.
Im Übrigen weist der Petitionsausschuss auf Folgendes hin:
§ 60 (Fahrkosten) Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V bestimmt, die
Krankenkasse übernimmt nach den Absätzen 2 und 3 die Kosten für Fahrten ein-
schließlich der Transporte nach § 133 (Fahrkosten), wenn sie im Zusammenhang mit
einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig
sind. Welches Fahrzeug benutzt werden kann, richtet sich nach der medizinischen
Notwendigkeit im Einzelfall. Die Krankenkasse übernimmt Fahrkosten. zu einer am-
bulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrages
nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemein-
same Bundesausschuss in den Richtlinien festgelegt.hat.
Nach § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V werden als Fahrkosten anerkannt bei Benutzung ei-
nes privaten Kraftfahrzeugs für jeden gefahrenen Kilometer der jeweils aufgrund des
Bundesreisekostengesetzes festgesetzte Höchstbeitrag für Wegstrecken-
entschädigung, höchstens jedoch die Kosten, die bei Inanspruchnahme des nach Nr.
1 bis 3 erforderlichen Transportmittels entstanden wären.
Der Petitionsausschuss verweist insoweit wie bereits das BMG auf den Beschluss
des Bundessozialgerichts vom 21.05.2010, B 1 KR 6/10 BH, nach dem die "Ver-
weisungsregelung in § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V hinsichtlich der Höhe der Weg-
streckenentschädigung bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für den Aus-
nahmefall des § 5 Abs.2 Satz 2 Bundesreisekostengesetz bezüglich erhöhter Weg-
streckenentschädigung, sofern ein erhebliches dienstliches Interesse an der Benutz-
ungleines Kraftwagens besteht, keinen Anwendungsraum bietet."
Eine erhöhte Wegstreckenentschädigung von 30 Cent je Kilometer, wie mit der Peti-
tion gefordert, kommt daher nach der ausdrücklichen Entscheidung des BSG nicht in
Betracht.
Die gegen diesen Beschluss erhobene Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundes-
verfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom
28.09.2010 - 1 BvR 1484/10).
Das BSG bestätigte damit die Vorinstanz (Bayerisches Landessozialgericht), die in
ihrem Urteil (17.11.2009, L 5 KR 187/08) ausführte: "Schließlich kann der Kläger kei-
ne höhere als die Fahrtkostenpauschale von 20 Cent pro gefahrenen Kilometer wie
von der Beklagten erstattet erhalten. Dieses ist gemäß § 5 Bundesreisekostengesetz
der regelmäßige Erstattungsbetrag, auf welchen § 60 Abs. 3 SGB V Bezug nimmt.
Der höhere Erstattungsbetrag von 30 Cent ist für die Regelungen des SGB V nicht
zugänglich, weil sich dieser ausschließlich auf dienstliche Erfordernisse bezieht, die
nur mit Besonderheiten des Reisekostenrechtes des öffentlichen Dienstes zu be-
gründen sind"...
Für diese Auslegung spricht im Übrigen bereits der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 2
Bundesreisekostengesetz, wonach das erhebliche dienstliche Interesse vor Antritt
der Dienstreise in der Anordnung oder Genehmigung schriftlich oder elektronisch
festgestellt werden muss.
Vor dem Hintergrund des Dargelegten vermag der Petitionsausschuss ein weiteres
Tätigwerden nicht in Aussicht zu stellen und empfiehlt daher, das Petitionsverfahren
abzuschließen.
Anfrage vom 09.10.2014
... ich danke für die Übersendung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses zur oben genannten Petition. Interessant ist für mich vor allem, dass darin ein weiteres Argument aufgeführt wird, welches mir bislang nicht bekannt war. Nämlich heißt es im vorletzten Absatz der Beschlussempfehlung
Für diese Auslegung spricht im Übrigen bereits der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 2 Bundesreisekostengesetz, wonach das erhebliche dienstliche Interesse vor Antritt der Dienstreise in der Anordnung oder Genehmigung schriftlich oder elektronisch festgestellt werden muss.
Ich wäre daher an weiteren Informationen hierzu interessiert und bitte daher gemäß § 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (IFG) um Aktenauskunft zu allen Unterlagen, Stellungnahmen, Protokollen, Akten des Ausschussdienstes und dergleichen die bei der Erstellungen der Beschlussempfehlung herangezogen wurden oder diese in sonstiger Weise betreffen, soweit mir diese noch nicht bekannt sind und soweit die Auskunft nicht gesetzlich ausgeschlossen ist. Es handelt sich meines Erachtens um eine einfache Auskunft für welche somit nach § 10 IFG keine Gebühren anfallen sollten. Sollte die Auskunft Ihrer Meinung nach gebührenpflichtig sein, bitte ich, mir dies vorab mitzuteilen und dabei die Höhe der Kosten anzugeben. Natürlich sind mir auch Erläuterungen außerhalb der förmlichen Akteneinsicht willkommen, falls der Petitionsausschuss oder ein Mitarbeiter oder Mitglied desselben von sich aus solche abzugeben wünscht.
Um Missverständnissen vorzubeugen erlaube ich mir, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass mir bekannt ist, dass das Petitionsverfahren abgeschlossen ist; die Nachfrage ist kein Teil des Petitionsverfahrens und dient nur meiner sonstigen Information. Das Aktenzeichen der erledigten Petition habe ich angegeben, um Ihnen die Zuordnung des Vorgangs zu erleichtern.
Bescheid vom 06.11.2014
Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG)
Sehr geehrter Herr ...,
mit Ihrem an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages
adressierten Schreiben vom 9. Oktober 2014 baten Sie unter Be—
zugnahme auf das IFG um weitere Ausführungen hinsichtlich
des vorletzten Satzes des Ihnen übersandten Beschlusses des
Deutschen Bundestages vom 25. September 2014. Sie beantragten
in diesem Zusammenhang den Zugang zu den Petitionsakten
Ihrer Petition (Pet 2-17-15-8271-052556), insbesondere zu allen
Unterlagen, Stellungnahmen, Protokollen und Akten des Aus-
schussdienstes.
Ihrem Antrag kann auf Grundlage des IFG nicht entsprochen
werden.
Begründung:
Das IFG ist auf die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deut-
schen Bundestages nicht anwendbar.
Der Deutsche Bundestag ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG zur Ge—
währung des Zugangs zu amtlichen Informationen verpflichtet,
soweit er Öffentlich—rechtliche Verwaltungsaufgaben wahr—
nimmt. Nach der Gesetzesbegründung bleibt der spezifische Be-
reich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten von
der Anwendung des IFG ausgenommen (vgl. Rossi, IFG-Kom—
mentar, 5 1 Rn. 33 ff). Hierzu gehört insbesondere auch der Be-
reich der Petitionen (vgl. Bundestags—Drucksache 15/4493, S. 8).
Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages handelt auf—
grund der Regelungen der Art. 17 und 45 c Grundgesetz (GG). Er
erfüllt dabei keine öffentlich-rechtlichen Verwaltungsaufgaben,
sondern Aufgaben, die er als Teil des Verfassungsorgans Deut—
scher Bundestag wahrzunehmen hat. Dabei überprüft der Petiti—
Seite 2
onsausschuss aufgrund der verfassungsrechtlichen Regelungen
die Tätigkeit der Verwaltung.
Bei der Tätigkeit des Petitionsausschusses handelt es sich somit
um die Wahrnehmung verfassungsrechtlicher Aufgaben. Dies
wurde von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bestä-
tigt (vgl. zuletzt VG Berlin, Urteil vom 24. April 2013,
Az.: 2 K 63.12). Auch die Bundesbeauftragte für den Datenschutz
und die Informationsfreiheit (BfDI) vertritt unter Punkt 5.1.4 des
Tätigkeitsberichts zur Informationsfreiheit für die Iahre 2010 und
2011 diese Auffassung (vgl. Bundestags-Drucksache 17/9100,
S. 46).
Sie haben daher gegenüber dem Petitionsausschuss des Deut—
schen Bundestages gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG keinen Anspruch
auf Zugang zu den von Ihnen begehrten Unterlagen.
Bundestags-Drucksache 18/4990 vom 09.06.2015, Seiten 70 und 71
2.12.4 Wegstreckenentschädigung für Pkw-Fahrten zu ambulanten Behandlungen
Mit dieser Petition wurde gefordert, die Wegstreckenentschädigung für die Nutzung eines privaten Pkw für
Fahrten zu ambulanten Behandlungen von 20 auf 30 Cent zu erhöhen.
Der Petitionsausschuss verwies auf die Regelung zu den Fahrkosten in § 60 Absatz 1 des Fünften Buches
Sozialgesetzbuch (SGB V). Dieser bestimmt, dass die Krankenkasse nach den Absätzen 2 und 3 die Kosten für
Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 SGB V übernimmt, wenn die Fahrten im Zusammenhang mit
einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. Welches Fahrzeug
benutzt werden kann, richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall. Die Krankenkasse
übernimmt Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung nur in besonderen Ausnahmefällen, die der
Gemeinsame Bundesausschuss in
seinen Richtlinien festgelegt hat. Für die Übernahme der Fahrkosten ist eine
vorherige Genehmigung erforderlich. Von den Fahrkosten abgezogen wird der zuzahlungsbetrag nach § 61
Satz 1 SGB V. Bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs wird nach der Regelung zu den Fahrkosten in § 60
Absatz 3 Nummer 4 SGB V für jeden gefahrenen Kilometer der jeweils aufgrund des Bundesreisekosten-
gesetzes festgesetzte Höchstbeitrag für Wegstreckenentschädigung anerkannt, es werden jedoch höchstens die
Kosten anerkannt, die bei Inanspruchnahme des nach § 60 Absatz 3 Nummer 1 bis 3 SGB V erforderlichen
Transportmittels entstanden wären.
Der Petitionsausschuss verwies wie bereits das BMG auf den Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom
21. Mai 2010, B 1 KR 6/10 BH, nach dem die „Verweisungsregelung in § 60 Absatz 3 Nummer 4 SGB V
hinsichtlich der Höhe der Wegstreckenentschädigung bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für den
Ausnahmefall des § 5 Absatz 2 Satz 2 Bundesreisekostengesetz bezüglich erhöhter Wegstreckenentschädigung,
sofern ein erhebliches dienstliches Interesse an der Benutzung eines Kraftwagens besteht, keinen
Anwendungsraum bietet."
Die in der Petition geforderte erhöhte Wegstreckenentschädigung von 30 Cent je Kilometer kommt daher nach
der ausdrücklichen Entscheidung des BSG nicht in Betracht. Die gegen diesen Beschluss erhobene
Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen
(Beschluss vom 28. September 2010 - 1 BvR 1484/10).
Das BSG bestätigte damit die Vorinstanz (Bayerisches Landessozialgericht), die in ihrem Urteil (17. November
2009 - L 5 KR 187/08) ausführte: „Schließlich kann der Kläger keine höhere als die Fahrtkostenpauschale von
20 Cent pro gefahrenen Kilometer wie von der Beklagten erstattet erhalten. Dieses ist gemäß § 5 Bundes-
reisekostengesetz der regelmäßige Erstattungsbetrag, auf welchen § 60 Absatz 3 SGB V Bezug nimmt. Der
höhere Erstattungsbetrag von 30 Cent ist für die Regelungen des SGB V nicht zugänglich, weil sich dieser
ausschließlich auf dienstliche Erfordernisse bezieht, die nur mit Besonderheiten des Reisekostenrechtes des
öffentlichen Dienstes zu begründen sind..."
Für diese Auslegung spricht im Übrigen bereits der Wortlaut des § 5 Absatz 2 Satz 2 des Bundesreise-
kostengesetzes, wonach das erhebliche dienstliche Interesse vor Antritt der Dienstreise in der Anordnung oder
Genehmigung schriftlich oder elektronisch festgestellt werden muss.
Vor dem Hintergrund des Dargelegten empfahl der Petitionsausschuss, das Petitionsverfahren abzuschließen,
weil dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.
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Vergabepraxis von Betreuungsplätzen in Einrichtungen freier Träger
anselmf
Gekürzte Chronologie
der Petition Pet 3-18-17-2165-18257
Vergabepraxis von Betreuungsplätzen in Einrichtungen freier Träger
20.03.2015 Kurzfassung der Petition
Petition 58089 an den Deutschen Bundestag (mit der Bitte um Veröffentlichung) vom 20.03.2015
Kinder- und Jugendhilfe - Vergabepraxis von Betreuungsplätzen in Einrichtungen freier Träger
Wortlaut der Petition
Der Deutsche Bundestag möge, gegebenenfalls durch eine Gesetzesänderung, wirksame Vorkehr treffen, dass
es bei der Vergabe von Betreuungsplätzen in Einrichtungen jeglicher Träger, insbesondere auch jeglicher
freier Träger nicht zu Diskriminierungen, insbesondere nicht aufgrund rein glaubensbasierter Vorgaben
kommt. Die Begründung nimmt Bezug auf die Sachverhaltsdarstellung in der Petition 45587 „Kinder- und
Jugendhilfe - Vergabepraxis von Betreuungsplätzen in konfessionellen Einrichtungen".
Begründung
Eine betroffene Mutter legte dar, dass ihr in KITAs freier, in ihrem konkreten Fall konfessioneller Träger,
gesagt wurde, dass ihre Kinder keine Chance auf Plätze hätten, da sie nicht getauft sind. Sie führte weitere,
gleichartige Erfahrungen von Personen aus ihrem Umfeld an. Mit der genannten Petition hatte die Petentin
beantragt, der Deutsche Bundestag möge die Rolle der Konfession bei der Vergabepraxis von
Betreuungsplätzen in konfessionellen Einrichtungen überprüfen.
Der Deutsche Bundestag hat beschlossen, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht
entsprochen werden könne. Zur Begründung hat der Petitionsausschuss im Wesentlichen ausgeführt, dass sich
die Petentin auf konfessionelle Träger bezieht, der Petitionsausschuss aber eine Einschränkung der
Trägerautonomie nur für diese nicht unterstütze. Obwohl die Petentin nicht ausdrücklich verlangt hatte, dass
die Regelungen für andere Träger unangetastet bleiben, sondern diese nur nicht ausdrücklich für auch möglich
erklärte, hat der Petitionsausschuss das Anliegen implizit so interpretiert als wäre eine Sondereinschränkung
nur für konfessionelle Träger begehrt. Bei dieser Interpretation ist die ablehnende Haltung nicht
verwunderlich.
Durch die Nichtweiterbefassung verbleibt es jedoch beim von der Petentin bemängelten Zustand, dass Kinder
aufgrund einer an ihnen vollzogenen reinen Kulthandlung beziehungsweise des Fehlens einer solchen, bei der
Vergabe von regelmäßig in erheblichem Umfang öffentlich finanziell geförderten Betreuungsplätzen
systematisch benachteiligt werden. Das trifft für konfessionelle Einrichtungen sicher zu und mag in ähnlicher
Weise auch für andere freie Träger zutreffen. Der jetzige Petent hält diesen Zustand für nicht erstrebenswert
und im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gebotene Gleichbehandlung für bedenklich und zwar
unabhängig davon bei welchen freien Trägern solche Benachteiligungen auftreten mögen. Die Erfüllung des
Anspruchs nach § 24 SGB VIII ist staatlicherseits zu garantieren, sie muss daher zwingend
diskriminierungsfrei sein, auch wenn sich der Staat – was ihm ja freisteht – freier Träger als Gehilfen bedient.
Der Petent macht sich daher das Begehren der Petentin zu eigen, indes mit der wesentlichen Modifikation,
dass er ausdrücklich fordert sämtliche freien Träger gleichermaßen zu verpflichten.
Anregungen für die Forendiskussion
Für Ansätze, welche Normen sinnvollerweise angepasst werden könnten, verweist der Petent auf die bereits
abgeschlossene Petition, hebt allerdings ausdrücklich hervor, dass dies nicht von vorneherein andere oder
weitere Anpassungen ausschließen soll, wenn diese im Hinblick auf die formulierten Ziele zweckmäßig
erscheinen. Insbesondere schließt der Petent auch weitere Folgeänderungen des SGB VIII oder anderer
Normengefüge ausdrücklich nicht von vornherein aus, soweit solche erforderlich sein sollten.
Als konkrete Möglichkeit käme etwa eine Verankerung im SGB VIII, Zweites Kapitel, Zweiter Abschnitt und
Drittes Kapitel, Zweiter Abschnitt in Frage, die die Zulassung der Träger und deren (Teil-)Finanzierung aus
öffentlichen Mitteln an eine entsprechende Selbstverpflichtungserklärung bindet, deren Einlösung kontrolliert
und Verletzung sanktioniert wird und ein Diskriminierungsverbot, das notfalls von Betroffenen mit
Rechtsmitteln durchsetzbar ist.
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LSG BAY, L 5 KR 381/09 B PKH vom 09.11.2009, Bayerisches Landessozialgericht
anselmf
L 5 KR 381/09 B PKH
S 2 KR 296/08
BAYERISCHES LANDESSOZIALGERICHT
In dem Beschwerdeverfahren
- Kläger und Beschwerdeführer -
gegen
Krankenkasse,
— Beklagte und Beschwerdegegnerin -
wegen Prozesskostenhilfe
erlässt der 5. Senat des Bayer. Landessozialgerichts in München
am 9. November 2009
ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter am Bayer. Landes—
sozialgericht Mayer sowie den Richter am Bayer. Landessozialgericht Rittweger
und die Richterin am Bayer. Landessozialgericht Körner folgenden
Beschluss:
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschlüss des Sozialgerichts Regens—
burg vom 09.09.2009 Wird zurückgewiesen.
-2— L 5 KR 381/09 B PKH
Gründe:
Der Kläger begehrt in der Hauptsache Kostenerstattung in der Vergangenheit angefalle-
ner sowie die Feststellung der Erstattungspflicht der Beklagten- künftig entstehender
Parkgebühren anlässlich medizinischer Behandlungen. insoweit hat der Kläger am
08.10.2008 Prozesskostenhilfe beantragt. Diese hat das Sozialgericht mit Beschluss vom
09.09.2009 mangels Erfolgsaussicht abgelehnt.
Die form— und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, gem §§ 172, 173, 73a So—
zialgerichtsgesetz (SGG) IVm § 127 Abs 2 S 2 Zivilprozessordnung (ZPO), aber unbe-
gründet.
Wie aus dem Beschluss des Senates vom 07.10.2009 - L 5 KR 9/09 B PKH und den dor-
tigen weiteren NachWeisen ersichtlich ist, besteht für den Kläger die grundsätzliche Be—
rechtigung, durch die DGB Rechtsschutz GmbH Regensburg, Richard-Wagner-Str. 2„
93055 Regensburg in sozialgerichtlichen Verfahren vertreten zu werden. Diese Berechti—
gung genügt, um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen (BSG SozR 3-1500
§ 73a Nr. 4). Denn hätte ein mittelloses Gewerkschaftsmitglied die Wahl zwischen kosten-
losem gewerkschaftlichem Rechtsschutz und der Beiordnung eines frei gewählten
Rechtsanwaltes, so stünde es besser als ein Beteiligter, der über genügend Mittel zur
Prozeßführung. durch einen Rechtsanwalt verfügt. Dieser Beteiligte würde in aller Regel
verständigerweise aus wirtschaftlichen Gründen das Kostenrisiko meiden und sich regel—
mäßig für kostenlosen Rechtsschutz durch einen Verbandsvertreter entscheiden. Es be—
steht deshalb kein Grund, dem finanziell minderbemittelten Beteiligten aus staatlichen Mit—
teln die Wahlfreiheit zu finanzieren, die der bemittelte Beteiligte verständigerweise nicht in
Anspruch nähme.
Die Beschwerde des Klägers bleibt somit allein aus diesem Grund ohne Erfolg. Dieser
Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Faksimile 1 2
Hauptverfahren S 2 KR 296/08 vom 18.02.2010
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SG R, S 2 KR 296/08 vom 09.09.2009, Sozialgericht Regensburg
anselmf
S 2 KR 296/08
SOZIALGERICHT REGENSBURG
ln dem Rechtsstreit
- Kläger -
Proz.-Bev.:
gegen
-Krankenkasse‚
- Beklagte -
erlässt die Vorsitzende der 2. Kammer, Richterin am Sozialgericht G, ohne
mündliche Verhandlung am 9. September 2009 folgenden
Beschluss:
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
- 2 — S 2 KR 296/08
Gründe:
Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für seinen Rechtsstreit gegen die Beklagte.
Streitgegenstand des zu Grunde liegenden Rechtsstreites ist, ob die Beklagte in
der Gestalt tätig bzw. untätig war, als dass sie nicht beschieden hat, ob und wa-
rum dem Kläger die nach § 43 Abs. 1 SGB I beantragte Leistung gewährt bezie-
hungsweise versagt wird.
Mit Schreiben vom 08.05.2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erstat-
tung von im April 2007 angefallenen Fahrtkosten, woraufhin die Beklagte mit Be-
scheid vom 08.05.2007 mitteilte, dass die geltend gemachten Fahrtkosten teilwei-
se erstattet werden könnten; Kosten für die Taxifahrt am 26.04.2007 könnten je-
doch nicht übernommen werden, da die diesbezügliche Behandlung bei Dr. S
nicht im Zusammenhang mit der Dialyse gestanden hätte.
Dagegen legte der Kläger mit Schriftsatz vom 15.05.2007 Widerspruch ein, wobei
er ausführte, dass die Praxis Dr. S und Dr. P wegen der Praxiszeiten
nur an einem dialysefreien Tag aufgesucht werden könne, wodurch zusätzliche
Fahrkosten anfallen würden. Zugleich beantragte er, die Leistung als vorläufige
Leistung gemäß § 43 SGB I zu erbringen.
Mit Bescheid vom 24.05.2007 teilte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit, dass
kein anderer Leistungsträger für die begehrte Leistung zuständig sei, weswegen
§ 43 SGB l nicht einschlägig sei.
Mit Schreiben vom 07.07.2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erstat-
tung von im Juni 2007 angefallenen Fahrtkosten, wobei er auch einen Antrag auf
vorläufige Leistungsgewährung nach § 43 SGB I stellte.
— 3 — S 2 KR 296/08
Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 22.08.2007 mit, dass
im Falle des Klägers nur die Fahrten im Zusammenhang mit der Dialyse erstat-
tungsfähigseien; angesichts dessen könnten die Krankenfahrten am 26.04.2007
und 28.06.2007 zur ambulanten Behandlung nicht erstattet werden.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 04.09.2007 Widerspruch ein. Zur
Begründung führte er aus, dass er aufgrund seiner Gesundheitsstörungen auch zu
den übrigen Behandlungsmaßnahmen und Kontrolluntersuchungen außerhalb der
Dialyse aus zwingenden medizinischen Gründe nur per Taxi erscheinen könne,
wobei er eine entsprechende ärztliche Bescheinigung von Dr. L vom
07.09.2007 und ein ärztliches Attest von Dr. S vom 18.09.2007 beifügte.
Der Seitens der Beklagten befasste Medizinische Dienst der Krankenversicherung
(MDK) führte in zwei Stellungnahmen nach Aktenlage vom 13.11.2007 und
27.11.2007 aus, dass beim Kläger zwar die Mobilität beeinträchtigt sei, allerdings
keine hohe Behandlungsfrequenz von dreimal pro Woche vorliegen würde, wes-
wegen die Voraussetzungen für die Kostenerstattung der Fahrtkosten durch die
gesetzliche Krankenversicherung nicht erfüllt seien. Darüber hinaus läge beim
Kläger keine vergleichbare Beeinträchtigung der Mobilität analog den Merkzeichen
"aG, "Bl "‚ "H" beziehungsweise der Pflegestufen II oder III und keine Behandlung
über einen längeren Zeitraum vor.
Dementsprechend wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Wider-
spruchsbescheid vom 05.02.2008 zurück.
Gegen den Widerspruchsbescheid wurde seitens des Klägers kein Rechtsbehelf
eingelegt.
Mit Klage vom 18.10.2008, beim Sozialgericht Regensburg am 20.10.2008 einge-
gangen, hat der Kläger Untätigkeitsklage gegen die Beklagte der Gestalt erhoben,
dass die Beklagte zu verurteilen sei, unverzüglich zu bescheiden, ob und warum
dem Kläger die in seinem Schreiben vom 15.05.2007 nach § 43 Abs. 1 SGB I be-
antragte Leistung gewährt beziehungsweise versagt wird. Zudem hat er einen An-
trag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt.
Die Beklagte hat beantragt, den Antrag abzulehnen.
- 4 — S 2 KR 296/08
Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass über den entsprechenden Antrag des
Klägers auf Erstattungvon Fahrtkosten längst - und zwar noch vor Erhebung der
Untätigkeitsklage — entschieden worden sei. Soweit der Kläger eine Auseinander-
setzung mit der Vorschrift des § 43 SGB I vermissen würde, beziehe er sich auf
sein Widerspruchsschreiben vom 15.05.2007. Die hiesige Klage sei als unzulässig
zurückzuweisen.
Das Gericht hat die Beklagtenakte, sowie die Schwerbehindertenakte des Klägers
vom Zentrum Bayern Familie und Soziales, ferner die Akten des Sozialgerichts
Regensburg S 2KR 284/08, S 2 KR 175/09, S 2 KR 379/08 und S 2 KR 264/08
zum Verfahren beigezogen, auf deren lnhalt im Übrigen ergänzend Bezug ge—
nommen wird.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Nach § 73 a Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 114
S. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil
oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beab—
sichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Er-
folg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Vorliegend scheidet die Gewährung von Prozesskostenhilfe schon deshalb aus,
weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, da für die Rechtsverfol-
gung nicht einmal eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit besteht, so dass es auf
die weiteren Voraussetzungen nicht ankommt. ln dem Zusammenhang hat die
Kammer auch verfassungsrechtliche Vorgaben (vor allem das Verbot überspann—
ter Anforderungen, um eine Rechtsschutzgleichheit zwischen bemittelten und un-
bemittelten Klägern zu gewährleisten (Art. 3, 20 lll, 19 lV GG)) berücksichtigt, da
- 5 - S 2 KR 296/08
die hier vorliegende Rechtsfrage angesichts der gesetzlichen Regelung ohne
Schwierigkeiten beantwortet werden kann (vergleiche dazu Bundesverfassungs-
gericht, Beschluss vom 14.06.2006, Aktenzeichen 2 BVR 626/06) und eine Be-
weiserhebung nicht notwendig ist (vgl. Meyer—Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG,
9.Aufl.‚ § 73 a Rn. 7a).
Nach § 60 Abs. 1 S. 1 SGB V übernimmt die Krankenkasse nach den Abs. 2 und 3
die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 (Fahrtkosten),
wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingen-
den medizinischen Gründen notwendig sind.
Die vorliegenden Anträge des Klägers vom 08.05.2007 und 07.07.2007 auf Über-
nahme der geltend gemachten Fahrtkosten hat die Beklagte mit Bescheiden vom
08.05.2007 und 22.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
05.02.2008 abgelehnt. Darüber hinaus hat die Beklagte dem Kläger mit Bescheid
vom 24.05.2007 mitgeteilt, dass auch kein anderer Leistungsträger für die begehr-
te Übernahme der Fahrtkosten zuständig sei, weswegen eine Leistungsgewäh-
rung nach § 43 SGB I ausscheide.
Vorliegend hat die Beklagte zur Überzeugung des Gerichts über die Anträge des
Klägers vom 08.05.2007 und 07.07.2007 durch die Bescheide vom 08.05.2007,
24.05.2007 und 22.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
05.02.2008 bestandskrätig entschieden, da gegen den Widerspruchsbescheid
vom 05.02.2008 keine Klage beziehungsweise verspätet — d.h. außerhalb der Mo-
natsfrist des § 87 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz - eingelegt wurde. Für eine Un-
tätigkeitsklage des Klägers (wie hier mit Klageschriftsatz vom 18.10.2008 begehrt)
ist daher kein Raum, da über die zwei Anträge des Klägers vom 08.05.2007 und
07.07.2007 auf Vornahme eines Verwaltungsaktes mit den oben genannten Ver-
waltungsakten sachlich beschieden worden ist. Die Voraussetzungen für eine Un-
tätigkeitsklage nach § 88 SGG sind daher nicht gegeben, so dass die vorliegende
Klage mangels Erfolgsaussicht als unzulässig abgewiesen werden müsste.
Sofern der Kläger vorträgt, dass über seinen Antrag nach § 43 SGB I (mit Wider-
spruchsschreiben vom 15.05.2007 und Antrag vom 07.07.2007) nicht entschieden
worden ist, ist auszuführen, dass die Beklagte mit Bescheid vom 24.05.2007 dem
Kläger mitgeteilt hat, dass kein anderer Leistungsträger für die begehrte Leistung
zuständig sei, so dass die Voraussetzungen des § 43 SGB l nicht vorliegen wür—
- 6 — S 2 KR 296/08
den. Damit hatte die Beklagte aber gerade auch — entgegen der Ausführungen des
Klägers — zum § 43 SGB I Stellung bezogen. Darüber hinaus hat sie durch die ge-
nannten Bescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2008
zum Ausdruck gebracht, dass kein Anspruch auf die begehrte Sozialleistung
"Fahrtkosten" besteht. Darüber hinaus handelt es sich bei § 43 Abs. 1 SGB I auch
nicht um eine Anspruchsgrundlage, auf die der Kläger sein Klagebegehren stützen
kann, sondern lediglich um eine Regelung der Gestalt, wer zur vorläufigen Leis-
tungsgewährung verpflichtet ist, wenn ein Anspruch auf Sozialleistung besteht und
zwischen mehreren Leistungsträgern streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist.
Vorliegend sind diese Voraussetzungen schon deshalb nicht erfüllt, da die Beklag-
te unstreitig für Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung zuständig ist, während
demgegenüber für diesen Regelungsbereich eine Zuständigkeit eines anderen
Sozialleistungsträgers nicht gegeben ist. Ihre entsprechende Zuständigkeit hat die
Beklagte auch durch die oben genannten Bescheide in der Gestalt des Wider-
spruchsbescheides vom 05.02.2008 und zudem durch den Bescheid vom
24.05.2007 zum Ausdruck gebracht. Eine Untätigkeit der Beklagten im Sinne des
§ 88 SGG vermag das Gericht vor diesem Hintergrund nicht zu erkennen. Für den
Kläger war durch die Bescheide vom 08.05 2007, 24.05.2007 und 22.08.2007 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2008 eindeutig erkennbar,
dass die Beklagte für die begehrte Leistung (Übernahme beziehungsweise Erstat—
tung der Fahrtkosten) der zuständige Leistungsträger ist.
Die vorliegende Untätigkeitsklage müsste daher als unzulässig abgewiesen wer-
den, so dass der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels Er-
folgsaussicht der Klage abzulehnen ist.
- 7 - S 2 KR 296/08
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss ist gemäß §§ 73a, 172 Abs. 1 SGG iVm § 127 Abs. 2 Satz
2 ZPO Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht statthaft. Die Beschwerde ist
binnen eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Sozialgericht Re-
gensburg, Safferlingstraße 23, 93053 Regensburg, schriftlich oder zur Nieder-
schrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist
beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der
Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstel—
le eingelegt wird .‚
Die Vorsitzende der 2. Kammer
G
Richterin am Sozialgericht
Ausgefertigt - Beglaubigt
Sozialgericht Regensburg
Regensburg, den
als Urkundsbeamtin der Geschäfts-
stelle
Faksimile 1 2 3 4 5 6 7
L 5 KR 381/09 B PKH
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SG R, S 2 KR 296/08 vom 18.02.2010, Sozialgericht Regensburg
anselmf
S 2 KR 296/08
SOZIALGERICHT REGENSBURG
GERICHTSBESCHEID
in dem Rechtsstreit
- Kläger -
gegen
-Krankenkasse,
20097 Hamburg - 003401/stö -
- Beklagte -
Untätigkeit
Die 2. Kammer des Sozialgerichts Regensburg erlässt durch ihre Vorsitzende, Richterin
am Sozialgericht G, am 18. Februar 2010 ohne mündliche Verhandlung folgenden
Gerichtsbescheid:
l. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
- 2 - S 2 KR 296/08
Tatbestand:
Streitgegenstand des Rechtsstreites ist, ob die Beklagte in der Gestalt untätig war,
als dass sie nicht beschieden hat, ob und warum dem Kläger die nach § 43 Abs. 1
SGB I beantragte Leistung gewährt beziehungsweise versagt wird.
Mit Schreiben vom 08.05.2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erstat-
tung von im April 2007 angefallenen Fahrtkosten, woraufhin die Beklagte mit Be-
scheid vom 08.05.2007 mitteilte, dass die geltend gemachten Fahrtkosten teilwei-
se erstattet werden könnten; Kosten für die Taxifahrt am 26.04.2007 könnten je—
doch nicht übernommen werden, da die diesbezügliche Behandlung bei Dr. S
nicht im Zusammenhang mit der Dialyse gestanden hätte.
Dagegen legte der Kläger mit Schriftsatz vom 15.05.2007 Widerspruch ein, wobei
er ausführte, dass die Praxis Dr. S und Dr. P wegen der Praxiszeiten
nur an einem dialysefreien Tag aufgesucht werden könne, wodurch zusätzliche
Fahrkosten anfallen würden. Zugleich beantragte er, die Leistung als vorläufige
Leistung gemäß § 43 SGB l zu erbringen.
Mit Bescheid vom 24.05.2007 teilte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit, dass
kein anderer Leistungsträger für die begehrte Leistung zuständig sei, weswegen §
43 SGB I nicht einschlägig sei.
Mit Schreiben vom 07.07.2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erstat-
tung von im Juni 2007 angefallenen Fahrtkosten, wobei er auch einen Antrag auf
vorläufige Leistungsgewährung nach § 43 SGB I stellte.
- 3 - S 2 KR 296/08
Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 22.08.2007 mit, dass
im Falle des Klägers nur die Fahrten im Zusammenhang mit der Dialyse erstat—
tungsfähig seien; angesichts dessen könnten die Krankenfahrten am 26.04.2007
und 28.06.2007 zur ambulanten Behandlung nicht erstattet werden.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 04.09.2007 Widerspruch ein. Zur
Begründung führte er aus, dass er aufgrund seiner Gesundheitsstörungen auch zu
den übrigen Behandlungsmaßnahmen und Kontrolluntersuchungen außerhalb der
Dialyse aus zwingenden medizinischen Gründe nur per Taxi erscheinen könne,
wobei er eine entsprechende ärztliche Bescheinigung von Dr. L vom
07.09.2007 und ein ärztliches Attest von Dr. S vom 18.09.2007 beifügte.
Der seitens der Beklagten befasste Medizinische Dienst der Krankenversicherung
(MDK) führte in zwei Stellungnahmen nach Aktenlage vom 13.11.2007 und
27.11.2007 aus, dass beim Kläger zwar die Mobilität beeinträchtigt sei, allerdings
keine hohe Behandlungsfrequenz von dreimal pro Woche vorliegen würde, wes-
wegen die Voraussetzungen für die Kostenerstattung der Fahrtkosten durch die
gesetzliche Krankenversicherung nicht erfüllt seien. Darüber hinaus läge beim
Kläger keine vergleichbare Beeinträchtigung der Mobilität analog den Merkzeichen
"aG, "Bl ", "H" bzw. der Pflegestufen ll oder lll und keine Behandlung über einen
längeren Zeitraum vor.
Dementsprechend wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Wider-
spruchsbescheid vom 05.02.2008 unter Bezugnahme auf diese Ausführungen zu-
rück.
Gegen den Widerspruchsbescheid wurde seitens des Klägers kein Rechtsbehelf
eingelegt.
Mit Klage vom 18.10.2008, beim Sozialgericht Regensburg am 20.10.2008 einge-
gangen, hat der Kläger Untätigkeitsklage gegen die Beklagte der Gestalt erhoben,
dass die Beklagte zu verurteilen sei, unverzüglich zu bescheiden, ob und warum.
dem Kläger die in seinem Schreiben vom 15.05.2007 nach 5. 43 Abs. 1 SGB l be-
antragte Leistung gewährt beziehungsweise versagt wird. Zudem hat er einen An-
- 4 - S 2 KR 296/08
trag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt, der mittels Beschluss des
Sozialgerichts Regensburg vom 09.09.2009 abgelehnt wurde und die dagegen
eingelegte Beschwerde durch Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts
vom 09.11.2009 zurückgewiesen wurde.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, unverzüglich zu bescheiden, ob und warum dem
Kläger die in seinem Schreiben vom 15.05.2007 nach § 43 Abs. 1 SGB I be-
antragte Leistung gewährt bzw. versagt wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass über den entsprechenden Antrag des
Klägers auf Erstattung von Fahrtkosten längst - und zwar noch vor Erhebung der
Untätigkeitsklage - entschieden worden sei. Soweit der Kläger eine Auseinander-
setzung mit der Vorschrift des § 43 SGB I vermisse, beziehe er sich auf sein Wi-
derspruchsschreiben vom 15.05.2007. Die hiesige Klage sei als unzulässig zu-
rückzuweisen.
Mit Schreiben vom 25.11.2009 hat das Gericht die Beteiligten zu der Absicht an—
gehört, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu
entscheiden und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 11.12.2009 eingeräumt,
womit sich die Beklagte mit Schreiben vom 30.11.2009 und der Kläger mit Schrei-
ben vom 07.12.2009 einverstanden erklärt haben.
Das Gericht hat die Beklagtenakte sowie die Schwerbehindertenakte des Klägers
- 5 - S 2 KR 296/08
vom Zentrum Bayern Familie und Soziales, ferner die Akten des Sozialgerichts
Regensburg S 2KR 284/08, S 2 KR 175/09, S 2 KR 379/08 und S 2 KR 264/08
zum Verfahren beigezogen, auf deren Inhalt im Übrigen ergänzend Bezug ge—
nommen wird.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschei-
den, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder
rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten vorher hier—
zu gehört wurden (vgl. § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die durch den Kläger mit Schriftsatz vom 18.10.2008 erhobene Untätigkeitsklage
ist unzulässig.
Die vorliegenden Anträge des Klägers vom 08.05.2007 und 07.07.2007 auf Über-
nahme der geltend gemachten Fahrtkosten hat die Beklagte mit Bescheiden vom
08.05.2007 und 22.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
05.02.2008 abgelehnt. Darüber hinaus hat die Beklagte dem Kläger mit Bescheid
vom 24.05.2007 mitgeteilt, dass auch kein anderer Leistungsträger für die begehr-
te Übernahme der Fahrtkosten zuständig sei, weswegen eine Leistungsgewäh—
rung nach § 43 SGB l ausscheide.
Vorliegend hat die Beklagte zur Überzeugung des Gerichts über die Anträge des
Klägers vom 08.05.2007 und 07.07.2007, durch die Bescheide vom 08.05.2007,
24.05.2007 und 22.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
05.02.2008 bestandskräftig entschieden, da gegen den Widerspruchsbescheid
vom 05.02.2008 keine Klage bzw. verspätet - d.h. außerhalb der Monatsfrist des §
87 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz — eingelegt wurde. Für eine Untätigkeitsklage
des Klägers (wie hier mit Klageschriftsatz vom 18.10.2008 begehrt) ist daher kein
Raum, da über die 2 Anträge des Klägers vom 08.05.2007 und 07.07.2007 auf
Vornahme eines Verwaltungsaktes mit den o.g. Verwaltungsakten sachlich be—
schieden worden ist. Die Voraussetzungen für eine Untätigkeitsklage nach § 88
SGG sind daher nicht gegeben, so dass die vorliegende Klage abzuweisen ist.
— 6 — S 2 KR 296/08
Sofern der Kläger vorträgt, dass über seinen Antrag nach § 43 SGB I (mit Wider-
spruchsschreiben vom 15.05.2007 und Antrag vom 07.07.2007) nicht entschieden
worden sei, ist auszuführen, dass die Beklagte mit Bescheid vom 24.05.2007 dem
Kläger mitgeteilt hat,dass kein anderer Leistungsträger für die begehrte Leistung
zuständig sei, so dass die Voraussetzungen des § 43 SGB I nicht vorliegen. Damit
hat die Beklagte aber gerade auch — entgegen den Ausführungen des Klägers - zu
§ 43 SGB I Stellung bezogen. Darüber hinaus hat sie durch die genannten Be-
scheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2008 zum Aus-
druck gebracht, dass kein Anspruch auf die begehrte Sozialleistung "Fahrtkosten"
besteht. Ferner handelt es sich bei § 43 Abs. 1 SGB I auch nicht um eine An-
spruchsgrundlage, auf die der Kläger sein Klagebegehren stützen kann, sondern
lediglich um eine Regelung der Gestalt, wer zur vorläufigen Leistungsgewährung
verpflichtet ist, wenn ein Anspruch auf Sozialleistung besteht und zwischen meh—
reren Leistungsträgern streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist. Vorliegend sind
diese Voraussetzungen schon deshalb nicht erfüllt, da die Beklagte unstreitig für
Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung zuständig ist, während demgegenüber
für diesen Regelungsbereich eine Zuständigkeit eines anderen Sozialleistungsträ-
gers nicht gegeben ist. Ihre entsprechende Zuständigkeit hat die Beklagte auch
durch die oben genannten Bescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 05.02.2008 und zudem durch den Bescheid vom 24.05.2007 zum Ausdruck
gebracht. Eine Untätigkeit der Beklagten im Sinne des § 88 SGG vermag das Ge—
richt vor diesem Hintergrund nicht zu erkennen. Für den Kläger war durch die Be—
scheide vom 08.05.2007, 24.05.2007 und 22.08.2007 in der Gestalt des Wider-
spruchsbescheides vom 05.02.2008 eindeutig erkennbar, dass die Beklagte für
die begehrte Leistung (Übernahme beziehungsweise Erstattung der Fahrtkosten)
der zuständige Leistungsträger ist.
Die Klage ist daher als unzulässig abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der
Sache.
- 7 - S 2 KR 296/08
Rechtsmittelbelehrung
Dieser Gerichtsbescheid kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids
beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der
Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2,97421 Schweinfurt,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstel—
Ie einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim
Sozialgericht Regensburg, Safferlingstraße 23, 93053 Regensburg, schriftlich oder
mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt
wird.
Die Berufungsschrift soll den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen, einen
bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden
Tatsachen und Beweismittel angeben.
Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die
übrigen Beteiligten beigefügt werden.
G
Richterin am Sozialgericht
/K.
Ausgefertigt Beglaubigt
Sozialgericht Regensburg
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
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L 5 KR 131/10 vom 28.06.2011
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LSG BAY, L 5 KR 382/09 B PKH vom 09.09.2009, Bayerisches Landessozialgericht
anselmf
L 5 KR 382/09 B PKH
S 2 KR 379/08
BAYERISCHES LANDESSOZIALGERICHT
ln dem Beschwerdeverfahren
- Kläger und Beschwerdeführer -
gegen
-Krankenkasse,
- Beklagte und Beschwerdegegnerin —
wegen Prozesskostenhilfe
erlässt der 5. Senat des Bayer. Landessozialgerichts in München
am 9. November 2009
ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter am Bayer. Landessozialge—
richt M sowie den Richter am Bayer. Landessozialgericht R und die Richterin
am Bayer. Landessozialgericht K folgenden
Beschluss:
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regens—
burg vom 09.09.2009 wird zurückgewiesen.
- 2 — L 5 KR 382/09 B PKH
Der Kläger begehrt in der Hauptsache eine vorherige Genehmigung für alle Fahrtkosten,
die bei Fahrten zu seinen ambulanten Behandlungen anfallen. Insoweit hat der Kläger am
16.12.2008 Prozesskostenhilfe beantragt. Diese hat das Sozialgericht mit Beschluss vom
09.09.2009 mangels Erfolgsaussicht abgelehnt.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, gem §§ 172, 173, 73a So-
zialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 127 Abs 2 S 2 Zivilprozessordnung (ZPO), aber unbe-
gründet.
Wie aus dem Beschluss des Senates vom 07.10.2009 - L 5 KR 9/09 B PKH und den dor-
tigen weiteren Nachweisen ersichtlich ist, besteht für den Kläger die grundsätzliche Be-
rechtigung, durch die DGB Rechtsschutz GmbH Regensburg, Richard—Wagner—Str. 2,
93055 Regensburgin sozialgerichtlichen Verfahren vertreten zu werden. Diese Berechti-
gung genügt, um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen (BSG SozR 3—1500
§ 73a Nr. 4). Denn hätte ein mittelloses Gewerkschaftsmitglied die Wahl zwischen kosten—
losem gewerkschaftlichem Rechtsschutz und der Beiordnung eines frei gewählten
Rechtsanwaltes, so stünde es besser als ein Beteiligter, der über genügend Mittel zur
Prozessführung durch einen Rechtsanwalt Verfügt. Dieser Beteiligte würde in aller Regel
verständigerweise aus wirtschaftlichen Gründen das Kostenrisiko meiden und sich regel-
mäßig für kostenlosen Rechtsschutz durch einen Verbandsvertreter entscheiden. Es be-
steht deshalb kein Grund, dem finanziell minderbemittelten Beteiligten aus staatlichen Mit-
teln die Wahlfreiheit zu finanzieren, die der bemittelte Beteiligte verständigerweise nicht in
Anspruch nähme.
Die Beschwerde des Klägers bleibt somit allein aus diesem Grund ohne Erfolg.
—3— L 5 KR 382/09 B PKH
Nach § 127 Abs. 4 ZPO werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet.
Eine Kostenentscheidung ist daher nicht erforderlich.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
N K R
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Hauptverfahren S 2 KR 379/08
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SG LA, S 1O SO 13/08 vom 23.04.2009, Sozialgerichte Landshut
anselmf
S 10 SO 13/08
SOZIALGERICHT LANDSHUT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
in dem Rechtsstreit
A.‚ A-Straße, A-Stadt
— Kläger —
gegen
Bezirk Niederbayern, Sozialverwaltung‚ vertreten durch den Bezirkstagspräsidenten
Gestütstraße 10, 84028 Landshut
— Beklagte -
B e i g e l a d e n :
1. Landkreis Passau, -—Sozialverwaltung—‚
— Beigeladener -
2. DAK
— Beigeladene -
Streitigkeiten nach dem SGB Xll (Sozialhilfe)
Die 10. Kammer des Sozialgerichts Landshut hat auf die mündliche Verhandlung in
Passau
am 23. April 2009
durch den Richter am Sozialgericht B als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen
Richter S und M
für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
—2— S10 SO 13/08
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf
Übernahme von Betriebskosten für sein Kraftfahrzeug in Höhe von monatlich 50,00 Euro
als Leistung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen zusteht.
Der 1934 geborene Kläger ist schwerbehindert. Nach dem Schwerbehindertenausweis
vom 01.07.2005 betrug der Grad der Behinderung 80; außerdem sind die Merkzeichen G,
aG und B eingetragen (Bl. 7 der Beklagtenakte). Er lebt mit seiner 1941 geborenen Ehe-
frau zusammen; beide beziehen Altersrenten und ergänzende Leistungen der Grundsi-
cherung im Alter von dem Beigeladenen zu 1. (Bl. 11 — 15, 77 — 80 der Beklagtenakte).
Am 23.10.2006 beantragte der Kläger bei dem Beklagten einen Zuschuss zu den monatli-
chen Betriebskosten seines Kraftfahrzeugs. Er legte die Kopie des Fahrzeugscheins vor;
aus dieser ergibt sich, dass es sich um einen PKW der Marke Mazda handelt, der erst-
mals 1996 zugelassen wurde (Bl. 10 der Beklagtenakte). Der Beklagte holte eine Stel-
lungnahme des Landratsamtes Passau — Gesundheitsamt - ein. Dieses teilteunter dem
08.11.2006 mit, der Kläger habe 1998 eine Kniescheibenfraktur rechts erlitten. Als Folge
sei eine vollkommene Versteifung des rechten Kniegelenks in Streckhaltung aufgetreten.
Er benutze außer Haus zwei Gehstöcke, mit denen er nur kurze Wegstrecken zurückle-
gen könne. Die Ehefrau des Klägers leide an intermittierendem Asthma bronchiale. Des-
wegen könne sie nicht über längere Strecken schwer heben und tragen. Sie besitze kei-
nen Führerschein. Beide Eheleute seien auf die regelmäßige Benutzung und Verfügbar-
keit eines Kraftfahrzeugs angewiesen. Dieses werde in erster Linie für Einkaufsfahrten
sowie für Arztbesuche und Krankengymnastiktermine venNendet. Zusätzlich dienten die
Fahrten der Aufrechterhaltung des sozialen Lebens (Bl. 30 f. der Beklagtenakte).
Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 13.02.2007 ab. Der Kläger sei wegen
Art und Schwere seiner Behinderung zum Zweck seiner Teilnahmeam Leben in der Ge-
meinschaft gelegentlich auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen. Überwie-
gend und vorrangig werde das Kraftfahrzeug jedoch für Arzt-‚ Therapie- und Einkaufsfahr-
ten genutzt. Diese Lebensbereiche seien im Rahmen der Kraftfahrzeughilfe für Schwer-
behinderte nicht berücksichtigungsfähig (Bl. 35 f. der Beklagtenakte).
-3- S 10 SO 13/08
l\/lit Schreiben vom 15.02.2007, bei dem Beklagten eingegangen am 16.02.2007, erhob
der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.02.2007 (Bl. 37 der Beklagtenakte).
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger benötige das Fahrzeug auch regelmäßig
für Fahrten im Zusammenhang mit Freizeitaktivitäten. Diese nähmen seine Ehefrau und
er 10 - 12 mal im Monat wahr. Ab 24.04.2007 sei ihm ein Grad der Behinderung von 100
zugebilligt worden (Bl. 47 f, 58 und 60 der Beklagtenakte).
Die Regierung von Niederbayern wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom
04.02.2008 zurück. Auf die Begründung des Widerspruchsbescheides wird verwiesen.
Am 26.02.2008 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut. Er benötige sein
Kraftfahrzeug ständig in allen Lebensbereichen. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel
sei ihm nicht zuzumuten. Den Sonderfahrdienst für Behinderte könneer nicht in Anspruch
nehmen, weil dieser nur für Personen zur Verfügung stehe, die kein eigenes Fahrzeug
besäßen. In der mündlichen Verhandlung am 23.04.2009 stellte der Kläger folgenden
Antrag:
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 13.02.2007 und des Wi-
derspruchsbescheides vom 04.02.2008 verurteilt, Betriebskosten des Kraftfahrzeugs
des Klägers in Höhe von monatlich 50,00 Euro zu übernehmen.
Der Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigte die angegriffenen Bescheide und führte aus, Kosten für Arzt- und Therapie-
fahrten fielen in die vorrangige Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2. als zuständiger
Krankenkasse. Auch Einkaufsfahrten seien nicht berücksichtigungsfähig, weil diesbezüg-
liche Leistungen der Grundsicherung im Alter zuzuordnen seien, für die der Beigeladene
zu 1. zuständig sei. Der Kläger benötige sein Fahrzeug daher allenfalls gelegentlich, z. B.
für Besuchsfahrten und für Fahrten zu Veranstaltungen. Nach den Kfz- Empfehlungen sei
damit allenfalls die Bezuschussung eines notwendigen behindertengerechten Umbaus
eines Kraftfahrzeugs bzw. ein Zuschuss für die Kosten eines Automatikgetriebes möglich.
-4- S 1O SO 13/08
In der mündlichen Verhandlung am 23.04.2009 erklärte der Vertreter des Beigeladenen
zu 1., der Kläger und seine Ehefrau erhielten gegenwärtig auf der Grundlage von 5 28
Abs. 1 Satz 2 SGB Xll einen Aufstockungsbetrag in Höhe von monatlich insgesamt 31,00
Euro. Dieser Betrag sei für eine Haushaltshilfe im Umfang von vier Stunden pro Monat zu
je 7,75 Euro bestimmt. Jeweils die Hälfte des Betrages werde dem Kläger und seiner
Ehefrau zugerechnet. Der Kläger habe einen Antrag auf Erhöhung dieses Betrages ge-
stellt; der Beigeladene zu 1. sei bereit, den gegenwärtig gewährten Aufstockungsbetrag
zu verdoppeln. Der Fahrdienst für Behinderte könne in der Tat nur in Anspruch genom-
men werden, wenn im Haushalt kein fahrbereites Fahrzeug vorhanden sei oder wenn
niemand im Haushalt in der Lage sei, ein Fahrzeug zu führen. Im Übrigen wird auf die
Niederschrift vom 23.04.2009 verwiesen.
Am 27.03.2008 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Übernahme von Kosten für
die Anschaffung eines Kraftfahrzeugs sowie für notwendige Reparaturen und ggf. Aus-
tauschteile (BI. 104 der Beklagtenakte). Der Beklagte teilte dem Kläger unter dem
31.03.2008 und nochmals unter dem 10.06.2008 mit, über diese Anträge werde erst nach
Abschluss des vorliegenden Klageverfahrens entschieden (BI. 108, 117 der Beklagtenak-
te).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die bei-
gezogene Akte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers sind die §§ 53 Abs. 1 Satz 1 und
54 Abs. 1 Satz 1 SGB Xll i.V.m. § 10 Abs. 6 EinglH-VO heranzuziehen. Diese Vorschrif-
ten regeln die hierin Betracht kommende Eingliederungshilfe für behinderte Menschen.
Der Kläger gehört zu diesem Personenkreis; entgegenstehende Anhaltspunkte sind nicht
ersichtlich und wurden auch von dem Beklagten nicht vorgetragen.
-5- S 10 SO 13/08
Einschlägig ist damit § 10 Abs. 6 EingIH-VO. Diese Verordnung beruht auf der Verord-
nungsermächtigung in § 60 SGB XII, wonach u.a. Bestimmungen über Art und Umfang
der Leistungen der Eingliederungshilfe durch Verordnung erlassen werden können. § 10
EingIH-VO regelt den Umfang der Versorgung mit Körperersatzstücken, orthopädischen
oder anderen Hilfsmitteln. Nach § 10 Abs. 6 EingIH-VO kann als Versorgung Hilfe in an-
gemessenem Umfange auch zur Erlangung der Fahrerlaubnis, zur Instandhaltung sowie
durch Übernahme von Betriebskosten eines Kraftfahrzeuges gewährt werden, wenn der
behinderte Mensch wegen seiner Behinderung auf die regelmäßige Benutzung eines
Kraftfahrzeuges angewiesen ist oder angewiesen sein wird.
Vorliegend sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 6 EingIH-VO nicht
gegeben. Der Kläger bedarf nicht der regelmäßigen Benutzung eines Kraftfahrzeugs.
1. Das Tatbestandsmerkmal „regelmäßig“ in § 10 Abs. 6 EingIH-VO entspricht in seiner
Bedeutung dem Tatbestandsmerkmal „insbesondere zur Teilnahme am Arbeitsle-
ben“ in 5 8 Abs. 1 Satz 2 EingIH-VO. Das Bundesverwaltungsgericht hat zum Ver-
hältnis der beiden Vorschriften folgendes ausgeführt (Urteil vom 20.07.2000, 5 C
43/99, juris Rn. 15):
„Hinsichtlich des Eingliederungszweckes wird in 5 8 Abs. 1 Satz 2 EinglH—
VO durch die Verwendung des Tatbestandsmerkmals "vor allem in das Ar-
beitsleben" deutlich gemacht, dass hierin der vom Gesetz vorgesehene
Schwerpunkt der Versorgung mit einem Kraftfahrzeug liegt. Sind damit an-
dere Gründe zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, so müssen sie je-
doch mindestens vergleichbar gewichtig sein. Dazu gehört — wie derSenat
aus der Bezeichnung des Hauptzwecks geschlossen hat — auch, dass die
Notwendigkeit der Benutzung ständig, nicht nur vereinzelt und gelegentlich
besteht (Urteil vom 27. Oktober 1977 - BVerwG 5 C 15.77 — BverwGE 55,
31, <33> = Buchholz 436.0 5 40 BSHG Nr. 8 S. 15). In 5 8 Abs. 1 Satz 2
EinglH— VO F. 1964 hieß es nämlich: "wenn er (der Behinderte) wegen sei-
ner Behinderung auf die regelmäßige Benutzung eines Kraftfahrzeuges
angewiesen ist". In derjetzt geltenden Fassung des § 8 Abs. 1 Satz 2
EingIH-VO, die er durch die Zweite Änderungsverordnung vom 28. Mai
1971 (BGBI l S. 728) erhalten hat, fehlt zwar das Wort "regelmäßige". Auch
wenn es in der Begründung der Bundesregierung heißt, die Neufassung
bedeute insgesamt eine gewisse Besserstellung des Behinderten, sollte mit
-6- S 10 SO 13/08
dem Weglassen des Tatbestandsmerkmals "regelmäßige" nicht zum Aus-
druck gebracht werden, dass eine nur vereinzelt und gelegentlich beste-
hende Notwendigkeit der Benutzung ausreichen sollte. Denn zu § 10 Abs.
6 EinglH—VO in seiner Fassung durch die Zweite Änderungsverordnung
1971, die dort das Tatbestandsmerkmal "regelmäßige" eingeführt hat, heißt
es in der Begründung der Bundesregierung (BRDrucks 127/71 Begründung
zu Nr. 11 S. 11): wird die Anpassung der Bestimmung insoweit an die
für die Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges geltende Regelung in 5
8 Abs. 1 vorgeschlagen." Was der Senat in BVerwGE 55, 31, 33 dahin for-
muliert hat, dass die Notwendigkeit der Benutzung ständig, nicht nur ver-
einzelt und gelegentlich, bestehen muss, hat der Verordnungsgeber in § 10
Abs. 6 EinglH—VO dahin ausgedrückt, dass der Behinderte wegen seiner
Behinderung auf die regelmäßige Benutzung eines Kraftfahrzeuges ange-
wiesen ist.“
Entsprechende Ausführungen finden sich auch in dem Urteil des Bayer. VGH vom
26.07.2004 (12 B 03.2723, juris Rn. 26). Anhaltspunkte dafür, dass diese Recht-
sprechung durch zwischenzeitliche Änderungen der EinglH—VO obsolet geworden
wäre, sind nicht ersichtlich. Die Kammer schließt sich ihr nach eigener Prüfung in
vollem Umfang an.
Soweit die Hilfe — wie vorliegend — zu anderen Zwecken als der beruflichen Einglie-
derung beantragt wird, müssten diese Gründe also mindestens vergleichbar gewich-
tig sein. Dazu gehört auch, dass die Notwendigkeit der Benutzung eines Kraftfahr-
zeugs ständig, nicht nur vereinzelt und gelegentlich besteht (Bayer. LSG, Beschluss
vom 22.09.2008, L 8 B 684/08 SO ER, juris Rn. 9; BVerwG, a.a.O.; Bayer. VGH,
a.a.O. sowie Beschluss vom 24.02.2000, 12 ZB 00.219, juris Rn. 3).
Bei der Prüfung der Frage, in welchem Umfang der Kläger ein Kraftfahrzeug benö-
tigt, haben Fahrten zu Ärzten und zu ärztlich verordneter und verantworteterKran—
kengymnastik außer Betracht zu bleiben. Insoweit ist der Kläger auf die vorrangigen
Leistungen der Beigeladenen zu 2. als zuständiger Krankenversicherung zu ven/vei-
sen. Diese gewährt auf Antrag Leistungen nach § 60 SGB V.
-7- S 10 SO 13/08
Hilfe, die wegen erforderlicher Einkäufe notwendig ist, ist Bestandteil der Grundsi-
cherung im Alter (vgl. Bayer. VGH, Beschluss vom 24.02.2000, 12 ZB 00.219,juris
Rn. 5 m.w.N., zur Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG; durch die Einführung
des SGB XII ist keine sachliche Änderung eingetreten). Bei einer solchen Hilfe muss
es sich im Übrigen nicht notwendig um die (teilweise) Übernahme von Betriebskos-
ten eines Kraftfahrzeugs handeln (Bayer. VGH, a.a.O.). In Betracht kommt alternativ
insbesondere die Bezahlung einer Haushaltshilfe (vgl. Bayer. VGH, Urteil vom
13.12.1996, 12 B 94.4117, juris Rn. 24). Der insoweit zuständige Beigeladene zu 1.
gewährt tatsächlich entsprechende Leistungen auf der Grundlage von § 28 Abs. 1
Satz 2 SGB XII; in der mündlichen Verhandlung am 23.04.2009 hat er ihre Verdopp-
lung zugesagt. Anhaltspunkte dafür, dass diese Leistungen — auch in der bisherigen
Höhe — für die Sicherstellung der erforderlichen Einkäufe nicht ausgereicht hätten,
sind nicht ersichtlich.
Soweit der Kläger Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Le—
ben im Sinne von § 58 SGB IX begehrt, liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte
dafür vor, dass er deswegen ständig, nicht nur vereinzelt und gelegentlich, auf die
Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen wäre. Er selbst hat vorgetragen, seine
Ehefrau und er nähmen ca. 10 - 12 mal monatlich an Freizeitaktivitäten teil (Bl. 58
der Beklagtenakte). Dieser Umfang bleibt deutlich hinter demjenigen zurück, der bei
einer Teilhabe am Arbeitsleben entstehen würde. Damit ist der Zweck der Teilhabe
am gesellschaftlichen und kulturellen Leben im vorliegenden Fall erheblich weniger
gewichtig als es der Zweck der Teilhabe am Arbeitsleben wäre; er reicht für sich al-
lein zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs nicht aus (so. unter 2.).
Eine nähere Prüfung des Freizeitverhaltens des Klägers kann unter diesen Umstän-
den unterbleiben. Gleichwohl weist das Gericht in diesem Zusammenhang noch auf
zwei Aspekte hin:
a) Der Kläger hat keine konkreten Angaben zum Inhalt der von seiner Ehefrau
und ihm selbst verfolgten Freizeitinteressen gemacht. Er hat insoweit aus-
schließlich in allgemeiner Form auf Zeitungen bzw. Zeitschriften und Prospekte
Bezug genommen (Bl. 58 der Beklagtenakte). Dies spricht nach Einschätzung
der Kammer dagegen, dass ausgeprägte Gewohnheiten oder Interessen be-
stehen, die einen nachvollziehbaren Bedarf begründen könnten.
—8- S 10 SO 13/08
b) Der Kläger lebt in A-Stadt, von wo aus viele Freizeitangebote auch für gesunde
Menschen kaum ohne Kraftfahrzeug erreicht werden können. Erschwernisse,
unter denen alle Bewohner seines Wohnortes zu leiden haben, bestehen nicht
wegen der Behinderung des Klägers und können daher nicht im Wege der
Eingliederungshilfe ausgeglichen werden (Bayer. VGH, Beschluss vom
24.02.2000, 12 ZB 00.219, juris Rn. 4).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
—9- S 10 SO 13/08
Rechtsmittelbelehrung
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayer. Landessozialge-
richt‚'Ludwigstr. 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts,
Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten
der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht
Landshut, Seligenthaler Straße 10, 84034 Landshut, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten
und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
B
Ausgefertigt — Beglaubigt
Sozialgericht Landshut
Landshut, den
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
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LSG BAY, L 5 KR 383/09 B PKH vom 09.11.2009, Bayerisches Landessozialgericht
anselmf
L 5 KR 383/09 B PKH
S 2 KR 175/09
BAYERISCHES LANDESSOZIALGERICHT
In dem Beschwerdeverfahren
— Kläger und Beschwerdeführer -
gegen
—Krankenkasse‚
- Beklagte und Beschwerdegegnerin —
wegen Prozesskostenhilfe
erlässt der 5. Senat des Bayer. Landessozialgerichts in München
am 9. November 2009
ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter am Bayer. Landessozialge-
richt Mayer sowie den Richter am Bayer. Landessozialgericht Rittweger und die Richterin
am Bayer. Landessozialgericht Körner folgenden
Beschluss:
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regens—
-burg vom 09.09.2009. wird zurückgewiesen.
- 2 — - L 5 KR 383/09 B PKH
Gründe:
Der Kläger begehrt in der Hauptsache Erstattung aller Kosten, die bei Fahrten zu medizi—
nischen Behandlungen anfallen und die reinen Fahrtkosten hinausgehen. lnsoweit hat der
Kläger am 08.10.2008 Prozesskostenhilfe beantragt. Diese hat das Sozialgericht mit Be—
schluss vom 09.09.2009 mangels Erfolgsaussicht abgelehnt.
Die form— und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, gem §§ 172, 173, 73a So—
zialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 127 Abs 2 S 2 Zivilprozessordnung (ZPO), aber unbe—
gründet.
Wie aus dem Beschluss des Senates vom 07.10.2009 - L 5 KR 9/09 B PKH und den dor-
tigen weiteren Nachweisen ersichtlich ist, besteht für den Kläger die grundsätzliche Be-
rechtigung, durch die DGB Rechtsschutz GmbH Regensburg, Richard-Wagner-Str. 2,
93055 Regensburg in sozialgerichtlichen Verfahren vertreten zu werden. Diese Berechti— ‘
gung genügt, um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen (BSG SozR 3—1500
§ 73a Nr. 4). Denn hätte ein mittelloses Gewerkschaftsmitglied die Wahl zwischen kosten-
losem gewerkschaftlichem Rechtsschutz und der Beiordnung eines frei gewählten
Rechtsanwaltes, so stünde es besser als ein Beteiligter, der über genügend Mittel zur
Prozeßführung durch einen Rechtsanwalt verfügt. Dieser Beteiligte würde in aller Regel
verständigerweise aus wirtschaftlichen Gründen das Kostenrisiko meiden und sich regel—
mäßig für kostenlosen Rechtsschutz durch einen Verbandsvertreter entscheiden. Es be—
steht deshalb kein Grund, dem finanziell minderbemittelten Beteiligten aus staatlichen Mit—
teln die Wahlfreiheit zu finanzieren, die der bemittelte Beteiligte verständigerweise nicht in
Anspruch nähme.
Die Beschwerde des Klägers bleibt somit allein aus diesem Grund ohne Erfolg. Dieser
Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
1 2
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SG R, S 2 KR 175/09 vom 09.09.2009, Sozialgericht Regensburg
anselmf
S 2 KR 175/09
SOZIALGERICHT REGENSBURG
In dem Rechtsstreit
- Kläger -
Proz.-Bev.:
gegen
—Krankenkasse
- Beklagte -
erlässt die Vorsitzende der 2. Kammer, Richterin am Sozialgericht Gmati, ohne
mündliche Verhandlung am 9. September 2009 folgenden
Beschluss:
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
- 2 — S 2 KR 175/09
Gründe:
Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für seinen Rechtsstreit gegen die Beklagte.
Streitgegenstand des zu Grunde liegenden Rechtsstreites ist, ob der Kläger von
der Beklagten über die erforderlichen Fahrtkosten hinaus die Erstattung für die
sonstigen Kosten, die ihm im Rahmen des Aufsuchens von Ärzten anfallen (unter
anderem Umkreisungskosten, Autowärmekosten, Zubringerkosten), verlangen
kann.
Mit Schreiben vom 03.12.2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten, die ihm
im Rahmen des Aufsuchens von Ärzten anfallenden Umkreisungskosten, Auto—
wärmekosten und Zubringerkosten jetzt und in Zukunft zu erstatten, sowie ihm ei—
ne entsprechende vorherige Genehmigung diesbezüglich zu erteilen sei. Ferner
beantragte er, dass das Vorliegen einer Ausnahme von der Regel des § 3 Abs. 2
S. 1 der Krankentransportrichtlinien festgestellt werde. Zudem beantragte er die
Erstattung der gegebenenfalls anfallenden Reststrecke per Taxi, wenn er sein Au-
to weit entfernt vom Behandlungsort abstellen müsse. Darüber hinaus wurden von
ihm die Kosten für den Einbau und den Betrieb einer Standheizung für alle in Fra-
ge kommenden Fahrzeuge beantragt. Zudem wurde vorläufige Leistungsgewäh-
rung gemäß § 43 SGB I und Vorauszahlung gemäß § 42 SGB I beantragt.
Mit Bescheid vom 18.12.2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine ent-
sprechende Erstattung nicht möglich sei, da es sich bei den begehrten Kosten
nicht um Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung handele.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vorn 25.12.2008 Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2009 wies die Beklagte den Widerspruch
mit der Begründung zurück, dass die begehrte Kostenübernahme nach den ge-
setzlichen Bestimmungen nicht möglich sei. Insbesondere sei eine Verrechnung
-3- S 2 KR 175/09
ersparter Aufwendungen (die durch eine Taxifahrt anfallen würden) nicht möglich,
da für eine Taxifahrt andere medizinische Indikationen gegeben sein müssten.
Andernfalls könnte auch die krankenversicherungsrechtliche Beschränkung auf
eine bestimmte Form der Leistungserbringung durch den Anspruch auf teilweise
Kostenerstattung ohne Weiteres durchbrochen werden. Es sei auch keine Leis-
tungsgewährung nach 5 43 SGB l möglich, da die Beklagte für die Leistungsge-
währung von Fahrtkosten zur ambulanten und stationären Behandlung zuständig
sei. Darüber hinaus handele es sich bei der beantragten Umkreisungs-, Autowär-
me- und Zubringerkosten um keine Sozialleistungen.
Dagegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 23.05.2009, beim Sozialgericht Re—
gensburg am 25.05.2009 eingegangen, Klage erhoben und einen Antrag auf Ge—
währung von Prozesskostenhilfe gestellt. Nach seiner Auffassung sei für die be-
gehrte Leistung nicht § 60 SGB V, sondern § 11 SGB V insbesondere Abs. 1
Nummer 2, 3 und 4 maßgebend. Als Prozessbevollmächtigter sei ihm Herr ...
beizuordnen.
Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Widerspruchsbe—
scheid beantragt, den Antrag abzulehnen.
Das Gericht hat die Beklagtenakte, sowie die Schwerbehindertenakten des Klä—
gers vom Zentrum Bayern Familie und Soziales, ferner die Akten des Sozialge—
richts Regensburg S 2 KR 296/08, S 2 KR 379/08, S 2 KR 264/08 und S 2 KR
284/08 beigezogen, auf deren Inhalt im Übrigen ergänzend Bezug genommen
wird.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
- 4 - S 2 KR 175/09
Nach § 73 a Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114S. 1
Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil
oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die, beab-
sichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Er-
folg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Vorliegend scheidet die Gewährung von Prozesskostenhilfe schon deshalb aus,
weildie Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, da für die Rechtsverfol—
gung nicht einmal eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit besteht, so dass es auf
die weiteren Voraussetzungen nicht ankommt. ln dem Zusammenhang hat die
Kammer auch verfassungsrechtliche Vorgaben (vorallem das Verbot überspann-
ter Anforderungen um eine Rechtsschutzgleichheit zwischen bemittelten und un-
bemittelten Klägern zu gewährleisten (Art. 3, 19 IV, 20 lll (3(3)) berücksichtigt, da
die hier vorliegende Rechtsfrage angesichts der gesetzlichen Regelung ohne
Schwierigkeiten beantwortet werden kann (vergleiche dazu Bundesverfassungs—
gericht, Beschluss vom 14.06.2006, Aktenzeichen 2 BVR 626/06) und eine Be-
weiserhebung nicht notwendig ist (vgl. Meyer—Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG,
9. Aufl., § 73 a Rn. 7a).
Nach § 60 Abs. 1 S. 1 SGB V übernimmt die Krankenkasse nach den Abs. 2 und 3
die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach 133 (Fahrkosten),
wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingen—
den medizinischen Gründen notwendig sind.
Schon aus dem Wortlaut des § 60 Abs. 1 S. 1 und der diesbezüglichen Legaldefi-
nition ergibt sich eindeutig, dass von der Krankenkasse ausschließlich die Kosten
für "Fahrten" zu übernehmen sind. Eine Übernahme der begehrten Umkreisungs—
kosten, Autowärmekosten und Zubringerkosten, sowie die Übernahme der gege—
benenfalls erforderlichen Reststrecke per Taxi und die Übernahme der Kosten für
den Einbau und den Betrieb einer Standheizung für alle in Frage kommenden
FahrzeUge scheidet daher schon nach dem eindeutigen Wortlaut der Anspruchs-
norm aus.
Soweit der Kläger einen entsprechenden Anspruch auf Übernahme der geltend
gemachten Kosten auf § 11 SGB V stützen will, kommt eine entsprechende Über—
-5- S 2 KR 175/09
nahme auch insoweit nicht in Betracht, da es sich bei § 11 SGB V nicht um eine
Anspruchsgrundlage handelt. Vielmehr ist in § 11 Abs. 1 ausdrücklich ausgeführt,
dass Versicherte "nach den folgenden Vorschriften" Anspruch auf Leistungen ha-
ben. Die erforderlichen Vorschriften sind in dem Zusammenhang die Paragraphen
20 ff auf die in § 11 Abs. 1 Bezug genommen wird. In allen diesen Vorschriften
wird ein entsprechender Anspruch auf Übernahme der geltend gemachten Kosten
nicht genannt und lässt sich auch sonst nicht daraus ableiten.
Soweit der Kläger einen entsprechenden Anspruch auf § 43 Abs. 1 S. 2 SGB l
stützt, ist ein entsprechender Anspruch auf "Sozialleistungen" weder gegen die
Beklagte noch gegen einen sonstigen Leistungsträger gegeben. Was in dem Zu-
sammenhang unter Sozialleistungen zu verstehen ist, lässt sich aus § 11, §§ 18 ff
SGB I entnehmen. Wie die Beklagte richtig ausgeführt hat, ist für die im Rahmen
der Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung anfallenden Fahrtkosten die Kran-
kenkasse der zuständige Leistungsträger. Ein entsprechender Anspruch lässt sich
einzig auf § 60 SGB V stützen. Die diesbezüglichen Voraussetzungen liegen nach
dem oben Gesagten nicht vor.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist daher mangels Vorliegen
einer entsprechenden Anspruchsgrundlage und daher mangels Erfolgsaussicht
der Klage abzulehnen.
Faksimile 1 2 3 4 5
L 5 KR 383/09 B PKH
ferner
L 5 KR 131/10
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SG R, S 2 KR 175/09 vom 18.02.2010, Sozialgericht Regensburg
anselmf
S 2 KR 175/09
SOZIALGERICHT REGENSBURG
GERICHTSBESCHEID
in dem Rechtsstreit
— Kläger -
gegen
-Krankenkasse,
- Beklagte -
Die 2. Kammer des Sozialgerichts Regensburg erlässt durch ihre Vorsitzende, Richterin
am Sozialgericht G, am 18. Februar 2010 ohne mündliche Verhandlung folgenden
Gerichtsbescheid:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
—2- S 2 KR 175/09
Tatbestand
Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist, ob der Kläger von der Be-
klagten über die erforderlichen Fahrtkosten hinaus die Erstattung für die sonstigen
Kosten, die ihm im Rahmen des Aufsuchens von Ärzten entstehen (unter anderem
Umkreisungskosten, Autowärmekosten, Zubringerkosten), verlangen kann.
Mit Schreiben vom 03.12.2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten die ihm im
Rahmen des Aufsuchens von Ärzten anfallenden Umkreisungskosten, Autowär-
mekosten und Zubringerkosten jetzt und in Zukunft zu erstatten, sowie ihm eine
entsprechende vorherige Genehmigung diesbezüglich zu erteilen. Ferner bean—
tragte er, dass das Vorliegen einer Ausnahme von der Regel des § 3 Abs. 2 S. 1
der Krankentransportrichtlinien festgestellt werde. Zudem beantragte er die Erstat-
tung der gegebenenfalls anfallenden Reststrecke per Taxi, wenn er sein Auto weit
entfernt vom Behandlungsort abstellen müsse. Darüber hinaus wurden von ihm
die Kosten für den Einbau und den Betrieb einer Standheizung für alle in Frage
kommenden Fahrzeuge beantragt. Zudem wurde vorläufige Leistungsgewährung
gemäß § 43 SGB l und Vorauszahlung gemäß § 42 SGB l beantragt.
Mit Bescheid vom 18.12.2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine ent—
sprechende Erstattung nicht möglich sei, da es sich bei den begehrten Kosten
nicht um Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung handele.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 25.12.2008 Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2009 wies die Beklagte den Widerspruch
mit der Begründung zurück, dass die begehrte Kostenübernahme nach den ge—
setzlichen Bestimmungen nicht möglich sei. Insbesondere sei eine Verrechnung
ersparter Aufwendungen (die durch eine Taxifahrt anfallen würden) nicht möglich,
da für eine Taxifahrt andere medizinische Indikationen gegeben sein müssten.
Andernfalls könnte auch die krankenversicherungsrechtliche Beschränkung auf '
eine bestimmte Form der Leistungserbringung durch den Anspruch auf teilweise
Kostenerstattung ohne Weiteres durchbrochen werden. Es sei auch keine Leis—
—3- S 2 KR 175/09
tungsgewährung nach § 43 SGB I möglich, da die Beklagte für die Leistungsge—
währung von Fahrtkosten zur ambulanten und stationären Behandlung zuständig
sei. Darüber hinaus handele es sich bei der beantragten Umkreisungs-, Autowär-
me- und Zubringerkosten um keine Sozialleistungen.
Dagegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 23.05.2009, beim Sozialgericht Re—
gensburg am 25.05.2009 eingegangen, Klage erhoben und einen Antrag auf Ge-
währung von Prozesskostenhilfe gestellt. Nach seiner Auffassung sei für die be—
gehrte Leistung nicht § 60 SGB V, sondern § 11 SGB V insbesondere Abs. 1 Nrn.
2, 3 und 4 maßgebend.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wurde durch Beschluss des Sozialgerichts Re-
gensburg vom 09.09.2009 abgelehnt und die dagegen eingelegte Beschwerde mit
Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 09.11.2009 zurückgewie-
sen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 18.12.2008 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2009
aufzuheben und festzustellen, dass ihm über die
erforderlichen Fahrtkosten hinaus Erstattung für
sonstige Kosten für das Aufsuchen von Ärzten zu
medizinisch notwendigen ambulanten Behandlungen
und Untersuchungen zusteht, soweit diese zusätzlichen
Kosten unabweisbar letztendlich dadurch entstehen,
dass er einer Aufforderung der Beklagten nachkomme,
diese Termine auf eine bestimmte Art und Weise wahrzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 25.11.2009 hat das Gericht die Beteiligten zu der Absicht an-
gehört, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu
entScheiden und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 11.12.2009 eingeräumt.
-4- S 2 KR 175/09
Das Gericht hat die Beklagtenakte, sowie die Schwerbehindertenakten des Klä—
gers vom Zentrum Bayern Familie und Soziales, ferner die Akten des Sozialge-
richts Regensburg S 2 KR 296/08, S 2 KR 379/08, S 2 KR 264/08 und S 2 KR
284/08 beigezogen, auf deren Inhalt im Übrigen ergänzend Bezug genommen
wird.
Entscheidungsgründe
Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschei—
den, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder
rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten vorher hier—
zu gehört wurden (vgl. § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Entgegen der Ausführungen des Klägers weist der Rechtsstreit keine Schwierig-
keiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf, da die Sach- und Rechtslage insoweit
eindeutig ist.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere lässt sich der subsidiäre Feststellungsantrag
in einen Leistungsantrag umdeuten. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Be—
scheid der Beklagten vom 18.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 06.05.2009 ist rechtmäßig, da die Beklagte zu Recht die vom Kläger begehr-
ten Kosten über die reinen Fahrtkosten hinaus abgelehnt hat.
Nach § 60 Abs. 1 S. 1 SGB V übernimmt die Krankenkasse nach den Abs. 2 und 3
die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 (Fahrkosten),
wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingen-
den medizinischen Gründen notwendig sind.
Schon aus dem Wortlaut des § 60 Abs. 1 S. 1 und der diesbezüglichen Legaldefi-
nition ergibt sich eindeutig, dass von der Krankenkasse ausschließlich die Kosten
für "Fahrten" zu übernehmen sind. Eine Übernahme der begehrten Umkreisunng
kosten, Autowärmekosten und Zubringerkosten, sowie die Übernahme der gege—
benenfalls erforderlichen Reststrecke per Taxi und die Übernahme der Kosten für
-5- S 2 KR 175/09
den Einbau und den Betrieb einer Standheizung für alle in Frage kommenden
Fahrzeuge scheidet daher schon nach dem eindeutigen Wortlaut der Anspruchs-
norm aus.
Soweit der Kläger einen entsprechenden Anspruch auf Übernahme der geltend -
gemachten Kosten auf § 11 SGB V stützen will, kommt eine entsprechende Über-
nahme auch insoweit nicht in Betracht, da es sich bei § 11 SGB V nicht um eine
Anspruchsgrundlage handelt. Vielmehr ist in § 11 Abs. 1 SGB V ausdrücklich aus-
geführt, dass Versicherte "nach den folgenden Vorschriften" Anspruch auf Leis-
tungen haben. Die erforderlichen Vorschriften sind in dem Zusammenhang die
§§ 20 ff. auf die in § 11 Abs. 1 SGB V Bezug genommen wird. In allen diesen Vor—
schriften wird ein entsprechender Anspruch auf Übernahme der geltend gemach-
ten Kosten nicht genannt und lässt sich auch sonst nicht daraus ableiten.
Soweit der Kläger einen entsprechenden Anspruch auf § 43 Abs. 1 S. 2 SGB l
stützt, ist ein entsprechender Anspruch auf "Sozialleistungen" weder gegen die
Beklagte noch gegen einen sonstigen Leistungsträger gegeben. Was in dem Zu-
sammenhang unter Sozialleistungen zu verstehen ist, lässt sich aus § 11, §§ 18 ff.
SGB l entnehmen. Wie die Beklagte richtig ausgeführt hat, ist für die im Rahmen
der Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung anfallenden Fahrtkosten die Kran-
kenkasse der zuständige Leistungsträger. Ein entsprechender Anspruch lässt sich
einzig auf § 60 SGB V stützen. Die diesbezüglichen Voraussetzungen liegen nach
dem oben Gesagten nicht vor.
Die Klage ist daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf ä 193 SGG und folgt der Entscheidung in der
Sache.
-6- S2KR175/09
Rechtsmittelbelehrung
Dieser Gerichtsbescheid kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayer. Lan-
dessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landes-
sozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Re-
gensburg, Safferlingstraße 23, 93053 Regensburg, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift soll den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen, einen bestimmten An-
trag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel ange-
ben.
Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteilig—
ten beigefügt werden.
G
Richterin am Sozialgericht
/P.
Ausgefertigt -.Beglaubigt
Sozialgericht Regensburg
Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
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L 5 KR 131/10
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SG R, S 2 KR 264/08 vom 15.04.2010, Sozialgericht Regensburg
anselmf
S 2 KR 264/08
SOZIALGERICHT REGENSBURG
GERICHTSBESCHEID
in dem Rechtsstreit
- Kläger -
gegen
-Krankenkasse,
- Beklagte -
Die 2, Kammer des SozialgerichtsRegensburg erlässt durch ihre Vorsitzende,
Richterin am Sozialgericht G., am 15. April 2010 ohne mündlliche Verhandlung
folgenden
Gerichtsbescheid
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
- 2 – S 2 KR 264/08
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Kostenübernahme für die ihm im Rah-
men der Anpassung von Schuheinlagen und die diesbezüglichen Fahrten zur Firma
Seidl anfallenden Fahrtkosten.
Der am 14.03.1963 geborene und bei der Beklagten versicherte Kläger beantragte
bei dieser mit Schreiben vom 26.06.2008 die Fahrtkosten, die ihm dadurch anfal-
len würden, dass er sich bei der Firma S. Schuheinlagen anpassen müsse.
Mit Bescheid vom 01.07.2008 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung
ab, dass im Rahmen der Hilfsmittelversorgung keine Fahrtkosten i.S. von § 60
SGB V geltend gemacht werden können, da die Hilfsmittelversorgung nicht zu
den privilegierten Leistungen zähle, für die in Ausnahmefällen Fahrtkosten zur
ambulanten Behandlung bezahlt werden könnten.
Daraufhin teilte der Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 05.07.2008 mit, dass
er keine Fahrtkostenerstattung begehre, sondern die Versorgung mit den benö-
tigten und ihm zustehenden Hilfsmitteln. Diesbezüglich würde eine Verpflichtung
der Beklagten bestehen, diese Versorgung sicherzustellen. Es sei nicht zumutbar,
irgendwelche weiteren, das heißt über den Betrag der gesetzlichen Zuzahlung hi-
nausgehenden, direkten oder indirekten Kosten aus eigenen Mitteln zu bestreiten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.208 wies die Beklagte sodann den Widerspruch
des Klägers mit der Begründung zurück, dass keine Fahrtkosten zur Ver-
sorgung mit den Einlagen geleistet werden könnten und ein Ausnahmefall
der Gestalt, dass der Kläger von der Beklagten an einen anderen aber deutlich weiter
entfernten Leistungserbringer verwiesen worden sei, beziehungsweise die Ver-
sorgung mit seltenen Hilfsmitteln begehrt werde, für die es nur wenige Leistungser-
bringer gebe, nicht gegeben sei. Vielmehr seien die verordneten orthopädischen
Schuheinlagen in jedem Sanitätshaus am Wohnort erhältlich. Die Information des
Klägers seitens der Beklagten über das Sanitätshaus S in Regensburg sei nur
deshalb erfolgt, da dieses die entsprechenden Einlagen innerhalb des Festbetra-
- 3 – S 2 KR 264/08
ges zur Verfügung stellen könne.
Dagegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 17.09.2008, beim Sozialgericht Re-
gensburg am 18.09.2008 eingegangen, Klage erhoben. Zur Klagebegründung hat
er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Vorverfahren wiederholt. Der gleich-
zeitig gestellte Prozesskostenhilfeantrag ist seitens des Sozialgerichts Regens-
burg mit Beschluss vom 02.12.2008 und die dagegen gerichtete Beschwerde mit
weiterem Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 17.10.2008 zu-
rückgewiesen worden. Mit Schreiben vom 24.02.2010 hat das Gericht die Beteilig-
ten zu der Absicht angehört, den Rechtsstreit per Gerichtsbescheid zu entschei-
den und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 15.03.2010 eingeräumt. Mit -
Schriftsatz vom 06.03.2010 hat der Kläger einen weiteren Klageantrag gestellt.
Der Kläger beantragt:
1)
Die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der Versorgung des Klägers mit
dem begehrten Hilfsmittel jetzt und in Zukunft in vollem Um-
fang der tatsächlichen unvermeidlichen Kosten abzüglich der Zuzahlung
des Klägers nach den §§ 61 und 62 SGB V zu übernehmen oder nach Wahl
der Beklagten eine entsprechende Sachleistung für den Kläger bereitzustel-
len.
2) (mit Schriftsatz vom 06.03.2010)
Die Klage dahingehend zu erweitern, die Beklagte zu verurteilen, in Zukunft
die bis auf die gesetzliche Zuzahlung vollständige Versorgung für sämtliche
vom Kläger benötigte, dem Grundsatz nach von der Beklagten zu stellen-
den Hilfsmittel zu tragen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Bezüglich des Klageantrags zu 2) (erklärt mit Schriftsatz vom 06.03.2010) ist bei
Gericht keine weitere Stellungnahme der Beklagten eingegangen.
- 4 – S 2 KR 264/08
Das Gericht hat die Akte der Beklagten beigezogen, auf deren Inhalt sowie auf
den Inhalt der streitgegenständlichen Gerichtsakte im Übrigen zur Ergänzung des
Tatbestandes Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschei-
den, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder
rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten vorher hier-
zu gehört wurden (vgl. § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die Klage ist im Klageantrag zu 1) zulässig. Auch wenn der Kläger mit seinem
Klageantrag zu 1) die Übernahme der im Rahmen der Hilfsmittelanpassung
mit dem „begehrten orthopädischen Hilfsmittel“ anfallenden Kosten begehrt, so ist
dieser Klageantrag nicht zu unbestimmt, da sich aus dem gesamten Vorbringen
des Klägers und dem Aktenmaterial entnehmen lässt, dass es dabei um die zu-
sätzlichen durch die Hilfsmittelanpassung entstehenden Kosten geht, die nur die
Fahrkosten zum Sanitätshaus darstellen – nachdem die Beklagte unstreitig die
Schuheinlagen selbst und die diesbezügliche Anpassung nicht verweigert.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 01.07.2008
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.09.2008 ist rechtmäßig, da die
Beklagte die dem Kläger im Rahmen der Anpassung von Schuheinlagen
und durch die diesbezügliche Fahrt zum Sanitätshaus S entstehenden Fahrt-
kosten abgelehnt hat.
Wie die Beklagte richtig ausgeführt hat, kommt eine Übernahme der Fahrkosten
(im vorliegenden Fall) gemäß §60 Abs. 1 S.3 SGB V nur im Falle ambulanter Be-
- 5 – S 2 KR 264/08
handlungen in Betracht, um eine solche handelt es sich bei der Anpassung von
Schuheinlagen in einem Sanitätshaus jedoch gerade nicht, Das Gericht sieht da-
insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidunggründe gemäß §
136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz ab, da es der Begründung des Widerspruchsbe
scheides in vollem Umfang folgt.
Bezüglich des durch den Kläger mit Schriftsatz vom 06.03.2010 gestellten Klage-
antrags zu 2) handelt es sich entgegen den Ausführungen des Klägers um eine
Klageänderung, da nicht lediglich eine Erweiterung des Klageantrags ohne Ände-
rung des Klagegrundes vorliegt, sondern nunmehr mit dieser Klageänderung eine
gänzlich neue Leistung, nämlich „die Beklagte zu verurteilen , in Zukunft (...) voll-
ständige Versorgung für sämtliche vom Kläger benötigte, dem Grundsatz nach
von der Beklagten zu stellende Hilfsmittel zu tragen“. Nachdem die Beklagte noch
nicht Gelegenheit hatte über diesen Antrag zu entscheiden, ferner keine Einwilli-
gung seitens der Beklagten gemäß § 99 Abs. 1 SGG vorliegt und das Gericht die
Änderung auch nicht für sachdienlich hält, ist die mit dem Klageantrag zu 2) erklär-
te Klageänderung nicht zulässig. Klarstellend sei jedoch lediglich ausgeführt, dass
aufgrund der durch die Beklagte bereits mit Widerspruchsbescheid vom
04.09.2008 getätigten und nach Ansicht des Gerichts richtigen Rechtsauffassung
ein entsprechender Antrag bei der Beklagten abgelehnt werden müsste, da das
Gesetz gemäß § 60 SGB V Fahrtkosten nur in eingeschränkten Ausnahmefällen
vorsieht, zu denen unter anderem die Fahrtkosten zu einer ambulanten Behand-
lung fallen können; eine Übernahme der Fahrtkosten zur Hilfsmittelversorgung
sieht der Gesetzgeber jedoch gerade nicht vor, so dass ein entsprechender Antrag
des Klägers bei der Beklagten abgelehnt werden müsste. Darüber hinaus ist dem
Gericht auch nicht erkennbar, das die Beklagte sich weigern würde, den
Kläger mit den notwendigen Hilfsmittel zu versorgen.
Die Klage ist daher vollumfänglich abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der
Sache.
- 6 – S 2 KR 264/08
Rechtsmittelbelehrung
Dieser Gerichtsbescheid kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayer. Lan-
dessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landes-
sozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Re-
gensburg, Safferlingstraße 23, 93053 Regensburg, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift soll den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen, einen bestimmten An-
trag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel ange-
ben.
Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteilig-
ten beigefügt werden.
G
Richterin am Sozialgericht
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
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L 5 KR 131/10
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SG R, S 2 KR 264/08 vom 02.12.2008, Sozialgericht Regensburg
anselmf
S 2 KR 264/08
SOZIALGERICHT REGENSBURG
In dem Rechtsstreit
- Kläger -
gegen
Krankenkasse,
- Beklagte -
erlässt der Vorsitzende der 2. Kammer, Vizepräsident des Sozialgerichts H. ,
ohne mündliche Verhandlung am 2. Dezember 2008 folgenden
Beschluss:
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
- 2 - S 2 KR 264/08
Gründe:
Der Kläger verlangt von der Beklagten den Ersatz von Fahrtkosten, die ihm von
einem von ihm besuchten Dialysezentrum in Regensburg einmalig zu einem etwas
weiter entfernten Orthopädlefachgeschäft in Regensburg entstanden sind; nach
Berechnung der Beklagten handelt es sich hier um einen Betrag von 1,00 EUR.
Mit Bescheid vom 01.07.2008 lehnte die Beklagte die Erstattung ab, da keine Vor-
aussetzungen, die nach dem SGB V die Krankenkasse zur Erstattung von Fahrt-
kosten verpflichten, vorgelegen habe. Hiergegen erhob der Kläger am 05.07.2008
Widerspruch mit der Begründung, er habe von der Beklagten keine Fahrtkostener-
stattung gefordert, sondern lediglich, dass die Beklagte ihn mit den notwendigen
Hilfsmitteln versorge, hierzu gehörten auch die bei der Versorgung entstandenen
Fahrtkosten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.2008 wies die Beklagte den Widerspruch
als unbegründet zurück, da im Falle des Klägers keiner der im Gesetz genannten
Tatbestände, die eine Kostenübernahme erlaubten, vorliege.
Hiergegen erhob der Kläger am 07.09.2008 Klage mit dem Antrag,
die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der Versorgung des Klägers mit dem be-
gehrten orthopädischen Hilfsmittel jetzt und in Zukunft in vollem Umfang der tat-
sächlichen unvermeidlichen Kosten abzüglich der Zuzahlung des Klägers zu über-
nehmen oder nach Wahl der Beklagten eine entsprechende Sachleistung für den
Kläger bereit zu stellen. Zur Begründung wiederholte er im Wesentlichen ausführ-
lich das Vorbringen aus den Vorverfahren.
- 3 - S 2 KR 264/08
Mit dem Klageschriftsatz beantragte der Kläger Prozesskostenhilfe nach
§ 114 ZPO.
Dieser Antrag ist abzulehnen. Nach § 73 a Abs.1 SGG i.V.m. § 114 ZPO erhält
eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die
Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann,
auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig er—
scheint.
Angesichts des Umstandes, dass es im vorliegenden Fall lediglich um einen
Streitwert von 1,00 EUR geht, bzw.‚ bei Austausch des orthopädischen Hilfsmit-
tels, allenfalls jedes Jahr 1,00 EUR als Streitwert anfallen würde, erscheint die
Rechtsverfolgung durch den Kläger mutwillig. Nach Meyer-Ladewig, Kommentar
zum SGG, Anm.8 zu § 73 a erscheint eine Rechtsverfolgung mutwillig z.B. dann,
wenn ein verständiger anderer Beteiligter, der für die Kosten selbst aufkommen
muss, diesen Prozess nicht führen würde. Darüber hinaus bestehen nach Ansicht
des Gerichtes auch keine Erfolgsaussichten für den Kläger. Die Beklagte hat § 60
SGB V zutreffend geprüft und festgestellt, dass keiner der darin geregelten Tatbe-
stände eine Fahrtkostenübernahme ermöglichten, zur weiteren Begründung wird
Bezug genommen auf den Inhalt des angefochtenen Widerspruchsbescheides
(§ 136 Abs.3 SGG).
Soweit der Kläger vorbringt, er begehre keine Fahrtkostenerstattung i.S. des § 60
SGB V, vielmehr seien die angefallenen Fahrtkosten ihm als Nebenleistung zur
Versorgung mit dem orthopädischen Hilfsmittel zu gewähren, führt dies nicht dazu,
dass eine Erfolgsaussicht zu bejahen wäre. Angesichts des Umstandes, dass der
Gesetzgeber den jetzigen § 60 SGB V hinsichtlich der Fahrtkosten sehr restriktiv
ausgestaltet hat, kann es nicht angehen, die in ä 60 SGB V nicht genannten Fahrt-
- 4 - S 2 KR 264/08
kosten nun von der Krankenkasse als „Nebenleistung“ zu anderweitigen Versor-
gung einzufordern.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist daher wegen Mutwilligkeit
und fehlender Erfolglosigkeit abzulehnen.
- 5 - S 2 KR 264/08
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss ist gemäß §§ 73a, 172 Abs.1 SGG iVm § 127 Abs.2 Satz
2 ZPO Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht statthaft. Die Beschwerde ist
binnen eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Sozialgericht Re-
gensburg, Safferlingstraße 23, 93053 Regensburg, schriftlich oder zur Nieder-
schrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist
beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der
Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstel-
le eingelegt wird.
Der Vorsitzende der 2. Kammer
H
Vizepräsident des Sozialgerichts
/ Be.
Ausgefertigt - Beglaubigt
Sozialgericht Regensburg
als Urkundsbeamter der Geschäfts—
stelle
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L 5 KR 9/09 B PKH
L 5 KR 377/09 B PKH RG
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SG R, S 2 KR 284/08 vom 18.02.2010, Sozialgericht Regensburg
anselmf
S 2 KR 284/08
SOZIALGERICHT REGENSBURG
GERICHTSBESCHEID
in dem Rechtsstreit
- Kläger -
gegen
-Krankenkasse, ‚
- Beklagte — .
Die 2. Kammer des Sozialgerichts Regensburg erlässt durch ihre Vorsitzende, Richterin
am Sozialgericht G, am 18. Februar 2010 ohne mündliche Verhandlung folgenden
Gerichtsbescheid:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
- 2 - S 2 KR 284/08
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger von der Beklagten die Erstat-
tung bzw. Übernahme von Parkkosten für die Vergangenheit und für die Zukunft
verlangen kann.
Mit Schreiben vom 08.03.2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Über-
nahme von im Februar und März 2008 angefallenen Parkkosten. Diese Parkkos-
ten sind ihm im Rahmen einer ambulanten Behandlung im Uniklinikum Regens—
burg entstanden und weisen einen Gesamtbetrag von 9,00 € auf.
Mit Bescheid vom 18.03.2008 übernahm die Beklagte die angefallenen Fahrtkos-
ten in diesbezüglicher Höhe von 37,20 € und lehnte zugleich die geltend gemach-
ten Parkgebühren mit der Begründung ab, dass Parkgebühren nicht erstattet wer—
den könnten.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 16.05.2008 insoweit Widerspruch
ein, als ihm seine Parkkosten nicht erstattet worden sind. Zur Begründung führte
er aus, dass er Sozialhilfeempfänger sei, der Beklagten eine Taxifahrt wesentlich
teurer käme und im Übrigen im Bereich des Uniklinikums Regensburg keine bzw.
kaum kostenlose Parkplätze vorhanden seien. Darüber hinaus beantragte er vor—
läufige Leistungserbringung gemäß § 43 SGB l sowie Vorschusszahlung gemäß
§ 42 SGB I. Mit Schreiben vom 29.05.2008 (wiederholende Verfügung) lehnte die
Beklagte erneut die geltend gemachten Parkkosten ab, da als Fahrtkosten aus-
schließlich die reinen Beförderungskosten erstattet werden könnten.
Dagegen legte der Kläger erneut mit Schriftsatz vom 03.06.2008 Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.2008 wies die Beklagte den Widerspruch -
mit der Begründung zurück, dass die zu Grunde liegende gesetzliche Regelung
verbindlich sei und der Beklagten kein Ermessenspielraum eingeräumt werde, zu-
dem würden für eine Taxifahrt andere Indikationen gefordert, darüber hinaus gäbe
— 3 - S 2 KR 284/08
es keine Verrechnung ersparter Aufwendungen.
Dagegen hat der Kläger mit Schreiben vom 08.10.2008, beim Sozialgericht Re—
gensburg am 10.10.2008 eingegangen, Klage erhoben. Zur Begründung hat er
vorgetragen, dass die geltend gemachten Parkkosten unter die Fahrtkosten zu
subsumieren seien. Darüber hinaus ergebe sich ein entsprechender Anspruch
auch aus §§ 2,, 12, 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 5 13 III, § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 und 6, § 11
Abs. 1 Nr. 2 und 3 und § 20 SGB V. Ferner sei die Beklagte zur Weiterleitung des
Antrags nach § 16 SGB l verpflichtet gewesen bzw. zur vorläufigen Leistungsbrin—
gung nach § 43 SGB I.
Der seitens des Klägers mit Klageeinlegung ebenfalls gestellte Antrag auf Pro—
zesskostenhilfe wurde mittels Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom
09.09.2009 abgelehnt und die dagegen eingelegte Beschwerde durch das Bayeri-
sche Landessozialgericht mit Beschluss vom 09.11.2009 zurückgewiesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom
18.03.2008 in der Gestalt des Bescheides vom 29.05.2008
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2008
zu verurteilen, die Parkkosten des Klägers in der sich aus
den vorgelegten Belegen ergebenden Höhe sowie
entsprechend für die Zukunft bei allen Fällen ambulanter,
voll-, teil-, vor— und nachstationärer Behandlung zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung des Klageabweisungsantrags hat sie ausgeführt, dass die gel-
tend gemachten Parkgebühren nicht Teil der ärztlichen Versorgung seien. Eine
Zuständigkeit anderer Leistungsträger im Rahmen von Fahrtkostenerstattung zur
ambulanten Behandlung sei nicht gegeben, weswegen eine Weiterleitung nach
§ 16 SGB l und eine vorläufige Leistungserbringung nach § 43 SGB I ausscheiden
würde.
— 4 - S 2 KR 284/08
Mit Schriftsatz vom 25.11.2009 hat das Gericht die Beteiligten zu der Absicht an-
gehört, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu
entscheiden und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 11.12.2009 eingeräumt.
Das Gericht hat die Beklagtenakte, sowie die Schwerbehindertenakten des Klä—
gers vom Zentrum Bayern Familie und Soziales, ferner die Akten des Sozialge—
richts Regensburg S 2 KR 296/08, S 2 KR 379/08, S 2 KR 175/09 und S 2 KR
264/08 beigezogen, auf deren Inhalt im Übrigen ergänzend Bezug genommen
wird.
Entscheidungsgründe
Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschei—
den, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder
rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten vorher hier-
zu gehört wurden (vgl. § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Entgegen der Auffassung des Klägers weist die Sache auch keine Schwierigkeiten
rechtlicher oder tatsächlicher Art auf, da die gesetzgeberische Entscheidung inso-
weit klar, eindeutig und widerspruchsfrei ist (siehe unten).
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom
18.03.2008 in der Gestalt des Bescheides vom 29.05.2008 in der Gestalt des Wi-
derspruchsbescheides vom 04.09.2008 ist rechtmäßig, da die Beklagte zu Recht
die begehrten Parkkosten sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft
abgelehnt hat.
Nach § 60 Abs. 1 S. 1 SGB V übernimmt die Krankenkasse nach den Abs. 2 und 3
die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 (Fahrkosten),
wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingen—
den medizinischen Gründen notwendig sind.
— 5 — S 2 KR 284/08
Schon aus dem Wortlaut des § 60 Abs. 1 S. 1 und der diesbezüglichen Legaldefi-
nition ergibt sich eindeutig, dass von der Krankenkasse ausschließlich die Kosten
für "Fahrten" zu übernehmen sind. Eine Übernahme der begehrten Parkkosten
bzw. Parkgebühren scheidet daher schon nach dem eindeutigen Wortlaut der An-
spruchsnorm aus.
Soweit der Kläger einen entsprechenden Anspruch auf Übernahme der geltend
gemachten Kosten auf §§ 2, 11, 12, 27 und 20 SGB V stützen will, kommt eine
entsprechende Übernahme auch insoweit nicht in Betracht, da es sich bei den ge—
nannten Paragraphen nicht um Anspruchsgrundlagen handelt, aus denen ein ent—
sprechender Anspruch auf Übernahme der Parkkosten hergeleitet werden könnte.
Anspruchsgrundlage für die Übernahme von Fahrtkosten im Rahmen von ambu—
lanten Behandlungen ist einzig § 60 SGB V, der ausweislich seines eindeutigen
Wortlautes keine Übernahme von Parkgebühren beinhaltet (siehe oben).
Soweit der Kläger einen entsprechenden Anspruch auf § 43 Abs. 1 S. 2 SGB l
stützt, ist ein entsprechender Anspruch auf "Sozialleistungen" weder gegen die
Beklagte noch gegen einen sonstigen Leistungsträger gegeben. Was in dem Zu—
sammenhang unter Sozialleistungen zu verstehen ist, lässt sich aus § 11, §§ 18 ff
SGB I entnehmen. Wie die Beklagte richtig ausgeführt hat, ist für die im Rahmen
der Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung anfallenden Fahrtkosten die Kran—
kenkasse der zuständige Leistungsträger. Ein entsprechender Anspruch lässt sich
einzig auf § 60 SGB V stützen. Die diesbezüglichen Voraussetzungen liegen nach
dem oben Gesagten nicht vor.
Aus diesem Grund bedurfte es auch keiner Weiterleitung nach § 16 Abs. 2 SGB I.
Soweit der Kläger einen entsprechenden Anspruch auf Übernahme der Parkge-
bühren aus § 13 Abs. 3 SGB V herleitet, ergibt sich nichts anderes, da diese Norm
lediglich als Surrogat für den nicht mehr oder nicht zu erfüllenden Sachleistungs-‘
anspruch geschaffen wurde; ein entsprechender Anspruch auf Sachleistung (das
heißt Übernahme der anfallenden Parkkosten) steht dem Kläger nach dem oben
Gesagten gerade nicht zu.
- 6 - S 2 KR 284/08
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der
Sache.
— 7 - S 2 KR 284/08
Rechtsmittelbelehrung
Dieser Gerichtsbescheid kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayer. Lan-
dessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landes-
sozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Re-
gensburg, Safferlingstraße 23, 93053 Regensburg, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift soll den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen, einen bestimmten An-
trag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel ange-
ben.
Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteilig—
ten beigefügt werden.
G
Richterin am Sozialgericht
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
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L 5 KR 131/10
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SG KS, S 6 AS 572/13 vom 28.08.2013, Sozialgericht Kassel
anselmf
Sozialgericht Kassel Anonymisierung
Az.: S 6 AS 572/13 (zuvor S 6 AS 641/11)
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
Kläger,
gegen
Jobcenter Werra-Meißner-Kreis vertreten durch den/die Geschäftsführer/in,
Fuldaer Straße 6, 37269 Eschwege,
Beklagter,
hat die 6. Kammer des Sozialgerichts Kassel auf die mündliche Verhandlung vom
28. August 2013 durch den Richter am Sozialgericht Dr. Mushoff als Vorsitzenden sowie
die ehrenamtlichen Richter Ackermann und Longobardi für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
- 2 -
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Regelleistung
nach dem SGB II im Zeitraum vom 01.06.2011 bis 30.11.2011.
Der Kläger war im Streitzeitraum Mitglied einer dreiköpfigen Bedarfsgemeinschaft beste-
hend aus dem Kläger, seiner am 22.05.1963 geborenen damaligen Ehefrau und seiner
am 15.03.1994 geborenen Tochter.
Der Kläger stellte am 18.04.2011 gemeinsam mit den anderen Mitgliedern der Bedarfs-
gemeinschaft einen Weiterbewilligungsantrag nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 03.05.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger und den anderen Mit-
gliedern der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom
01.06.2011 bis 30.11.2011. Hierbei legte der Beklagte für den Kläger und seine Ehefrau
jeweils eine Regelleistung in Höhe von 328 € und für die Tochter einen Regelbedarf in
Höhe von 287 € zu Grunde (Bl. 802 Verwaltungsakte).
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 16.05.2011 Widerspruch ein. Der Leis-
tungsbescheid sei verfassungswidrig. Die Regelsätze seien nicht unter hinreichender
Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom
09.02.2010 (1 BvR 1/09) zustande gekommen. Der Diplom-Kaufmann Rüdiger Böker aus
Osnabrück habe mit dem Datum vom 18.11.2010 für den Ausschuss für Arbeit und So-
ziales des Deutschen Bundestages anhand der Vorgaben des Bundesverfassungsge-
richts ein Gutachten erstellt. Diese Böker-Stellungnahme sei als eigenständige Bundes-
tagsdrucksache veröffentlich worden. Man mache sich diese Stellungnahme zu Eigen
und beantrage für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft eine Regelleistung von min-
destens 594 € (Bl. 806 ff. Verwaltungsakte).
Diesem Schriftsatz war eine Zusammenfassung des Gutachtens von Herrn Böker mit
Informationsstand vom 22.11.2010 beigefügt, auf die Bezug genommen wird (Bl. 812 ff.
Verwaltungsakte).
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.05.2011 wies der Beklagte den Widerspruch als un-
begründet zurück (Bl. 819 ff. Verwaltungsakte). Die ab 01.06.2011 festgesetzten monatli-
chen Regelbedarfe von jeweils 328 € für den Kläger und seine damalige Ehefrau sowie in
Höhe von 287 € für die Tochter J seien auf der Grundlage des am 29.03.2011 ver-
- 3 -
kündeten Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und
des SGB XII vom 24.03.2011 zustande gekommen. Der Beklagte sei nach Art. 20 Abs. 3
Grundgesetz (GG) an Recht und Gesetz gebunden und könne daher keine höheren Re-
gelsätze festlegen. Die Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit oder Verfassungs-
widrigkeit der Regelleistung bleibe dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten (BI. 819 f.
Verwaltungsakte).
Am 17.06.2011 hat der Kläger gegen den Bescheid vom 03.05.2011 in der Fassung des
Widerspruchsbescheids vom 17.05.2011 Klage beim Sozialgericht Kassel erhoben. Man
begehre für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft jeweils einen Regelsatz in Höhe von
monatlich 594 €. Die für den Leistungszeitraum vom 01.06.2011 bis 30.11.2011 bewillig-
ten Grundsicherungsleistungen entsprächen zwar hinsichtlich der Höhe des bewilligten
Regelsatzes der aktuell gültigen Rechtslage, jedoch sei auch der neue Regelsatz verfas-
sungswidrig. Wegen der Einzelheiten wird auf die Klageschrift Bezug genommen.
Der Klageschrift waren das Gutachten von Herrn Böker mit Stand 17.11.2010 und weite-
re Unterlagen beigefügt. Hierauf wird Bezug genommen.
Mit Schriftsätzen vom 20.08.2013 (Bl. 157 Gerichtsakte) und vom 23.08.2013 (Bl. 159a
Gerichtsakte) haben die ehemalige Ehefrau und Tochter des Klägers die Klage zurück-
genommen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid vom 03.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
17.05.2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm im Zeitraum vom
01.06.2011 bis 30.11.2011 Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung
einer monatlichen Regelleistung von 594 € zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten und auf die
Gerichtsakte Bezug genommen.
- 4 -
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Der Kläger hat zunächst aus einfachem Recht keinen Anspruch auf eine höhere Re-
gelleistung. Die vom Beklagten bewilligten SGB II-Leistungen im Zeitraum vom
01.06.2011 bis 30.11.2011 entsprechen der Höhe nach den gesetzlichen Vorgaben des
§ 20 Abs. 4 SGB II.
2. Die Kammer ist weiterhin nicht davon überzeugt, dass die gesetzlich vorgegebene Hö-
he der Regelleistung in Höhe von 328 €, die nach § 20 Abs. 4 SGB II für den Kläger im
Streitzeitraum maßgebend ist, verfassungswidrig ist.
Es bestand für die Kammer kein Anlass, das Verfahren nach Art 100 Abs 1 S 1 Grundge-
setz (GG) auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG zur Vereinbarkeit von § 19
Abs 1 S 1, § 20 Abs 1 und Abs 2 S 1 SGB II in der Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-
ÄndG mit Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG einzuholen.
a) Das vom Kläger überreichte Gutachten von Herrn Böker aus November 2010 ist kein
hinreichendes Argument gegen die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Regelleistung im
Streitzeitraum. Das Gutachten geht von einer Verfassungswidrigkeit der Regelsätze aus
und kommt zu angemessenen Regelsätzen von 594 €. Dazu ist zu sagen, dass das Bun-
desverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.) davon
ausgegangen ist, dass die Regelsätze nach altem Recht bis einschließlich Dez. 2010
nicht evident zu niedrig seien. Wenn Herr Böker bereits in November 2010 zu niedrige
Regelsätze annimmt, ignoriert er die Einschätzung des BVerfG. Auch kannte Herr Böker
in seinem Gutachten aus November 2010 noch nicht die Wertungen, die der Gesetzge-
ber bei der Bestimmung der Höhe der Regelsätze im März 2011 mit Inkrafttreten des Ge-
setzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften
Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 rückwirkend zum 01.01.2011 getroffen hat.
b) Beide Senate des Bundessozialgerichts (BSG), die für die Grundsicherung für Arbeits-
suchende nach dem SGB II zuständig sind, gehen davon aus, dass die Regelsätze für
Alleinstehende (vgl. BSG, Urteil v. 12.07.2012, B 14 AS 154/11 R, juris), aber auch für
Familien mit mindestens einem Kind verfassungsgemäß sind, wobei das BSG in seiner
Entscheidung vom 28.03.2013 (B 4 AS 12/12 R) die Konstellation entschieden hatte,
dass zwei Erwachsene Hilfebedürftige mit einem Kind im Alter von unter zwei Jahren zu-
- 5 -
sammen leben.
Im Streitzeitraum lebte der Kläger aber mit seiner damaligen Ehefrau und einem älteren
Kind zusammen. Allerdings haben die damalige Ehefrau des Klägers und seine Tochter
die Klage zurückgenommen, so dass von der Kammer nur noch zu entscheiden war, ob
eine Regelleistung von 328 € für einen Erwachsenen, der in einer Bedarfsgemeinschaft
mit einem anderen Erwachsenen und einem Kind lebt, verfassungsgemäß ist. Das Ge-
richt muss sich also nicht mit der vom Bundessozialgericht bislang noch nicht entschie-
denen Rechtsfrage auseinanderzusetzen, ob die Regelleistung für die Tochter des Klä-
gers in Höhe von 287 € verfassungsgemäß ist. Die Verfassungsmäßigkeit der Regelleis-
tung für eine Person, die mit einem anderen Erwachsenen und einem Kind zusammen
wohnt, in Höhe von 328 € hat das BSG in seinem Urteil vom 28.03.2013 aus folgenden
Gründen bejaht (Rn. 20 ff.):
„Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Prüfung ist wegen des Gestaltungsspiel-
raums des Gesetzgebers eine zurückhaltende materielle Kontrolle der einfachge-
setzlichen Regelung dahingehend, ob die Leistungen evident unzureichend sind.
Da eine Ergebniskontrolle am Maßstab des Grundrechts auf Gewährung eines
menschenwürdigen Existenzminimums (Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG) nur be-
grenzt möglich ist, muss jenseits der Evidenzkontrolle überprüft werden, ob die
Leistungen auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungs-
verfahren zu rechtfertigen sind (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua -
BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 = BGBI l 2010, 193, RdNr 141 ff, im
Weiteren BVerfG aaO).
a) Der Regelbedarf der Kläger zu 1 und 2 leitet sich nach § 20 Abs 4 SGB II in der
Fassung des RBEG/SGB ll/SGB Xll-ÄndG iVm § 8 Abs 1 Nr 2 RBEG von dem ei-
nes Alleinstehenden in einem Einpersonenhaushalt ab. Der Regelbedarf eines
solchen alleinstehenden Erwachsenen ist durch das RBEG/SGB ll/SGB Xll-ÄndG
nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig festgesetzt worden. Der erkennende
Senat schließt sich insoweit dem 14. Senat des BSG an, der dies im Juli 2012 in
zwei Entscheidungen im Einzelnen dargelegt hat (SozR 4-4200 § 20 Nr 17 RdNr
19 ff; vom 12.7.2012 - B 14 AS 189/11 R - RdNr 14). Das BVerfG hat die Verfas-
sungsbeschwerden gegen die benannten Urteile nicht zur Entscheidung ange-
nommen (BVerfG Beschluss vom 20.11.2012 - 1 BvR 2203/12 - unveröffentlicht;
BVerfG Beschluss vom 27.12.2012 - 1 BvR 2471/12 - unveröffentlicht; zur Bedeu-
tung dessen s Rixen, SozSich 2013, 73 ff).
- 6 -
Der Gesetzgeber hat insoweit den ihm zugewiesenen Auftrag, das Grundrecht auf
ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten, erfüllt. Der 14. Senat
hat hierzu ausgeführt, dass bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung der Neu-
ermittlung der Regelbedarfe der Entscheidungsprozess des Gesetzgebers bei der
Neuordnung der §§ 28 ff SGB XII auf die Bemessung des Regelbedarfs in § 20
Abs 2 S 1 SGB II in der Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG zu übertragen
sei. Der Gesetzgeber habe den Umfang des konkreten gesetzlichen Anspruchs
auch in einem transparenten und sachgerechten Verfahren ermittelt, das den
Vorgaben des BVerfG im Urteil vom 9.2.2010 (BVerfGE, aaO) nach realitätsge-
rechten sowie nachvollziehbaren Festsetzungen auf der Grundlage verlässlicher
Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren entspreche. Dabei habe sich der
Gesetzgeber des vom BVerfG gebilligten Statistikmodells bedienen können. In-
nerhalb dieses Ansatzes habe er, ausgehend von der Einkommens- und Ver-
brauchsstichprobe (EVS) 2008, die Referenzgruppe anhand der unteren Einkom-
mensgruppen bestimmt, ohne seinen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum zu
überschreiten.
Dies gilt auch, soweit in der Literatur vorgebracht wird, der Gesetzgeber sei sei-
nem Auftrag, auch die "versteckt Armen" aus der Regelbedarfsberechnung aus-
zunehmen, nicht hinreichend nachgekommen (s nur Irene Becker, SozSich, Son-
derheft September 2011, 20 ff). Es" überzeugt den Senat nicht, wenn unter Be-
zugnahme auf die Entscheidung des BVerfG deswegen die Höhe des Regelbe-
darfs als nicht mit Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG vereinbar bewertet wird (so
Münder, SozSich Sonderheft September 2011, 70 ff). Das BVerfG hatte den Ver-
zicht auf eine Schätzung des Anteils der "verdeckt Armen" durch den Gesetzge-
ber in Ermangelung hinreichend sicherer empirischer Grundlagen durch die EVS
2003 für die Vergangenheit für vertretbar gehalten (BVerfG aaO, RdNr 169). An
dem Mangel der Möglichkeit, methodisch unzweifelhaft und ohne Setzungen die
"verdeckt Armen" aus den Referenzhaushalten auszuschließen, hat sich auch bei
der Auswertung der EVS 2008 nichts geändert. Dies gilt zumindest für den hier
zur Verfügung stehenden zeitlichen Rahmen. Durch diesen wird der Gestaltungs-
spielraum des Gesetzgebers mitbestimmt. Aufgrund der an den Gesetzgeber ge-
richteten Umsetzungsverpflichtung der Entscheidung des BVerfG bis zum
31.12.2010 (BVerfGE aaO, RdNr 216) stand ein Zeitraum von nicht einmal einem
Jahr für die Neufestsetzung der Regelbedarfe zur Verfügung und die Ergebnisse
der EVS 2008 lagen erst im Herbst 2010 vollständig vor. In der Begründung zum
- 7 -
RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG wird daher eine Korrektur der Referenzgruppen um
die "verdeckt Armen" ua mit der Begründung abgelehnt, aufgrund der vielgestal-
tigkeit der Einkünfte von Haushalten hätte eine Einzelfallauswertung der Haushal-
te erfolgen müssen. Diese wäre jedoch weder durch die Wissenschaft noch durch
das Statistische Bundesamt zu leisten gewesen (BT-Drucks 17/3404, S 88). Auch
insoweit wird zwar in der Literatur Kritik angebracht, insbesondere an dem über
"das Notwendige hinausgehende Anforderungsprofil" des Gesetzgebers. Dadurch
würden die Grenzen des Datensatzes der EVS zwangsläufig erreicht. Es werden
daher Vorschläge zur methodischen Identifizierung der "verdeckten Armut" ge-
macht (s zusammenfassend Irene Becker, SozSich, Sonderheft September 2011,
24), die einen weniger großen Genauigkeitsgrad aufweisen (lrene Becker, Soz-
Sich, Sonderheft September 2011, 22). Ob der Gesetzgeber sich jedoch ent-
schließt, angesichts der Vorgaben des BVerfG derartige offene "Ungenauigkeiten"
in seine Berechnung einzubeziehen, muss seiner Entscheidung im Rahmen sei-
nes Gestaltungsspielraums vorbehalten bleiben. Hierbei ist auch zu berücksichti-
gen, dass es sich bei den Vorschlägen um wissenschaftlich noch nicht abschlie-
ßend diskutierte Ansätze handelt, ein sachgerechtes Verfahren zu entwickeln o-
der weiterzuentwickeln, um so eine statistisch zuverlässig über der Sozialhilfe-
schwelle liegende Referenzgruppe zu ermitteln (lrene Becker, SozSich, Sonder-
heft September 2011, 21). Dies ändert allerdings nichts daran, dass der Gesetz-
geber bei der Auswertung der EVS 2013 der ihm vom BVerfG auferlegten Pflicht
zur Fortentwicklung des Bedarfsermittlungssystems nachkommen muss und da-
rauf zu achten haben wird, dass Haushalte, deren Nettoeinkommen unter dem Ni-
veau der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von SGB II und SGB XII
liegt, aus der Referenzgruppe ausgeschieden werden (BVerfGE, aaO, RdNr 169).
Dies hat der Gesetzgeber jedoch auch selbst erkannt. Er hat in § 10 Abs 1 iVm §
10 Abs 2 Nr 1 RBEG eine Verpflichtung des Bundesministeriums für Arbeit und
Soziales (BMAS) bestimmt, dem Bundestag ua für die Weiterentwicklung der Me-
thoden zur Abgrenzung der Referenzhaushalte nach § 3 Abs 1 RBEG hinsichtlich
der Bestimmung von Haushalten der EVS Vorschläge zu unterbreiten, die nicht
als Referenzhaushalte zu berücksichtigen sind, weil deren eigene Mittel nicht zur
Deckung des jeweils zu unterstellenden Bedarfs nach dem SGB ll und SGB Xll
ausreichen.
Der erkennende Senat ist ebenso wie der 14. Senat des BSG ferner davon über-
zeugt, dass die im Rahmen des Statistikmodells begründete Herausnahme ein-
zelner Positionen durch den Gesetzgeber nicht zu beanstanden ist. Er folgt dem
- 8 -
14. Senat, wenn dieser ausführt, die regelbedarfsrelevanten Ausgabenpositionen
und -beträge seien so bestimmt, dass ein interner Ausgleich möglich bleibe. Auch
bei der Kennzeichnung einzelner Verbrauchspositionen als bedarfsrelevant und
dem Ausschluss bzw der Kürzung anderer Verbrauchspositionen hat der Gesetz-
geber seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Zutreffend hat er sich
schließlich bei der Regelung eines Fortschreibungsmechanismus an seiner Ent-
scheidung für das Statistikmodell orientiert. Um Wiederholungen zu vermeiden
sieht der erkennende Senat von einer Darstellung der Ausführungen im Einzelnen
ab.
b) Die Festsetzung eines - im Vergleich zu alleinstehenden Erwachsenen - niedri-
geren Regelbedarfs für die Kläger zu 1 und zu 2 gemäß § 20 Abs 4 SGB II in der
Fassung des RBEG/SGB ll/SGB Xll-ÄndG‚ § 8 Abs 1 Nr 2 RBEG aufgrund des
Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft - hier: aufgrund einer Ehe zwischen dem
Kläger zu -1 und der Klägerin zu 2 - ist ebenso wenig verfassungswidrigDer Ge-
setzgeber durfte davon ausgehen, dass durch das gemeinsame Wirtschaften
Aufwendungen erspart werden und deshalb zwei zusammenlebende Partner ei-
nen finanziellen Mindestbedarf haben, der unter dem Doppelten des Bedarfs ei-
nes Alleinwirtschaftenden liegt. Da aufgrund des Zusammenlebens anzunehmen
ist, dass beide Partner "aus einem Topf’ wirtschaften, ist es auch nicht zu bean-
standen, dass der Gesetzgeber für beide Partner einen gleich hohen Bedarf in
Ansatz bringt (vgl BVerfG, aaO, RdNr 154; s auch Kohte in Kreike-
bohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl 2011, § 20
SGB II RdNr 54).
c) Auch soweit es den Regelbedarf für zwei zusammenlebende Erwachsene be-
trifft, in deren Haushalt mindestens ein Kind lebt, kann nicht angenommen wer-
den, dass dieser evident zu niedrig bestimmt worden ist, obwohl der Bedarf der
beiden Erwachsenen nur auf einer Ableitung dessen von einem alleinstehenden
Erwachsenen beruht. Eine gesonderte Bedarfserhebung ist insoweit nicht erfolgt.
Die Sonderauswertung "Paarhaushalt mit einem Kind" diente nur dazu, die "Kin-
derausgaben" in diesem Paarhaushalt zu bestimmen (BT-Drucks 17/3404, S 64 f).
Zwar mangelt es an einer näheren Begründung für die konkrete Bemessung des
grundsicherungsrechtlich relevanten Bedarfs für Erwachsene, die mit Kindern zu-
sammenleben. Aus dem bloßen Fehlen einer Begründung für die Ableitung des
Regelbedarfs der Erwachsenen in einem Paarhaushalt ausschließlich von dem
eines Alleinstehenden kann im Gegensatz zu Münder (in Soziale Sicherheit -
- 9 -
Sonderheft September 2011, S 80) jedoch noch nicht auf eine Unvereinbarkeit mit
Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG geschlossen werden.
Der gesetzliche Leistungsanspruch muss stets den gesamten existenznotwendi-
gen Bedarf decken (BVerfG, aaO‚ RdNr 137). Dabei darf der Gesetzgeber in Er-
füllung seines Gewährleistungsauftrags jedoch auch wertende Entscheidungen
treffen, um die soziale Wirklichkeit zeit- und realitätsgerecht zu erfassen. Der Um-
fang des Anspruchs auf ein menschenwürdiges Existenzminimum hängt von den
gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Er-
forderliche, der konkreten Lebenssituation des Hilfebedürftigen sowie den jeweili-
gen wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten ab und ist danach vom Ge-
setzgeber konkret zu bestimmen. Hierbei steht dem Gesetzgeber ein Gestal-
tungsspielraum zu, der enger ist, soweit er das zur Sicherung der physischen
Existenz eines Menschen Notwendige konkretisiert, und weiter, wo es um Art und
Umfang der Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben geht (BVerfG,
aaO‚ RdNr 138; BVerfGE 126, 331 RdNr 103). Aus dem Erfordernis, alle exis-
tenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Ver-
fahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher
Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu bemessen, folgt jedoch nicht,
dass die Höhe des existenznotwendigen Lebensunterhalts durch den Einsatz ei-
ner allein richtigen Berechnungsmethode punktgenau ermittelt werden kann und
jede Abweichung als Verfassungsverstoß anzusehen ist (vgl Spellbrink, DVBl
2011, 661). Weder sind normative Setzungen grundsätzlich ausgeschlossen,
noch ist es für die verfassungsrechtliche Prüfung von Bedeutung, ob die maßgeb-
lichen Gründe für die gesetzliche Neuregelung im Gesetzgebungsverfahren aus-
drücklich als solche genannt wurden oder gar den Gesetzesmaterialien zu ent-
nehmen sind (BVerfG, NVwZ-RR 2012, 257). Inhaltlicher Maßstab der einfachge-
setzlichen Festschreibung des Leistungsanspruchs sind Sachgerechtigkeit und
Vertretbarkeit (BVerfG, aaO‚ RdNr 171). Gemessen an diesem Maßstab führt die
Ableitung des Bedarfs der Erwachsenen in einem Paarhaushalt mit einem Kind
von dem eines Alleinstehenden derzeit nicht zu einer evident zu niedrig bemesse-
nen existenzsichernden Leistung.
Genaue Datengrundlagen zur Ermittlung des Bedarfs von zwei EnNachsenen in
einem Paarhaushalt mit Kind liegen nicht vor. Ebenso wie für die Bestimmung des
Existenzminimums des Kindes gilt auch hier, dass bei Haushalten mit Kindern der
überwiegende Teil der Verbrauchsausgaben nicht direkt und unmittelbar auf Er-
- 10 -
wachsene und Kinder aufgeteilt werden konnte (BT-Drucks 17/3404, S 64; s zu
den Einzelheiten unter 6 d cc). Es ist insoweit zwar eine Sonderauswertung für
Familienhaushalte durchgeführt worden. Gleichwohl konnten im, Rahmen der zur
Verfügung stehenden Umsetzungszeit (s hierzu unter 6 a) nur die Verbrauchs-
ausgaben für den gesamten Haushalt erfasst werden. Die Ableitung des Bedarfs
der beiden Erwachsenen in einem Paarhaushalt mit Kind von dem eines Allein-
stehenden ist daher zurzeit methodisch noch sachgerecht und vertretbar. Dies gilt
umso mehr, als der erkennende Senat davon ausgeht, dass höhere Bedarfe we-
gen des Kindes im Wesentlichen durch erhöhte Aufwendungen im Teilhabebe-
reich entstehen, etwa dadurch, dass das Kind - zumindest das kleinere - im Rah-
men seines Anspruchs nach § 28 Abs 7 SGB II noch nicht allein am sozialen und
kulturellen Leben teilnehmen kann, also der Begleitung bedarf (s hierzu auch Ire-
ne Becker in SozSich, Sonderheft September 2011, 17). Im Bereich der Teilhabe
am gesellschaftlichen Leben ist der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers,
ausgehend von der Vorgabe, dass hier nur das Minimum gewährleistet werden
muss (BVerfG‚ aaO, RdNr 166), jedoch, wie schon dargelegt, weiter. Den Rah-
men für seinen Gestaltungsspielraum bei Rückgriff auf das Statistikmodell bildet
die Überlegung, dass die Summe der für die Gewährleistung des Existenzmini-
mums erforderlichen Verbrauchsausgaben ein monatliches Budget bilden, über
dessen konkrete Verwendung der Leistungsberechtigte selbst entscheidet. Maß-
gebend ist, dass der Gesamtbetrag des Budgets ausreicht, die Existenz zusi-
chern (BT-Drucks 17/3404 S 51). Dem Umstand möglicher erhöhter Bedarfe der
Erwachsenen durch ein Kind in einem Paarhaushalt kann daher zum einen allge-
mein durch Rückgriff auf den internen Ausgleich innerhalb der Pauschale Rech-
nung getragen werden. Zum anderen hat der Gesetzgeber im Rahmen der Be-
stimmung der Höhe des Regelbedarfs für Erwachsene wegen der Einführung des
Bildungs- und Teilhabepakets für Kinder und Jugendliche, für Eltern eine Mitglied-
schaft in Organisationen ohne Erwerbscharakter erstmals in voller Höhe als re-
gelbedarfsrelevant definiert (vgl BT-Drucks 17/3404, S 64). Insoweit ist mithin der
erhöhte Bedarf durch die Teilhabe des Kindes in die Bestimmung der Höhe des
Regelbedarfs eines Alleinstehenden eingerechnet worden.
Die Berücksichtigung bei der Bemessung der Pauschale hat auch hier zur Folge,
dass die Entscheidung, wofür der Betrag genutzt wird, dem einzelnen Bedarfsge-
meinschaftsmitglied obliegt, er also auch für andere Aufwendungen durch die
Teilhabe des Kindes genutzt werden kann. Gleichwohl wird der Gesetzgeber die
Bedarfe von zwei EnNachsenen in einem Paarhaushalt mit Kind bei der Auswer-
- 11 -
tung der EVS 2013 unter Beachtung der sich aus § 10 Abs 2 Nr 3 RBEG erge-
benden Verpflichtung zu berücksichtigen haben. Danach hat das BMAS dem
Bundestag bis Juli 2013 für die Ermittlung von regelbedarfsrelevanten Ver-
brauchsausgaben von Erwachsenen Vorschläge zu unterbreiten, die in einem
Mehrpersonenhaushalt leben. Diese bilden sodann die Grundlage für die Ermitt-
lung von Regelbedarfen und die danach vorzunehmende Bestimmung von Regel-
bedarfsstufen für Erwachsene, die nicht in einem Einpersonenhaushalt leben.
Soweit Münder in seine Überlegungen auch die "Haushaltsgemeinkosten" einbe-
zieht, wird zwar schon nicht hinreichend deutlich, welche Kosten er hier betrachtet
(Münder, SozSich, Sonderheft September 2011, 85). Unbestritten steigen nach
allgemeiner Lebenserfahrung durch ein Kind in einem Haushalt allerdings die
Aufwendungen etwa in den Abteilungen 04 (Wohnen, Energie und Wohnungsin-
standhaltung), 05 (Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände), 08
(Nachrichtenübermittlung) und 12 (andere Waren und Dienstleistungen). Derartige
Aufwendungen sind jedoch in die Bemessung der Regelbedarfe der Kinder in Ab-
hängigkeit von den Aufwendungen des Haushalts, als deren eigene Bedarfe ein-
geflossen (zur verfassungsrechtlichen Bewertung der Kinderregelbedarfe s unten
unter 6 d, cc). Inwieweit darüber hinaus den Erwachsenen selbst durch das Zu-
sammenleben mit dem Kind weitere Bedarfe als die durch die bereits erörterten
der Teilhabe entstehen, ist nicht ersichtlich.
Daraus, dass der Gesetzgeber für Alleinerziehende einen zusätzlichen Bedarf bei
Pflege und Erziehung von Kindern (§ 21 Abs 3 SGB II) erkannt hat, folgt keine
Verengung seines Gestaltungsspielraums derart, dass von der Annahme der Ver-
fassungswidrigkeit der Ableitung der Höhe des Regelbedarfs für zwei Erwachsene
in einem Paarhaushalt mit einem Kind ausschließlich von dem Regelbedarf eines
Alleinstehenden ausgegangen werden müsste. Dies folgt zwar nicht bereits dar-
aus, dass der Gesetzgeber bei den Alleinerziehenden nicht den Regelbedarf an
sich höher bemessen hat, sondern ihnen eine zusätzliche Mehrbedarfsleistung
zubilligt. Er braucht die Existenz nicht allein durch die Regelleistung zu sichern.
Es obliegt seinem Gestaltungsspielraum, ob er sich insoweit ergänzender Leis-
tungen bedient oder den erkannten Bedarf in die Bemessung des Regelbedarfs
einbezieht. Entscheidend insoweit ist nur, dass das verfassungsrechtlich gebote-
ne Existenzminimum sichergestellt wird (BVerfG, aaO, RdNr 170). Soweit mithin
aus dem für Alleinerziehende ermittelten verfassungsrechtlich relevant zu de-
ckenden Bedarf folgen sollte, dass sich dieser mit dem von zwei Erwachsenen in
- 12 -
einem Paarhaushalt mit Kind deckt, jedoch entweder nicht in der Höhe deren Re-
gelbedarfs niederschlägt oder nicht über eine gesonderte Leistung gedeckt wird,
kann dies auch bedeuten, dass das verfassungsrechtlich zu gewährleistende
Existenzminimum der Erwachsenen im Paarhaushalt mit Kindern unterschritten
wird. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Es mangelt den Erwachsenen in einem Paarhaushalt mit Kind bereits an einem
verfassungsrechtlich relevanten Bedarf durch die Erziehung und Pflege der Kin-
der, wie er für "Alleinerziehende" erkannt worden ist. Bei dem Personenkreis der
Alleinerziehenden ist von einer besonderen Bedarfssituation auszugehen, bei der
typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist (BSG vom 23.8.2012 - B 4
AS 167/11 R - RdNr 14 ff; BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 15).
Solche besonderen Lebensumstände sind ausgehend von den Gesetzesmateria-
lien zur Einführung und zum Zweck der entsprechenden Regelung im BSHG (vgl
den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 26.3.1985, BT-Drucks 10/3079 S 5)
exemplarisch darin gesehen worden, dass Alleinerziehende wegen der Sorge für
ihre Kinder typischerweise weniger Zeit haben, preisbewusst einzukaufen sowie
zugleich höhere Aufwendungen zur Kontaktpflege und zur Unterrichtung in Erzie-
hungsfragen tragen müssen bzw externen Rat in Betreuungs-‚ Gesundheits- und
Erziehungsfragen benötigen. Auch der Zweck des § 21 Abs 3 SGB II liegt darin,
den höheren Aufwand von Alleinerziehenden für die Versorgung und Pflege bzw
Erziehung der Kinder etwa wegen geringerer Beweglichkeit und zusätzlicher Auf-
wendungen für die Kontaktpflege oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen
Dritter in pauschalierter Form auszugleichen (BSG vom 23.8.2012 - B 4 AS
167/11 R — RdNr 14; BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr1). Zwar ist
an diesen Gründen die Kritik geäußert worden, der Mehrbedarf für Alleinerziehen-
de sei wegen des gesellschaftlichen Wandels überholt (Düring in Gagel, SGB
II/SGB III, Stand XI/2010, 5 21 RdNr 19 und Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K,
Stand V/2011, 5 21 RdNr 36). Abgesehen davon, dass sich die Gruppe der Al-
leinerziehenden gegenüber allen anderen Haushaltsformen nach wie vor beson-
ders oft unterhalb der relativen Einkommensschwelle befindet und auch als Er-
werbstätige signifikant niedrigere Einkommen als Paarhaushalte erzielt (vgl den 4.
Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung 2012, S 324, 329), ändert ein
Wandel der gesellschaftlichen Anschauungen nichts an der oben dargelegten ver-
fassungsrechtlichen Wertung im Hinblick auf die Bemessung des Regelbedarfs
eines Paares mit Kind. Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind
verfassungsrechtlich anzuerkennen, solange seine Erwägungen weder offensicht-
- 13 -
Iich fehlsam, noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind
(BVerfGE 113, 167 ff, 215 = SozR 4-2500 § 266 Nr6). Zumindest können diese
Wertungen nicht umgekehrt dazu führen, dass Bedarfe durch Kindererziehung in
dem gleiche Maße wie bei Alleinstehenden auch bei zwei Erwachsenen in einem
Paarhaushalt mit Kind bedarfserhöhend berücksichtigt werden müssten, ohne
dass das Existenzminimum Letzterer evident zu niedrig bemessen wäre.“
Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an.
Die Klage war somit unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtsmittelbelehrung
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
Hessischen Landessozialgericht, Steubenplatz 14, 64293 Darmstadt
(FAX-Nr. (0 61 51) 80 43 50)
schriftlich, in elektronischer Form oder zur Niederschrift der Urkundsbeamtin/des Ur-
kundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem
Sozialgericht Kassel, Ständeplatz 23, 34117 Kassel
(FAX-N r. 0561 -70936-10),
schriftlich, in elektronischer Form oder zur Niederschrift der Urkundsbeamtin/des Ur-
kundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die elektronische Form wird durch eine qualifizierte signierte Datei gewahrt, die nach den
Maßgaben der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei hessischen Ge-
richten und Staatsanwaltschaften vom 26. Oktober 2007 (GVBI I 2007, 699) in der jeweils
geltenden Fassung (GVBI ll 20-31) in den elektronischen Gerichtsbriefkasten zu übermit-
teln ist. Die hierfür erforderliche Software kann über das Internetportal des Elektronischen
Gerichts- und Verwaltungspostfachs (wvvw.egvp.de) unter „Downloads“ lizenzfrei herun-
tergeladen werden. Dort können auch weitere Informationen zum Verfahren abgerufen
werden.
Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerich-
te eingehen. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag ent-
halten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel an-
geben.
Auf Antrag kann vom Sozialgericht durch Beschluss die Revision zum Bundessozialge-
- 14 -
richt zugelassen werden, wenn der Gegner schriftlich zustimmt. Der Antrag auf Zulas-
sung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem
Sozialgericht Kassel, Ständeplatz 23, 34117 Kassel
(FAX-Nr. 0561 -70936-1 0),
schriftlich oder in elektronischer Form zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem
Antrag beizufügen.
Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so
beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem,
sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt
und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
Der Berufungsschrift- bzw. Antragsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Ab-
schriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden. Dies gilt nicht bei der Ubermittlung
elektronischer Dokumente.
gez. Dr. Mushoff
Richter am Sozialgericht
Ausgefertigt:
Kassel, 31.10.2013
BienNirth
Verwaltungsangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Faksimile 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
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SG KA, S 5 KR 1763/11 vom 23.01.2012, Sozialgericht Karlsruhe
anselmf
Sozialgericht Karlsruhe
Az.: S 5 KR 1763/11
Verkündet
am 23.01.2012
xxxx
Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
in dem Rechtsstreit
xxxxxxx
xxxxxxxxxxxx
- Klägerin -
Proz.-Bev.: Rechtsanwälte xxxxxxxxxx,
xxxxxxxx
gegen
xxxx
vertreten durch den Vorstand
xxxxxx
- Beklagte -
Die 5. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe
hat auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. Januar 2012 durch
ihren Vorsitzenden, Richter am Sozialgericht xxx,
sowie die ehrenamtlichen Richter xxxx und xxxxx
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Erstattung von Kosten für Fahrten mit dem Taxi in der Zeit vom 1.2. - 30.4.2011.
Die xxxx geborene Klägerin war bei der Beklagten krankenversichert. Wegen Niereninsuffizienz muss sie sich seit April 2008 dreimal pro Woche (Dienstag, Donnerstag und Samstag) einer Dialysebehandlung unterziehen; die Behandlung dauert jeweils vier Stunden.
Am 4.11.2010 verordnete die Internistin Dr. xxxx der Klägerin für die Zeit vom 1.1. - 31.12.2011 Krankenbeförderung mit einem Taxi für die Fahrten von der Wohnung zur Dialyse und zurück.
Nachdem die Beklagte eine Stellungnahme des MDK (vom 29.12.2010) eingeholt hatte, bewilligte sie der Klägerin mit Bescheid vom gleichen Tag Krankenfahrten mit dem Taxi „Wohnung-Dialyse-Wohnung“ bis zum 31.1.2011.
Für die Zeit ab dem 1.2.2011 lehnte die Beklagte hingegen mit Bescheid vom 25.1.2011 die Übernahme der Kosten für die Benutzung eines Taxis ab. Zur Begründung gab sie an, nach der Einschätzung des MDK sei die Benutzung eines Taxis medizinisch nicht notwendig; vielmehr könne die Klägerin mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Die Kosten hierfür werde sie der Klägerin auf Antrag erstatten.
Nach einer verwaltungsinternen Überprüfung änderte die Beklagte ihre Entscheidung teilweise ab und bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 31.1.2011 nun für die Zeit ab dem 1.2.2011 Krankenfahrten mit dem Taxi „Dialyse-Wohnort“ in näher bezeichneter Höhe.
Hiergegen legte die Klägerin am 2.2.2011 Widerspruch ein. Sie machte geltend, sie benötige ein Taxi nicht nur für die Rückfahrt, sondern auch für die Hinfahrt zur Dialyse. Für die Behandlung müsse sie sich bereits morgens um 6:15 Uhr im Dialysezentrum in xxxx einfinden. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei dies für sie nicht zu schaffen: Am Samstag fahre der früheste Bus in ihrem Wohnort xxx erst um 7:00 Uhr. Am Dienstag und Donnerstag gebe es zwar einen Bus um 5:00 Uhr. Allerdings fahre dieser nur bis zur Haltestelle xxxxx. Von dort müsste sie bis zum Dialysezentrum noch 1,5 km laufen, davon 500 m entlang einer viel befahrenen Straße ohne Gehweg. Im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand sei ihr dies nicht zumutbar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7.4.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, die Übernahme von Fahrkosten sei in § 60 SGB V geregelt. Welches Fahrzeug der Versicherte benutzen kann, richte sich gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB V ausschließlich nach der medizinischen Notwendigkeit. Bei der Auswahl des Beförderungsmittels sei gemäß § 4 der Krankentransport-Richtlinien insbesondere der aktuelle Gesundheitszustand des Versicherten und seine Gehfähigkeit zu berücksichtigen. Andere als medizinische Gründe blieben hingegen außer Betracht. Nach der Einschätzung des MDK sei die Klägerin gesundheitlich in der Lage, bei der Hinfahrt zur Dialyse öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Es sei für die Frage der Kostenübernahme unerheblich, ob im Einzelfall tatsächlich hinreichende Verkehrsverbindungen vorhanden sind. Vor diesem Hintergrund könne sie, die Beklagte, der Klägerin für die Hinfahrt zu Dialyse nur die Kosten für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel erstatten, nicht hingegen für die Benutzung eines Taxis.
Mit der am 21.4.2011 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter. Sie wiederholt im wesentlichen ihre Argumente aus dem Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, seit dem 1.5.2011 sei sie nicht mehr bei der Beklagten krankenversichert, sondern bei der AOK. Die AOK erachte sämtliche Taxi-Kosten für notwendig und habe diese ohne weiteres erstattet. In der Zeit vom 1.2. - 30.4.2011 sei sie auf eigene Kosten mit dem Taxi zur Dialyse gefahren. Hierfür habe sie insgesamt 736,32 € gezahlt. Diesen Betrag müsse die Beklagte erstatten.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 25.1.2011 sowie Änderung des Bescheids vom 31.1.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.4.2011 zu verurteilen, ihr Kosten in Höhe von 736,32 € zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf ihren Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, die Klägerin sei im gesamten Jahr 2011 von der Pflicht zur Zuzahlung befreit.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des sachverständigen Zeugen Dr. xxxx (Aussage vom 20.9.2011). Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme und der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1) Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten.
Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (§ 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Kostenerstattung nach dieser Vorschrift kommt in beiden Varianten nur in Betracht, wenn der Versicherte die streitige Leistung als Sachleistung beanspruchen konnte.
Daran fehlt es hier. Die Klägerin hatte keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Kosten für Fahrten mit dem Taxi zur Dialysebehandlung übernimmt:
Die Krankenkasse übernimmt nach Maßgabe des § 60 Abs. 2 und 3 SGB V die Kosten für Fahrten, wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind (§ 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Die Notwendigkeit der Beförderung ist für den Hin- und Rückweg gesondert zu prüfen (§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V i. V. m. § 3 Abs. 2 Satz 2 Krankentransport-Richtlinien). Welches Fahrzeug benutzt werden kann, richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall (§ 60 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Maßgeblich für die Auswahl des Beförderungsmittels ist ausschließlich die zwingende medizinische Notwendigkeit unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots. Für die Auswahlentscheidung ist deshalb insbesondere der aktuelle Gesundheitszustand des Versicherten und seine Gehfähigkeit zu berücksichtigen (§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V i. V. m. § 4 Krankentransport-Richtlinien). Die Krankenfahrt mit einem Taxi ist nur dann zu verordnen, wenn der Versicherte aus zwingenden medizinischen Gründen öffentliche Verkehrsmittel oder ein privates Kraftfahrzeug nicht benutzen kann (§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V i. V. m. § 7 Abs. 3 Krankentransport-Richtlinien). Hingegen kann eine Verordnung nicht darauf gestützt werden, die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel - zu deren Nutzung der Versicherte gesundheitlich prinzipiell in der Lage wäre - sei vor Ort unzureichend. Denn es kommt „ausschließlich“ auf die medizinische Notwendigkeit an (vgl. (§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V i. V. m. § 4 Satz 1 Krankentransport-Richtlinien). Auch bei anderen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung lässt sich die medizinische Erforderlichkeit nicht mit den örtlichen Verhältnissen oder sonstigen persönlichen Umständen begründen (zur Krankenhausbehandlung: BSGE 99, 111 Rdnr. 15; zur Hilfsmittelversorgung: BSGE 102, 90 Rdnr. 14).
Gemessen hieran benötigte die Klägerin für die Fahrten zur Dialysebehandlung kein Taxi. Zwar leidet sie an Niereninsuffizienz. Trotz dieser Erkrankung war die Klägerin aber gesundheitlich in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel oder einen PKW zu nutzen. So fährt sie (nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung) an den Wochentagen, an denen sie nicht zur Dialyse muss, selbst mit dem Auto zur Arbeit. Für die Fahrten zur Dialysebehandlung hat die Klägerin nur deshalb keine öffentlichen Verkehrsmittel genutzt, weil die Verbindungen ungünstig (oder nicht vorhanden) waren. Wie ausgeführt, reicht dies für die Begründung der medizinischen Notwendigkeit nicht.
2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
3) Es besteht kein Grund, gemäß § 144 Abs. 2 SGG die Berufung zuzulassen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung nur zu, wenn sie nachträglich zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Berufung mit der Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Landessozialgericht Baden-Württemberg, Hauffstr. 5, 70190 Stuttgart - Postfach 10 29 44, 70025 Stuttgart -, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Beschwerde muss innerhalb der oben angegebenen Frist bei dem vorgenannten Gericht eingehen. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Die Berufung ist zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
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L 4 KR 907/12 NZB
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SG MD, S 7 KR 212/08 ER vom 15.12.2008, Sozialgericht Magdeburg
anselmf
SG MD Beschluss -15.12.2008-S 7 KR 212/08 ER 1/2
Sozialgericht Magdeburg
Beschluss (rechtskräftig)
Sozialgericht Magdeburg S 7 KR 212/08 ER
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 10. Juli 2008 wird zurückgewiesen. Die
außergerichtlichen Kosten des Antragstellers sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob die Antragsgegnerin verpflichtet ist, die Kosten für die Besuchsfahrten des Antragstellers zu seiner
Ehefrau nach B. zu übernehmen.
Die Ehefrau des Antragstellers war seit dem 20. März 2007 bis zum 26. Dezember 2007 im Deutschen
Herzzentrum B. in stationärer Behandlung. Am 20. März 2007 ist sie mit einem Kunstherz versorgt worden. Seit
dem 26. Dezember 2007 war sie in stationärer Behandlung im Paulinen-Krankenhaus in B. . Am 23. Juli 2008 ist
die Ehefrau des Antragstellers verstorben.
Mit Bescheid vom 25. Mai 2007 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller daraufhin, dass Besuchsfahrten von
Angehörigen nicht durch die Krankenkasse zu finanzieren seien. In diesem Bescheid und den nachfolgenden
Bescheiden hat die Antragsgegnerin im Rahmen von Einzelfallentscheidungen Fahrtkosten des Antragstellers
übernommen, maximal für 2 Fahrten pro Woche. Mit Bescheid vom 21. September 2007 teilte die Antragsgegnerin
dem Antragsteller mit, dass sie Fahrtkosten noch bis zum 31. Oktober 2007 übernehmen werde, darüber hinaus
jedoch nicht mehr. Auf den Widerspruch des Antragstellers hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 31. Januar
2008 weitere Fahrtkosten bis zum 26. Dezember 2007 für maximal 2 Fahrten pro Woche übernommen. Den
weitergehenden Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 09. Juni 2008 zurück. Zur
Begründung gab sie u. a. an, eine Kostenübernahme für die beantragten Besuchsfahrten sei aufgrund der
gesetzlichen Möglichkeiten in § 60 SGB V nicht vorgesehen. Seit dem 01. Januar 1989 habe der Gesetzgeber den
gesetzlichen Krankenkassen die Möglichkeit genommen, Kosten für Besuchfahrten bei stationärer Behandlung von
Angehörigen zu übernehmen.
Hiergegen hat der Antragsteller am 10. Juli 2008 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben, welche unter dem
Az.: S 7 KR 208/08 geführt wird. Ferner hat er am 10. Juli 2008 den vorliegenden Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung gestellt. Der Antragsteller vertritt die Auffassung, er habe Anspruch auf Erstattung der
Kosten für Besuchsfahrten zum Krankenhaus, da es sich hierbei um notwendige Behandlungskosten handele.
Ausweislich des letzten ärztlichen Attestes des Paulinen-Krankenhauses vom 20. Juni 2008 sei das Begleiten der
Patientin von einem Familienangehörigen zur Stabilisierung ihres psychischen Zustandes medizinisch indiziert.
Der Antragsteller beantragt nach seinem Vorbringen sinngemäß -,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu ver-pflichten, weiterhin die dem Antragsteller
entstehenden Kosten für 2 Besuchsfahrten pro Woche zum jeweiligen stationären Benand-lungsort der Ehefrau
des Antragstellers zu bezahlen, längstens bis zum Ab-schluss ihrer stationären Behandlung.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Nach ihrer Auffassung liegt weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund vor. Rechtsgrundlage für
die Kostenübernahme von Fahrtkosten bilde § 60 SGB V. Im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse
würden insbesondere Aufwendungen stehen, mit denen der Zweck verfolgt wird, Erkrankte an den Ort zu
transportieren, an dem die Leistung bestimmungsgemäß zu erbringen ist.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von ihnen eingereichten Schriftsätze Bezug
genommen. Die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin haben vorgelegen und sind
Gegenstand dieser Entscheidung gewesen. Auch auf ihren Inhalt wird verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
Nach § 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine
einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine
Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder .
W wesentlich erschwert werden könnte. Soweit ein Fall des Absatzes nicht vorliegt sind einstweilige Anordnungen
SG MD Beschluss - 15.12.2008 - S 7 KR 212/08 ER 2/2
auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine
solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Hierfür muss der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund haben.
Anordnungsanspruch ist der materiell-rechtliche Anspruch auf die begehrte Leistung, dessen Bestehen von der
Gegenseite bestritten oder nicht erfüllt wird. Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn ohne eine Entscheidung im
vorläufigen Rechtsschutz dem Antragsteller schwere und unzumutbare, anders nicht anwendbare Nachteile
entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre
(Beschluss des Bundesverfassungsgericht vom 19.10.1977 2 BvR 42/76-‚ zuletzt Beschluss vom 12.05.2005
1 BvR 569/05-).
Der Antragsteller hat den geltend gemachten Anspruch nicht glaubhaft gemacht. Eine Tatsache ist glaubhaft
gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordert, dass
mehr für als dagegen spricht (Keller in Mayer-Ladewig u.a., Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, § 86 b Rd. Nr.
16 b).
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Übernahme von Fahrtkosten für die Besuche bei seiner Ehefrau. Nach §
60 SGB V sind die Fahrtkosten eines Versicherten für seine eigene stationäre oder ambulante Behandlung zu
übernehmen. Die Übernahme von Fahrtkosten zum Besuch eines erkrankten Versicherten sieht § 60 SGB V nicht
vor. Eine andere Rechtsgrundlage für die Übernahme von Kosten für Besuchsfahrten besteht im Bereich der
gesetzlichen Krankenversicherung nicht. Die Antragsgegnerin hätte daher bereits die Fahrtkosten bis zum 26.
Dezember 2007 nicht übernehmen dürfen.
Dem Antrag konnte daher nicht stattgegeben werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes hat das Sozialgericht Magdeburg nur über die Kosten zu
entscheiden, die seit dem Eingang des Antrages vom 10. Juli 2008 beim Sozialgericht Magdeburg, also ab dem 10.
Juli 2008 entstanden sind. Nach den vorliegenden Bestätigungen des Paulinen-Krankenhauses hat der
Antragsteller seine Ehefrau in der Zeit vom 17. Juli 2008 bis zum 19. Juli 2008 täglich besucht sowie am 23. Juli
2008. Es handelt sich somit um Besuchsfahrten für zwei Wochen, wobei in der zweiten Woche nur eine
Besuchsfahrt angefallen ist. Seitdem 10. Juli 2008 sind somit 3 Besuchsfahrten angefallen. Der Antragsteller hatte
in seiner Aufstellung der Fahrt- und Übernachtungskosten vom 11. Juli 2007 pro Fahrstrecke 45,00 EUR an
Fahrtkosten angegeben, so dass für die Hin- und Rückfahrt 90,00 EUR und für drei Besuchstage somit insgesamt
270,00 EUR an Fahrtkosten anzusetzen sind. Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ist die Beschwerde ausgeschlossen in
Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Nach §
144 Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Berufung nicht zulässig in Verfahren mit einem Beschwerdewert von weniger als
750,00 EUR. Da der Beschwerdewert von 750,00 EUR nicht erreicht wird, ist die Beschwerde gegen diesen
Beschluss ausgeschlossen.
A. Richter am Sozialgericht
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SG IZ, S 22 SO 56/10 vom 21.05.2012, Sozialgericht Itzehoe
anselmf
Az.: S 22 SO 56/10
SOZIALGERICHT ITZEHOE
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
der
— Klägerin -
Bundesbevollmächtigte Rechtsanwälte
gegen
den Kreis Dithmarschen Stabsstelle Innerer Service Juristischer Service, Stettiner Str. 30,
25746 Heide
- Beklagter -
hat die 22. Kammer des Sozialgerichts Itzehoe auf die mündliche Verhandlung vom 21. Mai
2012 in Itzehoe durch
den Direktor des Sozialgerichts ,
die ehrenamtliche Richterin ___‚
den ehrenamtlichen Richter
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Gewährung von Hilfe zur Beschaffung eines Kraft-
fahrzeuges sowie einer Betriebskostenpauschale und der Kosten für einen behindertenge-
rechten Umbau des Kfz.
Die jetzt 61-jährige Klägerin ist schwerbehindert. Ein GdB von 100 ist festgestellt mit den
Merkzeichen G, aG sowie RF. Die Klägerin leidet an einem Zustand nach Kompressionsfrak-
tur des Lendenwirbelkörpers 1 mit inkompletter Querschnittslähmung sowie Folgezustand
nach Schlaganfall mit Hemiparese rechts.
Am 4. Juni 2008 beantragte sie die Kostenübernahme für die Neuanschaffung eines Kraft-
fahrzeuges. Die Klägerin hatte vorher in Bezirk Oberbayern gewohnt und von dort Kfz-Hilfe
erhalten. Bei ihrem alten Kraftfahrzeug überstiegen die Reparaturkosten den Restwert. Der
Umzug nach Schleswig-Holstein erfolgte aus gesundheitlichen Gründen. Die Klägerin war im
Zeitpunkt der Antragstellung verheiratet, ihr Ehemann verstarb jedoch Anfang 2012. Damals
bezog die Klägerin eine Erwerbsminderungsrente in Höhe von ca. 660,00 €, ihr Ehemann
eine Altersrente in Höhe von ca. 850,00 €. Von den drei Kindern lebte bei Antragstellung
noch eine Tochter bei der Klägerin im Haushalt. Für diese erhielt die Klägerin Kindergeld.
Der Ehemann der Klägerin war herzkrank, die Eheleute hatten ein Einfamilienhaus gemietet.
Die Kaltmiete betrug dafür 800,00 €. Die Tochter bezog Arbeitslosengeld II in Höhe von
416,40 € monatlich.
Zur Antragsbegründung führte die Klägerin aus, das Kraftfahrzeug werde für regelmäßige
Fahrten zur Krankengymnastik nach ____‚ zum Schwimmen nach ins Hal-
lenbad, insgesamt dreimal wöchentlich, ansonsten für Einkäufe, Arztbesuche, Besuch der
Selbsthilfegruppe, Fahrten ans Meer wegen der Lungenerkrankung der Klägerin sowie Fahr-
ten des Ehemannes zur Herzbehandlung benötigt. Die Entfernung zu der nächsten Bushal-
testelle betrage drei Kilometer. Bei der Bahn seien unüberwindbare Hindernisse zum Bahn-
steig vorhanden, außerdem sei der Bus nicht rollstuhlgerecht. Die Klägerin habe keine Mög-
lichkeit einer Taxibenutzung am Ort.
Die Klägerin legte verschiedene Neuwagenangebote vor. Da der alte Wagen der Klägerin
jedoch nicht mehr die TÜV-Untersuchung bestand, behalf sich die Klägerin mit dem Polo der
Tochter, für den der Bezirk Oberbayern bis 31. Dezember 2008 die Betriebskosten über-
nahm. Dieser Polo wurde provisorisch für die Klägerin umgerüstet.
- 3 -
Der Beklagte holte eine Stellungnahme des Fachdienstes Gesundheit vom 25. November
2008 ein, der begutachtende befürwortete die Gewährung einer Kfz-Hilfe.
Nach Anhörung lehnte der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 16. März 2009 ab. Zur
Beschaffung des Kfz führte der Beklagte aus, eine Kfz-Hilfe werde in angemessenem Um-
fang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art oder Schwere seiner Behinderung
insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung eines Kfz angewiesen sei. Da
die Klägerin nicht Arbeitnehmerin sei, müssten vergleichbar gewichtige Gründe vorliegen.
Dabei müsse die Notwendigkeit für ein Kfz ständig bestehen und nicht nur vereinzelt oder
gelegentlich. Nach 5 2 SGB XII erhalte Sozialhilfe nicht, wer sich selbst helfen könne oder
Hilfe von anderen erhalte. Bezüglich der Fahrt zu Ärzten sei die Krankenkasse vorrangiger
Leistungsträger, die Klägerin erfülle die Voraussetzungen für eine Fahrkostenübernahme
wegen des zuerkannten Merkzeichens „aG“. Einkäufe, Behördengänge sowie Besorgungen
könnten von der Tochter erledigt werden. Die Fahrten zum Schwimmen, zur Selbsthilfegrup-
pe und ans Meer begründeten kein ständiges Angewiesensein auf ein Kfz. Außerdem habe
die Klägerin den Polo der Tochter zur Verfügung, dieser habe noch zwei Jahre TÜV.
Hinsichtlich der Betriebskostenpauschale führte der Beklagte aus, die Vorhaltung und der
Betrieb eines Kfz an sich gehörten nicht zu den allgemeinen sozialhilferechtlich anerkannten
Bedarfen. Ein behinderungsbedingter Basisausgleich sei zu Lasten der Gesetzlichen Kran-
kenversicherung sicher zu stellen.
Mit ihrem Widerspruch vom 15. April 2009 machte die Klägerin geltend, sie sei auch für eine
Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit für „ ____“ auf das Kfz angewiesen. Die Entfernung
nach ____betrage 11 km. Sie helfe dort 12 Stunden in der Woche dienstags und freitags
bei der Lebensmittel-Verteilung an Bedürftige und übe Bürotätigkeiten aus. Ein Ausbau die-
ser Tätigkeit auf drei bis vier Tage pro Woche sei angestrebt.
Außerdem nehme sie seit 16 Jahren eine ehrenamtliche Tätigkeit beim
in München als Mitgliedsverwalterin und bei einer
Selbsthilfegruppe in Bayern als Beraterin wahr. Sie müsse einmal monatlich persönlich dort
erscheinen, sie fahre dann mit dem Pkw nach Hamburg-Altona und von dort mit dem Auto-
zug nach München.
Zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gehöre auch die Ausübung einer angemesse-
nen ehrenamtlichen Tätigkeit; sie wolle auch an Fortbildungen teilnehmen, das gehe jedoch
ohne Pkw nicht. Wegen des Umzuges nach Schleswig-Holstein sei es schon zu Einschrän-
kungen der Tätigkeit gekommen, was auch zu gesundheitlichen Problemen geführt habe. Sie
sei im Schützenverein gewesen und wolle dies auch in Schleswig-Holstein. Das sei wegen
- 4 -
der fehlenden Tauglichkeit des Polos für Nachtfahrten und die fehlende Möglichkeit zur Roll-
stuhlmitnahme nicht möglich. Der Polo sie nur provisorisch umgebaut worden und stelle eine
Übergangslösung dar.
Das regelmäßige Schwimmen sei für ihre Gesundheitlich erforderlich und nur mit dem Pkw
zu erreichen, ebenso Konzerte.
Die Entfernung zur nächsten Einkaufsmöglichkeit betrage 2,5 km bzw. wegen ihrer Allergie
benötige sie spezielle Kost, die nur in ___oder zu erhalten sei.
Ihre Tochter lebe nicht im gleichen Haushalt, sie habe kein Auto und arbeitete 30 Stunden in
der Woche in einem 1 €-Job bei
Der Beklagte bot daraufhin am 4. Februar 2010 eine Kfz-Beihilfe unter der Voraussetzung
an, dass keine Aufwandsentschädigungen in Geldmitteln oder in Form eines Autos, welches
zur Verfügung gestellt werde, geleistet würden. Die Klägerin meldete sich auf dieses Ange-
bot nicht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Im Wesentlichen begründete er dies wie seinen Ausgangsbescheid. Außerdem führte er aus,
dass für ehrenamtliche Tätigkeiten in der Regel Aufwandsentschädigungen gezahlt würden
bei unangemessenen Aufwendungen. Keinesfalls könne eine freiwillige ehrenamtliche Tätig-
keit mit einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes gleichgesetzt wer-
den, sondern sei Teil der Freizeitgestaltung.
Gegen den am 17. März 2010 zugestellten Widerspruchsbescheid wendet sich die Klägerin
mit ihrer am 15. April 2010 vor dem Sozialgericht Itzehoe erhobenen Klage. Zur Begründung
wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen. Das Kfz müsse Automatik getrieben und auf links
umgebaut sein. Sie habe 16 Jahre lang die Betriebskostenpauschale und eine Kfz-Hilfe in
Bayern erhalten. Die ehrenamtliche Tätigkeit bei __ bedeute für die Klägerin eine Teilha-
be am Arbeitsleben und gesellschaftliche Eingliederung.
Seit 10. Februar 2010 leide ihr Ehemann auch an einer Niereninsuffizienz und benötige spe-
zielle Lebensmittel, weshalb sie auch deshalb auf einen Pkw angewiesen sei.
Die Tätigkeit beim werde nunmehr ab 1. Oktober 2010 geringfügig
vergütet mit 150,00 € im Monat. Außerdem wolle sie im Kreis Dithmarschen eine Selbsthilfe-
gruppe gründen.
Ihre Tochter habe keinen Führerschein, ihr Sohn lebe nicht im Haus. Ihre ehrenamtliche Tä-
tigkeit sei von der Bedeutung für sie gleichzusetzen mit einer Erwerbstätigkeit. Sie erledige
die komplette Buchhaltung für den mit 800 Mitglie-
- 5 -
dern. Die Post müsse täglich auf den Postweg, ihre Tochter könne nicht fahren, ihr Sohn sei
nicht zu Hause, eine Nachbarschaftshilfe sei nicht möglich. Sie fahre mehrmals nach Mün-
chen, ein eigenes Auto sei dort zur Beweglichkeit nötig.
Die Verordnungen von der Krankenkasse seien nicht ausreichend, die Klägerin habe pro
Quartal nur dreimal 6 Stunden Anspruch auf entweder Schwimmen oder Therapie.
Eine Beweglichkeit mit dem ÖPNV sei nicht gegeben, da , und
nicht mit normalem Busverkehr zu erreichen seien.
Anlässlich des Termins zur Untersuchung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen
am 22. September 2011 hat die Klägerin mitgeteilt, seit ca. einer Woche
über ein behindertengerecht ausgestattetes Fahrzeug zu verfügen, das zum größten Teil von
der Franz-Beckenbauer—Stiftung sowie anderen Stiftungen finanziert worden sei. Es handele
sich um einen Gebrauchtwagen Opel Meriva, Baujahr 2005, der für einen Preis von 7.300,00
€ angeschafft worden sei. Nach der von der Klägerin aufgestellten Liste seien 5.000,00 € von
der Beckenbauer-Stiftung, 1.200,00 € von der Mia-Krone-Stiftung und 700,00 € vom Diako-
nischen Werk-Fliege Stiftung beigesteuert worden. Daher seien 400,00 € offen zuzüglich der
Kosten für die Überführung in Höhe von 295,00 €. Außerdem seien Betriebskosten zu tragen
und die Kosten für den noch vorzunehmenden Umbau des Bremskopfes von der rechten
Seite des Lenkrades zur linken Seite.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21. Mai 2012 hat die Klägerin ihr tatsächliches
Vorbringen ergänzt. Hierzu wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 16. März 2009 in der Fassung des Widerspruchs-
bescheides vom 12. März 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr
695,00 € für die Anschaffung des behindertengerechten Kraftfahrzeugs Opel Meriva,
Baujahr 2005, zu erstatten sowie die Betriebskosten für dieses Fahrzeug und die
Kosten für den Umbau des Bremskopfes von der rechten Seite des Lenkrades zur
linken zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
- 6 -
Zur Begründung bezieht er sich auf seinen Widerspruchsbescheid und trägt nach Vorlage
des Gutachtens vom Sachverständigen vor, dass die Versorgung des Ehemannes durch die
Kranken- bzw. Pflegekasse sicherzustellen sei. Für den Arztbesuch bzw. die Krankengym-
nastik sei ebenfalls die Krankenkasse zuständig. Die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätig-
keit sei nicht einer Eingliederung in Arbeit gleichzusetzen. Die Büroarbeit für den
könne von zu Hause erledigt werden, dafür sei ein Kfz nicht nötig. Die
Post könnte von Nachbarn bzw. von der Familie weggebracht werden. Die Anwesenheit in
München dreimal im Jahr begründe kein Angewiesensein auf das Kfz. Außerdem sei es nicht
angemessen, weiter für Fahrten nach München aufzukommen, nachdem die Klägerin nun-
mehr vier Jahre in Schleswig-Holstein lebe.
Eine Teilhabe am Arbeitsleben finde durch die Klägerin nicht statt, da diese eine Er-
werbsminderungsrente beziehe.
Die Besuche des Schwimmbades dienten der medizinischen Rehabilitation. Wenn die Ver-
ordnungen nicht ausreichend seien, müsse die Krankenkasse weitere Leistungen prüfen.
Die Maßnahmen zur Abwendung der psychischen Erkrankungen fielen in den medizinischen
Bereich.
Die weiter geltend gemachten sportlichen Aktivitäten gingen über das übliche Maß nicht be-
hinderter Menschen hinaus, die aus wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen nicht über ein
eigenes Fahrzeug verfügten.
Konzerte und Kurse an der Volkshochschule würden nur gelegentlich besucht und begründe-
ten kein ständiges Angewiesensein auf ein Kfz.
Insgesamt seien nur Fahrten anzuerkennen, wie sie auch bei nicht Behinderten üblich wä-
ren. Das seien durchschnittlich 2 % Fahrten wöchentlich, was nicht mit der Häufigkeit ver-
gleichbar sei, in der ein Fahrzeug für die Teilhabe am Arbeitsleben nötig wäre.
Außerdem sei der Klägerin die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
Schließlich seien einige Beweisfragen von dem medizinischen Sachverständigen gar nicht
zu beantworten und deshalb ein ungeeignetes Beweismittel.
Die Kammer hat zur weiteren Sachaufklärung Beweis erhoben durch Einholung eines medi-
zinischen Sachverständigengutachtens vom Arzt für Chirurgie und Verkehrsmedizin
vom 14.11.2011 zur Notwendigkeit der Versorgung der Klägerin mit einem
Kraftfahrzeug. Hinsichtlich des Inhalts des Gutachtens wird auf Bl. 34 bis 107 der Gerichts-
akte verwiesen.
Die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte des Beklagten hat vorgelegen. Außerdem hat
die Kammer die Gerichtsakte des Verfahrens S 22 SO 42/10 ER beigezogen. Diese Akten
- 7 -
sowie der Inhalt der Gerichtsakte sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 21.
Mai 2012 gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Übernahme des restlichen Kauf-
preises sowie der Überführungs- und Umbaukosten als Kfz-Hilfe sowie auf einen Betriebs-
kostenzuschuss.
Ein solcher Anspruch würde sich ergeben aus den §§ 53 Abs. 1 Satz, 54 Abs. 1 Satz 1, 60
SGB XII i. V. m. § 8 Abs. 1 der Eingliederungshilfeverordnung (EGHVO) sowie § 10 Abs. 6
EGHVO. Nach § 53 Abs. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne
von § 2 Abs. 2 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) wesentlich in ihrer
Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentli-
chen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach
den Besonderheiten des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung,
Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach § 54
Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe u. a. diejenigen nach den
§§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX. Nach § 8 Abs. 1 EGHVO gilt die Hilfe zur Beschaffung eines
Kraftfahrzeuges als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Teilhabe am Leben in der
Gemeinschaft im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i. V. m. den §§ 33 und 55 SGB IX.
Sie wird in angemessenem Umfang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art oder
Schwere seiner Behinderung insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung
eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist; bei Teilhabe am Arbeitsleben findet die Kraftfahr-
zeughilfe-Verordnung Anwendung. Nach § 10 Abs. 6 EGHVO kann als Versorgung Hilfe in
angemessenem Umfange u. a. auch durch Übernahme von Betriebskosten eines Kraftfahr-
zeuges gewährt werden, wenn der behinderte Mensch wegen seiner Behinderung auf die
regelmäßige Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist oder angewiesen sein wird.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Sowohl § 8 Abs. 1 als auch 5 10 Abs. 6 EGHVO setzen übereinstimmend voraus, dass der
behinderte Mensch auf das Kfz angewiesen ist. Die Klägerin ist jedoch nicht auf die Benut-
zung eines Kfz angewiesen, insbesondere nicht zur Teilhabe am Arbeitsleben.
- 8 -
Unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) hat das Bundesverwaltungsgericht
(BVerwG) mit Urteil vom 20. Juli 2000 (5 C 43/99) ausgeführt, dass das Primat dieser Leis-
tung bei der Teilhabe am Arbeitsleben liegt bzw. einer vergleichbar „gewichtigen“ Zielset—
zung. Dies verdeutlicht das Regelbeispiel in § 8 Abs. 1 Satz 2 EGHVO, wonach der behin-
derte Mensch „insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben“ auf die Benutzung eines Kfz
angewiesen sein muss. Aus dieser Orientierung an der Teilhabe am Arbeitsleben folgt, dass
der behinderte Mensch regelmäßig wie bei einer (vor allem vollschichtigen) Tätigkeit erfor-
derlich, auf das Kfz angewiesen sein muss. Dies ist nur dann zu bejahen, wenn aus den gel-
tend gemachten Gründen eine ständige oder jedenfalls regelmäßige, d. h. tägliche oder fast
tägliche Benutzung des Kraftfahrzeuges erforderlich ist (vgl. BVerwG, a. a. 0.). Ausge-
schlossen ist die Kraftfahrzeughilfe daher bei einer nur gelegentlichen Inanspruchnahme,
weil dies nicht mit dem „Normalfall“ vergleichbar ist, den die Gesetzgebung vor Augen hatte,
nämlich mit dem Angewiesensein auf ein Kfz, um am Arbeitsleben teilhaben zu können.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Klägerin keinen Anspruch auf Übernahme
der restlichen Anschaffungskosten, des behinderungsgerechten Umbaus sowie der Be-
triebskosten. Denn sie bezieht eine Rente wegen Erwerbsminderung und nimmt damit nicht
mehr am Erwerbsleben teil. Mit der Teilhabe am Arbeitsleben vergleichbare gewichtige
Gründe sind nicht gegeben. Eine ehrenamtliche Tätigkeit, die von der Klägerin in verschie-
dener Art und Weise ausgeübt wird, ist der Erwerbstätigkeit nicht gleichzusetzen. Dem
SGB Xll ist nicht der Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, dass ehrenamtliche Tätigkeiten
behinderter Menschen durch Übernahme der Kosten eines behindertengerechten Kfz (bzw.
seines entsprechenden Umbaus) — mittelbar — zu fördern. Wäre dem so, müssten alle Tätig-
keiten, die dem Gemeinwohl dienen, an dieser Förderung teilhaben. Eine solche Zielsetzung
ist dem SGB XII nicht zu entnehmen. Die Regelung des § 1 Satz 1 SGB Xll verdeutlicht
vielmehr, dass Ziel des SGB XII ist, die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Wür-
de des Menschen entspricht (vgl. zu allem LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil
vom 15. September 2011, L 9 SO 40/09, in: Juris Rn. 54).
Fahrtkosten zu ambulanten Behandlungen sind von vornherein nicht zu berücksichtigen,
soweit diese von der Krankenkasse nach Maßgabe der entsprechenden Richtlinien gemäß
§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V zu übernehmen sind; diese Übernahme hat die Kranken-
kasse der Klägerin gegenüber nach ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung
auch erklärt.
- 9 -
Die von der Klägerin geltend gemachten Fahrten zu Einkäufen unterfallen ebenfalls nicht
dem Bedarf der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Sinne der §§ 54 Abs. 1 Satz 1
SGB Xll, 55 Abs. 2 Nr. 7, 58 SGB IX. Hier ist die Klägerin auf die Bedarfsdeckung durch an-
dere Träger der Sozialleistungen zu verweisen. So ist durch die Krankenkasse die Leistung
einer Haushaltshilfe denkbar. Anhaltspunkte dafür, dass diese Leistung für die Sicherstellung
der erforderlichen Einkäufe nicht ausreicht, sind nicht ersichtlich.
Die übrigen geltend gemachten Fahrten zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, näm-
lich Fahrten zu Konzerten, zu Kursen an der Volkshochschule sowie zu sportlichen Aktivitä-
ten begründen kein ständiges Angewiesensein auf ein Kfz. Denn Fahrten zu Konzerten und
zur VHS finden nicht regelmäßig statt, die Fahrten zum Schwimmen bei nicht behinderten
Menschen üblicherweise einmal die Woche, nur ausnahmsweise dreimal die Woche. Selbst
wenn man von einer Nutzung dreimal die Woche ausgehen würde, ist dies nicht einem Um-
fang der Nutzung des Kfz vergleichbar, wie er im Falle der Ermöglichung einer Ausübung
einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich wäre.
Im Übrigen könnte nur dann eine Kfz-Hilfe gewährt werden, wenn die erforderliche Mobilität
in zumutbarer Weise nicht durch andere Hilfen (z. B. durch die Benutzung eines Rollstuhls
oder öffentlicher Verkehrsmittel) oder in sonstiger Weise wie Krankentransport, Mietauto,
Taxi sichergestellt ist. Die Klägerin hat dazu vorgetragen, dass der Bus nicht rollstuhlgerecht
sei und außerdem nicht ausreichend Verkehre. Dies ist jedoch nicht nachvollziehbar, wie
eine Internetrecherche bei der Autokraft GmbH in ___ergibt. Demnach fährt die Linie
2507 zwischen , und . Dass die meisten Verbin-
dungen nur an Schultagen stattfinden, macht diese noch nicht zu Schulbusfahrten, die den
anderen Fahrgästen nicht zugänglich wären. Die Linie 2509 verkehrt zwischen
und . Auch hier fahren die Busse zu einigen Zeiten nur an Schul-
tagen, jedoch ansonsten auch außerhalb der Schulzeit. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass
diese Busse nicht für behinderte Menschen zu nutzen wären.
Nach alledem ist die Klägerin nicht auf ein Kraftfahrzeug angewiesen. Daran ändert auch
das vom Gericht eingeholte Gutachten von nichts. Denn dieser hat lediglich
aus seiner medizinischen Sicht die Notwendigkeit einer Kfz-Nutzung für die Klägerin beur-
teilt. Dies ersetzt nicht die von der Kammer vorzunehmende rechtliche Würdigung, wann
eine Kfz-Nutzung im Rahmen der Eingliederungshilfe vom Beklagten zu erbringen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
- 10 -
Rechtsmittelbelehrung
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem
Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgericht
Gottorfstr. 2
24837 Schleswig
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Frist beträgt bei einer Zustellung im Ausland drei Monate.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem
Sozialgericht Itzehoe
Bergstraße 3
25524 Itzehoe
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen.
Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begrün-
dung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Auf Antrag kann vom Sozialgericht durch Beschluss die Revision zum Bundessozialgericht zugelas-
sen werden, wenn der Gegner schriftlich zustimmt. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist inner-
halb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Itzehoe schriftlich zu stellen. Die
Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit
der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf
Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des
Gegners beigefügt war.
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SG K, S 22 AS 6/05 ER vom 16.02.2005, Sozialgericht Köln
anselmf
SOZIALGERICHT KÖLN
Urschrift
Az.: S 22 AS 6/05 ER
Beschluss
In dem Rechtsstreit
Antragsstellerin
gegen
EU-aktiv - Arbeitsgemeinschaft Grundsicherung für Arbeitssuchende-,
vertreten durch die Geschäftsführerin
Jülicher Ring 32, 53879 Euskirchen,
Antragsgegnerin
hat die 22. Kammer des Sozialgerichts Köln durch den Vorsitzenden, Richter am Sozi-
algericht R., am 16.02.2005 ohne mündliche Verhandlung beschlossen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 24.01.2005 wird zu-
rückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
- 2 -
Gründe:
Der Antrag,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, Kos-
ten für Fahrten der Antragsstellerin zur ärztlichen Untersuchungen zu über-
nehmen,
ist unbegründet.
Eine einstweilige Anordnung kann - nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG - nur ergehen,
wenn der Rechtschutzbegehrende glaubhaft macht, dass ihm der geltend gemachte
materielle Rechtsanspruch auf Gewährung der begehrten Leistung zusteht (Anord-
nungsanspruch) und es der sofortigen Durchsetzung seines Anspruches zur Beseiti-
gung einer gegenwärtigen Notlage im Wege der gerichtlichen Entscheidung bedarf,
weil ihm anderenfalls unzumutbare Nachteile entstünden (Anordnungsgrund).
lm vorliegenden Falle fehlt es am Anordnungsanspruch.
Wie auch die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 15.02.2005, auf den analog §
136 Abs. 2 und 3 SGG Bezug genommen wird, nicht verkennt, bestehen keinerlei
Zweifel an der Notwendigkeit ärztlicher Untersuchungen zur Abklärung des Gesamt-
umfanges der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Antragsstellerin. Zur Über-
nahme der für die Wahrnehmung der entsprechenden - noch zu vereinbarenden -
ärztlichen Termine anfallenden Kosten durch die Antragsgegnerin bietet das SGB ll
indes keine Handhabe. Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 a SGB V ist die Antragsstellerin als
Empfängerin von Arbeitslosengeld ll in der Krankenversicherung pflichtversichert.
Der Umfang dieser Versicherung erstreckt sich grundsätzlich auch auf Kosten, die
durch die Wahrnehmung ärztlicher Termine notwendigerweise anfallen. Gegenüber
ihrem Krankenversicherungsträger, nicht aber gegenüber der Antragsgegnerin hat
die Antragsstellerin ihr Begehren daher geltend zu machen. Insbesondere greift auch
die Mehrbedarfsregelung nicht zu ihren Gunsten: Zum einen trifft keine der in § 21
Abs. 2 bis 5 SGB ll genannten Fallgestaltungen auf die Antragsstellerin zu. Zum an-
- 3 -
deren bezieht sich § 21 SGB ll nur auf die Erhöhung von Regelleistungen, nicht aber
die im konkreten Falle im Zusammenhange mit einer Krankenbehandlung entstehen-
den Kosten. § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB ll schließlich erfasst nur unabweisbaren Bedarf
zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Zur Bestreitung ihres Unterhaltes erhalt die
Antragsstellerin Arbeitslosengeld Il.
Dem Begehren musste nach allem der Erfolg versagt bleiben.
Die Kostenentscheidung ergeht analog §§ 183,193 SGG.
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SG MD, S 19 AS 3294/13 RG vom 25.10.2013, Sozialgericht Magdeburg
anselmf
Sozialgericht Magdeburg
S 19 AS 3294/13 RG
Aktenzeichen
BESCHLUSS
in dem Rechtsstreit
- Antragsteller —-
gegen
Kommunale Beschäftigungsagentur Jobcenter Landkreis H.‚
— Antragsgegnerin —
hat die 19. Kammer des Sozialgerichts Magdeburg am 25. Oktober 2013 durch die Vorsit—
zende Richterin Dr. B. beschlossen:
Die Gegenvorstellung gegen den Beschluss vom 16. September 2013 wird als unzulässig
zurückgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe:
l.
Die erkennende Kammer lehnte in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unter
dem Aktenzeichen S 19 AS 2594/13 ER den Antrag des Antragstellers auf Übernahme von
„Dokumentenkosten“ für die Erstellung eines Personalausweises insbesondere die Kosten
für Passbilder sowie die Kosten i.V.m. dem Behandlungsschein bei fehlender Gesundheits—
karte der Krankenkasse ab.
Am 23 September 2013 hat der Antragssteller „Gegenvorstellung zum nicht anfechtbaren
Beschluss“ beim Sozialgericht Magdeburg eingereichte Er hat dabei die fehlende Bezifferung
der untersten Grenze des soziokulturellen Existenzminimums und dessen Nichtgewährleis—
tung gerügt. Dies widerspreche der Garantie nach Art. 1, 3, 20 Grundgesetz (GG).
Der Antragsteller beantragt wörtlich,
1. Eine Bezifferung der untersten Grenze des mSKEM (soziokulturellen Existenzminimums
nach der Definition: 1 BvL 1/09 vom 9.2.2010 u.a.) erfolgte bisher nicht, es ist daher eine
Bezifferung vorzunehmen.
2. Die Anwendung einer Bagatellgrenze selbst ist system-, verfassungswidrig und führt
regelmäßig zu einer fortlaufenden kumulativen Unterdeckung und ist daher als rechtswidrig.
3. Eine Verweisung ist unzulässig (SGB II —- Verweisung auf nicht systematische Ansparbe—
trag).
Anonymisierte Fassung
4. Eine Folgenabwägung ist nicht erkennbar. der iandkreiseigene Regelbetrag entspricht
nicht dem bundesdeutschen Regelbetrag und ist daher als rechtswidrig einzustufen.
Die Antragsgegnerin stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten im anhängigen
Verfahren der Gegenvorstellung sowie im Verfahren S 19 AS 2594/13 ER verwiesen.
II.
Die Gegenvorstellung des Antragstellers wird als unzulässig zurückgewiesen.
Offen kann bleiben, ob nach der Einführung des Rechtsbehelfs der Anhörungsrüge eine
Gegenvorstellung weiterhin grundsätzlich statthaft ist (so Bundessozialgericht ‚
Beschluss vom 19. Januar 2010 —-— B 11 AL 13/09 C juris). Ihre Zulässigkeit setzt die Rüge
groben prozessuales Unrechts voraus. Insbesondere durch eine Verletzung von Verfahrens-
grundrechten, das im Wege der richterlichen Selbstkontrolle beseitigt werden muss (BSG,
Beschluss vorn 29. Dezember 2005, B 7a AL 2921/05 B, juris).
Die gerügte unterbliebene Feststellung des soziokulturellen Existenzminimums, die gerügte
Anwendung eines Bagatellbetrags. die gerügte Verweisung auf Ansparbeträge sowie die
gerügte fehlende Folgenabwägung bei bestehender Rechtswidrigkeit des .‚landkreiseigenem
Regelbetrags“ stellt keinen Widerspruch zum Prozessrecht oder eine Verletzung der Verfah-
rensgrundrechte des Antragstellers dar. Der Einwand betrifft allein die Wertung der Kammer
hinsichtlich der entscheidungsrelevanten Tatsachen und Rechtsfragen. Die Gegenvorstel-
lung ist kein prozessuales Mittel, um einen rechtskräftig beendeten Streit fortzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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SG MD, S 19 AS 3265/13 RG vom 25.10.2013, Sozialgericht Magdeburg
anselmf
Sozialgericht Magdeburg
S 19 AS 3265/13 RG
Aktenzeichen
BESCHLUSS
in dem Rechtsstreit
—— Antragsteller ——
gegen
Kommunale Beschäftigungsagentur Jobcenter Landkreis H.
— Antragsgegnerin --
hat. die 19 Kammer des Sozialgerichts Magdeburg am 25. Oktober 2013 durch die Vorsit-
zende Richterin Dr. B. beschlossen:
Die Gegenvorstellung gegen den Beschluss vom 20. September 2013 wird als unzulässig
zurückgewiesen
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe:
l.
Die erkennende Kammer lehnte in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unter
dem Aktenzeichen S 19 AS 2665/13 ER den Antrag des Antragstellers auf Auszahlung
bisher aufgelaufener Kosten bisheriger Meldeaufforderungen und aus dem Vermittlungsbud—
get, Kosten einer Meldeaufforderungen vom 22. August 2013 ab. Ebenfalls lehnte die
erkennende Kammer die Hilfsanträge auf Klärung der zukünftigen Kostenvorschüsse, die
Auszahlung eines Mehrbedarfs sowie die Aussetzung auf Aussetzung des Meldetermins ab.
Am 27. September 2013 hat der Antragssteller „Gegenvorstellung zum nicht anfechtbaren
Beschluss“ beim Sozialgericht Magdeburg eingereicht, Er hat dabei die fehlende Bezifferung
der untersten Grenze des soziokulturellen Existenzminimums und dessen Nichtgewährleis—
tung gerügt. Dies widerspreche der Garantie nach Art. 1, 3, 20 Grundgesetz (GG).
Der Antragsteller beantragt wörtlich,
1. Eine Bezifferung der untersten Grenze des mSKEM (soziokulturellen Existenzminimums
nach der Definition: 1 Bvl 1/09 vom 9.2.2010 u.a.) erfolgte bisher nicht, es daher eine
Bezifferung vorzunehmen
2. Eine Folgeabwägung bei der Wiederholungsgefahr ist nicht erkennbar, der landkreiseige—
ne Regelbedarf entspricht nicht dem bundesdeutschen Regelbedarf und ist daher als
rechtswidrig einzustufen.
Anonymisierte Fassung
3. Ein Maßstab und ein Maßstab für die Angemessenheit ist nicht vorhanden. Es ist damit
Willkürlichkeit auszugehen
Die Antragsgegnerin stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten im anhängigen
Verfahren der Gegenvorstellung sowie im Verfahren S 19 AS 2665/13 ER verwiesen.
ii.
Die Gegenvorstellung des Antragstellers wird als unzulässig zurückgewiesen.
Offen kann bleiben, ob nach der Einführung des Rechtsbehelfs der Anhörungsrüge eine
Gegenvorstellung weiterhin grundsätzlich statthaft ist (so Bundessozialgericht ‚
Beschluss vom 19. Januar 2010 — B 11 AL 13/09 C, juris). Ihre Zulässigkeit setzt die Rüge
groben prozessuales Unrechts voraus. Insbesondere durch eine Verletzung von Verfahrens—
grundrechten das im Wege der richterlichen Selbstkontrolle beseitigt werden muss (BSG,
Beschluss vom 29. Dezember 2005. B 7a AL 2921/05 B. juris).
Die gerügte unterbliebene Feststellung des soziokulturellen Existenzminimums, die gerügte
fehlende Folgenabwägung bei Bestehen einer Wiederholungsgefahr, die fehlende Feststel—
iung der Rechtswidrigkeit des „landkreiseigenem Regelbetrags“ sowie das Fehlen eines
Maßstäbe zur Angemessenheit stellt keinen Widerspruch zum Prozessrecht oder eine
Verletzung der Verfahrensgrundrechte des Antragstellers dar. Der Einwand betrifft allein die
Wertung der Kammer hinsichtlich der entscheidungsrelevanten Tatsachen und Rechtsfra-
gen. Die Gegenvorstellung ist kein prozessuales Mittel. um einen rechtskräftig beendeten
Streit fortzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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SG MD, S 19 AS 2665/13 ER vom 20-09-2013, Sozialgericht Magdeburg
anselmf
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SG MD, S 19 AS 2594/13 ER vom 16.09.2013, Sozialgericht Magdeburg
anselmf
Sozialgericht Magdeburg
S 19 AS 2594/13 ER
Aktenzeichen
BESCHLUSS
in dem Rechtsstreit
- Antragsteller —
gegen
Kommunale Beschäftigungsagentur Jobcenter Landkreis H.,
- Antragsgegnerin -
Die 29. Kammer des Sozialgerichts Magdeburg hat am 16. September 2013 durch die
Richterin Dr. B. als Vorsitzende beschlossen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
I .
Der Antragsteller begehrt im Wesentlichen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die
Übernahme von „Dokumentenkosten“ für die Erstellung eines Personalausweises, insbeson-
dere die Kostenübernahme für Passbilder sowie die Kostenübernahme für die Kosten i.v.m.
dem Behandlungsschein bei fehlender Gesundheitskarte seiner Krankenkasse.
Der am geborene Antragsteller bezieht seit dem 1. Januar 2005 Leistung zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Schreiben vom 12. August 2013 wies ihn das
Bürgeramt der Stadt I. drauf hin. dass er nicht im Besitz eines gültigen Ausweisdokuments
sei bzw. deren Gültigkeit demnächst ablaufen werde. Der Antragsteller wurde aufgefordert,
ein gültiges Personaldokument umgehend beim Bürgeramt zu beantragen. Weiter wurde
darauf hingewiesen dass für die Erstellung eines Personaldokuments biometrietaugliche
Passfotos notwendig seien und die Ausstellung eines Personalausweises eine Gebühr von
28.80 € koste.
Bereits mit Schreiben vom 13. Juli 2012 forderte die Krankenkasse des Antragstellers diesen
auf, für die neue elektronische Gesundheitskarte ein Passbild oder ein bereits vorhandenes
Foto (elektronisch) zu übermitteln. Bereits am 26. September 2012 stellte der jetzige An-
tragsteller erfolglos unter dem Aktenzeichen S 19 AS 4614/12 einen Antrag auf einstweilige
Anordnung der Kostenübernahme für die Erstellung eines Passbilds bzw. die Kostenüber—
nahme zuzüglich der Nebenkosten für die Erstellung und das Hochladen eines solchen
Bildes und die Kostenübernahme für die Kosten in Verbindung mit dem Behandlungsschein
beim Sozialgericht Magdeburg. Eine Beschwerde vor dem Landessozialgericht Sachsen-
Anhalt (Aktenzeichen: L 5 AS 389/13 B ER) blieb ebenfalls erfolglos.
- 2-
Mit Schriftsatz vom 15. August 2013. Eingang beim Sozialgericht Magdeburg am 16. August
2013, stellte der Antragsteller einen Antrag auf einstweilige Anordnung. Dies begründete er
damit, dass bisher die Amtsermittlungsergebnisse zu „Dokumentenkosten“, insbesondere
zum Sozialpass. Gesundheitspass sowie Personalausweisdokumenten fehlen würden. Der
Antragsgegnerin sei bekannt, dass Passbilder nicht im Regelbedarf enthalten seien. Es
stünde noch die Kostenübernahme für die noch notwendige Erstellung von Passbildern für
den Sozial— und Reisepass sowie Bewerbungen aus. Zudem seien noch Nachweis- und
Dokumentationskosten sowie Fahrkosten offen. im Übrigen seien auch die Kosten der
Unterkunft noch streitig. Durch die bisherige Weigerung der Antragsgegnerin diese Kosten
zu begleichen sei das Existenzminimum nicht mehr gewährleistet. insbesondere sei das
Problem der „Dokumentenkosten“ und des fehlerhaften Regelbetrages bisher durch eine
mögliche Darlehensvergabe nicht gelost worden. Es besteht damit weiterhin ein dauerhafter
Systeme, Rechts- und verfassungswidriger Zustand seit dem 1. Januar 2011. im Übrigen
weist der Antragsteller darauf hin, dass im Gesetzentwurf BT-Drs. 17/3404 (S. 64) für die
Änderung des Regelbedarfs stünde:
“Den sonstigen Dienstleistungen werden die neu festgelegten Gebühren von 28,80 €
bezogen auf 10 Jahre für den Personalausweis. die künftig auch hilfebedürftigen Personen
zu entrichten haben. zusätzlich berücksichtigt.“
Der Antragsteller beantragt wörtlich,
1. die Übernahme von Dokumentenkosten aufgrund des Schreibens der Stadt I. zuzüglich
sonstiger Entstehungs- und Verfahrenskosten.
2. Kostenübernahme für Passbilder.
3. Kostenübernahme zuzüglich Nebenkosten für das Hochladen (PC/Kamera/Software,/
Internet/Strom).
4. die Kostenübernahme für die Kosten in Verbindung mit dem Behandlungsschein.
5. Kostenübernahme per Darlehen in Höhe des dreifachen Auffüllbetrags (750,01 € x 3) (1.
Dokumentationskosten zuzüglich, 2. Ausweis—Passbild 3. Gesundheitspass-Passbild, 4.
Sonstige Entstehungs— und Verfahrenskosten).
6. die Auszahlung eines atypischen Mehrbedarfs in Höhe eines eventuell bestehenden
Schadensersatzanspruchs.
7. einen sozialrechtlichen Wiederherstellungsanspruch.
8. die nachträgliche Ausweisung des Ansparbetrages in Euro für Dokumentenkosten in den
laufenden Bescheiden.
Hilfsweise beantragt der Antragsteller wörtlich,
die Aussetzung der Ausweispflicht für den Ansparzeitraum.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag sei bereits unzulässig. Die Kostenübernahme für ein Passbild für die Gesund—
heitskarte bzw. das Hochladen eines Bildes sei bereits in einem anderen Verfahren des
Anonymisierte Fassung
- 3 -
einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt worden. Die Gebühren für den Personalausweis
seien im Regelbedarf enthalten. Bei einer darlehensweisen Gewährung müsse zur Tilgung
des Darlehens sofort mit 10% des Regelbedarfs aufgerechnet werden. Das Darlehen sei
sofort im nächsten Monat getilgt. Der Antragsteller hätte in den letzten Jahren bereits
Ansparungen für den Personalausweis treffen können. Für die Auffüllbeträge bestünde keine
Rechtsgrundlage im SGB II. Die weiteren geltend gemachten Ansprüche könnten nicht
Gegenstand eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird
auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin verwiesen
I. in der Hauptsache geht es dem Antragsteller um den Kostenersatz für die Gebühren des
Personalausweises (Hauptantrag zu 1.) sowie der Kostenersatz für die Erstellung von
Passfotos (Hauptantrag zu 2.). Der Hauptantrag zu 2 ist zu den Anträgen zu 3. und 4. nach
der Auslegung durch das Gericht im Verhältnis Haupt— und Hilfsantrag gestellt. Im Antrag zu
3. macht der Antragsteller hilfsweise die Kosten der Erstellung von Passfotos mit eigener
Kamera und der elektronischen Übertragung an die Krankenkasse für die Gesundheitskarte
geltend. Ebenfalls hilfsweise beantragt dieser im Antrag zu 4. die Kostenübernahme für
Kosten in Verbindung mit dem Behandlungsschein. Die Anträge zu 5 bis 8 sind als Hauptan—
träge auszulegen. Ausdrücklich hilfsweise beantragt der Antragsteller die Aussetzung der
Ausweispflicht.
2. Die Hauptanträge zu 1. und 2. sind zulässig aber unbegründet.
Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache
auf Antrag eine einstweilige Anordnung auf den Streitgegenstand treffen. wenn die Gefahr
besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines
Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige
Anordnungen sind nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen
Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung
zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies ist etwa dann der Fall, wenn
dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders
abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache
nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG. Beschluss vom 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, Rn. 5 ff).
Nach § 86 b Abs. 3 SGG ist der Antrag schon vor Klageerhebung zulässig. Eine solche
Regelungsanordnung begehrt der Antragsteller. soweit er von der Antragsgegnerin Leistun—
gen erhalten möchte.
Eine Regelungsanordnung kann das Gericht erlassen. wenn der Antragsteller glaubhaft
macht (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO)).
dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsan—
spruch) und dass der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche
Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Voraussetzung für die Gewährung einstweili—
gen Rechtsschutzes ist damit das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anord—
nungsgrundes. wobei der Anordnungsanspruch den materiellen Anspruch auf die Regelung
an sich beinhaltet und der Anordnungsgrund ein besonderes Eilbedürfnis, also die Dringlich
keit der begehrten Regelung für den Antragsteller voraussetzt.
Bei der Beurteilung sind hierbei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt
der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich.
Ein Anordnungsanspruch wurde nicht glaubhaft gemacht.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Übernahme der Gebühren für die Ausstellung
eines neuen Personalausweises sowie der Kosten für das Anfertigen der dazu erforderlichen
- 4 -
biometrischen Fotos als Zuschuss. Es fehlt an einer Anspruchsgrundlage für dieses Begeh—
ren (so auch: LSG Baden—Württemberg, Urteil vom 21.10.2011 —— L 12 AS 2597/11 — juris).
Grundsätzlich hat der Leistungsberechtigte seinen Bedarf zur Sicherung des Lebensunter-
halts durch den Regelbedarf des § 20 Zweites Sozialgesetzbuch (SGB ll) zu decken. Der
Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst nach § 20 Abs. 1 SGB II insbe—
sondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die
Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnis-
se des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in
vertretbarem Umfang die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft.
Die mit der Erstellung eines Personaldokuments verbundenen Kosten sind im Regelbedarf
enthalten (so die Begründung der Gesetzentwurfs BT-Drs. 17/3404, S. 64), auf die der
Antragsteller ausdrücklich verweist. Dem Gericht ist es nicht möglich, abweichend vom
pauschalierten Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II Leistun-
gen festzusetzen (vgl. beispielsweise BSG, Urteile vorn 10. Mai 2011 4 B 4 AS 11/10 B -:
vom 28. Oktober 2009 - B 14 AS 44/08 R —: vom 19. August 2010 — B 14 AS 47/09 R —
jeweils zitiert nach juris). Kann ein notwendiger Bedarf durch den Regelbedarf tatsächlich
nicht gedeckt werden, soll der Hilfebedürftige zunächst den „Ansparbetrag“ einsetzen. Nur
wenn ihm das nicht gelingt. kommt eine darlehensweise Bewilligung nach § 24 Abs. 1 SGB II
in Betracht.
Auch abweichend vom Regelbedarf fehlt es in der Systematik des SGB II an einer An—
spruchsgrundlage für die begehrte Übernahme der Kosten für den Personalausweis und des
Reisepasses. Es handelt sich bei den Aufwendung für den Personalausweis und den
Reisepass sowie die damit zusammenhängenden Kosten für biometrische Fotos weder um
einen Mehrbedarf, der in § 21 SGB II gesondert normiert ist, noch um Sonderbedarfe nach §
24 Abs. 3 SGB II.
Es liegen auch die Voraussetzungen des § 21 Abs. 6 SGB II nicht vor, wonach bei Leis-
tungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt wird. wenn im Einzelfall ein unabweisbarer,
laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Hintergrund dieser mit Wirkung
zum 08. Juni 20t0 gesetzlich normierte Härtefallregelung ist das Urteil des Bundesverfas-
sungsgericht vom 09. Februar 2010 (1 BvL 1/09. 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09 —). ln diesem
monierte das Bundesverfassungsgericht, dass in der Systematik des SGB II eine Regelung
nicht enthalten sei, nach der es einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung eines zur
Deckung eines menschenwürdigen Existenzminimums unabweisbaren. laufenden, nicht nur
einmaligen, besonderen Bedarf gäbe. Durch den Bezug auf einen laufenden und nicht nur
einmaligen besonderen Bedarf wird der Mehrbedarf nah § 21 Abs. 6 SGB II von dem
Darlehen für unabweisbare Bedarfe nach § 24 Abs. 1 SGB II abgegrenzt (LSG Baden
Württemberg, Urteil vom 21.10.2011 -—- L 12 AS 2597/11 —— juris). Auch das Bundesverfas-
sungsgericht ist davon ausgegangen, dass nur einmalig auftretenden Bedarfsspitzen über
die Darlehensregelung erfasst werden können.
Von einem einmaligen Bedarf ist auszugehen, wenn der besondere Bedarf im Bewilligungs—
abschnitt nicht nur einmal, sondern bei prognostischer Betrachtung mehrfach auftritt (so
bspw. Behrend in jurisPK - SGB II, § 21 RdNr. 81). Dies ist dann anzunehmen, wenn der
Bedarf absehbar wiederholt in einem zeitlich vom Zeitpunkt der Beurteilung her abschätzba—
ren Zeitraum von ca. 1 — 2 Jahren anfällt (so z.B. Münder in LPK — SGB II, 4. Aufl. 2011, § 21
RdNr. 42). Bei einem einmaligen Bedarf handelt es sich nicht um einen Härtefall in diesem
Sinne (so auch: Sauer in derselbe, SGB II, 1. Aufl. 2011, § 21 RdNr. 84). Bei den Kosten für
die Erstellung eines Personalausweises und die biometrischen Passbilder handelt es sich
um keinen laufenden, in einem überschaubaren Zeitraum wiederkehrenden, sondern um
einen einmaligen Bedarf anlässlich der Ausstellung eines Personalausweises und eines
Reisepasses (LSG Baden—Württemberg, Urteil vom 21.10.2011 — L 12 AS 2597/11 — juris).
Mit einem erneuten Bedarf ist erst nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Personalausweises,
die 10 Jahre beträgt, zu rechnen.
- 5 -
Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung eines gegebenenfalls
rückzahlungsfreien Darlehens nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB
II erbringt der Leistungsträger nach dem SGB II bei entsprechendem Nachweis den Bedarf
als Sachleistung oder Geldleistung und gewährt der oder dem Leistungsberechtigten ein
entsprechendes Darlehen, wenn im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des
Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt
werden kann. Das Darlehen wird ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatli—
che Aufrechnungen in Höhe von 10 % des maßgebenden Regelbedarfs getilgt (§ 42a Abs. 2
Satz 1 SGB II). Weitergehende Leistungen sind ausgeschlossen (§ 24 Abs. 1 Satz 8 SGB II).
Für die Gewährung einer von vornherein rückzahlungsfreien Darlehensleistung fehlt es im
SGB II an einer Rechtsgrundlage (vgl. beispielsweise BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 in B 4 AS
11/10 R -).
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus § 1 Abs. 6 Personalausweisgebühren—verordnung
vom 1. November 2010, wonach die Gebühr für die Ausstellung eines Personalausweises
ermäßigt oder von ihrer Erhebung abgesehen werden kann, wenn die Person, die die
Gebühr schuldet, bedürftig ist. Denn für die Entscheidung über die Gebührenermäßigung
bzw. das Absehen von der Gebührenerhebung sind die Personalausweisbehörden zuständig
(§ 7 Abs. 1 Personalausweisgesetz).
Es bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Gebühren für die
Ausstellung eines Personalausweises und eines Reisepasses sowie die Kosten für die
Anfertigung biometrischer Fotos nicht nach den Vorschriften des SGB II gesondert über-
nommen werden können, sodass kein Anlass für eine Vorlage gemäß Art. 100 Grundgesetz
an das Bundesverfassungsgericht besteht.
3. Die hilfsweise geltend gemachten Anträge auf Kostenübernahme zuzüglich Nebenkosten
für das Hochladen (Antrag zu 3.) sowie die Kostenübernahme in Verbindung mit dem
Behandlungsschein (Antrag zu 4.) sind bereits unzulässig. Hier fehlt es am Rechtsschutzbe-
dürfnis. Entstehende Kosten sind weder vorgetragen noch der Kammer ersichtlich.
4. Der Antrag zu 5. ist zwar zulässig, aber unbegründet. Ein Anordnungsanspruch für die
Kostenübernahme per Darlehen in Höhe eines dreifachen Auffüllbetrags liegt nicht vor. Ein
Auffüllbetrag ist in der Systematik des SGB II nicht vorgesehen. Inwieweit die Summe von
jeweils 750,01 € als einmalige Bedarfsspitze im Rahmen des § 24 Abs. 1 SGB II über den
Betrag der Gebühr für den Ausweis hinausgeht, herzuleiten ist, ist der Kammer nicht ersicht—
lich und auch nicht vorgetragen. Insofern fehlt die Rechtsgrundlage für den in der Höhe von
750,01 € vom Antragssteller geltend gemachten Anspruch.
Die mit diesem Betrag wohl auch geltend gemachte darlehensweise Bewilligung der Gebühr
für den Personalausweis in Höhe von 28,80 € kann vom Antragsteller von der aus der
Regelleistung gezahlt werden, insofern fehlt es am unabweisbaren Bedarf der Bewilligung
nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Es ist nicht vorgetragen und für das Gericht auch nicht
ersichtlich, dass der Betrag nicht vom ausgezahlten Regelbedarf getragen werden kann. Im
Übrigen fehlt es auch an einem Anordnungsgrund, da die regelmäßig anzusetzende Baga-
tellgrenze bei einmalig zu zahlenden Beträgen nicht erreicht wird (vgl. dazu LSG Sachsen-
Anhalt Beschluss vom 30.03.2009 — L 5 B 121/08 ER — juris). Die Grenze ergibt sich aus der
Heranziehung der für ein solches Darlehen vorgesehenen Tilgung in Raten durch monatliche
Aufrechnung von bis zu 10% der Regelleistung (nunmehr 38,20 €) als generellen Rahmen.
Dieser Betrag ist hier nicht überschritten. Daran ändert auch nichts, dass der Antragsteller
bereits ein Darlehen in Höhe von 34,70 € monatlich zurückzahlt, da mit der Wertung von §
43 Abs. 2 SGB II sogar eine Aufrechnung bis 30 % möglich ist. Hier ist keine existenzielle,
das heißt akute wirtschaftliche Notlage glaubhaft gemacht, der mit Mitteln des gerichtlichen
Eilrechtschutzes begegnet werden müsste.
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Der Antrag zu 6. ist zulässig, aber unbegründet. Ein Anordnungsanspruch liegt nicht vor.
Die Zahlung eines Mehrbedarfs in Höhe eines Schadensersatzanspruchs ist im Sozialge—
setzbuch II (SGB II) nicht vorgesehen. Insofern fehlt die Rechtsgrundlage für den vom
Antragssteller geltend gemachten Anspruch.
6. Nichts anderes ergibt sich aus dem geltend gemachten sozialrechtlichen Herstellungsan-
spruch. Dieser setzt voraus. dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund des Gesetzes
oder eines Soziairechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und
Auskunft (§§ 14, 15 Sozialgesetzbuch Erstes Buch) verletzt hat. Ferner ist erforderlich, dass
zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen
ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige
Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt
werden können. Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Geset-
zeszweck nicht widersprechen ist (st Rspr. vgl BSG 01.04.2003, B 7 AL 52/03 B, BSGE 92.
267. 279 = SozR 4-43005 § 137 Nr 1: BSG 31.10.2007. B 14/11b AS 63/06 R, SozR 4-1200 §
14 Nr 10). Hier ist schon eine Pflichtverletzung der Antragsgegnerin nicht ersichtlich. Eine
solche wurde auch nicht vorgetragen.
7. Der Antrag zu 8. ist bereits unzulässig. Eine solche Anordnung der nachträglichen
Ausweisung des Ansparbetrages in den laufenden Bescheiden unterfällt nicht den Fallgrup-
pen des § 86 b SGG.
8. Der Hilfsantrag auf Aussetzung der Ausweispflicht ist unzulässig. Das Sozialgericht ist für
eine solche Entscheidung sachlich unzuständig.
9. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
10. Die Beschwerde ist nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG nicht statthaft, da der Beschwerdewert
von 750 € nicht erreicht ist. Soweit der Antragsteller hier Kosten in Höhe des dreifachen
Auffüllbetrages von jeweils 750.01 € geltend macht, geht das Gericht davon aus, dass dieser
Betrag nur zum Erreichen des Beschwerdewerts angegebenen wurde. Wirtschaftlich werden
lediglich die Gebühren für den Personalausweis sowie für die Erstellung von Passfotos
begehrt, welche den Beschwerdewert nicht annähernd erreichen.
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SG MZ, S 13 SB 486/10 vom 07.05.2012, Sozialgericht Mainz
anselmf
Aktenzeichen
S 13 SB 486/10
Verkündet lt. Protokoll am:
7. Mai 2012
gez.:
S.
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigte Rechtsanwälte
gegen
Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch das Landesamt für Soziales, Jugend und
Versorgung, Baedekerstraße 2—10, 56073 Koblenz
— Beklagter —
hat die 13. Kammer des Sozialgerichts Mainz auf die mündliche Verhandlung vom
7. Mai 2012 durch
den Richter S.
sowie die ehrenamtlichen Richter Herr B. und Frau K.
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
- 2 -
2. Über das Teil-Anerkenntnis vom 11. Januar
2012 hinaus sind keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten zuletzt noch über die Frage, ob bei der Klägerin die Vor-
aussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "aG" (außergewöhnliche
Gehbehinderung) vorliegen.
Bei der am 21. Juli 1961 geborenen Klägerin wurden mit zuletzt bindend gewor-
denem Bescheid vom 22. Juni 2009 als Ausführungsbescheid zum Urteil des So-
zialgerichts Mainz (SG) vom 07. Mai 2009 (Az.: S B SB 133/07) durch das Amt für
soziale Angelegenheiten Mainz (AsA) ein Grad der Behinderung (GdB) von 70
sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" festgestellt,
wobei die Behinderungen wie folgt bewertet und bezeichnet wurden:
1. Harnblasenoperation mit Anlage einer künstlichen Harnableitung über die
Bauchdecke mit Inkontinenz (Einzel-GdB = 60).
2. Schmerzhatte Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule nach mikrochi-
rurgischer Bandscheibenoperation im HWS-Bereich, operative Spondylo-
dese im LWS-Bereich sowie nach verheilten Brustwirbeltrakturen (Einzel-
GdB = 30).
3. Reizmagen (Einzel-GdB = 10).
4. Vegetative Dystonie (Einzel-GdB = 10).
5. Kniegelenkschaden beiderseits, Polyaithralgien (Einzel-GdB = 10).
Die Klägerin stellte im Februar 2010 einen Änderungsantrag beim AsA mit
dem Ziel der Feststellung eines höheren GdB und des Merkzeichens "aG". Sie
gab an, dass sich die Beschwerden an der Harnblase, der Wirbelsäule, dem
Reizmagen und dem Knie verschlimmert hätten. Neu hinzugekommen seien Be-
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schwerden am Ellenbogen. Eine Kohabitation sei ihr unmöglich. Die Klägerin legte
hierzu zahlreiche Befundunterlagen vor. Im Einzelnen berief sie sich ua auf fol-
gende medizinische Unterlagen: Arztbrief des U. des S. Klinik für
Urologie und Kinderurologie; ärztlichesGutachten für die gesetzliche Rentenversi-
cherung durch den Urologen Dr. G.; ärztliches Gutachten für die gesetzliche
Rentenversicherung durch den Orthopäden Dr. G.; Entlassungsbericht des Uni-
versitätsklinikums, Urologische Klinik und Poliklinik; verschiedene Arztbriefe
des Städtischen Klinikums N., Abteilung für Urologie; Gutachten des Städti-
schen Klinikums N., Abteilung für Urologie und ein Arztbrief des St.
J g ,Wirbelsäulenzentrum.
Nach Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme wurde der Antrag der Kläge-
rin mit Bescheid vom 22. April 2010 durch das AsA abgelehnt. Zur Begrün-
dung wurde ausgeführt, dass der GdB weiterhin mit 70 zu bewerten sei und die
Voraussetzungen des Merkzeichens "G" vorlägen. Die Schmerzen bei der Kohabi-
tation seien bereits·unter Ziff 1 mitberücksichtigt. Die Behinderungen wurden er-
neut wie folgt festgestellt:
1. Harnblasenoperation mit Anlage einer künstlichen Harnableitung über die
Bauchdecke mit Inkontinenz (Einzel-GdB = 6O).
2. Schmerzhafte Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule nach mikrochi-
rurgischer Bandscheibenoperation im HWS—Bereich, operative Spondylo-
dese im LWS-Bereich sowienach verheilten Brustvvirbelfrakturen (Einzel-
GdB = 30).
3. Reizmagen (Einzel-GdB = 10).
4. Vegetative Dystonie (Einzel-GdB = 10).
5. Kniegelenkschaden beiderseits, Polyarthralgien (Einzel-GdB = 10).
Ihren hiergegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin dahingehend,
dass die bereits anerkannten Leiden nicht ausreichend berücksichtigt worden sei-
en und insbesondere fehlerhaft die Voraussetzungen für die Zuerkennung des
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Merkzeichens "aG" nicht angenommen worden seien. Zur Begründung legte sie
wiederum verschiedene Arztberichte vor: Arztbriei des Radiologen Dr, V ; Arzt-
brief der Universitätsmedizin, Zentrum für muskuloskeletale Chirurgie; Arztbrief
des Radiologischen Instituts K.; Untersuchungsberichte des MVZ für Laborato-
riumsmedizin und eine Arnbulanzkarte der Universitätsklinik.
Nach der.Einholung eines Befundberichts bei der die Klägerin behandelnden
Frauenärztin K. vom 29. Juni 2010 und dem Eingang weiterer ärztlicher Be-
fundunterlagen wurde der Widerspruch auf die gutachtliche Stellungnahme vom
30. September 2010 mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2010 durch das
Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung zurückgewiesen. Die Behinde-
rungen wurden wie folgt neu bezeichnet und bewertet:
1. Harnblasenoperation mit Anlage einer künstlichen Harnableitung über die
Bauchdecke mit Inkontinenz (Einzel—GdB = 60).
2. Schmerzhafte Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule nach mikrochi-
rurgischer Bandscheibenoperation im Halswirbelsäulenbereich, operative
Spondylodese im Lendenwirbelsäulenbereich sowie nach verheilten Brust-
wirbelfrakturen (Einzel-GdB = 30).
3. Störungen der Vagina und der äußeren Genitale (Einzel-GdB = 20).
4. Reizmagen (Einzel—GdB = 10).
5. Vegetative Dystonie (Einzel—GdB = 10).
6. Kniegelenksschaden beiderseits, Polyarthralgien (Einzel-GdB = 10).
Mit ihrer am 12. November 2010 erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst die
Feststellung eines GdB von mindestens 80 und die Feststellung des Merkzeichens
"aG" begehrt.
Die Klägerin hat vorgetragen, dass sie durch die Störung der Vagina stärker ein-
geschränkt sei, als sich das in einem Einzel-GdB von 20 widerspiegele. Sie könne
keinen Geschlechtsverkehr mehr haben, Auch ihre Wirbelsäulenerkrankung sei
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schlimmer, als dies der bislang anerkannte Einzel—GdB von 40 erscheinen lasse.
Zudem erfülle sie die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzei-
chens "aG". Zwar sei sie kein klassisches Beispiel für das begehrte Merkzeichen.
Jedoch rechtfertigten die miteinander korrelierenden inneren Beschwerden und
Verletzungen die Annahme einer gleichschweren Erkrankung. Auf Grund ihrer
Neo-Blase sei sie auf ein ständiges Katheterisieren angewiesen. Die dazu benö-
tigten Utensilien müsse sie in einer großen Tasche aufbewahren und stets bei sich
führen. Diese sei sperrig und von erheblichem Gewicht. Zudem führten die chroni-
sche Blasenentzündung, der unkontrollierte Harnabgang und die Beschwerden an
ihrer Wirbelsäule zu einer stark verminderten Wegefähigkeit. Deshalb sei sie etwa
einem Doppeloberschenkelamputierten gleichzustellen.
Das Gericht hat Befundberichte beiden die Klägerin behandelnden Fachärzten Dr.
K. (Orthopädie) vom O9. März 2011 und K. (Gynäkologie) vom 11. März
2011 eingeholt. Auf die versorgungsärztliche Stellungnahme des Beklagten durch
Frau Dr. F. vom 27. April 2011 hat das Gericht Dr. P. mit der Erstellung eines
orthopädischen Fachgutachtens beauftragt. In seinem unter dem 02. Oktober
2011 vorgelegten Gutachten hat der Sachverständige Dr. P. folgende Diagnosen
auf orthopädischem Fachgebiet gestellt:
1. Cervikobrachialgie bei Zustand nach mehrsegmentalen cervikalen Band-
scheibenoperation mit Fusionen der Segmente C2/3, C3/4, C5/6
2. Osteochondrose und nachgewiesener Bandscheibenschaden des Seg-
ments C6/7.
3. Thorakodorsalgle bei degenerativen Veränderungen der Brustwirbelsäule
und Zustand nach stattgehabten Brustwirbelfrakturen.
4. Lumbalsyndrom bei Zustand nach Spondylodese L5/S1 bei Spondylolisthe-
sis L5/S1 (1989), Spondylodese wegen Anschlussinstabllität L4/5, persistie-
rende linksseitige Radikulopathie mit Parese der Hüftbeugung, Fuß- und
Zehenhebung.
5. Verdacht auf erneute Anschlussinstabilität L3/4
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Der Gesamt-GdB auf orthopädischem Fachgebiet betrage 40. Die gesundheitli-
chen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeiohens "aG" lägen nicht
vor. Hinsichtlich der Befunderhebung und Feststellung des Sachverständigen Dr.
P. wird im Einzelnen auf Bl 73 ff der Prozessakte verwiesen.
Der Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11. Januar 2012 ein Teil-
Anerkenntnis hinsichtlich der Feststellung eines GdB von 80 ab Juli 2010 abgege-
ben. Die Klägerin hat dieses Teil-Anerkenntnis am 07. Mai 2012 angenommen.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen des Merkzeiohens "aG"
bei ihr vorliegen. Dies folge weder allein aus den orthopädischen noch aus den
urologischen Beschwerden, sondern auf Grund ihrer Zusammenwirkung. Hinzu
kämen praktische Überlegungen. Zur Versorgung ihrer Blase bzw Entleerung
müsse sie Material in erheblichem Umfang in einer Tasche oder einem Rucksack
mit sich führen. Beides sei jedoch für sie auf Grund ihrer Wirbelsäulenbeschwer-
den und der Venzvendung einer Unterarmstütze kaum nutzbar. Schon der an sich
simple Prozess des Aussteigens aus dem Fahrzeug gestalte sich für sie als erheb-
lich schwierig. Dabei müsse die Tür bis zum Anschlag geöffnet sein, um überhaupt
das Fahrzeug verlassen zu können. Wegen der vorliegenden Fußzehenschwäche
müsse sie den Fuß mit den Armen aus dem Fahrzeug heben. Dies gelänge nur
bei weit offenstehender Tür. Normale Parkplätze seien jedoch so konzipiert, dass
sie kaum einen halben Meter breiter als ein normales Fahrzeug seien.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 22. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 14. Oktober 2010 in der Fassung des Teil—Anerkenntnisses vom 11.
Januar 2012 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr die Vor-
aussetzungen des Merkzeichens "aG" festzustellen.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, dass den Beeinträchtigungen der Geh- und Stehfä-
higkeit der Klägerin durch die Zuerkennung des Merkzeichens "G" hinreichend
Rechnung getragen worden sei. Eine Gehbehinderung außergewöhnlichen Aus-
maßes, wie sie für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" vorliegen müsse, sei
bei der Klägerin nicht festzustellen. Medizinische Gesichtspunkte, die eine abwei-
chende Entscheidung rechtfertigen, seien nicht vorgetragen worden. Hierzu stützt
sich der Beklagte auf die neuerliche versorgungsärztliche Stellungnahme der Frau
Dr. F. vom 03. Januar 2012.
Das Gericht hat die Prozessakte aus dem zuvor zwischen den Beteiligten geführ-
ten Rechtsstreit (Az.: S 8 SB 133/O7) beigezogen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen. Der
Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung.
Entscheidungsgründe
Die statthafte, form- und fristgerecht erhobene sowie im Übrigen zulässige Klage
ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung des
Merkzeichens "aG". Dies steht zur Überzeugung der Kammer auf Grund des
Sachverständigengutachtens von Dr. P. vom 02. Oktober 2011 fest.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung ist § 69 Abs 4 Neuntes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB IX). Hiernach stellen die zuständigen Behörden ·neben
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einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die
Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen fur schwerbehindeite Menschen sind.
Zu diesen Merkmalen gehört die außergewöhnliche Gehbehinderung eines
schwerbehinderten Menschen im Sinne des § 6 Abs 1 Nr 14 Straßenverkehrsge-
setz (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, fur die
in den Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen "aG" einzutragen ist (§ 3
Abs 1 Nr 1 Schwerbehindeitenausweisverordnung). Eine Definition der außerge-
wöhnlichen Gehbehinderung findet sich in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift
zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO, neu bekannt gemacht am 26.01.2001,
BAnz 2001, Nr 21, S 1419), und zwar dort in Abschnitt II Nr1 zu § 46 Abs 1 Nr 11
Straßenverkehrsordnung. Danach sind als schwerbehinderte Menschen mit au-
ßergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen
der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer An-
strengung außerhalb ihres Kraftfahrzeugs bewegen können. Hierzu zählen Quer-
schnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputier-
te, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außer-
stande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen
können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere
schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch
aufgrund von Erkrankungen, dem vorstehend angeführten Personenkreis gleich-
zustellen sind.
Dieselben Kriterien enthält Teil D Nr 3 lit b der als Anlage zu § 2 der Versor-
gungsmedizin—Verordnung (VersMedV) erlassenen Versorgungsmedizinischen
Grundsätze. Ergänzend bestimmt Teil D Nr3 lit c Versorgungsmedizinische
Grundsätze: Die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung darf nur auf
eine Einschränkung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen
anderer Art bezogen werden. Bei der Frage der Gleichstellung von behinderten
Menschen mit Schäden an den unteren Gliedmaßen ist zu beachten, dass das
Gehvermögen auf das Schwerste eingeschränkt sein muss und deshalb als Ver-
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gleichsmaßstab am ehesten das Gehvermögen eines Doppeloberschenkelampu-
tierten heranzuziehen ist. (...) Als Erkrankungen der inneren Organe, die eine sol-
che Gleichstellung rechtfertigen, sind beispielsweise Herzschäden mit schweren
Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der
Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades anzuse-
hen.
Personen, die nicht zu den in Abschnitt II Nr1 zu § 46 Abs 1 Nr 11 VwV-StVO bei-
spielhaft aufgeführten Gruppen von schwerbehinderten Menschen gehören, kön-
nen nach den Kriterien dieser Vorschrift nur dann als außergewöhnlich gehbehin-
dert angesehen werden, wenn sie diesem Personenkreis gleichzustellen sind. Ei-
ne derartige Gleichstellung setzt nach der Rechtsprechung des Bundessozialge-
richts (BSG) voraus, dass die Gehfähigkeit des Betroffenen in ungewöhnlich ho-
hem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen
wie die in der Vorschrift aufgeführten Schwerbehinderten oder nur noch mit frem-
der Hilfe fortbewegen kann (BSG, Urteil vom 11.03.1998, Az.: B 9 SB 1/97 R,
BSGE 82, 37). Zwar handelt es sich bei den beispielhaft aufgeführten schwerbe-
hinderten Menschen mit Querschnittslähmung oder Gliedmaßenamputationen in
Bezug auf ihr Gehvermögen nicht um einen homogenen Personenkreis, so dass
es möglich ist, dass einzelne Vertreter dieser Gruppen auf Grund eines günstigen
Zusammentreffens von gutem gesundheitlichen Allgemeinzustand, hoher körperli-
cher Leistungsfähigkeit und optimaler prothetischer Versorgung ausnahmsweise
nahezu das Gehvermögen eines Nichtbehinderten erreichen, was namentlich bei
körperlich trainierten Doppelunterschenkelamputierten mit Hilfe moderner Ortho-
pädietechnik der Fall sein kann. Derartige Besonderheiten sind jedoch nicht ge-
eignet, den Maßstab zu bestimmen, nach dem sich die Gleichstellung anderer
schwerbehinderter Menschen mit dem genannten Personenkreis richtet. Vielmehr
hat sich der Maßstab der Gleichstellung an dem der einschlägigen Regelung vor-
angestellten Obersatz zu orientieren (so BSG, Urteil vom 10.12.2002, Az.: B 9 SB
7/01 R, BSGE 90, 180). Es kommt daher nicht darauf an, ob der das Merkzeichen
"aG" beanspruchende schwerbehinderte Mensch funktional einem Doppelober-
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schenkelamputierten oder Querschnittsgelähmten gleichsteht, sondern ob er sich
außerhalb seines Kraftfahrzeuges wegen der Schwere seines Leidens entweder
nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung fortbewegen kann, und
zwar praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an. Die
Gehfähigkeit muss so stark eingeschränkt sein, dass es dem Betroffenen unzu-
mutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen. Das BSG hat in diesem Zusam-
menhang zum Ausdruck gebracht, dass die für das Merkzeichen "aG" geforderte
große körperliche Anstrengung gegeben sein dürfte, wenn der Betroffene bereits
nach einer Wegstrecke von 30 m wegen Erschöpfung eine Pause einlegen muss
(vgl BSG, Urteil vom 10.12.2002 aaO).
Nach diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen für die Zuerkennung des
Merkzeichens "aG" im Fall der Klägerin nicht gegeben. Wirbelsäulenfunktionsbe-
einträchtigte nach Bandscheibenoperaticn im Hals- und Lendenwirbelsäulenbe-
reich nach verheilten Brustwirbelfrakturen bei Radikolopathie werden in Abschnitt
11 Nr 1 zu § 46 Abs 1 Nr 11 VwV-StVO als Fallgruppe nicht genannt. Eine Gleich-
stellung mit den darin genannten Gruppen von schwerst gehbehinderten Men-
schen kommt im Falle der Klägerin auch wegen derr Notwendigkeit, ständig
schweres Gerät zum Katheterisieren ihrer Neo-Blase mit sich zu führen, nicht in
Betracht.
Anlässlich der körperlichen Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. P. Am
25. August 2011 bereitete der Klägerin das Aufstehen im Wartebereich erhebliche
Mühen. Das Gangbild war gleichschrittig und unbeholfen. Es zeigte sich kein Ab-
rollen der Füße, sondern nur ein tappendes Aufsetzen. Die Klägerin gebrauchte
beidseitig Unterarmgehstützen. Die kurze Strecke vom Stuhl zur Liege (3 Meter)
vermochte sie ohne Unterarmgehstützen zurückzulegen. Ein freies Stehen ist der
Klägerin nicht mehr wirklich lange möglich. Eine aktive Hüftbeugung links gelang
nicht. Das Heben des Beines ist nur noch mit Unterstützung möglich. Zusammen-
fassend ist von erheblichen Beeinträchtigungen der Klägerin auszugehen. Es be-
steht ein Zustand nach multisegmentalen Versteifungen, die bislang keineswegs
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zu einer beschwerdefreien Situation geführt hätten. Hinzu kommt die erhebliche
Problematik auf urologischem Fachgebiet. Wegen einer nicht beherrschbaren In-
kontinenz wurde ihr eine sogenannte Neo—Blase mit künstlicher Harnableitung
über die Bauchdecke eingesetzt. Die Klägerin muss sich ständig über das abdo-
minelle Urostoma selbst katheterisieren. Die Inkontinenz besteht weiterhin.
Aus den geschilderten Beschwerden resultiert eine Beeinträchtigung der Geh- und
Stehfähigkeit der Klägerin. Dieser ist durch die Zuerkennung des Merkzeichens
"G" ausreichend Rechnung getragen worden. Die Voraussetzungen für eine
Gleichstellung mit den explizit genannten Fallgruppen liegen jedoch nach den
übereinstimmenden Feststellungen des Sachverständigen Dr. P. und der Versor-
gungsärztin Dr. F. nicht vor.
Größere Anstrengungen, die aus dem Mitsichführen der Utensilien zum Katheteri-
sieren resultieren, haben dabei außer Betracht zu bleiben, da es sich hierbei um
Bewegungsbehinderungen anderer Art iS des Teil D Nr 3 lit c Versorgungsmedizi-
nische Grundsätze und nicht um Einschränkungen des Gehvermögens selbst han-
delt. Ebenso verhält es sich, wenn jemand anderes der Klägerin die Sachen zur
Erhaltung ihrer Gehfähigkeit trägt. Denn die Notwendigkeit der Hilfe fremder Per-
sonen hat sich auf den Gehvorgang selbst und nicht auf die Hilfe etwa beim
Transport notwendiger Gegenstände zu beziehen.
Auch die Schwierigkeiten beim Ein- und Aussteigen aus dem Auto, das nur ge-
lingt, wenn die Klägerin bei weit geöffneter Wagentür ihr Bein mit Unterstützung
aus dem Auto hebt, rechtfertigt nicht die Zuerkennung des Merkzeichens "aG".
Zwar ist der Klägerin einzuräumen, dass die mit der Anerkennung des Merkzei-
ohens "aG" verbundenen erweiterten Möglichkeiten, einen für sie geeigneten
Parkplatz zu finden, für ihre Behinderung eine spürbare Erleichterung bedeuten
würde. Auf der Grundlage der Ermächtigung in § 6 Abs 1 Nr 14 StVG hat der Ver-
ordnungsgeber in § 45 Abs 1b Nr2 StVO den Straßenverkehrsbehörden die Be-
- 12 -
fugnis eingeräumt, die notwendigen Anordnungen im Zusammenhang mit der
Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für schwerbehinderte Menschen mit au-
ßergewöhnlicher Gehbehinderung oder anderer - hier nicht in Frage kommender -
Beeinträchtigungen zu treffen; die Anlage 2 Abschnitt 3 zur StVO sieht hierfür die
Ergänzung der Zeichen 314 (Parken) und 315 (Parken auf Gehwegen) um ein Zu-
satzzeichen mit Rollstuhlfahrersinnbild vor. Diese Behindertenparkplätze müssen
gemäß Abschnitt IX RdNr 18 zu § 45 Abs 1 bis 14 VwV-StVO iVm DIN 18024-1 so
gebaut werden, dass an der Längsseite des Fahrzeugs eine Bewegungsfläche mit
einer Breite von 1,50 m bleibt. Damit ist bei einem Behindertenparkplatz immer
gewährleistet, dass der Benutzer sein Fahrzeug so einparken kann, dass sich die
Fahrertüre unabhängig von anderen Fahrzeugen, die vorschriftsmäßig parken, bis
zum Anschlag öffnen lässt. Darüber hinaus hätte die Klägerin mit dem Merkzei-
chen "aG" die Möglichkeit, Parkerleichterungen in Form von Befreiungen von Halt-
verboten nach Abschnitt I zu §46 Abs 1 Nr 11 VwV-StVO zu erlangen. Die da-
durch verfügbaren zusätzlichen Parkplätze wären zwar nicht zwangsläufig behin-
dertengerecht, würden aber ihre Möglichkeiten, einen für sie geeigneten Parkplatz
zu finden, erhöhen.
Das BSG hat in einem vergleichbaren Fall - in dem der Kläger nur ein- und aus-
steigen konnte, wenn die Wagentür vollständig geöffnet war - (BSG, Urteil vom
0302.1988, Az.: 9/9a RVs 19/86 = SozR 3870 §3 Nr 28) entschieden, dass das
Merkzeichen "aG" nicht zuerkannt werden könne. Der Gesetzgeber habe durch
die Formulierung in §3 Abs 1 Nr 1 Schwerbehindertenausweisverordnung inso-
weit straßenverkehrsrechtliche Vorschriften für maßgeblich erklärt. Zum Ausgleich
von Nachteilen beim Ein- und Aussteigen habe der Bundesminister für Verkehr die
Ausnahmegenehmigung nicht geschaffen. Sie sei vielmehr dazu gedacht, den
Schwerbehinderten mit dem Pkw möglichst nahe an sein jeweiliges Ziel fahren zu
lassen. Der Nachteilsausgleich solle allein die neben der Personenkraftwagenbe-
nutzung unausweichlich anfallende tatsächliche Wegstrecke soweit wie möglich
verkürzen. Dies bedeute zugleich, dass der Personenkreis eng zu fassen sei.
Denn mit der Ausweitung des Personenkreises steige die Anzahl der Benutzer.
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Diesem Umstand könne nur begrenzt mit einer Vermehrung entsprechender Park-
plätze begegnet werden, denn mit jeder Vermehrung der Parkflächen werde dem
gesamten Personenkreis eine durchschnittlich längere Wegstrecke zugemutet,
weil ortsnaher Parkraum nicht beliebig geschaffen werden könne. Das Landesso-
zialgericht Berlin hat ebenfalls das Merkzeichen "aG" im Falle eines Schwerbehin-
derten verneint, der zum Ein- und Aussteigen die Fahrertür vollständig öffnen
musste (LSG Berlin—Brandenburg, Urteil vom 20.042004, Az.; L 13 SB 30/03); die
Schwierigkeiten des Klägers seien nämlich nicht durch seine eingeschränkte Fort-
bewegungsfreiheit, sondern durch die Beschaffenheit des Parkraums verursacht.
Die Kammer schließt sich der zitierten Rechtsprechung an. Sowohl die Parkmög-
iichkeiten für schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinde-
rung als auch die Befreiungen. von Haltverboten für diesen Personenkreis verfol-
gen in erster Linie den Zweck, möglichst kurze Gehstrecken vom Parkplatz bis
zum Ziel zu ermöglichen. Dieser Zweck ist nur zu erreichen, wenn der Kreis der
Berechtigten so eng wie möglich gezogen wird, weil ein besetzter Behinderten-
parkplatz für denjenigen, der einen Parkplatz sucht, ebenso wenig wert ist, wie gar
keiner. Deshalb mussen bei der Überlegung, ob ein schwerbehinderter Mensch,
der den in Abschnitt II Nr 1 zu §·46 Abs 1 Nr 11 StVO genannten Gruppen von
schwerst Gehbehinderten nicht gleichzustellen ist, aber Schwierigkeiten beim Ein-
und·Aussteigen aus dem Pkw hat, das Merkzeichen "aG" erhalten soll, nicht nur
dessen Vorteile bei der Benutzung von Behindertenparkplätzen sondern auch die
aus der Ausweitung des Benutzerkreises resultierenden Nachteile berücksichtigt
werden. Bei der Wertung der Vorteile der Klägerin ist zu beachten, dass diese
zwar größere Schwierigkeiten als ein gesunder Mensch hat, einen für sie geeigne-
ten Parkplatz zu finden, aufgrund ihrer erhaltenen Gehfähigkeit ihre Möglichkeiten
hierzu aber immer noch wesentlich besser sind als die der schwerst Gehbehinder-
ten, die nur eine Wegstrecke von wenigen Metern zu Fuß zurücklegen können und
denen ein wesentlich kleinerer Radius zur Parkplatzsuche als der Klägerin zumut-
bar ist. Die Klägerin kann beispielsweise sowohl alle am Straßenrand liegenden
Parkplätze benutzen als auch Parkplätze, die auf einer Seite keinen Nachbarplatz
- 14 -
haben oder die in Parkhäusern neben Stützpfeilern liegen, so dass der Abstand
zum Nachbarn zwangsläufig groß genug bleibt, Es besteht die Gefahr, dass der
Kreis der Berechtigten erheblich ausgeweitet würde, wenn allein die Notwendig-
keit, die Türe vollständig beim Ein- und Aussteigen zu öffnen, ausreichen würde,
um einen Anspruch auf das Merkzeichen "aG" auszulösen; insbesondere wäre
dann zu erwarten, dass auch viele Menschen mit Wirbelsäulenproblemen oder
Adipositas in den Genuss dieses Merkzeichens gelangen würden, was die Chan-
cen der schwerst Gehbehinderten, einen günstig gelegenen Parkplatz zu erhalten,
drastisch verringern könnte. Da also auf der einen Seite die Situation der Klägerin
bei der Parkplatzsuche erheblich besser ist als die der schwerst Gehbehinderten
und umgekehrt bei Einbeziehung von Personen, die lediglich Schwierigkeiten beim
Ein- und Aussteigen haben, eine erhebliche Ausweitung des Personenkreises zu
erwarten wäre, die Anspruch auf das Merkzeichen "aG" haben, ist eine solche
Ausweitung abzulehnen.
Die Klage ist unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
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SG KS, S 12 KR 1065/04 vom 07.07.2004, Sozialgericht Kassel
anselmf
Sozialgericht Kassel
Instanz 1: S 12 KR 1065/04
Instanz 2: L 1 KR 196/04
Instanz 3: B 1 KR 20/05 R
Az.: S 12 KR 1065/04
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
A. A., A-Straße, A-Stadt,
Klägerin,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte B.B., B-Straße, A-Stadt,
gegen
die AOK – Die Gesundheitskasse in Hessen, vertreten durch den Vorstand, dieser
durch die Rechtsabteilung Nordhessen, Rollwiesenweg 1, 34039 Marburg,
Beklagte.
Die 12. Kammer des Sozialgerichts Kassel hat auf die mündliche Verhandlung vom
7. Juli 2004 durch den Richter am Sozialgericht S. als Vorsitzenden und die
ehrenamtlichen Richter F. und T. für Recht erkannt:
1. Der Bescheid vom 3. Februar 2004 in der Fassung des Widerspruchsbe-
scheides vom 25. Mai 2004 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin aus Anlass ihrer Teilnahme an
der Methadon-Substitution Fahrtkosten in gesetzlichem Umfang, mindes-
tens in Höhe von monatlich 36,50 €, rückwirkend und laufend über den
31. Dezember 2003 hinaus auch ab 1. Januar 2004 zu zahlen
.
3. Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Rechtsstreites zu erstatten.
HK/SE
- 2 -
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Fahrtkosten im Streit.
Die 19.. geborene Klägerin ist bei der Beklagten in der gesetzlichen Krankenversicherung
freiwillig versichert. Sie ist alleinerziehende Mutter, lebt von Sozialhilfe und von der Zu-
zahlung zu Arznei-, Verband- und Heilmitteln sowie den entstehenden notwendigen
Fahrtkosten im gesetzlichen Umfang befreit. Auf Seiten der Klägerin liegt schließlich eine
langjährige Opiatabhängigkeit vor, wobei sich die Klägerin seit ca. vier Jahren und lau-
fend zu Lasten der Beklagten einer ambulanten Methadon-Substitution unterzieht, die
von der C.C. e.V. in einer Substitutionsfachambulanz in A-Stadt durchgeführt wird. Inso-
weit waren der Klägerin bis 31. Dezember 2003 auch die hierdurch entstehenden Fahrt-
kosten von der Beklagten erstattet worden, konkret im Rahmen eines Jahres-
Abonnements die Kosten für eine entsprechende Monatskarte des Nordhessischen Ver-
kehrsverbundes (NVV), die sich derzeit im laufenden Jahres-Abonnement der Klägerin
auf 36,50 € monatlich belaufen. Die Behandlung in der Substitutionsfachambulanz erfolgt
schließlich viermal wöchentlich; zusätzlich dreimal wöchentlich erfolgt die Methadonver-
gabe im Rahmen einer so genannten Take-Home-Regelung. Die Behandlung selbst er-
folgt schließlich auf der Grundlage der Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersu-
chungs- und Behandlungsmethoden nach § 135 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche
Krankenversicherung (BUB-Richtlinien), die die Voraussetzungen der substitutionsge-
stützten Behandlung Opiatabhängiger regeln, im Einzelnen Art und Weise der Durchfüh-
rung der Behandlung festlegen und ausweislich derer diese Substitution überhaupt erst
Bestandteil der vertragsärztlichen Leistungserbringung innerhalb der gesetzlichen Kran-
kenversicherung geworden ist.
Unter dem 29. Januar 2004 beantragte die Klägerin die Gewährung/Erstattung der ihr
aus Anlass der Substitution entstehenden Fahrtkosten über den 31. Dezember 2003 hin-
aus auch für die Zeit ab 1. Januar 2004. Die Klägerin führte aus, dass ihren Informatio-
nen zufolge seit 1. Januar 2004 Fahrtkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Ab-
zug der gesetzlichen Zuzahlung zwar nur bei zwingender medizinischer Notwendigkeit in
besonderen Ausnahmefällen von den Krankenkassen übernommen würden. Nach den so
genannten Krankentransport-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses der Ärz-
te und Krankenkassen liege ein solcher Ausnahmefall jedoch vor, wenn der Patient an
einer Grunderkrankung leide, die eine bestimmte Therapie erfordere, die wiederum häu-
fig und über einen längeren Zeitraum erfolgen müsse. Insoweit beeinträchtigten die Be-
handlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in
einer Weise, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben
- 3 -
unerlässlich sei. Da diese Kriterien auch auf sie zuträfen, nachdem sie auf Grund ihrer
langjährigen Drogenabhängigkeit in der o.a. Substitutionsfachambulanz substituiert und
psychosozial betreut werde und eine Fahrkarte benötige, damit die tägliche Einnahme
des Substituts Methadon gewährleistet sei. Auf diese tägliche Einnahme sei sie zwingend
angewiesen. Sollte sie mit der Einnahme des Medikaments auch nur einen Tag ausset-
zen müssen, würden sofort körperliche Entzugssymptome einsetzen, so dass die Beför-
derung zur Substitutionsfachambulanz für sie zur Vermeidung von Schaden an Leib und
Leben unerlässlich sei. Beigefügt war dem schließlich eine ärztliche Bescheinigung der
C.C. e.V. vom 29. Januar 2004, die die dortige Substitution und psychosoziale Betreuung
der Klägerin zunächst bestätigte und weiter ausführte, dass die Behandlung in der dorti-
gen Einrichtung einen täglichen persönlichen Kontakt zur Einnahme des Medikamentes
erfordere, auch an Wochenenden und Feiertagen. Eine tägliche Beförderung in die dorti-
ge Einrichtung sei zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich.
Mit Bescheid vom 3. Februar 2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Beklagte führ-
te aus, am 1. Januar 2004 seien gesetzliche Regelungen in Kraft getreten, die den An-
spruch auf Erstattung von Fahrtkosten erheblich einschränkten. Fahrtkosten dürften von
den gesetzlichen Krankenkassen nur noch bezahlt werden, wenn sie aus zwingenden
medizinischen Gründen (Gefahr für Leib und Leben) im Zusammenhang mit stationären
oder vergleichbaren Behandlungen (vor- bzw. nachstationärer Behandlung im Kranken-
haus, bestimmte ambulante Operationen) entstünden. Fahrten zu ambulanten Behand-
lungen dürften nur noch in Ausnahmefällen finanziert werden. Grundvoraussetzung sei
auch hier das Vorliegen eines zwingenden Grundes. Als Ausnahmen würden lediglich
Fahrten zur ambulanten Dialysebehandlung, Strahlentherapie oder Chemotherapie (auf
Grund einer Tumorerkrankung), zur Behandlung von Versicherten der Pflegestufe II oder
III sowie zur Behandlung von Inhabern eines Schwerbehindertenausweises mit den
Merkzeichen „aG“ oder „Bl“ oder „H“ gelten. Die Behandlung der Klägerin werde von die-
ser Ausnahmeregelung nicht erfasst. Eine Übernahme der Fahrtkosten sei damit leider
nicht möglich.
Gegen den Bescheid vom 3. Februar 2004 legte die Klägerin am 11. Februar 2004 Wi-
derspruch ein. Die Klägerin machte geltend, als Grunderkrankung im o.a. Sinne liege bei
ihr eine Opiatabhängigkeit vor. Insoweit handele es sich bei der Substitutionsbehandlung
um eine Therapie, die häufig und über einen längeren Zeitraum erfolgen müsse, so dass
auch die Voraussetzungen einer Übernahme der Fahrtkosten nach den Krankentrans-
port-Richtlinien weiterhin gegeben seien. Das Substitut müsse, wie vom medizinischen
Leiter der Substitutionsfachambulanz bescheinigt, täglich eingenommen werde. Setze sie
nur einen Tag mit der Einnahme des Medikamentes aus, würden körperliche und psychi-
- 4 -
sche Entzugssymptome einsetzen. Letztlich diene die Behandlung der Vermeidung von
Schaden an Leib und Leben, so dass eine tägliche Beförderung für sie unerlässlich sei.
Andere Krankenkassen würden schließlich Mitpatienten nach wie vor auch entsprechen-
de Fahrtkosten erstatten.
Mit erläuterndem Schreiben vom 21. April 2004 hielt die Beklagte sodann an ihrer ableh-
nenden Haltung gegenüber der Klägerin fest. Die Beklagte führte aus, am 1. Januar 2004
sei das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-
Modernisierungsgesetz-GMG) in Kraft getreten, durch das u.a. die Leistungsansprüche
im Fahrtkostenbereich neu definiert würden. Danach dürften Krankenfahrten bzw.
-transporte nur noch verordnet werden, wenn sie „aus zwingenden medizinischen Grün-
den“ notwendig seien. Krankenfahrten (Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, privatem
PKW, Taxen oder Mietwagen zur ambulanten Behandlung) dürften von den gesetzlichen
Krankenkassen „nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen“ fi-
nanziert werden. Der Gesetzgeber habe die Definition der „besonderen Ausnahmefälle“
dem Gemeinsamen Bundesausschuss übertragen, einem Gremium, in dem sowohl Ver-
treter der Ärzteschaft als auch der Krankenkassen vertreten seien. Der Gemeinsame
Bundesausschuss habe nach inhaltlicher Abstimmung mit dem Bundesministerium für
Gesundheit und Soziale Sicherung am 22. Januar 2004 die Krankentransport-Richtlinien
verabschiedet, die rückwirkend zum 1. Januar 2004 in Kraft getreten seien. Als Ausnah-
meregelung würden die Krankentransport-Richtlinien vorsehen, dass Krankenfahrten zu
ambulanten Behandlungen bei zwingender medizinischer Notwendigkeit von den Kran-
kenkassen nach vorheriger Genehmigung finanziert werden dürften, wenn bestimmte
Behandlungsformen zum Einsatz kämen, die dadurch gekennzeichnet seien, dass der
Patient in einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema behandelt
werde, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweise und
dass diese Behandlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf den
Patienten in einer Weise beeinträchtige, dass eine Beförderung zur Vermeidung von
Schaden an Leib und Leben unerlässlich sei (§ 8 Abs. 2 der Krankentransport-
Richtlinien). In diesem Zusammenhang habe der Gemeinsame Bundesausschuss weiter
erklärt, dass Dialysebehandlungen, onkologische Chemotherapien, onkologische Strah-
lentherapien im Regelfall als Ausnahmefälle im Sinne der Richtlinien anzusehen seien,
wie sich aus der Anlage 2 der Krankentransport-Richtlinien ergebe. Diese Aufzählung sei
nicht abschließend. Vergleichbare Behandlungen müssten allerdings die gleichen Krite-
rien hinsichtlich der Schwere des Krankheitsbildes, der Therapieintensität sowie des Be-
handlungszeitraums aufweisen. Durch die exemplarische Auflistung von Therapieformen,
die lediglich bei akut lebensbedrohlichen Erkrankungen zum Einsatz kämen, werde deut-
lich gemacht, dass der Ausschuss und damit der Gesetzgeber die Anwendung dieser
- 5 -
Regelung auf die Behandlung hochgradig existenzgefährdender Erkrankungen be-
schränkt sehen wolle. Im Gegensatz zu einer dialysepflichtigen Niereninsuffizienz bzw.
einer Krebserkrankung könne bei einer Opiatabhängigkeit im Regelfall keine akute Le-
bensgefahr unterstellt werden. Eine schwerwiegende Grunderkrankung im Sinne der zi-
tierten Vorschrift liege damit nicht vor. Darüber hinaus könne die Beklagte keine zwin-
gende medizinische Notwendigkeit für die Fahrten zur Methadonsubstitution erkennen.
Bei der Methadonsubstitution handele es sich um eine Sonderform der Medikamenten-
abgabe. Während im Regelfall eine kontinuierliche Arzneimittelversorgung durch die ärzt-
liche Versorgung eines individuell zu bemessenden „Vorrats“ sichergestellt werde, schei-
de diese Möglichkeit bei einer Substitutionsbehandlung aus. Die dadurch regelmäßig
erforderlich werdenden Arztbesuche würden allerdings nicht durch medizinische Beson-
derheiten vorgegeben, sondern durch die Umsetzung der Vorschriften der Betäubungs-
mittel-Verschreibungsverordnung (BtVV) sowie der Richtlinien der Bundesärztekammer
zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger, bei denen
die Missbrauchsabwehr im Vordergrund stehe.
Bei alledem stützte sich die Beklagte nach Aktenlage auf eine im Vorfeld vom vorliegen-
den Einzelfall losgelöste grundsätzliche mündliche Erörterung mit dem Medizinischen
Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK), wobei dieser schriftlich unter dem
27. April 2004 die Voraussetzungen einer Fahrtkostenübernahme nach § 8 Abs. 2 der
Krankentransport-Richtlinien in Fällen der vorliegenden Art und insoweit bei der Substitu-
tionstherapie nur zum Teil als erfüllt ansah. Zwar finde sich hier ein Therapieschema mit
hoher Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum, doch handele es sich bei der
Heroinabhängigkeit, die zur Substitutionstherapie geführt habe, nicht um ein Krankheits-
bild, das in seiner Schwere mit einem Nierenversagen mit Dialysepflicht oder einem bös-
artigen Tumor mit onkologischer Therapie vergleichbar sei. Vergleichbar seien Substituti-
onspatienten vielmehr mit Patienten, die einer dauerhaften medikamentösen Therapie
bedürften, wie z.B. insulinpflichtige Diabetiker. Auch hier sei eine regelmäßige, mehrfach
tägliche Therapie notwendig, die allerdings selbständig durch die Patienten erfolge. Eine
solche Form der häuslichen Therapie wäre medizinisch gesehen auch bei der Substituti-
on möglich. Die Notwendigkeit, die Substitution innerhalb der Praxis durchzuführen, be-
stehe nämlich nicht auf Grund medizinischer Sachverhalte, sondern werde durch die
Richtlinien der Bundesärztekammer in Verbindung mit der BtVV begründet. Somit fehle
allein deshalb schon die zwingende medizinische Notwendigkeit. Darüber hinaus seien
Fahrten zur Abholung von Medikamenten in den Krankentransport-Richtlinien nach § 8
Abs. 4 ausdrücklich ausgeschlossen worden.
- 6 -
Die Klägerin hielt ihren Widerspruch anschließend ausdrücklich aufrecht. Gleichzeitig
beantragte sie mit Eingang 13. Mai 2004 unter dem Az.: S-12/KR-950/04 ER beim Sozi-
algericht Kassel den Erlass einer einstweiligen Anordnung, wobei sie einerseits geltend
machte, dass es ihr unzumutbar sei, den Weg von ihrer Wohnung aus zur Therapie zu
Fuß zurückzulegen und sich andererseits darauf berief, dass die Heroinabhängigkeit mit
ihren körperlichen und sozialen Folgen durchaus die Schwere der vom MDK aufgezeig-
ten Erkrankungen erreiche, wenn nicht gar überschreite. Wenn der MDK die Auffassung
vertrete, dass ihre Erkrankung allenfalls mit einer medikamentösen Therapie vergleichbar
sei, wie sie beispielsweise bei insulinpflichtigen Diabetikern vorkomme, dürfte dieser Ver-
gleich bereits daran scheitern, dass eine Therapie wie bei Diabetikern nicht von ihr in
ähnlicher Weise praktiziert werden könne. Insoweit sei auf die gesetzlichen Beschrän-
kungen der Methadon-Vergabe hingewiesen. Solange der Gesetzgeber nicht zulasse,
dass Methadon vollumfänglich häuslich eingesetzt werden könne, lasse sich ein Ver-
gleich mit insulinpflichtigen Diabetikern jedenfalls im vorliegenden Fall nicht rechtfertigen.
Die Beklagte trat dem Antrag im Weiteren entgegen, wobei sie den Widerspruch der Klä-
gerin gegen den Bescheid vom 3. Februar 2004 schließlich mit Widerspruchsbescheid
vom 25. Mai 2004 durch ihren hierfür zuständigen Widerspruchsausschuss als unbe-
gründet zurückwies und sich zur Begründung im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im
o.a. erläuterndem Schreiben vom 21. April 2004 sowie die o.a. Ausführungen des MDK
vom 27. April 2004 berief.
Die Klägerin hat sodann am 3. Juni 2004 die vorliegende Klage vor dem Sozialgericht in
Kassel erhoben, mit der sie die Gewährung von Fahrtkosten aus Anlass ihrer Substituti-
onsbehandlung über den 31. Dezember 2003 hinaus auch für die Zeit ab 1. Januar 2004
geltend macht und sich insoweit zur Begründung auf ihr Vorbringen im Antrags- und Vor-
verfahren sowie ihre weiteren Ausführungen in der Sache S-12/KR-950/04 ER beruft.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 3. Februar 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 25. Mai 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr aus Anlass ih-
rer Teilnahme an der ambulanten Methadon-Substitution Fahrtkosten in gesetzli-
chem Umfang, mindestens in Höhe von derzeit 36,50 € monatlich, rückwirkend
und laufend über den 31. Dezember 2003 hinaus auch ab 1. Januar 2004 zu be-
willigen.
- 7 -
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält an den angefochtenen Bescheiden fest, auf die sie inhaltlich verweist.
Die Notwendigkeit der Methadon-Abgabe/-Einnahme vor Ort ergebe sich hier letztlich
nicht aus zwingenden medizinischen Gründen, sondern entspreche allein rechtlichen
Vorgaben.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des jeweiligen weiteren Vorbrin-
gens der Beteiligten, wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte; ebenso wird
Bezug genommen auf den in der Sache S-12/KR-950/04 ER beigezogenen Verwaltungs-
vorgang der Beklagten, dessen wesentlicher, den vorliegenden Rechtsstreit betreffender
Inhalt gleichfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, in der die Kammer die
Klägerin zum Sachverhalt nochmals befragt hat.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht vor dem zuständigen
Gericht erhoben worden (§§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die Klage ist sodann auch begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Die Klägerin hat über den 31. Dezember
2003 hinaus für die Zeit ab 1. Januar 2004 und damit auch auf der Grundlage der inso-
weit seit 1. Januar 2004 geänderten Gesetzeslage Anspruch auf Erstattung der Fahrtkos-
ten, die ihr durch die zu Lasten der Beklagten durchgeführte Substitutions-Behandlung
entstehen, wobei es sich wiederum auf der Grundlage von wöchentlich anfallenden vier
Hin- und Rückfahrten bei den Kosten der o.a. Monatskarte gegenüber den Kosten für
entsprechende Einzelfahrkarten um die insoweit kostengünstigste Übernahme von Fahrt-
kosten handelt. Entgegen der Beklagten und dem MDK sieht die Kammer bei alledem die
Voraussetzungen für eine Fahrtkostenübernahme auf der Grundlage von § 8 der Kran-
kentransport-Richtlinien als gegeben an.
Nach § 60 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in der
bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung übernahmen die Krankenkassen nach Maß-
- 8 -
gabe der in Abs. 2 und 3 genannten Voraussetzungen Kosten für Fahrten einschließlich
der Transporte nach § 133, wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Kranken-
kasse notwendig waren. Welches Fahrzeug benutzt werden konnte, richtete sich nach
der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall. Insoweit listete § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB V
schließlich die privilegierten Fahrten auf, deren Kosten zu übernehmen waren, Satz 2
bestimmte, dass die Krankenkasse darüber hinaus aber auch im Übrigen die Fahrtkosten
übernahm, wenn der Versicherte durch sie entsprechend § 61 SGB V unzumutbar be-
lastet war. Aus letzterem leitete sich schließlich der Fahrtkostenanspruch der Klägerin bis
31. Dezember 2003 ab, wobei § 60 Abs. 3 SGB V dann aber wiederum auch regelte,
welche Kosten im Einzelfall übernommen wurden und insoweit die Rangfolge der in An-
spruch zu nehmenden Transportmittel nach der Notwendigkeit festlegte. Insoweit wurden
nur die Kosten des im Einzelfall wirtschaftlichsten Transportmittels übernommen. Nahm
der Versicherte ein teureres Transportmittel in Anspruch, hatte er die Mehrkosten selbst
zu tragen. Sie wurden insoweit weder über die Sozialklausel des § 61 SGB V, noch die
Überforderungsregelung des § 62 SGB V übernommen. Insoweit folgte aus § 60 Abs. 3
Nr. 1 SGB V, dass vorrangig regelmäßig verkehrende öffentliche Verkehrsmittel zu be-
nutzen waren, wobei sich die Leistungspflicht auf den die geringsten Kosten verursa-
chenden Fahrpreis beschränkte. Kosten für Taxen und Mietwagen wurden nach § 60
Abs. 3 Nr. 2 SGB V nur dann übernommen, wenn ein öffentliches Verkehrsmittel nicht
benutzt werden konnte. Maßgebend für letzteres konnten medizinische oder auch andere
Gründe, z.B. fehlende Verkehrsanbindungen, sein, wobei die medizinische Notwendigkeit
durch eine ärztliche Bescheinigung nachzuweisen war. Die Kostenerstattung bei Benut-
zung eines privaten Kfz regelte sodann § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V, wobei zur Notwendig-
keit schließlich auch insgesamt gehörte, dass grundsätzlich nur die Fahrtkosten vom je-
weiligen Aufenthaltsort zur nächst erreichbaren Behandlungsmöglichkeit und zurück er-
stattet werden konnten. Die freie Arzt- bzw. Behandlerwahl wurde insoweit nicht einge-
schränkt. Dies nicht nur deshalb, weil der Versicherte nach wie vor nur unter den nächst
erreichbaren Ärzten bzw. Behandlern wählen konnte, sondern das Gesetz dem Versi-
cherten aus Gründen der Wirtschaftlichkeit ohnehin nur eine eingeschränkte diesbezügli-
che Wahlfreiheit einräumte, was zumindest dann galt, wenn neben der ärztlichen bzw.
nichtärztlichen Leistung selbst weitere erstattungsfähige Kosten entstanden.
Mit der o.a. Gesetzesänderung zum 1. Januar 2004 wurde schließlich § 60 Abs. 1 SGB V
in Satz 3 dahingehend erweitert, dass die Krankenkassen seither Fahrtkosten zu einer
ambulanten Behandlung nur noch nach vorheriger Genehmigung in besonderen Aus-
nahmefällen sowie unter Berücksichtigung eines sich aus § 61 Satz 1 SGB V ergebenden
Eigenanteils übernehmen, wobei die vorgenannten Ausnahmefälle vom Gemeinsamen
Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V festzulegen
- 9 -
sind. Im Übrigen ist es durch die Gesetzesänderung zum 1. Januar 2004 zumindest vom
Grundsatz her bei den bis 31. Dezember 2003 geltenden Regelungen verblieben, wobei
der Gemeinsame Bundesausschuss die vorgenannten Ausnahmefälle für Krankenfahrten
zur ambulanten Behandlung zwischenzeitlich in § 8 der Krankentransport-Richtlinien und
dabei im oben aufgezeigten Umfang festgelegt hat.
Entgegen der Beklagten und dem MDK stellt dabei die Methadon-Substitution der Kläge-
rin nach Auffassung der Kammer auch einen Ausnahmefall im Sinne dieser Richtlinien
dar, wobei die Kammer die rechtliche Verbindlichkeit der Richtlinien in der vorliegenden
Fallgestaltung insgesamt dahingestellt sein lässt, da die Kammer die o.a. Voraussetzun-
gen des § 8 Abs. 2 der Richtlinien bereits selbst als erfüllt ansieht. Nicht nur - wovon
selbst Beklagte und MDK ausgehen – wird die Klägerin hier mit einem durch ihre Grund-
erkrankung vorgegebenen Therapieschema behandelt, das eine hohe Behandlungsfre-
quenz über einen längeren Zeitraum aufweist, auch insbesondere der zu dieser Behand-
lung führende Krankheitsverlauf beeinträchtigt zur Überzeugung der Kammer die Kläge-
rin in einer Weise, dass eine Beförderung der Klägerin auf der Grundlage der Entfernung
von ihrer Wohnung zum Behandlungsort zur Vermeidung von Schaden an Leib und Le-
ben unerlässlich ist. Wenn Beklagte und MDK hier die Substitutionsbehandlung auf eine
reine Medikamentenabgabe reduzieren, ist dies für die Kammer nicht nur unverständlich
und nicht nachvollziehbar, insbesondere Inhalt, Umfang und Art und Weise der substituti-
onsgestützten Behandlung Opiatabhängiger nach den o.a. Richtlinien, ausweislich derer
sich diese Behandlung gerade nicht allein auf die Abgabe des Substituts beschränkt,
bleiben hier vollkommen unbeachtet, ohne dass es insoweit darauf ankommen kann, ob
die über die Abgabe des Substituts hinausgehenden Behandlungsmaßnahmen zu Lasten
der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden. Entscheidend abzustellen ist
vielmehr darauf, dass das alleinige Auswechseln des Opiats durch ein Substitutionsmittel
gerade keine geeignete Behandlungsmethode darstellt und von der Leistungspflicht der
gesetzlichen Krankenversicherung nicht umfasst wird und die Substitution allein und ü-
berhaupt erst im Rahmen eines umfassenden Behandlungskonzepts erfolgt, das erfor-
derliche begleitende psychiatrische und/oder psychotherapeutische Behandlungs- oder
psychosoziale Betreuungs-Maßnahmen mit einbezieht. Allein in diesem Gesamtzusam-
menhang kann die Substitution als solche gesehen werden, wobei sie zur Überzeugung
der Kammer dann auch unter die Ausnahmefälle des § 8 Abs. 2 der Krankentransport-
Richtlinien zu subsumieren ist. Im Falle der Klägerin über die vorstehenden Ausführun-
gen zusätzlich auch deshalb, weil, nachdem die Substitution seit ca. vier Jahren erfolgt,
dann, wenn sie richtlinienkonform erfolgt, wohl auch die Voraussetzungen für eine unbe-
fristete Substitution vorliegen dürften. Im Übrigen vermag die Kammer insoweit auf der
Grundlage ihrer langjährigen Erfahrungen mit Rechtsstreiten, die die Behandlungsnot-
- 10 -
wendigkeit gerade auch Opiatabhängiger zu Lasten der gesetzlichen Krankenversiche-
rung zum Inhalt haben, insoweit keinen Grund zu erkennen, warum hier eine Vergleich-
barkeit mit den weiteren o.a. Erkrankungen, die die Beklagte selbst als Ausnahmefälle
unter § 8 Abs. 2 der Krankentransport-Richtlinien subsumiert, nicht gegeben sein soll.
Dass sich die Behandlung als solche schließlich auch auf der Grundlage bzw. nach Vor-
gaben der BtVV zu vollziehen hat, ändert an alledem nichts. Durch diesen lediglich recht-
lichen Rahmen wird der medizinische Inhalt der Substitutionsbehandlung als vertrags-
ärztlicher Behandlung nicht berührt. Wenn die o.a. Stellungnahme des MDK insoweit eine
grundsätzliche Bewertung der Substitutionsbehandlung als vertragsärztlicher Behandlung
beinhalten sollte, kommt dem MDK eine solche Stellungnahme nicht zu, da die der Sub-
stitutionsbehandlung zu Grunde liegenden Richtlinien nicht nur die Beklagte, sondern
auch den MDK binden und sowohl Aufgabe der Beklagten als auch des MDK allein eine
Überwachung der richtlinienkonformen Substitutionsbehandlung im Einzelfall sein kann.
Dass die o.a. Stellungnahme des MDK darüber hinaus gerade auch keine einzelfallbezo-
gene Betrachtung beinhaltet, also losgelöst von der jeweiligen individuellen Krankheitssi-
tuation der Patienten erfolgt, entwertet sie und macht sie insoweit auch aus diesem
Grund hier nicht im Sinne der Beklagten nutzbar.
Der Klage war nach alledem im ausgeurteilten Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Der gesonderten Entscheidung über eine Zulassung der Berufung bedurfte es nicht,
nachdem hier die Gewährung von Dauerleistungen im Streit steht. Berufungsausschlie-
ßungsgründe vermochte die Kammer insoweit nicht zu erkennen.
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SG MD, S 11 AS 1370/07 ER vom 13.08.2007, Sozialgericht Magdeburg
anselmf
SOZIALGERICHT MAGDEBURG
Aktenzeichen:
S 11 AS 1370/07 ER
BESCHLUSS
in dem Verfahren
- Antragsteller —
gegen
— Antragsgegner —
Die 11. Kammer des Sozialgerichts Magdeburg hat am 13. August 2007 durch den
Vorsitzenden beschlossen:
Der Antragsgegner wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet,
dem Antragsteller vorläufig für die Monate Juli 2007 bis September 2007,
längstens bis zum Abschluss der stationären Behandlung der Antragstellerin,
einen Zuschuss zu den Fahrkosten in Höhe von 100 € monatlich zu zahlen.
Der Antragsgegner hat den Antragstellern die notwendigen außergerichtlichen
Kosten zu erstatten.
Gründe:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung zusätzlicher Leistungen zu den Grundsiche-
rungsleistungen für Arbeitsuchende (Arbeitslosengeld ll).
Die Antragsteller sind verheiratet. Sie beziehen seit November 2005 Arbeitslosengeld ll. Die
Antragstellerin wurde seit dem Jahr 2006 wegen akuter Herz- und Lungenprobleme (rechts-
seitige Herzlastigkeit und dilatative Kardiomyopathie) behandelt. Seit dem 20. März 2007
wird die Antragstellerin im Herzzentrum B. stationär versorgt. Am 13. April 2007 wurde ihr ein
Kunstherz mit einem mobilen Antriebssystem (Typ Cardiowest) implantiert. Der Antragsteller
hielt sich in diesem Zeitraum für mehrere Tage in B. auf. Mit Schreiben vom 16. April 2007
erklärte eine Diplom Psychologin vom Deutschen Herzzentrum B., die Antragstellerin leide
an einer subdepressiven Stimmung. Die Anwesenheit des Ehemannes erscheine zur Stabili-
sierung des Gesundheitszustandes als sehr wichtig. Am 24. April 2004 beantragte er bei der
AOK die Übernahme der Fahrkosten nach B. und der Übernachtungskosten in B.. Die AO-
bewilligte als „Einzelfallentscheidung“ die
Übernahme der Fahrkosten nach B. und einen Zuschuss von 150 € für die Übernachtung,
insgesamt 330 €. Sie wies daraufhin, der Antragsteller müsse sich an das Herzzentrum B.
wenden, wenn es Besuchsfahrten weiterhin als medizinisch notwendig erachte. Diese Kos-
ten seien den Leistungen der Krankenhausbehandlung zuzurechnen.
Der Antragsgegner bewilligte mit Bescheiden vom 21. und 25. Juni 2007 Leistungen von Juli
2007 bis Dezember 2007. Die Leistungen für Unterkunft und Heizung begrenzte er auf die —
seiner Ansicht nach — angemessenen Kosten. Wegen der stationären Behandlung der An-
tragstellerin berücksichtigte er außerdem eine häusliche Ersparnis im Bereich der Verpfle-
gung, die er als Einkommen in Höhe von 35 vom Hundert der maßgeblichen Regelleistung
bedarfsmindernd anrechnete. Die Antragsteller legten am 2. Juli 2007 Widerspruch gegen
die Anrechnung der Verpflegung als Einkommen und die Absenkung der Kosten für Unter-
kunft und Heizung ein. Außerdem beantragten sie eine zusätzliche monatliche Leistung in
Höhe von 100 €. Zur Begründung trugen sie vor, der Krankenhausaufenthalt der Antragstel-
lerin verursache zusätzliche Kosten.
Am 4. Juli 2007 haben die Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz ersucht. Der An-
tragsgegner hat mit Bescheid vom 6. Juli 2007 unter dem Vorbehalt der Rückforderung die
Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten bewilligt und häusliche Einsparungen nicht
mehr bedarfsmindernd berücksichtigt. Die Antragsteller haben das Verfahren insoweit für
erledigt erklärt.
An ihrem weiteren Begehren halten sie fest. Sie tragen zur Begründung ergänzend vor, die
monatlich zusätzlich benötigte Leistung beruhe auf Mehrkosten, die wegen des Kranken-
hausaufenthalts der Antragstellerin entstünden. Die ärztliche Behandlung werde weiterhin in
B. durchgeführt, voraussichtlich bis zum Ende dieses Jahres. Eine Versorgung am Wohnort
oder in der näheren Umgebung sei auszuschließen, die Antragstellerin sei für eine Herz-
transplantation vorgesehen. Der Antragsteller müsse täglich fünf Euro für die Fahrten in B.
aufwenden. Die Antragstellerin benötige wegen des vergrößerten Bauchs und des schlanke-
ren Oberkörpers in der nächsten Zukunft eine komplette Neueinkleidung. Zudem fielen Über-
nachtungskosten wegen des notwendigen Aufenthalts des Antragstellers in B. an. Einen An-
trag auf Übernahme dieser Aufwendungen hätten sie bei dem Herzzentrum B. nicht gestellt.
Ein Mitarbeiter habe in einem persönlichen Gespräch dem Antragsteller davon abgeraten.
Demnächst fielen auch wieder zusätzliche Telefonkosten in Höhe von zwei Euro täglich an.
Die Antragsteller beantragen (sinngemäß),
den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihnen zusätzliche Leistungen in Höhe von
100 € monatlich zu zahlen.
Die Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, die Antragsteller hätten keinen Anspruch auf zusätzliche Leistungen. Er
habe den besonderen Umständen bereits Rechnung getragen und den Geldeswert der Ver-
pflegung während des stationären Aufenthalts unberücksichtigt gelassen.
Der Antragsteller hat als Nachweis seiner Aufwendungen in Höhe von 10 € je Übernachtung
in B. Quittungen für verschiedene Zeiträume zwischen dem 20. März 2007 und 26. Juli 2007
vorgelegt.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Antragsgegner haben vorgelegen und waren
Gegenstand der Entscheidung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf deren
Inhalt verwiesen.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist zulässig und begründet.
Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG kann, soweit ein Fall des Absatz 1 nicht vorliegt, das Ge-
richt der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegens-
tand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zu-
stands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich er-
schwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur
Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig,
wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, § 86 b
Abs. 2 Satz 2 SGG (Regelungsanordnung).
Der Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung ist statthaft. Die Antragsteller begehren
(nur noch) eine vorläufige Entscheidung über ihren Antrag auf Verpflichtung des Antrags-
gegners, zusätzliche Leistungen in Höhe von 100 € monatlich zu gewähren. Damit zielen sie
auf die Erweiterung ihrer Rechtsposition. Da sie sich nicht gegen eine belastende Entschei-
dung wenden, mit dem Ziel, deren Wirkung vorübergehend zu suspendieren, liegt auch kein
Fall des § 86 b Abs. 1 SGG vor.
Der Antrag ist auch begründet.
Ein Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung ist begründet, wenn ein Anordnungsan-
spruch und ein Anordnungsgrund vorliegen. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn das
materiell-rechtliche Begehren, dessen vorläufige Verwirklichung und Sicherung der Rechtsu-
chende begehrt, mit überwiegender Wahrscheinliche begründet ist. Das Gericht entscheidet
hierüber auf Grund einer summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache
oder auf der Grundlage einer umfassen Folgen- und Güterabwägung. Die zugrunde liegen-
den Tatsachen sind gemäß 5 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit 5 920 Abs. 2 Zivil-
prozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen. Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn besonde-
re Gründe eine vorläufige Entscheidung in einem gerichtlichen Eilverfahren erfordern.
Die Antragsteller haben nach den Regelungen des Sozialgesetzbuch Zweites Buch — Grund-
sicherung für Arbeitsuchende (SGB ll) keinen Anspruch auf einen pauschalen monatlichen
Zuschuss von 100 € (1.). Allerdings hält die Kammer nach dem Ergebnis der summarischen
Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache und einer Folgenabwägung einen Anspruch
des Antragstellers auf einen Zuschuss zu den Fahrkosten für den Besuch im Herzzentrum B.
gemäß § 73 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch — Sozialhilfe (SGB XII) für überwiegend
wahrscheinlich (2.).
1.
Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf eine Erhöhung der pauschalierten Regelleis-
tung. Das Arbeitslosengeld II setzt sich zusammen aus der Regelleistung nach ä 20 SGB ll
und den angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung nach ä 22 Abs. 1 SGB ll. Die
Regelleistung dient der Sicherung des Lebensunterhalts und ist pauschaliert. Eine davon
abweichende Festlegung ist gemäß 5 3 Abs. 3 Satz 2 SGB II ausdrücklich ausgeschlossen.
Dies steht auch einem (Dauer-)Darlehen in Höhe von 100 € monatlich gemäß 5 23 Abs. 1
SGB II entgegen. Hiernach kann im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster nach
den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts durch die Ge-
währung eines Darlehens gedeckt werden. Die Antragsteller begehren hier eine zusätzliche
Leistung für einen monatlich wiederkehrenden Bedarf. Dieser kann nach der Regelungssys-
tematik des SGB II nicht unter Rückgriff auf ä 23 Abs. 1 SGB ll gedeckt werden. Ein Darle-
hen ist gemäß 5 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II durch Aufrechnung gegen die Leistungsansprüche
in der Folgezeit zu tilgen. Damit wird die darlehensweise Deckung eines wiederkehrenden
Bedarfs zu einer Dauerbelastung in der Zukunft. Den Auswirkungen der monatlichen Auf-
rechnung kann zwar durch Erlass nach 5 44 SGB ll entgegnet werden. Das führte im Ergeb-
nis jedoch zu einer Umgehung der mit 5 3 Abs. 3 Satz 2 SGB II ausgeschlossen Erhöhung
des Regelsatzes (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 7. November 2006, Az: B 7b
AS 14/06 R, SozR 4-4200, ä 20, Nr. 1, m.w.N.).
Höhere bzw. zusätzliche Leistungen sind im Leistungsbereich des SGB ll ansonsten nur
nach Maßgabe der §§ 21 Abs. 2 bis 5 und 23 Abs. 3 SGB lI möglich.
Die Voraussetzungen für zusätzliche Leistungen zum Ausgleich eines besonderen Mehrbe-
darfs im Sinne des 5 21 Abs. 2 bis 5 SGB ll erfüllen die Antragsteller jedoch nicht. Keiner der
dort geregelten Fälle (Mehrbedarf für werdende Mütter, für Alleinerziehende, für behinderte
Menschen, die Eingliederungsleistungen in Anspruch nehmen oder für eine krankheitsbe-
dingte kostenaufwändige Ernährung) liegt hier vor.
Nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II könnte lediglich die in Folge der Operation notwendig gewor-
dene Erneuerung der Garderobe einen Anspruch auf Leistungen für die Erstausstattung be-
gründen. Ob ein solcher besteht, kann allerdings dahinstehen. Es fehlt insoweit an einem
Anordnungsgrund für eine vorläufige gerichtliche Entscheidung. Ein Anordnungsgrund liegt
vor, wenn es dem Rechtsuchenden unter Abwägung seiner sowie der Interessen Dritter und
des öffentlichen Interesses nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Es
müssen erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Nachteile drohen, die nicht mehr mit
einer Entscheidung in der Hauptsache beseitigt werden können. Das setzt zumindest eine
gegenwärtige, dringliche Notlage voraus. Daran fehlt es hier. Die Antragsteller haben vorge-
tragen, dass die neue Kleidung erst in der Zukunft benötigt wird.
Auch im Wege einer weiteren Einzelbetrachtung der benannten Mehrkosten kann die Kam-
mer keinen Anspruch auf zusätzliche Leistungen nach dem SGB ll feststellen. lm Einzelnen
haben die Antragsteller zusätzlichen Aufwendungen für die tägliche Fahrt in B. zum Kran-
kenhaus, für die Pendelfahrten von B. nach B., für das Telefonieren, für die Garderobe der
Antragstellerin und für die Übernachtung in B. angegeben.
Die Fahrkosten in B. sind aus dem Regelsatz zu finanzieren. Insoweit kann der Antragsteller
nicht anders behandelt werden, als Leistungsempfänger, die in B. wohnen. Das gilt auch für
die Telefonkosten. Eine abweichende Festlegung wegen 5 3 Abs. 3 Satz 2 SGB ll ist nicht
möglich (s.o). Der darlehensweise Übernahme der Fahrkosten nach B. gemäß § 23 Abs. 1
SGB ll stehen die oben ausgeführten Erwägungen gegenüber.
Die zusätzlichen Übernachtungskosten des Antragstellers in B. können schließlich auch nicht
als Kosten der Unterkunft im Sinne des ä 22 Abs. 1 SGB II berücksichtigt werden. Die Leis-
tungen nach ä 22 Abs. 1 SGB ll sollen den Grundbedarf Wohnen sichern. Das ist mit der
Übernahme der Kosten für eine Unterkunft erreicht. Es überstiege den Regelungszweck,
Aufwendungen für weitere Unterkünfte als Bedarf zu berücksichtigen, selbst wenn sie auf-
grund besonderer Umstände erforderlich sind. Werden Leistungen für eine bedarfsgerechte,
menschenwürdige Unterkunft erbracht, ist dieser Bedarf gedeckt.
Nach alledem enthält das SGB ll keine geeignete Anspruchsgrundlage für eine monatliche
Pauschale von weiteren 100 €.
2.
Der Antragsteller hat jedoch sehr wahrscheinlich gemäß ä 73 Sozialgesetzbuch Zwölftes
Buch — Sozialhilfe (SGB Xll) einen Anspruch auf einen Zuschuss zu den Fahrkosten für ei-
nen wöchentlichen Krankenbesuch in Berlin. Hiernach können Leistungen als Beihilfe oder
Darlehen in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel
rechtfertigen. Diese Regelung findet nur in engen Grenzen Anwendung. Es handelt sich nicht
um eine allgemeine Auffangregelung für Leistungsempfänger des SGB ll. Der Bedarf muss
zu den persönlichen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören, der eine den Regel-
satz für laufende Leistungen übersteigende einmalige oder laufende Leistung erforderlich
macht und den Einsatz weiterer öffentlicher Mittel rechtfertigt. Es ist eine besondere Bedarfs-
lage erforderlich, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den 55 47 bis 74 SGB Xll gere-
gelten Bedarfslagen aufweist (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az: B 7b AS 14/06,
SozR 4-4200, 5 20, Nr. 1 m.w.N.).
Das ist hier der Fall. Die Antragsteller befinden sich in einer besonderen Lebenslage. Die
Antragstellerin lebt vorübergehend mit einem künstlichen Herz und wartet auf ein Spender-
organ. Das macht eine Behandlung in dem ca. km entfernt liegenden B. erforderlich. Da-
mit sind zusätzliche Kosten zumindest für den Besuch im Krankenhaus verbunden. Die
Fahrkosten für den Besuch des erkrankten Ehegatten gehören zum persönlichen Lebensbe-
darf, der aus dem Regelsatz gedeckt werden muss. Das ergibt sich aus der Verordnung zur
Durchführung des § 28 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch — Sozialhilfe (Bundesgesetzblatt
[BGBL] 2004, Teil l, S. 1067; im Folgenden: Regelsatzverordnung). Diese kann für die Be-
stimmung der Zusammensetzung der Regelleistung herangezogen werden. Darauf lässt der
Verweis auf 5 28 Abs. 3 Satz 5 SGB Xll in 5 20 Abs. 3 SGB ll schließen (vgl. auch Bundes-
tagsdrucksache [BT—Drs.] 15/1516, S. 56). Nach 5 2 Abs. 2 Nr. 6 der Regelsatzverordnung
wurden bei der Bestimmung des Eckregelsatzes Aufwendungenfür den Verkehr berücksich-
tigt. Jedoch fallen hier Kosten in einer Höhe an, die der Verordnungsgeber nicht als regel-
satzrelevant berücksichtigt hat. Die Aufwendungen für die Nutzung von Verkehrsdienstleis-
tungen sind mit einem Anteil von 14,03 € (11,04 € und 2,99 €) im Regelsatz eingerechnet
(vgl. Drucksache des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages,
[BT—ADrs.] 16[11]286 vom 15. Juni 2006, S. 13). Für eine Bahnfahrt von B. nach B. fallen
hingegen — ohne Bahncard — Kosten in Höhe von 31,30 € an (Reiseauskunft der Deutschen
Bahn, www.bahn.de). Diese Kosten könnten zwar mit einem Umzug nach B. vermieden wer-
den. Die Aufgabe des bisherigen Lebensmittelpunktes erscheint jedoch unverhältnismäßig.
Die stationäre Behandlung ist zeitlich begrenzt bis voraussichtlich Ende dieses Jahres. Auch
dürfte die Rückkehr in das vertraute Wohnfeld, mit den gewohnten sozialen Bindungen nach
einer erfolgreichen Transplantation förderlich für den weiteren Heilungsverlauf sein. Schließ-
lich sind mit dem Umzug Kosten verbunden, die möglicherweise die Aufwendungen für Be-
suchsfahrten nach B. übersteigen.
Diese besonderen Umstände rechtfertigen den Einsatz weiterer öffentlicher Mittel. Allerdings
ist nach Ansicht der Kammer zu berücksichtigen, dass aufgrund der Verpflegung im Kran-
kenhaus Mittel aus dem Regelsatz der Antragstellerin erspart werden. Diese muss der An-
tragsteller für die Fahrkosten einsetzen. Aufgrund der Pauschalierung des Regelsatzes ist
eine derartige Umschichtung nicht benötigter Mittel möglich. Das führt auch nicht zu einer
verdeckten Kürzung des Regelsatzes oder einer Anrechnung der Verpflegungsleistungen als
Einkommen. Die Leistung wird weiterhin ungekürzt ausgezahlt. Es wird nur verlangt, den
Anteil des Regelsatzes für den Ausgleich eines erhöhten Bedarfs wegen besonderer Um-
stände zu verwenden, der gerade aufgrund der besonderen Umstände erspart wird. Das ist
zumutbar und belastet die Antragstellerin nicht. Die ersparten Mittel werden zudem für einen
regelsatzrelevanten Bedarf verwendet. Dabei berücksichtigt die Kammer auch, dass das
Arbeitslosengeld ll ein Individualanspruch ist. Es ist der Antragstellerin als Inhaberin des An-
spruchs jedoch zumutbar, sich an den Fahrkosten zu beteiligen und den ersparten Teil ihrer
Regelleistung insoweit ihrem Ehemann zur Verfügung zu stellen. Da die Antragstellerin be-
reits seit März 2007 stationär behandelt wird, ist sie nicht mehr mit der Zuzahlung von 10 €
täglich gemäß § 61 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch — Gesetzliche Krankenversiche-
rung (SGB V) belastet. Diese ist auf 28 Tage innerhalb eines Kalenderjahres beschränkt,
5 39 Abs. 4 Satz 1 SGB V.
Hiernach ist ein Anteil von (gerundet) 127 € und ein weiterer Betrag von (gerundet) 14 €‚
zusammen 141 € auf die durchschnittlich im Monat zu erwartenden Fahrkosten anzurech-
nen. Nach 5 2 Abs. 2 Nr. 1 der Regelsatzverordnung enthält die Regelleistung einen Anteil
von 96 vom Hundert der in der Abteilung 01 und O2 der Einkommens- und Verbrauchsstich-
probe 2003 erfassten Verbrauchsangaben für Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren u.Ä.
Das ergibt einen regelsatzrelevanten Gesamtbetrag von 127,31 € (BT—ADrs. 16[11]286,
S. 8). Dieser Betrag ist zusammen mit dem regelsatzrelevanten Anteil für Verkehr (14,03 €)
für die Besuchsfahrten zur Antragstellerin aufzuwenden. Es ergibt sich eine Summe von
141‚34 €, gerundet 141 €. Eine einfache Bahnfahrt von B. nach B. kostet 31,30 € (Reiseaus-
kunft der Deutschen Bahn, www.bahn.de). Unter Berücksichtigung der Rückfahrt werden im
Monat durchschnittlich 271,27 € anfallen (31,30 x 2 = 62.60 € x 13 Wochen / 3 Monate), ab-
züglich der 141 € verbleiben (gerundet) 130 €. Da die Antragsteller nur einen Betrag von 100
€ benötigen, ist das Gericht in seiner Tenorierung auf diesen beschränkt, § 123 SGG.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass ä 73 SGB Xll dem Leistungsträger ein Ermessen
einräumt. Dem Gericht ist es versagt, an Stelle der Verwaltung eine eigene Ermessensent-
scheidung zu treffen. Es ist darauf beschränkt, die Entscheidung der Behörde auf Ermes-
sensfehler (Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung, Ermessensfehlgebrauch)
zu überprüfen und die Behörde gegebenenfalls zur Neubescheidung des Antrags zu ver-
pflichten, ä 54 Abs. 2 Satz 2 SGG. Eine Verpflichtung zur Stattgabe des Antrags könnte es
nur aussprechen, wenn Umstände vorliegen, aufgrund derer diese Entscheidung die einzig
richtige ist. Davon geht die Kammer nach dem Ergebnis einer Abwägung der widerstreiten-
den Interessen aus. Dabei ist die besondere Situation der Antragsteller ein gewichtiges Indiz
für deren überwiegendes Interesse. Die Antragstellerin befindet sich in einer sehr kritischen
Lebensphase. Der Krankenbesuch muss dem Ehegatten ermöglicht werden. Ihm stehen
jedoch nur die begrenzten Mittel der Regelleistung nach dem SGB ll zur Verfügung. Diese
genügen nicht, um die Aufwendungen zu decken. Ein weiteres Abwarten bis zu einer Ermes-
sensentscheidung der Sozialverwaltung und einer etwaigen nachgehenden gerichtlichen
Kontrolle ist nicht zumutbar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der weitere Zeitablauf die
Entscheidung durchaus endgültig erledigen kann und der verfassungsrechtlich garantierte
Rechtsschutz (Art 19 Abs. 4 Grundgesetz) zu spät käme. Demgegenüber müssen die wirt-
schaftlichen Interessen des Antragsgegners an der Vermeidung möglicherweise zu Unrecht
gezahlter Leistungen zurücktreten. Ohnedies steht die vorläufige Verpflichtung der Zahlung
des Zuschusses unter dem Vorbehalt der Entscheidung in der Hauptsache. Im Falle des Un-
terliegens muss der Antragsteller mit einer Erstattung der Leistung rechnen.
Ob der Antragsgegner die Leistungen als Zuschuss oder als Darlehen gewährt, steht gemäß
5 73 Satz 2 SGB XII in seinem Ermessen.
Einen Anspruch auf einen Zuschuss zu den Übernachtungskosten hat der Antragsteller vor-
aussichtlich nicht gemäß 5 73 SGB XII. Die Kammer hält eine besondere Bedarfslage nur
hinsichtlich der Fahrkosten nach B. für gegeben. Die Anwesenheit des Antragstellers vor Ort
aus medizinischen Gründen erscheint nach seinem Vortrag nicht mehr erforderlich. Das
Schreiben des Krankenhauses mit dem dies zunächst dargelegt wurde, stammt vom 16. Ap-
ril 2007. Auf Nachfrage des Gerichts vom 19. Juli 2007, ob der Antragsteller sich wegen der
Übernachtungskosten aus medizinischen Gründen an das Herzzentrum B. gewandt habe,
erklärte dieser, ihm sei in einem persönlichen Gespräch von einem Mitarbeiter des Herzzent-
rums davon abgeraten worden. Dies spricht gegen die weitere medizinische Notwendigkeit.
Sollte gleichwohl eine medizinische Notwendigkeit bestehen, würde es sich wahrscheinlich
um eine allgemeine Krankenhausleistung im Sinne des 5 2 Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes über
die Entgelte für voIl- und teilstationäre Krankenhausleistungen (KHEntgG) handeln. Diese
erhält der Rechtsträger des vorleistenden Krankenhauses nach Maßgabe des ä 109 Abs. 4
-10-
SGB V in Verbindung mit dem Vertrag über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbe-
handlung nach 5 112 Abs. 2 SGB V vergütet.
Der Anordnungsgrund ergibt sich bereits aus den vorhergehenden Ausführungen. Die An-
tragsteller befinden sich in einer dringlichen Notlage. Es ist ihnen nicht zumutbar, eine Ent-
scheidung in der Hauptsache abzuwarten.
Der hiesige Antragsgegner kann unmittelbar zur Leistung nach 5 73 SGB Xll verpflichtet
werden. Der Landkreis H. ist nach 55 1 und 3 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften
Buches Sozialgesetzbuch (GVBl. LSA, Nr. 3/2005, S. 8 ff.) örtlicher Träger der Leistungen
nach 5 73 SGB Xll.
Die Kammer beschränkt die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners auf zunächst drei
Monate (Juli bis September 2007). Der Antragsgegner wird noch über den Antrag auf Leis-
tungen nach 5 73 SGB Xll, der in dem formlosen Antrag der Antragsteller vom 2. Juli 2007
enthalten ist (5 16 SGB X), im Rahmen seines Ermessens entscheiden müssen. Der An-
tragsteller wird seinerseits die Fahrkosten nachweisen müssen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des 5 193
SGG.
-11-
Rechtsmittelbelehrung;
Gegen diesen Beschluss ist nach 5 172 Abs. 1 SGG die Beschwerde zum Landessozialge-
richt Sachsen-Anhalt möglich.
Die Beschwerde ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Beschlusses bei dem
Sozialgericht Magdeburg
Breiter Weg 203 - 206
39104 Magdeburg (Postfach 39 11 25, 39135 Magdeburg)
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle einzule-
gen.
Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Monatsfrist bei dem
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
im Justizzentrum Halle
Thüringer Straße 16
06112 Halle (Postfach 10 02 57, 06141 Halle)
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt
wird.
Hilft das Sozialgericht Magdeburg der Beschwerde nicht ab, so legt es diese dem Landessozi-
algericht Sachsen-Anhalt in Halle zur Entscheidung vor.
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LSG BRB, L 9 Kr 9/97 vom 24.09.1997, Landessozialgericht Berlin LSG
anselmf
Landessozialgericht Berlin
AZ.: L 9 Kr 9/97
S 76 Kr 421/95
Verkündet
am 24. September 1997
Im Namen des Volkes!
Urteil
in dem Rechtsstreit
als Urkundsbeamter
der Geschäfisstelle
Klägerin und Berufungsklägerin,
gegen
Barmer Ersatzkasse,
vertreten durch den Vorstand,
Untere Lichtenplatzer Str. 100-102, 42289 Wuppertal,
Beklagte und Berufungsbeklagte.
Der 9. Senat des Landessozialgerichts Berlin hat auf die mündliche Verhandlung vom
24. September 1997 durch den Vizepräsidenten des Landessozialgerichts L.
den Richter am Landessozialgericht L. und die Richterin am Sozialge-
richt K. sowie die ehrenamtlichen Richter S. und B.
für Recht. erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin
vom 8. August 1996 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufimgsverfahrens sind nicht zu er—
statten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
L 9 Kr 9/97 — 2 —
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Einsicht in alle von der beklagten Krankenkasse über sie im
Zeitraum von April 1992 bis November 1994 geführten Akten.
Die 1951 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert Sie beantragte mit
Schreiben vom 9. November 1994 und 12. Juli 1995 bei der Beklagten, ihr lückenlose
Einsicht in alle sie betreffenden Unterlagen der Beklagten zu gewähren, die sich auf den
Zeitraum von April 1992 bis zum 25. November 1994 bezogen. Die Beklagte teilte der
Klägerin mit Schreiben vom 3. August 1995 mit, daß die ihr vorliegenden Unterlagen
(Krankenakten) zusammengetragen worden seien und zur Einsichtnahme bereitlägen;
dazu gehörten auch die Abrechnungen und die abgerechneten Krankenscheine der
Arztpraxen Prof. Dr. Mr .‚ Dr. B. Frau R. Dr. Sch. sowie der
Praxis Dr. B: , Dr. W. - im III. und IV. Quartal 1994, die die Klägerin als behan-
delnde Ärzte benannt habe. Eine darüber hinausgehende Akteneinsicht lehnte die I
Beklagte mit Bescheid vom 24. August 1995 ab. Akteneinsicht könne nur in Unterla-
gen gewährt werden, die der Beklagten vorlagen. Es bestehe keine Verpflichtung für
die Beklagte, Unterlagen anderer Behörden beizubringen. Im übrigen könne eine
Einsichtnahme nur in die Abrechnungen der Ärzte ermöglicht werden, die ihr als
Behandler bekannt seien. Sofern ärztliche Behandlungen bei anderen Ärzten erfolgt
seien, lägen der Beklagten auch deren Abrechnungen vor. Diese Unterlagen seien aber
in umfangreichen Abrechnungsakten enthalten. Eine Auskunft über diese Unterlagen
werde in einem solchen Falle nur erteilt, soweit der Betroffene Angaben mache, die das
Auffinden der Daten ermögliche und wenn der für die Erteilung der Auskunft erforder-
liche Aufwand nicht außer Verhältnis zu dem von dem Betroffenen geltend gemachten
Informationsinteresse stehe.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin mit Schreiben vom 10. September 1995,
ergänzt durch ihre Schreiben vom 3. und 15. November 1995 Widerspruch, in dem sie
weitere Ärzte benannte, die sie behandelt, untersucht oder beraten hätten. Darüber
hinaus beziehe sich der Widerspruch aber vor allem auf Unterlagen über ärztliche
L 9 Kr 9/97 — 3 -
Tätigkeiten, die sie betrafen, aber ohne ihre Zustimmung erfolgt seien und betreffe
deshalb alle Berliner Ärzte, Krankenhäuser, Polikliniken, Universitätskliniken und
Krankentransportunternehmen.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 8. November 1995 mit, daß die zur
Einsichtnahme bereitstehenden Akten aufgrund ihrer zusätzlichen Angaben über behan—
delnde Ärzte vervollständigt worden seien Die Klägerin nahm am 30. November 1995
Einsicht in diese Akten und erhielt daraus auf ihren Wunsch Ablichtungen. Darüber
hinaus übermittelte ihr die Beklagte alle Daten, die über ihre Bildschirmlesegeräte
abrufbar waren durch Computerausdrucke.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 1996 wies der Widerspruchsausschuß der
Beklagten den Widerspruch der Klägerin im wesentlichen aus den Gründen des Aus-
gangsbescheides zurück. Ergänzend führte der Widerspruchsausschuß aus: Ein An—
spruch auf Einsichtnahme in die Abrechnungen der die Klägerin behandelnden Ärzte für
den Zeitraum April 1992 bis November 1994 bestehe nur insoweit, als die Behandler
benannt und die Abrechnungen nicht bereits vernichtet worden seien. Insoweit habe die
Klägerin volle Akteneinsicht erhalten und die Beklagte ihre Verpflichtung zur Gewäh-
rung von Akteneinsicht erfüllt. Darüber hinaus geltend gemachte Akteneinsichtsrechte
bestünden nicht. Dabei werde zur Klarstellung darauf aufmerksam gemacht, daß die
Abrechnungsunterlagen der Vertragspartner der Beklagten nicht mitgliedermäßig erfaßt
und gespeichert würden, sondern eine Zuordnung im Hinblick auf den Vertragspartner
erfolge. Ohne Nennung der betreffenden Vertragspartner sei es aber der Beklagten aus
tatsächlichen Gründen nicht möglich, die gewünschten Unterlagen herauszusuchen,
Gegen die Versagung der Akteneinsicht in dem gewünschten Umfang hat die Klägerin
am 30. Mai 1995 - zunächst in Form der Untätigkeitsklage - danach unter Einbezie—
hung der ablehnenden Bescheide Klage zum Sozialgericht erhoben. Zur Begründung
hat sie vorgetragen: Die begehrte Akteneinsicht sei nicht gewährt worden, da ihr nur
Unterlagen aus dem III. und IV. Quartal 1994 vorgelegt worden seien. Deshalb sei ihr
Klagebegehren nicht erledigt. Außerdem benötige sie den begehrten lückenlosen Ein—
blick in alle Unterlagen, die die Beklagte über sie über den Zeitraum von April 1992 bis
November 1994 in Akten führe oder geführt habe, um darauf hinwirken zu können, daß
L 9 Kr 9/97 – 4 —
ein unbekannter Nervenarzt seine Behauptung, sie sei seine Patientin, einstelle, um die
Umstände eines Selbsttötungsversuchs — insbesondere eine medikamentöse Beeinflus-
sung zur Selbsttötung — klären zu können, um Schäden eines bei ihr festgestellten, ohne
ihr Wissen und ihre Zustimmung durchgeführten Hypophyseanschnitts beseitigen zu
lassen und ein deswegen angestrengtes Strafverfahren gegen Unbekannt fördern zu
können, um eine Hormonstörung und einen Krebsverdacht angemessen behandeln zu
lassen und um weitere Behandlungen, die gegen ihren Willen vorgenommen würden, zu
verhindern.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. August 1996 abgewiesen. Sie sei
unzulässig, soweit die Klägerin bereits Akten bei der Beklagten eingesehen habe, weil
sie insoweit nicht mehr beschwert sei. Soweit die Klägerin Einsicht in bereits vernichte-
te Unterlagen verlange, sei die Klage unbegründet, Weil die Klägerin Unmögliches
verlange. Dies gelte auch für ihr Begehren, vernichtete Unterlagen wiederherstellen zu
lassen und diese Unterlagen ihr ebenfalls zugänglich zu machen. Auch soweit die die
Klägerin von der Beklagten verlange, generell in den Unterlagen von Ärzten und
sonstigen Leistungserbringern nachzuforschen, ob sich eventuell sie betreffende Akten-
teile dort fanden, sei die Klage unbegründet, denn insoweit fehle es. an einer entspre-
chenden Anspruchsgrundlage.
Gegen das ihr am 21. Dezember 1996 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23. Au-
gust 1996 Berufung eingelegt und zur Begründung ihr gesamtes Vorbringen aus dem
Verwaltungs- und erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren wiederholt und vertieft. Sie
ist der Auffassung, daß die Beklagte u.a. nach § 19 des Bundesdatenschutzgesetzes
- BDSG - den begehrten lückenlosen Einblick in alle vorhandenen und vorhanden
gewesenen, den Zeitraum April 1992 bis November 1994 betreffenden krankenver—
sicherungsrechtlichen Unterlagen gewähren müsse. Soweit-die Beklagte diese Unterla-
gen vernichtet habe, müsse sie sie unter Inanspruchnahme der kassenärztlichen Vertre-
tung und aller beibringbaren Abrechnungsunterlagen sonstiger Leistungserbringer
lückenlos auf ihre — der Beklagten — Kosten wiederherstellen und ihr innerhalb eines
Vierteljahres nach Urteilsverkündung ebenfalls lückenlos zur Einsichtnahme vorlegen.
L 9 Kr 9/97 – 5 —
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. August 1996 sowie den
Bescheid der Beklagten vom 24. August 1995 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 1996 aufzuheben und
die Beklagte zu verurteilen, ihr eine vollständige und lückenlose Ein—
sicht in alle sie betreffenden Krankenversicherungsunterlagen aus der
Zeit vom 1. April 1992 bis zum 25. November 1994 zu gewähren.
sowie die Beklagte zu verurteilen, die von ihr vernichteten, den oben
genannten Zeitraum betreffenden krankenversicherungsrechtlichen
Unterlagen der Klägerin (wieder) herzustellen und ihr Akteneinsicht
in diese Unterlagen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und beruft sich im wesentlichen auf den
Inhalt des angefochtenen sozialgerichtlichen Urteils.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird im übrigen auf
den Inhalt der Gerichtsakte sowie die den Antrag der Klägerin auf Akteneinsicht
betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen
haben und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht
abgewiesen. Die Entscheidung der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden, die
begehrte Einsicht auf die ihr noch vorliegenden Akten zu beschränken, für die die
Klägerin die behandelnden Ärzte benannt hat, ist nicht zu beanstanden. Denn die
Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf eine darüber hinausgehende,
lückenlose Einsicht in alle sie betreffenden Unterlagen der Beklagten hinsichtlich aller
Leistungserbringer fiir den Zeitraum April 1992 bis November 1994 unabhängig davon,
L 9 Kr 9/97 – 6 —
ob sie der Beklagten vorliegen oder vor einer Einsichtnahmeerst (wieder-) hergestellt
werden müßten.
1. § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch —SGB X— bietet für die streitige
Akteneinsicht in dem von der Klägerin begehrten Umfange keine Rechtsgrundlage
Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat die Behörde den Beteiligten Einsicht in die das
Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung
oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Danach besteht ein
Recht auf Akteneinsicht grundsätzlich nur für die Beteiligten eines Verwaltungsverfah-
rens während der Durchführung dieses Verwaltungsverfahrens (BSG SozR 3-1300
§ 25 SGB X Nr. 3, Schroeder-Printzen in Schroeder-Printzen u.a.‚ SGB X,
3. Auflage, § 25 Rdnr. 5, Kopp, VwVfG, 6. Auflage, § 29 Rdnr. 3). Begriff und
Dauer des Verwaltungsverfahrens sind dabei nach überwiegender Ansicht §§ 8, 18
SGB X zu entnehmen. Unter Verwaltungsverfahren ist nach § 8 SGB X nur eine
Behördentätigkeit zu verstehen, die auf die Prüfling der Voraussetzungen, die Vorbe—
reitung und den Erlaß eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluß eines öffentlich-
rechtlichen Vertrages gerichtet ist. Aus dieser Begrenzung ist zu schließen, daß die
Vorschriften des 2. Abschnittes (§§ 8 bis 30) SGB X nicht auf eine Verwaltungstätig-
keit zu beziehen sind, die auf den Erlaß von autonomen Rechtssätzen oder allgemeinen
Verwaltungsvorschriften oder schlichtes Verwaltungshandeln gerichtet ist (BSG SozR
3—1300 § 25 SGB X Nr. 3). Erst recht gilt dies in Fällen wie dem vorliegenden, in
dem sich ein Versicherter von seiner Krankenkasse durch eine Akteneinsicht Unterla-
gen vor allem zur Verfolgung privatrechtlicher, Ansprüche gegen Dritte oder zur
Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens beschaffen möchte. Für diese Fälle
ist ein Recht auf Akteneinsicht nach § 25 Abs. 1 SGB X nicht begründet. Diesen
Rechtszustand hat allerdings schon die Begründung des Regierungsentwurfs zu dem
insoweit übereinstimmenden § 29 Abs. 1 VwVfG (= § 25 des Entwurfs) für unbefrie—
digend. gehalten (BT—Drucksache 7/910 S. 52). Ob gegenüber der Absicht des Gesetz-
gebers, die Akteneinsicht zu begrenzen, eine erweiternde Auslegung in Betracht
kommt, ist nicht zu entscheiden. Denn die praktischen Folgen der einengenden gesetzli—
chen Regelung lassen sich dadurch mildern, daß sie nicht als abschließende Regelung
verstanden wird, so daß es im pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltung steht, darüber
zu befinden, ob sie auch im Bereich der oben näher beschriebenen ausgeschlossenen
L 9 Kr 9/97 — 7 —
Fälle Akteneinsicht gewährt (BT—Drucksache a.a.O.; BVerwGE 61, 15, 22). Dem hat
die Beklagte entsprochen, in dem sie der Klägerin die Möglichkeit eröffnet hat, Einsicht
in die noch vorhandenen Akten zu nehmen, die die benannten Leistungserbringer
betreffen. Die Entscheidung der Beklagten, Akten anderer Behörden - etwa der Kas—
senärztlichen Vereinigung Berlin - nicht beizuziehen, ist in diesem Zusammenhang
ebensowenig ermessensfehlerhaft wie ihre Weigerung, aus den ihr vorliegenden Ab-
rechnungsunterlagen anderer Leistungserbringer allein zum Zwecke der Akteneinsicht
der Klägerin eine einsichtsfähige Akte zu (re-) konstruieren. Im Rahmen des Rechts auf
Akteneinsicht nach § 25 SGB X besteht selbst für den Beteiligten eines Verwaltungs-
verfahrens weder ein Anspruch auf Beiziehung von Akten anderer Behörden (Kopp,
a.a.O. § 29 Rdnr. 6) noch auf Durchsicht, Prüfung und Bildung einer neuen Akte nach
abstrakten von ihm vorgenommenen Merkmalen (BSG a.a.O.). Denn das Recht auf
Akteneinsicht nach § 25 Abs. 1 SGB X beschränkt sich auf die der Behörde vorlie-
genden Verfahrensakten und die Möglichkeit des Versicherten, sich vom Inhalt dieser
Akten ohne weiteres Tätigwerden der Behörde Kenntnis zu verschaffen. Entsprechende
Beschränkungen des Akteneinsichtsrechts darf die Behörde erst recht außerhalb der
Regelung des § 25 SGB X ihrer Ermessensentscheidung zugrunde legen. Deshalb
kommt es in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob die Beklagte krankenver-
sicherungsrechtliche Unterlagen der Jahre 1992, 1993 und des I. und II. Quartals des
Jahres 1994 jedenfalls nach dem Antrag der Klägerin auf Akteneinsicht vom 9. No-
vember 1994 von der Vernichtung hätte ausschließen müssen. Bei der Entscheidung
dieser Rechtsfrage wäre aber zu beachten, daß die beklagte Krankenkasse nach § 305
Satz 1 SGB V in der hier im Hinblick auf den Zeitpunkt des Erlasses des Wider-
spruchsbescheides maßgeblichen Fassung des Artikel 1 Nr. 164 des Gesundheitsstruk—
turgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I, S. 266 [insoweit in Kraft getreten am
1. Januar 1996] vgl. BSG SozR 3-2500 § 295 SGB V Nr. 1) zur Auskunft über die
im jeweils letzten Geschäftsjahr in Anspruch genommenen Leistungen und deren
Kosten verpflichtet war, die eine Aufbewahrung der krankenversicherungsrechtlichen
Akten jedenfalls für die Jahre 1993 und 1994 hätte erforderlich machen können. Das
SGB V und das SGB X normieren andererseits eine Aufbewahrungsfrist für in Akten
enthaltene Daten nicht, sondern verlangen in §§ 284 Abs. 1 Satz 3 und 4 SGB V und
84 Abs. 2 Satz 2 SGB X die Löschung von Daten unabhängig von der Art ihrer
Speicherung, wenn ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur rechtmäßigen Erfiillung
L 9 Kr 9/97 – 8 -
der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich ist und kein
Grund zu der Annahme besteht, daß durch die Löschung schutzwürdige Interessen des
Betroffenen beeinträchtigt werden.
2. Die Klägerin kann auch aus § 19 BDSG, § 83 Abs. 1 Satz l SGB X, § 305
SGB V keinen Anspruch auf lückenlose Einsicht der sie betreffenden krankenver-
sicherungsrechtlichen Unterlagen herleiten. Unbeschadet des Konkurrenzverhältnisses
der genannten Vorschriften untereinander und zu § 25 Abs. 1 SGB X, die jedenfalls
eine Anwendbarkeit des § 19 BDSG im vorliegenden Falle infolge der Spezialität des
§ 83 Abs. 1 SGB X ausschließen dürfte, ergibt sich aus ihnen ein Recht des Versi-
cherten (Betroffenen), auf Antrag Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten
Sozialdaten bzw. über die im jeweils letzten Geschäftsjahr in Anspruch genommenen
Leistungen und deren Kosten zu erhalten. Einen Rechtsanspruch auf Akteneinsicht
gewähren die genannten Vorschriften aber nicht (Schroeder-Printzen, a.a.O. § 83
SGB X Rdnr. 2; Kunkel, ZfSH/SGB 1995, 238; im Ergebnis für den Zustand de lege
lata wohl auch Hauck, Sozialgesetzbuch [SGB X/l, 2] - Verwaltungsverfahren und
Schutz der Sozialdaten - Kommentar, Stand 1. August 1997 § 83 Rdnr. 19). Dies
ergibt sich schon daraus, daß §§ 19 Abs. 1 Satz 4 Datenschutzgesetz, 83 Abs. 1
Satz 4 SGB X das Verfahren, insbesondere die Form der Auskunftserteilung. in das
pflichtgemäße Ermessen der speichernden Stelle stellen und § 305 SGB V bestimmte
Angaben von der Auskunftspflicht ausnimmt (z.B. Angaben der Diagnosen, vgl.
Käsling, in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung‚ 3. Auflage
Stand: April 1997 § 305 Rdnr. 5) und zum Teil auf eine Übermittlungsplicht der
Daten Dritter (KassenärztlicheVertretung; Kassenzahnärztliche Vertretung) be-
schränkt. Auch wenn die Beklagte nach den genannten Vorschriften die Möglichkeit
hat, einem Versicherten wie der Klägerin die Auskunftserteilung in Form der Einsicht-
nahme in vorhandene Akten zu gewähren (vgl. hierzu insbesondere Hauck, a.a.O. § 83
Rdnr. 19 und 23), sind im vorliegenden Fall keine Gesichtspunkte erkennbar, die das
behördliche Ermessen bei der Auskunftserteilung auf eine Pflicht zur Gewährung der
begehrten umfassenden Akteneinsicht reduzieren könnten. Der Beklagten stand deshalb
die Möglichkeit offen, der Klägerin Auskunft auch auf andere Weise als durch Akten-
einsicht zu gewähren, wovon sie durch die Übersendung von Computerausdrucken der
L 9 Kr 9/97 — 9 -
in den Bildschirmlesegeräten noch sichtbar zu machenden Daten Gebrauch gemacht
hat.
3. Soweit die Beklagte ihrer Pflicht zur Auskunftserteilung nach den genannten Vor-
schriften nicht in vollem Umfange nachgekommen sein sollte, könnte sie gleichwohl im
vorliegenden Rechtsstreit nicht zur Auskunft über die von der Klägerin gewünschten
Tatsachen verurteilt werden, selbst wenn ein Auskunftsanspruch nach §§ 19 Abs. 1
BDSG, 83 Abs. 1 SGB X sowie § 305 Satz 1 SGB V in ihrem Begehren auf Akten—
einsicht enthalten sein sollte und materiell rechtlich kein "aliud" darstellte. Denn die
Klägerin hat ihr prozessuales Begehren ausdrücklich nur auf die Akteneinsicht konkre-
tisiert, weil sie argwöhnt, daß die Beklagte ihr bei einer bloßen Auskunftserteilung
Aktenteile vorenthalten würde (Schriftsatz vom 18. Januar 1997, Blatt 102/103
Gerichtsakte).
Im übrigen wird nach §§ 19 Abs. 1 Satz 3 BDSG, 83 Abs. 1 Satz 3 SGB X eine
Auskunft über in Akten gespeicherte Sozialdaten nur erteilt, soweit der Betroffene
Angaben macht, die das Auffinden der Daten ermöglichen und der für die Erteilung der
Auskunft erforderliche Aufwand nicht außer Verhältnis zu dem vom Betroffenen
geltend gemachten Informationsinteresse setzt. Schon aus dem Wortlaut der Vorschrif-
ten (das Auffinden von Daten kann sich nur auf bestehende Akten beziehen) folgt, daß
sie eine Pflicht der Behörde zur (Re—) Konstruktion bereits vernichteter Akten ebenso—
wenig begründen wie eine Verpflichtung, sämtliche Abrechnungsakten der Jahre 1992,
1993 und 1994, die die Beklagte nicht auf elektronischen Datenträgern gespeichert hat,
auf die die Klägerin betreffende Abrechnungsunterlagen durchzusehen. Insoweit fehlt
es sowohl an Angaben der Klägerin, die das Auffinden der Daten ermöglichen als auch
an der Verhältnismäßigkeit des Aufwandes der Behörde bei der Datensuche zum
Informationsinteresse der Klägerin.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz —SGG—.
L 9 Kr 9/97 —10 -
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die dafür erforderlichen Voraussetzun—
gen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht gegeben sind.
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Rechtsmittelbelehrung
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LSG HES, L 9 AS 600/10 B ER vom 15.11.2010, Hessisches Landessozialgericht
anselmf
Hessisches Landessozialgericht
L 9 AS 600/10 B ER
S 23 AS 766/10 ER (Sozialgericht Wiesbaden)
Beschluss
In dem Beschwerdeverfahren
A.,
A-Straße, A-Stadt,
Antragstellerin und Beschwerdegegnerin,
gegen
Arbeitsgemeinschaft Limburg-Weilburg - Grundsicherung für Arbeitsuchende -,
vertreten durch die Geschäftsführung, Cahenslystraße 2, 65549 Limburg,
Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin,
hat der 9. Senat des Hessischen Landessozialgerichts in Darmstadt durch den
Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht S. sowie die Richter am
Landessozialgericht K. und Dr. B. am 15. November 2010 beschlossen:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den
Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom
11. Oktober 2010 wird aus den zutreffenden Gründen
des Beschlusses des Sozialgerichts zurückgewiesen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
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LSG BAY, L 8 SO 226/13 B ER vom 07.01.2013, Bayerisches Landessozialgericht
anselmf
L 8 SO 226/13 B ER
S 52 SO 474/13 ER
BAYERISCHES LANDESSOZIALGERICHT
In dem Beschwerdeverfahren
A., A-Straße, A-Stadt
- Antragstellerin und Beschwerdeführerin -
Proz.-Bev.:
Rechtsanwälte B., B-Straße, A-Stadt - -
gegen
Landeshauptstadt München, Sozialreferat, vertreten durch den Oberbürgermeister, Orle-
ansplatz 11, 81667 A-Stadt - -
- Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin -
wegen einstweiliger Anordnung
erlässt der 8. Senat des Bayer. Landessozialgerichts in München
am 7. Januar 2013
ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter am Bayer. Landessozialge-
richt S. sowie die Richterin am Bayer. Landessozialgericht R. und den
Richter am Bayer. Landessozialgericht B. folgenden
Beschluss:
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 11. Oktober
2013 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird
abgelehnt.
- 2 -
Gründe
I.
Die Beteiligten betreiben ein Vorverfahren wegen der Ablehnung höherer Leistungen nach
dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) durch den örtlichen Träger
der Sozialhilfe. Die 1945 geborene Antragstellerin macht erhöhte Aufwendungen für nicht
von ihrer gesetzlichen Krankenkasse geleistete Arzneimittel geltend.
Die Antragstellerin ist trotz des Bezugs einer Altersrente durch die deutsche Rentenversi-
cherung in Höhe von monatlich 546,70 €, sowie einer Zusatzversorgung der Bayerischen
Versorgungskammer (27,78 €) seit vielen Jahren hilfebedürftig. Sie bewohnt eine Ein-
Zimmer Wohnung in A-Stadt (32 qm) mit einer Kaltmiete von monatlich 311,89 €, sowie
einer Nebenkostenvorauszahlung von 106,13 €.
Die Antragsgegnerin bewilligte mit Bescheid vom 27.06.2013 Leistungen für den Zeitraum
01.07.2013 bis 30.06.2014 in Höhe von zuletzt 392,63 €. Bei der Bedarfsberechnung ging
die Antragsgegnerin von einem Bedarf der Antragstellerin in Höhe von 968,76 € (Regel-
satz inkl. Aufstockung 402,00 €, Mehrbedarf gemäß § 30 SGB XII 67,94 €, Mehrbedarf für
Ernährung 80,40 €, Unterkunftskosten 418,02 €) aus.
Am 23.07.2013 legte die Antragstellerin Widerspruch wegen der Höhe des Regelsatzes
bei der Antragsgegnerin ein.
Am 06.09.2013 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht München (SG) den Erlass einer
einstweiligen Anordnung beantragt, mit dem Ziel, ihr monatliche Leistungen in Höhe von
543,00 € zuzuerkennen. Sie könne die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht ab-
warten, zumal für die vorangegangene Bewilligungsperiode noch eine Sachentscheidung
des SG zur selben Problematik ausstehe. Ihre notwendigen Arzneimittel finanziere sie aus
dem Regelsatz. Es handele sich um einen unabweisbaren Bedarf, denn verordnungsfähi-
ge Arzneimittel seien ungeeignet. Zudem habe sie in einem früheren Eilverfahren bereits
eine Erhöhung des Regelsatzes erhalten.
Vorgelegt worden sind Auflistungen diverser Apotheken über Medikamente, so vom Ja-
nuar bis Juli 2013 in Höhe von 203,43 €, vom Juni 2013 in Höhe von 104,72 €, vom Mai
2013 in Höhe von 110,86 €, vom März 2013 in Höhe von 193,51 €, vom Januar 2013 in
Höhe von 253 €.
Weiter wird vorgetragen, dass die Antragstellerin aufgrund mannigfaltiger Allergien und
Unverträglichkeiten gehalten sei, Medikamente einzunehmen, die als OTC - Medikamente
zu qualifizieren seien. Es habe immer schon Auseinandersetzungen mit der Krankenkas-
se gegeben, unter anderem auch einen Rechtsstreit (S 18 KR 1268/05). Die Antragstelle-
rin habe inzwischen resigniert, was die Durchsetzung ihrer Ansprüche bei der Kranken-
kasse betreffe. Dazu sind dann auch ältere ärztliche Stellungnahmen vorgelegt worden. In
dem Anlagenkonvolut befinden sich unter anderem drei Verordnungen vom 03.08.09 über
insgesamt neun Medikamente sowie zahlreiche Rezeptkopien aus dem Jahre 2013, zum
Teil als Privatrezept, ausgestellt vom Klinikum G..
Durch Beschluss vom 11. Oktober 2013 hat das SG den Erlass einer einstweiligen An-
ordnung abgelehnt. Es fehle besonders an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsan-
spruches. Die Klägerin sei gesetzlich krankenversichert bei der T. Krankenkasse A-Stadt.
Die entsprechenden Beiträge würden gemäß § 32 Abs. 1 SGB XII durch die Antragsgeg-
nerin übernommen. Hierdurch sei der Anspruch der Antragstellerin auf das sozialrechtlich
- 3 -
zu gewährende menschenwürdige Existenzminimum gemäß Art. 1 Abs. 1 GG iVm Art. 20
Abs. 1 GG abgedeckt (vgl. BSG, Urteil vom 26.05.2011, B 14 AS 146/10 R). Versicherte
erhielten grundsätzlich die krankheitsbedingt notwendigen, nicht der Eigenverantwortung
(§ 2 Abs. 1 S 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V) zugeordneten Arzneimittel (§ 27
Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V) aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversiche-
rung aufgrund vertragsärztlicher Verordnung. Sei für ein Arzneimittel wirksam ein Festbe-
trag festgesetzt, trage die Krankenkasse - abgesehen von der Zuzahlung (§ 31 Abs. 3
SGB V) - grundsätzlich die Kosten bis zur Höhe dieses Betrags (§ 31 Abs. 2 Satz 1 bis 5
SGB V). In Anbetracht dieser Grundsätze scheide eine Erhöhung des Regelsatzes zur
Anschaffung der geltend gemachten Aufwendungen aus. Lägen die vorstehend genann-
ten Voraussetzungen vor, habe der gesetzlich krankenversicherte Sozialhilfeempfänger
einen Anspruch auf Versorgung mit einem den Festbetrag übersteigenden Festbetrags-
arzneimittel bzw. auf entsprechende Kostenerstattung (vgl. § 13 SGB V) gegen seine
Krankenkasse. Habe ein gesetzlich Krankenversicherter nach den genannten Grundsät-
zen keinen Anspruch auf eigenanteilsfreie Versorgung über den Festbetrag hinaus, z.B.
weil er noch nicht alle Wirkstoffe ausprobiert habe, komme auch eine Erhöhung der sozi-
alhilferechtlichen Regelsätze nicht in Betracht. Ein Anspruch der Antragstellerin auf Ver-
sorgung mit den geltend gemachten Arzneimitteln ergebe sich unter zweierlei Gesichts-
punkten nicht. Zum einen fehle es schon am Vorliegen einer vertragsärztlichen Verord-
nung („Kassenrezept“) dieses Arzneimittels. Zum anderen seien die geltend gemachten
Arzneimittel auch vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung nicht um-
fasst. Die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel seien daher nach § 34 Abs. 1 Satz
1 SGB V von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen. Eine
besondere Begründung eines Vertragsarztes nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V fehle den
vorgelegten Unterlagen zufolge.
Ein Anspruch der Antragstellerin lasse sich auch nicht aus § 73 Satz 1 SGB XII herleiten.
§ 73 SGB XII gelte nicht für solche Bedarfe, die explizit im Dritten bis Achten Kapitel des
SGB XII geregelt seien, wie die Hilfe bei Krankheit im Fünften Kapitel des SGB XII.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 12.11.2013 Beschwerde zum Bayer. Landessozial-
gericht (LSG) eingelegt. Die Entscheidung vom 11. Oktober 2013 sei in sich widersprüch-
lich. Denn tatsächlich würden die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht
den notwendigen Bedarf abdecken. Wie das SG selbst festgestellt habe, seien die be-
gehrten Mittel nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung enthalten
und könnten damit auch nicht vom Vertragsarzt verschrieben werden. Im Übrigen sei nicht
ersichtlich, was sich gegenüber dem Verfahren S 48 SO 296/08 ER geändert habe.
Die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Beschlusses vom 11. Oktober 2013 im
Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, der Antragstellerin bis
zu einer Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 30.04.2014 Leistun-
gen nach dem SGB XII in Höhe von monatlich 543,00 € zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
- 4 -
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialge-
richtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung we-
sentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Antragstellerin
ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare
Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht
mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1998 BVerfGE 79, 69 <74>; vom
19.10.1997 BVerfGE 46, 166 <179> und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236).
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der
Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der
materiell-rechtliche Anspruch, auf den die Antragstellerin ihr Begehren stützt - voraus. Die
Angaben hierzu hat die Antragstellerin glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 2 und 4
SGG iVm § 920 Abs. 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in: Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 9. Aufl., § 86b Rn 41).
Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG sind besondere Anforderungen an die Ausgestaltung
des Eilverfahrens zu stellen, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen kön-
nen. Bei der Prüfung des Anordnungsanspruchs ist dann eine Orientierung an den Er-
folgsaussichten des Antragstellers im Hauptsacheverfahren nur nach einer abschließen-
den Prüfung der Sach- und Rechtslage erlaubt. Dies gilt insbesondere, wenn das einst-
weilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens
übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Betei-
ligten droht. Ist aber eine abschließende Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht möglich,
ist die Entscheidung auf der Grundlage einer Folgenabwägung zu treffen, in die die grund-
rechtlichen Belange des Antragstellers umfassend einzustellen sind (Beschluss des
BVerfGE vom 12.05.2005, BvR 569/05, NVwZ 2005, 927 m.w.N, Bayer. Landessozialge-
richt, Beschluss vom 21.12.2010 - L 8 SO 243/10 B ER -, juris).
Der Antragstellerin mag zuzugestehen sein, dass frühere Regelungen über Arzneimittel in
der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht ausgereicht haben, eine Versorgung
von Versicherten mit anderen diätetischen Lebensmitteln für besondere medizinische
Zwecke zu begründen, auch wenn dies medizinisch notwendig gewesen wäre. Mit dem
Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der GKV (GKV-OrgWG)
vom 15.12.2008 wurde aber geregelt, dass bilanzierte Diäten verordnungsfähig sind,
wenn eine diätetische Intervention mit bilanzierten Diäten medizinisch notwendig, zweck-
mäßig und wirtschaftlich ist, z. B. bei Versicherten, die an angeborenen, seltenen Stoff-
wechseldefekten oder anderen diätpflichtigen Erkrankungen leiden, die ohne diätetische
Intervention zu schwerer geistiger oder körperlicher Beeinträchtigung führen, sowie all-
gemein bei fehlender oder eingeschränkter Fähigkeit zur ausreichenden, normalen Ernäh-
rung, wenn mit anderen Maßnahmen (allein oder kombiniert) eine ausreichende Ernäh-
rung im Einzelfall nicht sichergestellt werden kann (vgl. zu Einzelheiten Bundestagsdruck-
sache 16/10609 vom 15.10.2008, zu Buchstabe c). Wesentliche Aufgaben sind dabei dem
Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zugewiesen worden, der in den Richtlinien nach
§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V festzulegen hatte, unter welchen Voraussetzungen die
Verordnung von Produkten zur enteralen Ernährung medizinisch notwendig, zweckmäßig,
wirtschaftlich und damit verordnungsfähig sei.
Zahlreiche ergänzende Vorschriften enthält nach Maßgabe des § 31 Abs. 1 Satz 1 und 2,
- 5 -
Abs. 5 Satz 2 SGB V die aufgrund der Ermächtigung in § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V
vom G-BA (§ 91 SGB V) erlassene Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln in der
vertragsärztlichen Versorgung - Arzneimittel- RL - . Ergänzende Regelungen enthält zu-
dem die Verfahrensordnung des G-BA. Die RL und die Verfahrensordnung des G-BA sind
aktuell und vollständig, insbesondere einschließlich aller Anlagen, abrufbar im Internetauf-
tritt des G-BA (www.g-ba.de). § 31 Abs. 5 SGB V bestimmt im Übrigen, dass Versicherte
Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung haben, wenn eine diätetische
Intervention mit bilanzierten Diäten medizinisch notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich
ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2
Nr. 6 SGB V fest, unter welchen Voraussetzungen welche bilanzierten Diäten zur entera-
len Ernährung vom Vertragsarzt verordnet werden können und veröffentlicht im Bundes-
anzeiger eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Produkte. In die Zusammen-
stellung sollen nur Produkte aufgenommen werden, die die Anforderungen der Richtlinie
erfüllen.
So bestimmt nunmehr § 12 Arzneimittel- RL (Apothekenpflichtige, nicht verschreibungs-
pflichtige Arzneimittel gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V), dass zwar nicht verschrei-
bungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen sind
(Abs. 1). Dass die Verordnung dieser Arzneimittel nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V aus-
nahmsweise zulässig ist, wenn die Arzneimittel bei der Behandlung schwerwiegender Er-
krankungen als Therapiestandard gelten (Abs. 2). Eine Krankheit ist schwerwiegend,
wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verur-
sachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt (Abs.
3). In der Anlage I zum Abschnitt F der Arzneimittel-Richtlinie befinden sich zudem zuge-
lassene Ausnahmen zum gesetzlichen Verordnungsausschluss nach § 34 Abs. 1 Satz 2
SGB V (OTC-Übersicht). Damit wird dem Maßstab für die Beurteilung der Verfassungs-
mäßigkeit des Leistungsrechts der GKV und seiner fachgerichtlichen Auslegung und An-
wendung im Einzelfall auch aus den Grundrechten auf Leben und körperliche Unversehrt-
heit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG entsprochen (dazu BVerfGE 115, 25, 44 f.).
So hält dann auch die übereinstimmende Rechtsprechung in der Grundsicherung die Kos-
ten einer Krankenbehandlung durch das System des SGB V oder (ergänzend) durch die
Regelleistung für abgedeckt (Urteil des BSG vom 26.05.2011, Aktenzeichen: B 14 AS
146/10 R). Aufgrund der Notwendigkeit einer Versorgung mit nicht verschreibungspflichti-
gen Arzneimitteln entstünden grundsätzlich keine unabweisbaren laufenden Bedarfe.
Nach dem Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom
21.02.2013 2013 - L 9 SO 455/11 - scheidet ein entsprechender Leistungsanspruch ge-
gen den Sozialhilfeträger aus § 48 S 1 SGB XII aus, wenn gegen die gesetzliche Kran-
kenkasse kein Anspruch auf Versorgung mit einem den Festbetrag übersteigenden Fest-
betragsarzneimittel besteht. Eine Erhöhung des Regelsatzes nach § 27a Abs. 4 S 1 SGB
XII wegen der von einem gesetzlich Krankenversicherten zu tragenden Anschaffungskos-
ten für ein Medikament, dessen Preis den nach dem Recht der gesetzlichen Krankenver-
sicherung festgesetzten Festbetrag übersteigt, kommt von vornherein nicht in Betracht,
denn das System des SGB V deckt unabweisbare Bedarfe insoweit hinreichend ab (Rn.49
aaO). Wenn - trotz Gewährleistung einer ausreichenden Arzneimittelversorgung durch die
Festbetragsfestsetzung im Allgemeinen - aufgrund ungewöhnlicher Individualverhältnisse
keine ausreichende Versorgung zum Festbetrag möglich ist, greift nach diesem Urteil die
Leistungsbeschränkung der Krankenkassen auf den Festbetrag nach
§ 12 Abs. 2 SGB 5 unter Verweis auf BSG vom 3.7.2012 (B 1 KR 22/11 R) nicht ein.
Angesichts dieser klaren Rechtslage bedarf es keiner Folgenabwägung.
Insbesondere ist es für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht ausreichend, wenn
zur Geltendmachung der Rechte gegenüber der GKV lediglich angeführt wird, dass die
- 6 -
Klägerin insoweit resigniert habe. Schließlich ist auch eine Beiladung des zuständigen
Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung im einstweiligen Rechtsschutz nicht ziel-
führend. Die Beiladung wegen Ansprüchen gegen einen anderen, als einem bislang im
Prozess Beteiligten ist eine Klageänderung. Sie wäre nicht sachdienlich, wenn zuvor noch
kein Verwaltungsverfahren durchgeführt worden wäre. Häufig sind aber auch schon bin-
dende Entscheidungen vorhanden, die als Verwaltungsakt gelten (§ 39 SGB X) und auf-
grund einer Beiladung nicht ungültig werden können. Der Fall einer notwendigen Beila-
dung, bei dem ein Alternativverhältnis der Leistungspflicht besteht, liegt nicht vor. So
kommt bei der Ablehnung des Anspruchs nicht ein anderer Versicherungsträger (GKV) als
leistungspflichtig in Betracht (vgl. § 75 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Aus den oben genannten Gründen liegt auch keine hinreichende Erfolgsaussicht vor, die
die Zubilligung von Prozesskostenhilfe rechtfertigen würde (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG
in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO). Die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Beschwer-
deverfahren hatte keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
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LSG HES, L 7 AS 41/09 B ER und L 7 AS 42/09 B vom 16.06.2010, Hessisches Landessozialgericht
anselmf
Hessisches Landessozialgericht
L 7 AS 41/09 B ER und L 7 AS 42/09 B
S 29 AS 1467/08 ER (Sozialgericht Frankfurt am Main)
Beschluss
In den Beschwerdeverfahren
A.,
A-Straße, A-Stadt,
Antragsteller und Beschwerdeführer,
gegen
Rhein-Main-Job-Center GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer,
Geleitsstraße 25, 60599 Frankfurt am Main,
Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin,
hat der 7. Senat des Hessischen Landessozialgerichts in Darmstadt am 16. Juni 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht K., den Richter am
Landessozialgericht H. und den Richter am Sozialgericht R. beschlossen:
I. Die Beschwerden des Antragstellers gegen den
Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom
2. Januar 2009 werden zurückgewiesen.
II. Kosten des Beschwerdeverfahrens mit dem
Az. L 7 AS 41/09 B ER sind auch nicht zu erstatten.
- 2 -
Gründe
Die am 7. Januar 2009 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) eingelegten
Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des SG vom 2. Januar 2009 mit
den sinngemäßen Anträgen,
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 2. Januar 2009
aufzuheben und
a) die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der
Antragsgegnerin vom 28. Oktober 2008 anzuordnen, soweit die Bewilligung
von Arbeitslosengeld II mit Bescheid vom 25. Juli 2008 für den Zeitraum ab
1. September 2008 bis 28. Februar 2009 zurückgenommen oder aufgehoben
ist,
b) Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug unter anwaltlicher Beiordnung
zu bewilligen.
sind zulässig, ohne in der Sache Erfolg zu haben.
1. Statthaft ist das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung
anzuordnen, gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und S. 2 SGG.
Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen
(Anfechtungs-) Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung
haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (S. 1). Ist der
Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden,
kann das Gericht auch die Aufhebung der Vollziehung anordnen (S. 2).
Die Voraussetzungen liegen vor, weil dem Widerspruch des Antragstellers gemäß § 39
Nr. 1 SGB II gesetzlich keine aufschiebende Wirkung zukommt, soweit die Aufhebung
oder Rücknahme der Leistungsbewilligung betroffen ist (so: Sächsisches LSG, 3.11.2008
– L 7 B 154/07 AS-ER; LSG Niedersachsen-Bremen, 30.7.2007 – L 8 AS 186/07; LSG
Berlin-Brandenburg, 2.3.2007 – L 5 B 125/07 AS-ER; LSG Bad.-Württ., 21.11.2006
- L 8 AS 4680/06 ER-B; Thür. LSG, 14.8.2006 – L 7 AS 772/05 ER; LSG Schleswig-
Holstein, 5.7.2006 – L 6 B 196/06 AS-ER; LSG Rhld.-Pf., 4.4.2006 – L 3 ER 46/06 AS;
LSG NRW, 31.3.2006 – L 19 B 15/06 AS-ER; a.A. Hess. LSG, 17.7.2007 – L 9 AS
89/07 ER; LSG Sachsen-Anhalt, 27.04.2006 – L 2 B 62/06 AS-ER). Allein hinsichtlich der
- 3 -
Erstattungsregelung kommt dem Widerspruch des Antragstellers ohnehin aufschiebende
Wirkung zu, wie § 39 Nr. 1 SGB II idF des Gesetzes zur Neuausrichtung der
arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl I 2917) – SGB II F. 2009 -
nach Auffassung des Senats mit Wirkung ab 1. Januar 2009 nur klarstellt (so auch:
Sächsisches LSG, 10.12.2007 - L 2 B 442/07 AS-ER; Berlit, info also 2005, 3, 5; Eicher in
Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 39 Rn. 12; Groth, NJW 2007, 2294 f. und
Udsching/Link, SGb 2007, 513, 518; anderer Auffassung zB der 3. Senat des Sächs.
LSG in ständiger Rechtsprechung, vgl. zB Beschlüsse vom 16. Juli 2007 - L 3 B
381/06 AS-ER und 1. November 2007 - L 3 B 292/07 AS-ER; jeweils m.w.N.).
Ist der Antrag damit zulässig, insbesondere statthaft, liegen gleichwohl die
Voraussetzungen für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht vor.
Einen ausdrücklichen gesetzlichen Maßstab für die gerichtliche Anordnung der
aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage sieht § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG
nicht vor. Entscheidungserheblich ist, ob im Rahmen einer offenen Interessenabwägung
einem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes Vorrang
gegenüber schützenswerten Interessen des Adressaten einzuräumen ist (vgl. Krodel,
NZS 2001, S. 449 ff. m.w.N.). Sind Widerspruch oder Klage in der Hauptsache
offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf Anordnung der
aufschiebenden Wirkung ohne weitere Interessenabwägung grundsätzlich abzulehnen,
weil der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes kein
schützenswertes Interesse des Bescheidadressaten entgegenstehen kann. Sind
dagegen Widerspruch oder Klage in der Hauptsache offensichtlich zulässig und
begründet, ist hingegen dem Antrag stattzugeben, weil dann kein öffentliches Interesse
an der sofortigen Vollziehung besteht. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens,
wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen
Rechtsschutz nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden,
welchem Interesse bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache Vorrang einzuräumen
ist. Dabei darf einerseits in die Abwägung einfließen, dass der Gesetzgeber für den
Regelfall die sofortige Vollziehung vorgesehen hat, solange das Rechtsschutzinteresse
des Antragstellers unter Beachtung seiner Rechte aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG
berücksichtigt bleibt; insbesondere mit einer sofortigen Vollziehung keine schwere,
unzumutbare Härte für ihn verbunden ist. Andererseits ist dem Aussetzungsinteresse des
Antragstellers je eher der Vorrang einzuräumen, desto wahrscheinlicher sein Erfolg in der
Hauptsache ist (Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Aufl., § 86b, Rn. 12c m.w.N.).
- 4 -
Der anderslautende Maßstab des § 86a Abs. 3 S. 2 SGG, nach dem der
Sozialleistungsträger von sich aus die Vollziehung aussetzen soll, wenn ernstliche
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes im Sinne des
§ 86 a II Nr. 1 SGG bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder
Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen
gebotene Härte zur Folge hätte (§ 86 a III S. 2 SGG), ist zwar im Rahmen des
gerichtlichen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG zu beachten, gilt aber
als spezialgesetzliche Regelung nur für die ausdrücklich in § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG
genannten Bescheide, insbesondere Versicherungs-, Beitrags und Umlagebescheide
(Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Aufl., § 86b Rn. 12b m.w.N. auch zur Gegenansicht).
Hiernach ist davon auszugehen, dass der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin
mit der Folge als rechtmäßig anzusehen ist, dass ein berechtigtes Aufschubinteresse des
Antragstellers ausgeschlossen ist.
Die Befugnis zur Aufhebung oder Rücknahme der Leistungsbewilligung folgt aus § 40
Abs. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 oder 3 SGB III und § 45 Abs. 1, Abs. 2 S. 3 Nr. 2,
Abs. 3 - 5 SGB X oder § 48 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 und S. 3 und Abs. 4 SGB X.
Danach ist ein Bewilligungsbescheid auch für die Vergangenheit aufzuheben, wenn er
rechtswidrig ist und die Bewilligung auf mindestens grob fahrlässig falschen oder
unterbliebenen Angaben beruht, zu deren Mitteilung der Bescheidadressat durch
Rechtsvorschrift verpflichtet ist.
Das ist vorliegend der Fall, weil die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom
25. Juli 2008 Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 1. September 2008 bis
28. Februar 2009 bewilligt hat, obwohl die Leistungsvoraussetzungen jedenfalls ab dem
1. September 2008 nicht vorgelegen haben.
Gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Gesetz Personen, die
das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im
Bundesgebiet haben. Zu den zu gewährenden Leistungen gehören als
Arbeitslosengeld II insbesondere die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 Nr. 1
SGB II). Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt und den
Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder
- 5 -
nicht ausreichend aus eigenen Mitteln oder aus den zu berücksichtigenden Einkommen
oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere
von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Die danach erforderliche Hilfebedürftigkeit des Antragstellers hat entgegen seiner
Angaben im Weiterzahlungsantrag vom 20. Juli 2008 nicht vorgelegen. Insoweit stützt
sich der Senat auf die öffentlichen Außerungen des Antragstellers in privaten
Medienunternehmen, in denen er selber angegeben hat, Arbeitslosengeld II zu erhalten,
obwohl er nicht bedürftig sei. Soweit der Antragsteller im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren behauptet, die Außerungen seien nur Ausdruck einer Provokation
in den Fernsehmedien gewesen, tatsächlich verfüge er entgegen seiner Außerungen
über kein Einkommen, ist er nicht glaubwürdig. Entgegen seiner Behauptung haben im
Beschwerdeverfahren sowohl XY.Produktions-GmbH (XY.) als auch ZZ. Service GmbH
bestätigt, an den Antragsteller im Bewilligungszeitraum Honorare gezahlt zu haben.
Erschüttert ist die Glaubwürdigkeit des Antragstellers darüber hinaus besonders, weil er
zunächst die Verwechslung des Vornamens durch XY. dazu benutzt hat, vorsätzlich
wahrheitswidrig zu behaupten, das Honorar habe allenfalls ein anderes Familienmitglied
erhalten und sich letztlich zu diesem Vorhalt trotz Aufforderung auch nicht mehr geäußert
hat.
Aufgrund dieser erheblichen Täuschung des Senats ist davon auszugehen, dass der
Antragsteller entgegen seiner Mitwirkungsobliegenheit nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 und 2
SGB I vorsätzlich seine Bedürftigkeit falsch behauptet oder wenigstens eine wesentliche
Anderung nicht mitgeteilt hat. Ungeachtet dessen soll es allein der Antragsgegnerin als
Geschädigte vorbehalten bleiben, ggf. nach eigener Prüfung Strafanzeige zu erstatten.
Nicht zu entscheiden ist, ob die Bedürftigkeit bereits bei Erlass des
Bewilligungsbescheides vom 25. Juli 2008 oder erst zu Beginn des
Bewilligungszeitraumes weggefallen ist. Für beide Sachverhaltsalternativen liegen die
Voraussetzungen für eine Aufhebung oder Rücknahme der Bewilligung vor.
Insbesondere die weiter erforderlichen Fristen sind eingehalten.
Rechtfertigt allein die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids kein vorrangiges
Vollzugsinteresse des Leistungsträgers, ist das hier ausnahmsweise der Fall, weil ein
öffentliches Interesse daran besteht, einen öffentlich zur Schau gestellten
Leistungsmissbrauch rechtzeitig korrigieren zu können.
- 6 -
2. Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das SG die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe unter anwaltlicher Beiordnung für das Ausgangsverfahren abgelehnt
hat.
Insoweit fehlt es bereits an einem Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers, weil er im
Ausgangsverfahren nicht anwaltlich vertreten gewesen ist und daher im Rahmen der
Prozesskostenhilfe übernahmefähige Kosten nicht angefallen sein können.
Einer Kostenentscheidung bedarf es insoweit nicht, da das Bewilligungsverfahren wie
das Hauptsacheverfahren kostenfrei ist (§ 183 SGG) und eine Erstattung der dem
Gegner entstandenen Kosten ausgeschlossen ist (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 118
Abs. 1 S. 4 ZPO, für Beschwerdeverfahren: § 127 Abs. 4 ZPO).
3. Die Kostenentscheidung in dem Beschwerdeverfahren mit dem Az. L 7 AS 41/09 B ER
beruht auf dem Ausgang des Rechtsstreits entsprechend § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit einer weiteren Beschwerde angefochten werden
(§ 177 SGG).
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SG R, S 16 SO 4/14 ER vom 03.04.2014, Sozialgericht Regensburg
anselmf
S 16 SO 4/14 ER
SOZIALGERICHT REGENSBURG
in dem Antragsverfahren
- Antragsteller -
Proz.-Bev.:
Rechtsanwälte Treutler u. Koll., Prüfeninger Straße 62. 93049 Regensburg - 1503/2013 -
gegen
Bezirk Oberpfalz - Sozialverwaltung, vertreten durch den Bezirkstagsprasidenten, Lud-
wig-Thoma-Straße 14, 93051 Regensburg
- Antragsgegner -
Beigeladen:
AOK Bayern - Die Gesundheitskasse -, Direktion Regensburg vertreten durch den Direk-
tor; Bruderwöhrdstraße 9. 93055 Regensburg
- Beigeladene -
erlässt die Vorsitzende der 16. Kammer, Richterin am Sozialgericht W , ohne münd-
liche Verhandlung am 3. April 2014 folgenden
Beschluss:
1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem
Antragsteller für den Zeitraum 01.04.2014 bis 30.06.2014 weitere Leistungen der
Grundsicherung in Höhe von insgesamt 700 € zur Deckung der Kosten für die
Fahrten zu den ambulanten Zahnarztbehandiungen im Universitätsklinikum Re-
gensburg zu gewähren.
2. Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstat-
ten.
- 2 -
Gründe:
I.
Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt der Antragsteiler die Übernahme der
Kosten für Fahren zu einer ambulanten zahnärztliche Behandlung.
Bei dem geborenen Antragsteller, der u. a. an Epilepsie und einer Sehschwäche lei-
det, besteht eine geistige Behinderung in Folge eines Gehirninfarkts mit einem Grad der
Behinderung von 90. Er verfügt über die Merkzeichen „G“ (erhebliche Beeinträchtigung
der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) und „B“ (Berechtigung zur Mitnahme einer
Begleitperson bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel). Nach dem Verfügungssat-
zes des bestandskräftigen Bescheides vom 23.10.2009 des Zentrums Bayern Familie und
Soziales liegen die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen „Bl, H, RF, 1.
Kl. und Gl" nicht vor. Der Antragsteller steht unter gesetzlicher Betreuung. Ausweislich
eines ärztlichen Attestes des behandelnden Hausarztes vom 02.12.2013 ist der An-
tragsteller auf Grund eines Gesichtsfeldsausfalls nicht in der Lage, öffentliche Verkehrs-
mittel zu nutzen.
Der Antragsteiler wird im pflegerisch betreut. Das Heim
stellt keinen unentgeltlichen Fahrdienst für seine Bewohner zur Verfügung. Nach § 5 c)
des Heimvertrages umfasst die Hilfe zur Mobilität u. a. „das Organisieren und Planen von
Verrichtungen außerhaib der Einrichtung, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung
notwendig sind und das persönliche Erscheinen der Hilfebedürftigen erfordern. Des Wei-
teren ist unter Ziffer 3 der Anlage 1 zum Heimvertrag (Katalog von Zusatzleistun-
gen/Sonstige Leistungen) der Anfall einer zusätzlichen Vergütung von 18 € für Beleit-
dienste z. Bsp. zu Arztbesuchen sowie 0,48 € pro Kilometer Fahrdienst ausgewiesen.
Eine zivilrechtliche Klage vor dem Amtsgericht Regensburg auf Verpflichtung des Heimes,
den Antragsteller zu ambulanten Arztbesuchen zu fahren, wurde nach Hinweis des Ge-
richts zurückgenommen.
Mit Bescheid vom 11.07.2008 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller, der neben
dem Unterhalt von seiner Mutter in Höhe von 54,96 € über kein eigenes Einkommen oder
Vermögen verfügt, ab dem 27.03.2008 u. a. Leistungen nach dem Vierten Kapitel des So-
zialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) als Hilfe zum Lebensunterhalt in
Einrichtungen sowie Leistungen nach dem Neunten Kapitel des SGB XII als Hilfe in sons-
- 3 -
tigen Lebenslagen. Der Antragsteller erhält derzeit einen Barbetrag in Höhe von 105,57 €
monatlich.
Der Antragsteller benötigt dringend Zahnimplantate, da auf Grund seiner Epilepsie eine
Versorgung mit Prothesen nicht möglich ist. Hierfür sind voraussichtlich zehn Behandlun-
gen an der Universitätsklinik Regensburg nötig. Die Beigeladene hat mit Schreiben vom
16.01.2014 erneut die Kostenzusage für die Behandlung erteilt. Die erste Behandlung
wird am 10.04.2014 stattfinden. Auf Grund seiner Entzündungen im Mund hat der An-
tragsteller bereits stark abgenommen. Der behandelnde Hausarzt des Antragstellers hat
eine Krankenbeförderung hierfür am 16.03.2014 verordnet. Als geeignetes Beförde-
rungsmittel wurde ein Taxi angegeben. Ausweislich eines Kostenvoranschlages werden
die Fahrtkosten mittels eines Taxis vom Wohnort des Antragstellers bis zum Universitäts-
klinikum ca. 35 € einfach betragen.
Die Beigeladene lehnte mit Bescheid vom 01.02.2012 die am 30.01.2012 erstmals bean-
tragte Erstattung der Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung in der Zahnklinik der Uni-
versität Regensburg ab. Die im Jahr 2012 erteilte Kostenzusage für die Zahnarztbehand-
iung verfiel. Am 07.03.2014 beantragte der Betreuer des Antragstellers bei der Beigela-
denen erneut die Übernahme der Fahrtkosten. Mit Bescheid vom 10.03.2014 lehnte die
Beigeladene den Antrag wiederum ab, da der Antragsteller nicht im Besitz eines Schwer-
behindertenausweises mit den Merkzeichen „aG“. „BL“ oder „H“ sei. im Übrigen ließen
auch die Erkrankungen des Antragstellers keine Übernahme der Kosten als Krankenfahrt
nach den Krankentransport-Richtlinien zu.
Mit Schreiben vom 11.04.2012 lehnte der Antragsgegner die Übernahme von Fahrtkosten
als Krankenhilfe unter Hinweis auf den Vorrang der Leistung durch die Krankenkasse des
Antragstellers ab. Mit Schreiben vom 12.09.2012 wiederholte der Antragsgegner erneut
die Ablehnung der Übernahme von Fahrtkosten im Rahmen der Krankenhilfe.
Mit seiner am 17.04.2013 zum Sozialgericht Regensburg erhobenen Klage (Az. S 16
SO 38/13) verfolgte der Kläger sein Begehren gegenüber dem Antragsgegner weiter.
Am 16.01.2014 rief der Antragsteller das Sozialgericht Regensburg an und beantragt,
den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, die dem
Antragsteller ab Antragstellung entstehenden, notwendigen Fahrtkosten, insbesondere
- 4 -
Taxikosten, zu medizinisch notwendigen ambulanten ärztlichen und zahnärztlichen Be-
handlungen zu übernehmen, soweit diese Kosten nicht durch Dritte übernommen werden.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag sei bereits unzulässig, da sich der Antragsteller vorrangig an die Beigeladene
zu wenden habe. Bereits 2009 habe man den Betreuer des Antragstellers darauf hinge-
wiesen, dass Krankenhilfeaufwendungen, die von der Krankenkasse nicht übernommen
werden, nicht vorn Träger der Sozialhilfe übernommen werden könnten. Auch erhalte die
Einrichtung nach der Leistungsvereinbarung für die soziale Betreuung ein anteiliges Pfle-
geentgelt. Das Heim sei daher zur Begleitung des Antragstellers zu seinen Arztbesuchen
verpflichtet, sofern dessen Krankenkasse nicht zur Übernahme der Fahrtkosten verpflich-
tet sei.
Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage und zur Beweiserhebung am
02.04.2014 hat das Gericht Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin
ist die Leiterin des Heimes, in dem der Antragsteller betreut wird.
Die Zeugin gab im Wesentlichen zu Protokoll, dass der Antragsteller auf Grund seiner
geistigen Einschränkungen nicht in der Lage sei, alleine mittels öffentlicher Verkehrsmittel
von zur Behandlung in die Universitätsklinik zu fahren. Das Heim könne kein Per-
sonal für die Fahrten des Antragstellers zur Verfügung steilen. Für die ansonsten erforder-
liche ärztliche Versorgung des Antragstellers kommen die Hausärzte in das Pflegeheim.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Ver-
waltungsakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist im tenorierten Umfang
begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist vorliegend, ob dem Antragsteller eine höherer Anspruch
auf höhere Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum der zahnärztlichen Behandlung
durch Erhöhung seines Barbedarfes zusteht.
- 5 -
Zwar hat der Antragsteller derzeit noch keinen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X hin-
sichtlich des Bewilligungsbescheides vom 11.07.2008 bzw. eine Neuverbescheidung be-
antragt, gleichwohl ist der vorliegende Eilantrag zulässig. Der Antragsgegner hat wieder-
holt zum Ausdruck gebracht, dass er sich für die Übernahme dieser Kosten nicht zustän-
dig halte. Die bereits im Jahr 2012 vom Beigeladenen genehmigte Behandlung konnte
deshalb nicht angetreten werden. Zwar ist ein Antrag bei dem Antragsgegner dem Grund
nach erforderlich, trotzdem ist es dem Antragsteller nicht zumutbar eine (weiter ablehnen-
de) Entscheidung des Antragsgegners abzuwarten. Für das Anliegen des Antragsteller ist
daher ein Rechtschutzinteresse gegeben.
Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vor-
läufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhäitnis zulässig, wenn eine sol-
che Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist der Fall,
wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare,
nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in
der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so Bundesverfassungsgericht - BVerfG -
vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69, 74; vom 19.10.1977 BVerfGE 46, 166/179 und vom
22.11.2002 NJW 2003, 1236).
Demzufolge setzt der Erlass einer Regelungsanordnung setzt voraus, dass neben einem
Anordnungsanspruch (dem materiellen Rechtsanspruch) auch ein Anordnungsgrund als
Ausdruck der besonderen Dringlichkeit der Entscheidung glaubhaft gemacht worden ist (§
86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Zwischen Anordnungsgrund
und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des
Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei (ab-
schließender) Prüfung der Sach- und Rechtslage das Obsiegen in der Hauptsache sehr
wahrscheinlich ist. Wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig
oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer
einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache hin-
gegen offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit exis-
tenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungen
grund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. in diesem Falle ist ge-
gebenenfalls anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechttichen
Belange des Antragstellers zu entscheiden (Urteil des BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BVR
569/05).
- 6 -
Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben hat der Antrag des Antragstellers Erfolg, da ihm
mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf Übernahme der begehrten Fahrt-
und Begleitungskosten nach §§ 41 Abs. 1, 42 in Verbindung mit 27 b Abs. 2 Satz 2 SGB
XII zusteht.
Der Antragsteller ist auf Grund seiner Behinderung auf Dauer voll erwerbsgemindert und
hilfebedürftig und damit nach §§ 41 Abs. 1, 42 SGB XII leistungsberechtigt. Dem ent-
spricht der Antragsgegner durch die Gewährung von iaufenden Leistungen nach dem
Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) als Hilfe zum
Lebensunterhalt in Einrichtungen sowie Leistungen nach dem Neunten Kapitel des SGB
XII als Hilfe in sonstigen Lebenslagen.
Nach § 27 b SGB XII ist jedoch für den Antragsteller abweichend vom Regelbedarf in Ein-
richtungen die Übernahme der Kosten für die Fahrt und die Begleitung zu den ambulanten
Zahnarztbehandlungen festzulegen.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass eine Versorgung des Leistungsempfängers im
Falle einer Krankheit und zur Erhaltung der Gesundheit durch die Leistungen der gesetzli-
chen Krankenkasse erfolgt. Aus dem Grundsatz der Nachrangigkeit (§ 2 Abs. 1 SGB XII)
ergibt sich, dass der Leistungsempfänger vorrangig ihre Ansprüche gegenüber der Kran-
kenkasse geltend machen müssen.
Dies hat der Antragsteller wiederholt getan. Zu Recht hat jedoch die Beigeladene des An-
tragstellers die Übernahme der begehrten Fahrtkosten abgelehnt, da ein Anspruch nach §
60 Abs. 1 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit § 92 Abs. 1
Satz 2 Nr. 12 SGB V weder nach § 7 noch nach § 8 der Krankentransport-Richtlinie be-
steht. Der Antragsteiler, der nicht in der Lage ist selber zu den erforderlichen Arztterminen
zu fahren, begehrt die Kosten für eine Krankenfahrt im Sinne von § 7 Abs. 1 der Kranken-
transport-Richtlinie mittels eines privaten Pkws ohne spezifische medizinische Betreuung
in Sinne von § 8 Abs. 1 der Richtlinien. Die Voraussetzung zur Verordnung einer solchen
Krankenfahrt liegen jedoch nicht vor, da es sich bei dem Einsetzen von Zahnimplantate
nicht um eine ambulante Operation im Sinne von § 115 b SGB V in Verbindung mit dem
AOP-Vertrag handelt. Auch liegen keine Ausnahmetatbestände nach § 8 Abs. 1 in Ver-
bindung mit Abs. 3 der Richtlinie vor. Der Antragsteller verfügt (noch) nicht über die erfor-
derlichen Merkzeichen „aG“ oder „H“. Da die Beigeladene nicht zur Übernahme der Kos-
ten für die Krankenfahrten des Antragsteilers verpflichtet ist, kommt eine Verpflichtung
- 7 -
des Antragsgegners nach § 48 SGB XII, dessen Leistungen insoweit auch auf die Leis-
tungen nach dem SGB V beschränkt ist, nicht in Betracht.
Bei den vom Antragsteller begehrten Leistungen handelt es sich um Kosten der für die
Gesundheitspflege bzw. Krankenbehandlung, die zwar dem Grunde nach dem vom Re-
gelbedarf umfasst sind, vorliegend jedoch nicht aus dem Regelbarbedarf bestritten wer-
den können. Damit scheidet eine Übernahme der Kosten nach § 73 SGB XII aus, da hier-
nach nur sog. atypische Bedarfs, für die nicht bereits andere Vorschriften des SGB XII
einschlägig sind, erfasst werden.
Die Fahrten, die der Antragsteller nicht alleine mittels öffentlicher Verkehrsmittel bewälti-
gen kann, sind für die Durchführung der dringend benötigten Zahnbehandlung erforder-
lich. Dies geht aus der Verordnung des Hausarztes hervor und wird durch die Aussage
der Zeugin bestätigt. Insbesondere können diese Behandlungen nicht am Wohnort des
Antragstellers durchgeführt werden, sondern müssen auf Grund der gesundheitlichen
Einschränkungen des Antragstellers in der Universitätsklinik Regensburg erfolgen. Bei
veranschlagten 3 Behandlungen pro Monat entstehen dem Antragsteller hierbei Fahrtkos-
ten in Höhe von ca. 210 € Hieraus ergibt sich eine unabweisbare, erheblich vom durch-
schnittlichen Bedarf abweichende Bedarfslage des Antragstellers.
Dieser Bedarf ist auch nicht - wie vom Antragsgegner abgenommen - durch die Über-
nahrne der Kosten für die Heimunterbringung abgedeckt. Das Pflegeheim ist weder nach
dem Pflegevertrag noch nach der Leistungsvereinbarung mit dem Antragsgegner nach §
75 SGB XII verpflichtet, den Antragssteller zu seinen Arztterminen zu begleiten. Der ver-
tragliche Leistungsumfang umfasst nach § 5 c) das Organisieren und Planen von Verrich-
tungen außerhalb der Einrichtung, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung not-
wendig sind und das persönliche Erscheinen der Hilfebedürftigen erfordern. Nach dem
eindeutigen Wortlaut des Vertrages ist hiervon jedoch nicht die Durchführung dieser Ver-
richtungen außerhalb des Heimes umfasst. Dies wird auch deutlich durch die Anlage 1
zum Heimvertrag, nach der eine zusätzliche Vereinbarung (mit weiteren Kosten) zur Be-
gleitung außerhalb der Pflegeeinrichtung erforderlich ist. Die von dem Antragsgegner im
Rahmen der Vereinbarung nach § 75 SGB XII abgegolten Leistungen betreffen aus-
schließlich Leistungen, die innerhalb der Einrichtung zu erbringen sind. Begleitung und
Fahrdienste sind hiervon nicht erfasst und damit auch nicht abgegolten.
- 8 -
Damit ergibt sich ein Anspruch aus § 27 b Abs. 2 Satz 2 SGB XII auf Erhöhung des Bar-
bedarfes für die Zeit der Behandlungen am Universitätsklinikum. Aus dem Wortlaut der
Vorschrift geht hervor, dass der „Regelbarbedarf“ mindestens 27 % der Regelbedarfstufe
beträgt. In entsprechender Anwendung von g 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII ist der individuel-
le Bedarf abweichend vom Regelsatz daher festzulegen, wenn der Bedarf unabweisbar
seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (Behrend in
jurisPK-SGB XII, Stand: 06.01.2014, § 27b SGB XII, Rn. 45 ff). Vorliegend ergibt sich die
Unabweisbarkeit des Bedarfes daraus, dass die Beigeladene die Fahrtkosten des An-
tragsstellers auf Grund der Gesetzeslage nicht zu übernehmen hat, dieser aber Fahrten
zur ambulanten Behandlung zur Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung seiner Ge-
sundheit dringend benötigt. Die (gesundheitliche) Existenzsicherung des Einzelnen im
Falle der Bedürftigkeit ist insoweit den Sozialhilfeträgern zugewiesen (so im Ergebnis: Ur-
teil des BSG vom 06.03.2012 - B 1 KR 24/10 R und Urteil des BSG vom 15.11.2012 u B
8 SO 6/11 R). Da für jede Fahrt zur Behandlung Kosten von mindestens 50 € bis 70 €
ausgegangen werden muss, weicht der dadurch verursachte weitere Bedarf des An-
tragstellers auch erheblich vom Durchschnitt ab,
Die Lücke in der Bedarfsdeckung hat der Antragsgegner durch entsprechende Erhöhung
des Barbedarfes zu decken. Das Gericht geht dabei davon aus, dass die zehn Behand-
lung innerhalb von drei Monaten erfolgen werden.
Vorliegend kann dem Antragsteller auch kein Abwarten in der Hauptsache zugemutet
werden, da die dringend benötigten Behandlungen unmittelbar bevorstehen, so dass auch
ein Anordnungsgrund besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG entsprechend.
Gegen die vorliegende Entscheidung ist gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 in Verbindung mit §
144 Abs. 1 Nr. 1 SGG die Beschwerde ausgeschlossen, da der Beschwerdewert 750 €
nicht übersteigt. Das der vorliegende Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zukommt,
kann nur zu einer Zulassung der Berufung in dem Hauptsacheverfahren, nicht jedoch zur
Zulässigkeit der Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutz führen (so auch mit weiteren
Nachweisen Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 10. Auflage, § 172 Rn. 6 g).
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SG R, S 2 KR 379/08 vom 18.02.2010, Sozialgericht Regensburg
anselmf
S 2 KR 379/08
SOZIALGERICHT REGENSBURG
In dem Rechtsstreit
- Kläger -
Proz.-Bev.:
gegen
...-Krankenkasse,
- Beklagte -
erlässt die Vorsitzende der 2. Kammer, Richterin am Sozialgericht G., ohne
mündliche Verhandlung am 9. September 2009 folgenden
Beschluss:
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
- 2 — S 2 KR 379/08
Gründe:
Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für seinen Rechtsstreit gegen die Beklagte.
Streitgegenstand des zu Grunde liegenden Rechtsstreites ist, ob der Kläger von
der Beklagten eine pauschale vorherige Genehmigung für Fahrten zur ambulanten
Behandlung verlangen kann und die Beklagte ferner verpflichtet ist, im Nachhinein
auch die vorherige Genehmigung für alle in der Vergangenheit ab dem 26.04.2007
durchgeführten entsprechenden Fahrten zu erteilen.
Mit Schreiben vom 13.07.2008, 21.07.2008, 22.07.2008 und 21.08.2008 beantrag-
te der Kläger bei der Beklagten die vorherige Genehmigung für Fahrten zur ambu—
lanten Behandlung — unter anderem unter Auflistung einzelner bereits durchgeführ— .
ter Fahrten und diesbezüglich entstandener Kosten. Darüber hinaus beantragte er,
Vorschusszahlung und vorläufige Leistung nach §§ 42 und 43 SGB l.
Mit Bescheid vom 13.08.2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine pau-
schale Genehmigungserteilung nicht möglich sei, sondern im Einzelfall jeweils die
Voraussetzung zur vorherigen Genehmigung zu prüfen sei, weswegen weitere ln-
formationen benötigtwerden. Bezüglich der Fahrtkosten zur ambulanten Behand-
lung bei Herrn Dr. W. am 21.07.2008 könnten Fahrtkosten nicht erstattet wer—
den, da die diesbezüglichen Voraussetzungen (inhaltlich unter Bezugnahme auf
die Krankentransportrichtlinien) nicht vorliegen würden.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 17.08.2008 und 20.08.2008 Wider-
spruch ein, wobei er zügleich weitere ambulante Behandlungen mitteilte und um
eine entsprechende Fahrtkostenerstattung und eine vorherige Genehmigung er-
suchte. Zugleich verweigerte er unter Hinweis auf den Datenschutz die von der
Beklagten zuvor begehrten weiteren Auskünfte zur Prüfung der Genehmigungser—
- 3 - S 2 KR 379/08
teilung zur ambulanten Behandlung im Einzelfall.
Per Schriftsatz vom 20.08.2008 beantragte der Kläger für weitere in der Zukunft
beabsichtigte Arztbesuche die vorherige Genehmigung und die Erstattung der
entsprechend anfallenden Fahrtkosten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2008 wies die Beklagte den Widerspruch
des Klägers zurück, wobei sie ausführte, dass für eine entsprechende Genehmi-
gungserteilung und eine Übernahme der Fahrtkosten die notwendigen Vorausset-
zungen nach 5 60 SGB V in Verbindung mit 5 8 der Krankentransportrichtlinien für
andere als die Fahrten zur Dialyse nicht erfüllt seien.
Dagegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16.12.2008, beim Sozialgericht Re-
gensburg am 18.12.2008 eingegangen, Klage erhoben und beantragt, die Beklag-
te zu verurteilen, vorherige Genehmigungen betreffend die Fahrten des Klägers zu
ambulanten Behandlungen und die diesbezüglich anfallenden Fahrtkosten zu er-
teilen. Zugleich stellte er einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe.
Mit Schriftsatz vom 23.02.2009 hat der Kläger darüber hinaus beantragt, die Be-
klagte zu verurteilen, vorherige Genehmigungen auch für die Vergangenheit, das
heißt für alle Fahrten ab dem 26.04.2007, zu erteilen. Hilfsweise seien ihm die
bisher angefallenen Fahrtkosten nach § 13 Abs. 3 SGB V zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe man-
gels Erfolgsaussicht der Klage abzulehnen.
Das Gericht hat die Beklagtenakte, sowie die Schwerbehindertenakte des Klägers
vom Zentrum Bayern Familie und Soziales, ferner die Akten des Sozialgerichts
Regensburg S 2 KR 264/08, S 2 KR 175/09, S 2 KR 296/08 und S 2 KR 284/08
zum Verfahren beigezogen, auf deren Inhalt im Übrigen ergänzend Bezug ge-
nommen wird.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
-4- S 3 KR 379/08
Nach § 73 a Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 S. 1
Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil
oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beab-
sichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Er-
folg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Vorliegend scheidet die Gewährung von Prozesskostenhilfe schon deshalb aus,
weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, da für die Rechtsverfol-
gung nicht einmal eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit besteht, so dass es auf
die weiteren Voraussetzungen nicht ankommt. In den Zusammenhang hat die
Kammer auch verfassungsrechtliche Vorgaben (vor allem das Verbot überspannt
ter Anforderungen um eine Rechtsschutzgleichheit zwischen bemittelten und un-
bemittelten Klägern zu gewährleisten (Art. 3, 19 IV, 20 Ill GG)) berücksichtigt, da
hier vorliegende Rechtsfragen angesichts der gesetzlichen Regelung ohne
Schwierigkeiten beantwortet werden können (vergleiche dazu Bundesverfas-
sungsgericht, Beschluss vom 14.06.2006, Aktenzeichen 2 BvR 626/06) und eine
Beweiserhebung nicht notwendig ist (vgl. Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG,
9.Aufl., ä73a Rn. 7a).
Gemäß § 60 Abs. 1 SGB V übernimmt die Krankenkasse nach den Abs. 2 und 3
die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 (Fahrtkosten),
wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingen-
den medizinischen Gründen notwendig sind. Welches Fahrzeug dabei benutzt
werden kann, richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall.
Nach § 60 Abs. 1 S. 3 SGB V übernimmt die Krankenkasse Fahrkosten zu einer
ambulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 S. 1 ergebenden Betra—
ges nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der
Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 12
festgelegt hat.
- 5 - S 2 KR 379/08
Von dieser Ermächtigung hat der Gemeinsame Bundesausschuss Gebrauch ge- '
macht und die Krankentransportrichtlinien in der Fassung vom 22.01.2004 erlas-
sen.
Gemäß § 8 der Krankentransportrichtlinien können in besonderen Ausnahmefällen
auch Fahrten zur ambulanten Behandlung außer den in § 7 Abs. 2 Buchstabe b
und c geregelten Fällen bei zwingender medizinischer Notwendigkeit von der
Krankenkasse übernommen und vom Vertragsarzt verordnet werden, wobei sie
der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse bedürfen.
Voraussetzung ist demnach unter anderem eine Verordnung des Vertragsarztes
gemäß § 2 der Krankentransportrichtlinien. Danach hat der Vertragsarzt die Not-
wendigkeit der Beförderung nach § 3 der Krankentransportrichtlinien zu prüfen
und das erforderliche Transportmittel nach Maßgabe der §§ 4 bis 7 auszuwählen,
wobei die Verordnung auf dem vereinbarten Vordruck entsprechend der Anlage 1
der Krankentransportrichtlinien auszustellen ist. Nicht erforderlich ist jedoch eine
vertragsärztliche Verordnung bei Fahrten mit einem privaten Kraftfahrzeug oder
mit einem öffentlichen Verkehrsmittel (vergleiche § 2 Abs. 3 Krankentransportricht-
linien).
Vorliegend mangelt es schon an einer entsprechenden vertragsärztlichen Verord-
nung, auf die es allerdings nicht ankommt, sofern der Kläger Fahrten mit dem pri-
vaten Kraftfahrzeug und die entsprechende Kostenübernahme begehrt.
Aber auch ohne vertragsärztliche Verordnung hat die Klage zur Überzeugung der
Kammer keine Aussicht auf Erfolg, da die sonstigen Voraussetzungen des § 8 der
Krankentransportrichtlinien vorliegend nicht gegeben sind.
Nach dem Wortlaut und der Systematik des § 8 der Krankentransportrichtlinien
können Fahrten zur ambulanten Behandlung außer den ausdrücklich genannten
Fällen lediglich in "besonderen Ausnahmefällen" und "bei zwingender medizini-
scher Notwendigkeit " von der Krankenkasse übernommen werden.
Unter § 8 Abs. 2 und S. 3 der Krankentransportrichtlinien sind die einzelnen Vor-
aussetzungen für eine Genehmigung beziehungsweise eine mögliche Genehmi-
gung seitens der Krankenkasse im Einzelnen aufgeführt. Ein Fall nach § 8 Abs. 2
der Krankentransportrichtlinien liegt hier nach Überzeugung der Kammer nicht vor,
da der Kläger außerhalb der Dialysebehandlung nicht mit einem vorgegebenen
Therapieschema behandelt wird, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen
- 6 — S 2 KR 379/08
längeren Zeitraum aufweist. Ein solches wurde weder vorgetragen noch lässt es
sich aus den sonstigen übersandten Unterlagen entnehmen. Insbesondere leidet I
der Kläger ausweislich der beigezogenen Schwerbehindertenakte - abgesehen
von der Nierentransplantation in Heilungsbewährung - nicht unter entsprechenden
Gesundheitsstörungen, die ein entsprechendes Therapieschema mit einer hohen
Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum rechtfertigen. Zwar liegen bei
dem Kläger außerhalb der Nierentransplantation in Heilungsbewährung eine Viel-
zahl von Erkrankungen vor, die jeweils für sich aber nicht mit einem vorgegebenen
Therapieschema behandelt werden, und daher für sich nicht die hohe Behand-
lungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweisen.
Daneben kommt nach Überzeugung der Kammer auch keine Genehmigung der
Fahrten zur ambulanten Behandlung nach 5 8 Abs. 3 der Krankentransportrichtli-
nien in Betracht.
Das Merkzeichen '"aG" ist ausweislich des Bescheides des Zentrum Bayern Fami-
lie und Soziales vom 06.03.2009 nicht vergeben.
Aber auch eine Genehmigung der begehrten Fahrten nach § 8 Abs. 3 S. 2 SGB V
scheidet nach Überzeugung der Kammer aus, da dies neben der vergleichbaren
Beeinträchtigung der Mobilität entsprechend dem Merkzeichen aG, BL, H oder der
Pflegestufe II, einer ambulanten Behandlung über einen längeren Zeitraum und
einer zwingenden medizinischen Notwendigkeit bedarf und es sich dabei um einen
besonderen Ausnahmefall handeln muss (vergleiche § 8 Abs. 1 der Krankentrans—
portrichtlinien, der nach seiner Systematik auch zur Beurteilung des § 8 Abs. 3 der
Krankentransportrichtlinien heranzuziehen ist).
In Anbetracht des Willens des Richtliniengebers (für die Krankentransportrichtli-
nien) und des Gesetzgebers (§ 60 Abs. 1 S. 3 SGB V), der Systematik und des
eindeutigen Wortlauts kommt eine Übernahme von Krankenfahrten zur ambulan-
ten Behandlung gemäß § 8 der Krankentransportrichtlinien nur in besonderen
Ausnahmefällen in Betracht (siehe auch § 60 Abs. 1 S. 3 SGB V).
In Anbetracht der in Anlage 2 der Krankentransportrichtlinien (beispielhaft) ge-
nannten Ausnahmefälle (Dialysebehandlung, onkologische Strahlentherapie, on—
kologische Chemotherapie) sollen Fahrkosten zur ambulanten Behandlung nur im
Falle schwerwiegender und die Mobilität erheblich beeinträchtigender Erkrankun-
gen und Behandlungen gewährt werden.
- 7 - S 2 KR 379/08
Mit der Wortwahl "besonderer Ausnahmefall" haben sowohl Gesetzgeber als auch >
Richtliniengeber zum Ausdruck gebracht, dass es sich nicht nur um einen Aus-
nahmefall, sondern zudem noCh um einen besonderen Ausnahmefall handeln
muss, um Krankenfahrten zur ambulanten Behandlung übernehmen zu können.
Um einen solchen handelt es sich nach Überzeugung der Kammer bei dem Kläger
im Rahmen der beantragten vorliegenden Kostenübernahme nicht.
Die Klage hat daher schon aus diesem Grund keine Aussicht auf Erfolg.
Darüber hinaus ist der Beklagten zuzustimmen, wenn sie ausführt, dass eine pau-
schale Vorabgenehmigung nicht möglich ist, da in jedem Einzelfall die Vorausset-
zungen des § 8 der Krankentransportrichtlinien geprüft werden müssen, so dass
die Klage auch aus diesem Grunde keine Aussicht auf Erfolg hat.
Soweit der Kläger einen entsprechenden Anspruch auf Übernahme der Fahrkos-
ten aus § 13 Abs. 3 SGB V herleitet, ergibt sich nichts anderes, da diese Norm le-
diglich als Surrogat für den nicht mehr oder nicht zu erfüllenden Sachleistungsan-
spruch geschaffen wurde; ein entsprechender Anspruch auf Sachleistung (das
heißt schon im Vorfeld Freistellung von den anfallenden Parkgebühren) steht dem
Kläger nach dem oben Gesagten gerade nicht zu.
Soweit sich der Kläger auf einen entsprechender Anspruch auf § 43 Abs. 1 S. 2
SGB I stützt, ist ein entsprechender Anspruch auf "Sozialleistungen" weder gegen
die Beklagte noch gegen einen sonstigen Leistungsträger gegeben. Was in dem
Zusammenhang unter Sozialleistungen zu verstehen ist, lässt sich aus § 11, §§ 18
ff SGB l entnehmen. Für die im Rahmen der Inanspruchnahme ärztlicher Behand-
lung anfallenden Fahrtkosten ist die Krankenkasse der zuständige Leistungsträ-
ger. Ein entsprechender Anspruch lässt sich einzig auf § 60 SGB V stützen. Die
diesbezüglichen Voraussetzungen liegen nach dem oben Gesagten nicht vor.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist daher mangels Erfolgsaus-
sicht der Klage abzulehnen.
-8- SZKR 379/08
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss ist gemäß §§ 73a, 172 Abs.1 SGG iVm § 127 Abs.2 Satz
2 ZPO Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht statthaft. Die Beschwerde ist
binnen eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Sozialgericht Re—
gensburg, Safferlingstraße 23, 93053 Regensburg, schriftlich oder zur Nieder-
schrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist
beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der
Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstel—
le eingelegt wird. '
DieVorsitzende der 2. Kammer
G.
Richterin am Sozialgericht
Faksimile 1 2 3 4 5 6 7 8
L 5 KR 382/09 B PKH
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