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Sonntag, 10. Mai 2015
SG R, S 2 KR 379/08 vom 18.02.2010, Sozialgericht Regensburg
anselmf
S 2 KR 379/08
SOZIALGERICHT REGENSBURG Gerichtsbescheid: in dem Rechtsstreit ... - Kläger - gegen - Beklagte - Die 2. Kammer, des Sozialgerichts Regensburg erlässt durch ihre Vorsitzende, Richterin am Sozialgericht ..., 18. Februar 2010 ohne mündliche Verhandlung folgenden Gerichtsbescheid: I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Tatbestand: Streitgegenstand das Rechtsstreites ist, ob der Kläger von der Beklagten eine pauschale vorherige Genehmigung für Fahrten zur ambulanten Behandlung ver- langen kann und die Beklagte ferner verpflichtet ist, im Nachhinein auch die vorh- erige Genehmigung für alle in der Vergangenheit ab dem 26.04.2007 durchgeführten entsprechenden Fahrten zu erteilen. Mit Schreiben vom 13.07.2008, 21.07.2008, 22.07.2008 und 21.08.2008 beantrag- te der Kläger bei der Beklagten die vorherige Genehmigung für Fahrten zur ambu- lanten Behandlung – unter anderem unter Auflistung einzelner bereits durchgeführ- ter Fahrten und diesbezüglich entstandener Kosten. Darüber hinaus beantragte er, Vorschusszahlung und vorläufige Leistung nach §§ 42 und 43 SGB I. Mit Bescheid vom 13.08.2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine pau- schale Genehmigung nicht möglich sei, sondern im Einzelfall jeweils die Voraussetzungen zur vorherigen Genehmigung zu prüfen seien, weswegen weitere In- formationen benötigt würden. Bezüglich der Fahrtkosten zur ambulanten Behand- lung bei Herrn Dr. ... am 21.07.2008 könnten Fahrtkosten nicht erstattet wer- den, da die diesbezüglichen Voraussetzungen (inhaltlich unter Bezugnahme auf die Krankentransportrichtlinien) nicht vorliegen würden. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 17.08.2008 und 20.08.2008 Wider- spruch ein, wobei er zugleich weitere ambulante Behandlungen mitteilte und um entsprechende Fahrtkostenerstattung und eine vorherige Genehmigung er- suchte. Zugleich verweigerte er unter Hinweis auf den Datenschutz die von der Beklagten zuvor begehrten weiteren Auskünfte zur Prüfung der Genehmigungser- teilung zur ambulanten Behandlung im Einzelfall. Per Schriftsatz vom 20.08.2008 beantragte der Kläger für weitere in der Zukunft beabsichtigte Arztbesuche die vorherige Genehmigung und die Erstattung der entsprechenden anfallenden Fahrtkosten. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück, wobei sie ausführte, dass für eine entsprechende Genehmi- gungserteilung und eine Übernahme der Fahrtkosten die notwendigen Vorausset- zungen nach § 60 SGB V i.V.m. § 8 der Krankentransportrichtlinien für andere als die Fahrten zur D. nicht erfüllt seien. Dagegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16.12.2008, beim Sozialgericht Re- gensburg am 18.12.2008 eingegangen, Klage erhoben und beantragt, die Beklag- zu verurteilen, vorherige Genehmigungen betreffend die Fahrten des Klägers zu ambulanten Behandlungen und die diesbezüglich anfallenden Fahrtkosten zu er- teilen. Zugleich stellte er einen Antrag auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe Mit Schriftsatz vom 23.02.2009 hat der Kläger darüber hinaus beantragt, die Be- klagte zu verurteilen, vorherige Genehmigungen auch für die Vergangenheit, das heißt für alle Fahrten ab dem 26.04.2007, zu erteilen. Hilfsweise seien ihm die bisher angefallenen Fahrtkosten nach § 13 Abs. 3 SGB V zu erstatten. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wurde durch Beschluss des Sozialgerichts Re- gensburg vom 09.09.2009 abgelehnt und die dagegen eingelegte Beschwerde vom Bayerischen Landessozialgericht mit Beschluss vom 09.11.2009 zurückge- wiesen. Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 13.08.2008 in der Ges- talt des Widerspruchsbescheids vom 19.11.2008 zu verurteilen, vorherige Genehmigungen für Fahrkosten des Klägers zu ambulanten Behandlungen zu erteilen, ferner vorherige Genehmigungen auch für die Vergangenheit, das heißt für alle Fahrten ab dem 26.04.2007, zu erteilen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Mit Schreiben vom 25,11,2009 hat das Gericht die Beteiligten zu der Absicht an- gehört, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden und die Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 11.12.2009 eingeräumt. Das Gericht hat die Beklagtenakte, sowie die Schwerbehindertenakte des Klägers vom Zentrum Bayern Familie und Soziales, ferner die Akten des Sozialgerichts Regensburg S 2 KR 264/08, S 2 KR 175/09, S 2 KR 296/08 und S 2 KR 284/08 zum Verfahren beigezogen, auf deren Inhalt im Übrigen ergänzend Bezug genommen wird. Entscheidungsgründe: Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschei- den, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten vorher hier- zu gehört wurden (vgl..§ 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Aus dem Schriftsatz des Klägers vom 07.12.2009 lässt sich nichts Gegenteiliges herleiten, da die Sach- und Rechtslage insoweit geklärt und eindeutig ist. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.11.2008 ist rechtmäßig, da die Beklagte es zu Recht abgelehnt hat, dem Kläger pauschal eine vorherige Genehmigung für Fahrkosten zu ambulanten Behandlungen zu erteilen. Gemäß § 60 Abs. 1 SGB V übernimmt die Krankenkasse nach den Abs. 2 und 3 die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 (Fahrtkosten), wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingen- den medizinischen Gründen notwendig sind. Welches Fahrzeug dabei benutzt werden kann, richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall. Nach $ 60 Abs. 1 S. 3 SGB V übernimmt die Krankenkasse Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 S. 1 ergebenden Betrag- ges nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 12 festgelegt hat. Von dieser Ermächtigung hat der Gemeinsame Bundesausschuss Gebrauch ge- macht und die Krankentransportrichtlinien in der Fassung vom 22.01.2004 erlas- sen. Gemäß § 8 der Krankentransportrichtlinien können in besonderen Ausnahmefällen auch Fahrten zur ambulanten Behandlung außer den in § 7 Abs. 2 Buchstabe b und c geregelten Fällen bei zwingender medizinischer Notwendigkeit von der Krankenkasse übernommen und vom Vertragsarzt verordnet werden, wobei sie der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse bedürfen. Voraussetzung ist demnach unter anderem eine Verordnung des Vertragsarztes gemäß § 2 der Krankentransportrichtlinien. Danach hat der Vertragsarzt die Not- wendigkeit der Beförderung nach § 3 der Krankentransportrichtlinien zu prüfen und das erforderliche Transportmittel nach Maßgabe der §§ 4 bis 7 auszuwählen, wobei die Verordnung auf dem vereinbarten Vordruck entsprechend der Anlage 1 der Krankentransportrichtlinien auszustellen ist. Nicht erforderlich ist jedoch eine vertragsärztliche Verordnung bei Fahrten mit einem privaten Kraftfahreug oder mit einem öffentlichen Verkehrsmittel. (vergleiche § 2 Abs. 3 Krankentransport- richtlinien). Vorliegend mangelt es schon an einer entsprechenden vertragsärztlichen Verord- nung, auf die es allerdings nicht ankommt, sofern der Kläger Fahrten mit dem pri- vaten Kraftfahrzeug und die entsprechende Kostenübernahme begehrt. Aber auch ohne vertragsärztliche Verordnung ist die Klage zur Überzeugung der Kammer abzuweisen, da die sonstigen Voraussetzungen des § 8 der Kranken- transportrichtlinien vorliegend nicht gegeben sind. Nach dem Wortlaut und der Systematik des § 8 der Krankentransportrichtlinien können Fahrten zur ambulanten Behandlung außer den ausdrücklich genannten Fällen lediglich in “besonderen Ausnahmefällen“ und bei “zwingender medizini- scher Notwendigkeit“ von der Krankenkasse übernommen werden. Unter § 8 Abs. 2 und S. 3 der Krankentransportrichtlinien sind die einzelnen Vor- aussetzungen für eine Genehmigung beziehungsweise eine mögliche Genehmi- gung seitens der Krankenkasse im Einzelnen aufgeführt. Ein Fall nach § 8 Abs. 2 der Krankentransportrichtlinien liegt hier nach Überzeugung der Kammer nicht vor, da der Kläger außerhalb der D. nicht mit einem vorgegebenem Therapieschema behandelt wird, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist. Ein solches wurde weder vorgetragen noch lässt es sich aus den sonstigen übersandten Unterlagen entnehmen. Insbesondere leidet der Kläger ausweislich der beigezogenen Schwerbehindertenakte – abgesehen von der N. – nicht unter entsprechenden Gesundheitsstörungen, die ein entsprechendes Therapieschema mit einer hohen Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum rechtfertigen. Zwar liegen bei dem Kläger außerhalb der N. eine Viel- zahl von Erkrankungen vor, die jeweils für sich aber nicht mit einem vorgegebenen Therapieschema behandelt werden, und daher für sich nicht die hohe Behand- lungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweisen. Daneben kommt nach Überzeugung der Kammer auch keine Genehmigung der Fahrten zur ambulanten Behandlung nach § 8 Abs. 3 der Krankentransportrichtli- nien in Betracht. Das Merkzeichen “aG“ ist ausweislich des Bescheids des Zentrums Bayern Fami- lie und Soziales vom 08.03.2009 nicht vergeben. Aber auch eine Genehmigung der begehrten Fahrten nach § 8 Abs. 3 S. 2 SGB V scheidet nach Überzeugung der Kammer aus, da dies neben der vergleichbaren Beeinträchtigung der Mobilität entsprechend dem Merkzeichen aG, BL, H oder der Pflegestufe II, einer ambulanten Behandlung über einen längeren Zeitraum und einer zwingenden medizinischen Notwendigkeit bedarf und es sich dabei um einen besonderen Ausnahmefall handeln muss (vergleiche § 8 Abs. 1 der Krankentrans- portrichtlinien, der nach seiner Systematik auch zur Beurteilung des § 8 Abs. 3 der Krankentransportrichtlinien heranzuziehen ist). In Anbetracht des Willens des Richtliniengebers (für die Krankentransportrichtli- nien) und des Gesetzgebers (§ 60 Abs.1 S. 3 SGB V), der Systematik und des eindeutigen Wortlauts kommt eine Übernahme von Krankenfahrten zur ambulan- ten Behandlung gemäß § 8 der Krankentransportrichtlinien nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht (siehe § 60 Abs. 1 S. 3 SGB V). In Anbetracht der in Anlage 2 der Krankentransportrichtlinien (beispielhaft) ge- nannten Ausnahmefälle (Dialysebehandlung, onkologische Strahlentherapie, on- kologische Chemotherapie) sollen Fahrkosten zur ambulanten Behandlung nur im Falle schwerwiegender und die Mobilität erheblich beeinträchtigender Erkrankun- gen und Behandlungen gewährt werden. Mit der Wortwahl „besonderer Ausnahmefall“ haben sowohl Gesetzgeber als auch Richtliniengeber zum Ausdruck gebracht, dass es sich nicht nur um einen Aus- nahmefall, sondern zudem noch um einen besonderen Ausnahmefall handeln muss, um Krankenfahrten zur ambulanten Behandlung übernehmen zu können. Um einen solchen handelt es sich nach Überzeugung der Kammer bei dem Kläger im Rahmen der beantragten vorliegenden Kostenübernahme nicht. Darüber hinaus ist der Beklagte zuzustimmen, wenn sie ausführt, dass eine pau- schale Vorabgenehmigung nicht möglich ist, da in jedem Einzelfall die Vorausset- zungen des § 8 der Krankentransportrichtlinien geprüft werden müssen. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 07.12.2009 vorträgt, dass er bereits seine Bereitschaft signalisiert hätte, für die Prüfung der Voraussetzungen vor jeder Ein- zelfahrt zur Verfügung zu stehen, stellt sich schon die Frage, ob der Kläger damit die vorliegende Klage auf pauschale Vorabgenehmigung zurücknehmen wollte; im Interesse des Klägers ist davon allerdings nicht auszugehen. Soweit er weiter ausführt, dass für ihn nicht ersichtlich sei, warum in seinem Fall zwingend eine Ein- zelgenehmigung erteilt werden müsse, ist dem entgegenzuhalten, dass dies nicht nur in seinem Fall so gehandhabt wird, sondern nach dem Willen des Gesetzge- bers und Richtliniengebers in allen Fällen zu fordern ist. Diese Notwendigkeit er- gibt sich aus den soeben dargelegten einzuhaltenden und notwendig zu fordern- den Kriterien im Rahmen des § 8 der Krankentransportrichtlinien. Eine pauschale Vorabgenehmigung für alle Fahrten zu ambulanten Behandlungen kann daher aus den genannten Gründen gerade nicht erteilt werden, vielmehr sind in jedem Ein- zelfall die zu fordernden Voraussetzungen zu prüfen. Soweit der Kläger einen entsprechenden Anspruch auf Übernahme der Fahrkos- ten aus § 13 Abs. 3 SGB V herleitet, ergibt sich nichts anderes, da diese Norm le- diglich als Surrogat für den nicht mehr oder nicht zu erfüllenden Sachleistungsa- nspruch geschaffen wurde; ein entsprechender Anspruch auf Sachleistung steht dem Kläger nach dem oben Gesagten gerade nicht zu. Soweit der Kläger einen entsprechenden Anspruch aus § 43 Abs. 1 S. 2 SGB I stützt, ist ein entsprechender Anspruch auf “Sozialleistungen“ weder gegen die Beklagte noch gegen einen sonstigen Leistungsträger gegeben. Was in dem Zusammenhang unter Sozialleistungen zu verstehen ist, lässt sich aus § 11, §§ 18 ff SGB I entnehmen. Für die im Rahmen der Inanspruchnahme ärztlicher Behand- lung anfallenden Fahrtkosten ist die Krankenkasse der zuständige Leistungsträ- ger. Ein entsprechender Anspruch lässt sich einzig auf § 60 SGB V stützen. Die diesbezüglichen Voraussetzungen liegen nach dem oben Gesagten nicht vor. Die Klage ist daher abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache. Rechtsmittelbelehrung Dieser Gerichtsbescheid kann mit der Berufung angefochten werden. ... Richterin am Sozialgericht Faksimile 1 2 3 4 5 6 7 8 9 L 5 KR 131/10 ... link (0 Kommentare) ... comment LSG RPF, L 5 KR 43/07 vom 06.09.2007, Landessozialgericht Rheinland-Pfalz
anselmf
Verkündet am: 06.09.2007
L 5 KR 43/07 S 6 KR 140/05 L Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle IM NAMEN DES VOLKES URTEIL In dem Rechtsstreit - Klägerin und Berufungsklägerin - Prozessbevollmächtigter: gegen AOK - Die Gesundheitskasse in Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Vorstand, Virchowstraße 30, 67304 Eisenberg - Beklagte und Berufungsbeklagte — hat der 5. Senat des Landessozialgerichts Rheinland—Pfalz in Mainz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06.09.2007 durch Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Dr. F. Richterin am Landessozialgericht Dr. J. Richter am Landessozialgericht W. ehrenamtliche Richterin O. ehrenamtlichen Richter I. für Recht erkannt: - 2 - 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 28.11.2006 wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand Streitig ist die Erstattung von Fahrkosten für Fahrten zu einer ambulanten einmal wöchentlich durchzuführenden LDL-ApheresebehandIung sowie die Übernahme von Fahrkosten als Sachleistung. Die 1948 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Unter Vorlage eines Attests der Gemeinschaftspraxis Dres. H /A , I , vom 29.01.2004 beantragte sie bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Fahrten zu einer wöchentlichen LDL-Apheresetherapie. ln dem Attest wurde ausgeführt, die Klägerin leide an einer schwersten familiären Fettstoffwechselerkrankung mit der Folge einer koronaren Herzerkrankung. Ihr Gesundheitszustand sei derzeitig ausschließlich durch eine wöchentliche LDL-Apheresetherapie zu stabilisieren, die ebenso wie eine Dialysebehandlung im Kern eine Blutwäsche beinhalte. Die Klägerin werde dabei an beiden Oberarmen punktiert und müsse während der Behandlungszeiten ca. 1,5 Stunden unbeweglich sitzen. Während der Behandlung werde die Blutgerinnung stark verändert, so dass sie für mehrere Stunden nach der Behandlung vermehrt blutungsgefährdet sei. Aus diesem. Grund empfehle es sich, dass die Klägerin von einer Begleitperson zur Behandlung gebracht und wieder nach Hause zurückgefahren werde. Von der Beeinträchtigung des Organismus her sei die gesamte Behandlung durchaus mit einer Dialysetherapie zu vergleichen. Mit Schreiben vom 17.02.2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, - 3 - die Kosten für die Fahrten mit einem Pkw würden übernommen. Für Januar und Februar 2004 erfolgte sodann eine Kostenerstattung. Mit Schreiben vom 18.03.2004 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme für die Zukunft mit der Begründung ab, nach der Gesundheitsreform könnten Fahrkosten zur ambulanten Behandlung nur in ganz wenigen Ausnahmefällen übernommen werden. Erforderlich sei, dass eine Gefährdung für das Leben bestehe und die Behandlung mindestens zweimal in der Woche erforderlich sei. Die Klägerin legte ein Attest der Gemeinschaftspraxis Dres. H /A vom 03.05.2004 vor, die angab, durch die wöchentliche Therapie habe der Prozess der koronaren Herzerkrankung der Klägerin weitgehend verhindert werden können. Es werde um Überprüfung gebeten, ob die Klägerin bezüglich ihrer Fahrkosten unterstützt werden könne. Mit Bescheid vom 10.12.2004 und Widerspruchsbescheid vom 09.05.2005 lehnte die Beklagte die Erstattung bzw. Übernahme der beantragten Fahrkosten mit Hinweis auf die Krankentransport-Richtlinlen (KT-Rl) des Gemeinsamen Bundesausschusses ab. Die hiergegen am 09.06.2005 erhobene Klage hat das Sozialgericht Mainz durch Urteil vom 28.11.2006 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt nach § 8 S. Abs. 1 Satz 2 KT-Rl sei Voraussetzung für die beantragte Kostenerstattung, dass die Therapie eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweise und dass die Behandlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtige, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich sei. Vorliegend könne dahingestellt bleiben, ob eine hohe Behandlungsfrequenz in diesem Sinne gegeben sei, denn es fehle schon an der zwingenden medizinischen Notwendigkeit des Krankentransports. Die Gemeinschaftspraxis Dres. H /A habe lediglich ausgeführt, es empfehle sich, dass die Klägerin von einer Begleitperson zur Behandlung und wieder nach Hause gebracht werde. - 4 - Gegen das ihr am 08.02.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 08.03.2007 Berufung eingelegt. Sie hat eine Stellungnahme des Dr. H vom 15.03.2007 vorgelegt, in der ausgeführt wird, zusätzlich zu den vorhandenen chronischen Erkrankungen habe sich ein Diabetes mellitus entwickelt, der die Multimorbidität der Klägerin noch vermehre. Sie werde derzeit alle fünf Tage behandelt. Die Einrichtung sei für die Behandlung in besonderer Weise geeignet, da es sich um ein Dialysezentrum mit erheblicher Erfahrung mit extrakorporalen Blutreinigungsverfahren handele und zugleich die Infrastruktur einer diabetischen Schwerpunktpraxis vorhanden sei. Im Sinne der Sicherheit der Klägerin vor dem Hintergrund ihrer Mehrfacherkrankungen sei es "mehr als sinnvoll", dass sie von ihrem Ehemann zu den Behandlungen gebracht und wieder zurücktransportiert werde. Die Klägerin sei im Anschluss an die Behandlung sicherlich nicht in der Lage, einen Pkw zu steuern. Es dauere ca. 4 Stunden bis sich der Stoffwechsel wieder normalisiere. In einer weiteren Bescheinigung vom 26.06.2007 hat Dr. H mitgeteilt, die Klägerin werde im Durchschnitt einmal pro Woche behandelt. Es bestehe die Möglichkeit, sie nach der Behandlung in einem Wartebereich unterzubringen. Nach der ca. 2-stündigen Behandlungszeit stelle sich lediglich noch die Frage der Zumutbarkeit einer anschließenden 4-stündigen Aufenthaltszeit. Der Bescheinigung ist eine Aufstellung über die Behandlungstage in der Zeit vom 07.01.2004 bis zum 12.06.2007 beigefügt. Die Klägerin hat mitgeteilt, die Entfernung von ihrem Wohnort zur Praxis Dres. H /A betrage 60,2 km. Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 28.11.2006 sowie die Bescheide der Beklagten vom 18.03.2004 und 10.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die wöchentliche Beförderung in einem Pkw zu den LDL-Apheresetherapien in der Gemeinschaftspraxis Dres. H / - 5 - A in Höhe von jeweils 24,08 € zu erstatten und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, diese Kosten auch künftig zu übernehmen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie macht geltend, es liege keine hohe Behandlungsfrequenz im Sinne der KT-Rl vor. Die Richtlinien gingen davon aus, dass eine hohe Behandlungsfrequenz bei Dialysebehandlungen, onkologischen Strahlentherapien und onkologischen Chemotherapien gegeben sei. Ein vergleichbarer Fall sei vorliegend nicht gegeben. Wenn das Komplikationsrisiko, wie Dr. H nunmehr attestiert habe, auf 4 Stunden nach der Behandlung beschränkt sei, sei es der Versicherten außerdem zumutbar, diese Zeit in den Räumen der Praxis zu verbringen und anschließend selbst oder unter Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel wieder nach Hause zu fahren. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung waren, Bezug genommen. Entscheidungsgründe Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für Pkw-Fahrten mit Begleitperson zu den ambulanten Behandlungsterminen in der Gemeinschaftspraxis Dres. H /A in l . - 6 - Als Anspruchsgrundlage für das Kostenerstattungsbegehren kommt allein § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Betracht. Nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen als Sach- oder Dienstleistungen. Das gilt auch für Fahrkosten nach § 60 SGB V. Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kosten nur erstatten, soweit es das SGB V oder das Neunte Buch Sozialgesetzbuch vorsieht (§ 13 Abs. 1 SGB V). Ein Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch. Vorliegend ist indessen ein Sachleistungsanspruch nicht gegeben. Nach § 60 Abs. 1 S. 1 SGB V übernimmt die Krankenkasse nach den Abs. 2 und 3 die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 SGB V (Fahrkosten), wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. Welches Fahrzeug benutzt werden kann, richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall (§ 60 Abs. 1 S. 2 SGB V). Die Krankenkasse übernimmt Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 S. 1 SGB V ergebenden Betrags nur noch nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 12 SGB V festgelegt hat. Nach § 8 Abs. 1 S. 1 KT-Rl können in besonderen Ausnahmefällen auch Fahrten zur ambulanten Behandlung bei der zwingenden medizinischen Notwendigkeit von der Krankenkasse übernommen V und vom Vertragsarzt verordnet werden; sie bedürfen der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse. Voraussetzungen für eine Verordnung und eine Genehmigung sind nach Abs. 2, dass der Patient mit einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema behandelt wird, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist und dass diese Behandlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist. Diese Voraussetzungen sind in den in Anlage 2 dieser Richtlinien genannten Ausnahmefällen (Dialysebehandlung, onkologische Strahlentherapie, onkologische Chemotherapie) erfüllt. Diese Liste ist nicht abschließend. Diese - 7 - gesetzeskonforme Konkretisierung der Ausnahme nach § 60 Abs. 1 S. 3 SGB V durch die KT-Rl ist nicht aufgrund ranghöheren Rechts erweiternd auszulegen. Mit der Änderung des § 60 SGB V zum 01.01.2004 wird stärker als zuvor auf die medizinische Notwendigkeit der im Zusammenhang mit der Krankenkassenleistung erforderlichen Fahrt abgestellt. Fahrkosten in der ambulanten Behandlung sollen grundsätzlich nicht mehr erstattet werden; Ausnahmen sollen nur noch nach Genehmigung der Krankenkassen gelten. Die Möglichkeit der Krankenkassen, Fahrkosten generell in Härtefällen zu übernehmen, soll somit ausgeschlossen werden. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. im Einzelnen BSG 26.09.2006 - B 1 KR 20/05 R, juris, Rn. 13 f). Vorliegend ist eine hohe Behandlungsfrequenz i. S. d. § 8 Abs. 2 KT—Rl nicht gegeben. Die in der Anlage 2 der Richtlinien genannte Dialysebehandlung, die onkologische Strahlentherapie sowie die onkologische Chemotherapie erfordern in der Regel mehr als eine Behandlung wöchentlich (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 17.08.2006 - L 5 KR 65/06, juris, Rn. 17 m. w. N.). Auch wenn die erforderliche Behandlungshäufigkeit unterschiedlich ist und in einzelnen Fällen bei den aufgezählten Therapien auch eine höhere Frequenz in Betracht kommen mag, erscheint es angemessen, ausgehend von der regelmäßigen Behandlungshäufigkeit eine Therapiedichte von mindestens zwei Mal pro Woche zu fordern. Unter Berücksichtigung des oben dargelegten Ziels des Gesetzgebers, die Kosten für Fahrten zu ambulanten Behandlungen nicht generell in Härtefällen, sondern nur in besonderen Ausnahmefällen zu erstatten, ist diese enge Auslegung des Begriffs der hohen Behandlungsfrequenz geboten. Die Voraussetzungen für einen Ausnahmefall i.S.d. § 8 Abs. 2 KT-Rl sind somit nicht erfüllt, so dass - da auch Abs. 3 nicht eingreift - es bei dem Grundsatz verbleibt, dass Fahrkosten zu ambulanten Behandlungen vom Versicherten selbst aufzubringen sind. - 8 - Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr.1 SGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. - Rechtsmittelbelehrung - ... B 1 KR 27/07 R Landessozialgericht Rheinland-Pfalz L 5 KR 43/07 vom 06.09.2007 ... link (0 Kommentare) ... comment LSG NSB, L 4 KR 212/04 vom 12.08.2004, Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
anselmf
LANDESSOZIALGERICHT NIEDERSACHSEN-BREMEN
L 4 KR 212/04 ER S 11 KR 413/04 ER (Sozialgericht Hannover)! BESCHLUSS In dem Rechtsstreit A., Antragsteller und Beschwerdeführer, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte B.‚ gegen C., Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin, nicht am Verfahren beteiligt: Landeshauptstadt Hannover, vertreten durch den Oberstadtdirektor, Fachbereich Recht und Ordnung, Fachbereichsübergreifende Rechtsangelegenheiten, Schmiedestraße 24, 30159 Hannover, Beschwerdeführerin, hat der 4. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen am 12. August 2004 in Celle ‚ durch die Richterin S. - Vorsitzende -, den Richter S. und die Richterin P. beschlossen: Der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 4. Juni 2004 wird aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird verurteilt, die Fahrkosten des Antrag- stellers zur Substitutionstherapie (abzüglich etwaiger Zuzahlun- gen) ab 30. September 2004 bis zum Abschluss der Therapie - 2 - bzw. bis zur rechtskräftigen Entscheidung eines Hauptsachever— fahrens vorläufig zu übernehmen. Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers zurückge- wiesen. Die Beschwerde der Landeshauptstadt Hannover wird verworfen. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die außergerichtli- chen Kosten zu drei Vierteln zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Das Verfahren betrifft die vorläufige Übernahme von Fahrkosten zu einer Substitutions- therapie. Der Antragsteller ist arbeitslos. Er erhält Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach 5 72 Bundessozialhilfegesetz, deren Durchführung der Landes- hauptstadt Hannover obliegt. Der Antragsteller unterzieht sich einer Substitutionsbehand- lung. Hierzu muss er sich täglich in der Praxis des behandelnden Facharztes für Allge- meinmedizin Dr. D., Hannover, vorstellen. Er ist dazu auf die Benutzung öffentlicher Ver- kehrsmittel angewiesen. Im Frühjahr 2004 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die vorläufige Übernahme der Fahrkosten zur Substitutionsbehandlung in Höhe von 55,00 Euro für eine Monatskarte der Üstra. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11. Mai 2004 ab. Am 17. Mai 2004 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Hannover die Ge- währung vorläufigen Rechtsschutzes, den das SG mit Beschluss vom 4. Juni 2004 ab- lehnte. Gegen den ihm am 17. Juni 2004 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 13. Juli 2004 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Zuvor hatte der Antragsteller am 30. Juni 2004 die Übernahme der Fahrkosten bei der Landeshauptstadt Hannover beantragt. In Ansehung des ablehnenden Bescheides der Antragsgegnerin gewährte die Landeshauptstadt Hannover dem Antragsteller für die Zeit vom 30. Juni bis 29. September 2004 vorläufig Fahrkosten in Form einer Mobilcard. Die Landeshauptstadt Hannover ist zum Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz weder beigeladen noch hat sie einen Antrag auf Beiladung gestellt, der abgelehnt worden wäre. Gleichwohl hat sie am 13. Juli 2004 Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 4. Juni 2004 eingelegt. Die Beschwerde der Landeshauptstadt Hannover ist unzulässig. - 4 - Die Landeshauptstadt Hannover ist im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren weder Antragstellerin noch Antragsgegnerin. Sie ist zum Verfahren auch weder beigela- den, noch ist ein Antrag auf Beiladung abgelehnt worden. Sie ist daher nicht befugt, ge- gen den Beschluss des SG vom 4. Juni 2004 ein Rechtsmittel einzulegen (vgl. hierzu: Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl. 2002, Vor § 143 Rn. 4). Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und überwiegend begründet. Nach § 86b Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Be- zug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwen- dung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen für die Zeit ab 30. September 2004 vor. Ob ein Anordnungsanspruch gegeben ist, lässt sich im Eilverfahren nicht abschließend beurteilen. Nach § 60 Abs. 1 Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) übernimmt die Kranken- kasse die Fahrkosten, wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind (Satz 1). Für Fahrkosten zu ei- ner ambulanten Behandlung übernimmt die Krankenkasse die Kosten nur nach vorheri- ger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesaus- schuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V festgelegt hat ( Satz 3). § 8 dieser Krankentransport-Richtlinien vom 22. Januar 2004 (BAnz 2004 Nr. 18) knüpft die ausnahmsweise Übernahme der Fahrkosten u.a. an die Voraussetzung, dass die Be- handlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist. Als Ausnahme nennen die Krankentransport-Richtlinien in Anlage 2: Dialysebehandlung, onkologische Strahlentherapie und onkologische Chemo- therapie. Nach § 8 Abs. 2 Satz 3 Krankentransport—Richtlinien sind diese Behandlungen nicht abschließend. Im vorliegenden Fall wird auch von der Antragsgegnerin nicht bezweifelt, dass der An- tragsteller zur Substitutionsbehandlung täglich die Praxis des behandelnden Arztes auf- suchen muss und hierzu auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, deren Kosten er - 5 - — der Antragsteller - nicht aus eigenen Mitteln bestreiten kann. Die tägliche Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist also erforderlich, damit der Antragsteller überhaupt ärztlich behandelt werden kann. Nur auf diese Weise können bei ihm Schäden an Leib und Le- ben vermieden werden. Ob dieser Sachverhalt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V erfüllt oder ob — wie die Antragsgegnerin meint — die Beförderung selbst medizinisch indiziert sein muss, kann der Senat im vorliegenden Eilverfahren nicht ab- schließend entscheiden. Daher ist es in Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) geboten, den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz auf der Grundlage einer Folgenab- wägung zu entscheiden (so BVerfG, Beschlüsse vom 22. November 2002 — 1 BvR 1586/02 — in NZS 2003, 253 f. und vom 19. März 2004 — 1 BvR 131/04 — in GesR 2004, 246 f.). Danach hat die Antragsgegnerin die Fahrkosten (abzüglich etwaiger Zuzahlungen) ab 30. September 2004 vorläufig zu übernehmen. Der Antragsteller muss zur Durchführung der Substitutionsbehandlung täglich zu seinem behandelnden Arzt fahren. Hierzu ist er — wie die Antragsgegnerin nicht in Abrede stellt — auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen. Ist ihm das nicht möglich, muss er die Behandlung abbrechen. Dadurch würde seine Gesundheit in erheblichem Maße beeinträchtigt. Die ihm entstehenden Nachteile wiegen erheblich schwerer, als die Nachteile für die Antragsgegnerin, wenn sie die Fahrkosten vorläufig übernimmt. Denn nach unwidersprochener Feststellung des SG betragen die Kosten für eine Monatskarte der Üstra nicht mehr als 55,00 Euro. Die Antragsgegnerin ist zur vorläufigen Übernahme der Fahrkosten jedoch erst ab dem 30. September 2004 verpflichtet. Die Landeshauptstadt Hannover hat die Fahrkosten vor- läufig bis 29. September 2004 übernommen. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Durchfüh- rung der Behandlung des Antragstellers gesichert. Er hat insoweit keine Nachteile zu be- fürchten. Die Pflicht zur vorläufigen Fahrkostenübernahme durch die Antragsgegnerin beschränkt sich daher auf die Zeit vom 30. September 2004 an. Sie dauert bis zur Been- digung der Substitutionsbehandlung bzw. bis zu dem rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der Antragsteller zu einem überwiegenden Teil obsiegt hat. - 6 - Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG). S. S. P. ... link (0 Kommentare) ... comment LSG BW, L 4 KR 907/12 NZB vom 18.12.2012, Landessozialgericht Baden-Württemberg
anselmf
Landessozialgericht Baden-Württemberg
L 4 KR 907/12 NZB S 5 KR 1763/11 Beschluss Der 4. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart hat durch Beschluss vom 18. Dezember 2012 für Recht erkannt: Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Januar 2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. - 2 - Gründe: I. Im Streit steht die Erstattung von Fahrkosten für Taxifahrten für die Hinfahrt zur Dialysebehandlung vom 01. Februar bis 30. April 2011. Die 1979 geborene Klägerin war bis 30. April 2011 bei der Beklagten krankenversichert. Sie hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 und das Merkzeichen G. Sie leidet unter Niereninsuffizienz und muss sich seit April 2008 dreimal wöchentlich einer Dialysebehandlung unterziehen. Am 04. November 2010 verordnete der Internist und Nephrologe Dr. M., Dialysezentrum und Gemeinschaftspraxis, eine Krankenbeförderung zu einer ambulanten Behandlung beim Vertragsarzt gemäß Anlage 2 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten (Krankentransport-Richtlinien) dreimal wöchentlich vom 01. Januar bis 31. Dezember 2011 mit Taxi oder Mietwagen von der Wohnung zur Dialyse Wiesloch, Hin- und Rückfahrt. Zur medizinischen Begründung gab er an, es bestehe eine komplexe Situation mit massiver aneurysmatischer Aufweitung des Dialyse-Shunts und Schwellung des gesamten Armes (Z 49.0). Die Klägerin sei gehfähig, medizinisch-technische Ausstattung des Transportfahrzeugs oder medizinische Betreuung sei nicht erforderlich. Dr. R. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) befand auf Anfrage der Beklagten in der sozialmedizinischen Stellungnahme vom 29. Dezember 2010, aus medizinischer Sicht seien öffentliche Verkehrsmittel ausreichend. Ob diese tatsächlich verfügbar seien, sei nach den Krankentransport-Richtlinien nicht entscheidungsrelevant. Mit Bescheid vom 29. Dezember 2010 bewilligte die Beklagte alle medizinisch notwendigen Krankenfahrten zur Dialysebehandlung für den Zeitraum vom 01. bis 31. Januar 2011. Mit Bescheid vom 25. Januar 2011 bewilligte die Beklagte ab 01. Februar 2011 nur noch die Fahrkosten für öffentliche Verkehrsmittel. Nach einem Aktenvermerk vom 27. Januar 2011 bestehe eine Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Ö., dem Wohnort der Klägerin, bis W.. Die Dialysepraxis liege jedoch in F., einem 5 km entfernten Vorort von W., „in der Pampa“. Dorthin bestehe keine Busverbindung. Mit dem Taxi sei die Entfernung zwischen dem - 3 - Wohnort und der Dialysepraxis 7 km. Nach der Dialyse dürfe die Klägerin wohl nicht selbst Auto fahren. Mit Bescheid vom 31. Januar 2011 bewilligte die Beklagte vom 01. Februar 2011 bis 31. Dezember 2011 Krankenfahrten mit dem Taxi für die Rückfahrt von der Dialyse zum Wohnort. Mit Schreiben vom 01. Februar 2011 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. Januar 2011. Der öffentliche Nahverkehr zwischen Ö. und F. sei denkbar schlecht. Sie müsse dienstags, donnerstags und samstags jeweils bereits um 6:15 Uhr im Dialysezentrum sein. Der Bus ab Ö. verkehre zwar bereits ab 5:00 Uhr, allerdings nur bis W.- Arbeitsamt. Von dort müsse die Klägerin 1,5 km laufen, die letzten 500 m entlang einer stark befahrenen Straße ohne Gehweg. Samstags fahre der erste Bus um 7:00 Uhr, so dass keine Möglichkeit bestehe, mit dem Bus zur Dialyse zu kommen. Auf dem Rückweg sei die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen Unwohlsein, Schwindel, Müdigkeit nicht möglich. Mit undatiertem Schreiben wies die Beklagte darauf hin, dass aufgrund des Bescheides vom 31. Januar 2012 ab dem 01. Februar 2011 die Rückfahrt von der Dialyse zum Wohnort mit dem Taxi mit ihr abgerechnet werden könne, nach Ansicht des MDK aus medizinischer Sicht öffentliche Verkehrsmittel ausreichten, deren Verfügbarkeit nach den Krankentransport- Richtlinien nicht entscheidungsrelevant sei. Den Widerspruch vom 15. Februar 2011 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 07. April 2011 zurück. Mit ihrer am 21. April 2011 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie beantragte Kostenübernahme für die im Februar, März und April 2011 durchgeführten Krankenfahrten und legte Rechnungen über die Hinfahrten für Februar 2011 in Höhe von € 226,56; März 2011 in Höhe von € 264,32 und April 2011 in Höhe von € 245,44 vor. Außerdem legte sie einen von Dr. M. am 02. März 2011 ausgestellten Dauertransportschein vor, demzufolge der Transport zur Behandlung und zurück im Februar 2011 mit dem Taxi medizinisch erforderlich gewesen sei. Mit Urteil vom 23. Januar 2012 wies das SG die Klage ab. Der geltend gemachte Anspruch auf Kostenerstattung bestehe nicht, weil der Sachleistungsanspruch nicht bestehe. Die Krankenkasse übernehme gemäß § 60 Abs. 2 und 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) die Kosten für Fahrten, die im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig seien. Die Notwendigkeit sei für Hin- und Rückweg gesondert zu prüfen (§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V - 4 - i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 2 Krankentransport-Richtlinien). Welches Fahrzeug benutzt werden könne, richte sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall. Bei der Auswahl sei insbesondere der aktuelle Gesundheitszustand und die Gehfähigkeit ausschlaggebend. Die Krankenfahrt mit einem Taxi sei nur dann zu verordnen, wenn der Versicherte aus zwingenden medizinischen Gründen öffentliche Verkehrsmittel oder ein privates Kraftfahrzeug nicht benutzen könne. Die Verordnung könne nicht darauf gestützt werden, die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel, zu deren Nutzung der Versicherte gesundheitlich prinzipiell in der Lage wäre, sei vor Ort unzureichend. Maßgeblich sei nämlich ausschließlich die medizinische Notwendigkeit. Auch bei anderen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, vom Bundessozialgericht (BSG) entschieden bezüglich der Hilfsmittelversorgung und Krankenhausbehandlung, lasse sich die medizinische Notwendigkeit nicht mit örtlichen Verhältnissen oder sonstigen persönlichen Umständen begründen. Daran gemessen benötige die Klägerin kein Taxi für die Fahrten zur Dialysebehandlung. Trotz der Niereninsuffizienz sei sie gesundheitlich in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und fahre - nach ihren Bekundungen in der mündlichen Verhandlung - selbst mit dem Auto zur Arbeit. Es bestehe kein Grund, die Berufung zuzulassen. Gegen das über ihren Prozessbevollmächtigten am 06. Februar 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29. Februar 2012 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Die dem Urteil des SG zugrunde liegende Rechtsauffassung, eine Verordnung von Krankenfahrten mit dem Taxi könne nur darauf gestützt werden, der Versicherte könne öffentliche Verkehrsmittel oder einen Pkw aus zwingenden medizinischen Gründen nicht benutzen und nicht darauf, dass die Anbindung vor Ort unzureichend sei, stehe in krassem Widerspruch zu deutlichen Stimmen in der Kommentarliteratur. Die Frage sei in der Rechtswissenschaft höchst streitig. Zum Teil werde vertreten, dass es nicht ausgeschlossen sei, die örtlichen Verhältnisse in die Beurteilung einzubeziehen. Die Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel könne ausgeschlossen sein, weil die dadurch erforderlichen längeren Wartezeiten aufgrund zwingender gesundheitlicher Gründe unzumutbar seien (Hasfeld/Waßer in juris-PK SGB V, § 60 RdNr. 61; Baier in Krauskopf, Stand März 2012, § 60 RdNr. 9). Das SG habe verkannt, dass diese grundsätzliche Rechtsfrage keineswegs eindeutig beurteilt werde. Das BSG habe hierzu bisher keine eindeutige Entscheidung getroffen. - 5 - Die Klägerin beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Januar 2012 zuzulassen. Die Beklagte beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung in § 144 Abs. 1 SGG sei wie in § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG auszulegen. Eine Rechtssache habe über den Einzelfall hinaus nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwerfe, die aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Berufungsgericht zu erwarten sei (Klärungsfähigkeit). Ein Individualinteresse genüge nicht. Maßgebend sei nicht die richtige Einzelfallentscheidung; sie sei nur eine Folge der Klärung der grundsätzlichen Rechtsfrage. Das BSG habe mit Beschluss vom 03. April 2008 (B 11b AS 15/07 B in juris) verdeutlicht, dass es regelmäßig an der Klärungsbedürftigkeit fehle, wenn sich die Antwort unmittelbar aus den gesetzlichen Vorschriften ergebe. Nach § 60 Abs. 1 SGB V übernehme die Krankenkasse nach den Absätzen 2 und 3 die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 SGB V (Fahrkosten), wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. Welches Fahrzeug benutzt werden könne, richte sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall. Der Gesetzestext sei eindeutig. Eine grundsätzliche Bedeutung liege danach nicht vor. Hierfür sei unerheblich, ob bereits Rechtsprechung des BSG zu der Frage vorliege. II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG vom 23. Januar 2012 ist zulässig. Die Beschwerde der Klägerin ist jedoch nicht begründet, weil keine Gründe für eine Zulassung der Berufung gegeben sind. - 6 - 1. Die Berufung bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, € 750,00 oder 2. bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden € 10.000,00 nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (Satz 2). Die Berufung gegen das Urteil des SG vom 23. Januar 2012 bedarf der Zulassung, denn der Beschwerdewert von mehr als € 750,00 ist hier nicht erreicht. Die Klägerin begehrt die Erstattung von Fahrkosten in Höhe von € 736,32. Diese betreffen keinen Zeitraum von mehr als einem Jahr, sondern nur von 3 Monaten (01. Februar bis 30. April 2011). Schließlich hat das SG die Berufung im Urteil nicht zugelassen. 2. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Keiner dieser Gründe ist gegeben. a) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine grundsätzliche Bedeutung ist dann anzunehmen, wenn sich eine Rechtsfrage stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch eine höherinstanzliche Entscheidung zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit; vgl. z.B. BSG, Beschluss vom 16. November 1987 - 5b BJ 118/87 - SozR 1500 § 160a Nr. 60; Beschluss vom 16. Dezember 1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § 160a Nr. 16). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, falls sich die Antwort auf - 7 - die Rechtsfrage ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften oder aus bereits vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung ergibt (vgl. z.B. BSG, Beschluss vom 17. April 2012 - B 13 R 347/10 B - in juris). Den von der Klägerin als rechtsgrundsätzlich bezeichneten Fragen kommt eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Die Rechtsfrage, ob ausschließlich medizinische Gründe als Kriterium bei der Beurteilung der Notwendigkeit eines Beförderungsmittels bei einer Krankenbeförderung heranzuziehen sind oder ob die örtlichen Verhältnisse mitberücksichtigt werden müssen, ist nicht klärungsbedürftig. Gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V übernimmt die Krankenkasse nach den Absätzen 2 und 3 die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 SGB V (Fahrkosten), wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. Nach Satz 2 der Vorschrift richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall, welches Fahrzeug benutzt werden kann. Die Krankentransport-Richtlinien (in der Fassung vom 22. Januar 2004, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2004; Nr. 18; S. 1342; zuletzt geändert am 21. Dezember 2004; veröffentlicht im Bundesanzeiger 2005; Nr. 41; S 2937; in Kraft getreten am 02. März 2005) sehen in § 4 für die Auswahl des Beförderungsmittels ausschließlich die zwingende medizinische Notwendigkeit im Einzelfall unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots als maßgeblich. Für die Auswahlentscheidung ist deshalb insbesondere der Gesundheitszustand des Versicherten und seine Gehfähigkeit zu berücksichtigen. Damit ist die Frage, welche Auswirkungen die örtlichen Verkehrsverhältnisse haben, bereits nach dem Wortlaut von Gesetz und Richtlinie nicht klärungsbedürftig und klärungsfähig, weil sie keine Bedeutung über den Einzelfall hinaus hat, der Senat bei inhaltlicher Befassung mit der Rechtssache nur eine Einzelfallentscheidung durch Anwendung geltenden Rechts treffen könnte. Außerdem ergibt sich die Antwort unmittelbar aus den gesetzlichen Vorschriften, aufgrund derer eine Einzelfallentscheidung vorzunehmen ist. Die Frage, ob vorliegend aufgrund der örtlichen Verhältnisse die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel auf dem Hinweg zur Dialysebehandlung aufgrund der 1,5 km weiten, mangels Busanbindung zu Fuß zurückzulegenden Wegstrecke der Klägerin angesichts eines GdB von 100 und dem Merkzeichen G gesundheitlich unzumutbar ist, ist aber eine Frage des Einzelfalls. Die Klägerin rügt mit der Beschwerde letztlich eine unrichtige Einzelfallentscheidung durch unzutreffende Auslegung der zugrunde liegenden Vorschriften. Dies ist nach der Systematik der §§ 143 bis 145 SGG gerade nicht möglich, wenn die Berufung nicht zulässig ist und - mangels - 8 - Vorliegens der im Gesetz abschließend genannten Zulassungsgründe - weder vom SG noch auf Beschwerde vom LSG zugelassen wird. Vorliegend war die Berufung mangels Erreichens des Berufungsstreitwerts nicht zulässig; sie wurde vom SG zu Recht nicht zugelassen, da ein Grund für die Zulassung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SGG nicht vorliegt. b) Eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG und ein Verfahrensmangel im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG ist nicht ersichtlich und wird von der Klägerin auch nicht behauptet. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG). Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil des SG vom 23. Januar 2012 (S 5 KR 1763/11) rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG). ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, B 9 SB 90/12 B vom 23.01.2013, Bundessozialgericht
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BUNDESSOZIALGERICHT
Beschluss in dem Rechtsstreit Az: B 9 SB 90/12 B L 7 SB 29/10 (LSG Sachsen-Anhalt) S 12 SB 137/07 (SG Halle) Kläger und Beschwerdeführer, Prozessbevollmächtigte: gegen Land Sachsen-Anhalt, vertreten durch das Landesverwaltungsamt - Landesversorgungsamt, Maxim-Gorki-Straße 7, 06114 Halle/Saale, Beklagter und Beschwerdegegner. Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat am 23. Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. L. sowie die Richter K. und O. beschlossen: Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landes- sozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 25. September 2012 wird als unzulässig verworfen. Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. - 2 - Gründe: [Abs 1] Mit Urteil vom 25.9.2012 hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) einen Anspruch des Klägers auf Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) verneint. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt. Er macht eine grundsätzli- che Bedeutung der Rechtssache geltend. [Abs 2] Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG). Keiner der in § 160 Abs 2 SGG ab- schließend aufgeführten Zulassungsgründe ist ordnungsgemäß dargetan worden. [Abs 3] Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG - wie sie der Kläger geltend macht - hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm an- gestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht. [Abs 4] Der Kläger misst folgenden Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung bei: 1. Ergibt sich aus Art. 9 Abs 1, Art 20 Buchst a), Art 30 Abs 1 Buchst c) Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) ein An- spruch auf das Merkzeichen aG auch außerhalb der Normierungen des § 3 Abs 1 Nr. 1 Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) i.V.m. § 6 Abs 1 Nr. 14 Straßenver- kehrsgesetz (StVG), § 46 Straßenverkehrsordnung (StVO), § 46 Verwaltungsvorschriften zur StVO (VwV-StVO), soweit und solange es sich bei diesem Merkzeichen um die einzige Möglichkeit handelt, im gesamten Bundesgebiet Parkerleichterungen zu erhalten? 2. Ergibt sich aus der UN-BRK als im Zusammenhang mit der vom Bundesverfassungsge- richt anzuwendenden Auslegungshilfe des Grundgesetzes ein Anspruch auf Parkerleichte- rungen i.S. einer Reduktion der derzeit strengen Maßstäbe für die Feststellung des Merkzei- - 3 - chens aG, solange allein das Merkzeichen aG Parkerleichterungen für das gesamte Bun- desgebiet einschließt? [Abs 5] In Bezug auf diese Fragen fehlt es an hinreichenden Ausführungen des Klägers zum höchst- richterlichen Klärungsbedarf hinsichtlich der rechtlichen Grundsätze, nach denen das Merkzei- chen "aG" festzustellen ist (vgl dazu § 69 Abs 4 SGB IX, § 3 Abs 1 Nr 1 SchwbAwV, § 6 Abs 1 Nr 14 StVG, § 46 Abs 1 Nr 11 VwV-StVO). Eine Klärungsbedürftigkeit ist unter anderem dann nicht gegeben, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich beantwortet ist (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13, 65) oder wenn sich für die Antwort in höchst- richterlichen Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte finden lassen (vgl BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8). Der Kläger hätte daher die rechtliche Klä- rungsbedürftigkeit der von ihm angesprochenen Fragestellungen unter Einbeziehung der vor- handenen Rechtsprechung des BSG, wie vom LSG bereits benannt, näher begründen müssen. Hierzu wäre es zunächst erforderlich gewesen, sich mit den vom Senat festgelegten Grundsät- zen zur Feststellung des Merkzeichens "aG" auseinanderzusetzen (zB Senatsurteil vom 5.7.2007 - B 9/9a SB 5/06 R; Senatsurteil vom 29.3.2007 - B 9a SB 5/05 R; Senatsurteil vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01 R, BSGE 90, 180 = SozR 3-3250 § 69 Nr 1; Senatsurteil vom 11.3.1998 - B 9 SB 1/97 R, BSGE 82, 37 = SozR 3-3870 § 4 Nr 23). Dies hat der Kläger ver- säumt. [Abs 6] Gleiches gilt, soweit der Kläger die rechtliche Bedeutung der UN-BRK für die Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" geklärt wissen will. Allein die Bezugnahme auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom "22.3.2012 - 2 BvR 889/09, Rnr 52" (möglicher- weise tatsächlich gemeint: Beschluss vom 23.3.2011 - 2 BvR 882/09) verbunden mit der Be- hauptung, dass es zu den gestellten Rechtsfragen bisher keine höchstrichterliche Recht- sprechung gebe, genügt den Darlegungserfordernissen nicht. Auch insoweit hätte es einer Auseinandersetzung mit der zum Teil bereits vom LSG benannten Rechtsprechung des BSG zur Anwendung der UN-BRK bedurft (vgl zB BSG Beschluss vom 10.5.2012 - B 1 KR 78/11 B - RdNr 6 ff, SozR 4-2500 § 140f Nr 1; BSG Urteil vom 6.3.2012 - B 1 KR 10/11 R - RdNr 19 f, SozR 4-1100 Art 3 Nr 69, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; Senatsurteil vom 24.5.2012 - B 9 V 2/11 R - RdNr 36, SozR 4-3520 § 7 Nr 1, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; Senatsurteil vom 29.4.2010 - B 9 SB 2/09 R - RdNr 43, BSGE 106, 101 = SozR 4-3250 § 2 Nr 2). Mit dieser Rechtsprechung hätte sich der Kläger inhaltlich befassen und auf- zeigen müssen, in welchem Rahmen eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erfor- derlich ist (vgl hierzu allgemein Becker, die Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG [Teil I], SGb 2007, 261, 266 zu Fußnote 58). Dabei wäre zB darauf einzugehen gewesen, ob die UN-BRK an der Rechtslage für das Merkzeichen "aG" etwas Grundlegendes geändert hat (vgl dazu Wendt- land, Finale Betrachtungsweise bei Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen - 4 - "aG", in Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht, Forum C, Diskussionsbeitrag Nr 9/2011, vom 29.11.2011). [Abs 7] Soweit der Kläger im Übrigen die Beweiswürdigung des LSG (vgl hierzu § 128 Abs 1 S 1 SGG) kritisiert, kann er damit gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG von vornherein keine Revisions- zulassung erreichen. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger eine unzutreffende Rechtsanwen- dung des LSG rügen wollte (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10). [Abs 8] Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG). [Abs 9] Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendungen des § 193 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment Sonntag, 10. Mai 2015
BSG, B 8 SO 54/10 B vom 24.11.2011, Bundessozialgericht
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BUNDESSOZIALGERICHT
Beschluss in dem Rechtsstreit Az: B 8 SO 54/10 B L 8 SO 132/09 (Bayerisches LSG) S 10 SO 13/08 (SG Landshut) Kläger und Beschwerdeführer, Prozessbevollmächtigte: gegen Bezirk Niederbayern, Gestütstraße 10, 84028 Landshut, Beklagter und Beschwerdegegner, beigeladen: 1. Landkreis Passau, Regensburger Straße 33, 94036 Passau, 2. Deutsche Angestellten-Krankenkasse, Nagelsweg 27-31, 20097 Hamburg. Der 8. Senat des Bundessozialgerichts hat am 24. März 2011 durch die Richter C. , O., und Prof. Dr. S. beschlossen: Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. Juni 2010 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. - 2 - Gründe: I [Abs. 1] Im Streit ist die Übernahme von Betriebskosten für ein dem Kläger gehörendes, selbst be- schafftes Kfz im Wege der Eingliederungshilfe. [Abs. 2] Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers gegen das klageab- weisende Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 23.4.2009 (S 10 SO 13/08) zurückgewiesen, weil der Kläger zum Zwecke der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht auf die regelmä- ßige Benutzung des Kfz angewiesen sei (Urteil vom 29.6.2010, L 8 SO 132/09). [Abs. 3] Mit seiner gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegten Beschwerde rügt der Kläger die Verletzung des rechtlichen Gehörs nach § 62 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm Art 103 Abs 1 Grundgesetz (GG). Die Mitteilung des Klägers an das LSG vom 27.6.2010, er könne an dem Verhandlungstermin vom 29.6.2010 nicht teilnehmen, weil er nicht über die finanziellen Mittel zur Bestreitung der Fahrtkosten verfüge, sei als Terminverlegungsantrag auszulegen. Weder habe das LSG über diesen entschieden, noch habe es Reisekosten gewährt, sodass der mit- tellose Kläger an der Teilnahme am Termin zur mündlichen Verhandlung gehindert worden sei. Damit könne die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen, denn es könne grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass eine Verletzung des rechtlichen Ge- hörs, die einen Verfahrensbeteiligten daran gehindert habe, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, die daraufhin ergangene Entscheidung beeinflusst habe. Einer Angabe, welches Vorbringen durch das beanstandete Verfahren verhindert worden sei, bedürfe es nicht. [Abs. 4] Der Rechtssache komme auch grundsätzliche Bedeutung zu, weil folgende Fragen grundsätz- licher Klärung bedürften: "Sind bei Leistungsberechtigten nach dem vierten Kapitel des SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) als Versicherungsnehmer einer Kraftfahrzeug-Haftpflichtver- sicherung mit eigenem Renteneinkommen die Prämien für die Kraftfahrzeug- Haftpflichtversicherung nach § 82 Abs 2 Nr 3 SGB XII vom Renteneinkommen absetzbar, wenn wegen Krankheit oder Behinderung die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht möglich oder zumutbar ist? Stellen die §§ 53 Abs 1 Satz 1 und 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 10 Abs 6 Ein- gliederungshilfe-Verordnung (EinglHV) für die Übernahme der Betriebskosten des Kfz die allei- nige Anspruchsgrundlage dar?" - 3 - [Abs. 5] Diese Rechtsfragen seien auch klärungsbedürftig; das Bundessozialgericht (BSG) habe in sei- nem Urteil vom 18.3.2008 (B 8/9b SO 11/06 R, BSGE 100, 139 = SozR 4-3500 § 82 Nr 4) ent- schieden, dass die Absetzbarkeit des Versicherungsbeitrags für ein Kfz voraussetze, dass die- ses zumindest auch für sozialhilferechtlich anerkennte Zwecke genutzt werde, also etwa, weil die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel im Fall von Krankheit oder Behinderung eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder unzumutbar sei. Hierbei habe es jedoch offen gelassen, ob die Kfz-Versicherungsbeiträge überhaupt als angemessene Versicherungsbeiträge zu verstehen seien und auf die abweichende Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 62, 261 ff) verwiesen. II [Abs. 6] Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensfehlers, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) und der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), nicht in der erforderlichen Weise be- zeichnet bzw dargelegt ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Der Senat konnte deshalb über die Be- schwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 SGG entscheiden. [Abs. 7] Macht der Beschwerdeführer das Vorliegen von Verfahrensmängeln geltend, so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) wie bei einer Verfahrensrüge innerhalb einer zugelassenen Revision zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) be- gründenden Tatsachen substanziiert dargelegt werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen Rechtsansicht - auf dem jeweiligen Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung der Entscheidung besteht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 und 36), es sei denn, es würden absolute Revisionsgründe gerügt, bei denen gemäß § 202 SGG iVm § 547 Zivilprozessordnung (ZPO) der Einfluss auf die Entscheidung unwiderlegbar ver- mutet wird (BSGE 4, 281, 288; BSG SozR 1500 § 136 Nr 8). [Abs. 8] Der Kläger hat mit seinem Vorbringen einen Verfahrensmangel wegen Verletzung des recht- lichen Gehörs nach § 62 SGG und Art 103 Abs 1 GG nicht hinreichend bezeichnet. Das Gebot des rechtlichen Gehörs hat auch zum Inhalt, dass die Beteiligten ausreichend Gelegenheit zur Abgabe sachgemäßer Erklärungen haben müssen (BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 5; BSG SozR 1500 § 128 Nr 24). Wird aufgrund mündlicher Verhandlung, dem "Kernstück" des gerichtlichen Verfahrens (BSGE 44, 292, 293 = SozR 1500 § 124 Nr 2) entschieden, müssen die Beteiligten die Möglichkeit haben, hieran teilzunehmen. Dem Anspruch auf rechtliches Gehör ist dabei in der Regel bereits dadurch genügt, dass das Gericht die mündliche Verhandlung anberaumt (§ 110 Abs 1 Satz 1 SGG), der Beteiligte bzw sein Prozessbevollmächtigter ordnungsgemäß - 4 - geladen und die mündliche Verhandlung zu dem festgesetzten Zeitpunkt eröffnet wird (BSG, Urteil vom 28.4.1999, B 6 KA 40/98 R, USK 99111, RdNr 16). Dass der Kläger an der Teilnahme der mündlichen Verhandlung gehindert wurde, trägt er nicht schlüssig vor. Dem Schreiben des Klägers vom 27.6.2010 lässt sich insbesondere kein Terminverlegungsantrag oder ein Antrag auf Gewährung eines Reisekostenzuschusses entnehmen, sondern allein die Bitte um Verständnis im Falle seiner Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung. Warum das Schreiben dennoch als Verlegungsantrag auszulegen war, erläutert der Kläger nicht. [Abs. 9] Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit und der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichter- lichen Rechtsprechung - ggf sogar des Schrifttums - angeben, welche Rechtsfragen sich stel- len, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechts- fragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59 und 65). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. [Abs. 10] Insbesondere ist die Klärungsfähigkeit nicht ausreichend dargelegt. Das LSG hat die Über- nahme der Betriebskosten für das dem Kläger gehörende Kfz im Zusammenhang mit Leistun- gen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft geprüft, weil der Kläger Eingliederungshilfe beantragt hat. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht er hingegen geltend, dass ihm ange- sichts der Anrechenbarkeit der "angemessenen" Versicherung höhere Leistungen nach §§ 41 ff Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) zustehen. Zur Darlegung der Klä- rungsfähigkeit hätte er sich dann aber mit den unterschiedlichen Streitgegenständen und mit insoweit (ggf) bestandskräftigen Bescheiden des Beigeladenen zu 1., der für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zuständig wäre, auseinandersetzen müs- sen. Dies hat er jedoch nicht getan. [Abs. 11] Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, B 8 SO 6/11 R vom 15.11.2012, Bundessozialgericht
anselmf
BUNDESSOZIALGERICHT
Im Namen des Volkes Verkündet am 15.11.2012 Urteil in dem Rechtsstreit Az: B 8 SO 6/11 R Prozessbevollmächtigte: gegen Stadt Rheinberg, Kirchplatz 10, 47495 Rheinberg, Beklagte und Revisionsbeklagte, Prozessbevollmächtigte: Der 8. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2012 durch den Vorsitzenden Richter E. , den Richter C. und die Richterin K. sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. W. und G. für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. Juli 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen. -2- Gründe: I [Abs. 1] Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von Kosten in Höhe von 50,48 Euro für ein Depot-Kontrazeptivum (sog "3-Monats-Spritze") auf Grundlage von Verordnungen vom 8.3.2007 und vom 5.6.2007. [Abs. 2] Bei der 1966 geborenen Klägerin besteht eine geistige Behinderung mit Aphasie bei Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma. Sie erhält laufend Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Sozial- gesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) - ua für die Zeit vom 1.7.2006 bis 30.6.2007 (Bescheid vom 21.6.2006) - und ist Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bei der AOK Rheinland/Hamburg. Sie übt eine Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen aus und wohnt gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem Sohn, der von seiner Großmutter erzogen wird, in einem Haushalt. [Abs. 3] Am 21.9.2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Vorlage privatärztlicher Verord- nungen ihres behandelnden Gynäkologen vom 13.6.2006 und 12.9.2006 und einer Bescheini- gung dieses Arztes vom 13.9.2006, wonach die Verordnung erforderlich sei, die Kostenüber- nahme für jeweils eine Ampulle des Depot-Kontrazeptivums Noristerat. Einen anschließend bei der AOK Rheinland/Hamburg gestellten Kostenübernahmeantrag lehnte diese ab, weil eine Kostenübernahme für Kontrazeptiva nach Vollendung des 20. Lebensjahres gemäß § 24a Abs 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) aus- scheide (Bescheid vom 6.10.2006). Auch die Beklagte lehnte den Kostenübernahmeantrag ab (Bescheid vom 20.10.2006; Widerspruchsbescheid unter Beteiligung sozial erfahrener Dritter vom 29.3.2007). [Abs. 4] Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Duisburg erhoben und die Erstattung von Kosten in Höhe von insgesamt 126,20 Euro für 5 Ampullen Noristerat (jeweils 25,24 Euro) geltend gemacht, die sie sich nach Ablehnung der Kostenübernahme durch die Beklagte auf Grundlage privatärztlicher Verordnungen ihres behandelnden Gynäkologen vom 8.3., 5.6., 6.9., 13.12.2007 und 13.3.2008 beschafft hatte. Das SG hat die Beklagte antragsgemäß zur Kosten- erstattung verurteilt (Urteil vom 9.9.2008). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesso- zialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.7.2010). Einem Anspruch aus § 49 Satz 2 SGB XII auf Kostenübernahme für empfängnisverhütende Mittel stehe - entgegen der Auffassung des SG - § 52 Abs 1 Satz 1 SGB XII entgegen, der wegen der Hilfen nach den §§ 47 bis 51 SGB XII auf den Leistungsumfang der GKV verweise. Nach § 24a SGB V seien Frauen (nur) bis zum vollendeten 20. Lebensjahr anspruchsberechtigt. Wegen der Änderung des § 38 Abs 1 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zum 1.1.2004 (mit dem Gesetz zur Modernisierung der -3- gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Modernisierungsgesetz - vom 14.11.2003 - BGBl I 2190) und der damit erfolgten Anbindung des Leistungsrechts des BSHG und in der Folge des SGB XII an dasjenige des SGB V könnten auch auf der Grundlage des § 49 SGB XII empfängnisverhütende Mittel für Personen nach Vollendung des 20. Lebensjahres nicht über- nommen werden. Eine Kostenübernahme gemäß § 48 Satz 1 SGB XII iVm § 27 Abs 1 SGB V scheide aus, weil das verschriebene empfängnisverhütende Mittel nach den Attesten des be- handelnden Gynäkologen vom 13.9.2006 und vom 24.8.2007 nicht der Verhütung einer Schwangerschaft wegen Vorliegens einer Krankheit, sondern der Empfängnisverhütung unmit- telbar diene. Die Teilhabe iS der §§ 53, 54 SGB XII iVm § 55 Abs 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) erfasse es zwar auch, dem Behinderten ein selbstbestimmtes Sexualleben zu ermöglichen bzw zu erleichtern, wovon auch die Übernahme der Kosten der Verhütung einer ungewollten Schwangerschaft mit einem der Behinderung angepassten Verhütungsmittel umfasst sein könne; als allein übernah- mefähiger behinderungsspezifischer Bedarf seien aber nur solche Kosten zu übernehmen, die zusätzlich durch die Behinderung der Betroffenen entstünden. Die Kosten für das Depot- Kontrazeptivum überschritten im Vergleich mit Kosten anderer üblicher Verhütungsmittel (Kondome, orale Kontrazeptiva) das zumutbare Maß nicht und seien deshalb mit dem pauschalen Regelsatz abgegolten. [Abs. 5] Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie hat die Klage auf die Kostenerstattung wegen der Verordnungen vom 8.3. und 5.6.2007 beschränkt. In der Sache macht sie eine Ver- letzung von § 49 SGB XII durch das LSG geltend. § 49 SGB XII stelle nach wie vor für den Per- sonenkreis der Hilfebedürftigen nach dem SGB XII eine Sonderregelung dar. Der Gesetzgeber habe nach Änderung des § 38 BSHG durch die unveränderte Beibehaltung des § 36 BSHG (bis 31.12.2004) bzw durch § 49 SGB XII (ab 1.1.2005) zu erkennen gegeben, weiterhin die Kos- tenübernahme für empfängnisregelnde Mittel ohne die in § 24a SGB V enthaltene Altersbegren- zung im Rahmen des SGB XII ermöglichen zu wollen. § 52 SGB XII regele nicht den anspruchsberechtigten Personenkreis, sondern (lediglich) den Umfang der Versorgung. Bei einer anderen Auslegung laufe die Regelung ins Leere; zudem ergebe sich eine Schlechter- stellung gegenüber dem Personenkreis, der entsprechende Leistungen nach §§ 3, 6 Abs 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhalten könne. Auch als Eingliederungsleistung müsse das Depot-Kontrazeptivum übernommen werden, weil es für sie die einzige Möglichkeit sei, sicher zu verhüten. [Abs. 6] Die Klägerin beantragt, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen. [Abs. 7] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. -4- [Abs. 8] Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. II [Abs. 9] Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zu- rückverweisung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ). Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob der Klägerin höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) zustehen. Allein aus dem regelmäßig alle drei Monate anfallenden Kostenaufwand für das Depot-Kontrazeptivum ergibt sich ein Anspruch auf höhere Grundsiche- rungsleistungen nicht. Ein Anspruch auf andere Sozialhilfeleistungen besteht nicht. [Abs. 10] Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 20.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.3.2007 (§ 95 SGG), mit dem diese die Übernahme auch künftig anfallender Kosten für Kontrazeptiva abgelehnt hat. Die mit der Anfechtungsklage kombinierte Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG) hat die Klägerin auf die Erstattung von bezifferten Kosten in Höhe von 50,48 Euro beschränkt und dabei zulässigerweise auch auf die im Juni 2007 angefallenen Kosten erstreckt. Eine Begrenzung des Streitgegenstandes da- hin, dass lediglich über Leistungen nach dem Fünften Kapitel des SGB XII (Hilfen zur Gesund- heit) zu entscheiden wäre, ergibt sich aus dieser betragsmäßigen Einschränkung aber nicht. Nach dem sog Meistbegünstigungs- bzw Gesamtfallgrundsatz (vgl: BSGE 101, 217 ff RdNr 12 ff = SozR 4-3500 § 133a Nr 1; BSGE 100, 131 ff RdNr 10 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3) ist davon auszugehen, dass die Klägerin die von ihr beanspruchten Leistungen unter allen denk- baren rechtlichen Gesichtspunkten geltend macht. Damit wird das LSG nach Zurückverweisung des Rechtsstreits zu überprüfen haben, ob eine Erhöhung des Regelsatzes nach § 42 Satz 1 Nr 1 SGB XII iVm § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII (in der Normfassung des Gesetzes zur Änderung des SGB XII und anderer Gesetze vom 2.12.2006 - BGBl I 2670) für die Zeit in Betracht kommt, in der die geltend gemachten Kosten angefallen sind, und den die Leistungen für den Lebens- unterhalt betreffenden Bescheid in seine Prüfung einzubeziehen haben. Dabei fallen die streitigen Kosten in den Bewilligungszeitraum vom 1.7.2006 bis 30.6.2007. Sofern sich die Berufung der Beklagten im Ergebnis als unbegründet darstellen sollte, wird das LSG den Tenor des Urteils des SG zu ändern haben und die Beklagte unter Anwendung des § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) zur Änderung des bereits vor dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.10.2006 be- standskräftig gewordenen Bescheids vom 21.6.2006 für März und Juni 2007 zu verurteilen haben. -5- [Abs. 11] Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Revision zulässig. Nachdem der Senat mit Be- schluss vom 21.2.2011 Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gewährt hat, kommt die Verwerfung der am 14.2.2011 eingelegten und zugleich be- gründeten Revision als unzulässig wegen Fristversäumnis nicht in Betracht. [Abs. 12] Andere von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel liegen nicht vor. Insbeson- dere war der Landkreis W. , der den Widerspruchsbescheid erlassen hat, nicht nach § 75 Abs 2 1. Alt SGG (echte notwendige Beiladung) zum Verfahren beizuladen, weil er nicht Dritter im Sinne der gesetzlichen Regelung ist (BSG SozR 4-3500 § 90 Nr 5 RdNr 11). Auch ein Fall der unechten notwendigen Beiladung gemäß § 75 Abs 2 Satz 1 2. Alt SGG (mögliche Leis- tungspflicht eines anderen Leistungsträgers) liegt nicht vor (vgl BSG aaO). Die fehlende un- echte notwendige Beiladung hätte im Revisionsverfahren ohnehin gerügt werden müssen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 75 RdNr 13b mwN), was vorliegend nicht geschehen ist. [Abs. 13] Die (echte) notwendige Beiladung der AOK Rheinland/Hamburg als für die Klägerin zuständige Krankenkasse war ebenfalls nicht erforderlich. Es liegt schon deshalb keine § 14 SGB IX unter- fallende Konstellation vor, weil es sich zum einen bei der Kostenübernahme nach § 24a SGB V nicht um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation im Sinne des SGB V handelt und zum anderen dessen Voraussetzungen wegen Überschreitens der Altersgrenze ohnehin offensicht- lich nicht erfüllt sind, sodass eine Leistungspflicht der AOK Rheinland/Hamburg aus- geschlossen ist. [Abs. 14] Der Kreis W. ist zwar sachlich und örtlich zuständiger Träger der Sozialhilfe (§§ 97 Abs 1, 98 Abs 1 SGB XII iVm § 3 Abs 2 Satz 1 SGB XII und §§ 1, 2 Landesausführungsgesetz zum SGB XII für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16.12.2004 - Gesetz- und Verordnungsblatt NRW 816 - iVm der Ausführungsverordnung zum SGB XII des Landes NRW vom 16.12.2004 - GVBl NRW 717; vgl zur Auslegung der entsprechenden landesrechtlichen Zuständigkeitsregelungen bei fehlender eigener Auslegung des LSG: BSGE 103, 39 ff RdNr 12 = SozR 4-2800 § 10 Nr 1) für den vorliegend allein in Betracht kommenden Anspruch auf Erhöhung des Regelsatzes; dies gilt auch für die Hilfen zur Gesundheit und die Eingliederungshilfe. Nach § 3 Abs 1 AG-SGB XII NRW können die Kreise aber als örtliche Träger der Sozialhilfe kreisangehörige Gemeinden zur Durchführung der ihnen als Träger der Sozialhilfe obliegenden Aufgaben durch Satzung heranziehen. Der Kreis W. hat dies getan und den kreisangehörigen Städten und Gemeinden, zu denen die Beklagte gehört, die Durchführung der ihm im Rahmen des SGB XII obliegenden Aufgaben zur Entscheidung im eigenen Namen übertragen (§ 1 der Satzung über die Mitwirkung der Städte und Gemeinden bei der Erfüllung der Aufgaben des Kreises W. als örtlicher Träger der Sozialhilfe vom 10.3.2005). Ausgenommen von der Übertragung sind nur die in § 2 der Satzung aufgeführten Aufgaben, zu denen die hier streitbefangene Leistung nicht gehört. -6- [Abs. 15] Ob die Klägerin einen Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen besitzt, kann nicht ab- schließend beurteilt werden (dazu später). Zutreffend hat das LSG allerdings entschieden, dass sich ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die ärztlich verordneten empfängnisverhüten- den Mittel aus § 49 Satz 2 SGB XII für die Klägerin nicht ergibt, weil sie das 20. Lebensjahr bereits vollendet hat. Die entsprechende einschränkende Leistungsvoraussetzung folgt aus § 52 Abs 1 Satz 1 SGB XII (idF, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilfe- rechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten hat) iVm § 24a Abs 2 SGB V (idF, die die Norm durch das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21.12.1992 - BGBl I 2266 - erhalten hat). Ein Anspruch auf empfängnisverhütende Mittel, den Hilfebezieher nach dem BSHG auf den gegenüber § 24a Abs 2 SGB V weiter gehenden § 37b Satz 2 Nr 2 BSHG (eingeführt mit § 5 Nr 5 des Gesetzes über ergänzende Maßnahmen zum Fünften Strafrechts- reformgesetz vom 28.8.1975 - BGBl I 2289) bzw (ab dem 1.1.2001) auf § 36 BSHG (idF, die die Norm durch Art 15 Nr 6 SGB IX vom 19.6.2001 - BGBl I 1046 - erhalten hat) stützen konnten, besteht seit dem 1.1.2004 nicht mehr. Dies ergibt sich aus der historischen Entwicklung der maßgeblichen Regelungen unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Ziels. [Abs. 16] § 49 Satz 2 SGB XII geht zurück auf § 37b Satz 2 Nr 2 BSHG, der Teilregelung des zum 1.12.1975 (im Zuge der damaligen Reform des § 218 Strafgesetzbuch) in das BSHG unter Abschnitt 3 "Hilfe in besonderen Lebenslagen" eingefügten Unterabschnitts 5a "Hilfe zur Famili- enplanung" war (vgl § 5 Nr 5 des Gesetzes über ergänzende Maßnahmen zum Fünften Straf- rechtsreformgesetz). Während in der GKV lediglich Ansprüche auf ärztliche Beratung über Fra- gen der Empfängnisregelung einschließlich der erforderlichen Untersuchung und Verordnung von empfängnisregelnden Mitteln eingeräumt worden waren (vgl § 200e Reichsversicherungs- ordnung , eingefügt mit § 1 Nr 2 dieses Gesetzes), die Kosten für empfängnisver- hütende Mittel als solche für gesetzlich Krankenversicherte aber ausdrücklich der Eigenvor- sorge unterfallen sollten (vgl BT-Drucks 7/376, S 5), ist § 37b BSHG weiter gefasst worden: Neben den § 200e RVO entsprechenden Maßnahmen für nicht gesetzlich versicherte Sozial- hilfebezieher (vgl § 37b Satz 2 Nr 1 BSHG) sollte als generelles, primäres Angebot eine Über- nahme von Kosten für ärztlich verordnete empfängnisverhütende Mittel im Hinblick auf die fi- nanzielle Lage sozialhilfebedürftiger Frauen geschaffen werden (vgl § 37b Satz 2 Nr 2 BSHG). Maßnahmen der Familienplanung sollten nicht daran scheitern, dass von den Hilfesuchenden die erforderlichen finanziellen Mittel nicht aufgebracht werden könnten (BT-Drucks 7/376, S 7; im Einzelnen zum gesetzgeberischen Anliegen BVerwGE 96, 65, 66). [Abs. 17] In der GKV besteht seit Inkrafttreten des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes vom 27.7.1992 (BGBl I 1398) zum 5.8.1992 für Versicherte ein Anspruch auf Versorgung mit emp- fängnisverhütenden Mitteln zur Familienplanung, soweit sie jünger als 20 Jahre sind und das Mittel ärztlich verordnet wird (vgl § 24a Abs 2 SGB V). Nach der Gesetzesbegründung ist von § 24a Abs 2 SGB V der Kreis der Frauen erfasst, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage, ins- besondere weil sie sich noch in der Ausbildung befinden, am wenigsten in der Lage sind, die -7- Kosten für empfängnisverhütende Mittel selbst aufzubringen. Eine Heraufsetzung dieser Alters- grenze sei wünschenswert; eine entsprechende Finanzierung müsse aber noch geklärt werden (vgl BT-Drucks 12/2605, S 20). Danach sind keine Änderungen des § 24a SGB V in der Sache erfolgt. § 37b Satz 2 Nr 2 BSHG ist demgegenüber nach Einführung von § 24a SGB V inhaltlich unverändert geblieben, sodass sich für Hilfeempfänger nach dem BSHG (seit dem 1.1.2001 auf Grundlage der entsprechenden Regelung in § 36 Satz 2 BSHG) ein gegenüber den Leistungen der GKV weitergehender Anspruch ergab. [Abs. 18] Diese Begünstigung Hilfebedürftiger nach dem BSHG ist indes zum 1.1.2004 entfallen. Seither bestimmt § 38 Abs 1 Satz 1 BSHG (idF, die die Norm durch Art 28 Nr 4 Buchst c GMG erhalten hat) und ihm folgend § 52 Abs 1 Satz 1 SGB XII (der entsprechend im Gesetzgebungsverfahren des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch angepasst worden ist), dass die Vorschriften des 4. Unterabschnitts der Hilfe in besonderen Lebenslagen nach dem BSHG bzw des Fünften Kapitels des SGB XII dem Leistungsberechtigten einen Anspruch auf Hilfe bei Krankheit nur entsprechend dem SGB V einräumen. Die zuvor enthaltene Erweite- rung im 2. Halbsatz ("soweit in diesem Gesetz keine andere Regelung getroffen ist") ist zu die- sem Zeitpunkt gestrichen worden. Der Senat hat bereits hinsichtlich der Zuzahlungsregelungen der §§ 61, 62 SGB V entschieden, diese Gesetzesentwicklung lasse nur den Schluss zu, dass die Übernahme finanzieller Eigenleistungen durch den Sozialhilfeträger auf Grundlage des § 37 BSHG (bis 31.12.2004) bzw § 48 SGB XII (ab 1.1.2005) ausscheide (BSGE 107, 169 ff RdNr 12 = SozR 4-3500 § 28 Nr 6). Dies gilt auch hinsichtlich des Leistungsumfangs der übrigen in §§ 47 bis 51 SGB XII geregelten Hilfen zur Gesundheit. § 24a Abs 2 SGB V trifft mit dem Ausschluss für Versicherte nach Vollendung des 20. Lebensjahres und der Beschränkung auf verordnungsfähige und ärztlich verordnete Kontrazeptiva eine solche Regelung zum Leistungsumfang der GKV (dazu im Einzelnen Schütze in juris PraxisKommentar SGB V, 2. Aufl 2012, § 24a RdNr 29). Damit scheidet eine Kostenerstattung von empfäng- nisverhütenden Mitteln nach Vollendung des 20. Lebensjahres auch auf Grundlage des § 49 SGB XII aus (vgl: Söhngen in jurisPK-SGB XII, § 49 SGB XII RdNr 6 und 12; Bieritz-Harder in Lehr- und Praxis Kommentar SGB XII, 9. Aufl 2012, § 49 SGB XII RdNr 1 und 3; Flint in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Aufl 2012, § 49 SGB XII RdNr 7; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 49 RdNr 1 und 9, Stand April 2010; Rücker in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 49 SGB XII RdNr 16, Stand Oktober 2010; U. Meyer in Oestreicher, SGB II/SGB XII, § 49 SGB XII RdNr 9 und 19, Stand Juni 2006). [Abs. 19] Hiergegen lässt sich nicht einwenden, die Änderung des § 38 Abs 1 Satz 1 BSHG zum 1.1.2004 beziehe sich nur auf die Streichung der Zuzahlungsregelungen in § 38 Abs 2 BSHG, nicht aber auf die sonstigen Hilfen zur Gesundheit (so aber Böttiger, Sozialrecht aktuell 2008, 203 ff; ähnlich Lippert in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 49 SGB XII, RdNr 20, Stand Januar 2011). Aus der amtlichen Überschrift des § 38 BSHG nach seiner Änderung wie der des § 52 SGB XII ("Leistungserbringung, Vergütung") folgt nicht, dass -8- hier ausschließlich die Leistungserbringung durch Bezugnahme auf das SGB V geregelt würde. Schon aus § 52 Abs 1 Satz 2 SGB XII zu sog Satzungsregelungen der Krankenkassen lässt sich erkennen, dass auch Umfang und Inhalt der Leistungen nach §§ 47 bis 51 SGB XII und damit ebenso § 49 SGB XII erfasst sind. Die eigentliche Normierung der Leistungserbringung findet sich in § 52 Abs 3 SGB XII. [Abs. 20] Zwar ist die Änderung in § 38 Abs 1 Satz 1 BSHG mit dem GMG in den Gesetzesmaterialien lediglich als "Folgeänderung" zur Streichung der Zuzahlungsregelungen in § 38 Abs 2 BSHG bezeichnet. Mit der Änderung des gesamten Unterabschnitts und insbesondere der Einführung des § 264 SGB V ("Quasiversicherung") war aber die Gleichstellung der Sozialhilfeempfänger, die nicht in der GKV versichert sind, mit GKV-Versicherten nicht nur hinsichtlich der Zuzah- lungsregelungen, sondern umfassend beabsichtigt (BT-Drucks 15/1525, S 77, und insbesondere zu § 264 SGB V, aaO, S 140 ff). § 49 SGB XII hat damit allerdings - wie uU weitere Teile der §§ 47 bis 51 SGB XII - schon seit Inkrafttreten des SGB XII für die Versichtern und "Quasiversicherten" keine praktische Bedeutung mehr. Dass dieser Aspekt in den Gesetzesmaterialien bei den Änderungen des BSHG keine Erwähnung findet und auch die Folgeregelungen im SGB XII nicht eingehend erläutert werden (zu § 44 des Entwurfs, der § 49 SGB XII entspricht, vgl BT-Drucks 15/1514, S 62), lässt nicht den Schluss zu, es solle mit § 49 SGB XII weiterhin eine gegenüber dem SGB V günstigere Regelung für sozialhilfebedürftige Frauen bestehen (H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl 2010, § 49 SGB XII RdNr 8). [Abs. 21] Sinn und Zweck der Hilfen zur Gesundheit - und dabei auch der Hilfen zur Familienplanung - steht dieses Ergebnis nicht entgegen. Entsprach noch bei Einführung des § 24a Abs 2 SGB V eine weitergehende Kostenübernahme für Hilfebedürftige in § 37b BSHG dem gesetzgeberi- schen Willen, lässt sich dies im Ergebnis der folgenden Gesetzesänderungen nicht mehr erse- hen. Mit der Streichung des § 38 Abs 2 BSHG aF hat der Gesetzgeber des GMG zugleich be- stimmt, dass der in der Regelsatzverordnung näher umschriebene Regelsatz auch Leistungen für Kosten bei Krankheit, bei vorbeugender und bei sonstiger Hilfe umfasst, soweit sie nicht nach den §§ 36 bis 38 des Gesetzes übernommen werden (Art 29 GMG; dazu bereits BSGE 107, 169 ff, RdNr 15 = SozR 4-3500 § 28 Nr 6). Dementsprechend sind bei der Sonderauswer- tung der EVS 2003 die Positionen "Pharmazeutische Erzeugnisse", zu denen verschreibungs- pflichtige Kontrazeptiva zählen, in vollem Umfang berücksichtigt (BR-Drucks 206/04, S 8). Auch die Kosten, die nach Auswertung der EVS 2008 auf die Versorgung mit verschreibungspflich- tigen Arzneimitteln entfallen, werden - zusätzlich zu den Kosten für nicht verschreibungspflich- tige Arzneimittel (5,07 Euro) - in vollem Umfang, nämlich in Höhe von 3,57 Euro, als regelsatz- relevant eingestellt (vgl BT-Drucks 17/3404 S 58 und S 140 Zeile 101 bis 105 Code 0611 bis 0612). Insgesamt sind damit seit dem 1.1.2011 rund 15,55 Euro als Kosten für Gesundheit im Regelsatz enthalten. Neben der mit dem GMG zum Ausdruck gekommenen grundsätzlichen Angleichung des Leistungsumfangs hinsichtlich der Hilfen zur Gesundheit nach dem -9- BSHG/SGB XII an den des SGB V zeigt damit auch die Neubemessung der Regelsätze zum 1.1.2005, dass die Beschaffung solcher verschreibungspflichtiger Medikamente, die nicht von der GKV übernommen werden, der Eigenverantwortung der Hilfebedürftigen unterfällt und des- halb die Regelsätze entsprechende Kosten umfassen. Aus den vom Senat dargestellten Grün- den (vgl BSGE 107, 169 ff RdNr 15 = SozR 4-3500 § 28 Nr 6) rechtfertigen solche Kosten, die - wie hier - die Kosten, die üblicherweise von Frauen für Empfängnisverhütung aufgebracht werden, nicht überschreiten, für sich genommen keine Erhöhung des Regelsatzes (dazu im Einzelnen später). [Abs. 22] Mit dieser Auslegung ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin keine gleichheitswidrige Schlechterstellung gegenüber Frauen, die nach dem AsylbLG leistungsberechtigt sind. Soweit sich der Leistungsumfang Leistungsberechtigter nach dem AsylbLG nicht ohnehin nach dem SGB XII richtet (vgl § 2 Abs 2 AsylbLG), ist das System des AsylbLG, das durch ein Sachleis- tungssystem gekennzeichnet ist (vgl § 3 Abs 1 Satz 1 AsylbLG), nicht mit dem des SGB XII vergleichbar. Das Leistungssystem beruht gerade nicht auf der Bemessung nach Regelsätzen, in die die Kosten für empfängnisverhütende Mittel eingeflossen sind. [Abs. 23] Ein Anspruch nach § 73 SGB XII scheidet ebenfalls aus. Hiervon werden nur atypische ("be- sondere" bzw "sonstige") Lebenslagen erfasst, für die nicht bereits andere Vorschriften des SGB XII einschlägig sind (BSGE 107, 169 ff RdNr 13 mwN = SozR 4-3500 § 28 Nr 6). Da So- zialhilfeempfänger - wie dargelegt - ab 1.1.2004 Kosten für empfängnisverhütende Mittel aus den allgemeinen Regelsätzen zu bestreiten haben, sofern sie das 20. Lebensjahr vollendet haben, bleibt für eine Anwendung des § 73 SGB XII kein Raum. [Abs. 24] Auch ein Leistungsanspruch der Klägerin aus §§ 53, 54 Abs 1 SGB XII (in den Normfassungen des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB XII) iVm 55 Abs 1 und 2 SGB IX scheidet aus. Nach § 55 Abs 1 SGB IX, auf den § 54 Abs 1 SGB XII verweist, werden Leistun- gen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erbracht, die dem behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 nicht erbracht werden. Als sol- che Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben (soziale Rehabilitation) kommt die Kostenübernahme nicht in Betracht; denn nach den Feststellungen des LSG ist bereits nicht erkennbar, dass über den allgemeinen Wunsch nach Empfängnisverhütung vor dem Hinter- grund der klägerischen Lebensumstände hinaus durch eine Empfängnisverhütung spezifische behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen wären, um der Klägerin eine Teilhabe am ge- sellschaftlichen Leben zu ermöglichen. [Abs. 25] Das LSG wird nach Zurückverweisung des Rechtsstreits allerdings einen Anspruch auf höhere Leistungen der Grundsicherung zu überprüfen haben. Gemäß § 19 Abs 2 SGB XII (idF, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom - 10 - 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten hat) iVm § 41 Abs 1 und 3 SGB XII (in der Normfassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007 - BGBl I 554) erhalten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert iS von § 43 Abs 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) sind und bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann, auf Antrag Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Die Anspruchs- voraussetzungen für solche Leistungen dürften dem Grunde nach zwar gegeben sein - genaue Feststellungen (auch zu § 21 SGB XII) fehlen. Ob die Klägerin einen Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen hat, kann mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG ohnedies nicht entschieden werden. Zu überprüfen ist, ob sich ein höherer Anspruch auf der Grundlage einer unabweisbaren, erheblich vom durchschnittlichen Bedarf abweichenden Bedarfslage ergibt (§ 28 Abs 1 Satz 2 iVm § 42 Satz 1 Nr 1 SGB XII; zur Anwendung des § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII im Rahmen der Grundsicherung vgl nur Blüggel in jurisPK-SGB XII, § 42 SGB XII RdNr 15 mwN zur Rechtsprechung; vgl auch die Klarstellung des § 42 Satz 1 Nr 1 SGB XII idF des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 20.12.2012 - BGBl I 2783 - und BT-Drucks 17/10748, S 14 zu Nr 2). Dazu ist bislang weder er- mittelt noch vorgetragen, weil die Beteiligten einen Anspruch lediglich unter anderen Aspekten diskutiert haben. Zwar sind die Kosten für Kontrazeptiva - wie oben dargestellt - in die Bemes- sung des Regelsatzes eingeflossen; es ist aber denkbar, dass durch individuell höhere Aus- gaben im Bereich der Kosten für Gesundheit im Einzelfall eine erheblich abweichende, unab- weisbare Bedarfslage in den Monaten März und Juni 2007 entstanden ist. Allein die Versorgung mit Kontrazeptiva führte hierzu nicht, schon weil keine Abweichung vom Regelfall vorliegt. [Abs. 26] Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben. Entscheidung bei Sozialgerichtsbarkeit.de ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, B 8 SO 21/12 BH vom 14.01.2013, Bundessozialgericht
anselmf
BUNDESSOZIALGERICHT
Beschluss in dem Rechtsstreit Az: B 8 SO 21/12 BH L 20 SO 44/11 (LSG Nordrhein-Westfalen) S 5 SO 464/09 (SG Dortmund) 1. ................................., 2. ................................., Kläger und Antragsteller, g e g e n Hochsauerlandkreis, Am Rothaarsteig 1, 59929 Brilon, Beklagter. Der 8. Senat des Bundessozialgerichts hat am 14. Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter E. sowie die Richterinnen K. und S. beschlossen: Die Anträge der Kläger, ihnen für die Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein- Westfalen vom 20. August 2012 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechts- anwalt beizuordnen, werden abgelehnt. - 2 - G r ü n d e : I [1] Im Streit sind höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) von Oktober 2007 bis September 2010. [2] Die 1936 bzw 1941 geborenen Kläger beziehen ergänzend zu ihrer jeweiligen Altersrente seit Januar 2005 Grundsicherungsleistungen. Im April bzw Mai 2007 wandten sie sich an den Beklagten und machten die Übernahme der Kosten für diverse Einzelpositionen wie auch die Festsetzung eines höheren Regelsatzes in Höhe von 570 Euro monatlich pro Person geltend. Die Klage ist erst- und zweitinstanzlich ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts Dort- mund vom 8.12.2010; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20.8.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Klagen auf Bewilligung einmaliger Leistungen in Höhe von 1450 Euro, einer Zahlung für zwei Hörgeräte in Höhe von 2600 Euro sowie eines höheren Mietzuschusses seien bereits unzulässig. Teilweise fehle es insoweit bereits an einer gerichtlich überprüfbaren Verwaltungsentscheidung der Beklagten; im Übrigen handle es sich um eine unzulässige Klageerweiterung im Rahmen des Berufungsverfahrens. Soweit die Kläger höhere Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, eine einmalige Beihilfe für zwei Fahrräder sowie die Übernahme der auf dem Girokonto entstandenen Sollzinsen begehren, sei die Berufung unbegründet. Der Beklagte habe die den Klägern zustehenden Leistungen zutreffend berechnet. Höhere Grundsicherungsleistungen stünden unter keinem (verfassungs-)rechtlichen Gesichtspunkt zu; für die geltend gemachten Einzelbedarfe seien die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt. [3] Zur Durchführung des beabsichtigten Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG haben die Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. II [4] Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz iVm § 114 Zivilprozessordnung ); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmäch- tigten (§ 73 Abs 4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Ein solcher Zulassungsgrund ist nicht ersichtlich. - 3 - [5] Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG); denn sie wirft keine Rechtsfrage auf, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17). Insbesondere soweit die Kläger geltend machen, der Regelsatz sei zu gering, um auch im Alter menschenwürdig zu leben, liegt schon infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9.2.2010 (BVerfGE 125, 175 ff) keine Klärungsbedürftigkeit vor. Anhaltspunkte dafür, dass eine Divergenzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) Aussicht auf Erfolg versprechen könnte, bestehen nicht. Die Kläger können sich schließlich auch nicht auf einen Verfahrensmangel berufen, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG). Entgegen der Ansicht der Kläger ist der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Eine des Weiteren behauptete fehlerhafte Beweiswürdigung durch das LSG (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) kann nach der ausdrücklichen Regelung des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde sein. Auch mit der Behauptung, Teile des Vortrags seien nicht, nicht zutreffend oder nur unzureichend gewürdigt worden, wenden sich die Kläger im Ergebnis lediglich gegen die Beweiswürdigung wie auch die rechtliche Würdigung bestimmter Sachverhalte durch das LSG. Zudem ist das Gericht nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Insbesondere ist es nicht verpflichtet, auf sämtliche Tatsachen und Rechtsansichten einzugehen, die im Laufe des Verfahrens zur Sprache gebracht worden sind (BVerfGE 96, 205, 217). Deshalb kann regelmäßig ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 Grundgesetz) nicht angenommen werden, wenn das Gericht Ausführungen eines Beteiligten unerwähnt lässt, die nach seinem Rechtsstandpunkt unerheblich oder offensichtlich haltlos sind (BVerfGE 70, 288, 293 f). Dies ist nur anders, wenn das Gericht Kernvortrag der Kläger außer Acht gelassen hätte, den es auch ausgehend von seiner Rechtsansicht hätte beachten müssen. Dafür liegen jedoch nach Aktenlage keine Anhaltspunkte vor. [6] Mit der Ablehnung der PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO). ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, B 4 RA 131/98 B vom 27.01.1999, Bundessozialgericht
anselmf
BUNDESSOZIALGERICHT
Beschluß in dem Rechtsstreit Az: B 4 RA 131/98 B Kläger und Beschwerdeführer, Prozeßbevollmächtigter: gegen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Ruhrstraße 2, 10709 Berlin, Beklagte und Beschwerdegegnerin. Der 4. Senat des Bundessozialgerichts hat am 27. Januar 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. M., die Richter Dr. B. und Dr. S. sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. S. und T. beschlossen: Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Juli 1998 wird zurückge- wiesen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. - 2 - Gründe: I Der Kläger, der den Beruf des Einzelhandelskaufmanns erlernt hat und vor Ausübung ei- ner selbständigen Erwerbstätigkeit zuletzt bis zum Jahre 1988 als Geschäftsführer ab- hängig beschäftigt war, begehrt im Rahmen des Hauptsacheverfahrens die Gewährung einer Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit. Das Landessozialgericht (LSG) hat das in vollem Umfang zusprechende erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abge- wiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen folgendes ausgeführt: Das Bundessozi- algericht (BSG) habe zur Bestimmung der Wertigkeit des bisherigen Berufs für Angestellte die folgenden Gruppen gebildet: -unausgebildete Angestellte (Ungelernte) -Angestellte mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren (Angelernte) -Angestellte mit längerer Ausbildung, regelmäßig von drei Jahren (Ausge- bildete) und -Angestellte mit hoher beruflicher Qualität. Ausgehend von diesen Kriterien sei der Kläger der Gruppe der Angestellten mit längerer Ausbildung zuzuordnen und könne daher unter Berücksichtigung der festgestellten Lei- stungseinschränkungen zumutbar noch auf Tätigkeiten der Anlernebene (hier: Angestell- ter in der Registratur und im Archiv) verwiesen werden. Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerde und beruft sich zur Begründung seines Rechts- mittels insbesondere auf eine Abweichung des Berufungsurteils von der Rechtsprechung des BSG. Das LSG habe das von diesem im Bereich der Angestelltenversicherung zu- grunde gelegte Sechs-Stufen-Schema undifferenziert zusammengefaßt und nur lücken- haft angewandt. Dadurch sei es zu einer für den Kläger ungünstigen Bewertung seines bisherigen Berufs und einer unzutreffenden bzw unzumutbaren Verweisung auf eine Tätigkeit im Anlernbereich gekommen. II Die auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz ) gestützte Beschwerde des Klägers ist zulässig, aber unbegründet (vgl zur Unter- scheidung in Fällen der vorliegenden Art Bundesverfassungsgericht vom 1. Oktober 1997, 1 BvR 454/95, LKV 1998, 141 f = ZBR 1998, 168 ff). Das Berufungsge- richt hat zwar die vom Senat in Konkretisierung des einschlägigen Gesetzesrechts formu- - 3 - lierten Obersätze im Einzelfall unzutreffend angewandt, seiner Entscheidung aber keinen eigenen - von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung abweichenden - abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt und den Aussagen des BSG entgegengehalten. Weder Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG) noch das allgemeine Rechtsstaatsprinzip - und ebensowenig das Sozialstaatsprinzip - gewährleisten einen Instanzenzug (BVerfG, Be- schluß vom 19. Februar 1992, 1 BvR 1935/91 in SozR 3-1500 § 160 Nr 6 mH auf BVerfGE 4, 74, 94 f; 8, 174, 181 f; 11, 232, 233; ebenso BVerfGE 28, 21, 36). Insbeson- dere ist es demgemäß auch nicht geboten, stets das Rechtsmittel der Revision zu eröff- nen (BVerfGE 19, 323). Kann aber das Gesetz den Zugang zur Revisionsinstanz voll- ständig versperren, kann es die Zulassung des Rechtsmittels im Rahmen der normativen Ausgestaltung durch die jeweilige Prozeßordnung, deren Art 19 Abs 4 GG ohnehin stets bedarf (BVerfGE 60, 253, 268, 269), grundsätzlich auch von formalen und inhaltlichen Voraussetzungen abhängig machen. Das Institut der Revision ist daher eine nach ge- setzgeberischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen geformteprozessuale Einrichtung (BVerfGE 49, 148, 160), bei deren Gestaltung ein Verlust an Chancen zur Realisierung materieller Gerechtigkeit im Einzelfall grundsätzlich in Kauf genommen werden kann (BVerfGE 60, 253, 268). Eine äußerste Grenze der Auslegung einschlägiger gesetzlicher Vorschriften besteht von Verfassungs wegen lediglich insofern, als einfachgesetzlich er- öffnete Möglichkeiten, ein Rechtsmittel einzulegen bzw seine Zulassung zu erstreiten, nicht in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise be- schränkt werden dürfen (vgl BVerfGE 10, 264, 268, ständige Rechtsprechung; zuletzt etwa BVerfG in NVwZ 1994, Beilage 4, 27 = BayVBl 1994, 530; speziell zur Nichtzulas- sungsbeschwerde im SGG-Verfahren BVerfG in SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 10). Das BSG fungiert als eines der fünf obersten Bundesgerichte (Art 96 Abs 1 GG) grund- sätzlich als höchstes Rechtsmittelgericht innerhalb seines Gerichtszweiges (vgl BVerfGE 8, 174, 177; BT-Drucks V/1449, S 3, 4 und Leibholz/Rinck/Hesselberger, Kommentar zum Grundgesetz, Art 95 GG RdNr 11; Bettermann, JZ 1958, 235 ff mwN). Seine Aufgabe be- steht demgemäß neben der Gewährleistung eines ordnungsgemäßen gerichtlichen Ver- fahrens im wesentlichen in der Einheit und Fortbildung des materiellen Bundes- bzw des in § 162 SGG ausdrücklich aufgeführten Landesrechts (vgl BVerfGE 10, 285, 295; BT-Drucks 7/861, S 10; BT-Drucks 7/2024, S 3). Nur innerhalb dieses öffentlichen Anlie- gens und der vornehmlich hieran orientierten Ausgestaltung der Revision kann das Indivi- dualinteresse an der Beseitigung und Ersetzung unrichtiger Instanzentscheidungen zum Zuge kommen: Es dient als unverzichtbar notwendiges Vehikel der Klärung des abstrak- ten Rechts und hat nur insofern und insoweit, als hieran ein unabweisbarer Bedarf be- steht, Anspruch auf die hieraus für den konkreten Sachverhalt zu erteilende Antwort. Dem entspricht äußerlich die doppelte Notwendigkeit von (ggf im Wege der Beschwerde erkämpfter) Zulassungsentscheidung und Einlegung der Revision, inhaltlich ihre Abhän- - 4 - gigkeit vom tatsächlichen Vorliegen der im Gesetz enumerativ aufgeführten Zulassungs- gründe. Die Beschwerde nach § 160a SGG gegen die vom Berufungsgericht verweigerte Zulassung der Revision dient in diesem Zusammenhang allein der Herbeiführung der Statthaftigkeit des Rechtsmittels in der Hauptsache durch Klärung und Feststellung eines im öffentlichen Interesse liegenden Entscheidungsbedarfs im Zusammenhang eines sachlich allenfalls nach Zulassung und zulässiger Einlegung der Revision zu beurteilen- den Tatbestandes. Sie hat damit weder eine originäre Sachentscheidung noch eine auf die Sachentscheidung der Vorinstanz bezogene Rechtsmittelentscheidung zum Ziel, son- dern betrifft ausschließlich die hiervon gänzlich unabhängig zu beantwortende Frage, ob das Berufungsgericht zutreffend die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision ver- neint hat (BVerwGE 34, 40, 41 f). Der Beschwerdeführer wird unter diesen Umständen auf dem "schmalen Weg zum Revisionsgericht" (vgl Baring, Die Nichtzulassungsbe- schwerde im Verwaltungsgerichtsverfahren, NJW 1965, 2280) gezwungenermaßen in die Rolle eines Anwalts öffentlicher Belange gedrängt. Die genannten Gegebenheiten eröffnen den Kontext, in dem die hier allein in Frage ste- henden Nrn 1 und 2 des § 160 Abs 2 SGG sowie die hierzu bzw zu § 160a SGG ergan- gene Rechtsprechung zu sehen sind. Eine "grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache" liegt demgemäß im besonderen Zusammenhang der Eröffnung des Zugangs zur Revi- sionsinstanz (vgl BSGE 2, 45, 47 f; BVerwGE 70, 24, 25) nur dann vor, wenn sie dazu zwingt, im Interesse der Fortbildung des Rechts oder seiner einheitlichen Auslegung eine Rechtsfrage zum revisiblen Recht zu klären. Die Rechtsfrage muß hierzu einerseits zu einer aufgrund ihrer Bedeutung für die Sicherung oder Erhaltung der Rechtseinheit bzw die Fortbildung des Rechts über den Einzelfall hinausgehenden Entscheidung führen (BSG in SozR 1500 § 160a Nrn 7 und 31), darf aber andererseits nicht nur abstrakt von Interesse sein (vgl BFH vom 28. April 1972, III B 40/71, BFHE 105, 335), sondern muß gerade im konkreten Fall tragend entscheidungserheblich und klärungsfähig sein. Auf- grund dieser Vorbedingungen ist gleichzeitig für das Revisionsverfahren sichergestellt, daß die oberstgerichtliche Rechtsprechung ihrer Funktion entsprechend über die streitige Entscheidung des jeweils zur Entscheidung stehenden Einzelfalles hinaus stets auch ih- rerseits verallgemeinerungsfähige Aussagen zum Inhalt der von ihr nach § 162 SGG an- zuwendenden Rechtssätze trifft. Ist ein Rechtsproblem auf diese Weise beantwortet, verbleibt dem Revisionsgericht abge- sehen von den Ausnahmefällen des Auftretens erneuter Klärungsbedürftigkeit und sich hieraus ggf abermals ergebender grundsätzlicher Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG (vgl etwa BSG in SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 13 und BFHE 97, 281 ff, 284 mwN) im wesentlichen nur die Sicherung der Rechtseinheit. Weder der allein auf die Bewahrung einer Übereinstimmung auf abstrakt-genereller Ebene beschränkte Aufga- benbereich des BSG noch der funktionelle Anwendungsbereich der Nichtzulassungsbe- schwerde, deren Gegenstand wie dargestellt gerade nicht die Kontrolle sachlicher - 5 - Rechtsfehler ist, sind indessen bereits dann eröffnet, wenn Instanzgerichte im Einzelfall eine Entscheidung treffen, die mit den Vorgaben der oberstgerichtlichen Rechtsprechung nicht übereinstimmt (vgl BSG in SozR 1500 § 160a Nr 7; BVerwG in Buchholz 310 § 108 VwGO Nr 266; BFHE 129, 313). Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Re- vision wegen Abweichung (BSG in SozR 1500 § 160a Nr 67). Vielmehr weicht das LSG nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG als spezialgesetzlich geregeltem Unterfall der Zu- lassung wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl BVerwG in Buchholz 310 § 132 Abs 2 Ziff 2 VwGO Nr 2) von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es auch seinerseits zu- mindest sinngemäß und in scheinbar fallbezogene Ausführungen gekleidet (BSG in SozR 1500 § 160 Nr 28; BAG AP Nr 9 zu § 72a ArbGG 1979 Divergenz) einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der der zum selben Gegenstand gemachten und fortbestehend aktu- ellen - nicht also etwa von der zwischenzeitlichen Gesetzes- oder Rechtsprechungsent- wicklung überholten (BSG in SozR 1500 § 160a Nrn 58, 61) - abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt (BSG in SozR 1500 § 160a Nr 67; BAG in AP § 72a ArbGG 1979 Nrn 1, 2, 10). Hieran fehlt es im vorliegen- den Fall. Der Kläger hat zwar den im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung zu stellenden Anforderun- gen (vgl BAG AP § 72a ArbGG 1979 Nr 9) genügend in ausreichendem Umfang darge- legt, daß den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils aus seiner Sicht zwingend ein divergierender abstrakter Rechtssatz zu entnehmen sei. Indessen ergibt eine sachliche Überprüfung dieser Behauptung, daß das LSG die "Rechtsprechung des Bundessozialge- richts", lediglich im dort entschiedenen Einzelfall unzutreffend angewandt hat. Zur Gewährleistung einer zuverlässigen Abgrenzung von den Fällen einer fehlerhaften Rechtsanwendung erfordert die Anwendung von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG stets unverzicht- bar, daß das LSG selbst zweifelsfrei in den Gründen seiner Entscheidung wenigstens mittelbar und (im Ergebnis) eindeutig einen Rechtssatz aufstellen wollte (BVerfG in NJW 1996, S 45 mwN; BAG AP § 72a ArbGG 1979 Divergenz Nr 15). Hieran fehlt es evident bereits immer dann, wenn das LSG eine Rechtsfrage übersehen (BVerwG in Buchholz 310 § 132 VwGO Nr 147) oder Tatsachen anders beurteilt hat, als dies in der angezoge- nen Entscheidung geschehen ist (BVerwG in Buchholz 310 § 132 VwGO Nr 128; BFHE 129, 313). Die genannte Voraussetzung kann aber auch nicht bereits dann angenommen werden, wenn sich ein abstrakter Obersatz erst nachträglich aus der Sicht eines kundigen Lesers logisch induktiv aus der Urteilsbegründung ableiten läßt (vgl BAG AP § 72a ArbGG 1979 Nrn 11, 13); andernfalls läge bei falscher Rechtsanwendung und Vorliegen einer einschlägigen Entscheidung des BSG oder des BVerfG stets eine Divergenz vor. Eine mit Hilfe der Revisionszulassung zu beseitigende Gefährdung der Rechtseinheit ist vielmehr nur und erst dann zu befürchten, wenn die Ausführungen des Berufungsurteils unzwei- felhaft die Deduktion des gefundenen Ergebnisses aus einem sich aus der Entscheidung - 6 - selbst wenigstens schlüssig ergebenden Rechtssatz, den das LSG als solchen auch tatsächlich vertreten wollte (BVerfG und BAG aaO), erkennen lassen. Dies ist insbe- sondere nicht der Fall, wenn sich das angefochtene Urteil - wie hier - auf den Boden "der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts" stellt und damit (nach dem Sachzusammen- hang eindeutig) die Rechtssätze benennt, auf die es sich stützen will, dann aber unmittel- bar anschließend dessen Aussagen zum - auf sechs Hauptstufen begrenzten - sog Mehr- stufenschema (vgl Urteil des Senats in SozR 3-2600 § 43 Nr 13, 14) nur bruchstückhaft wiedergibt. Mißversteht das Berufungsgericht in dieser Weise einen Rechtssatz, dem es erkennbar zu folgen gewillt war, und subsumiert es dementsprechend den von ihm festgestellten Sachverhalt fehlerhaft (oder geht es zwar von einem zutreffenden Verständnis des Ober- satzes aus, ordnet aber dennoch den von ihm festgestellten Sachverhalt unrichtig zu), handelt es zwar im Einzelfall fehlerhaft, gefährdet aber - worauf es im vorliegenden Zu- sammenhang allein ankommt - nicht die Rechtseinheit. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, B 4 AS 69/10 S vom 20.07.2010, Bundessozialgericht
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BUNDESSOZIALGERICHT
Beschluss in dem Rechtsstreit Az: B 4 AS 69/10 S L 7 AS 404/10 B ER (Bayerisches LSG) S 10 AS 254/10 ER (SG Landshut) 1. 2. 3. Antragsteller und Beschwerdeführer, gegen Arbeitsgemeinschaft für Grundsicherung für Arbeitsuchende Region Passau-Land, Spitalhofstraße 37a, 94032 Passau, Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin. Der 4. Senat des Bundessozialgerichts hat am 20. Juli 2010 durch die Richterin S. K. als Vorsitzende sowie die Richterinnen B. und H. beschlossen: Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. Juni 2010 - L 7 AS 404/10 B ER - wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. - 2 - Gründe: [Abs. 1] Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die vorläufige Ge- währung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Antrag- stellerin zu 1 hat mit einem von ihr verfassten Schreiben vom 6.7.2010 gegen den vorgenannten Beschluss ausdrücklich Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Mit dieser Entscheidung hat das Bayerische LSG die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des SG Landshut vom 21.5.2010 - S 10 AS 254/10 ER - zurückgewiesen. [Abs. 2] Die Beschwerde der Antragsteller ist unzulässig. Der Beschluss des LSG vom 25.6.2010 ist, worauf das LSG in der Entscheidung zutreffend hingewiesen hat, gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das BSG anfechtbar. [Abs. 3] Die Verwerfung des Rechtsmittels der Antragsteller erfolgt ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter in entsprechender Anwendung des § 169 SGG. [Abs. 4] Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, B 4 AS 59/12 B vom 10.05.2012, Bundessozialgericht
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BUNDESSOZIALGERICHT
Beschluss in dem Rechtsstreit Az: B 4 AS 59/12 B ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, B 2 U 396/02 B vom 14.02.2003, Bundessozialgericht
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BUNDESSOZIALGERICHT
Beschluss in dem Rechtsstreit Az: B 2 U 396/02 B Kläger und Beschwerdegegner, Prozessbevollmächtigte: gegen Unfallkasse Sachsen-Anhalt, Käsperstraße 31, 39261 Zerbst, Beklagte und Beschwerdeführerin. Der 2. Senat des Bundessozialgerichts hat am 14. Februar 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. B. sowie die Richter K. und B. beschlossen: Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. September 2002 wird als unzulässig verworfen. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten. - 2 - Gründe: Die gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Urteil des Landessozialge- richts (LSG) gerichtete, auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und des Verfahrensmangels gestützte Beschwerde ist unzulässig. Die dazu gegebene Be- gründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialge- richtsgesetzes (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bun- dessozialgerichts (BSG) erfordern diese Vorschriften, dass der Zulassungsgrund schlüs- sig dargetan wird (BSG SozR 1500 § 160a Nr 34, 47 und 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Aufl, 2002, IX, RdNr 177 und 179 mwN). Daran mangelt es hier. Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muss nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG diese grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aufgezeigt werden. Hierzu ist zunächst darzulegen, welcher konkreten abstrakten Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung beige- messen wird (BSG SozR 1500 § 160a Nr 11). Denn die Zulassung der Revision erfolgt zur Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen und nicht zur weiteren Entscheidung des Rechtsstreits. Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die begehrte Revisionszulassung nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG prü- fen zu können (Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNr 181). Dazu ist erforderlich, dass ausge- führt wird, ob die Klärung dieser Rechtsfrage grundsätzliche, über den Einzelfall hinaus- gehende Bedeutung hat. Insbesondere hat der Beschwerdeführer darzulegen, dass die Rechtsfrage klärungsbedürftig, also zweifelhaft, und klärungsfähig, mithin rechtserheblich ist, so dass hierzu eine Entscheidung des Revisionsgerichts zu erwarten ist (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 1; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16). Zur Klärungsfähigkeit gehört auch, dass die Rechtsfrage in einem nach erfolgter Zulassung durchgeführten Revisionsverfah- ren entscheidungserheblich ist (BSG Beschluss vom 11. September 1998 - B 2 U 188/98 B -). Die Klärungsbedürftigkeit ist zu verneinen, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich beantwortet ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65) oder wenn die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz zu ersehen ist (BSG SozR 1300 § 13 Nr 1), wenn sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17), wenn sie prak- tisch außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 4) oder wenn sich für die Antwort in anderen Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte ergeben (BSG SozR 3- 1500 § 146 Nr 2 und § 160 Nr 8; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNr 117; Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNr 66). Die Klärungsbedürftigkeit ist schließlich nicht gegeben, wenn die Rechtsfrage nicht mehr geltendes Recht betrifft und nicht er- kennbar wird, dass noch eine erhebliche - genau zu bezeichnende - Anzahl von Fällen - 3 - nach diesen Vorschriften zu entscheiden sind (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 19; Be- schlüsse des Senats vom 15. September 1986 - 2 BU 104/86 -, vom 23. August 1996 - 2 BU 149/96 -, vom 26. Oktober 1998 - B 2 U 252/98 B - nachfolgend Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Mai 2000 - 1 BvR 2198/98 - sowie vom 29. April 1999 - B 2 U 178/98 B - HVBG-Info 1999, 2943; Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNr 187) oder dass die Rechtsfrage für das neue Recht weiterhin von Bedeutung ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 58; Beschlüsse des BSG vom 26. November 1996 - 3 BK 4/96 -, 31. März 1999 - B 7 AL 170/98 B - und 6. Mai 1999 - B 11 AL 209/98 B -). Die Beklagte hält die Frage für eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage, "ob Strafge- fangene während des Arbeitseinsatzes zu DDR-Zeiten zum Kreis der in der Sozialver- sicherung der ehemaligen DDR versicherten Personen gehörten und Unfälle beim Ar- beitseinsatz entsprechend Arbeitsunfälle nach DDR-Recht waren, oder ob sich unabhän- gig von dieser Frage bereits aus §§ 6 Abs 2, 3 und 38 StVG ergibt, dass Unfälle von Strafgefangenen während des Arbeitseinsatzes zu DDR-Zeiten als Arbeitsunfälle nach den Vorschriften der ehemaligen DDR zu werten waren, mit der Folge, dass im Rahmen des doppelten Prüfrechts entsprechende Unfälle auch nach dem Recht des Dritten Buches der RVO zu entschädigen sind". Diese Frage habe über den Einzelfall hinausge- hende Bedeutung, da allein bei ihr - der Beklagten - noch zahlreiche Parallelfälle anhän- gig seien. Die aufgezeigte Frage sei klärungsbedürftig, weil das BSG zu diesem Problemkreis bisher noch nicht Stellung genommen habe. Ihre Beantwortung ergebe sich auch nicht zweifelsfrei aus dem Gesetz selbst. Sie sei schließlich in einem anschließen- den Revisionsverfahren auch klärungsfähig und entscheidungserheblich. Die Beschwerdebegründung der Beklagten entspricht nicht den dargestellten besonderen Anforderungen an die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechts- frage. Entgegen der bloßen Behauptung der Beklagten steht die Beantwortung der Rechtsfrage praktisch außer Zweifel, weil sie sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Der Unfall des Klägers vom 27. Dezember 1985 während eines Arbeitseinsatzes im Rahmen seiner Strafhaft war Arbeitsunfall der Sozialversicherung der DDR. Durch das Strafvoll- zugsgesetz der DDR (StVG) vom 7. April 1977 (GBl I Nr 11 S 109) wurde ein Unfallver- sicherungsschutz während der Haft eingeführt. Dies ergibt sich eindeutig aus den vom LSG angezogenen Vorschriften der §§ 6 und 38 StVG (vgl Beschluss des Thüringer LSG vom 25. Februar 2002 - L 1 U 92/01 - HVBG-Info 2002, 2053). Die unter Hinweis auf die Rechtsauffassungen der für die Strafgefangenen zuständigen Unfallversicherungsträger in den Ländern Sachsen, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern durch die Beklagte ver- tretene gegenteilige Auffassung erschließt sich dem Senat weder aus den Ausführungen in ihrer Beschwerdebegründung noch aus ihren Schriftsätzen im Berufungsverfahren. - 4 - Soweit die Beklagte als Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend macht, das LSG hätte ihrem Vertagungsantrag entsprechen müssen und nicht entscheiden dür- fen, hat sie diesen Verfahrensfehler nicht schlüssig dargelegt. Ihrem weiteren Vorbringen ist zu entnehmen, dass einer ihrer Mitarbeiter auf telefonische Anfrage des LSG der Ent- scheidung nach einer Verhandlung ohne Beteiligung der Beklagten zugestimmt habe und hilfsweise den Antrag gestellt habe, die Revision zuzulassen. Zwar macht die Beklagte weiter geltend, der betreffende Mitarbeiter sei mit dem Prozessstoff überhaupt nicht ver- traut gewesen. Sie hat indes weiter weder vorgetragen, dass dieser Mitarbeiter zur Ab- gabe der zitierten Erklärung nicht befugt gewesen sei, noch dass dem entscheidenden Senat des LSG dieser Umstand bekannt gewesen sei. Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 iVm § 169 SGG). Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, B 1 KR 63/11 B vom 21.09.2011, Bundessozialgericht
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1 BUNDESSOZIALGERICHT 2 Beschluss 3 in dem Rechtsstreit 4 Az.: B 1 KR 63/11 B 5 L 5 KR 347/10 (Bayerisches LSG) 6 S 2 KR 346/09 (SG Regensburg) 7 8 ... 9 Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer 10 Prozessbevollmächtigte 11 … 12 gegen 13 ...-Krankenkasse 14 ... 15 Beklagte und Beschwerdegegnerin 16 Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat am 21. September 2011 durch 17 den Präsidenten M... sowie die Richterin Dr. R... und den 18 Richter Dr. E... 19 beschlossen: 20 Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der 21 Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Juni 2011 Prozesskosten- 22 hilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin ... , zu gewähren, wird 23 abgelehnt. Seite 2 1 Gründe: I. 2 [Abs. 1] Der bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Kläger ist mit seinem Begehren, Kostenerstat- 3 tung für die (wiederholte) Entfernung harter und weicher Zahnbeläge im Jahr 2008 zu erhalten 4 und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, medizinisch ausreichende Leistungen zur 5 Zahnbelagentfernung zu erbringen, in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG. hat ua 6 ausgeführt, der Sachleistungsanspruch sei nach Nr 107 Bema-Z auf die einmalige Entfernung 7 harter Zahnbeläge pro Kalenderjahr begrenzt (Urteil vom 28.6.2011). 8 [Abs. 2] Der Kläger begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seiner 9 Rechtsanwältin für seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil. II. 10 [Abs. 3] Der Antrag des Klägers ist abzulehnen, da er keinen Anspruch auf PKH unter Beiordnung eines 11 Rechtsanwaltes hat. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm 5 114, 5 121 ZPO kann einem bedürfti- 12 gen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein 13 Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn — ua - die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende 14 Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. 15 [Abs. 4] Der Kläger kann aller Voraussicht nach mit seinem Begehren auf Zulassung der Revision nicht 16 durchdringen. Nach Durchsicht der Akten fehlen - auch unter Würdigung des Vorbringens des 17 Klägers - Anhaltspunkte dafür, dass er einen der in § 160 Abs 2 Nr1 bis 3 SGG abschließend 18 aufgeführten Zulassungsgründe darlegen könnte. 19 [Abs. 5] 1. Die Sache bietet weder Hinweise für eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende 20 grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch ist ersichtlich, dass das LSG entscheidungs- 21 tragend von der Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein 22 könnte (Zulassungsgründe des § 160 Abs 2 Nr 1 und Nr2 SGG). Insbesondere zu der sich hier 23 stellenden Rechtsfrage nach dem Umfang einer Zahnreinigung als Leistung der GKV hat der 24 erkennende Senat grundlegend am 21.6.2011 entschieden: Nach den Richtlinien für eine aus- 25 reichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (idF vom 26 4.6./24.9.2003, BAnz Nr 226 vom 3.12.2003 S 24966, zuletzt geändert durch Beschluss vom 27 1.3.2006; BAnz Nr 111 vom 17.6.2006 S 4466) gehören als sonstige Behandlungsmaßnahmen 28 nach B.Vl.1. zur vertragszahnärztlichen Versorgung das Entfernen von harten verkalkten Be— 29 lägen und die Behandlung‘von Erkrankungen der Mundschleimhaut. Leistungen können Ver- 30 sicherten als Naturalleistungen nur dann von einem Vertragszahnarzt zu Lasten der GKV er- Seite 3 1 bracht und abgerechnet werden, wenn sie im Bema-Z (hier Nr 107) aufgeführt sind. Eine grund- 2 rechtsorientierte Leistungsausweitung kann nur bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig töd- 3 lichen oder wertungsmäßig hiermit vergleichbaren Erkrankungen in Betracht gezogen werden 4 (BSG Urteil vom 21.6.2011 - B 1 KR 17/10 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Ange- 5 sichts der vorhandenen und im Volltext in juris vor Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist ver- 6 öffentlichten höchstrichterlichen Rechtsprechung ist nicht ersichtlich, dass weiterer Klärungs- 7 bedarf aufgezeigt werden kann (vgl. Kummer Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, 8 RdNr 316 mwN). 9 [Abs. 6] 2. Auch bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Kläger einen die Revisionszulassung recht- 10 fertigenden Verfahrensfehler des LSG bezeichnen könnte (Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 11 Nr 3 SGG). Allerdings ist die Vorinstanz insbesondere dem in der mündlichen Verhandlung 12 gestellten Antrag auf Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur 13 erhöhten Notwendigkeit der Zahnbelagsentfernung beim Kläger nicht nachgekommen. Auf die 14 Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) kann eine Nichtzulassungsbeschwerde 15 indes nur gestützt werden, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne 16 hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Das LSG hat die Beweiserhebung zur medizinischen 17 Notwendigkeit zwar alleine mit dem Hinweis auf Nr 107 Bema-Z abgelehnt. Der anwaltlich ver- 18 tretene Kläger hat jedoch lediglich unter Bezug auf eine wissenschaftliche Stellungnahme zur 19 Zahnsanierung vor und nach Organtransplantationen „ein erhöhtes Risiko einer bakteriellen Infek- 20 tion nach der Organtransplantation“ geltend gemacht. Hiervon ausgehend wird sich mangels 21 durchgreifender Hinweise auf eine grundrechtsorientierte Leistungsausweitung nicht schlüssig 22 aufzeigen lassen, dass weitere Ermittlungen von Amts nahe gelegen hätten (hierzu vgl Meyer- 23 Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 103 RdNr 8 mwN). Im Übrigen wird mit Blick auf 24 die Hauptanträge (Kostenerstattung trotz fehlender Einhaltung des Beschaffungswegs und Fest- 25 stellung trotz Subsidiarität) voraussichtlich auch nicht dargelegt werden können, dass die Ent- 26 scheidung der Vorinstanz auf einem Verfahrensfehler beruht. 27 M Dr. E Dr R Faksimile 1 2 3 ... link (0 Kommentare) ... comment EGMR 20584/11 vom 16.05.2013, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
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23. Mai 2013
Beschwerde Nr. 20584/11 ... ./. Deutschland ... Ihre am 27.März 2011 eingelegte Beschwerde wurde hier unter der obigen Nummer registriert. Hiermit teile ich Ihnen mit, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zwischen dem 2. Mai 2013 und dem 16. Mai 2013 in Einzelrichterbesetzung (H. Keller, unterstützt von einem Berichterstatter in Übereinstimmung mit Artikel 24 Absatz 2 der Konvention) entschieden hat, die Beschwerde für unzulässig zu erklären. Diese Entscheidung erging am zuletzt genannten Datum. Soweit die Beschwerdepunkte in seine Zuständigkeit fallen, ist der Gerichtshof aufgrund aller zur Verfügung stehenden Unterlagen zu der Auffassung gelangt, dass die in Artikel 34 und 35 der Konvention niedergelegten Voraussetzungen nicht erfiillt waren. Diese Entscheidung ist endgültig und unterliegt keiner Berufung an den Gerichtshof sowie an die Grosse Kammer oder eine andere Stelle. Sie werden daher Verständnis dafür haben, dass die Kanzlei Ihnen keine weiteren Auskünfte über die Beschlussfassung des Einzelrichters geben und auch keinen weiteren Schriftverkehr mit Ihnen in dieser Angelegenheit führen kann. Sie werden in dieser Beschwerdesache keine weiteren Zuschriften erhalten, und die Beschwerdeakte wird ein Jahr nach Datum dieser Entscheidung vernichtet werden. Das vorliegende Schreiben ergeht nach Artikel 52A der Verfahrensordnung des Gerichtshofes. Mit freundlichen Grüßen Für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ... Referent Faksimile 1 BvR 1484/10 ... link (0 Kommentare) ... comment BVerfG, 1 BvR 1484/10 vom 28.09.2010, Bundesverfassungsgericht
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Ausfertigung
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT - 1 BvR 1484/10 - In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des gegen a) den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 21. Mai 2010 - B 1 KR 6/10 BH - b) das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 17. November 2009 – L 5 KR 187/08 - und Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten K... die Richter B... und S... gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BverfGG in der Fassung der Bekannt- machung vom 11. August 19993 (BGBl I S. 1473) vom 28. September 2010 einstimmig beschlossen: Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung ohne Aussicht auf Erfolg ist. Die Verfassungsbeschwerde wird – unbeschadet einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - nicht zur Entscheidung angenommen. Von einer Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BverfGG abgesehen. Diese Entscheidung ist unanfechtbar. K... B... S... Faksimile 1 2 20584/11 EGMR ... link (0 Kommentare) ... comment LSG BAY, L 5 B 314/08 KR ER vom 03.06.2008, Bayerisches Landessozialgericht
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Ausfertigung
L 5 B 314/08 KR ER Sozialgericht Regensburg S 14 KR 69/08 ER BAYR. LANDESSOZIALGERICHT In der B e s c h w e r d e s a c h e - Antragsteller und Beschwerdeführer - g e g e n ... - Krankenkasse, - Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin - wegen einstweiliger Anordnung erlässt der 5. Senat des Bayer. Landessozialgerichts in München am 3. Juni 2008 ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter am Bayer. Landesso- zialgericht M... sowie die Richterin am Bayer. Landessozialgericht W....— -W.. und den Richter am Bayer. Landessozialgericht R... folgenden Beschluss: I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 12.03.2008 wird zurückgewie- sen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. - 2 - G r ü n d e Der am geborene Antragsteller ist multimorbid und leidet insbesondere an einer chronischen dialysepflichtigen Niereninsuffizienz‚ weswegen er laufend hämodialysiert wird. Er begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes Fahrtkostener- stattung von der Antragsgegnerin, bei welcher er gesetzlich krankenversichert ist. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2008 wies die Antragsgegne- rin mehrere Widersprüche des Antragstellers gegen Fahrtkosten- abrechnungen zurück, weil diese das notwendige Maß überschrit- ten hätten, unter anderem weil die Fahrten zu ambulanten Be- handlungen außerhalb der Dialyse nicht erstattungsfähig seien. Dagegen hat der Antragsteller Klage zum Sozialgericht Regens- burg erhoben und gleichzeitig einstweiligen Rechtsschutz bean- tragt. Unbestritten müsse die Antragsgegnerin die Fahrtkosten zu medizinisch notwendigen Behandlungen erstatten. Er sei als Empfänger von Leistungen der Grundsicherung für Erwerbsunfähige bei einem Regelsatz von monatlich 278,00 EUR nicht in der Lage, die erforderlichen Taxikosten zu tragen. Zudem seien nicht nur 20 Cent, sondern 30 Cent pro gefahrenen Kilometer erstattungs- pflichtig. Dagegen hat sich die Antragsgegnerin gewandt und ausgeführt, grundsätzlich übernehme sie die notwendigen Fahrt- kosten für notwendige medizinische Behandlungen. Die entspre- chende gesetzliche Regelung lasse jedoch höhere als die bislang angesetzten Kostenerstattungen nicht zu. Mit Beschluss vom 12.03.2008 hat das Sozialgericht den Antrag zurückgewiesen im Wesentlichen mit der Begründung, eine unmit- telbare Gefährdung für Leib und Leben des Antragstellers sei bei der Nichtgewährung des einstweiligen Rechtsschutzes nicht erkennbar. Zu beachten sei, dass die Entscheidung des einstwei- - 3 - ligen Rechtsschutzverfahrens zu Gunsten des Antragstellers die Hauptsache vorwegnehmen würde, weil im Falle der Unrechtmäßig- keit dieser Entscheidung der Erstattungsanspruch der Antrags- gegnerin mangels finanzieller Leistungskraft des Antragstellers ins Leere liefe. Eine konkrete Gefährdung des Antragstellers sei nicht erkenntlich, zumal der Antragsteller dargetan habe, er könne mit einem eigenen bzw. geliehenen Pkw fahren. Aus den medizinischen Unterlagen ergebe sich, dass der Antragsteller öffentliche Verkehrsmittel nutzen könne, wenn auch nicht regel- mäßig. Die Fahrkostenabrechnungen der Beklagten seien auch der Höhe nach zutreffend erfolgt, insbesondere seien nur 20 Cent je gefahrenen Kilometer, nicht aber 30 Cent erstattungsfähig. Dagegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, streitig sei nicht die Erstattungshöhe in Höhe von 30 Cent oder 20 Cent, sondern er beantrage die Übernahme von Fahrkosten zu ambulanten Behandlungen mit jeglichem Transport- mittel, nicht nur mit Taxen. Das Vorgehen der Antragsgegnerin stelle einen Verstoß gegen seine Menschenwürde dar, weil er im- mer wieder um Zahlungsaufschübe betteln müsse. Der Zweck des Schonvermögens, aus welchem er die Kosten vorstrecken müsse, werde von der Antragsgegnerin verkannt. Die Verweigerung der notwendigen Fahrkosten sei ein Angriff auf seinen Leib und sein Leben. Es sei abzusehen, dass die Verwandten des Antragstellers künftig nicht mehr bereit sein könnten, ihr Fahrzeug zur Verfü- gung zu stellen. Auch im Übrigen sei der angefochtene Beschluss rechtswidrig. Die Antragsgegnerin hat Zurückweisung der Beschwerde begehrt und auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug genommen. II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172 ff. Sozialgerichtsgesetz — SGG —)‚ aber unbegründet. - 4 - Unter Bezugnahme auf die zutreffenden Ausführungen des ange- fochtenen Beschlusses ist zunächst auszuführen, dass für die begehrte Regelungsanordnung im Sinne des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ein Anordnungsgrund‚ der die Eilbedürftigkeit begründet sowie ein Anordnungsanspruch, welcher die Rechtsgrundlage für das mat terielle Begehren bildet, bestehen muss. Weil vorliegend keine konkrete Gefährdung für Leib und Leben des Klägers durch Nicht- behandlung einer lebensbedrohlichen Krankheit im Streite steht, ist im Wege des summarischen Verfahrens zu entscheiden, ob der geltend gemachte einstweilige Rechtsschutz zu gewähren ist oder nicht. In Würdigung der Beschwerdeschrift vom 11.04.2007 ergibt sich, dass der Antragsteller sein Begehren erweitert hat und nunmehr die Übernahme von Fahrkosten zu ambulanten Behandlungen mit jeglichem Transportmittel streitig ist. Nicht mehr zu befinden ist hinsichtlich der Erstattungshöhe ob 20 oder 30 Cent pro ge- fahrenem Kilometer zu zahlen wären. Ein solches weitgehendes Begehren ist dem einstweiligen Rechts- schutz nicht zugänglich, zumal die Antragsgegnerin erklärt hat, dass sie grundsätzlich die Fahrkosten zur Dialyse, zur statio- nären Behandlung sowie im Übrigen nach Maßgabe des 5 60 Sozial- gesetzbuch V übernimmt. Danach hat sie auch gehandelt, indem sie die entsprechenden Kostenerstattungen für die Vergangenheit erbracht hat — wenn auch die Höhe der zu erstattenden Leistung und deren Umfang streitig geblieben ist. Eine generelle Ver- pflichtung der Antragsgegnerin, Fahrkosten in angefallener Höhe zu nicht näher konkretisierten Behandlungen zu erstatten ist damit nicht veranlasst. Eine solche Entscheidung widerspräche auch der gesetzlichen Regelung in § 60 SGB V, welche in einer klaren Ordnungsstruktur bestimmt, unter welchen Voraussetzungen welche Fahrkostenerstattungen geleistet werden dürfen. Die Beschwerde des Antragstellers ist deshalb in vollem Umfang zurückzuweisen. - 5 - Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gegen diesen Beschluss ist Beschwerde zum Bundessozialgericht nicht eröffnet, § 177 SGG. M... W...—W... R... siehe auch L 5 B 748/08 KR 1 BvR 1601/08 ... link (0 Kommentare) ... comment SG R, S 14 KR 69/08 ER vom 12.03.2008, Sozialgericht Regensburg
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S 14 KR 69/08 ER
SOZIALGERICHT REGENSBURG In dem Antrags Verfahren — Antragsteller — g e g e n … —Krankenkasse, — Antragsgegnerin — erlässt der Vorsitzende der 14. Kammer, Richter am Sozialge- richt Dr. E… , ohne mündliche Verhandlung am 12. März 2008 folgenden Beschluss: I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anord- nung bezüglich der Erstattung von Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung wird abgelehnt. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. - 2- Gründe Die Beteiligten streiten in dem Hauptverfahren und vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Erstattung von Fahrtkosten. Der am ... geborene Antragsteller (Ast) ist Dialysepati— ent, im Rahmen der Schwerbehindertenrechts verfügt er über das Merkzeichen "G" und "RF". Streitig ist zum einen, ob für die Fahrten mit dem privaten Pkw zu den Behandlungen 20 Cent oder 30 Cent pro gefahrene Kilometer erstattet werden, zum anderen ob Fahrten mit dem Taxi anlässlich ambulanter Behandlungen zu übernehmen sind. Letztlich mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2008 sind beide Begehren des Ast abgelehnt worden. Der Ast selbst bezieht Hilfe zum Lebensunterhalt durch das Sozialamt Regensburg. Mit seinem Antrag auf einstweilige Anordnung möchte er gerade wegen des Verwiesenseins auf Hilfe zum Lebensunterhalt die Fahrtkosten bzw. die erhöhten Fahrtkosten bezahlt bekommen, um seine Fahrten zu gewährleisten. Derzeit werde er durch Angehö- rige gefahren, dieser Zustand sei jedoch nicht tragbar, falls die Hilfsperson ausfallen sollte. Die Antragsgegnerin (Ag) führte zu dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung aus, dass weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund gegeben sei. Der Anordnungsanspruch hinsichtlich einer erhöhten Entschädigung mit einer Pauschale von 30 Cent pro gefahrenen Kilometer scheitere an dem anwendba- ren Bundesreisekostengesetz, wonach ein erhebliches dienstli- ches Interesse bestehen müsse (analog angewandt auf das Kran- - 3 - kenversicherungsrecht). Dies sei nicht gegeben. Ebenso seien die Taxifahrten nicht zu übernehmen, da die Voraussetzungen nach den Krankentransport—Richtlinien beim Ast nicht vorliegen würden. Nachdem er die erforderlichen Merkzeichen "aG" und "H" nicht aufweise‚ des Weiteren nicht die Pflegstufe II, sei auf eine hohe Behandlungsfrequenz abzustellen. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung habe sich dahingehend eingelas- sen, dass eine solche nicht gegeben sei. Des Weiteren liege kein Anordnungsgrund vor, da der Ast durch- aus öffentliche Verkehrsmittel benutzen könne. Schwere oder un- zumutbare, nicht anders abzuwendende Nachteile würden nicht entstehen. Als letztes Mittel würden dem Ast Leistungen der So- zialhilfe zur Verfügung stehen. Bezug genommen wird zur Ergänzung der Gründe auf die Ausführun- gen des Ast sowie der Ag. II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zuläs- sig, jedoch nicht begründet. Gemäß § 86 b Abs.2 Sozialgerichtsgesetz TSGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirkli- chung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streiti- ges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Antrag ist schon vor Klageerhebung zulässig. Erfasst werden somit in § 86 Abs. 2 SGG sowohl die sogenannte Sicherungsanordnung als auch die sogenannte Regelungsanordnung. - 4 - Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass sowohl ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund ge- geben sind. Anordnungsanspruch ist dabei der materielle An- spruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtschutz sucht, Anordnungsgrund ist die Eilbedürftigkeit der begehrten Sicherung oder Regelung (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 ZPO). Das Gericht prüft, ob Anspruch und Grund glaubhaft gemacht worden sind. Eine endgültige Entscheidung in der Haupt- sache wird durch die einstweilige Anordnung nicht vorweggenom— men . Aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zuläs- sigen summarischen und pauschalen Prüfung der Sach- und Rechts- lage kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass zumindest ein An- ordnungsgrund nicht gegeben ist. Das Gericht sieht ebenso wie die Ag keine unzumutbaren Nachteile für den Ast, das Hauptver- fahren abzuwarten. Denn wenn nunmehr positiv für den Ast im Verfahren der einstweiligen Anordnung entschieden werden würde, so käme dies der Vorwegnahme der Hauptsache gleich, da dem Ast die begehrten Fahrtkosten vorerst zugestanden würden. Nachdem der Ast Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt bezieht, wären diese Leistungen nicht mehr rückabwickelbar, falls sich im Hauptverfahren herausstellen sollte, dass dem Ast der Anspruch nicht zusteht. Soweit eine Verweisung auf Leistungen der Sozi- falhilfe ausscheidet‚ müsste bei Nichtgewährung der beantragten Leistungen eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben des Ast bestehen (LSG Niedersachsen—Bremen, NZS 2004, 112). Dies hat der Ast ebenso nicht dargetan. Vielmehr gibt er selber zu, dass er im Notfall durch Angehörige gefahren werden kann. Er benö- tigt die einstweilige Anordnung nur deshalb, um für den Ausfall dieser Personen oder dieser Person eine Rückversicherung zu ha- ben. Dies ist mit dem Rechtsinstitut der einstweiligen Anord- nung mangels nunmehriger konkreter Gefährdung nicht machbar. Zwar geben die hereingereichten ärztlichen Bescheinigungen um- fassende Diagnosen des Ast an, wie z.B. die Niereninsuffizienz seit 1977 und darauffolgende Nierentransplantationen. Eine Übernahme der Taxikosten wird auch durch die ärztlichen Be- scheinigungen für Fahrten außer zu den Dialysebehandlungen zur ambulanten Untersuchungen gefordert. Insoweit ist jedoch darge- tan, dass der Ast seinen eigenen Pkw fahren kann, dies ihm je- doch mitunter oftmals nicht möglich ist. Zudem kann der Ast, so die Bescheinigungen, Bus und Bahn benutzen, diese jedoch nicht regelmäßig. Im Hinblick auf die Möglichkeiten der Fortbewegung ist eine erhebliche Gefährdung, die für einen Anordnungsan— spruch erforderlich wäre, nicht gegeben. Zudem zweifelt das Gericht an dem Anordnungsanspruch. Zum einen ist der Betrag von 20 Cent gesetzlich im anwendbaren Reiseko- stengesetz ausgewiesen, zum anderen sind die Taxifahrten zu den ambulanten Behandlungen durch die Krankentransportrichtlinien nur für Fälle einer hohen und dichten Behandlungsfrequenz vor- behalten, nachdem der Ast weder das Merkzeichen "aG” noch "H" noch die Pflegestufe II aufweist. Die hohe Behandlungsfrequenz hat der Medizinische Dienst der Krankenversicherung nach Sich- tung der Unterlagen abgelehnt. Diese Stellungnahme müsste durch weitere Beweisaufnahmen erst erschüttert werden. Dafür ist das Hauptverfahren zuständig, nicht im Zusammenhang mit dem Fehlen des Anordnungsgrundes das Verfahren des einstweiligen Rechts- schutzes. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss ist gemäß den §§ 172 Abs.1, 173 SGG Be- schwerde zum Bayer. Landessozialgericht statthaft. Die Be- schwerde ist binnen eines Monats nach Zustellung des Beschlus- ses beim Sozialgericht Regensburg, Safferlingstraße 23, 93053 Regensburg, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeam— ten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde in- nerhalb der Frist beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15‚ 80539 München oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landesso— zialgerichts‚ Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäfts- stelle eingelegt wird. Der Vorsitzende der 14. Kammer Dr. E... Richter am Sozialgericht L 5 B 314/08 KR ER L 5 B 748/08 KR ER C 1 BvR 1601/08 ... link (0 Kommentare) ... comment SG R, S 14 KR 60/08 vom 13.06.2008, Sozialgericht Regensburg
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SOZIALGERICHT REGENSBURG
GERICHTSBESCHEID in dem Rechtsstreit - Kläger - Proz. Bev.: D. gegen ... Krankenkasse, Die 14. Kammer des Sozialgerichts Regensburg erlässt durch ihren Vorsitzenden, Richter am Sozialgericht ... , am 13. Juni 2008 ohne mündliche Verhandlung folgenden Gerichtsbescheid: I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. - 2 - Tatbestand und Entscheidungsgründe: Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Fahrtkosten. Der am ... geborene Kläger ist multimorbid und leidet an einer dialysepflichtigen chronischen Niereninsuffizienz. Mit Antrag vom 10.05.2007 begehrte er die Übernahme von Fahrtkosten mit einem Taxi mit Rechnung vom 26.04.2007 in Höhe von 60,00 €. Weitere Taxikosten vom 28.06.2007 wurden mit Antrag vom 07.07.2007 in Rech- nung gestellt. Die Beklagte wies mit Bescheid vom 08.05.2007 und dann mit Be- scheid vom 22.08.2007 darauf hin, dass die Taxifahrt vom 26.04. nicht übernom- men werden könne, da nicht im Zusammenhang mit der ... erfolgt. Im Be- scheid vom 22.08.2007 ist dargetan, dass die Fahrtkosten zu einer ambulanten Behandlung ebenso nicht übernommen werden können, da nicht für die ... erfolgt. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers führte zu zwei Stellung- nahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), wonach keine hohe Behandlungsfrequenz gegeben sei und somit die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme nicht vorliegen würden. Dies wurde dem Kläger mit Wider- spruchsbescheid vom 05.02.23008 so mitgeteilt unter Hinweis auf die Kranken- transport-Richtlinien. Dagegen legte der Kläger Klage zum Sozialgericht Regensburg ein. Diese Klage (S 14 KR 60/08) wurde mit dem Rechtsstreit S 14 KR 66/08 verbunden. Unter dem Aktenzeichen S 14 KR 60/08 wurden beide Rechtsstreitigkeiten weitergeführt. Der vormalige Rechtsstreit S 14 KR 66/08 bezeichnet zwar in seiner Klage wiederum den Bescheid vom 22.08.2007, aus der Vollmacht an den Vertreter des Klägers geht jedoch hervor, dass damit die Kilometerpauschale beklagt werden sollte. Die- se wurde mit Antrag vom 21.10.2007 (als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X) bezeichnet durch den Kläger bei der Beklagten eingereicht. Es sollten nicht Fahrt- kosten in Höhe von 20 Cent, sondern von 30 Cent angesetzt werden. Mit Be- scheid vom 29.10.2007 wies die Beklagte darauf hin, dass gemäß dem Kranken- - 3 - versicherungsrecht nur 20 Cent angeordnet werden könnten. Der dagegen einge- legte Widerspruch endete im Widerspruchsbescheid vom 05.02.2008. Daneben betrieb der Kläger einen weiteren Rechtsstreit unter seinem eigenen Namen unter dem Az. S 14 KR 70/08. Insoweit erging Gerichtsbescheid vom 02.05.2008 wegen Unzulässigkeit dieser Klage. Ein weiteres Verfahren als einst- weilige Anordnung unter dem Az S 14 KR 69/08 ER betrieben endete mit dem Be- schluss vom 12.03.2008, wonach der Antrag zurückgewiesen wurde. Eine Be- schwerde dagegen hatte keinen Erfolg (Beschluss des BayLSG vom 03.06.2008). Die Prozessbevollmächtigten des Klägers beantragen sinngemäß, sowohl die Bescheide vom 08.05.2007 und 22.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.02.2008 wie den Bescheid vom 29.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchs- bescheids vom 05.02.2008 aufzuheben und dem Kläger für Fahrten zur ambulanten Untersuchung und Behandlung die Taxikosten zu erstatten bzw. soweit selbst gefahren wird, einen höheren Entschädigungssatz von 0,30 € anzusetzen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass Gerichtsbescheid ergehen kann. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte so- wie die Gerichtsakten in den Verfahren S 14 KR 66/08, S 14 KR 70/08 und S 14 KR 69/08 ER sowie die Beklagtenakten. Sämtlicher Inhalt war Gegenstand der Entscheidungsfindung. II. Die zulässigen Klagen sind im Sinne einer objektiven Klagehäufung nicht begründ- et, denn die Bescheide der Beklagten erweisen sich als rechtmäßig. Das Gericht kann gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbe- scheid entscheiden, da der Sachverhalt keine besonderen Schwierigkeiten tat- sächlicher bzw. rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Das Gericht macht ebenso von der Vorschrift des § 136 Abs.3 SGG Gebrauch, der im Verfahren des Gerichtsbescheids ebenso seine Anwendung findet und verweist auf die Darstellung in den Entscheidungsgründen der Bescheide und Wi- derspruchsbescheide der Beklagten, denen es folgt und die sie sich zu eigen macht. Die Beklagte hat zu Recht § 60 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i. V. m. dem Bundesreisekostengesetz (BRKG) angewandt, wonach die Höchstvergü- tungspauschale von 0,20 € pro gefahrenem Kilometer anzusetzen ist. Für eine hö- here Höchstvergütungspauschale bleibt somit von Gesetzes wegen kein Raum. D iese Handhabung entspricht dem § 5 BRKG, wonach 20 Cent pro Kilometer festgeschrieben sind; ein erheblich darüber hinausgehendes („dienstliches“) be- stehendes Interesse für eine Wegstreckenentschädigung von 30 Cent pro Kilome- ter kann im Fall des Klägers nicht gesehen werden. Er selbst gibt kein darüber hinausgehendes Interesse an, verweist nur darauf, dass der Höchstbetrag eben 30 Cent sei. Dies reicht nicht aus. Soweit es die Fahrkosten zu den ambulanten Behandlungen außerhalb der ... betrifft (Taxifahrten) fehlt es schon an der vorherigen Genehmigung durch die Beklagte; des Weiteren sind die Voraussetzungen nach den anwendbaren Kran- kentransport-Richtlinien nicht erfüllt. Der Kläger weist in seinem Schwerbehinder- tenausweis nicht die Merkzeichen „aG“, „BL“ oder „H“ auf (nur ...) und verfügt nicht über die Pflegestufe II oder III in der Pflegeversiche- rung. Eine hohe Behandlungsfrequenz wurde durch den MDK zu Recht abgelehnt. Wie das BayLSG in seinem Beschluss vom 03.06.2008, in Bestätigung des Be- schlusses des SG Regensburg vom 12.03.2008 ausführt, hat die Beklagte grund- sätzlich zu Recht die Fahrkosten zur ... und zur stationären Behandlung so- wie nach Maßgabe des § 60 SGB V übernommen. Eine weiter darüber hinausge- hende Entscheidung lassen die Vorschriften nicht zu. - 5 - Somit bestehen keine Ansprüche, weder nach dem Sachleistungsprinzip des § 13 Abs. 1 SGB V noch als Kostenerstattungsanspruch gemäß § 13 Abs. 3 SGB V (die- ser kann nicht weiter reichen, als ein Sachleistungsanspruch). Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Gerichtsbescheid kann mit der Berufung angefochten werden, da es dem Klä- ger nicht nur um die Einforderung einer Summe von unter 750,00 € geht(§ 144 SGG), sondern die Klage darauf gerichtet ist, weiterhin und künftig Taxikosten bzw. Fahrtkosten zu übernehmen bzw. in höherer Art zu übernehmen. Faksimile 1 2 3 4 5 L 5 KR 187/08 (Bayerisches LSG) B 1 KR 6/10 BH (Bundessozialgericht) 1 BvR 1484/10 (Bundesverfassungsgericht) 20584/11 (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, B 1 KR 6/10 BH vom 21.05.2010, Bundessozialgericht
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BUNDESSOZIALGERICHT
Beschluss in dem Rechtsstreit Az: B 1 KR 6/10 BH L 5 KR 187/08 (Bayerisches LSG) S 14 KR 60/08 (SG Regensburg) Kläger und Antragsteller gegen Beklagte. Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat am 21 Mai 2010 durch den Präsidenten M. sowie die Richter Dr. K. und Dr. H. beschlossen: Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 17. November 2009 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu gewähren, wird abgelehnt. - 2 - Gründe: I [Abs. 1] Der 1963 geborene, bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Kläger leidet an einer Nieren- erkrankung, weshalb ihm ua im Dezember 2007 eine Niere implantiert wurde, zudem an Erkrankungen des Herzkreislaufsystems, einem Zustand nach Schilddrüsenkarzinom, Schwer- hörigkeit sowie orthopädischen Krankheiten. Deshalb sind bei ihm ein Grad der Behinderung von 100 nach dem SGB IX und die Merkzeichen “G“ sowie “RF“ festgestellt worden. Er hat Leistungen der Grundsicherung für Erwerbsunfähige beantragt. Mit seinem Begehren, für ambulante Behandlungen Taxikosten und bei Eigenfahrten eine Erstattung von 30 Cent anstelle von 20 Cent je gefahrenem Kilometer zu erhalten, ist der Kläger bei der Beklagten und in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt, für einen Generalantrag zu allgemeiner Übernahme von Fahrtkosten fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Für eine orthopädische und kardiologische Behandlung jeweils in Regensburg habe der Kläger öffentliche Verkehrsmittel benutzen können. Seine Mobilität sei nicht vergleichbar mit der eines schwerbehinderten Menschen eingeschränkt, bei welchem die Voraussetzungen der Merk- zeichen “aG“, “Bl“ oder “H“ erfüllt seien. Weder seien diese Merkzeichen noch eine Pflege- stufe II oder III beim Kläger festgestellt worden. Eine höhere Erstattung als 20 Cent je Kilometer könne der Kläger nach der gesetzlichen Regelung nicht beanspruchen, da ein höherer Erstattungssatz nach § 5 Abs 2 Bundesreisekostengesetz (BRKG vom 26.5.2005 BGBl I 1418) ausschließlich aus dienstlichen Erfordernissen heraus zu begründen sei (Urteil vom 17.11.2009). [Abs. 2] Der Kläger begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil. II [Abs. 3] Der Antrag des Klägers auf Gewährung von PKH unter Beiordnung eines anwaltlichen Bevoll- mächtigten ist abzulehnen. [Abs. 4] Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 144, 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. An dieser Erfolgsaussicht fehlt es. Der Kläger kann aller Voraussicht nach in dem von ihm beabsichtigten Beschwerdeverfahren mit seinem Begehren auf Zulassung der Revision nicht durchdringen. Auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers und nach Aktenlage gibt es bei summarischer Prüfung keine Hinweise darauf, dass eine der - 3 - abschließend in § 160 Abs 2 SGG genannten Gründe für die Zulassung der Revision in einem Beschwerdeverfahren bejaht werden könnte. Das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ermöglicht dagegen keine weitergehende, umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle der zuvor ergangenen Entscheidungen. Ob das LSG-Urteil allgemein in Einklang mit Recht und Gesetz steht, ist für den Erfolg einer Nichtzulassungsbeschwerde ohne Belang (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). [Abs. 5] Die beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde bietet im Hinblick auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg da nichts dafür spricht, dass der Kläger den gesetzlichen Darlegungsvoraussetzungen genügen könnte. Der Kläger führt allerdings in seinem PKH-Gesuch eine Reihe von Entscheidungen des BVerfG und des BSG an, von denen das LSG nach seiner Auffassung abgewichen ist. Um den Zulassungs- grund einer Rechtsprechungsdivergenz nach § 160 Abs 2 SGG entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG darzulegen, müsste der Kläger indes ent- scheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einer- seits und in den herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidungen andererseits gegenüber- stellen und Ausführungen dazu machen können, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen. Hierzu müsste der Kläger darlegen, dass das LSG einen vom BVerfG oder BSG abweichenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt habe, aus dem sich das Bedürfnis nach Her- stellung von Rechtseinheit in einem Revisionsverfahren ergibt (vgl zB BSG Beschluss vom 21.1.2010 – B 1 KR 128/09 B -RdNr 5 mwN). Ein solches Vorhaben würde vorliegend nach aller Voraussicht daran scheitern, dass das LSG der höchstrichterlichen Rechtsprechung folgen wollte und die vom Kläger im Kern allein geltend gemachte fehlerhafte Anwendung der höchst- richterlichen Rechtsprechung nach der gesetzlichen Regelung des § 160 Abs 2 SGG nicht die Zulassung der Revision ermöglicht. [Abs. 6] Auch das Vorbringen, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), bietet für das angestrebte Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und aus- führen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Von den vielen Fragen, die der Kläger insoweit formuliert hat, kommt unter Berücksichtigung der durch höchstricherliche Rechtsprechung bereits geklärten Fragen lediglich die vom Kläger angedeutete Frage näher in Betracht, ob § 60 Abs 3 Nr 4 SGB V bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs auf den Höchstbetrag lediglich nach § 5 Abs 1 Satz 2 BRKG verweist, oder ob insoweit die erhöhte Wegstreckenentschädigung von 30 Cent je Kilometer bei Bestehen eines erheblichen dienstlichen Interesses an der Benutzung eines Kraftwagens nach § 5 Abs 2 Satz 1 BRKG in Betracht kommt. Auch unabhän- - 4 - gig von einer höchstrichterlichen Klärung ist indes eine Rechtsfrage dann als nicht klärungsbe- dürftig anzusehen, wenn ihre Beantwortung so gut wie unbestritten ist (vgl zB BSG SozR 1500 § 160 Nr 17) oder die Antwort von vorneherein praktisch außer Zweifel steht (vgl zB BSGE 40, 40 = SozR 1500 § 160a Nr 4). So liegt es hier bei der vom Kläger indirekt aufgeworfenen Frage unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien (vgl BT-Drucks 12/3608 S 82) und dem Sinn und Zweck der Verweisungsregel in § 60 Abs 3 Nr 4 SGB V, die für den Ausnahmefall des § 5 Abs 2 Satz 2 BRKG keinen Anwendungsraum bietet. Schließlich fehlt es auch an einer hinreichenden Aussicht auf Erfolg dafür, dass der Kläger im angestrebten Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren einen Verfahrensmangel geltend machen kann, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des §§ 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Für einen solchen Verfahrensmangel liegt nach der gebotenen summarischen Prüfung nichts vor, zumal der in der mündlichen Verhandlung durch einen Rechtssekretär der DGB-Rechtsschutz GmbH vertretene Kläger Sachanträge gestellt hat und eine Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) die Zulassung der Revision nicht zu recht- fertigen vermag. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab. 1 BvR 1484/10 ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, B1 KR 43/04 B vom 27.06.2005, Bundessozialgericht
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BUNDESSOZIALGERICHT
Beschluss in dem Rechtsstreit Az: B 1 KR 43/04 B Klägerin und Beschwerdeführerin, Prozessbevollmächtigter: gegen Kaufmännische Krankenkasse – KKH, Karl-Wiechert-Allee 61, 30625 Hannover, Beklagte und Beschwerdegegnerin. Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat am 27. Juni 2005 durch den Präsidenten von W. sowie die Richter Prof. Dr. S. und Dr. H. beschlossen: Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. April 2004 wird als unzulässig verworfen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. -2- Gründe: I [Abs 1] Die Klägerin ist mit ihrem Begehren, ihr die Kosten für die privatärztliche Behandlung bei Dr. K in Höhe von 2.226,32 DM sowie vier mal 1.400,36 € für jeweils eine extrakorporale Photopherese bei den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat in seinem Urteil vom 20. April 2004 ua ausgeführt, die Voraussetzungen des § 13 Abs 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien nicht erfüllt. Es verweise auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Sozialgerichts (SG). Danach kam eine Kostenerstattung für die extrakorporalen Photopheresen nicht in Betracht, weil eine positive Empfehlung des Bundesausschusses zu dieser neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode fehle. Im Übrigen wären die Maßnah- men von Dr. Kinnerhalb der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen gewesen. Die Leistungen seien auch nicht unaufschiebbar gewesen. Das LSG hat ergänzt, auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) könne sich die Klägerin nicht stützen, da es um eine Inlandsbehandlung gehe; zudem werde auch nach § 18 SGB V nur eine solche Behandlung erstattet, die zum Leistungsumfang der vertragsärztlichen Versorgung gehöre, was bei der hier streitigen nicht der Fall sei, wie es das SG in seinem Urteil ausführlich dargelegt habe. Dass sich die Klägerin im Inland zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur bei Vertragsärzten behandeln lassen könne, verstoße nicht gegen Art 3 Grundgesetz (GG), da das Zulassungssystem die Qualität und die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots sichere. Der Anspruch aus § 13 Abs 3 2. Fallgruppe SGB V scheitere bereits daran, dass sich die Klägerin in die Behandlung eines Nicht-Vertragsarztes gegeben habe (BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 7). [Abs 2] Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 20. April 2004. II [Abs 3] Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 iVm § 169 Satz 3 Sozial- gerichtsgesetz (SGG) zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisions- zulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG. [Abs 4] 1. Soll die Revision nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechts- sache zugelassen werden, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung dargelegt werden (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Hierzu ist es nach der ständigen Rechtspre- chung des Bundessozialgerichts (BSG) erforderlich, eine Rechtsfrage klar zu formulieren und - 3 - aufzuzeigen, dass sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt, und dass die Rechtsfrage klärungsbedürftig sowie klärungsfähig ist, dh sie im Falle der Zulassung der Revi- sion entscheidungserheblich wäre (vgl Senat, Beschluss vom 28. Februar 2005, B 1 KR 6/04 B; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Hieran fehlt es. Die Beschwerde sieht es als klärungsbedürftige Rechtsfrage an,"ob sich gesetzlich Krankenversicherte auf Grund der neuen EuGH-Rechtsprechung grundsätzlich von jedem - in einem EG-Mitgliedsstaat niedergelasse- nen - Arzt auf Kosten ihrer gesetzlichen Krankenkasse ambulant behandeln lassen dürfen". Zur Entscheidungserheblichkeit dieser Rechtsfrage hat sich die Beschwerde jeglicher Ausführungen enthalten. Entscheidungserheblichkeit bedeutet, dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ankommt und die Entscheidung bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin in ihrem Sinne hätte ausfallen müssen. Hat ein geltend gemachter Anspruch mehrere Voraussetzungen und wurde er vom Berufungsgericht verneint, weil eine dieser Voraussetzungen nicht vorliegt, muss dargelegt werden, dass auch die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Anderenfalls ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, das die Entscheidung über die aufgeworfene Rechtsfrage Konsequenzen für den Ausgang des Rechtsstreits hat. Kann mangels entsprechenden Vortrags nicht ausgeschlossen werden, dass der geltend gemachte Anspruch unabhängig vom Ergebnis der angestrebten rechtlichen Klärung womöglich am Fehlen einer weiteren, bisher unbeachtet gebliebenen Anspruchsvoraussetzung scheitern müsste, fehlt es an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit und damit der Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage (vgl dazu Senat, Beschluss vom 28. Februar 2005, B 1 KR 6/04 B; Beschluss vom 6. Dezember 2004, B 1 KR 96/03 B; BSG, Beschluss vom 30. August 2004, SozR 4-1500 § 160a Nr 5 mwN). So aber liegt es hier. Der Kostenerstattungsanspruch des § 13 Abs 3 SGB V setzt nach ständiger Rechtsprechung des BSG voraus, dass Kosten tatsächlich entstanden sind (BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 4). Dies ist aber weder nach dem Tatbestand noch nach den Entscheidungsgründen des LSG-Urteils oder nach dem Vorbringen der Beschwerde vorgetragen oder sonst ersichtlich. [Abs 5] Soweit die Klägerin dagegen einen Freistellungsanspruch geltend machen will, der ebenfalls vom Anspruch des § 13 Abs 3 SGB V umfasst ist (vgl BSG, ebenda mwN), setzt dieser eine rechtsgültige Zahlungsverpflichtung voraus. Dass eine solche besteht, hat die Beschwerde nicht dargelegt. Darüber hinaus fehlt es an Darlegungen dazu, dass sich die Klägerin die Behandlung als eine notwendige Leistung entweder selbst beschaffen musste, weil die Beklagte sie nicht rechtzeitig erbringen konnte (§ 13 Abs 3, 1. Fallgruppe SGB V) oder dass die Forderung, der sich die Klägerin ausgesetzt sieht, gerade darauf beruht, dass die Beklagte die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (§ 13 Abs 3, 2. Fallgruppe SGB V). Dazu hätte besonderer Anlass bestanden, weil das LSG-Urteil in den Entscheidungsgründen davon ausgeht, dass die Behandlung nicht zum Leistungsumfang der vertragsärztlichen Versorgung gehört und ein Notfall nicht vorgelegen habe. Das BSG ist aber an die im Urteil getroffenen tatsächlichen -4- Feststellungen zur Zulassung der Revision gebunden, außer wenn in Bezug auf diese Feststellung zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind (§ 163 SGG), woran es fehlt. [Abs 6] 2. Auch so weit sich die Beschwerde auf den Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG be- ruft und geltend macht, das LSG-Urteil sei vom Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02 (NJW 2003, 1236 = NZS 2003, 253f) abge- wichen, es hätte nicht ausnahmslos die Kostenübernahme von der Anerkennung seitens des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen fordern dürfen, fehlt es an § 160a Abs 2 Satz 3 SGG genügenden Darlegungen. Wer sich auf diesen Zulassungsgrund beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einer höchstrichterlichen Entscheidung andererseits gegenüber stellen und begründen, weshalb diese miteinander unvereinbar seien (vgl Senat, Beschluss vom 28. Februar 2005, B 1 KR 10/04 B; Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl 2002, § 160a RdNr 15, § 160 RdNr 10 ff mwN). Daran fehlt es. Die Beschwerde zitiert zwar Passagen aus dem Beschluss des BVerfG, benennt aber keinen dazu konträren Rechtssatz des LSG-Urteils, aus dem sich die Notwendigkeit zur Herstellung von Rechtseinheit durch eine höchstrichterliche Entscheidung ergeben könnte. Abgesehen davon, dass das BVerfG in dem genannten Beschluss keine konkreten materiell- rechtlichen Ansprüche auf die Gewährung bestimmter Leistungen aus Art 2 Abs 2 Satz 2 GG abgeleitet, sondern im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes unter dem Gesichtspunkt des Art 19 Abs 4 GG vom Beschwerdegericht eine "besonders intensive und nicht nur summarische Prüfung der Erfolgsaussichten" oder eine Folgenabwägung verlangt hat, trägt die Beschwerde der Sache nach allenfalls vor, das LSG sei den Grundsätzen des BVerfG nicht gefolgt. Dies stellt indessen keine Divergenz im Sinne eines bewussten Aufstellens abweichender Rechtssätze dar (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26). Ebenso wenig legt die Beschwerde dar, dass aus den von ihr genannten Aussagen des BVerfG hätte zwingend ein Anspruch auf die begehrten Leistungen folgen müssen. [Abs 7] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Landessozialgericht Hamburg, L 1 KR 43/04 vom 10.11.2004 Faksimile 1 2 3 4 ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, B 1 KR 19/10 B vom 23.02.2010, Bundessozialgericht
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Beschluss in dem Rechtsstreit Az: B 1 KR 19/10 B L 5 KR 92/08 (Schleswig-Holsteinisches LSG) S 8 KR 333/06 (SG Lübeck) Klägerin und Beschwerdeführerin, Prozessbevollmächtigte: gegen BARMER GEK, Axel-Springer-Straße 44, 10969 Berlin, Beklagte und Beschwerdegegnerin, Prozessbevollmächtigte: Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat am 9. Juli 2010 durch Sden Präsidenten M. sowie den Richter Dr. H. und die Richterin Dr. B. beschlossen: Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 10. Dezember 2009 wird als unzulässig verworfen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. - 2 - Gründe: I [Abs. 1] Die 1952 geborene, bei der beklagten Ersatzkasse (KK) versicherte Klägerin, bei der im August 2004 eine Bauchspeicheldrüsen- und Nierentransplantation durchgeführt wurde, ist mit ihrem Begehren, die Beklagte möge die Kosten für die Fahrten zu ambulant-ärztlichen Kontrollbe- handlungen in der Charité Berlin und bei dem Nephrologen in Pinneberg auch über den 17.1.2005 hinaus übernehmen, in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat im Wesentlichen ausgeführt: Ein Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten nach § 60 Abs 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 12 SGB V scheitere schon an der fehlenden vorherigen Genehmigung durch die Beklagte; im Übrigen seien aber auch die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls nach den Krankentransportrichtlinien (KrTransp-RL - BAnz Nr 18 S 1342) nicht erfüllt. Insbesondere sei eine "hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum" iS von § 8 Abs 2 KrTransp-RL nicht gegeben. Im Anschluss an die Anforderungen, die das Urteil des BSG vom 28.7.2008 (B 1 KR 27/07 R - SozR 4-2500 § 60 Nr 5) aufgestellt habe, genüge die von der Klägerin ange- gebene Häufigkeit der Behandlungen im Verhältnis zur Behandlungsdauer nicht (2005: 14 Fahrten, 2006 und 2007: Behandlungsfrequenz in einem Abstand von knapp sechs Wochen; 2008 und 2009: B5ehandlungsfrequenz im Abstand von 13 Wochen). Aus § 115a Abs 2 Satz 4 SGB V könne die Klägerin keine Ansprüche herleiten, da diese Vorschrift nur die Beziehungen der Leistungserbringer regele und dem Versicherten über § 60 Abs 2 Nr 4 SGB V hinaus keine Leistungsansprüche vermittele (Urteil vom 10.12.2009). [Abs. 2 ] Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG- Urteil. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. II [Abs. 3] 1. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Re- visionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG. [Abs. 4] Wer sich auf diesen Zulassungsgrund beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und aus- führen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich so- wie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 240 - 3 - Nr 33 S 151 f mwN). Rechtsfragen sind in aller Regel nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie bereits von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden worden sind (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; BSG SozR 1500 § 160 Nr 51 S 52 mwN). Nach diesem Maßstab hat die Klägerin die Erfordernisse der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht hinrei- chend dargelegt. [Abs. 5] Die Klägerin formuliert zwar die Rechtsfrage, ob "die Nachsorge in einem Transplantationszentrum nach einer Organübertragung gem. § 9 Abs. 1 des Transplantationsgesetzes und die dortige entsprechende ärztliche nachstationäre Behandlung nach § 115 a Abs 2 Sz. 4 SGB V vergleichbar ist mit den Beispielen der Anlage 2 der Krankenhaustransportrichtlinien oder nicht". [Abs. 6] Sie hat jedoch nicht hinreichend dargetan, dass diese Rechtsfrage trotz der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BSG (vgl insbesondere BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 5) noch klärungsbedürftig ist. [Abs. 7] Das BSG hat bereits über die Ausfüllung des auch hier einschlägigen Tatbestandsmerkmals "hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum" iS von § 8 Abs 2 KrTransp-RL ent- schieden. Seine Auslegung ist danach zu bestimmen, ob die Behandlung, zu deren Ermög- lichung die Fahrten durchgeführt werden sollen, mit den in Anlage 2 der RL genannten anderen Behandlungsformen von ihrem zeitlichem Ausmaß her wertungsmäßig vergleichbar ist; dabei ist die Häufigkeit einerseits und die Gesamtdauer andererseits gemeinsam zu den Regelbeispielen der Dialysebehandlung, der onkologischen Strahlentherapie sowie der onkologischen Chemotherapie in Beziehung zu setzen. Dieser Maßstab ergibt sich aus der Absicht des Gesetzgebers, ab 1.1.2004 Fahrkosten in der ambulanten Behandlung grundsätzlich gar nicht mehr zu erstatten und nur in "besonderen" Ausnahmefällen etwas anderes gelten zu lassen, nicht aber schon breitflächig allgemein in Härtefällen. Dabei hat der Senat eine "hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum" bei einer dauerhaften Behandlung angenommen, bei der die Behandlungsfrequenz zumindest einmal pro Woche beträgt (vgl BSG aaO RdNr 29 ff). Wie der Senat ebenfalls bereits entschieden hat, ist die gesetzeskonforme Konkretisierung der Ausnahme nach § 60 Abs 1 Satz 3 SGB V durch die KrTransp-RL nicht aufgrund ranghöheren Rechts erweiternd auszulegen. Mit der Änderung des § 60 SGB V zum 1.1.2004 (durch Art 1 Nr 37 des Gesetzes zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 , BGBl I 2190) hat der Gesetzgeber vielmehr stärker als zuvor auf die medizinische Notwendigkeit der im Zusammenhang mit der KKn-Leistung erforderlichen Fahrt abgestellt und die Möglichkeit der KKn, Fahrkosten generell in Härtefällen zu übernehmen, verfassungskonform beseitigt (vgl im Einzelnen BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 1 RdNr 13 f). - 4 - [Abs. 8 ] Mit dieser Rechtsprechung und ihren Maßstäben setzt sich die Klägerin nicht im Einzelnen aus- einander. Die weitere Ausfüllung dieser Maßstäbe bewegt sich im Bereich der Subsumtion, kann also keine "grundsätzliche" Bedeutung begründen. Die Klägerin legt auch nicht dar, dass diese Rechtsprechung in den Entscheidungen der Instanzgerichte oder im Schrifttum nachhaltig auf Kritik gestoßen und deshalb erneut klärungsbedürftig geworden ist. Sie vertritt im Wesentlichen lediglich, dass die im LSG-Urteil berücksichtigte Behandlungsfrequenz in ihrem Fall für einen Leistungsanspruch ausreichend sei. Im Kern läuft das Beschwerdevorbringen der Klägerin darauf hinaus, dass sie die inhaltliche Richtigkeit des zweitinstanzlichen Urteils angreift. Ein solches Vorbringen vermag die Revisionsinstanz jedoch auch dann nicht zu eröffnen, wenn die geltend gemachte Rechtswidrigkeit aus einer vermeintlich fehlerhaften Umsetzung der BSG-Rechtsprechung im Einzelfall hergeleitet wird; denn zulässiger Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 15). [Abs. 9] Soweit die Klägerin sinngemäß auch die Rechtsfrage stellt, ob § 115a Abs 2 Satz 4 SGB V da- hingehend auszulegen sei, dass bei medizinisch notwendigen Kontrolluntersuchungen nach Organübertragungen nach § 9 Abs 1 Transplantationsgesetz auch die entsprechenden Fahr- kosten umfasst seien, wird ebenfalls deren Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt. Das BSG hat bereits entschieden, dass § 60 SGB V die Ansprüche auf Fahrkosten abschlie- ßend regelt (BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 5 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 2 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 1 RdNr 9). Auch hierauf geht die Beschwerdebegründung nicht ein. [Abs. 10 ] Im Übrigen legt die Klägerin zudem die Entscheidungserheblichkeit der angesprochenen Fragen nicht hinreichend dar, denn das LSG hat den Anspruch der Klägerin auch deshalb verneint, weil die nach § 60 Abs 1 Satz 3 SGB V notwendige vorherige Genehmigung der KK gefehlt habe. Die Beschwerdebegründung hätte demnach Ausführungen enthalten müssen, dass ein Anspruch an dieser Voraussetzung nicht scheitert. [Abs. 11] 2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat analog § 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG ab. [Abs. 12] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, B 1 KR 155/06 vom 02.11.2006, Bundessozialgericht
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Beschluss in dem Rechtsstreit Az: B 1 KR 155/06 B Kläger und Beschwerdeführer, Prozessbevollmächtigte: gegen Barmer Ersatzkasse, Lichtscheider Straße 89-95, 42285 Wuppertal, Beklagte und Beschwerdegegnerin. Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat am 24. Januar 2007 durch den Präsidenten von Wulffen sowie die Richter Prof. Dr. Schlegel und Dr. Hauck beschlossen: Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. November 2006 wird als unzulässig verworfen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. - 2 - Gründe: I [Abs. 1] Der bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Kläger ist mit seinem Begehren, 1.410 € Kosten einer Positronen-Emissions-Tomographie (PET) zur Abklärung des Vorhandenseins von Rezi- diven oder Metastasen seines operierten Adenokarzinoms des Rektums erstattet zu erhalten, in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung ua ausgeführt, der frühere Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen und jetzige gemeinsame Bundesausschuss habe die neue Untersuchungsmethode im Zeitpunkt der Behandlung nicht empfohlen gehabt. Auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. 12. 2005 (1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) könne sich der Kläger nicht stützen, da es als Behandlungsalternative zunächst geboten gewesen sei, eine Kernspintomographie (MRT) durchzuführen. Das Bestehen eines Erstattungsanspruchs könne auch nicht von nachträglichen Umständen - wie den durch die Tomographien (MRT und PET) gewonnenen Erkenntnissen - abhängig sein (Urteil vom 2. 11. 2006). [Abs. 2] Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG- Urteil und beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits, Divergenz und Ver- fahrensfehler. II [Abs. 3] Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 iVm § 169 Satz 3 Sozial- gerichtsgesetz (SGG) zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisions- zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung, der Divergenz und des Verfahrensfehlers (Zulassungsgründe des § 160 Abs 2 Nr 1, 2 und 3 SGG). [Abs. 4] 1. Die Beschwerde legt den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht hinreichend dar. Den Darlegungserfordernissen an eine Grundsatzrüge genügt eine Nichtzulassungsbe- schwerde nur dann, wenn eine Rechtsfrage klar formuliert und ausgeführt wird, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Die Beschwerde sieht folgende Fragen als grundsätzlich bedeutsam an: "1) Setzt eine Eintrittspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung außerhalb des Leis- tungskatalogs gemäß den Grundsätzen der Entscheidung des BVerfG vom - 3 - 6. Dezember 2005 ausnahmslos und in jedem Fall voraus, dass zuvor das - theoretische - Spektrum der im Leistungskatalog enthaltenen Behandlungs-/Unter- suchungsmethoden durchgeführt wurde, oder kommt es entscheidend auf deren Geeignetheit und Erfolgsaussichten im konkreten Fall an? 2) Ist es dem Patienten in den unter 1) genannten Fällen verwehrt, die fehlende Geeig- netheit bzw Erfolgsaussicht der im Leistungskatalog enthaltenen Methoden dadurch nachzuweisen, dass er diese nach Inanspruchnahme der streitgegenständlichen Behandlung noch durchführen lässt und sich deren Erfolglosigkeit ergibt?" [Abs. 5] Die Beschwerde hält zudem die Frage für grundsätzlich bedeutsam, "wie die vom BVerfG in der oa Entscheidung aufgestellten Grundsätze im Falle von Diagnostikmethoden umzusetzen sind". [Abs. 6] Hinsichtlich der Fragen zu 1) und 2) bedarf es keiner Entscheidung, ob damit eine Rechtsfrage hinreichend klar bezeichnet ist, denn die Beschwerde geht jedenfalls nicht hinreichend auf die Klärungsbedürftigkeit der Fragen ein. Ist eine Frage bereits von der höchstrichterlichen Recht- sprechung entschieden, ist sie grundsätzlich nicht mehr klärungsbedürftig (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; BSG SozR 1500 § 160 Nr 51 S 52). Soll gleichwohl eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage geltend gemacht werden, obliegt es dem Beschwerdeführer darzulegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher Begründung der Rechtsprechung widersprochen worden ist bzw die Anforderungen der Rechtsfrage umstritten sind (vgl zB BSG SozR 1500 § 160 Nr 51 S 52 mwN). Daran fehlt es. Die Beschwerde setzt sich nicht mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander, wonach es für die Prüfung der Frage, ob eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung steht, auf die konkreten Verhältnisse des Einzelfalls ankommt (vgl zB BSG, Urteil vom 4. 4. 2006 - B 1 KR 7/05 R - SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 21, 31, Tomudex; BSG, Urteil vom 26. 9. 2006 - B 1 KR 1/06 R - RdNr 26 ff, - Ilomedin, zur Veröffentlichung vorgesehen mwN). Die Beschwerde geht auch nicht auf die Rechtsprechung ein, wonach für die fehlende Geeignetheit oder Erfolgsaussicht einer Behandlungsmethode auf den Zeitpunkt der Behandlung, nicht aber auf einen späteren Zeitpunkt abzustellen ist (vgl zB BSG, Urteil vom 4. 4. 2006 - B 1 KR 12/05 R - RdNr 23 mwN - interstitielle Brachytherapie, zur Veröffentlichung vorgesehen; BSG, Urteil vom 7. 11. 2006 - B 1 KR 24/06 R - RdNr 15, LITT, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Beschwerde hat sich schließlich auch nicht mit derjenigen Rechtsprechung auseinandergesetzt, nach welcher im Rahmen der Würdigung der voraussichtlichen Erfolgschancen einer Methode zu Behandlungsbeginn auch später publizierte Kenntnisse Berücksichtigung finden können, soweit diese im Behandlungszeitpunkt bereits vorgelegen haben (vgl zB BSG, Urteil vom 26. 9. 2006 - B 1 KR 1/06 R - RdNr 25, 27 - Ilomedin, zur Veröffentlichung vorgesehen; BSG, Urteil vom 7. 11. 2006 - B 1 KR 24/06 R - RdNr 32 ff, LITT, zur Veröffentlichung vorgesehen). - 4 - [Abs. 7] Mit der dritten Frage hat die Beschwerde demgegenüber bereits eine Rechtsfrage nicht hinrei- chend klar formuliert, sondern lediglich eine generelle Problematik aufgezeigt, vergleichbar etwa mit dem - ebenfalls nicht ausreichenden - Vorbringen, eine Norm sei verfassungswidrig (vgl zu Letzterem zB BSG, Beschluss vom 22. 7. 1993 - 11 BAr 5/92; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 45). Zudem hat sich die Beschwerde auch insoweit nicht mit der Klärungsbedürftigkeit in Würdigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander gesetzt, ebenso wenig wie mit der Entscheidungserheblichkeit der Frage. [Abs. 8] 2. Soweit sich die Beschwerde auf den Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG beruft und geltend macht, das LSG-Urteil sei vom Beschluss des BVerfG vom 6. 12. 2005 (aaO) abge- wichen und beruhe auf dieser Abweichung, fehlt es an § 160a Abs 2 Satz 3 SGG genügenden Darlegungen. Wer sich auf diesen Zulassungsgrund beruft, muss entscheidungstragende ab- strakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einer höchstrichterlichen Entscheidung andererseits gegenüberstellen und begründen, weshalb diese miteinander unver- einbar seien (vgl zB BSG, Beschluss vom 27. 6. 2005 - B 1 KR 43/04 B; BSG, Beschluss vom 18. 7. 2005 - B 1 KR 110/04 B mwN). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichen- den Rechtssatz aufgestellt hat und nicht etwa lediglich nur fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB BSG, Beschluss vom 15. 1. 2007 - B 1 KR 149/06 B - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f). An der Darlegung eines vom LSG bewusst abweichend aufgestellten Rechtssat- zes fehlt es. Das LSG hat ausgeführt, der Kläger könne sich nicht auf den Beschluss des BVerfG vom 6. 12. 2005 (aaO) stützen, da eine schulmedizinische Behandlungsmethode zur Verfügung gestanden habe. Es sei zunächst geboten gewesen, eine Kernspintomographie durchzuführen. Wieso die Beschwerde ausgehend von diesen rechtlichen Überlegungen des LSG zu der Ansicht gelangt, das LSG habe die Auffassung vertreten, alle Behandlungsalterna- tiven müssten vorab - ungeachtet ihrer Erfolgsaussicht und Geeignetheit im konkreten Fall - abgespult worden sein, bevor die Rechtsprechung des BVerfG greife, hat sie nicht dargelegt. Im Kern wendet sich die Beschwerde insoweit vielmehr gegen die Feststellung des LSG, die Durchführung einer Kernspintomographie sei vorrangig geboten gewesen. Damit legt sie aber nicht eine Divergenz im Rechtssinne dar. [Abs. 9] 3. Mit ihrem Vorbringen, das LSG hätte ein Sachverständigengutachten zur Eignung und zum Erfolg einer Kernspintomographie und zur Überlegenheit der PET einholen müssen, legt die Be- schwerde ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht (§ 103 SGG) nicht hinreichend dar. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend ge- macht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Ver- fahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag be- zieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Danach hätte die Be- schwerde im Einzelnen aufzeigen müssen, dass ein Beweisantrag in der Sitzungsniederschrift - 5 - protokolliert oder im Urteilstatbestand aufgeführt worden ist, den das Gericht übergangen hat (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 20; SozR 1500 § 160 Nr 64). Entsprechender Vortrag fehlt. Stellt ein anwaltlicher Bevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung beim LSG - wie im Falle des Klägers - nur noch einen Sachantrag, darf das Gericht davon ausgehen, dass andere, zuvor schriftsätzlich gestellte Beweisanträge nicht weiter verfolgt werden sollen (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 S 2). [Abs. 10] 4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 3 SGG). [Abs. 11] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, B 1 KR 149/06 B vom 15.01.2007, Bundessozialgericht
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Beschluss in dem Rechtsstreit Az: B 1 KR 149/06 B Kläger und Beschwerdeführer, Prozessbevollmächtigte: gegen Hanseatische Ersatzkasse, Wandsbeker Zollstraße 86-90, 22041 Hamburg, Beklagte und Beschwerdegegnerin. Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat am 15. Januar 2007 durch den Präsidenten von W. sowie die Richter Dr. K. und Dr. H. beschlossen: Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. September 2006 wird als unzulässig verworfen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. - 2 - Gründe: I [Abs 1] Der bei der beklagten Ersatzkasse pflichtversicherte Kläger, kaufmännischer Angestellter mit Anspruch auf sechsmonatige Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall, bezog Krankengeld (Krg) ab 25. April 2000 wegen derselben Krankheit (Wirbelsäulenleiden und somatisierte Depression) für 78 Wochen - unter Einrechnung der Zeit fortgezahlten Arbeits- entgelts - bis zum 26. November 2002. Trotz bis zum 6. Januar 2003 ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit (AU) nahm der Kläger im Dezember 2002 seine Arbeit wieder auf. Wegen erneuter AU zahlte seine Arbeitgeberin vom 28. Januar bis zum 27. Juli 2003 Arbeitsentgelt fort. Mit seinem Begehren, ab 28. Juli 2003 Krg für weitere 140 Tage zu erhalten, ist der Kläger in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat ua ausgeführt, die Voraussetzungen eines Krg-Anspruchs nach § 48 Abs 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien ab 28. Juli 2003 nicht erfüllt. Der Kläger habe im Dreijahreszeitraum vom 25. April 2000 bis zum 24. April 2003 wegen derselben Krankheit für 78 Wochen Krg bezogen. Die sechsmonatige Fortzahlung des Arbeitsentgelts, die den Krg-Anspruch zum Ruhen gebracht habe (§ 49 Abs 1 Nr 1 SGB V), sei nach § 48 Abs 3 Satz 1 SGB V wie eine Zeit des Bezugs vom Krg zu berücksichtigen. Nach Beginn des neuen Dreijahreszeitraums mit dem 25. April 2003 habe wegen derselben Krankheit kein neuer Anspruch auf Krg bestanden, weil der Kläger wegen derselben Krankheit weiterhin arbeitsunfähig und nicht erwerbstätig gewesen sei oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden habe. Die Anrechnung des sechsmonatigen Entgeltfortzahlungszeitraums auf den Krg-Bezug verstoße nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art 3 Abs 1 Grundgesetz (Urteil vom 14. September 2006). Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG- [Abs 2] Urteil und beruft sich auf Divergenz und auf die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits. II [Abs 3] Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 iVm § 169 Satz 3 Sozial- gerichtsgesetz (SGG) zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisions- zulassungsgründe der Divergenz und der grundsätzlichen Bedeutung (Zulassungsgründe des § 160 Abs 2 Nr 2 und 1 SGG). [Absatz 4] 1. Soweit sich die Beschwerde auf den Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG beruft und geltend macht, das LSG-Urteil sei vom Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 92, 53 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6) abgewichen, fehlt es an § 160a Abs 2 Satz 3 SGG - 3 - genügenden Darlegungen. Wer sich auf diesen Zulassungsgrund beruft, muss entscheidungs- tragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einer höchst- richterlichen Entscheidung andererseits gegenüberstellen und begründen, weshalb diese mit- einander unvereinbar seien (vgl zB BSG, Beschluss vom 27. Juni 2005 - B 1 KR 43/04 B; BSG, Beschluss vom 18. Juli 2005 - B 1 KR 110/04 B mwN). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat und nicht etwa lediglich nur fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl dazu BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f). An der Darlegung eines vom LSG bewusst abweichend aufgestellten Rechtssatzes fehlt es. Die Beschwerde legt lediglich dar, dass das LSG einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz unter Hinweis auf Entscheidungen des BVerfG (BVerfGE 79, 224 = SozR 2200 § 180 Nr 46; 53, 313 = SozR 4100 § 168 Nr 12) verneint hat, nicht aber die von der Beschwerde für einschlägig erachtete Entscheidung des BVerfG vom 11. Januar 1995 (BVerfGE 92, 53 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6) zugrunde gelegt hat. Damit legt die Beschwerde indessen keine Divergenz im Sinne eines bewussten Aufstellens abweichender Rechtssätze dar. [Abs 5] 2. Die Beschwerde legt auch den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht hinrei- chend dar. Den Darlegungserfordernissen an eine Grundsatzrüge genügt eine Nichtzulas- sungsbeschwerde nur dann, wenn eine Rechtsfrage klar formuliert und ausgeführt wird, inwie- fern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungs- bedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Die Beschwerde sieht die Frage als grundsätzlich bedeutsam an, ob die Bestimmung des § 48 Abs 3 Satz 1 SGB V verfassungsgemäß ist. Es bedarf keiner Entscheidung, ob damit eine Rechtsfrage hinreichend klar bezeichnet ist, obwohl die bloße Behauptung der Verfassungswid- rigkeit einer Norm hierfür regelmäßig nicht genügt (vgl zB BSG, Beschluss vom 22. Juli 1993 - 11 BAr 5/92; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; vgl auch BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 45). Auch wenn man insoweit die Begründung zum Vorliegen einer Divergenz in die Beschwerdebegründung für die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache einbezieht, geht die Beschwerde jedenfalls nicht hinreichend auf die Klärungsbedürftigkeit der Frage ein. Ist eine Frage bereits von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden, ist sie grundsätzlich nicht mehr klärungsbedürftig (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; BSG SozR 1500 § 160 Nr 51 S 52). Soll gleichwohl eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage geltend gemacht werden, obliegt es dem Beschwerdeführer darzulegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher Begründung der Rechtsprechung widersprochen worden bzw die Anforderun- gen der Rechtsfrage umstritten ist (vgl zB BSG SozR 1500 § 160 Nr 51 S 52 mwN). Daran fehlt es. Die Beschwerde nimmt schon nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung in den Blick, die bereits die Vorgängerregelung in § 189 Reichsversicherungsordnung (RVO) und § 385 RVO als eine verfassungskonforme Ausgestaltung des Leistungsrechts angesehen hat (vgl BSGE 56, 191 = SozR 2200 § 385 Nr 6). Zudem geht die Beschwerde nicht auf die Rechtsprechung ein, wonach der Ausschluss von Doppelleistungen, der der Ruhensregelung in § 49 SGB V - 4 - zugrunde liegt, und an den § 48 Abs 3 Satz 1 SGB V anknüpft, aus Gründen der Gleichbehand- lung nicht nur sachlich gerechtfertigt, sondern geradezu als geboten angesehen werden kann (vgl BSG SozR 3-2500 § 49 Nr 3 S 8 mwN). Schließlich setzt sich die Beschwerde auch nicht damit auseinander, dass die von ihr selbst zitierte Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 92, 53, 71 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6 S 21) es als verfassungskonform ansieht, dass im Sozialversicherungsrecht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einerseits Maßstab für die Heranziehung zu Beiträgen ist, andererseits die durch den Versicherungsfall verursachte Einbuße an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit Maßstab für die Berechnung von Lohner- satzleistungen ist. Fehlt es an einer durch den Versicherungsfall verursachten Einbuße an wirt- schaftlicher Leistungsfähigkeit, ist - jedenfalls ohne eingehende, hier fehlende Darlegungen - nicht ersichtlich, wieso Raum für Lohnersatzleistungen sein soll. Ebenso wenig ist ohne entsprechende, hier nicht vorhandene Darlegungen ersichtlich, wieso derjenige, der volles Arbeitsentgelt bezieht, beitragsrechtlich zu privilegieren wäre. Die Beschwerde geht auch nicht darauf ein, dass vorliegend lediglich die Leistungs-, nicht aber die Beitragsseite betroffen ist. [Abs 6] 3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 3 SGG). [Abs 7] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, B 1 KR 128/09 B vom 21.01.2009, Bundessozialgericht
anselmf
BUNDESSOZIALGERICHT
Beschluss in dem Rechtsstreit Az: B 1 KR 128/09 B L 5 KR 100/08 (LSG Rheinland-Pfalz) S 5 KR 118/06 (SG Trier) Klägerin und Beschwerdeführerin, Prozessbevollmächtigter: gegen BARMER GEK, Axel-Springer-Straße 44, 10960 Berlin, Beklagte und Beschwerdegegnerin. Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat am 21. Januar 2010 durch den Präsidenten M., den Richter Dr. K. und die Richterin Dr. B. beschlossen: Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. August 2009 wird als unzulässig verworfen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. - 2 - Gründe: I [Abs 1] Die 1957 geborene, bei der beklagten Ersatzkasse versichert gewesene Klägerin, die an se- kundär progredienter Multipler Sklerose leidet, ist mit ihrem Begehren auf Erstattung der ihr von März 2005 bis 28.2.2009 entstandenen Kosten (132 Euro pro Quartal, insgesamt 2.112 Euro) für das Mittel "Algonot plus" in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Landes- sozialgericht (LSG) hat die Berufung gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen und ua ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 SGB V: Das hier betroffene Mittel unterfiele - wäre es ein Arzneimittel - mangels erforder- licher arzneimittelrechtlicher Zulassung nicht der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenver- sicherung. Wäre "Algonot plus" dagegen als Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel ein- zustufen, scheitere die Leistungspflicht der Beklagten daran, dass solche Mittel grundsätzlich nicht beansprucht werden könnten und dass die Bestandteile des Mittels nicht unter die Aus- nahmeregelungen fielen, die der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) nach § 31 Abs 1 Satz 2 SGB V in den Arzneimittel-Richtlinien festgelegt habe. Leistungsrechtliche Er- leichterungen kämen weder unter dem Blickwinkel eines sog Seltenheitsfalls noch unter demjenigen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) in Betracht; die Krankheit der Klägerin sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht als lebensbedrohlich einzustufen und stehe einer solchen Krankheit auch nicht gleich. Ferner fehle es an einer nicht ganz fern liegenden Aussicht auf eine positive Einwirkung des Mittels auf den Krankheitsverlauf (Urteil vom 20.8.2009). [Abs 2] Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG- Urteil. II [Abs 3] Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Re- visionszulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 SGG. [Abs 4] 1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig - 3 - und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Die Klägerin formuliert die Rechtsfrage, "ob die Arzneimittelrichtlinien den gesetzlichen An- forderungen des § 34 Abs 1 Satz 2 und 3 SGB V sowie § 92 Abs 2 Satz 2 SGB V entsprechen"; sie meint, die Vorgehensweise des GBA führe "zwangsläufig zu einem ... Systemversagen". Damit werden die Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung indessen nicht erfüllt. Die Klägerin übersieht, dass sich das LSG in dem hier zu entscheidenden Fall - anders als in dem Beschwerdeverfahren B 1 KR 127/09 B - gar nicht auf Ausnahmeindikationen von der Verschreibungspflicht nach § 34 SGB V gestützt hat, sondern auf andere tatsächliche und rechtliche Gesichtspunkte (fehlende Arzneimittelzulassung; fehlende Ausnahmeindikation für Lebens- bzw Nahrungsergänzungsmittel nach § 31 Abs 1 Satz 2 SGB V). Damit aber fehlt es schon an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage. [Abs 5] 2. Die Klägerin macht als Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG geltend, das LSG- Urteil weiche vom Beschluss des BVerfG vom 6.12.2005 (aaO) ab. Auch damit kann sie jedoch nicht durchdringen. Um eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG darzulegen, müssen nämlich entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in dem heran- gezogenen höchstrichterlichen Urteil andererseits gegenübergestellt und Ausführungen dazu gemacht werden, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 160a RdNr 15 ff, § 160 RdNr 10 ff, jeweils mwN). Das Beschwerdevorbringen enthält darauf bezogen keine hinreichenden Aus- führungen. Es wird schon nicht behauptet, dass das LSG (das dem BVerfG folgen wollte) einen vom BVerfG abweichenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt habe, aus dem sich das Bedürf- nis nach Herstellung von Rechtseinheit in einem Revisionsverfahren ergibt. Geltend gemacht wird im Kern vielmehr nur, dass das LSG-Urteil auf einer fehlerhaften Anwendung der Recht- sprechung des BVerfG beruhe; dazu wird dann auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin verwiesen, welche abweichend von der Einschätzung des LSG das Kriterium der besonderen Krankheitsschwere erfüllten (die wiederum erst Voraussetzung für eine grund- rechtsorientierte Erweiterung des Leistungsspektrums auf der Rechtsfolgenseite wäre). Das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde dient indessen nicht dazu, die angezweifelte sach- liche Richtigkeit der Begründung des LSG erneut durch das BSG umfassend überprüfen zu lassen. [Abs 6] 3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG). [Abs 7] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, B 1 KR 110/04 B vom 18.07.2005, Bundessozialgericht
anselmf
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Beschluss in dem Rechtsstreit Az: B 1 KR 110/04 B Klägerin und Beschwerdeführerin, Prozessbevollmächtigte: gegen Deutsche Angestellten-Krankenkasse, Nagelsweg 27-31, 20097 Hamburg, Beklagte und Beschwerdegegnerin. Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat am 18. Juli 2005 durch den Präsidenten von W. sowie die Richter Dr. K. und Dr. H. beschlossen: Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landes- sozialgerichts Hamburg vom 14. Juli 2004 wird als unzulässig verworfen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. - 2 - Gründe: I [Abs 1] Die am 30. November 1995 geborene Klägerin ist mit ihrem Begehren, wegen idiopathischen Kleinwuchses ab 14. Juli 2004 von der Beklagten eine Therapie mit dem für diese Indikation nach deutschem Arzneimittelrecht nicht zugelassenen Arzneimittel Somatropin zu erhalten, in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat ua ausgeführt, die Voraussetzungen des Anspruchs aus § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und § 31 Abs 1 SGB V seien unter Berücksichtigung der Einschränkungen aus § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V und § 12 Abs 1 SGB V nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundes- sozialgerichts (, Urteil vom 19. März 2002, B 1 KR 37/00 R, BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8) nicht erfüllt. Es bleibe dahingestellt, ob und wann ein (idiopathischer) Klein- wuchs eine Krankheit iS von § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V sei. Von einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkran- kung könne der Senat nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung nicht ausgehen, zu- mal sich die Klägerin noch in vorpubertärem Alter befinde und ihr Wachstumsprozess nicht abgeschlossen sei. Selbst wenn man dies aber und zugleich unterstelle, dass eine andere The- rapie nicht verfügbar sei, könne jedenfalls von einem Konsens in den einschlägigen Fachkreisen über einen voraussichtlichen Nutzen des Arzneimittels nicht gesprochen werden (Urteil vom 14. Juli 2004). [Abs 2] Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG- Urteil. Sie macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz und Verfahrens- fehler geltend. II [Abs 3] Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 iVm § 169 Satz 3 Sozial- gerichtsgesetz (SGG) zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisions- zulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nr 1, 2 und 3 SGG. [Abs 4] 1. Soll die Revision nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechts- sache zugelassen werden, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung dargelegt werden (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Hierzu ist es nach der ständigen Rechtspre- chung des BSG erforderlich, eine Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen, dass sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt, und dass die Rechtsfrage klärungsbe- dürftig sowie klärungsfähig ist, dh sie im Falle der Zulassung der Revision entscheidungserheb- lich wäre (vgl Senat, Beschluss vom 28. Februar 2005, B 1 KR 6/04 B; BSG SozR 3-1500 - 3 - § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Wird ein Urteil - wie vorliegend - nebeneinander auf mehrere selbstständige Begründun- gen gestützt, so kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nur dann zur Zulassung der Revision führen, wenn im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund vorliegt und form- gerecht gerügt wird (vgl Senat, Beschluss vom 24. März 2005, B 1 KR 94/04 B; Senat, Be- schluss vom 16. Juni 1998, B 1 KR 5/98 B; BSG SozR 1500 § 160a Nr 38; Hennig, SGG, § 160a RdNr 207 mwN). Hieran fehlt es. Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen,weildergeltendgemachteAnspruchausmehrerenvoneinander unabhängigen Gründen nicht bestehe: Zum einen sei der idiopathische Kleinwuchs, soweit es sich überhaupt um eine Krankheit handele, jedenfalls keine schwerwiegende Krankheit. Zum anderen bestehe auf Grund der Datenlage nicht die begründete Aussicht, dass mit dem betroffenen Präparat ein Behandlungserfolg erzielt werden könne. Im Hinblick auf diese, die Entscheidung jeweils selbstständig tragenden Begründungen im LSG-Urteil hätte die Beschwerdefürbeide voneinanderunabhängigeBegründungsstränge Revisionszulassungsgründe behaupten und darlegen müssen. Daran fehlt es. [Abs 5] Bereits die Darlegungen der Beschwerde zum ersten Begründungsstrang reichen nicht hin. Die Beschwerde bezieht sich insoweit auf den Seiten 5 f und 9 f der Beschwerdebegründung auf mehrere Rechtsfragen, die unterschiedlich formuliert und (teilweise in den Fragestellungen selbst) mit weiterem tatsächlichen und rechtlichen Vorbringen untermauert werden. Diese Fra- gen werden schlussendlich auf Seite 16 sinngemäß und - den Darlegungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG entsprechend - hinreichend klar wie folgt zusammengefasst: [Abs 6] 1. Wann ist eine schwerwiegende, dh die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung anzunehmen? [Abs 7] 2. KönnenStudienergebnisse ausausländischen abgeschlossenen Zulassungsverfahren als ausreichende Erkenntnisse zum Nachweis dafür herangezogen werden, dass mit einem in Deutschland zulassungsüberschreitend angewandten Arzneimittel ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann bzw dass in Fachkreisen Konsens über den Einsatz des Arzneimittels für die konkrete streitige Indikation besteht? [Abs 8] Bezüglich dieser Fragen ist indessen nicht erkennbar, dass sie in dem angestrebten Revisions- verfahren klärungsfähig bzw entscheidungserheblich sein können. [Abs 9] Insoweit ist von Bedeutung, dass das LSG zu Frage 1. angenommen hat, dass eine die ge- nannten Ausmaße erreichende Krankheit bei der Klägerin nicht bestehe. Es hat sich dazu zum einen auf den Wachstumsprozess der Klägerin gestützt, die sich noch in einem vorpubertären Alter befinde, und zum anderen darauf, dass nach dem Eindruck, den der Senat in der münd- lichen Verhandlung von der Klägerin gewonnen habe, nicht festgestellt werden könne, dass sie - 4 - durch ihre Körpergröße in ihrer Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigt sei. Hinzuweisen ist weiter darauf, dass der Senat im Sandoglobulin®-Urteil (BSGE 89, 184 191 f = SozR 3-2500 § 31 Nr 8) den Ausgangspunkt des Vorliegens einer "schwerwiegenden" Erkrankung bereits dahin näher definiert hat, dass es um eine "lebensbedrohende oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende" Krankheit gehen muss. Die Beschwerde wirft in Ergänzung dieser Rechtsprechung letztlich nur die Frage auf, in welcher Weise die beschriebenen Merkmale weiter konkret auszufüllen sind. Dies wird daran deutlich, dass sie sich hierzu auf den Seiten 6 bis 9 ihrer Begründung ausführlich mit der besonderen Situation der Klägerin befasst und sich dazu auf das bei ihr bestehende Leiden (= Kleinwuchs im Kindesalter) bezieht. Es bestand vor dem aufgezeigten Hintergrund indessen sowohl Anlass, im Einzelnen darzulegen, dass es bei der aufgeworfenen Frage um eine Rechtsfrage von allgemeiner, über den Einzelfall der Klägerin und ihre spezifische Erkrankung hinausgehende Bedeutung geht, als auch die Notwendigkeit darauf einzugehen, dass hier nicht lediglich eine (mit Blick auf § 163 SGG) nur mit Verfahrensrügen angreifbare Tatfrage im Raum steht. Die Frage, ob das LSG den Sachverhalt zutreffend unter einen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits mit Auslegungshinweisen versehenen Rechtsbegriff subsumiert hat, ist regelmäßig kein im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beachtlicher Gesichtspunkt (vgl § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG). Zum anderen kann angesichts der Vielzahl der in der Medizin diskutierten Krankheitsbilder die Frage nach den Behandlungsmöglichkeiten und dem Behandlungsanspruch für ein einzelnes Leiden nicht in den Rang einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gehoben werden (vgl zB Beschlüsse des Senats vom 20. Juni 2004 - B 1 KR 1/03 B, vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 92/03 B und vom 21. Dezember 2004 - B 1 KR 11/03 B). Unter dem Blickwinkel, ob die Frage in einem Revisionsverfahren überhaupt klärungsfähig ist, hätte die Beschwerde vor allem darauf eingehen müssen, dass ein allgemeiner Bedarf bestehen soll und es überhaupt möglich ist, die im Sandoglobulin-Urteil aufgestellten Voraussetzungen für einen Off-Label-Use in Bezug auf das streitige Merkmal revisionsrechtlich weiter zu präzisieren. Hierzu hätte dargelegt werden müssen, dass eine genauere Konkretisierung der Merkmale unter Zuhilfenahme allgemein gültiger Kriterien unabhängig von den Verhältnissen im Zusammenhang mit einer einzelnen Krankheit in Betracht kommt. Daran fehlt es. [Abs 10] Soweit die Beschwerde mit ihrer zweiten Frage eine weitere Voraussetzung des Off-Label-Use im Falle der Klägerin für grundsätzlich bedeutsam hält, fehlt es an der Entscheidungserheblich- keit. Der Senat dürfte - wie dargelegt - in einem Revisionsverfahren schon nicht zu Grunde le- gen, dass hier das vorgreifliche Merkmal einer bestehenden schwerwiegenden Erkrankung er- füllt ist. [Abs 11] 2. Auch soweit sich die Beschwerde auf den Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG be- ruft und geltend macht, das LSG-Urteil sei vom Urteil des Senats vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 27/02 R (vorgesehen für BSGE und SozR) abgewichen, fehlt es an § 160a Abs 2 Satz 3 - 5 - SGG genügenden Darlegungen. Wer sich auf diesen Zulassungsgrund beruft, muss entschei- dungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einer höchstrichterlichen Entscheidung andererseits gegenüberstellen und begründen, weshalb diese miteinander unvereinbar seien (vgl Senat, Beschluss vom 27. Juni 2005, B 1 KR 43/04 B; Senat, Beschluss vom 28. Februar 2005, B 1 KR 10/04 B; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 160a RdNr 15, § 160 RdNr 10 ff mwN). Daran fehlt es. Die Beschwerde zitiert zwar Passagen aus dem Urteil des BSG, benennt aber keinen dazu konträren Rechtssatz des LSG-Urteils, aus dem sich die Notwendigkeit zur Herstellung von Rechtseinheit durch eine höchstrichterliche Entscheidung ergeben könnte. Während das BSG in der zitierten Entschei- dung sich mit Maßnahmen zur Behandlung einer Krankheit auseinander setzt, die so selten auftritt, dass ihre systematische Erforschung praktisch ausscheidet, geht das LSG-Urteil nicht von einem solchen Sachverhalt aus. Dies stellt indessen keine Divergenz iS eines bewussten Aufstellens abweichender Rechtssätze dar (vgl dazu BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26). [Abs 12] 3. Soweit die Beschwerde vorbringt, das LSG hätte bezüglich des Vorliegens einer schwerwie- genden Erkrankung sowie zum Bestehen ausreichender Kenntnisse aus Studien der Phase III über den Einsatz von Somatropin bei idiopathischem Kleinwuchs Beweis erheben müssen, legt sie einen Verfahrensfehler nicht in der gebotenen Weise dar. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird, auf dem die ange- fochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nach Halbsatz 2 der Regelung auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Insoweit fehlt es an der Bezugnahme auf einen berücksichtigungsfähigen Beweisantrag. Hierzu geht das BSG in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es jedenfalls rechtskundig vertre- tenen Beteiligten wie hier der rechtsanwaltlich vertretenen Klägerin obliegt, in der mündlichen Verhandlung alle diejenigen Anträge zur Niederschrift des Gerichts zu stellen, über die das Ge- richt entscheiden soll (vgl Senat, Beschluss vom 27. Juni 2005, B 1 KR 40/04 B mwN). Sinn der erneuten Antragstellung ist es, zum Schluss der mündlichen Verhandlung auch darzustellen, welche Anträge nach dem Ergebnis der für die Entscheidung maßgebenden mündlichen Ver- handlung noch abschließend gestellt werden, mit denen sich das LSG dann im Urteil befassen muss, wenn es ihnen nicht folgt. Dem genügt die Beschwerde mit ihrem Hinweis nicht, die Klä- gerin habe ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 14. Juli 2004 hilfsweise beantragt, Dr. A zur Kausalität zwischen Somatropin-Therapie und Wachstum zu vernehmen. Ungeachtet der Frage, ob damit eine bloße Beweisanregung oder tatsächlich ein Beweisantrag bezeichnet wird (vgl hierzu §§ 373, 404 Zivilprozessordnung iVm § 118 SGG und Senat, Beschluss vom 16. März 2005, B 1 KR 19/04 B; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9), bezeichnet die Beschwerde damit keinen Beweisantrag zum Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung oder zum Bestehen ausreichender Erkenntnisse. Der Hinweis auf frühere Äußerungen der Klägerin in Schriftsätzen für das Gericht genügt unter Berücksichtigung der Warnfunktion, die - wie dargelegt - der Antragswiederholung zukommen soll, gerade nicht. - 6 - [Abs 13] Soweit die Beschwerde mit dem Vortrag, die Klägerin habe nicht davon ausgehen müssen, dass das Gericht den mit Schriftsatz vom 11. Juli 2004 vorgelegten Urkunden keine Beachtung schenke, beabsichtigt haben sollte, die Gehörsrüge zu erheben, so ist diese ebenfalls nicht hin- reichend dargelegt. Die Beschwerde setzt sich insoweit nicht damit auseinander, dass das LSG-Urteil ausdrücklich auf Seite 7 im ersten Absatz der Entscheidungsgründe auf die überreichten Urkunden, das Schreiben der Fa. Lvom 9. Juli 2004, eingeht und den kanadischen Pädiater Prof. G zitiert hat, der nicht davon ausgehe, "dass gesunde Kleinwüchsige unterm Strich von der Therapie profitieren" würden. Im Kern geht es der Beschwerde auch an dieser Stelle um die Beweiswürdigung des LSG-Urteils. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 2. Halbsatz SGG kann die Beschwerde aber nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden. [Absatz 14] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, B 14 EG 6/98 B vom 28.01.1999, Bundessozialgericht
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Beschluß in dem Rechtsstreit Az: B 14 EG 6/98 B Klägerin und Beschwerdeführerin, Prozeßbevollmächtigter: gegen Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch das Landesversorgungsamt Nordrhein-Westfalen, Von-Vincke-Straße 23-25, 48143 Münster, Beklagter und Beschwerdegegner. Der 14. Senat des Bundessozialgerichts hat am 28. Januar 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. L. , die Richter Dr. U. und Dr. N. sowie den ehrenamtlichen Richter Dr. D. und die ehrenamtliche Richterin P. beschlossen: Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. April 1998 wird zurück- gewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. -2- Gründe: Die Klägerin begehrt rückwirkende Gewährung von Erziehungsgeld (Erzg) für ihre 1987 geborene Tochter. Sie lebte während der möglichen Bezugszeit des Erzg mit ihrer Familie in Belgien. Ein seinerzeit gestellter Antrag ist von dem Beklagten unter Hinweis auf ihren Wohnsitz durch bindenden Bescheid abgelehnt worden. Im Hinblick auf das Urteil des Eu- ropäischen Gerichtshofs in den Rechtssachen H und Z (C 245/94 und 312/94) machte die Klägerin im November 1996 erneut den Anspruch auf Erzg geltend; ihr stehe ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu, da sie einen Antrag auf Überprü- fung des bindenden Bescheides und auf Gewährung von Erzg innerhalb der Ausschluß- frist des § 44 Abs 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nur deshalb versäumt habe, weil der Beklagte bei der Bescheidung der von ihr anläßlich der Geburt weiterer Kinder in den Jahren 1990 und 1992 gestellten Anträge auf Erzg weiterhin seine unzutreffende Rechtsauffassung zugrunde gelegt und sie nicht darauf hingewiesen habe, daß die Frage der Erzg-Berechtigung von deutschen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union und einem Beschäftigungsverhältnis in Deutschland bereits Gegenstand eines Rechtsstreits vor dem Landessozialgericht (LSG) gewesen und von diesem anders beurteilt worden sei als von dem Beklagten. Aus diesem Fehlverhalten sei ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch erwachsen, der die Versäumung der Ausschlußfrist des § 44 Abs 4 SGB X heile. In den Vorinstanzen hatte die Klägerin keinen Erfolg. Das LSG hat die Revision nicht zugelassen. Mit der dagegen erhobenen Beschwerde macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeu- tung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ) und einen Verfah- rensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend. Die Frage, ob die Begrenzung einer rückwir- kenden Leistungsgewährung auf einen Zeitraum von vier Jahren in § 44 Abs 4 SGB X auch auf den der Klägerin hier zustehenden sozialrechtlichen Herstellungsanspruch an- zuwenden sei, sei in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht einheit- lich entschieden worden, was sich insbesondere aus den Urteilen des BSG in SozR 1300 § 44 Nr 18 einerseits sowie in SozR 1300 § 44 Nr 17 und BSGE 60, 158 andererseits er- gebe. Diese Rechtsfrage bedürfe weiterer Klärung. Außerdem habe das LSG das Recht der Klägerin auf Gehör verletzt, weil es das Vorbringen der Klägerin unberücksichtigt ge- lassen habe, daß dem Beklagten die europarechtliche Fragestellung rechtzeitig bekannt gewesen sei. Die Beschwerde der Klägerin ist unbegründet. Sie kann eine Zulassung der Revision we- der wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) noch wegen des Vorliegens eines Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) begründen. Die Revision kann wegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur zugelassen werden, wenn die zu entscheidende Rechtsfrage klärungsbedürftig und klärungsfähig ist. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nicht unmittelbar und ohne weiteres aus -3- dem Gesetz beantworten läßt und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht entschieden worden ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8). Klärungsfähig ist die Rechts- frage nur, wenn sie im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das BSG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß die Anwendung des sozial- rechtlichen Herstellungsanspruchs dann nicht in Betracht kommt, wenn das fehlerhafte Handeln der Verwaltung (nur) in einer falschen Sachentscheidung liegt und sich die Fol- gen darin erschöpfen. Denn für das in richterlicher Rechtsfortbildung entwickelte Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist nur dort Raum, wo es an gesetzlichen Regelungen fehlt (vgl zuletzt Bundesverwaltungsgericht, NJW 1997, 2966). Dies ist hinsichtlich der Behandlung rechtswidriger Verwaltungsakte nicht der Fall. Hier hat der Gesetzgeber dem Betroffenen zunächst das Recht eingeräumt, die im SGG vor- gesehenen Rechtsbehelfe einzulegen (Widerspruch, Klage, Berufung usw). Ist ein derar- tiger Bescheid bestandskräftig geworden (vgl § 77 SGG), besteht die Möglichkeit eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X. Damit ist die Korrektur von Verwaltungsentschei- dungen, welche die Rechte eines Betroffenen verletzen, grundsätzlich abschließend ge- regelt (so die neueste Rechtsprechung des BSG im Anschluß an: BSGE 60, 158, 164 ff = SozR 1300 § 44 Nr 23, vgl Urteil des 13. Senats vom 30. Oktober 1997 - 13 RJ 71/96 = SGb 1998, 110 sowie Urteil des 5. Senats vom 18. Juni 1997 - 5 RJ 36/96 = NZS 1998, 247, beide zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Allerdings hat die Rechtsprechung des BSG einen Herstellungsanspruch dann für möglich gehalten, wenn sich der Nachteil des Betroffenen nicht in der Versagung der Leistung durch einen bindend gewordenen Bescheid erschöpft, sondern darauf beruht, daß der Betroffene im Vertrauen auf die Richtigkeit der dem Bescheid zugrundeliegenden Rechts- auffassung andere, ihm günstige Maßnahmen unterlassen hat (BSG SozR 1300 § 44 Nr 18), insbesondere eine anderweitige rechtzeitige Antragstellung. Insoweit ist der Vor- trag der Klägerin nachvollziehbar, daß die ebenfalls unrichtigen späteren Bescheide über das Erzg für die weiteren Kinder von 1990 und 1992 als solche zwar nach § 44 SGB X korrigierbar waren und insoweit, als es um die Leistungsversagung in diesen beiden Fäl- len ging, die Anwendung des Herstellungsanspruchs ausschlossen, nicht aber insoweit, als der erste, hier streitige Fall betroffen ist, für den als Fehlverhalten der Verwaltung nicht nur die falsche Bescheiderteilung an sich, sondern eine Bestätigung der falschen Rechts- auffassung in den nachfolgenden Bescheiden sowie eine unterbliebene Aufklärung über die anderweitig anhängigen Verfahren geltend gemacht wird, was zur Versäumung der Frist des § 44 Abs 4 SGB X geführt habe. Auch wenn die Klägerin im Wege des Herstellungsanspruchs so gestellt werden müßte, daß ihr erst 1996 gestellter "Zugunstenantrag" bereits als 1992 gestellt gilt, führt dies je- doch nicht dazu, daß ihr Leistungen rückwirkend ab 1988 zu gewähren wären. Denn es ist -4- - wie das BSG bereits geklärt hat (vgl BSGE 60, 245) - auf den Herstellungsanspruch die eine rückwirkende Leistungsverpflichtung begrenzende Vorschrift des § 44 Abs 4 SGB X entsprechend anwendbar, so daß hier eine nachträgliche Leistung für die Zeit vor 1992 nicht mehr in Betracht kommt. Auch wenn der Fall einer Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist des § 44 Abs 4 SGB X im Wege des Herstellungsanspruchs (vgl dazu Ladage, Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, 1990, 87, 92) in der Rechtspre- chung des BSG noch nicht entschieden worden ist, bedarf es nicht der Durchführung ei- nes Revisionsverfahrens in dieser Sache. Die Entscheidung läßt sich ohne weiteres an- hand der bisherigen Rechtsprechung treffen, die § 44 Abs 4 SGB X als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens bezeichnet hat, der eine mehr als vier Jahre zurückrei- chende Leistungserbringung ausschließt (BSGE 60, 245). Der von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensfehler der Verletzung des rechtlichen Gehörs kann nicht zur Zulassung der Revision führen, weil er - als gegeben unterstellt - in der Sache nicht zum Erfolg führen könnte. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, B 11a AL 11/07 B vom 23.01.2007, Bundessozialgericht
anselmf
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Beschluss in dem Rechtsstreit Az: B 11a AL 11/07 B L 3 AL 2271/04 (LSG Baden-Württemberg) S 5 AL 2169/98 (SG Konstanz) ....................................................., Klägerin und Beschwerdeführerin, Prozessbevollmächtigter: ............................................................, g e g e n Bundesagentur für Arbeit, Regensburger Straße 104, 90478 Nürnberg, Beklagte und Beschwerdegegnerin. Der 11a. Senat des Bundessozialgerichts hat am 21. August 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. W.-S. sowie den Richter Dr. V. und die Richterin Dr. R. beschlossen: Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landes- sozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. Dezember 2006 wird als unzulässig verworfen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. - 2 - G r ü n d e : [1] Die ausschließlich auf Verfahrensfehler des Landessozialgerichts (LSG) gestützte Beschwerde ist unzulässig, da ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialge- richtsgesetz (SGG) entspricht. [2] Nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG muss in der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde ein geltend gemachter Verfahrensmangel bezeichnet werden. Eine ordnungsgemäße Bezeichnung setzt voraus, dass die verletzte Verfahrensnorm und die eine Verletzung vermeintlich begrün- denden Tatsachen substantiiert und schlüssig dargelegt werden (stRspr, ua BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 und SozR 3-1500 § 73 Nr 10). Eine solche Darlegung ist der von der Beschwer- deführerin vorgelegten Begründung nicht zu entnehmen. [3] Die Beschwerdeführerin rügt in ihrer Beschwerdebegründung vom 23. Januar 2007, das LSG habe das rechtliche Gehör (§ 62 SGG) dadurch verletzt, dass es am 13. Dezember 2006 ent- schieden habe, obwohl sie mit Schreiben vom 12. Dezember 2006 die Aufhebung des Termins und eine Verschiebung um sechs Wochen beantragt habe. Es kann dahinstehen, ob in der Be- schwerdebegründung überhaupt hinreichende Gründe für eine Terminverlegung wegen Ver- hinderung dargelegt werden. Ein erheblicher Grund für eine Terminverlegung liegt grundsätzlich nur bei einer plötzlichen Verhinderung vor (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 8. Aufl 2005, § 62 Rz 6d mwN). Zweifel an der Plötzlichkeit der Verhinderung, die durch die Beschwer- debegründung nicht beseitigt werden, ergeben sich insbesondere aus der Art der behaupteten Umstände. [4] Abgesehen davon, dass die Beschwerdebegründung den Verfahrensgang in der Vorinstanz nicht lückenlos nachgezeichnet hat (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 62), fehlt es jedenfalls an einem schlüssigen Vortrag zu der Frage, in welcher Weise der Vertagungsgrund durch die Klägerin glaubhaft gemacht worden ist. Nach dem gemäß § 202 SGG auch im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit anwendbaren § 227 Abs 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder vertagt werden. Die Entscheidung liegt im Ermessen des Vorsitzenden bzw des Gerichts, doch hat das Gesetz Maßnahmen dieser Art zur Straffung des Verfahrens an erhebliche Gründe geknüpft, die nach § 227 Abs 2 ZPO auf Verlangen des Vorsitzenden bzw des Gerichts glaubhaft zu machen sind. Die Klägerin macht zwar geltend, dass sowohl sie als auch ihre Bevollmächtigten erkrankt bzw aus pflegerischen Gründen an einer Terminwahrnehmung verhindert gewesen seien. In der Beschwerde- begründung wird jedoch nicht dargelegt, dass sie der Anforderung des Gerichts (vom 8. Dezember 2006), ihre Verhinderung und die Verhinderung ihrer Bevollmächtigten durch Vor- lage entsprechender Belege (Arztbescheinigung etc) glaubhaft zu machen, nachgekommen sei. Es ist lediglich vorgetragen worden, es sei eine ärztliche Bescheinigung hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeit des Ehemanns der Klägerin sowie dessen Schwerbehindertenausweis vor- - 3 - gelegt worden. In der Beschwerdebegründung wird jedoch nicht aufgezeigt, dass ein derartiger Nachweis hinsichtlich der Klägerin und der weiteren Prozessbevollmächtigten C Z ge- führt worden ist. Soweit sich in der Beschwerdebegründung die Behauptung findet, es seien für C Z diesbezüglich "Auskünfte" vorgelegt worden, ergibt sich jedenfalls nicht nachvoll- ziehbar, welchen genauen Inhalt die angeblichen Auskünfte gehabt haben sollen. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um darzulegen, dass ein erheblicher Grund tatsächlich glaubhaft gemacht worden ist. Denn die Erkrankung bzw sonstige Verhinderung muss sich schlüssig aus der vorgelegten Bescheinigung ergeben; die Bescheinigung muss so substantiiert sein, dass das Gericht auf ihrer Grundlage in der Lage ist, die Frage der behaupteten Verhinderung selbst zu beurteilen (vgl BFH, Beschluss vom 17. Mai 2000 - IV B 86/99 - BFH/NV 2000, 1353; BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2001 - 8 B 69/01 - NJW 2001, 2735 mwN). Die erforderlichen Darlegungen wären im Übrigen ausweislich des Inhalts der vorgelegten Berufungsakte auch nicht möglich gewesen, denn nach dem Inhalt der Berufungsakte sind entsprechende Auskünfte für die Klägerin und die Bevollmächtigte C Z nicht beigebracht, sondern nur deren Einholung als Beweismittel angeregt worden. [5] Die unzulässige Beschwerde ist zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 2, § 169 SGG). [6] Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, 9 RV 24/94 vom 11.10.1994, Bundessozialgericht
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Das Folgende ist zunächst ein Auszug aus der Entscheidung vom 12.03.1996 über den Prozesskostenhifeantrag im Hauptverfahren. Zur Entscheidung vom 18.06.1996 im Hauptverfahren siehe unten.
Prozesskostenhilfe ist nicht zu bewilligen, weil der Kl. nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage ist, die Kosten der Prozeßführung aus seinem Vermögen aufzubringen (§ 73 a I 1 SGG iVm §§ 114, 115 II ZPO). Zum Vermögen eines Antragstellers gehören Ansprüche gegen eine Rechtsschutzversicherung (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, § 73 a Rz 6 a) und ebenso ein satzungsgemäßer Anspruch auf kostenlosen Rechtsschutz durch eine Gewerkschaft oder einen Verband (Henning/Danckwerts/König, SGG, Stand 1993, § 73 a Anm 5.3). Da Prozeßkostenhilfe eine besondere Art der Sozialhilfe auf dem Gebiet gerichtlichen Rechtsschutzes ist (BverfGE 9, 256, 258; 35, 348, 355), ist ein Antragsteller wegen des für Sozialhilfe und Prozeßkostenhilfe gleichermaßen geltenden Subsidiaritätsprinzips verpflichtet, die dem Justizfiskus durch Prozesskostenhilfe entstehenden Ausgaben gering zu halten. Ein Gewerkschafts- oder Verbandsmitglied muss deshalb zunächst seine satzungsgemäßen Rechte auf kostenlose Prozeßvertretung ausschöpfen und erwirbt einen Anspruch auf Prozeßkostenhilfe erst, wenn die Gewerkschaft oder der Verband keinen Rechtsschutz gewährt. Die Lage eines solchen Mitglieds ist nicht anders als die eines rechtsschutzversicherten Antragstellers, dem Prozesskostenhilfe erst gewährt wird, wenn er seinen Anspruch gegen die Rechtsschutzversicherung evtl bis zu einem Stichentscheid nach § 17 II der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) vergeblich verfolgt hat. (BGH, Betriebsberater 1987, 1845; Baumbach/Lauterbach, ZPO. 53. Aufl 1995 § 114 Rz 67; Rohwer/Kahlmann, SGG, Stand 1995, § 73 a Rz 3). Die Lage eines Verbands- oder Gewerkschaftsmitglieds unterscheidet sich allerdings von der eines rechtsschutzversicherten Antragstellers, wenn die jeweilige Organisation Rechtsschutz im Einzelfall gewährt: Der Versicherungsnehmer kann dann einen Rechtsanwalt seines Vertrauens wählen, dessen Kosten die Versicherung übernimmt. Der Verband oder die Gewerkschaft dagegen gewährt Rechtsschutz durch einen ihrer Angestellten als „Sachleistung“. Hat der Antragsteller zu dem ihm vom Verband oder der Gewerkschaft gestellten Vertreter kein Vertrauen, so kann es ihm unzumutbar sein, sich bei der Prozessführung durch diesen Angestellten vertreten zu lassen. Dafür reicht allerdings die bloße Behauptung fehlender oder – im Laufe der Vertretung – gestörten Vertrauens nicht aus. Ebenso wie beim Wechsel eines frei gewählten und im Rahmen der Prozeßkostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts sind berechtigte sachliche oder persönliche Gründe erforderlich (vgl dazu Kalthoener/Büttner, Prozeßkostenhilfe und Beratungshilfe, 1988, Rz 569; LSG NRW, ZAP EN-Nr 154/92; zu § 167 SGG aF: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 252 r, Dapperich, Das sozialgerichtliche Verfahren, 1959, 209; BSG, Ausschuß für Verfahrensfragen, Niederschrift vom 6.2.1957, Punkt 1 – unveröffentlicht - ). Solche triftigen Gründe hat der Kl. nicht vorgebracht. Die von ihm geschilderten Eindrücke und Erfahrungen aus einem anderen Rechtsstreit, in dem er von einem Rechtsschutzsekretär seiner Gewerkschaft vertreten war, lassen zwar seine Unzufriedenheit mit dessen Tätigkeit erkennen, reichen nach Art und Gewicht aber nicht aus, um das Vertrauensverhältnis als allgemein und damit auch für diesen Fall gestört anzusehen. Das gilt um so mehr, als der Kl. im Revisionsverfahren voraussichtlich von einem Mitglied der bisher nicht eingeschalteten Bundesrechtsstelle seiner Gewerkschaft vertreten werden würde. Ein Anspruch des Kl. auf Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der von ihm ausgewählten und bevollmächtigten Rechtsanwältin läßt sich (entgegen Meyer-Ladewig, aao, Rz 4) auch nicht daraus herleiten, daß § 73 a II SGG nach seinem Wortlaut die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe verbietet, wenn der Bet. durch einen Angestellten seines Verbands oder seiner Gewerkschaft tatsächlich vertreten ist, nicht nur, wenn er sich vertreten lassen kann, wie § 11 a Arbeitsgerichtsgesetz bestimmt. Aus der unterschiedlichen Formulierung der Gesetze läßt sich nicht herleiten, daß das Recht auf Prozeßkostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren weiter geht als im arbeitsgerichtlichen Verfahren (so aber Meyer-Ladewig, aaO, Rz 4). Für eine unterschiedliche Regelung gibt es keinen sachlichen Grund (so zutreffend Zeihe, SGG, Stand 1994, § 73 a Rz 11 a). § 73 a II SGG ist deshalb nur als klarstellendes Verbot zu verstehen, dem mittellosen Bet. zusätzlich zu einem bereits bevollmächtigten Verbands- oder Gewerkschaftsvertreter im Wege der Prozeßkostenhilfe noch einen Anwalt beizuordnen. Die Vorschrift besagt jedoch nichts darüber, was gilt, wenn ein Verbandsvertreter noch nicht bevollmächtigt ist, aber in Anspruch genommen werden kann. Hätte das mittellose Gewerkschaftsmitglied die Wahl zwischen kostenlosem gewerkschaftlichen Rechtsschutz und der Beiordnung eines frei gewählten Rechtsanwalts (so Meyer-Ladewig, aaO, Rz 4; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, 203), so stände es besser als ein Bet., der über genügend Mittel zur Prozeßführung durch einen Rechtsanwalt verfügt. Dieser Bet. würde in aller Regel verständigerweise aus wirtschaftlichen Gründen das Kostenrisiko meiden und sich regelmäßig für kostenlosen Rechtsschutz durch einen Verbandsvertreter entscheiden. Es besteht deshalb kein Grund, dem finanziell minderbemittelten Bet. aus staatlichen Mitteln die Wahlfreiheit zu finanzieren, die der bemittelte Bet. verständigerweise nicht in Anspruch nimmt. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, daß ein mittelloses Gewerkschaftsmitglied mit Anspruch auf kostenlosen Rechtsschutz durch seine Organisation anders behandelt wird, als ein mittelloser Antragsteller, der nicht organisiert ist. Ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art 3 I Grundgesetz (GG) liegt darin nicht. Art 3 I GG verlangt iVm dem Rechtsstaatsprinzip lediglich die Situation bemittelter und Unbemittelter bei der Realisierung gerichtlichen Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen (vgl BverfGE 81, 347, 356, NJW 1995, 1415). Darum geht es hier nicht. wer Anspruch auf kostenlosen Rechtsschutz durch seine Organisation hat, ist nicht mittellos. Er ist bereits in jener Lage, in die Prozeßkostenhilfe den Unbemittelten erst versetzen soll: Er kann sein Recht vor Gericht suchen, ohne daran aus wirtschaftlichen Gründen gehindert zu sein. Dafür macht es keinen Unterschied, ob ihn ein Angestellter seiner Organisation oder ein Rechtsanwalt vertritt. Gerichtlicher Rechtsschutz ist auf dem Gebiet des Sozialrechts bereits bei Vertretung durch eine Behörde gewährleistet (BverfGE 22, 349, 358) und erst recht bei Vertretung durch Verbands- oder Gewerkschaftsangestellte, denen der Gesetzgeber in § 166 II SGG Rechtsanwälte gleichgestellt hat. Das Recht, unter letzteren zu wählen (§ 121 I ZPO), hat nur, wer überhaupt Anspruch auf Prozeßkostenhilfe hat. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die prozeßkostenhilferechtliche Sonderstellung mittelloser Gewerkschafts- und Verbandsmitglieder mit Anspruch auf kostenlosen Rechtsschutz gegen ihre Organisation lassen sich auch nicht aus Art 9 I und III GG herleiten. Durch den regelmäßigen Ausschluß vom Anspruch auf Prozesskostenhilfe wird weder die kollektive Vertragsfreiheit noch die Tätigkeit der Gewerkschaft (vgl BverfGE 88, 5, 15) noch die Entscheidungsfreiheit des einzelnen, einem Verband oder einer Gewerkschaft beizutreten, ernsthaft beeinträchtigt. Es kann zwar unterstellt werden, daß der einem Organisierten regelmäßig drohende Verlust einer aus öffentlichen Mitteln finanzierten Prozeßkostenhilfe die Entscheidungsfreiheit Mittelloser darüber beeinflußt, einer Gewerkschaft oder einem Verband wegen des dort gebotenen Rechtsschutzes beizutreten. Diese allenfalls geringfügigen Auswirkungen sind aber in Abwägung mit dem Ziel hinzunehmen, Prozeßkostenhilfe nur demjenigen zu gewähren, der sonst aus wirtschaftlichen Gründen gehindert wäre, gerichtliche Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil in dem Rechtsstreit Az: 9 RV 24/94 Kläger und Revisionsbeklagter, Prozeßbevollmächtigte: gegen Land Sachsen-Anhalt, vertreten durch den Präsidenten des Landesamtes für Versorgung und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt, Halle, Neustädter Passage 9, Beklagter und Revisionskläger. Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juni 1996 durch Vorsitzenden Richter Dr. S., Richter Dr. K. und Richter D a u sowie ehrenamtliche Richterin K. und ehrenamtlichen Richter B. für Recht erkannt: Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 11. Oktober 1994 wird zurückgewiesen. - 2 - Der Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. - 3 - Gründe: I Der damals neun Jahre alte Kläger fand am 1. Juni 1950 beim Spielen auf dem Gelände einer ehemaligen Munitions- und Sprengstoffabrik in R. (S -A.) einen Sprengkörper. Bei dessen Explosion verlor der Kläger Daumen, Zeige- und Mittelfinger der linken Hand sowie einen Teil der Handfläche. Der Beklagte lehnte es ab, dem Kläger auf dessen Antrag vom 4. Juni 1992 Versorgung zu gewähren, weil der Unfall weder auf nachträgliche Auswirkungen kriegerischer Vorgänge noch auf Handeln der Besatzungsmacht zurückzuführen sei. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 1. November 1993). Das Landessozialgericht (LSG) hat den Beklagten verurteilt, ab 1. Januar 1991 Versorgung nach einer rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zu gewähren (Urteil vom 11. Oktober 1994). Bei der Explosion des Sprengkörpers habe es sich um einen schädigenden Vorgang infolge einer besonderen Gefahr aus der militärischen Besetzung deutschen Gebietes gehandelt. Die sowjetische Besatzungsmacht habe das Fabrikgelände beschlagnahmt, um die Anlagen zu demontieren und anschließend die Gebäude zu sprengen, ohne das 320 ha große Grundstück, dessen Umzäunung von der Bevölkerung für eigene Zwecke abgebaut war, bis zur Übergabe an das Land Sachsen-Anhalt im März 1949 gegen Betreten durch spielende Kinder zu sichern oder die dort lagernden Sprengstoffe zu räumen. Einer weiteren Vernachlässigung dieser Pflichten durch das Land Sachsen-Anhalt bis zum Unfall im Jahre 1950 komme gegenüber dem unmittelbaren Besatzungseinfluß geringeres Gewicht zu. Der Beklagte macht mit seiner - vom LSG zugelassenen - Revision geltend, das LSG habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt und §1 Abs 1 Buchst d Bundesversorgungsgesetz (BVG) verletzt. Die unterlassene Sicherung des Fabrik- geländes sei allein dem Land Sachsen-Anhalt zuzurechnen. Nach der Rechtsprechung (BSGE 20, 114, 115) seien Gefahrenzustände nicht mehr der Besatzungsmacht, sondern ab Aufgabenübertragung auf eine in Mindestform und -umfang funktionsfähige Zivilverwaltung dieser zuzurechnen. Das LSG habe im übrigen verkannt, daß nach der Rechtsprechung (BSGE 2, 99, 101, 102) nicht jede mit der Besatzung ursächlich zusammenhängende Gefahr unter § 5 Abs 1 Buchst d BVG falle. Nur "besatzungseigentümliche" Gefahren seien gemeint. Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht sei hier aber nicht besatzungseigentümlich. - 4 - Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 11. Oktober 1994 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau vom 1. November 1993 zurückzuweisen. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. II Die Revision ist unbegründet. Der Kläger ist durch unmittelbare Kriegseinwirkung geschädigt worden; er hat wegen der Folgen dieser Schädigung Anspruch auf Versorgung. Leistungen sind nach Anl I Kap VIII Sachgebiet K Abschn III Maßgabe 1 i zum Einigungsvertrag ab 1. Januar 1991 zu gewähren, weil die Voraussetzungen zu diesem Zeitpunkt vorgelegen haben und der Antrag vor dem 1. Januar 1994 gestellt worden ist. Das LSG hat zwischen dem Verhalten der sowjetischen Besatzungsmacht und der Schädigung des Klägers zu Recht einen versorgungsrechtlich erheblichen Zusam- menhang hergestellt. Die dagegen gerichteten Angriffe des Klägers bleiben ohne Erfolg. Zwar trifft der Einwand des Beklagten zu, daß das Verhalten der Besatzungsmacht, entgegen den Ausführungen des LSG, nicht deshalb als unmittelbare Kriegseinwirkung gilt, weil es eine mit der militärischen Besetzung deutschen Gebietes zusammenhängende besondere Gefahr iS des § 5 Abs 1 Buchst d BVG hervorgerufen hätte. Denn dazu zählen nicht alle mit der militärischen Besetzung verbundenen Gefahren, sondern aus diesem Kreis nur solche, die für die besonderen Verhältnisse der militärischen Besetzung typisch sind (BSGE 12, 13, 15). Nicht besetzungseigentümlich und deshalb vom Versorgungsschutz ausgenommen sind schädigende Vorgänge, die ihrer Art nach ebenso hätten eintreten können, wenn sie durch Maßnahmen oder Unterlassungen der deutschen Verwaltung statt durch die Besatzungsmacht verursacht worden wären (BSGE 17, 225, 229 = SozR BVG § 1 Nr 62). Ein solcher Fall liegt hier vor. Das Gebot, das munitionsverseuchte Fabrikgrundstück gegen Betreten durch spielende Kinder zu sichern, wurde sowohl von der sowjetischen Besatzungsmacht während der Zeit der Beschlagnahme, als auch anschließend nach Übertragung des Eigentums im März 1949 von der Verwaltung des Landes Sachsen-Anhalt verletzt. Diese Verletzung der Verkehrssicherungspflicht war mithin nicht besetzungseigentümlich. - 5 - Gleichwohl hat der Kläger Anspruch auf Versorgung wegen der Verletzungsfolgen. Denn versorgungsrechtlich geschützt ist auch, wer einen nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu ersetzenden Besatzungspersonenschaden zu einem Zeitpunkt erleidet, zu dem eine Regelung für die Entschädigung von Besatzungsschäden noch nicht vorhanden war. Das Versorgungsrecht schließt diese zivilrechtliche Anspruchslücke, indem es Schäden, die durch Angehörige der Besatzungsmacht verursacht worden sind, zu nachträglichen Auswirkungen kriegerischer Vorgänge erklärt (§ 5 Abs 2 Buchst a BVG), die ihrerseits als unmittelbare Kriegseinwirkung iS des § 1 Abs 2 Buchst a BVG gelten (§ 5 Abs 1 Buchst e BVG). In den westlichen Besatzungszonen bestand diese Lücke nur bis zum 31. Juli 1945. Denn für Besatzungsschäden, die vom 1. August 1945 an verursacht worden sind, galt das Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden vom 1. Dezember 1955 (BGBl I, 734; vgl dessen § 2). In der DDR wurde eine Entschädigungsregelung für Besatzungspersonenschäden erst eingeführt durch das Abkommen vom 11. April 1957 zwischen der Regierung der DDR und der Regierung der UdSSR über Fragen, die mit der zeitweiligen Stationierung sowjetischer Streitkräfte auf dem Territorium der DDR zusammenhängen (GBl I 237). Dieses Abkommen ist nach seinem Art 21 Satz 2 am 27. April 1957 in Kraft getreten (GBl I 285). Bis dahin eingetretene Schädigungen durch Angehörige der sowjetischen Streitkräfte stehen in engem Zusammenhang mit Krieg und Besatzung und fallen deshalb unter §5 Abs 2 Buchst a BVG. Das entspricht auch der Auffassung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (vgl dessen Rundschreiben vom 10. Juni 1991, BArbBl 1991, 9/108). Die sowjetischen Truppen waren bis dahin als Streit- kräfte einer Besatzungsmacht iS des § 5 Abs 2 Buchst a BVG in der DDR stationiert. Der Senat hat die sowjetische Besatzungsherrschaft in einer früheren Entscheidung zwar bereits durch den Vertrag vom 20. September 1955 über die Beziehungen zwischen der DDR und der UdSSR, in Kraft getreten am 6. Oktober 1955 (GBl I 917), für beendet gehalten und deshalb Versorgungsansprüche nach § 5 Abs 2 Buchst a BVG wegen eines erst 1965 durch sowjetische Soldaten in der DDR verursachten Verkehrsunfalls ausgeschlossen (BSGE 59, 94, 97 = SozR 3100 § 5 Nr 9). Maßgeblich hat der Senat aber schon damals darauf abgestellt, daß die sowjetischen Truppen in der DDR ihre Stellung und ihre Befugnisse als Besatzungsmacht durch die Bestimmungen des Vertrages vom 11. April 1957 endgültig verloren haben. Die Verletzung des Klägers am 1. Juni 1950 ist nach den Feststellungen des LSG eine Schädigung iS des § 5 Abs 2 Buchst a iVm Abs 1 Buchst e BVG. Daß das LSG diese Feststellungen im Zusammenhang mit der Erörterung des § 5 Abs 1 Buchst d BVG getroffen hat, steht nicht entgegen. Der Schaden ist durch Angehörige der sowjetischen Besatzungsmacht in der DDR verursacht worden. Deren Verhalten war für den Unfall - 6 - wesentliche Bedingung iS der auch hier geltenden versorgungsrechtlichen Kausalitätsnorm (BSG SozR BVG § 5 Nr 35). Das LSG hat unangegriffen festgestellt, daß der Unfall des Klägers im vorgenannten Sinne nicht auf dessen eigenes Verhalten oder das Verhalten seiner Eltern zurückzuführen war, sondern auf eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Dabei hat es der Pflichtverletzung durch das Land Sachsen-Anhalt nur untergeordnete Bedeutung beigemessen und den Unfall des Klägers wesentlich auf die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die sowjetische Besatzungsmacht in den Jahren 1945 bis 1949 zurückgeführt. Bei dieser Bewertung sind Rechtsfehler nicht zu erkennen. Seit März 1949 war zwar das Land Sachsen-Anhalt als Eigentümer und Eigenbesitzer für den verkehrssicheren Zustand des Grundstücks verantwortlich. Damit endete aber nicht die Verantwortlichkeit der sowjetischen Besatzungsmacht als früherer Eigenbesitzer. Grundsätzlich trifft die Zustandsveranwortlichkeit für Grundstücke den gegenwärtigen Eigenbesitzer. Davon ist in sinnentsprechender Anwendung der für den Einsturz von Gebäuden getroffenen Regelung des § 836 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aber eine Ausnahme zu machen (vgl Mertens in Münchner Komm, 2. Aufl 1986, § 823 Rz 192). Der frühere Eigenbesitzer bleibt jedenfalls übergangsweise verantwortlich, wenn er die von dem Grundstück ausgehende Gefahr durch vorangegangenes Handeln oder Unterlassen begründet hat. Die Übergangszeit kann auch angesichts der Nachkriegsverhältnisse nicht auf ein Jahr beschränkt werden, wie das § 836 Abs 2 BGB vorsieht. Die sowjetische Besatzungsmacht hatte es hingenommen, daß in den Jahren ab 1945 die Umzäunung des von ihr beschlagnahmten Fabrikgeländes von der Bevölkerung abgebaut und damit das vorher gesicherte Grundstück zu einer Gefahrenquelle für spielende Kinder geworden war. Die Umzäunung wurde bis zum März 1949 weder erneuert oder repariert noch wurde die massenhaft herumliegende Munition geräumt. Im März 1949 hat sich die Besatzungsmacht dann des heruntergekommenen, munitionsverseuchten Grundstücks zu Lasten einer Gebietskörperschaft entledigt, die unter den Mangelverhältnissen der Nachkriegszeit mit Aufgaben überlastet war und schwerlich in kurzer Zeit das nachholen konnte, was jahrelang versäumt worden war und den gefährlichen Zustand des Grundstücks begründet hatte. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, 9b RAr 7/90 vom 06.03.1991, Bundessozialgericht
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BUNDESSOZIALGERICHT
Im Namen des Volkes Urteil in dem Rechtsstreit Az: 9b RAr 7/90 Klägerin und Revisionsbeklagte, Prozeßbevollmächtigte: gegen Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg, Regensburger Straße 104, Beklagte und Revisionsklägerin. Der 9b Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. März 1991 durch Vorsitzenden Richter Dr. S., Richter Dr. W. und Richter Dr. L. sowie ehrenamtliche Richterin Dr. N. und ehrenamtlichen Richter R. für Recht erkannt: - 2 - Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Februar 1990 und des Sozialgerichts Koblenz vom 28. April 1989 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. - 3 - Gründe: I Die Klägerin, geprüfte Krankenschwester, erhielt von der Beklagten für die Teilnahme an einer Weiterbildung zur Unterrichtsschwester (Lehrkraft an Krankenpflegeschulen) von Oktober 1982 bis September 1983 ua Unterhaltsgeld (Uhg) als Darlehen (Bescheid vom 21. oder 25. Oktober 1982). Mit Schreiben vom 19. September 1983 beantragte die Klägerin die Gewährung des Uhg als Zuschuß statt als Darlehen, weil der Beruf der Unterrichtsschwester nach einem Runderlaß der Beklagten als Mangelberuf anerkannt sei. Die Beklagte lehnte eine Überprüfung ihrer rechtsverbindlichen Entscheidung ab (Bescheid vom 23. Januar 1985, Widerspruchsbescheid vom 11. März 1985) und forderte die Klägerin zur Rückzahlung des Darlehens in Raten auf (Bescheid vom 25. Januar 1985). Auf einen im April 1988 erneut gestellten, auf Rechtsprechung gestützten Antrag, das Darlehen in einen Zuschuß umzuwandeln, verweigerte das Arbeitsamt wiederum eine neue Sachprüfung nach § 44 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren -SGB X- (Bescheid vom 1. Juli 1988); im Widerspruchsbescheid vom 28. September 1988 wurde die Gewährung eines Darlehens als rechtmäßig bestätigt. Das Sozialgericht (SG) hat die an- gefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, über den Antrag der Klägerin auf Änderung des Bescheides vom 25. Oktober 1982 über das gewährte Uhg unter Rücknahme der Bescheide vom 23. Januar 1985 und 11. März 1985 gemäß der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (Urteil vom 21. April 1989). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 16. Februar 1990). Nach seiner mit dem SG übereinstimmenden Rechtsauffassung hat die Beklagte eine Überprüfung der Verwaltungsakte und die Gewährung des Uhg als Darlehen zu Unrecht abgelehnt. Sie müsse den 1982 erlassenen Bescheid insoweit, als er die Leistung als Zuschuß versagt hat, und die Ablehnung eines neuen Verfahrens (1985) als unrichtig zurücknehmen (§ 44 SGB X iVm § 152 Arbeitsförde- rungsgesetz -AFG-); denn die Fortbildung der Klägerin sei deshalb notwendig gewesen, weil der angestrebte Beruf einer Lehrschwester nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und nach der Rechtsprechung bundesweit ein Mangelberuf sei (§ 44 Abs 2 Satz 2 Nr 4 AFG). § 44 Abs 1 SGB X sei nicht anzuwenden; denn die Klägerin habe die Sozialleistung Uhg bereits erhalten. Deshalb scheide auch der allein auf Abs 1 bezogene Abs 4 aus, wonach nach der Rücknahme neue Leistungen nicht für länger als vier Jahre rückwirkend gewährt werden dürfen. Soweit die Klägerin das Darlehen noch nicht zurückgezahlt habe, sei sie nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X davon für die Zukunft befreit. Soweit sie Teilleistungen von insgesamt 7.410,-- DM erstattet habe, müsse die Beklagte nach § 44 Abs 2 Satz 2 SGB X für die Vergangenheit ihr Rücknahmeermessen ausüben. In Höhe des nach dem Antrag vom April 1988 zurückgezahlten Gesamtbetrages von 3.040,-- DM - 4 - bleibe keine andere Entscheidung offen, als den Anspruch über den Darlehenscharakter des Uhg aufzuheben. Falls die Beklagte über den Antrag sofort entschieden hätte, wäre sie insoweit nach § 44 Abs 2 Satz 1 SGB X verpflichtet gewesen, den Zuschuß zuzuerkennen; das bestätige § 44 Abs 2 Satz 3 SGB X. Anderenfalls könnte sich die Verwaltung durch eine Verzögerung den Ermessensspielraum für die Entscheidung nach § 44 Abs 2 Satz 2 SGB X verschaffen. Die Beklagte rügt mit ihrer - vom LSG zugelassenen -Revision eine Verletzung des § 44 Abs 1, 2 und 4 SGB X. Sie begründet ihre Revision allein damit, daß das Uhg wegen Fristablaufs nach § 44 Abs 4 SGB X nicht mehr als Zuschuß für die Zeit der Fortbildung (1982/1983) gewährt werden könne. Die Frage, ob die Voraussetzung, dh die Notwendigkeit der Fortbildung wegen eines Mangelberufs nach § 44 Abs 2 Nr 4 AFG aF, gegeben ist, sei unerheblich. Die darüber ergangene Entscheidung des Berufungsgerichts werde allerdings nicht beanstandet. Entgegen der Auffassung des LSG habe die Verwaltung die beantragte Leistung nicht bereits iS des § 44 Abs 4 SGB X "erbracht". Der Klägerin sei allein ein Uhg als Darlehen gewährt worden, und ein solches, das zurückgezahlt werden müsse, unterscheide sich elementar von einem Zuschuß. Selbst wenn die Beklagte im Rahmen ihres Ermessens nach § 44 Abs 1 SGB X iVm § 152 Abs 1 AFG die Ablehnung eines Zuschusses für die Vergangenheit zurücknehme, dürfe sie die angestrebte Zugunstenentscheidung nach § 44 Abs 4 SGB X nicht treffen. Dabei sei der Vierjahreszeitraum von dem im April 1988 gestellten Antrag ab zu berechnen. Entgegen der Auffassung des SG lebe durch eine Rücknahme der rechtsverbindlichen Ablehnung einer Überprüfung der darauf gerichtet gewesene Antrag von 1983 nicht wieder auf in der Weise, daß er für die Fristberechnung nach § 44 Abs 4 SGB X maßgebend sei. Im üb- rigen sei auf die nach Auffassung des LSG anwendbare Rücknahmevorschrift des § 44 Abs 2 SGB X die Ausschlußregelung des § 44 Abs 4 SGB X entsprechend anzuwenden, soweit der Empfänger nachträglich von einer Rückzahlungsverpflichtung befreit werden wolle. Eine solche Entlastung belaste den Leistungsträger für einen länger als vier Jahre zurückliegenden Zeitraum ebenso wie eine nachträgliche Zahlung. Der Anspruch auf Rückzahlung, der wegfallen solle, sei 1982/83 entstanden. Die Beklagte beantragt, die Urteile der Vorinstanzen zu ändern und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie betont, daß § 44 Abs 4 SGB X nicht die Möglichkeit, einen nicht begünstigenden Verwaltungsakt zu überprüfen, regele; die Rücknahme sei - anders als nach § 45 Abs 3 SGB X - zeitlich unbegrenzt möglich. § 44 Abs 4 SGB X verbiete allein, eine Leistung für die Zeit vor vier Jahren - 5 - rückwirkend zu erbringen, dh zu zahlen, nicht aber eine weiter zurückliegende Gewährung (Bewilligung, Zuerkennung) durch die Rücknahme. Eine Umwandlung des bereits 1982/83 gezahlten Uhg, der Sozialleistung, in einen Zuschuß würde nur vom Antrag ab der Tilgung die Rechtsgrundlage entziehen. Die rückwirkende Beseitigung der Tilgungspflicht werde nicht durch § 44 Abs 4 SGB X ausgeschlossen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. II Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klage hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen hätten die Beklagte nicht verpflichten dürfen, über den Rücknahmeantrag der Klägerin unter Beachtung der gerichtlichen Rechtsauffassung neu zu entscheiden. Die Beklagte, die der Klägerin 1982/83 Uhg als zurückzuzahlendes Darlehen gewährte (§ 44 Abs 2a AFG hier idF des AFKG vom 22. Dezember 1981 - BGBl I 1497 -, § 607 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch), hat damit zugleich Uhg als übliche, in erster Linie begehrte Sozialleistung, dh als Zuschuß zum Verbleib (§ 11 Satz 1 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil -SGB I- vom 11. Dezember 1975 - BGBl I 3015 -, § 44 Abs 1 bis 2 Satz 2 Nr 4 AFG), abgelehnt. Der versagende Verfügungssatz, der die Klägerin nicht begünstigte, sondern belastete (vgl die Definition des begünstigenden Verwaltungsaktes in § 45 SGB X vom 18. August 1980 - BGBl I 1469 -), wäre, falls er unrichtig wäre, nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X zurückzunehmen und durch eine neue - richtige - Entscheidung zu ersetzen (BSG Breithaupt 1982, 800). Diese Regelung wird für das Arbeitsförderungsrecht durch § 152 Abs 1 AFG (idF des Art II § 2 Nr 18 Buchstabe a SGB X) dahin abgewandelt, daß ein Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft zu- rückgenommen wird; nach dem 1987 klarstellend angefügten Halbsatz 2 (8. Änderungsgesetz vom 14. Dezember 1987 - BGBl I 2602 - dazu Gesetzesbegründung in BT-Drucks 11/800 zu Nr 35 - § 152 -) darf aber die Verwaltung nach ihrem Ermessen die Rücknahme auf die Vergangenheit erstrecken. Ob die Versagung des Uhg als Zuschuß rechtswidrig war, weil die Lehrschwestertätigkeit 1982/83 ein Mangelberuf war und deshalb die Weiterbildung für sie notwendig gewesen wäre (§ 44 Abs 2 Satz 2 Nr 4 AFG), war in diesem Verfahren nicht mehr als Voraussetzung für eine Rücknahme zu entscheiden. Eine Rücknahme des ablehnenden Verwaltungsaktes wegen einer entsprechenden Rechtswidrigkeit und eine Ersetzung - 6 - durch einen Bewilligungsakt ist wegen der Einwirkung der Verfallklausel des § 44 Abs 4 SGB X auf die Rücknahmeregelung schlechthin ausgeschlossen. Die Verwaltung hat jene beiden Entscheidungen zugunsten eines Antragstellers dann nicht mehr vorzunehmen, wenn die rechtsverbindliche, grundsätzlich zurückzunehmende Entscheidung ausschließlich Leistungen für eine Zeit, die länger als vier Jahre vor dem Rücknahmeantrag liegt, regelte und wenn der ersetzende Bewilligungsbescheid sich ebenfalls nur auf den genannten Zeitraum auswirken würde. So war es hier. Der 1988 gestellte Rücknahmeantrag der Klägerin bezieht sich auf Uhg für die 1982/83 durch- geführte Maßnahme. Nach § 44 Abs 4 Satz 1 und 2 SGB X werden Sozialleistungen, falls ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen und durch einen Zugunstenbescheid ersetzt wird, längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Für die Berechnung des Zeitraumes tritt nach Satz 3 an die Stelle des Rücknahmeaktes ein Antrag, falls er zur Rücknahme führte. Diese Vollzugsregelung (BSGE 61, 154, 156 f = SozR 1300 § 48 Nr 32), die zwingend anzuwenden ist (BSGE 60, 158, 160 f = SozR 1300 § 44 Nr 23), steht für die länger als vier Jahre zurückliegende Zeit, für die keine Leistungen mehr erbracht werden dürfen, einem Rücknahme- und einem Ersetzungsakt entgegen. Sie ist auf die Rücknahmeregelung bezogen, die voraussetzt, daß infolge der unrichtigen Entscheidung Sozialleistungen nicht erbracht wurden (BSGE 62, 10, 13 = SozR 2200 § 1254 Nr 7). "Erbringen" bedeutet tatsächliches Leisten (§ 43 SGB I, §§ 102 bis 105 SGB X; zu § 18c Abs 1 bis 3 Bundesversorgungsgesetz: RdSchr des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 18. Juni 1982 - BABl 1982 Heft 9 S 109 -; vgl auch BSG 12. Oktober 1990 - 2 RU 63/89 - RdSchr Nr 9/91 des Bundesverbandes der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand). Ein derart zu vollziehender Verwaltungsakt ist nicht mehr zu erlassen, wenn er nicht ausgeführt werden darf. Er wäre wirkungslos. Von der Verwaltung darf keine unnötige, überflüssige Tätigkeit verlangt werden, die hier auch die - mitunter recht schwierige und aufwendige - Prüfung auf eine Unrichtigkeit einbezöge. Ein Antragsteller, der über § 44 SGB X keine Leistungen mehr für die Vergangenheit erhalten darf, hat kein rechtliches Interesse an der Rücknahme und der zusprechenden Entscheidung, die nach Abs 4 nicht vollzogen werden dürfen. § 44 Abs 4 SGB X ist hier nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin schon 1983, also innerhalb des Vier-Jahres-Zeitraumes, der die Maßnahmezeit von 1982/83 umfaßte, die Rücknahme und damit die Gewährung des Uhg als Zuschuß beantragt hat. Selbst wenn ein Antrag wie dieser, der rechtsverbindlich abgelehnt wurde, durch eine Rücknahme wiederauflebte (vgl dazu BSG Breithaupt 1982, 800), tritt diese Wirkung hier nicht ein; denn der 1988 von der Klägerin gestellte Antrag, über den in diesem Verfahren zu entscheiden ist, könnte aus den dargelegten Gründen nicht zu einer Rücknahme und Ersetzung führen. Dann ist auch nicht der Verwaltungsakt, durch den 1985 der Antrag von - 7 - 1983 abgelehnt wurde, mitsamt dem Widerspruchsbescheid zurückzunehmen. Diese Verwaltungsentscheidungen, mit denen die Beklagte eine erneute Sachprüfung abgelehnt hat, sind auch aus einem anderen verfahrensrechtlichen Grund nicht zurückzunehmen. In dem abgelehnten Antrag wies die Klägerin nicht auf neue Erkenntnisse hin, die die Lehrschwestertätigkeit als Mangelberuf beurteilen ließen. Im ersten Abschnitt zur Eröffnung des dreistufigen Entscheidungsprozesses über eine Rücknahme und eine Ersetzung eines unrichtigen Verwaltungsaktes ist allein darüber zu befinden, ob überhaupt ein rechtsverbindlicher Bescheid erneut zu überprüfen ist (BSGE 63, 33, 35 f = SozR 1300 § 44 Nr 33). Die Verwaltung darf dies ablehnen, falls - wie hier - keine neuen Erkenntnisse für eine Unrichtigkeit vorgetragen werden oder sonst erkennbar sind (BSG aaO). Sie soll nicht durch aussichtslose Anträge, die beliebig oft wiederholt werden könnten, immer wieder zu neuen Sachprüfungen gezwungen werden können. Die Einschränkung der Rücknahmeregelung (§ 44 Abs 1 SGB X iVm § 152 Abs 1 AFG) durch die Ausschlußklausel (§ 44 Abs 4 SGB X) entfällt im Fall der Klägerin weder deshalb, weil die Klägerin das abgelehnte, jetzt erneut beantragte Uhg bereits 1982/83 während der Weiterbildungsmaßnahme erhalten hätte, noch deshalb, weil sie das ausbezahlte Darlehen in der Zeit seit dem Rücknahmeantrag und vorher nicht länger als vier Jahre zurückliegend (seit 1985) zurückzahlen muß. Die Auszahlung der Uhg-Beträge während der Bildungsmaßnahme beruhte nicht auf der jetzt umstrittenen Gewährung eines Zuschusses, sondern auf der Darlehensgewährung, deren Vollzug allerdings im Fall einer Rücknahme und Bewilligung eines Zuschusses deshalb rückgängig gemacht werden müßte, weil die Leistung nicht doppelt gezahlt werden darf. Das Uhg als Zuschuß hat eine andere Rechtsnatur als das Darlehen, dh als der nur zur zeitweiligen Nutzung gewährte Uhg-Betrag, wenn auch beide Leistungen der Sicherung des Lebensunterhaltes während einer beruflichen Bildungsmaßnahme und zugleich der Motivierung zur Teilnahme dienen (BSGE 58, 160, bes 164 = SozR 4100 § 138 Nr 11). Ein Verzicht der Verwaltung auf die Rückzahlung würde nicht wie ein "Erbringen" iS des § 44 Abs 1 und 4 SGB X wirken. Die Pflicht zur Rückzahlung des Darlehens ist keine Folge der - möglicherweise - unrichtigen Entscheidung, durch die ein Zuschuß abgelehnt wurde. Sie wurde auch nicht durch einen teilweise belastenden Verwaltungsakt iS des § 44 Abs 1 SGB X, der mit der begünstigenden Gewährung dieser Leistung verbunden gewesen wäre, der Klägerin auferlegt. Die Bewilligung des Darlehens stellt einen nicht teilbaren begünstigenden Verfügungssatz dar, allerdings inhaltlich durch die ein- geschlossene Rückzahlungspflicht, die der Rechtsnatur des Darlehens eigen ist, eingeschränkt. Im Gesamtergebnis ist die Klägerin durch die Gewährung des Darlehens besser gestellt, als wenn die Beklagte ausschließlich ein Uhg als Zuschuß abgelehnt hätte. Die Rechtslage in diesem Fall ist nach § 44 SGB X, ergänzt durch § 152 Abs 1 - 8 - AFG, allein nach dem erlassenen und nach dem angestrebten Verwaltungsakt über ein Uhg als Zuschuß zu beurteilen. Dies wäre noch deutlicher, wenn die Verwaltung die darüber ergangene Ablehnungsentscheidung zeitlich gesondert von der Darlehensgewährung erlassen hätte. Die Klägerin kann sich nicht zu ihren Gunsten auf die Rechtsfolgen der Rücknahme eines Bescheides berufen, durch den ein begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 SGB X zu- rückgenommen wurde. Die zwingende Rechtsfolge des ersten Aufhebungsaktes, die Erstattungspflicht nach § 50 SGB X, kann dadurch rückgängig zu machen sein, daß der Leistungsträger diese Pflicht beseitigt (vgl dazu BSG SozR 1300 § 44 Nr 22; kritisch dazu Kopp, SGb 1987, 121; vgl auch BVerwG Urteil vom 15. November 1990 - 5 C 78.88). Die Klägerin hatte aber, wie schon dargelegt, den erhaltenen Darlehensbetrag nicht als unmittelbare Folge der Ablehnung eines Zuschusses, deren Rechtmäßigkeit umstritten ist und die nach dem Willen der Klägerin aufgehoben werden soll, in Raten zurückzuzahlen. Vielmehr war diese Versagung des Uhg nur das Motiv für den Entschluß der Klägerin, an Stelle eines Zuschusses ein - zinsloses - Darlehen zu nehmen. Die Mittel des Verwaltungsverfahrensrechts können nicht die wirtschaftlichen Folgen eines Entschlusses beseitigen, der wegen eines Verwaltungsaktes gefaßt wurde, wenn später behauptet wird, dieser belastende Verwaltungsakt sei rechtswidrig gewesen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, 9 BV 39/88 vom 24.11.1988, Bundessozialgericht
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Bundessozialgericht
9 BV 39/88 Beschluß in dem Rechtsstreit Kläger und Beschwerdeführer, Prozeßbevollmächtigter: gegen Beklagte und Beschwerdegegnerin. Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat am 24. November 1988 beschlossen: Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht Hamburg im Urteil vom 19. Januar 1988 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. - 3 - Gründe: Die Revision ist nicht gemäß den §§ 160a, 160 Abs 2 Nr 3 Sozial- gerichtsgesetz (SGG) zuzulassen, weil die Voraussetzungen, unter denen ein - hier allein geltend gemachter - Verfahrensmangel zur Zulassung der Revision führen kann, nicht erfüllt sind. Nach § 160 Abs 2 Nr 3, 2. Halbs SGG kann die Rüge eines Verfahrens- mangels nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozi- algericht (LSG) ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Der Kläger räumt ein, daß er eine Verletzung des § 109 SGG im Beschwerdeverfahren nicht rügen kann, soweit das LSG dem Antrag, die Neurologin und Psychiaterin Dr. H. zu hören, nicht gefolgt ist. Er meint aber, in dem zu Protokoll erklärten und auf 3 109 SGG gestützten Antrag läge ein Beweisantrag, dem das LSG bereits in Erfüllung seiner Pflicht zur Sachaufklärung nach § 103 SGG von Amts wegen habe folgen müssen; mit der Ablehnung dieses Antrags sei also nicht nur § 109 SGG, sondern auch § 103 SGG verletzt. In einem auf § 109 SGG gestützten Antrag auf Anhörung eines be- stimmten Arztes sei notwendig ein Beweisantrag nach § 103 SGG enthalten. Dem ist nicht zu folgen. Für seine Rechtsauffassung kann sich der Kläger zwar auf Meyer- Ladewig, Kommentar zum SGG, 3. Aufl, 5 160 RdNr 18 stützen; eine Begründung fehlt hier jedoch. Auch der 1. Senat des Bundessozial- gerichts (BSG) hat in dem nicht veröffentlichten Beschluß vom 5. April 1988 - 1 BA 255/87 - unter Hinweis auf diese Kommentar- stelle ohne Begründung unterstellt, daß ein Antrag nach § 109 SGG ein Beweisantrag iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG sei; er hat aber die Beschwerde aus einem anderen Grund als unzulässig verworfen. Stellt der Kläger einen Antrag nach § 109 SGG, so mag zwar aus seiner Sicht der Sachverhalt häufig noch nicht hinreichend aufge- klärt sein; das kann aber nicht dazu führen, in jedem Antrag nach § 109 SGG zugleich die Aufforderung an das Gericht zu erkennen, in erster Linie von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufzu- - 3 - klären. Der Antrag nach § 109 SGG wäre damit immer als soge- nannter Hilfsantrag aufzufassen. So ist der Antrag nach § 109 SGG aber in der Rechtsprechung nie verstanden worden. Es ist zwar anerkannt worden, daß der Antrag als Hilfsantrag gestellt werden kann (BSG SozR SGG § 109 Nr 17). Wird der Antrag aber nicht aus- drücklich als Hilfsantrag bezeichnet, so ist er als Inanspruch- nahme der Berechtigung aufzufassen, unbeschadet der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht einen Arzt des Vertrauens zu hören. Er hat eine andere Zielrichtung als die in § 103 SGG erwähnten Beweisan- träge. Der Beweisantrag, der mit der Rüge der Verletzung des § 103 SGG zur Zulassung der Revision führen kann, muß ein Beweisantrag iS dieser Vorschrift sein (ebenso Zeihe, SGG, 5. Aufl, § 160 Anm 25e). Wenn ein solcher Antrag gestellt wird, muß zwar nicht diese Vorschrift ausdrücklich erwähnt werden; es muß jedoch un- zweifelhaft erkennbar sein, daß eine weitere Sachverhaltsaufklä- rung von Amts wegen für erforderlich gehalten wird. Das ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der nur beschränkten Eröffnung der Revisionsinstanz bei Verfahrensfehlern. § 160 SGG in der gegen- wärtigen Fassung ist durch das Gesetz vom 30. Juli 1974 (BGBl I 1625) mit der Absicht eingefügt worden, die Revisionsinstanz von den zuvor in großer Zahl anfallenden sogenannten Verfahrensrevi- sionen zu entlasten (vgl Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks 7/861). Gerade die häufigsten, auf die Verletzung der §§ 103, 109 und 128 SGG gestützten Verfahrensrevisionen sollten eingeschränkt werden. Während die Verletzung der §§ 109 und 128 SGG überhaupt nicht mehr zur Zulassung der Revision führen kann, ist für eine Rüge der Verletzung des § 103 SGG ein Beweisantrag als erforderlich angesehen worden, der diese Rüge bereits in der Berufungsinstanz vorbereitet. Diese Regelung mag in einem nicht einem Vertretungszwang unterworfenen Verfahren systemfremd er- scheinen (vgl dazu Krasney, Die Ersatzkasse 1973, 312; 197A, 330; derselbe, Der Kompaß, 197A, 303). Die Regelung läßt aber er- kennen, daß auch die wegen einer Verletzung des § 103 SGG zuzu- lassende Revision die Ausnahme bleiben soll; sie soll sich auf Aufklärungsmängel beschränken, auf die das Gericht bereits vor - 4 - der Entscheidung hingewiesen worden ist. Für diesen Hinweis ver- langt das Gesetz überdies eine besondere Form, nämlich einen Be- weisantrag, der grundsätzlich auch das Beweisthema und das Be- weismittel enthalten muß (vgl Meyer-Ladewig aaO und BSG SozR 1500 § 160a Nr 2N). Erst wenn der Tatsacheninstanz durch einen Beweis- antrag vor der Entscheidung noch einmal deutlich vor Augen ge- führt worden ist, daß der Kläger die gerichtliche Sachaufklä- rungspflicht in einem bestimmten Punkt noch nicht als erfüllt ansieht, soll das Übergehen eines solchen Antrages oder eine nicht hinreichend begründete Ablehnung die Revisionsinstanz und damit die weitere Sachaufklärung nach Zurückverweisung des Rechtsstreits in die Tatsacheninstanz ermöglichen. Der Beweisan- trag hat somit auch warnfunktion. Der Senat hat deshalb schon für eine schlüssige Darlegung des Verfahrensverstoßes stets verlangt, daß der Antrag in das Protokoll über die mündliche Verhandlung aufgenommen worden ist oder sich aus dem Urteilsinhalt ergibt oder schriftsätzlich vorgebracht und bis zum Ende der Sitzung aufrechterhalten worden ist (vgl Beschluß vom 15. Februar 1988 - 9/9a BV 196/87 - zur Veröffentlichung bestimmt; ferner BSG SozR 1500 § 160 Nr 12). Der Kläger hat hier seinen Antrag zwar aus- drücklich zu Protokoll erklärt; indem er sich aber auf § 109 SGG bezog und einen bestimmten ärztlichen Sachverständigen nannte, hat er zumindest nicht hinreichend erkennbar gemacht, daß er noch eine weitere Sachaufklärung von Amts wegen für erforderlich hielt, obwohl ihm das LSG zuvor mitgeteilt hatte, daß von Amts wegen keine weiteren Gutachten mehr eingeholt würden. Das LSG hat den gestellten Antrag auch nur als Ausübung des Rechts nach § 109 SGG aufgefaßt und als verspätet zurückgewiesen. - 5 - Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, 9 BV 26/93 vom 24.05.1993, Bundessozialgericht
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Beschluß in dem Rechtsstreit Az: 9 BV 26/93 ..........................................................., Kläger und Beschwerdeführer, Prozeßbevollmächtigter: ..........................., g e g e n Land Niedersachsen, vertreten durch das Landesversorgungsamt Niedersachsen, Hannover 1, Gustav-Bratke-Allee 2, Beklagter und Beschwerdegegner. Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat am 24. Mai 1993 durch Vorsitzenden Richter Dr. S c h m i t t, Richterin J a e g e r und Richter D a u beschlossen: Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht Niedersachsen im Urteil vom 18. Dezember 1992 wird als unzulässig verworfen. Kosten sind nicht zu erstatten. - 2 - G r ü n d e : Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) festgelegten gesetzlichen Form. Sie war deshalb entsprechend den §§ 169, 193 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30). Der Beschwerdeführer weist zwar auf Zulassungsgründe hin, die in § 160 Abs 2 SGG aufgeführt sind. Er behauptet, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG und das angegriffene Urteil beruhe auf einem Verfahrensfehler iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Die behaupteten Zulassungsgründe sind aber nicht so dargelegt und bezeichnet, wie dies § 160 Abs 2 Satz 3 SGG verlangt. Zulassungsgründe müssen schlüssig dargetan werden. Zur Begründung der Grundsätzlichkeit der Rechtssache muß erläutert werden, daß und warum in dem angestrebten Revisionsverfahren eine Rechtsfrage erheblich sein wird, die über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung hat (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 44; BSG SozR 1500 § 160a Nr 39). Es muß überdies die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage darlegt werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 65). Rechtsfragen, die vom Bundessozialgericht (BSG) entschieden sind, sind im allgemeinen nicht mehr klärungsbedürftig und haben keine grundsätzliche Bedeutung mehr, es sei denn, die Beantwortung der Frage ist klärungsbedürftig geblieben oder es erneut geworden. Das muß substantiiert vorgetragen werden. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, weil die behauptete grundsätzliche Frage vom Landessozialgericht (LSG) nicht zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht worden ist. Das LSG hat entgegen der Beschwerdebegründung seine Entscheidung nicht darauf gestützt, daß grundsätzlich Berufsschadensausgleich(BSchA) erst ab Vollendung des 60. (ausnahmsweise 59.) Lebensjahres bei schwerbeschädigten Selbständigen möglich ist. Diese Auffassung konnte daher in der Beschwerdebegründung auch nicht belegt werden. Das LSG hat viel- mehr im Wege der Beweiswürdigung konkret für den Kläger ein schädigungsbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben verneint und sich im übrigen hinsichtlich der grundlegenden Rechtsfragen an der Rechtsprechung des BSG orientiert (vgl BSG SozR 3-3642 § 8 Nrn 1 und 6). Da sich die Beschwerdebegründung mit beiden Entscheidungen nicht auseinandersetzt, fehlt es an einer schlüssigen Darlegung einer verbleibenden grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, zumal die Berechnung des BSchA für Selbständige vom BSG weitgehend vom tatsächlichen Einkommen abgelöst worden ist (BSG aaO Nr 1). Zu der in der Beschwerde ebenfalls als grundsätzlich angesprochenen Rechtsfrage, ob die Schädigungsfolgen mit zunehmendem Alter mit einer erhöhten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zu bewerten seien, hat der Beschwerdeführer weder § 31 Abs 1 Satz 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) noch die hierzu ergangene - 3 - Rechtsprechung (vgl BSG SozR 3100 § 30 Nr 79) erörtert, so daß insoweit noch klärungsbedürftige Fragen nicht aufgezeigt sind. Auch die erhobene Verfahrensrüge bezeichnet einen Verfahrensmangel nicht schlüssig. Es müssen die sie begründenden Tatsachen im einzelnen genau angegeben sein und in sich verständlich den behaupteten Verfahrensfehler ergeben (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Teilweise begründet der Kläger diese Rüge damit, daß dem Berufungsgericht eine fehlerhafte Würdigung des Beweismaterials vorgeworfen wird. Damit wird eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Beweiswürdigung) geltend gemacht. Hierauf kann die Rüge nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG) nicht gestützt werden. Zur Rüge, das LSG habe seine Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) verletzt, hätte der Beschwerdeführer entsprechende Beweisanträge bezeichnen müssen (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Hieran fehlt es, obwohl sich der Kläger auf seinen Berufungsschriftsatz, dessen Inhalt im Zeitpunkt des Einverständnisses mit der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung wiederholt worden ist, bezieht. Denn der Berufungsschriftsatz enthielt lediglich Beweisantritte iS von §§ 371, 373, 402 f Zivilprozeßordnung (ZPO). Sie enthalten Hinweise der Beteiligten auf ihnen geeignet erscheinende Beweismittel und führen sie in den Prozeß ein (vgl Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 50. Aufl Einf. § 284 Anm 5). Der Beweis muß rechtzeitig angetreten werden, damit Nachteile infolge Verspätung vermieden werden (vgl § 296 Abs 1 und § 296 Abs 2 iVm § 282 ZPO). Da die Sozialgerichte den Sachverhalt von Amts wegen aufklären (§ 103 SGG), haben derartige Beweisantritte im sozialgerichtlichen Verfahren nur eine geringe prozessuale Bedeutung. Sie enthalten üblicherweise Hinweise und Anregungen zu Maßnahmen, die von Amts wegen einzuleiten sind, wie das auch im Zivilprozeß denkbar iVm § 144 ZPO vorkommt, und sollen dem Gericht seine Aufgaben erleichtern (vgl RGZ 170, 264). Selbst der Zivilprozeß kennt daher die Unterscheidung von Beweisantrag und Beweisanregung (vgl BGHZ 66, 62, 68). Der Beweisantrag iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG hat indessen einen völlig anderen prozessualen Stellenwert. Er dient der Vorbereitung einer Revision bei gleichzeitigem Hinweis an die letzte Tatsacheninstanz darauf, daß nach Ansicht des Antragstellers die Sachaufklärung lückenhaft geblieben ist. Deshalb hat die Rechtsprechung insoweit hohe Anforderungen gestellt. Grundsätzlich muß eine Nichtzulassungsbeschwerde, die damit begründet wird, das Berufungsgericht sei einem gestellten Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt, aufzeigen, daß der Beweisantrag protokolliert oder im Urteilstatbestand aufgeführt ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 64). Fehlt es an einer mündlichen Verhandlung, muß ein im Urteilstatbestand enthaltener Beweisantrag bezeichnet werden. Selbst wenn man für derartige Fälle eine Erweiterung auf die ausdrücklich schriftsätzlich gestellten Anträge zuläßt, die zugleich mit der Erklärung des Einverständnisses zur Entscheidung durch - 4 - Urteil ohne mündliche Verhandlung gestellt werden, fehlt es hier an der Bezeichnung eines derartigen Antrags. Denn ein Beweisantrag, der mit der Rüge der Verletzung des § 103 SGG zur Zulassung der Revision führen kann, muß ein Beweisantrag im Sinne dieser Vorschrift sein, also unzweifelhaft erkennen lassen, daß eine weitere Sachver- haltsaufklärung von Amts wegen für erforderlich gehalten wird. Der Tatsacheninstanz soll durch einen solchen Antrag vor der Entscheidung vor Augen geführt werden, daß der Kläger die gerichtliche Sachaufklärungspflicht in einem bestimmten Punkt noch nicht als erfüllt ansieht. Der Beweisantrag hat Warnfunktion (vgl hierzu BSG SozR 1500 § 160 Nr 67). Eine solche Warnfunktion fehlt bei Beweisantritten, die in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthalten sind, und ihrem Inhalt nach lediglich als Anregungen zu verstehen sind, wenn sie nach Abschluß der von Amts wegen durchgeführten Ermittlungen nicht mehr zu einem bestimmten Beweisthema als Beweisantrag aufgegriffen werden; eine unsubstantiierte Bezugnahme auf frühere Beweisantritte genügt nicht. Die mangelnde Darlegung des Beweisthemas und der Bedeutung weiterer Sach- aufklärung im Berufungsverfahren wird in der Beschwerdeschrift dadurch bestätigt, daß auch hier nicht ausgeführt wird, inwiefern sich das Berufungsgericht - ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt - zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt sehen müssen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34 und 56). Insoweit fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der Rechtsauffassung des LSG, so daß nicht deutlich ist, inwiefern die dem Beschwerdeführer wesentlich erscheinenden Sachverhaltselemente auch für das Berufungsgericht von Bedeutung gewesen sind. Derzeit kein Faksimile verfügbar. Volltext auch bei jurion.de 9 BV 26/93 vom 24.05.1993 ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, 9a RV 44/85 vom 13.08.1986, Bundessozialgericht
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Bundessozialgericht
9a RV 44/85 Im Namen des Volkes Urteil in dem Rechtsstreit Kläger und Revisionskläger, Prozeßbevollmächtigter: gegen Beklagter und Revisionsbeklagter. Das Bundessozialgericht, 9a Senat, hat ohne mündliche Ver- handlung am 13. August 1986 für Recht erkannt: Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Revisionsfrist gewährt. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. August 1985 aufgehoben, soweit es Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz wegen Gesund- heitsstörungen auf psychiatrisch—neurologischem und auf -2- urologischem Gebiet betrifft. Insoweit wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozial- gericht zurückverwiesen. Im übrigen wird die Revision als unzulässig verworfen. Gründe: Der Kläger, der in Österreich lebt, war vom 2. Mai bis zum 26. September 1945 wegen seiner deutschen Volkszugehörigkeit in jugoslawischer Haft. Auf schädigende Einwirkungen dieses Lager- aufenthalts führt er mehrere Gesundheitsstörungen zurück. Sein Versorgungsantrag nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) ist er- folglos geblieben (Bescheid vom 25. Januar 1979, Widerspruchs- bescheid vom 3. Juli 1980, Urteile des Sozialgerichts -SG- vom 3. Februar 1981 und des Landessozialgerichts -LSG- vom 29. Au- gust 1985). Das LSG hat einen ursächlichen Zusammenhang zwischen zahlreichen Gesundheitsstörungen, die der Kläger geltend macht, und Hafteinwirkungen als nicht wahrscheinlich beurteilt. Insbe- sondere hätte dies nicht für ein Nervenleiden und für Störungen im urologischen Bereich zugunsten des Klägers geklärt werden können. Die vom Urologen für notwendig erachteten Untersuchungen als Grundlage für eine fachliche Begutachtung seien nicht möglich gewesen, weil der Kläger die Mitwirkung daran abgelehnt habe. Das Gericht hat sich mit Gutachten begnügt, die nach Aktenlage er- - 3 - stellt worden sind. Der Kläger rügt mit seiner — vom LSG zugelassenen — Revision eine Verletzung der §§ 103 und 128 Sozialgerichtsgesetz (SGG), des § 1 Abs 3 BVG und des § 66 Abs 3 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB 1). Das Berufungsgericht hätte ein psychiatrisch- neurologisches und ein urologisches Gutachten auf Grund von Un- tersuchungen des Klägers einholen müssen. Zwei Sachverständige für diese Fachgebiete hätten in ihren nach Aktenlage erstatteten Gutachten diese Sachaufklärung für erforderlich erklärt. Der Kläger hätte über die Folgen einer Weigerung, bei diesen Beweis- erhebungen mitzuwirken, vom Gericht hinreichend belehrt werden müssen. Dies sei nicht geschehen. Deshalb hätte seine Äußerung, er könne sich jetzt aus gesundheitlichen Gründen nicht nochmals untersuchen lassen, nicht als endgültige Weigerung gewertet wer- den dürfen. Auf Anfrage des Revisionsgerichts hat der Kläger persönlich aus- drücklich erklärt, er wolle an den notwendigen Untersuchungen mitwirken. Der Kläger beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist zu gewähren. In der Sache beantragt er, das Urteil des LSG aufzuheben und den - 4 - Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen. Nach seiner Auffassung hat die Revision einen Beweisantrag nicht dargetan. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. II Dem Kläger war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen un- verschuldeten Versäumens der Revisionsfrist zu gewähren (§ 67 SGG); er war wegen der wirtschaftlichen Voraussetzung für eine Prozeßkostenhilfe gehindert, rechtzeitig einen Prozeßbevollmäch- tigten zu beauftragen. Die Revision des Klägers hat teilweise Erfolg. Der Kläger begehrt Versorgung nach dem BVG wegen verschiedener Gesundheitsstörungen als wahrscheinlichen Folgen seiner jugosla- wischen Haft (§ 1 Abs 1 und 2 Buchstaben a und c, Abs 3 Satz 1, § 5 Abs 1 Buchstabe d, § 9 BVG). Soweit es um die tatsächlichen - 5 - Voraussetzungen für die Anerkennung von psychiatrisch-neurologi- schen und von urologischen Störungen als Schädigungsfolgen (BSG SozR Nr 81 zu § 1 BVG) und um einen darauf beruhenden Versor- gungsanspruch geht, hat der Kläger formgerecht und zutreffend gerügt, daß das LSG seine Sachaufklärungspflicht (§ 153 Abs 1, §§ 155, 103 Satz 1 Halbs 1 und Satz 2, § 106 Abs 3 Nr 4 SGG) verletzt hat. Damit fehlt es insoweit an verbindlichen tatsäch- lichen Feststellungen für eine Sachentscheidung (§§ 163, 104 Abs 2 Satz 3 SGG). Bezüglich dieser selbständigen Ansprüche und teilbaren Streitgegenstände (§§ 123, 141 Abs 1 SGG) ist das an- gefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG; stRspr, zB BSGE 41, 80, 81 = SozR 3100 § 35 Nr 2; Zeine, Das Sozialgerichtsgesetz und seine Anwendung, § 170 Abs 2 und 3, Rz 15b; Meyer-Ladewig, SGG, 2. Aufl, 1981, § 170, Rz 6). Dem Berufungsgericht hätte es sich auf Grund von Äußerungen des Urologen Dr. S. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13. August 1984 und des Nervenarztes Prof. Dr. F. im Aktengutachten vom 21. Januar 1985 aufdrängen müssen, den Kläger von Sachverständigen dieser beiden Fachgebiete untersuchen und begutachten zu lassen. Die beigezogenen Befundunterlagen und die nach Aktenlage erstatteten Gutachten ergaben kein zureichen- des Bild über die beim Kläger im psychiatrisch-neurologischen und im urologischen Bereich bestehenden Gesundheitsstörungen. Erst wenn die Krankheitsbilder auf diesen medizinischen Gebieten durch - 6 - erforderliche ambulante oder notfalls stationäre Untersuchungen geklärt sind, ließe sich fachärztlich beurteilen, ob die fest- gestellten Gesundheitsstörungen mit Wahrscheinlichkeit durch schädigende Einwirkungen der jugoslawischen Haft als wesentliche Allein- oder Mitbedingung anhaltend verursacht worden sind. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die noch erforderlichen Beweiser- hebungen zu einem für den Kläger günstigen Ergebnis führen. Me- dizinische Sachverständige könnten den Kläger bei ihren Untersu- chungen auch fachlich gezielt nach Haftumständen befragen, die als Krankheitsursachen in Betracht kommen, sowie nach dem Krank- heitsbeginn und -verlauf. Diese Aufklärung wäre notwendig als Grundlage für die richterliche Entscheidung, welche Einwirkungen als erwiesen anzusehen sind. Vorab müßte medizinisch geklärt werden, ob nach allgemeiner Erfahrung schwere Belastungen und Schädigungen in einer so kurzen Haft, wie sie der Kläger erlitten hat, schädigende Auswirkungen auf psychiatrisch-neurologischem Gebiet schlechthin nicht erwarten lassen. Die gebotene Beweiserhebung erübrigte sich nicht deshalb, weil der Kläger nicht in der gebotenen Weise bei den ärztlichen Un- tersuchungen hätte mitwirken wollen (§ 103 Satz 1 Halbs 2 SGG; Meyer-Ladewig, aaO, § 103, Rz 13 ff; Peters/Sautter/Wolff, Komm zur Sozialgerichtsbarkeit, § 103, Anm 3; aA Heinze, SGb 198A, 390, 395 f). Bevor das Gericht aus der Erklärung des Klägers, aus gesundheitlichen Gründen könne er zur Zeit nicht zur ärztlicnen Untersuchung erscheinen, folgern durfte, er mache endgültig die gebotene Sachaufklarung unmöglich, hätte es ihn hinreichend über die Folgen eines solchen Verhaltens schriftlich belehren müssen. Das folgt entgegen der Rechtsansicht der Revision nicht aus der -7 - Vorschrift des § 66 Abs 3 SGB 1 vom 11. Dezember 1975 (BGBl I 3015), die eine entsprechende Regelung enthält (BSG SozR 1500 § 160 Nr 3A; Peters/Sautter/Wolff, aaO, S 103, Anm 3 S II/74-öf; aA anscheinend Meyer-Ladewig, § 103, Rz 17). Diese Bestimmung regelt eine Voraussetzung für die Versagung oder Entziehung einer Sozialleistung wegen fehlender Mitwirkung, ua bei einer ärztli- chen Untersuchung (§ b2 SGB 1) im Verwaltungsverfahren (§ 66 Abs 1 und 2 SGB 1). Im Gerichtsverfahren ist hingegen eine Ver- letzung der Mitwirkungspflicht bei der Sachaufklärung allein be- deutsam für die Beweiswürdigung; sie kann zur Folge haben, daß die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht als erwiesen anzusehen sind (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Dann ist der Klageanspruch nicht begründet. Indes wird auch im Prozeß, ungeachtet des § 66 Abs 3 SGB 1, regelmäßig als Voraussetzung einer solchen Folgerung ver- langt, daß das Gericht zuvor den Beteiligten hinreichend über seine Mitwirkungspflicht und über jene Auswirkung einer unbe- gründeten Weigerung belehrt hat (BSG SozR Nr 55 zu § 103 SGG; Meyer-Ladewig, aaO). Daran fehlte es im Schreiben des LSG vom 27. Juli 1983, in dem der Kläger bloß gefragt wurde, ob er zur Untersucnung in G. oder in der näheren Umgebung bereit und in der Lage sei. Das Berufungsgericht hat ohne weitere Nachfrage auf Grund der oben zitierten Erklärung des Klägers Begutachtungen nach Aktenlage angeordnet. Der Kläger hat aber im Revisionsver- fahren auf genaueres Befragen verbindlich erklärt, er wolle sich den erforderlichen Untersuchungen unterziehen. Im übrigen ist die Revision nicht zulässig, was für jeden ein- zelnen selbständigen Anspruch gesondert zu prüfen und zu ent- - 8 - scheiden ist (BSGE 7, 35, 38 f). Die Frage, die die Grundlage des gesamten Berufungsurteils betrifft, ob nämlich die mitwirkenden ehrenamtlichen Richter ordnungsmäßig berufen worden waren, ist nicht Gegenstand der Revision. Der Kläger hat ausdrücklich er- klärt, eine darauf bezogene Revisionsrüge erhebe er nicht. Diese Frage ist im übrigen inzwischen höchstrichterlich geklärt (Bun- desverfassungsgericht SozR 1500 § 13 Nr 1; zur Veröffentlichung bestimmtes Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. Januar 1986 - 11a RA 46/85 -. Gegen die Entscheidung über die einzelnen anderen selbständigen Ansprüche, dh bezüglich der Nichtbewertung einzelner anderer Ge- sundheitsstörungen als Schädigungsfolgen sowie des Ausschlusses einer BVG-Entschädigung für die jugoslawische Haft als solche und für eine anschließende Arbeitslosigkeit, hat der Kläger keine Revisionsrügen geltend gemacht. Damit ist insoweit die Revision unzulässig (BSG SozR 1500 § 104 Nr 22) und zu verwerfen (§ 169 Satz 1 und 2 SGG). - 9 - Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil des LSG vorbehalten. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, 9a BVi 7/83 vom 21.11.1983, Bundessozialgericht
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SozR 1500 § 160 Nr 51
Bundessozialgericht 9a BVi 7/83 Beschluß in dem Rechtsstreit Kläger und Beschwerdeführer, Prozeßbevollmächtigter: gegen Beklagter und Beschwerdegegner. Das Bundessozialgericht, 9a Senat, hat am 21. November 1983 beschlossen: Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht Niedersachsen im Urteil vom 19. Mai 1983 wird als unzulässig verworfen. Kosten sind nicht zu erstatten. - 2 - Gründe Die Beschwerde ist nicht zulässig; mit ihr wird keine der Vor— aussetzungen, die nach § 160 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für die Zulassung der Revision aufgeführt sind, in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form bezeichnet. Der Kläger sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) darin, daß die "Beweislastumkehr" im Impfschadensrecht jedenfalls dann geboten sei, wenn der streitige ursächliche Zusammenhang trotz erschöpfender Sachaufklärung nicht wahrscheinlich, aber auch nicht unwahrscheinlich sei. Diese Rechtsfrage ist nicht mehr klärungsbedürftig, da sie vom Revi— sionsgericht — wie übrigens vom Kläger selbst vorgetragen — be— reits entschieden ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13). Nach den Ur— teilen des erkennenden Senats vom 28. Oktober 1980 (Breithaupt 1981, 803f) und vom 19. August 1981 (BSG SozR 3850 § 52 Nr 1) kehrt sich die Beweislast bei der Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Impfung und Gesundheitsstörung (= haf— tungsausfüllende Kausalität) nicht um. Vielmehr ist die Wahr- scheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs genügend, aber auch erforderlich. Läßt sich unter diesen erleichterten Bedingungen der Wahrscheinlichkeit ein anspruchsbegründender Umstand nicht ermitteln, geht dies zu Lasten desjenigen, der daraus eine ihm günstige Rechtsfolge geltend macht (ständige Rechtsprechung des BSG ua BSGE 30, 121, 123 = SozR Nr 83 zu § 128 SGG; SGb 1976, 490). Demgegenüber beziehen sich die vom Reichsgericht und - 3 - Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze über die Beweislastum— kehr bei Arzthaftpflichtprozessen auf die haftungsbegründende Kausalität. Da der Kläger gleichwohl eine grundsätzliche Bedeu- tung der Rechtsfrage geltend macht, obliegt es ihm darzulegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher Begründung der Rechtsprechung widersprochen bzw die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13; 1500 § 160 Nr 17). Dies ist nicht geschehen. Der Kläger bezieht sich lediglich auf die Ausführungen von Walter Bogs, mit denen sich der Senat bereits in seinem Urteil vom 19. August 1981 (aaO) auseinander— gesetzt hat. Ebensowenig ist der Rechtsbegriff der Wahrscheinlichkeit im Impfschadensrecht klärungsbedürftig. Wie der erkennende Senat in den oben zitierten Entscheidungen entschieden hat, ist das Impf- schadensrecht allen Rechtsgrundsätzen des Bundesversorgungsge- setzes (BVG) unterstellt worden, soweit nicht Besonderheiten ausdrücklich angeordnet worden sind. Das Impfschadensrecht ist dem sozialen Entschädigungsrecht im Sinne der §§ 5 und 24 So- zialgesetzbuch (Allgemeiner Teil) - SGB 1 - eingegliedert. Dieses soziale Entschädigungsrecht richtet sich nach versorgungsrecht- lichen Grundsätzen (Art II § 1 Nr 11 Buchst d SGB 1). Infolge- dessen ist die gleichlautende Rechtsnorm über die Anforderung, die an den Gewißheitsgrad für den ursächlichen Zusammenhang ge- stellt wird, hier nicht anders als im Recht der Kriegsopferver- sorgung auszulegen. Der erkennende Senat hat auch in den genann— ten Entscheidungen ausgeführt, daß die besondere Ausgestaltung des Sozialstaatspostulats im Sozialgesetzbuch die Beweisanfor— - 4 - derungen auch im Impfschadensrecht unangetastet läßt. Die dem einzelnen zustehenden sozialen Rechte begründen Ansprüche nur insoweit, als sie im besonderen Teil des Sozialgesetzbuches normiert sind (§ 2 Abs 1 Satz 2 SGB 1). Als ein solcher im genannten Sinne besonderer Teil rechnet das BVG, auch soweit § 51 des Bundesseuchengesetzes die entsprechende Anwendung der Leistungsvorschriften des BVG vorsieht (Art II S 1 Nr 11 Buchst d SGB 1). Bei der ebenfalls als Grund für die Zulassung der Revision gel- tend gemachte Abweichung des angefochtenen Urteils von den Ur- teilen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21. Februar 1980 - 5 RKnU 4/79 —‚ vom 19. August 1981 - 9 RVi 5/80 -‚ vom 22. September 1977 - 10 RV 15/77 — sowie BSGE 19, 52 und 24, 25, fehlt es an der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen "Bezeich- nung". Zur Zulässigkeit der Divergenzrüge (5 160 Abs 2 Nr 2 SGG) gehört die Darlegung, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine Ab— weichung vorliegt; der Beschwerdeführer muß dartun, mit welcher konkreten rechtlichen Aussage das Landessozialgericht (LSG) von einer bestimmten Aussage der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 21 und Nr 29). Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf die drei erstgenannten Urteile des BSG darauf verweist, daß die einzige konkrete Möglichkeit aber auch wahrscheinlich sei, ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen, welche konkrete Rechtsfrage das LSG anders entschieden haben soll. Daß andererseits bei der gegebenen Fallgestaltung der Kläger sich in einem Beweisnotstand befunden habe, erörtert er nicht im einzelnen. Auch ist ein Abweichen von einer konkreten - 5 - Rechtsfrage nicht dargelegt. Abgesehen davon befaßt sich die Entscheidung BSGE 19, 52, 56 mit der Beweiswürdigung bei unge— klärter Todesursache und gerade nicht mit dem ursächlichen Zu- sammenhang, um den es hier ausschließlich geht. Die Entscheidung BSG 24‚ 25 nimmt zu der Frage der Feststellungslast und Beweis— würdigung bei schuldhaft vereitelter Sachverhaltsaufklärung Stellung, hat also ebensowenig den ursächlichen Zusammenhang zum Inhalt. Inwieweit dennoch eine Abweichung gegeben sein soll, ist dem Beschwerdevorbringen des Klägers nicht zu entnehmen. Mit der Rüge, das Berufungsgericht hätte den Beweisanträgen stattgeben müssen, macht der Kläger eine Verletzung der Sach— aufklärungspflicht (§ 103 SGG) geltend. Indes fehlen Angaben darüber, um welche Anträge es sich im einzelnen handelt und wann diese gestellt worden sind. Sie sind mithin für das Revisions— gericht nicht ohne weiteres auffindbar. Infolgedessen fehlt es an einer hinreichenden Kennzeichnung derselben (BSG SozR 1500 § 160 Nr 5). Die Beschwerde des Klägers enthält in seinem wesentlichen Teil den Vorwurf, das LSG habe das Recht der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) verletzt. Diese Rüge ist als Zulas— sungsgrund schlechthin ausgenommen (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG). Das gilt auch insoweit, als der Kläger sich gegen die materielle Richtigkeit des Berufungsurteils wendet. Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht die Prüfung, ob das Berufungsgericht richtig entschieden hat. Vielmehr kann auf die Beschwerde lediglich geprüft werden, ob eine der in § 160 Abs 2 - 5 - SGG abschließend aufgezählten Zulassungsgründe geltend gemacht ist und auch vorliegt (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 9). Nach alldem ist das Rechtsmittel zu verwerfen (S 169 SGG). Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, 9/9a RVs 19/86 vom 03.02.1988, Bundessozialgericht
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BUNDESSOZIALGERICHT
Im Namen des Volkes Urteil in dem Rechtsstreit Az: 9/9a RVs 19/86 Kläger und Revisionskläger, Prozeßbevollmächtigte: gegen Beklagter und Revisionsbeklagter. Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 3. Februar 1988 für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 23. Oktober 1986 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. - 2 - Gründe: I Bei dem Kläger ist wegen seiner Kriegsverletzung und wegen anderer Gesund- heitsstörungen ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 vH anerkannt. Ihm ist ferner das Merkzeichen "G" (erhebliche Gehbehinderung) und die Berechtigung zur zuschlagsfreien Benutzung der 1. Klasse bei Reisen mit der Bundesbahn zuerkannt. Er erstrebt auch das Merkzeichen "aG" (außergewöhnliche Geh- behinderung), um die besonderen für außergewöhnlich Gehbehinderte einge- richteten Parkplätze benutzen zu dürfen, weil er nur ein- und aussteigen könne, wenn die Wagentür vollständig geöffnet sei; das setze die geräumigeren mit dem Rollstuhlfahrersymbol gekennzeichneten Parkplätze voraus. Das Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) hat die Klage mit der Begründung abge- wiesen, der Kläger gehöre nicht dem gesetzlich umschriebenen Personenkreis an, der sich wegen der Schwere des Leidens ständig nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen könne. Pro Tag könne der Kläger zwar nur 1 bis 1,5 km an Wegstrecke zurücklegen, er sei jedoch fähig, zusammenhängend 300 m zu gehen. Diese Fähigkeit über- steige erheblich die Gehstrecke, die Querschnittsgelähmten, Doppeloberschen- kelamputierten oder vergleichbaren Behinderten noch zugemutet werden könne. Mit der vom SG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, er könne im Umkreis von 300 m von seiner Wohnung kein öffentliches Verkehrsmittel errei- chen. Wenn man ihm das Merkzeichen "aG" verweigere, verstoße dies gegen den Zweck des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG), die Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft zu fördern. Es müsse immer die Behinderung im Einzelfall beachtet werden. Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Beklagten unter Abän- derung des Bescheides vom 23. November 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 1985 und unter Aufhebung des Bescheides vom 3. Juni 1983 zu verurteilen, ihm das Merkzeichen "außergewöhnliche Gehbehinderung (aG)" zuzuerkennen. - 3 - Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Beide Beteiligten sind mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Ver- handlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) einverstanden. II Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das SG hat zu Recht entschieden, daß dem Kläger das Merkzeichen "aG" nicht zusteht. Nach § 3 Abs 4 SchwbG idF der Bekanntmachung vom 8. Oktober 1979 (BGBl I 1649) und ebenso nach § 4 Abs 4 der Neufassung vom 26. August 1986 (BGBl I S 1421, berichtigt 1550) treffen die für die Durchführung des Bun- desversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden die erforderlichen Fest- stellungen über weitere gesundheitliche Merkmale als Voraussetzung für die Inanspruchnahme einer Vergünstigung, bzw eines Nachteilsausgleichs. Nach § 3 Abs 1 Nr 1 der Vierten Verordnung zur Durchführung der SchwbG vom 15. Mai 1981 (BGBl I 431 - Ausweisverordnung -, jetzt gültig idF der Bekannt- machung vom 3. April 1984 - BGBl I S 509) ist im Ausweis des Schwerbehin- derten das Merkzeichen "aG" einzutragen, wenn der Schwerbehinderte außer- gewöhnlich gehbehindert ist iS des § 6 Abs 1 Nr 14 des Straßenverkehrs- gesetzes (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften. Damit weist das Schwerbehindertenrecht, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 6. November 1985 - 9a RVs 7/83 - (SozR 3870 § 3 Nr 18) entschieden hat, die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises dem Rechtsgebiet zu, für das die Begünstigung allein Bedeutung hat. Denn ein Ausweis mit dem Merk- zeichen "aG" befreit den Behinderten von Beschränkungen des Haltens und Parkens im Straßenverkehr und eröffnet ihm besonders gekennzeichnete Parkmöglichkeiten, die - wie der Kläger zutreffend anführt - auch eine größere Fläche als Parkraum zur Verfügung stellen (nach DIN 18 024 Teil 1, wie in der nach § 6 Abs 1 Straßenverkehrsgesetz -StVG- idF vom 6. April 1980 (BGBl I S 413) zuletzt erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO vom 21. Juli 1980 (BAnz Nr 137 vom 29. Juli 1980 S 2) unter Art 1 Nr 7a VIII zu § 45 angeordnet ist). - 4 - Umschrieben wird der begünstigte Personenkreis in der vom Bundesminister für Verkehr erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO idF vom 22. Juli 1976 (BAnz Nr 142 vom 31. Juli 1976 S 3), die auf der gesetzlichen Grundlage des § 6 StVG idF vom 6. August 1975 (BGBl I 2121) beruht. Dort wird unter Art 1 II die alte Verwaltungsvorschrift zu § 46 unter Nr 11 dahin er- gänzt, welche Schwerbehinderten als außergewöhnlich gehbehindert anzuse- hen sind, nämlich solche, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraft- fahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppel- oberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, aber auch einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tra- gen oder die nur eine Beckenkorbprothese tragen können. Neben beispielhaft aufgeführten Behinderten zählen dazu auch diejenigen, die nach versorgungs- ärztlicher Feststellung aufgrund von Erkrankungen dem vorstehend angeführten Personenkreis gleichzustellen sind; des weiteren enthält diese Verwaltungsvorschrift besondere Regelungen für Blinde. Das SG hat zu Recht entschieden, daß der Kläger dem begünstigten Perso- nenkreis nicht gleichgestellt werden kann. Er leidet an einer erheblichen Bewe- gungseinschränkung des Hüftgelenks bei federnder Versteifung des Knie- gelenks nach deformverheiltem Schußbruch des linken Oberschenkels. Wie der Senat bereits in dem genannten Urteil unter Bezugnahme auf SozR 3870 § 3 Nr 11 entschieden hat, liegt eine außergewöhnliche Gehbehinderung in diesem Sinne nur vor, wenn die Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße einge- schränkt ist; die Fähigkeit zu gehen muß unter ebenso großer Anstrengung oder ebenso nur noch mit fremder Hilfe möglich sein, wie bei dem beispielhaft aufgeführten Personenkreis. Das Recht, die Gruppe der zu begünstigenden Schwerbehinderten aus den Zwecken des SchwbG darüber hinaus zu erwei- tern, ist weder den für die Ausstellung des Ausweises zuständigen Behörden noch den Sozialgerichten eingeräumt. Vielmehr hat der Gesetzgeber durch die Formulierung in § 3 Abs 1 Nr 1 der Schwerbehinderten-Ausweisverordnung in- soweit straßenverkehrsrechtliche Vorschriften für maßgeblich erklärt. Daran hat die Aufforderung des § 48 Abs 1 SchwbG (in der seit 1. August 1986 geltenden Fassung), die Nachteilsausgleiche so zu gestalten, daß sie der Art oder Schwere der Behinderung Rechnung tragen, nichts geändert. Gleichgestellt werden können daher nicht alle Personen, die durch vergleichbar schwere Lei- den behindert sind, sondern nur solche, bei denen die Auswirkungen der Leiden denen gleichzuerachten sind, die der Bundesminister für Verkehr in seinen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften genannt hat. Der - 5 - Leidenszustand muß wegen der außergewöhnlichen Behinderung beim Gehen die Fortbewegung auf das Schwerste einschränken. Das SG hat unangegriffen (§ 163 SGG) festgestellt, daß die von verschiedenen Ärzten festgestellte Gehstrecke, die der Kläger noch zusammenhängend zu- rücklegen kann, weit über den Wegstrecken liegt, die Doppeloberschenkel- amputierten und vergleichbaren Personen zugemutet werden können. Der Klä- ger erstrebt auch die Vergünstigung nicht so sehr deshalb, weil er von gewöhn- lichen Parkplätzen aus angestrebte Ziele nicht erreichen könnte. Er sieht sich auf einen mit dem Rollstuhlfahrersymbol gekennzeichneten Parkplatz deshalb angewiesen, weil normale Parkplätze ihm das Ein- und Aussteigen nicht oder nicht ungefährdet ermöglichen. Zum Ausgleich derartiger Nachteile hat aber der Bundesminister für Verkehr die Ausnahmegenehmigung nicht geschaffen. Sie ist vielmehr dazu gedacht, den Schwerbehinderten mit dem Pkw möglichst nahe an sein jeweiliges Ziel fahren zu lassen: Er darf in Fußgängerzonen par- ken, Parkzeiten überschreiten oder ohne Gebühr parken. Damit derartige Park- plätze auch ortsnah zur Verfügung stehen, sind Sonderparkplätze in der Nähe von Behörden, Krankenhäusern, Orthopädischen Kliniken anzulegen; den außergewöhnlich Gehbehinderten sind auch Parksonderrechte vor der Woh- nung oder in der Nähe der Arbeitsstätte einzurichten, wenn in zumutbarer Ent- fernung eine Garage oder ein Abstellplatz außerhalb des öffentlichen Verkehrs- raumes nicht vorhanden ist (vgl die Allgemeine Verwaltungsvorschrift in der Fassung vom 21. Juli 1980 aaO). Der Umfang dieser Vergünstigungen verdeut- licht nochmals, daß nicht die Schwierigkeiten bei der Benutzung des gewöhnli- chen Parkraums, sondern die jeweilige Lage bestimmter Parkplätze zu be- stimmten Zielen straßenverkehrsrechtlich maßgeblich ist. Der Nachteilsaus- gleich soll allein die neben der Personenkraftwagenbenutzung unausweichlich anfallende tatsächliche Wegstrecke soweit wie möglich verkürzen. Dies be- deutet zugleich, daß der Personenkreis eng zu fassen ist. Denn mit der Aus- weitung des Personenkreises steigt nicht nur die Anzahl der Benutzer, dem an sich mit einer Vermehrung entsprechender Parkplätze begegnet werden könnte. Mit jeder Vermehrung der Parkflächen wird aber dem gesamten Perso- nenkreis eine durchschnittlich längere Wegstrecke zugemutet, weil ortsnaher Parkraum nicht beliebig geschaffen werden kann. Auch hier ist bei einer an sich vielleicht wünschenswerten Ausweitung des begünstigten Personenkreises zu bedenken, daß dadurch der in erster Linie zu begünstigende Personenkreis wieder benachteiligt würde. Auch aus der Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung für Blinde können weitere Folgerungen zugunsten des Klägers nicht gezogen werden. Wie der - 6 - Senat in der Entscheidung SozR 3870 § 3 Nr 18 bereits ausgeführt hat, fehlt es insoweit an der Möglichkeit, sonstige Beschädigte mit Blinden gleichzustellen. Die maßgebliche Verwaltungsvorschrift zu § 46 Nr 11 II Nr 2 besagt vielmehr im Einklang mit § 6 Abs 1 Nr 14 StVG lediglich, daß für Blinde ebenso wie für außergewöhnlich Gehbehinderte eine Ausnahmegenehmigung zugunsten des jeweiligen Kraftfahrzeugführers ausgestellt werden kann. Die Blinden werden damit nicht zu außergewöhnlich Gehbehinderten erklärt. Ihnen wird nur stra- ßenverkehrsrechtlich derselbe Nachteilsausgleich eingeräumt, ohne daß ihr Schwerbehindertenausweis mit "aG" zu kennzeichnen ist. Auf die tatsächliche Handhabung kommt es insoweit nicht an. Schon deshalb entbehrt der Gleich- stellungsanspruch des Klägers gegenüber der Versorgungsverwaltung der Grundlage. Der Kläger ist auch nicht generell an der Benutzung gewöhnlicher Parkplätze gehindert. Es hängt von ihrer Lage und Ausgestaltung im Einzelfall ab, ob der Kläger auf der Fahrerseite die Tür ausreichend weit öffnen und mit welchen Vorkehrungen er eine Gefährdung durch den fließenden Verkehr ver- meiden kann. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, 9/9a BV 196/87 vom 15.02.1988, Bundessozialgericht
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Bundessozialgericht
9/9a BV 196/87 Beschluß in dem Rechtsstreit Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin, Prozeßbevollmächtigte: Beklagter, Antragsgegner und Beschwerdegegner. Das Bundessozialgericht, 9. Senat, hat am 15. Februar 1988 beschlossen: Der Antrag der Klägerin, ihr Prozeßkostenhilfe für das Ver- fahren vor dem Bundessozialgericht zu gewähren und Rechts- anwalt K als Prozeßbevollmächtigten beizuordnen, wird abgelehnt. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht Niedersachsen im Urteil vom 14. August 1987 wird als unzulässig verworfen. - 2 - Kosten sind nicht zu erstatten. G r ü n d e : Prozeßkostenhilfe kann der Klägerin nicht gewährt werden, weil ihre Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Sozialgerichtsgesetz -SGG- iVm § 11H Abs 1 Satz 1 Zivilprozeßordnung -ZPO-). Die Revision ist nicht durch das Bundessozialgericht (BSG) zuzu- lassen; denn die Klägerin hat einen Beweisantrag, den das Lan- dessozialgericht (LSG) ohne hinreichende Begründung übergangen haben soll (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 iVm § 103), nicht form- gerecht bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Einen solchen Antrag hätte sie entweder nach dem Inhalt der Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht oder wenigstens nach dem Urteilsinhalt gestellt oder vorher schriftlich vorgebracht und bis zum Ende der Sitzung aufrecht erhalten haben müssen (BSG SozR 1500 § 160 Nr 12). Nach der Beschwerdebegründung ist keine dieser Voraussetzungen er- füllt. Die Klägerin bezieht sich lediglich auf einen mündlich gestellten Antrag, der nicht protokolliert wurde. Sie behauptet nicht, er sei in die Sitzungsniederschrift aufgenommen worden (§§ 153, 122 - 3 - SGG iVm § 159 Abs 1 Satz 1, § 160 Abs 3 Nr 2 und Abs 6 ZPO), was auch nicht zutrifft. Ein Beweisantrag, der über § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG für die Zulassung der Revision bedeutsam wird, muß protokolliert sein; er gehört zu den Anträgen "im weiteren Sinn", und zwar zu den rechtserheblichen Angriffsmitteln, die in § 136 Abs 2 Satz 2 SGG neben dem "erhobenen Anspruch" (vgl dazu § 123 SGG) genannt werden. Das Beachten dieser vorgeschriebenen Förm- lichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden (§ 165 ZPO). wenn eine Klägerin - wie im gegenwärtigen Fall - vor dem LSG durch einen Rechtsanwalt vertreten war, ist der protokol- lierte Antrag iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ebenso maß- geblich, wie wenn sie nicht rechtskundig vertreten war. Im zweiten Fall muß das Revisionsgericht davon ausgehen, daß der Vorsitzende des Berufungsgerichts einen gestellten Beweisantrag hätte protokollieren lassen (§ 112 Abs 2 Satz 2 SGG iVm § 160 Abs 3 Nr 2 ZPO). Die Klägerin behauptet nicht, sie habe durch ihren Rechtsanwalt die Protokollierung eines Beweisantrages, auf den die Beschwerde abstellt, beantragt (§ 160 Abs 4 Satz 1 ZPO) und dies sei abgelehnt worden (§ 160 Abs 4 Satz 2 und 3 ZPO). Schließlich hat die Klägerin keine Protokollergänzung oder -be- richtigung beantragt (§ 160a Abs 2 Satz 3 und § 164 ZPO). Ein Beweisantrag, auf den sich die Klägerin jetzt bezieht, wird auch nicht im Tatbestand des Berufungsurteils wiedergegeben (§ 136 Abs 1 Nr 5 und Abs 2 Satz 2 SGG). Insoweit hat die Kläge- rin keine Berichtigung des Urteils beantragt (§ 139 SGG). Eine Prozeßhandlung, die für die Eröffnung des Revisionsverfahrens unerläßlich wäre, muß in verfahrensrechtlich vorgeschriebener - 4 - Form beurkundet sein, dh im Protokoll oder wenigstens im Ur- teilstatbestand. Die Zulassung der Revision kann nicht davon ab- hängig sein, ob sich bei einer vom Revisionsgericht zu veran- lassenden Zeugenvernehmung die Richter, der Schriftführer oder ein Beteiligter daran erinnern können, daß der Kläger eine wei- tere Beweiserhebung mündlich beantragt hat. Die Beschwerdebegründung verweist mit ihrem Bezug auf die beiden Schriftsätze der Klägerin vom 14. März 1986 und 29. April 1986 nicht auf einen solchen Beweisantrag. Die Beschwerde wird darauf -gestützt, daß ein Ursachenzusammenhang zwischen einer Leberschä- digung und einer Lues-Behandlung mit arsenhaltigem Neo-Salvarsan nicht geprüft worden sei. Zwar hat die Klägerin in den bezeich- neten Schriftsätzen für notwendig erklärt, noch durch ein Gut- achten zu klären, ob eine Salvarsan-Behandlung ihren Leberschaden verursacht habe. Aber damit stellte sie kein neues Beweisthema zur Diskussion; denn Prof. Dr. K , dessen Gutachten vom 25. Mai 1984 die Klägerin damals beanstandete und noch weiterhin für unzureichend hält, hat auch eine Leberschädigung durch andere Medikamente als Quecksilberpräparate zur Behandlung einer Lues nicht als wahrscheinlich beurteilt (vgl das wörtliche Zitat in der Beschwerdebegründung). Bei dieser Sachlage hätte die Klägerin zu ihren schriftlichen Anträgen darlegen müssen, warum das Gut- achten insoweit unzureichend sein sollte. Abgesehen davon wird mit der Beschwerde nicht schlüssig geltend gemacht, nach dem weiteren Verfahrensverlauf müsse angenommen werden, daß der Be- weisantrag in der mündlichen Verhandlung aufrecht erhalten wurde (BSGE 3, 284, 285; SozR 1500 § 160 Nr 12). Falls der Klägerin die - 5 - nach ihrer schriftlichen Beweisanregung vorgenommene Sachaufklä- rung nicht genügte, hätte ihr Prozeßbevollmächtigter im Hinblick auf § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG zuletzt vor der mündlichen Verhandlung oder im Termin selbst einen ergänzenden Beweisantrag entsprechend dem jetzigen Beschwerdevorbringen ausdrücklich stel- len müssen. Die Klägerin behauptete nicht, sie habe genau einen derartigen Beweisantrag in der Sitzung vorgebracht. Bei dieser Verfahrenslage durfte das LSG davon ausgehen, daß eine Begutach- tung über eine Verursachung durch Neo-Salvarsan nicht mehr bean- tragt wurde. Die Kostenentscheidung entspricht § 193 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment BGH, VIII 298/83 vom 30.05.1984, Bundesgerichtshof
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BUNDESGERICHTSHOF
VIII ZR 298/83 BESCHLUSS in dem Rechtsstreit der Firma S. G.. de B. S.A., Aktiengesellschaft belgischen Rechts, , M. du P., B., vertreten durch ihren Vorstand, Albert C., Rene L., Yves B., Comte Eric de V. de C, ebenda, diese vertreten durch die B. Bank, Niederlassung K., der S. G. de B. S.A,, Z.straße in K, vertreten durch die Geschäftsleitunq, Dr. Jürgen D., Georges N., Kägerin und Revisionsklägerin Prozeßbevollmächtiqter: Rechtsanwalt Dr. den Kaufmann Mohammed Reza M.-Z., Inhaber der Handels- firma M. Bros., G. B. in H. , Beklagten und Revisionsbeklagten, Prozeßbevollmächtigte Rechtsanwälte Dr. und , IT. Instanz: in - 2 - Der VIII Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter B. und die Richter T., Dr. Z., Dr. P. und G. am 30. Mai l984 beschlossen: Der Antrag des Beklagten, ihm unter Beiordnung seiner zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten Prozeßkostenhilfe für das beabsichtigte Verfahren zur Bewilligung der Prozeßkostenhilfe zu gewähren, wird zurückgewiesen. Gründe: I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte beantragt, ihm Pro- zeßkostenhilfe für das Verfahren zur Bewilligung von Prozeßko- stenhilfe für das Revisionsverfahren zu gewähren und ihm dafür seine zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten beizuordnen. Nach Bewilligung beabsichtigt er, Prozeßkostenhilfe für seine Rechtsverteidigung in der Revisionsinstanz und für eine unsel- bständige Anschlußrevision zu beantragen. - 3 - II. 1. Unter der Geltung des Armenrechts und auch nach Einführung der Prozeßkostenhilfe war und ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob im Prozeßkostenhilfe- (bzw. im Armenrechts-) Bewilligungsverfahren Prozeßkostenhilfe (bzw. Armenrecht) gewährt werden kann (vgl. ablehnend: OLG Schleswig SchlHA 1978, 75; OLG Hamburg FamRZ 1978, 936; OLG Bremen JurBüro 1979, 447; OLG Karlsruhe AnwBl 1980, 198; OLG Düsseldorf JurBüro 1981, 773; OLG Nürnberg NJW 1982, 288; OLG Hamm FamRZ 1982, 623; KG FamRZ 1982, 831; Schneider MDR 1981, 793; Pentz NJW 1982, 1269; Thomas/Putzo, ZPO, 12. Aufl. § 114 Anm. 1; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl. § 114 Rdn. A II; Zöller/Schneider, ZPO, 13. Aufl. Anm. I 1 b; ders. Vorbem. § 114 Anm. III; bejahend: OLG Köln OLGZ 1969, 33, 35; OLG Celle Nds Rpfl 1977, 190; OLG Köln MDR 1980, 407; OLG Hamm NJW 1982, 287; Baumbach/ Lauterbach/Hartmann, ZPO, 41. Aufl. § 114 Anm. 2 B i, § 119 Anm. 1 C e; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl. § 118 a Rdn. 14). Der Bundesgerichtshof hat diese Streitfrage bisher nicht entschieden; er hat sie in seinem Beschluß vom 28. Janu- ar 1956 - IV ZR 225/55 (*= LM ZPO § 119 Nr. 3) ausdrücklich offen gelassen. 2. Der überwiegenden Auffassung, nach der für das Pro- zeßkostenhilfeverfahren grundsätzlich keine Prozeßkostenhilfe gewährt werden kann, ist zuzustimmen. Das Gesetz sieht Prozeß- kostenhilfe für das Bewilligungsverfahren nicht vor (so auch OLG Schleswig SchlHA 1978, 75, 76; OLG Bremen JurBüro 1979, 447; OLG - 4 - Düsseldorf JurBüro 1981, 773, 774; OLG Nürnberg, NJW 1982, 288; OLG Hamm FamRZ 1982, 623). Nach § 114 ZPO kann Prozeßkostenhilfe für die "Prozeßführung" gewährt werden. Hierunter ist das ei- gentliche Streitverfahren zu verstehen, nicht aber das Prozeß- kostenhilfeprüfungsverfahren, in welchem lediglich über die Ge- währung staatlicher Hilfe für den Antragsteller zu befinden ist (vgl. OLG Hamm FamRZ 1982, 623). Dagegen weisen diejenigen, die Prozeßkostenhilfe für das Prüfungsverfahren befürworten, darauf hin, im Prozeßkostenhilfeverfahren werde zwar unmittelbar über staatliche Fürsorgeleistungen entschieden, gleichzeitig erfolge jedoch eine vorläufige rechtliche Prüfung durch den Richter, in deren Rahmen die Beteiligten ihre Rechte verfolgten. Das Be- willigungsverfahren sei deshalb dem streitigen Prozeßverfahren eng verwandt (OLG Köln OLGZ 1969, 33, 35, 36; vgl. auch OLG Köln MDR 1980, 407). Einer solchen ausdehnenden Auslegung bedarf es nach Sinn und Zweck der Vorschriften über die Prozeßkostenhilfe jedoch nicht. Der armen Partei soll ermöglicht werden, ihr Recht vor Gericht zu verfolgen oder sich in einem Rechtsstreit zu vertei- digen. Die Partei wird nicht dadurch benachteiligt, daß ihr für das Bewilligungsverfahren keine Prozeßkostenhilfe gewährt, ins- besondere kein Rechtsanwalt beigeordnet wird. Bedarf der Antrag- steller, bevor er einen Antrag auf Prozeßkostenhilfe stellt, der Beratung über die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, so findet das Beratungshilfegesetz Anwen- - 5 - dung, das unter den Voraussetzungen des § 1 Rechtsberatung durch Anwalt oder Gericht außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens er- möglicht (vgl. OLG Nürnberg NJW 1982, 288; Schneider MDR 1981, 793, 794; Zöller/Schneider, ZPO, 13. Aufl. § 119 Anm. I 1 b und Vorbem.§ 114 Anm. III; für die Anwendbarkeit des Bera- tungshilfegesetzes zugunsten des Antrags g e g n e r s, weil für diesen das Prozeßkostenhilfeverfahren kein gerichtliches Verfahren sei, Pentz NJW 1982, 1269, 1270; a.A. auch für den Antragsgegner: OLG Hamm NJW 1982, 287). Ziel des Beratungshilfe- gesetzes ist es, sicherzustellen, daß die rechtliche Betreuung finanziell hilfsbedürftiger Bürger auch im vor- und außerge- richtlichen Bereich gewährleistet ist (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung und Stellungnahme des Bundesrates in BR-Drucks. 404/79, Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuß) in BT-Drucks. 8/3695). Hierzu gehört die Be- ratung der armen Partei über ein beabsichtigtes Prozeßkosten- hilfeverfahren, insbesondere die für die Bewilligung der Prozeß- kostenhilfe maßgeblichen Erfolgsaussichten der vorgesehenen Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, die im vorliegenden Falle vom Gericht zwar nicht hinsichtlich der Rechtsverteidigung des Beklagten als Rechtsmittelgegner (vgl. § 119 Satz 2 ZPO), wohl aber hinsichtlich der beabsichtigten Anschlußrevision zu prüfen wären. Auch für eine solche Beratung im Vorfeld des Prozeßkostenhilfeverfahrens muß die staatliche Betreuung der armen Partei gewährleistet sein. Denn der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte würde - wie jeder neu eingeschaltete - 6 - Rechtsanwalt - für diese Tätigkeit eine besondere Auskunfts- gebühr nach § 20 BRA- GebO erhalten (Riedel/Sußbauer/Fraunholz, BRAGebO, 3. Aufl. § 20 Rdn. 16). Der Antrag auf Bewilligung der Prozeßkostenhilfe als sol- cher kann sodann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden (§ 117 Abs. 1 ZPO); Anwaltszwang besteht nach § 78 Abs. 2 ZPO auch in der Revisionsinstanz nicht. Dabei ist der Urkundsbeamte verpflichtet, den Antragsteller über die Antrags- erfordernisse des § 117 ZPO sachgemäß zu beraten (Baumbach/ Lauterbach/Hartmann, ZPO, 42. Aufl. § 117 Anm. 2 B). Der armen Partei, der für das Bewilligungsverfahren Pro- zeßkostenhilfe nicht gewährt wird, entstehen auch keine Kosten- nachteile. Das Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahren ist gerichts- gebührenfrei (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 42. Aufl. § 118 Anm. 5 A; Thomas/Putzo, ZPO, 12. Aufl. § 118 Anm. 3 a). Dem Gegner werden außergerichtliche Kosten, die ihm im Bewilligungsverfahren entstehen, nicht erstattet (§ 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Auch für etwaige Auslagen nach § 118 Abs. 1 Satz 5 ZPO muß der Antragsteller keinen Vorschuß lei- sten. Sie werden zunächst von der Staatskasse getragen und nach Abschluß des Rechtsstreits der unterlegenen Partei als Gerichts- kosten auferlegt (Baumbach/Lauterbach/Hartmann aaO; Thomas/Putzo aaO). - 7 - 3. Da die Rechtsberatung der armen Partei durch das Be- ratungshilfegesetz gewährleistet ist und der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle für einen vollständigen und sachgemäßen Antrag der Partei sorgen muß, ist die Chancengleichheit der armen Par- tei im Vergleich zu finanziell gut gestellten Rechtssuchenden gewahrt. Die restriktive Auslegung des Begriffes "Prozeßführung" in § 114 ZPO verstößt daher nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (so auch OLG Bremen JurBüro 1979, 447). Auch ist dem Erfordernis des Art. 103 Abs. 1 GG (rechtliches Gehör) Rechnung getragen (so auch OLG Nürnberg NJW 1982, 288). Denn das Grundgesetz verlangt nicht, daß das rechtliche Gehör gerade durch Vermittlung eines Anwalts wahrgenommen wird (BVerfG NJW 1971, 2302). 4. Das Oberlandesgericht Hamm hat in seinem Beschluß vom 10. November 1981 dem Antragsgegner für das Prozeßkostenhilfe- verfahren Prozeßkostenhilfe mit der Begründung gewährt, die Neu- fassung des § 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO nötige unter den Voraus- setzungen des § 114 ZPO zur Bewilligung der Prozeßkostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts, weil danach das Interesse einer Partei an anwaltlicher Vertretung immer dann beachtlich sei, wenn auch die andere Partei durch einen Rechtsanwalt ver- treten sei (NJW 1982, 287, 288). Dem kann nicht gefolgt werden. Denn § 121 ZPO regelt lediglich, ob der Partei, der Prozeß- kostenhilfe bewilligt worden ist, auch ein Rechtsanwalt beige- ordnet werden muß. Dieser Vorschrift kann umgekehrt aber nicht - 8 - entnommen werden, daß dem - armen - Gegner einer anwaltlich ver- tretenen Partei immer Prozeßkostenhilfe bewilligt und ein Anwalt beigeordnet werden muß. 5. Da die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozeß- kostenhilfe nach alledem nicht vorliegen, kann offen bleiben, ob der gestellte Antrag nicht schon deshalb zurückgewiesen werden müßte, weil dem Beklagten im Falle der Bewilligung der nach- gesuchten Prozeßkostenhilfe seine zweitinstanzlichen Prozeßbe- vollmächtigten nach § 121 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht beigeordnet werden könnten. Hierdurch entstünden nämlich zusätzliche Kosten. Das Prozeßkostenhilfeverfahren zählt zum Gebührenrechtszug des Verfahrens, auf das es sich bezieht (Riedel/Sußbauer/Keller, BRAGebO, 3. Aufl. § 51 Rdn. 13), hier also zur Revisionsin- stanz. Das bedeutet, daß die im Prozeßkostenhilfeverfahren ver- dienten Gebühren auf die im Rechtsstreit entstehenden ange- rechnet werden (Riedel/Sußbauer/Keller aaO). Die Vertretung der Partei im Prozeßkostenhilfeverfahren durch einen beim Revisions- gericht nicht zugelassenen Rechtsanwalt würde daher die Anrech- nung verhindern. Dieses Ergebnis soll durch § 121 Abs. 2 Satz 2 ZPO ausgeschlossen werden. Ohne die Beiordnung seiner zweitin- stanzlichen Prozeßbevollmächtigten hätte die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Prozeßkostenhilfeverfahren für den Beklagten indessen kein erkennbares Interesse. - 9 - 6. Ob über die Frage der Gewährung von Prozeßkostenhilfe für das Bewilligungsverfahren anders zu entscheiden wäre, wenn im Rahmen des Prozeßkostenhilfeverfahrens ein Vergleich ge- schlossen werden soll (vgl. hierzu OLG Schleswig SchlHA 1978, 75, 76; Pentz NJW 1982, 1269, 1270), kann hier dahinstehen, da ein solcher Fall nicht vorliegt. B. T. Dr. Z. Dr. P. G. Nachschlagewerke: ja BGHZ: ja ZPO §§ 114, 121 Abs. 2 Satz 2 Für das Prozeßkostenhilfeverfahren kann Prozeßkostenhilfe nicht gewährt werden. BGH, Beschl. v. 30. Mai 1984 - VIII ZR 298/83 - OLG Hamburg LG Hamburg Faksimile 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Leitsatz ... link (0 Kommentare) ... comment BVerwG, 7 B 46.88 vom 31.03.1988, Bundesverwaltungsgericht
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BVerwGE: nein
Fachpresse: ja Sachgebiet: Prüfungsrecht Erste Juristische Staatsprüfung Verwaltungsprozeßrecht Stichworte: Prüfungsrechtliches Gebot der Sach- lichkeit; Voraussetzungen einer Divergenz Rechtsquelle: VwGO S 132 Abs. 2 Nr. 2 Buchh. 310 § 132 VwGO Nr. 260 (LT1) KMK HScHR 1988, 981-982 (LT1) Beschluß vom 31. März 1988 - BVerwG 7 B 46.88 Leitsatz: Die unrichtige Anwendung eines vom Bundes- verwaltungsgericht entwickelten und vom Berufungsgericht nicht in Frage gestell- ten Rechtsgrundsatzes auf den zu entschei- denden Einzelfall begründet keine Abwei- chung im Sinne des S 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (ständige Rechtsprechung). Beschluß des 7. Senats vom 31. März 1988 - BVerwG 7 B 46.88 I. VS Hannover vom 04 02.1987 - Az.: 6 VG A 17/85 - II. OVG Lüneburg vom 15.12.1987 - Az.: 10 OVG A 5/87 - BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BVerwG 7 B 46.88 10 OVG A 5/87 BESCHLUSS In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 31. März 1988 . durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. S. und die Richter am Bundes- verwaltungsgericht S. und Dr. G. beschlossen: Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein vom 15. Dezember 1987 wird zurückgewiesen. Die - 2 - Die Klägerin trägt die Kosten des Be- schwerdeverfahrens. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 6 000 DM festgesetzt. Die Klägerin, die die Erste Juristische Staatsprüfung mit der Abschlußnote "vollbefriedigend (11,20 Punkte)" bestanden hat, möchte erreichen, daß die Note auf "gut" verbessert wird. Sie stützt ihr Begehren darauf, daß die Beurteilung ihrer Hausarbeit als "gut (13 Punkte)" Fehler enthalte. Nach ihrer Auffassung wäre die Hausarbeit ohne die Fehler mindestens als "gut (14 Punkte)" beurteilt und damit die erstrebte Gesamtnote erzielt worden. Widerspruch, Klage und Berufung waren ohne Erfolg. Auch die Beschwerde, mit der die Klägerin sich gegen die Nichtzulassung der Revision wendet, kann keinen Erfolg haben. Die allein geltend gemachte Abweichung des Berufungs- urteils von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. September 1984 (BVerwGE 70, 143 = DVBl. 1985, 61 = DÖV 1985, 488 = NVwZ 1985, 187) liegt nicht vor. In dem bezeichneten Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, daß im Prüfungsrecht das Gebot der Sachlich- keit gilt, und dargelegt, welche Anforderungen dieses Gebot an den Prüfer stellt. Eine Abweichung im Sinne des S 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO läge nur dann vor, wenn das Berufungs- urteil dem widersprochen, also das Gebot der Sachlichkeit nicht - 3 - nicht als Voraussetzung eines fehlerfreien Prüfungsverfahrens anerkannt oder hinsichtlich der Anforderungen andere Maßstäbe gesetzt hätte. Das aber ist nicht der Fall. Das Berufungsgericht geht ersichtlich davon aus, daß das Gebot der Sachlichkeit zu den allgemeingültigen Bewertungsgrundsätzen gehört, denn es behandelt ausdrücklich die Frage, ob die Korrek- toren der Hausarbeit gegen dieses Gebot verstoßen haben (UA S. 9). Daß es hierbei andere Maßstäbe angelegt hat als das Bundes- verwaltungsgericht‚ ergibt sich aus dem Urteil nicht. Die Be- schwerde verweist insoweit (unter den Buchstaben a) bis c)) auf Fehler, die nach ihrer Auffassung den Beurteilern unter- laufen sind. Dabei übersieht sie, daß sich aus einer fehler- haften Beurteilung allein noch nicht der Schluß auf einen Verstoß gegen das Gebot der Sachlichkeit ziehen läßt. Davon abgesehen läuft die Argumentation der Beschwerde darauf hinaus, das Be- rufungsgericht habe die Fehler zu Unrecht nicht als prüfungs- rechtlich relevant gewertet und damit das Recht - in seiner Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht - unrichtig ange- wendet. Die unrichtige Anwendung eines vom Bundesverwaltungs- gericht entwickelten und vom Berufungsgericht nicht in Frage gestellten Rechtsgrundsatzes auf den zu entscheidenden Einzel- fall wäre aber noch keine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Die Beschwerde verkennt, daß der Tatbestand dieser Bestimmung nur erfüllt ist, wenn das Berufungsgericht in einer Rechtsfrage - losgelöst von der Würdigung des Einzelfalles - eine dem Bundesverwaltungsgericht widersprechende Rechtsauf- fassung vertritt. Das ist hier nicht der Fall. Die Kostenentscheidung beruht auf S 154 Abs. 2 VwGO, die Streit- wertfestsetzung auf S l4 Abs. 1 Satz l in Verbindung mit S l3 Abs. 1 Satz 2 GKG. ' Prof. Dr. S. S. Dr. G. ... link (0 Kommentare) ... comment VG Wiesbaden, 6 K 1374/11.WI vom 15.03.2013, Verwaltungsgericht Wiesbaden
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6 K 1374/11.WI
Verkündet am: 15.03.2013 (K...) Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle VERWALTUNGSGERICHT WIESBADEN URTEIL IM NAMEN DES VOLKES In dem Verwaltungsstreitverfahren - Kläger — bevollmächtigt: Rechtsanwälte gegen Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das - Beklagte - wegen Verfahren nach dem Informationsfreiheitsgesetz - 2 - hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Wiesbaden durch Vorsitzenden Richter am VG Schild als Berichterstatter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30.11.2012 am 15.03.2013 für Recht er- kannt: Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren einge- stellt. lm Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Voll- streckung Sicherheit in derselben Höhe leistet. Tatbestand Der Kläger begehrt Einsicht in die Haushaltsbücher der Einkommens- und Verbraucher- stichprobe des Jahres 2008 (EVS 2008). Der Kläger wandte sich erstmals mit Mail vom 29.09.2010 an die Beklagte. Dabei führte er aus, dass er den Regelsatz für Alleinstehende für zu niedrig halte. Aufgrund seiner persönlichen Erfahrung könne er sich nicht vorstellen, dass der Regelsatz korrekt be- rechnet worden sei. Er benötige deshalb alle Berechnungsfaktoren und bitte um ent- sprechende Zusendung. Er halte es für zwingend notwendig, die Berechnung des Sta- tistischenBundesamtes zu prüfen; dies, um auszuschließen, dass die Berechnungen - 3 - manipuliert oder gemäß dem politischen Willen der Koalition interpretiert worden seien. Er bitte, ihm alle für eine Nachvollziehung der Berechnung notwendigen Einzeldatensät- ze, am Besten eine Ablichtung der abgegebenen Datenaufschreibung zukommen zu lassen. Nachdem ihm verschiedene Veröffentlichungen zugänglich gemacht worden waren, er- klärte der Kläger mit Mail vom 11.01.2011, dass er alle 60.000 Haushaltsbücher zwecks Auswertung, jedoch ohne Namensangabe und konkreten Wohnsitz benötige. Daraufhin wurde ihm mitgeteilt, dass anonymisierte Mikrodaten (Einzeldaten aus den Haushalts- büchern) Wissenschaftlern auf Antrag bereitgestellt würden. Nachdem der Beklagte dem Kläger Daten der Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) 2008 zum Haushaltsbudget u.a. den privaten Verbrauch nach Einzelcodes in der tiefsten Gliederung zugesandt hatte, beantragte der Kläger mit Mail vom 24.08.2011 erneut, ihm die 60.000 Datensätze, die Basis für die Hartz IV-Regelsatzberechnung wa- ren, als Datenfiles zukommen zu lassen. Dabei berief er sich auf das Informationsfrei- heitsgesetz. Daraufhin wurde dem Kläger mit Mail vom 29.08.2011 mitgeteilt, dass das Statistische Bundesamt die Informationsversorgung der Bevölkerung gewährleiste, indem es sehr detaillierte Ergebnisse der EVS 2008 kostenlos zur Verfügung stelle. Die Ergebnisse basierten auf den Daten von 55.100 Haushalten, die Haushaltsbücher der EVS 2008 ausgefüllt hätten. Mikrodaten würden für Wissenschaftler bereitgestellt. Im Sinne größt- möglicher Transparenz und Nachvollziehbarkeit habe das Bundesministerium für Arbeit und Soziales alle statistischen Berechnungen offen gelegt, die bei der Neuberechnung der Regelsätze verwendet worden seien. Diese Berechnungen seien Sonderauswertun- gen vom Statistischen Bundesamt, welche im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales durchgeführt worden. Daraufhin begehrte der Kläger mit Mail vom 29.08.2011 eine formelle Bescheidung. - 4 - Mit Schreiben der Beklagten vom 01.09.2011 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass die ge- sammelten, personenbezogenen Daten für Zwecke der amtlichen Statistik erhoben und deshalb dem Statistikgeheimnis nach § 16 Bundesstatistikgesetz (BStatG) unterliegen würden. Nach § 16 Abs. 6 BStatG dürften Daten, die dem Statistikgeheimnis unterfallen, auch in anonymisierter Form nur für die Durchführung wissenschaftlicher Vorhaben an Hochschulen oder sonstigen Einrichtungen unabhängiger Forschung übermittelt wer- den, wenn die Einzelangaben nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand an Zeit, Kos- ten, Arbeitskraft zugeordnet werden könnten und die Empfänger Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete nach § 16 Abs. 7 BStatG seien. Der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, dass er zu dem begünstigten Personenkreis zäh- le. Das Informationsfreiheitsgesetz (lFG) gebe jedermann nach Maßgabe der Gesetze ge- genüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informati- onen. Dieser Zugang sei jedoch nicht schrankenlos, sondern an Voraussetzungen ge- knüpft. So sei z.B. auch der Zugang zu personenbezogenen Daten eingeschränkt. Dies sei der Fall, wenn ein besonderes Amtsgeheimnis der Informationsgewährung entgegen stehe. Dies sei mit § 16 BStatG gegeben. Man gebe ihm abschließend Gelegenheit zur Stellungnahme. Daraufhin beantragte der Kläger mit Schriftsatz vom 04.09.2011 ihm Kopien der ca. 60.000 Haushaltsbücher in anonymisierter Form, in Papierform oder aber hilfsweise als Datenfiles, zukommen zu lassen. Das Bundesverfassungsgericht habe ihm mit Schrei- ben vom 17.02.2011 mitgeteilt, dass die Rohdaten beim Beklagten zu beziehen seien. Er wiederhole ausdrücklich, dass er keinerlei personenbezogene Daten (Namen und Anschriften der Haushaltsbuchführer) erhalten wolle, sondern lediglich alle Daten, die es ihm ermöglichten, die Richtigkeit der EVS-Erhebung kontrollieren zu lassen, da er diese anzweifle. Mit Bescheid des Beklagten vom 15.09.2011, zur Post gegeben am 16.09.2011, wurde der Antrag abgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass auf- - 5 - grund der Beachtung und Wahrung des Statistikgeheimnisses nach § 16 Abs. 6 BStatG durch das Statistische Bundesamt keine Einzeldaten herausgegeben werden könnten. Das Statistikgeheimnis sei ein besonderes Amtsgeheimnis. Hiergegen legte der Kläger mit Fax vom 21.09.2011 Widerspruch ein. Im Weiteren frage der Kläger an, ob die Datenfiles EVS 2008 Wissenschaftlern, Gutachtern sowie übrigen Beteiligten der Anhörung im Bundestagsausschuss Arbeit und Soziales zur Verfügung gestellt worden seien. Nach mehreren Erinnerungen des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid des Be- klagten vom 09.11.2011 der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen nach § 1 IFG nicht schrankenlos sei. Gemäß § 3 IFG bestehe ein Anspruch auf Informa- tionszugang nicht, sondern sei z.B. ausgeschlossen bei militärischen oder sicherheitsre- levanten Bereichen und auch dann, wenn die Informationen einem Berufs- oder beson- derem Amtsgeheimnis unterliegen. Das Statistikgeheimnis nach § 16 Abs. 1 BStatG stelle eine solches Amtsgeheimnis dar. Unter seinem Schutz stünden Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse, die für die Bundesstatistik gemacht wor- den seien. Schutzwürdig und damit geheim zu halten seien danach Einzeldaten, die vom Auskunftspflichtigen oder Befragten in Erfüllung seiner statistischen Auskunfts- pflicht oder bei einer Erhebung ohne Auskunftspflicht freiwillig abgegeben würden. Die in den Haushaltsbüchern von den teilnehmenden Haushalten gemachten Angaben un- terlägen damit dem Statistikgeheimnis und dürften nicht herausgegeben werden. Selbst wenn man die begehrten Haushaltsbücher derart anonymisiere, dass sie nur mit einem unverhältnismäßig großem Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeit zugeordnet werden könnten, dürften diese nicht zur Verfügung gestellt werden, da sie nicht die Voraus- setzungen des § 16 Abs. 1 BStatG erfüllten. Der Widerspruchsbescheid wurde am 15.11.2011 zugestellt. - 6 - Mit Schriftsatz vom 11.12.2011, eingegangen am selben Tage bei dem VerwaItungsge- richt Wiesbaden, hat der Kläger Klage erhoben mit dem Ziel, ihm Kopien der rund 60.000 Haushaltsbücher, die Gegenstand der EVS 2008 waren, in anonymisierter Form zu überlassen. Im Laufe des weiteren Verfahrens beantragte der Kläger schließlich in der mündlichen Verhandlung am 30.11.2012 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die im Rahmen der EVS 2008 erhobenen Daten zur Verfügung zu stellen, soweit sie folgende Teile der Haushaltsbücher betreffen: — alle Daten eines Einpersonenhaushalts mit Ausnahme der Datenfelder Land, Haushaltsnummer, Datenfelder A bis H; stattdessen das von der Beklagten ermittelte Nettoeinkommen pro Einpersonenhaushalt; — die Ausgaben I bis W mit der Maßgabe, dass der Beklagten zugestanden wird, für jedes einzelne Datenfeld die Extremwerte im Volumen der jeweils kleinsten bzw. größten zehn Prozent der Werte, mindestens jedoch fünf der jeweiligen Spitzenwerte (im oberen bzw. unteren Bereich) unkenntlich zu machen und so darzustellen, als ob keine Angaben eingefügt worden sind; — der Beklagten nachgelassen bleibt, einzelne Datensätze vollständig auszulas- sen, wenn die Daten so signifikant sind, dass sie mit geringem Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitsaufwand einer Person zugeordnet werden können. Der Kläger stellt klar, dass keine Namen, Geburtsdaten oder sonstigen personenbezo- genen/beziehbaren Daten erwünscht werden. Der Beklagten werde dabei freigestellt, in welcher Form die Daten zur Verfügung gestellt werden. Der Kläger erklärte ferner klarstellend, dass mit den obersten und untersten zehn Pro- zent der jeweils oberste und unterste Wert für jedes einzelne Merkmal gemeint seien. - 7 - Im Übrigen nahm er die Klage zurück. Das beklagte Statistische Bundesamt beantragt, die Klage abzuweisen. Es führt letztendlich zur Begründung aus, dass, nach dem nunmehrigen Antrag des Klä- gers die Vorgaben nach dem Klageantrag zwar technisch möglich umgesetzt werden könnten. Insoweit könnten die Datensätze der Einzelhaushalte (15.465 Haushalte) her- ausgefiltert werden. Aus diesen Datensätzen würden dann alle Datenfelder gelöscht mit Ausnahme der Datenfelder, die Angaben zu den Haushaltsbuchabschnitten I bis W so- wie den Wert zum jeweiligen Haushaltsnettoeinkommen enthalten. Ebenfalls technisch umsetzbar sei die Vorgabe, dass jedes einzelne Datenfeld die Extremwerte in Volumen, die jeweils kleinsten bzw. größten 10 % der Werte, mindestens jedoch 5 der jeweiligen Spitzenwerte unkenntlich zu machen, indem sie so dargestellt werden, als ob der Haus- halt keine Angaben gemacht hätte. Jedoch gebe das Bundesstatistikgesetz vor, dass Einzelangaben nur an Hochschulen oder sonstige Einrichtungen mit der Aufgabe unabhängiger wissenschaftlicher For- schung übermittelt werden dürften, sofern sie nur mit unverhältnismäßig großem Auf- wand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft zugeordnet werden könnten. Der Kläger zähle als Privatperson nicht zu diesem Adressatenkreis. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 BStatG dürften Einzelangaben Privatpersonen nur zugänglich gemacht werden, wenn sie den Befragten oder Betroffenen nicht mehr zuzuordnen seien. Die Kriterien für einen absolut anonymisierten Datensatz könnten vorliegend nicht erfüllt werden. Bei den gewünschten Daten handele es sich um keine Stichprobe. Auch sei die Erhebung noch aktuell. Hinzu komme, dass der Kläger das ermittelte Nettoeinkommen pro Ein-Personen-Haushalt „spitz“ wünsche. Die Angaben I bis W müssten mindestens 5-fach besetzt sein. - 8 - Eine absolute Anonymisierung der Daten führe dazu, dass eine Deanonymisierung nur mit erheblich höherem Aufwand durchführbar wäre, wenn nicht die Originaldaten, son- dern in geeigneter Weise durch Berechnungsverfahren veränderte Daten herausgege- ben würden. Dies würde aber bedeuten, dass ein neuer Datensatz berechnet werden müsste. Dies entspreche dann nicht mehr den Vorgaben des lFG. Hiernach müsse die Behörde nur vorhandene Daten bzw. Aufzeichnungen herausgeben. Jedoch müssen keine neuen Aufzeichnungen hergestellt werden. Ohne Neuberechnung wäre trotz der erfolgten Löschung etc. eine Deanonymisierung der Daten möglich. Dabei müsse insbesondere auch die Kombination von Ausgabeposi- tionen betrachtet werden, die derart exklusiv seien, dass sie einem bestimmten Haus- halt zugeordnet werden könnten. Für einige wenige Positionen seien die exakten Aus- gaben zu erkennen, weil die Wahrscheinlichkeit, dass mehr als ein Haushalt eine auf den Cent-Betrag identische Ausgabenkombination aufweise, ausgesprochen gering sei. An den Kläger dürften aber nur absolut anonymisierte Datensätze zur Verfügung gestellt werden. Außerhalb des IFG gebe es die Möglichkeit, für den Kläger einen absolut anonymisier- ten Datensatz herzustellen. Die Herstellung und Übermittlung eines solchen Datensat- zes erfolge dann aber nur gegen eine entsprechende Kostenübernahme (in Höhe von geschätzt mehreren Tausend Euro). Bereits mit Kammerbeschluss vom 22.05.2012 wurde dem Kläger nur insoweit Prozess- kostenhilfe gewährt, als ihm die im Rahmen der EVS 2008 erhobenen Daten von rund 60.000 Haushaltsbüchern als Datenfiles in anonymisierter Form zur Verfügung zu stel- len seien. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Klägers wurde vom HessVGH mit Beschluss vom 16.08.2012 zurückgewiesen (Az. 6 D 1218/12). - 9 - Eine dagegen eingelegte Anhörungsrüge wurde mit Beschluss des HessVGH vom 10.09.2012 zurückgewiesen (Az. 6 D 1757/12.R). Bereits mit Schriftsatz vom 14.12.2011 (Bl. 31 GA) hat sich der Kläger und mit Schrift- satz vom 28.12.2011 hat sich das beklagte Statistische Bundesamt (Bl. 34 GA) mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt. In der nach mehreren Terminierungsversuchen durchgeführten mündlichen Verhand- lung am 30.11.2012 wurde der Sach- und Streitstand sehr ausgiebig erörtert. Insoweit wird vollinhaltlich auf das Protokoll Bezug genommen. Aufgrund des insoweit in der mündlichen Verhandlung gestellten, modifizierten und ein- geschränkten Klageantrages erhielt sowohl das Statistische Bundesamt als auch an- schließend der Kläger hinreichend Gelegenheit zur Stellungnahme. Auf die abgegebe- nen Stellungnahmen wird vollinhaltlich Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Prozesskos- tenhilfe-Akte, die Behördenakte sowie die Gerichtsakte 6 L 928/12.WI Bezug genom- men, welche sämtlich zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gemacht worden sind. Entscheidungsgründe Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Klage zurückgenommen hat, war das Verfahren einzustellen. Der von dem Kläger nunmehr gestellte konkretisierende Antrag ist zulässig und sach- dienlich. Er ist aber nicht begründet. Zwar hat jeder nach Maßgabe des IFG gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen, § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Jedoch besteht ein solcher Anspruch auf Informationszugang nicht, - 10 - wenn die Informationen einer durch Rechtsvorschrift oder allgemeine Verwaltungsvor- schrift zum materiellen oder organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitsverpflichtung oder einem Berufs- oder besonde- ren Amtsgeheimnis unterliegt, § 3 Nr. 4 IFG. Bei der Regelung des § 3 IFG handelt es sich um einen absoluten Ausschlusstatbestand. Unter besondere Amtsgeheimnisse fal- len neben dem Sozialgeheimnis (§ 35 SGB l) und dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) auch das Statistikgeheimnis gemäß § 16 BStatG. Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 BStatG sind „Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse, die für eine Bundesstatistik gemacht worden sind und von den Amtsträ- gern und für den Öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten, die mit der Durchführung von Bundesstatistiken betraut sind, geheimzuhalten, soweit durch besondere Rechts- vorschriften nichts anderes bestimmt ist“. Bei der Einkommens- und Verbraucherstich- probe des Jahres 2008 (EVS 2008) handelt es sich um eine Bundesstatistik. Hierbei wurden von den jeweiligen Betroffenen Einzelangaben in die Haushaltsbücher eingetra- gen. Damit unterliegen diese der Geheimhaltung gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 BStatG. Eine besondere Rechtsvorschrift, die etwas anderes bestimmt und damit die Geheim- haltungspflicht des § 16 Abs. 1 S. 1 BStatG durchbricht, ist nicht gegeben. Das Statistikgeheimnis findet jedoch gemäß § 16 Abs. 1 S. 2 BStatG keine Anwendung, wenn a) der Befragte schriftlich in die Übermittlung oder Veröffentlichung von Einzelangaben eingewilligt hat, b) die Einzelangaben aus allgemein zugänglichen Quellen stammen, c) die Einzelangaben von dem Statistischen Bundesamt oder den statistischen Ämtern der Länder mit den Einzelangaben anderer Befragter zusammengefasst und in statis- tischen Ergebnissen dargestellt sind (sog. aggregierte Daten) oder aber, wenn d) die Einzelangaben dem Befragten oder Betroffenen nicht zuzuordnen sind (§ 16 Abs. 1. S. 2 Nr. 4 BstatG). - 11 - Letzteres ist vorliegend nicht der Fall. Denn der Kläger begehrt mit seinem Klageantrag alle Daten eines Ein-Personen-Haushaltes mit Ausnahme der Datenfelder: Land, Haus- nummer, Datenfelder A — H. Insoweit begehrt er das jeweils ermittelte Nettoeinkommen pro Ein-Personen-Haushalt und ferner die Angaben über die Ausgaben I — W (Kosten für Wohnen und Energie, Verkehr, Post und Telekommunikation, Gesundheit und Körperpflege, Bekleidung und Schuhe, Innenausstattung, Haushaltsgeräte und —gegenstände, laufende Haushaltsführung, Freizeit, Unterhaltung und Kultur, Gaststät- ten, Kantinen, Hotels, Pensionen, Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren, Bildungswe- sen und Kinderbetreuung, sonstige Waren und Dienstleistungen, Versicherungsbeträge, Bildung von Geldvermögen, Restzahlungen, Ratenzahlungen, Soll- und Überziehungs- zinsen, Neuaufnahme von Krediten). Bei diesen Daten handelt es sich um Einzelanga- ben, die dem jeweiligen Betroffenen, der das Haushaltsbuch ausgefüllt hat, im Einzel- nen zugeordnet werden können. Zwar hat der Kläger dargelegt, dass er die Datensätze vollständig ausgelassen habe wolle, die so signifikant sind, dass mit geringem Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeits- aufwand diese einer Person zugeordnet werden können, jedoch bleiben auch die übri- gen Einzelangaben grundsätzlich dem jeweiligen Betroffenen zuordenbar. Es handelt sich in diesem Fall, so wie der Kläger die Daten nunmehr von der Beklagten begehrt, - wenn überhaupt - um lediglich anonymisierte Daten. Denn mit einem entsprechenden Zusatzwissen kann das auf Cent genau angegebene Einkommen, aber auch eine Aus- gabe, einer Person zugerechnet werden. Nur soweit die Daten so zusammengefasst und so gehäuft sind, dass es sich um statis- tische und damit aggregierte Daten handelt, sind Einzelangaben einer natürlichen Per- son sicher nicht mehr zuordnenbar. Dabei ist zu beachten, dass § 3 Abs. 1 BDSG be- stimmt, dass personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person sind. Soweit die Daten nicht statistisch zusammengefasst sind, wofür es mindestens der Daten von fünf Betroffenen zur Aggregierung bedarf, sind die Daten allenfalls als anonymisierte Daten - 12 - nur mit einem unverhältnismäßig großem Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft ei- ner bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person zuordnenbar. Dabei ist anony- misieren definiert als das Verändern personenbezogener Daten derart, dass die Einzel- angaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse nicht oder nur mit einem unver- hältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person zugeordnet werden können. Es handelt sich hierbei jedoch weiterhin um personenbezogene Daten, solange eine Wiederzusammenführung der zur Identifikation geeigneten Daten mit anderen anonymisierten Daten möglich ist. Soweit eine Reidentifizierung nicht völlig ausgeschlossen werden kann, ist daher immer von einem personenbezogenen Datum auszugehen. Zur Anoymisierung ist es zwar auch unerlässlich, dass die direkten oder indirekten Iden- tifikationsmerkmale, wie Name, Anschrift, Personenkennzeichen usw. gelöscht werden. Dieser Vorgang, wie ihn der Kläger begehrt, führt jedoch letztendlich nicht dazu, dass eine Personenbeziehbarkeit auszuschließen ist. Die Einzelangaben können im Zweifel einem Betroffenen zugeordnet werden, auch wenn dazu vielleicht ein Zusatzwissen er- forderlich ist. Erst wenn aus den Daten „Einzelangaben“ ein neuer Datenbestand ge- schaffen wird, der personenbeziehbare Daten nicht mehr enthält, handelt es sich um Einzelangaben, die einer natürlichen Person nicht mehr zugeordnet werden können. Dabei ist zunächst festzustellen, dass das von dem Betroffenen angegebene Nettoein- kommen und seine Ausgaben nach dem Klagebegehen (mit Ausnahme der „Extremwer- te“) unverändert übermittelt werden sollen und damit einem einzelnen Betroffenen grundsätzlich zuordnenbar sind. Nur wenn — wie die Beklagte zu Recht ausführt — die Originaldaten in geeigneter Weise durch Berechnungsverfahren verändert würden (Zu- sammenfassung von mindestens fünf Einzelhaushalten und Ermittlung eines Durch- schnittswertes), lägen aggregierte Daten und damit keine Einzelangaben vor. Bei den von dem Kläger begehrten Daten handelt es sich jedoch, selbst wenn man die Datenfelder Land, Haushaltsnummer Datenfelder A — H löscht und auch signifikante Ext- remwerte ausblendet, um nichts anderes als um anonymisierte Daten, die — wenn auch - 13 - gegebenenfalls mit einem erheblichen Aufwand —- einem Betroffenen zugerechnet wer- den können. Bezüglich anonymisierter Daten enthält § 16 BStatG jedoch eine Sonderregelung. Hier regelt § 16 Abs. 6 BStatG, dass Einzelangaben, die nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft zugeordnet werden können, zur Durchführung wissenschaftlicher Vorhaben an Hochschulen oder sonstige Einrichtungen mit der Auf- gabe unabhängiger wissenschaftlicher Forschung übermittelt werden dürfen, wenn die Empfänger Amtsträger sind oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete o- der verpflichted nach § 16 Abs. 7 BStatG sind, sie also auf das Statistikgeheimnis ver- pflichtet wurden. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil (Urteil vom 15.12.1983, Az.: 1 BvR 209/83 u.a.) festgestellt: „Für den Schutz des Rechts auf infor- mationelle Selbstbestimmung ist — und zwar auch schon für das Erhebungsverfahren — die strikte Geheimhaltung der zu statistischen Zwecken erhobenen Einzelangaben un- verzichtbar, solange ein Personenbezug noch besteht oder herstellbar ist (Statistikge- heimnis); das Gleiche gilt für das Gebot einer möglichst frühzeitigen faktischen Anony- misierung, verbunden mit Vorkehrungen gegen eine Deanonymisierung.“ Damit wurde festgestellt, dass dem Betroffenen im Rahmen des Statistikgeheimnisses das Restrisiko einer Deanonymisierung im Verhältnis zu der Statistikbehörde zugemutet werden kann. Diese Überlegung führt jedoch nicht dazu, dass anonymisierte Daten von der Statistikbehörde an Außenstehende wie den Kläger weiter gegeben werden dürfen. Insoweit hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden mit Urteil vom 10.09.2003, Az.: 5 E 2413/02, Rdnr. 28 — nach juris — ausgeführt: „Angesichts der erheblichen Bedeutung der Statistik für die staatliche Politik, die den Prinzipien und Richtlinien des Grundgesetzes verpflichtet ist, muss der Ein- zelne grundsätzlich Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbe- - 14 - stimmung im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen (so BVerwG, Urteil vom 15.12.1983, Az.: 1BvR 209/83 u.a.). Dabei muss berücksichtigt werden, dass es nicht Aufgabe der Bundesstatistik ist, personen- oder institutionsbezoge- ne Nachweise zu liefern, sondern sich mit Massenerscheinungen auseinanderzu- setzen. Die amtliche Statistik ist daher generell dem Grundsatz verpflichtet, wo- nach die Aufbereitung von Individualdaten immer zu einer strukturierten, anony- misierten Form führen muss. Der Grundsatz der Geheimhaltung der statistischen Einzelangaben ist somit als konstitutiv für die Funktionsfähigkeit der amtlichen Statistik anzusehen (vgl. dazu Dr. Poppenheger, Erläuterung zu § 16 BStatG, in: Das deutsche Bundesrecht Vl/l Z1 O). “ Insoweit sind Daten, welche letztendlich noch einem Betroffenen zugeordnet werden können, dem Statistikgeheimnis unterliegend, soweit diese Daten beim Statistischen Bundesamt vorliegen. Zur Einhaltung des Statistikgeheimnisses gemäß § 16 Abs. 1 BStatG bedarf es vorlie- gend auch mehr als dem einfachen Weglassen von personenbeziehbaren Datenteilen. Vielmehr müssten die Daten komplett neu berechnet und verändert werden, was bedeu- tet, dass neue Datensätzen herzustellen sind. Dies wiederum ist von dem Anspruch auf Informationsfreiheit nicht gedeckt. Denn der Anspruch bezieht sich nur auf vorhandene Informationen. Denn gemäß § 2 Nr. 2 IFG sind amtliche Informationen jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung unabhängig von der Art ihrer Speicherung, mithin be- reits vorhandene Daten. Insoweit kennt das IFG auch keine Informationsbeschaffungs- pflicht oder gar Herstellungspflicht von Informationen. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob durch entsprechende Überarbeitung der Daten diese so verändert werden können, dass sie einer einzelnen Person nicht mehr zugeordnet werden können. Dies auch, wenn der Kläger dazu anmerkt, dass wenn man das gesamte Anonymisierungsraster über die Daten legen würde, wie der Beklagte sie vorgeschlagen habe, dies keinen Erkenntniswert mehr für ihn habe. - 15 - Wie sich im Rahmen des Verfahrens ergeben hat, liegen bei der Beklagten auch keine „Rohdaten“ vor, welche so beschaffen sind, dass möglicherweise darin enthaltene Ein- zelangaben dem Betroffenen nicht zuzuordnen sind. Insoweit ist der nunmehrige ge- richtliche Kenntnisstand ein weitergehender als zum Zeitpunkt der Gewährung der Pro- zesskostenhilfe bei dem Beschluss vom 22.05.2012. Nach alledem war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 VwGO. Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit bezüglich der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Rechtsmittelbelehrung Die Beteiligten können die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des voll- ständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Wiesbaden Mainzer Straße 124 65189 Wiesbaden zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Mona ten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof Brüder-Grimm-Platz 1 34117 Kassel einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 16 - 4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwal- tungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes o- der des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht o- der 5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Vor dem Hessischen Venrwaltungsgerichtshof besteht gemäß § 67 Abs. 4 VwGO Vertre- tungszwang. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren beim Hessi- schen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Bei den hessischen Verwaltungsgerichten und dem Hessischen VerwaItungsgerichtshof können elektronische Dokumente nach Maßgabe der Verordnung der Landesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr bei hessischen Gerichten und Staatsanwalt- schaften vom 26. Oktober 2007 (GVBI. l, S. 699) eingereicht werden. Auf die Notwen- ' digkeit der qualifizierten digitalen Signatur bei Dokumenten, die einem schriftlich zu un- terzeichnenden Schriftstück gleichstehen, wird hingewiesen (§ 55a Abs. 1 Satz 3 VwGO) Hinweis: Soweit eine Ausfertigung dieses Urteils Randnummern enthält, sind diese von der Un- terschrift des Richters nicht gedeckt und entspricht nicht dem Original. Faksimile 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, 5 RJ 26/94 vom 12.12.1995, Bundessozialgericht
anselmf
BUNDESSOZIALGERICHT
Im Namen des Volkes Urteil in dem Rechtsstreit Az: 5 RJ 26/94 Kläger und Revisionskläger, Prozeßbevollmächtigte: gegen Landesversicherungsanstalt Hessen, Frankfurt, Städelstraße 28, Beklagte und Revisionsbeklagte. Der 5. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 12. Dezember 1995 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. B., die Richter B. und Dr. F. sowie die ehrenamtliche Richterin W. und den ehrenamtlichen Richter van S. für Recht erkannt: Auf die Revision des Klägers wird der Beschluß des Hessischen Landessozial-gerichts vom 15. Oktober 1993 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen. - 2 - Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten. - 3 - Gründe: I Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Altersruhegeld wegen Vollendung des 60. Lebensjahres und einer Arbeitslosigkeit von mindestens 52 Wochen in den letzten eineinhalb Jahren an den Kläger. Streitig ist insbesondere das maßgebliche Geburtsdatum des Klägers. Der Kläger ist türkischer Nationalität. Er arbeitete zwischen 1969 und 1988 versi- cherungspflichtig in der Bundesrepublik Deutschland. Bei der Erteilung der Versi- cherungsnummer in der gesetzlichen Rentenversicherung wurde als Geburtsdatum der 10. Januar 1935 zugrunde gelegt. Seinen unter der Vorlage einer Entscheidung des Amtsgerichts E /Türkei, wonach sein Geburtsdatum auf den 10. Januar 1930 geändert worden war, gestellten Antrag auf Gewährung von Altersruhegeld gemäß § 1248 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Februar 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Januar 1991 ab, weil der Kläger das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts vom 14. August 1992; Beschluß des Landessozialgerichts vom 15. Oktober 1993). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Nach den Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13. und 14. Oktober 1992 - 5 RJ 16/92 und 5 RJ 24/92 - habe ein Versicherter grundsätzlich keinen Anspruch darauf, daß der Versicherungsträger ein anderes Geburtsdatum als das bei der Bildung der Versicherungsnummer berücksichtigte verwende. Denn richtiges Geburtsdatum sei stets und auf Dauer das von dem Versicherungsträger bei Vergabe der Versicherungsnummer zugrunde gelegte Geburtsdatum, wenn dieses den im damaligen Zeitpunkt vom Versicherten gemachten Angaben entspreche und mit den von ihm damals vorgelegten ausländischen Urkunden übereinstimme. Die spätere Änderung des Geburtsdatums sei daher nicht zu berücksichtigen; somit entfalle die Notwendigkeit weiterer Beweiserhebung. Diese Grundsätze seien auch auf den sogenannten "Leistungsfall" zu beziehen. Der Kläger hat die vom BSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung des § 1248 Abs 2 RVO und des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Er ist der Ansicht: Der Versicherungsträger sei bei Geltendmachung von Lei- stungsansprüchen verpflichtet, das richtige Geburtsdatum für den Leistungsfall festzustellen. Das in der Versicherungsnummer enthaltene Geburtsdatum des Ver- sicherten könne nicht präjudiziell für die Festlegung des Leistungsfalls sein; so habe das BSG im Urteil vom 29. November 1985 (4a RJ 9/85 - SozR 2200 § 1248 Nr 44) auch entschieden, daß der Versicherungsträger stets verpflichtet sei, im Leistungsfall das - 4 - richtige Geburtsdatum aufgrund freier Beweiswürdigung festzustellen. Im Rahmen dieser Beweiswürdigung komme dem durch ausländische Gerichte festgesetzten Geburtsdatum zumindest Indizfunktion ("prima facie"-Beweis) zu. Dieses geänderte Geburtsdatum werde auch von deutschen Behörden, zB der Ausländerbehörde, dem Arbeitsamt und der Krankenkasse, als verbindlich anerkannt. Der Kläger beantragt, den Beschluß des Hessischen Landessozialgerichts vom 15. Oktober 1993, das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 14. August 1992 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Februar 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Januar 1991 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Zugrundelegung des Geburtsdatums vom 10. Januar 1930 ab 1. Februar 1990 Altersruhegeld gemäß § 1248 Abs 2 RVO zu gewähren, hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und die Rügen des Klägers für un- begründet. Den vom Kläger angebotenen Zeugenbeweis sieht sie für prinzipiell nicht geeignet an, das Geburtsdatum eines Versicherten zu beweisen, weil es sich allenfalls um einen Beweis vom "Hörensagen" handelte. Im weiteren führt sie aus: Zeugen, die behaupteten, im gleichen Jahr wie der Kläger geboren zu sein, könnten diese Tatsache nicht aus eigener Kenntnis bekunden. Das Geburtsdatum der Zeugen sei ebensowenig zu beweisen, wie das des Klägers. Wenn Eintragungen in türkische Geburtsregister falsch sein könnten, könnten dies auch die Eintragungen hinsichtlich der Zeugen sein. II Die kraft Zulassung durch das BSG statthafte Revision des Klägers ist iS der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet. Die tatsächlichen Feststellungen des LSG reichen für eine abschließende Entscheidung nicht aus. Das Berufungsgericht wird zum Alter des Klägers und zu den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des vorgezogenen Altersruhegeldes wegen Arbeitslosigkeit noch weitere Ermittlungen anzustellen haben. Nach § 1248 Abs 2 RVO erhält Altersruhegeld auf Antrag der Versicherte, der - neben weiteren Voraussetzungen - das 60. Lebensjahr vollendet hat. Feststellungen zum Alter - 5 - des Klägers hat das Berufungsgericht noch nicht getroffen. Es hat das Geburtsdatum des Klägers vielmehr der bisher für ihn vergebenen Versicherungsnummer entnommen und ausgeführt, ein Versicherter habe grundsätzlich kein Recht darauf, daß der Versicherungsträger ein anderes Geburtsdatum als das bei der Bildung der Versicherungsnummer berücksichtigte verwende. Bei der Gewährung von Altersruhegeld gemäß § 1248 Abs 2 RVO sind die anspruchsbegründenden Tatsachen im Leistungsfall jedoch von Amts wegen unter Ausschöpfung aller erreichbaren und tauglichen Beweismittel nach den auch sonst im sozialrechtlichen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren geltenden Regeln festzustellen (dazu unten noch näher). Insoweit stellt § 1248 Abs 2 RVO als Anspruchsgrundlage keine Ausnahme vom Modell leistungsrechtfertigender Normen iS des § 2 Abs 1 Satz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) dar, für die es selbstverständlich ist, daß zur ordnungsgemäßen Leistungsabwicklung der den jeweiligen Tatbestandsmerkmalen entsprechende Sachverhalt im Einzelfall nach §§ 20 ff des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) und §§ 117 ff SGG konkret und vollständig zu ermitteln und festzuschreiben ist. Eine Besonderheit gegenüber den allgemein gültigen Grundsätzen besteht hierbei auch nicht in der Frage, ob und in welchem Umfang es eine Bindung an zuvor schon in anderem rechtlichen Zusammenhang und auf andere rechtliche Verfahrensweise vorgenommene Notierungen von Daten gibt. Greifen nicht derartige generelle Gesichtspunkte prozeß- oder auch sozialversicherungsrechtlicher Art (zB Beweis- sicherung nach § 76 SGG, Tatbestandswirkung, Vormerkung von Versicherungszeiten) mit bestätigender - dh Zweifel erschwerender oder sogar ausschließender - Wirkung ein, bleibt es für eine anspruchsbegründende Tatsache beim Grundsatz der aktuell auf den Leistungsfall bezogenen vollen Ermittlung und Beweisführung. Der Tatsache des Geburtsdatums eines Versicherten ist durch die Verwendung als Bestandteil der Versicherungsnummer in dieser Hinsicht keine Sonderstellung eingeräumt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gibt es weder eine materiell-rechtliche Bestimmung noch einen sonstigen Rechtssatz, wonach für den Versicherungsfall maßgebendes Geburtsdatum stets und auf Dauer das vom Versicherungsträger bei der Vergabe der Versicherungsnummer zugrunde gelegte Geburtsdatum ist, wenn dieses den im damaligen Zeitpunkt von dem Versicherten gemachten Angaben entspricht und mit den von ihm damals vorgelegten ausländischen Urkunden übereinstimmt. Die insoweit vom LSG zitierten Urteile des erkennenden Senats vom 13. und 14. Oktober 1992 (5 RJ 16/92 und 24/92 -BSGE 71, 170 = SozR 3-5748 § 1 Nr 1 und SozVers 1993, 278) betreffen allein den Anspruch eines Versicherten auf Berichtigung seiner bisherigen Versicherungsnummer (Vergabe einer neuen Versicherungsnummer) bei geändertem Geburtsdatum. In diesen Entscheidungen hat der Senat auf die Ordnungsfunktion der Versicherungsnummer abgestellt, die lediglich dazu dient, die personenbezogene - 6 - Zuordnung der Daten für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe nach dem Sozi- algesetzbuch (SGB) zu ermöglichen, § 147 des Sechsten Buches Sozialgesetz- buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI). Hierzu hat er ausgeführt, mit der auf die Ordnungsfunktion beschränkten Aufgabe der Versicherungsnummer sei nicht zu vereinbaren, daß der Versicherungsträger nach ordnungsgemäßer Bildung der Versicherungsnummer gezwungen werden solle, späterem Vorbringen des Versicherten über die Unrichtigkeit der seinerzeit von ihm selbst gemachten Angaben nachzugehen, um in aller Regel nur feststellen zu können, daß ein anderes Geburtsdatum allenfalls möglich, das genaue Geburtsdatum aber ohnehin nicht feststellbar sei. Damit hat der Senat zwar erkannt, daß sich ein "richtiges" Geburtsdatum für die Bildung einer neuen Versicherungsnummer nach Tag, Monat und Jahr Jahrzehnte nach der Geburt selbst im Inland in aller Regel nachträglich nicht bestimmen läßt, es sei denn anhand der Eintragungen im Geburtenbuch oder anderer geburtsnah erstellter Urkunden. Er hat aber auch ausgeführt, daß eine Entscheidung des Versicherungsträgers, nunmehr bei Bildung der Versicherungsnummer ein anderes Geburtsdatum zu verwenden, nicht vorgreiflich für eine spätere Entscheidung im Leistungsfall oder bindend für andere Behörden sein kann, eine Divergenz zwischen dem zur Bildung der Versicherungsnummer angenommenen Geburtsdatum und dem Geburtsdatum, das den altersabhängigen Leistungsfall begründet, mithin grundsätzlich nicht auszuschließen ist. Inwieweit der Versicherungsträger auch im Leistungsfall von dem bei Eintritt in die Versicherung angegebenen Geburtsdatum ausgehen darf, hat der Senat ausdrücklich offengelassen. Wegen der unterschiedlichen Bedeutung des Geburtsdatums bei Bildung der Versi- cherungsnummer (Ordnungsfunktion oder auch "Identifizierungsmerkmal", vgl Se- natsurteil vom 12. April 1995 - 5 RJ 48/94) und im Leistungsfall (Anspruchsbegründung) mußte der Senat deshalb bisher auch nicht entscheiden, ob er sich der Ansicht des 4. Senats im Urteil vom 29. November 1985 (4a RJ 9/85 - SozR 2200 § 1248 Nr 44) anschließt, wonach der Versicherungsträger stets verpflichtet ist, im Leistungsfall das richtige Geburtsdatum festzustellen, auch wenn der Versicherte vorher bei der Bildung der Versicherungsnummer ein anderes - für den Leistungsfall ungünstigeres - Geburtsdatum angegeben hat. Der erkennende Senat tritt nunmehr der Auffassung des 4. Senats bei. Dem geltenden Recht läßt sich keine Grundlage dafür entnehmen, daß die inner- staatlichen Sozialleistungsträger das Recht haben, bei der Beurteilung des Leistungsfalles ohne Prüfung die frühere oder auch spätere Eintragung in den ausländischen Personenstandsunterlagen zugrunde zu legen. Ergeben sich Zweifel, sind sie stets im Wege gesonderter Tatsachenfeststellung auszuräumen. Die bereits dargelegte Normstruktur des § 1248 Abs 2 RVO als Anspruchsgrundlage läßt keine andere Vorgehensweise zu. - 7 - Für die verbindliche Feststellung von Personenstandsdaten ist weder im materiellen Sozialrecht noch im Sozialverfahrensrecht eine die Besonderheit der Problematik betreffende Regelung getroffen worden. Während bei einer Geburt in Deutschland das Geburtenbuch als Personenstandsbuch den Tag der Geburt beweist (§ 1 Abs 2, § 2 Abs 2, §§ 16 ff, 60 Abs 1 Satz 1 des Personenstandsgesetzes idF der Bekanntmachung vom 8. August 1957 ) und Personenstandsurkunden, zu denen der Geburtsschein und die Geburtsurkunde gehören (§§ 61a, 61c, 62 PStG), dieselbe Beweiskraft haben wie Personenstandsbücher (§ 66 PStG), kann ein gleichwertiger Beweis gestützt bloß auf Eintragungen in ausländischen Personenstandsbüchern nicht geführt werden. Denn die Personenstandsbuchführung ist vom Territorialitätsprinzip beherrscht. Die deutschen Personenstandsbücher beurkunden also nur innerstaatliche Personenstandsfälle (vgl im einzelnen BSG Urteil vom 29. November 1985 - 4a RJ 9/85 -SozR 2200 § 1248 Nr 44). Demgemäß gilt die Beweisregel der § 60 Abs 1 Satz 1, § 66 PStG nicht für eine ausländische Geburtsurkunde. Diese kann zwar ("geeignetes") Beweismittel sein; ihr Inhalt unterliegt im Gerichtsverfahren aber - nicht anders als ihre Echtheit (§ 438 der Zivilprozeßordnung ) - freier richterlicher Beweiswürdigung nach § 128 Abs 1 SGG. Eine erhöhte Beweiskraft erlangen ausländische Personenstandsunterlagen auch nicht über Art 2 Abs 1 des Übereinkommens über die Erteilung gewisser für das Ausland bestimmter Auszüge aus Personenstandsbüchern vom 27. September 1956 (BGBl II 1961, 1055; für die Bundesrepublik in Kraft ab 23. Dezember 1961 - BGBl II 1962, 42) oder über Art 2 Abs 1 des Übereinkommens betreffend die Entscheidungen über die Berichtigung von Eintragungen in Personenstandsbüchern (Zivilstandsregister) vom 10. September 1964 (BGBl II 1969, 445 und 446, in Kraft ab 25. Juli 1969 - BGBl II 1969, 2054). Denn entsprechende Unterlagen erhalten hierdurch nur die Beweiskraft einer ausländischen, nicht einer deutschen öffentlichen Urkunde. Eine die Geburt des Klägers betreffende Eintragung wird aus einem türkischen Personenstandsregister nicht in ein deutsches Personenstandsbuch übernommen (vgl hierzu im einzelnen: BSG Urteil vom 29. November 1985 - 4a RJ 9/85 - SozR 2200 § 1248 Nr 44). Das Urteil des türkischen Amtsgerichts E vom 28. August 1987 bindet die deutschen Sozialleistungsträger und Gerichte nicht. Dieses Urteil ordnet eine Berichtigung des in V /E geführten türkischen Personenstandsregisters an; es kann keine weitergehenden Wirkungen haben, als die aufgrund dieses Urteils berichtigte Eintragung im türkischen Personenstandsregister selbst (BSG Urteil vom 29. November 1985 - 4a RJ 9/85 - SozR 2200 § 1248 Nr 44; Urteil vom 29. Januar 1985 - 10 RKg 20/83 - SozR 5870 § 2 Nr 40). Unterliegt bei fehlender Bindung einer - berichtigten - Eintragung in ein türkisches Personenstandsbuch die Feststellung des Tags der Geburt des Klägers mithin der freien - 8 - Beweiswürdigung des deutschen Gerichts, so kann die Auffassung des LSG nicht zutreffen, es sei - wenn auch nicht an die berichtigte zweite, so doch - an die erste Feststellung des Geburtsdatums bei Vergabe der Versicherungsnummer gebunden. Die erste wie die berichtigte Eintragung in türkische Personenstandsunterlagen sind in bezug auf ihre Beweiskraft, die sie in der Bundesrepublik Deutschland entfalten, darin gleich zu beurteilen, daß sie beide die deutschen Sozialleistungsträger und Gerichte nicht binden. Danach mußte das angefochtene Urteil auf die Revision des Klägers aufgehoben und dem LSG durch Zurückverweisung der Sache Gelegenheit gegeben werden zu prüfen, ob der Vortrag des Klägers den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Beweisführung genügt, um gegebenenfalls sodann den Geburtstag des Klägers - und daran anschließend die Vollendung des 60. Lebensjahres - aufgrund einer Beweiserhebung, die den allgemein dafür geltenden Regeln folgt, in freier Beweiswürdigung festzustellen. Dabei wird es im Rahmen der Untersuchungsmaxime (§ 103 SGG) lediglich solche Ermittlungen anzustellen haben, die nach "Lage der Sache" erforderlich sind (Meyer-Ladewig, SGG-Komm, 5. Aufl 1993, RdNr 7 zu § 103), dh, es hat nur, aber auch stets zu ermitteln, soweit Sachverhalt und Beteiligtenvortrag Nachforschungen nahelegen (BSG Beschluß vom 14. September 1955 - 10 RV 490/55 -SozR Nr 3 zu § 103). Seine Ermittlungspflicht wird durch die Mitwirkungspflicht der Beteiligten beschränkt (Meyer-Ladewig, aaO). Gerade in Fällen wie dem vorliegenden hängen die Ermittlungsmöglichkeit und -notwendigkeit maßgeblich von der Benennung des Beweismittels durch den Kläger - mithin seiner Mitwirkung - ab. Beim - hier angebotenen - Zeugenbeweis wird der Beweis gemäß § 118 Abs 1 SGG iVm § 373 ZPO durch die Benennung der Zeugen und die Bezeichnung der Tatsachen angetreten, über welche die Vernehmung der Zeugen stattfinden soll. Dazu wird sich das LSG Gedanken machen müssen zur Substantiierung der Beweisbehauptung, denn die Ablehnung des Beweises für beweiserhebliche Tatsachen ist zulässig, wenn die Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, daß ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann oder wenn die Bezeichnung der Tatsachen zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, gleichwohl aber nur aufs Geradewohl gemacht sind. Bei solchen gleichsam "ins Blaue" aufgestellten Behauptungen ist ein Beweisantrag rechtsmißbräuchlich (Bundesgerichtshof , Urteil vom 15. Dezember 1994 - 7 ZR 140/93 - NJW-RR 1995, 722 ff). Die Behauptung einer bloß vermuteten Tatsache im Prozeß ist nur dann unzulässig, wenn der Beteiligte sie ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich aufstellt; bei der Annahme von Willkür in dem Sinne ist Zurückhaltung geboten (BGH, Urteil vom 25. April 1995 - VI ZR 178/94 - MDR 1995, 738). Wird nämlich eine Behauptung nach schlüssigem Vorbringen des Klägers unter Beweis gestellt, so hat das Gericht diesen Beweis dem Gebot der - 9 - Erschöpfung der Beweismittel folgend (Art 103 Abs 1 Grundgesetz , § 118 Abs 1 SGG, § 286 ZPO) zu erheben (Bundesverfassungsgericht Beschluß vom 28. Februar 1992 - 2 BvR 1179/91 - NJW 1993, 254, 255; Beschluß vom 20. April 1982 - 1 BvR 1429/81 - BVerfGE 60, 250, 252; Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 11. Dezember 1981 - 4 C 71/79 - NVwZ 1982, 244). Entschließt sich das LSG hiernach zur Erhebung des angebotenen Beweises - gegebenenfalls durch Vernehmung der aufgebotenen Zeugen im Wege der Rechtshilfe in der Türkei -, so hat es das Ergebnis der Beweisaufnahme iS des § 128 Abs 1 SGG frei zu würdigen. Dabei verstößt es gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung, wenn das Gericht die Glaubwürdigkeit eines Zeugen allein deshalb verneint, weil der Zeuge einem Prozeßbeteiligten nahe steht und bei seiner Vernehmung keine Umstände zu Tage getreten sind, die die von vornherein angenommenen Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen zerstreut hätten (BGH, Urteil vom 18. Januar 1995 - VIII ZR 23/94 - MDR 1995, 629). § 286 Abs 1 ZPO, der über § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet (§ 128 Abs 1 SGG spricht - pauschaler - nur vom "Gesamtergebnis des Verfahrens"), gebietet vielmehr, eine individuelle Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme vorzunehmen. Auch die Annahme möglichen Eigeninteresses eines aufgebotenen Zeugen führt nicht per se zur Verneinung der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen. Eine solche Annahme begründete eine - verfahrensrechtlich unzulässige - abstrakte Beweisregel, die das Gesetz nicht kennt (BGH Urteil vom 3. November 1987 - VI ZR 95/87 -MDR 1988, 307 zur sogenannten Beifahrer-Rechtsprechung). Es gibt aber keinen Erfahrungssatz des Inhalts, daß Zeugen, die einem Prozeßbeteiligten nahe stehen, von vornherein als parteiisch und unzuverlässig zu gelten haben und ihre Aussa- gen deswegen grundsätzlich unbrauchbar sind (BGH Urteil vom 18. Januar 1995 - VIII ZR 23/94 - MDR 1995, 629). Eine entsprechende Einschränkung der freien Beweiswürdigung ist verfahrenswidrig (vgl hierzu Baumgärtel, Zwei wichtige BGH-Entscheidungen zu Ausforschungsbeweis und "Behauptung ins Blaue hinein", MDR 1995, 987). Bei seiner Beweiswürdigung wird das LSG berücksichtigen können, daß der Kläger die Tatsache seiner früheren Geburt schon längere Zeit gewußt, der Beklagten gegenüber aber nicht kund getan hat. Gemäß § 444 ZPO können nämlich im Falle der Vereitelung des Urkundenbeweises Behauptungen des Gegners über die Beschaffenheit und den Inhalt der Urkunde als bewiesen angesehen werden. Dieser Vorschrift wohnt der allgemeine Rechtsgedanke inne, daß für den Fall, daß eine Partei eine Beweisführung (teilweise) unmöglich macht, die Behauptung des Prozeßgegners zu der beweiserheblichen Problematik als bewiesen angesehen werden kann (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO-Komm, 53. Aufl 1995, RdNrn 1 und 2 zu § 444). Eine arglistige oder auch nur fahrlässige Vereitelung einer Beweisführung durch ein Tun oder pflichtwidriges Unterlassen (vgl BSG Urteil vom 10. August 1993 - 9/9a RV - 10 - 10/92 - NJW 1994, 1303) kann im Rahmen freier Beweiswürdigung für die Richtigkeit des gegnerischen Vorbringens gewürdigt werden (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, RdNr 2). Unabdingbare Voraussetzung für eine solche Beweiswürdigung wird aber sein, daß das pflichtwidrige Handeln oder Unterlassen den Beteiligten, der den (vereitelten) Beweis zu führen hätte, in Beweisnot, dh in eine ausweglose Lage, gebracht hat. Das LSG kann ferner berücksichtigen, daß der Kläger - gestützt durch Erzählungen seiner Eltern oder weiterer Verwandter bzw durch bestimmte Ereignisse wie die Einschulung - möglicherweise selbst über lange Jahre davon überzeugt gewesen ist, iS des bisher angenommenen Geburtsdatums später geboren zu sein. Dies kann unter Umständen zur Prüfung Anlaß geben, ob in der nachträglichen Behauptung eines früheren Geburtsdatums ein "venire contra factum proprium" liegt, etwa wenn der Kläger vorher selbst das "alte" Geburtsdatum stets als das richtige im Geschäftsverkehr verwendet und darauf gestützt rechtliche Vorteile genutzt hat. Denn das Verbot widersprüchlichen Verhaltens gilt als Sonderfall des Rechtsgrundsatzes von Treu und Glauben auch im Bereich des öffentlichen Rechts, insbesondere des Sozialversicherungsrechts, und kommt in diesem Sinne sowohl für das Handeln des Versicherungsträgers als auch für das Verhalten des Versicherten in Betracht (BSG Urteil vom 21. Juli 1981 - 7 RAr 37/80 - nicht veröffentlicht). Die Erkenntnis widersprüchlichen Verhaltens wiederum kann bei der Beweiswürdigung die Überzeugung rechtfertigen, daß das "neue" Geburtsdatum nur zweckgerichtet - zur früheren Erlangung einer Sozialleistung - behauptet und die Berichti- gung der Personenstandsdaten in der Türkei nur deswegen veranlaßt worden ist. Diese Überzeugung könnte - allerdings unter Abwägung aller Umstände - vorliegend dadurch gestützt werden, daß der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren angegeben hat (Schriftsatz vom 12. März 1992), Unterlagen über einen Schulbesuch oder Zeugnisse könnten nicht beigebracht werden, weil er keine Schule besucht habe, während er zur Begründung seiner Revision (Schriftsatz vom 6. Juni 1994) ausführt, der Zeuge A hätte Fragen zum gleichzeitigen Schulbesuch beantworten können. Bei der Beweiswürdigung kann ferner Berücksichtigung finden, daß eine auffallend hohe Zahl nachträglicher Berichtigungen ausländischer Geburtseinträge in Fällen, in denen dies Leistungsbewerbern in der Bundesrepublik günstig erscheinen kann, vorliegt (BSG Urteil vom 29. November 1985 - 4a RJ 9/85 - SozR 2200 § 1248 Nr 44). Wie der 4. Senat in seinem Beschluß vom 22. Februar 1995 - 4 S (A) 5/94 - klarstellt, wird hierdurch allerdings keine abstrakte Beweisregel begründet, die das Gesetz nicht kennt. Vielmehr handelt es sich allein um die Berücksichtigung von Erfahrungssätzen, die das Tatsachengericht im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung zu gewichten hat. Soweit der 10. Senat des BSG in seinem Urteil vom 29. Januar 1985 - 10 RKg 20/83 - (SozR 5870 § 2 Nr 40) ausführt, die aufgrund eines Urteils berichtigte Eintragung in türkischen Personenstandsregistern habe die Vermutung der Richtigkeit für sich, ist eine - 11 - gesetzlich begründete Vermutung nicht gemeint, da eine solche im Gesetz nicht ausgesprochen ist. Zu prüfen ist allerdings, ob einer solchen Berichtigung ein hoher Beweiswert zukommt, was eine "tatsächliche Vermutung" darstellen kann. Diese Prüfung geschieht im Rahmen der freien Beweiswürdigung des Tatsachengerichts. Bleibt im Ergebnis der Beweiswürdigung ein non liquet, so gibt die materielle Beweislast den Ausschlag für die Entscheidung. Sie besagt, daß ein nicht festgestelltes Tatbestandsmerkmal so zu behandeln ist, als sei es nicht vorhanden (Meyer-Ladewig, SGG-Komm, RdNr 19 zu § 103). Zu tragen ist der Nachteil der Unerwiesenheit von dem, zu dessen Gunsten das Tatbestandsmerkmal im Prozeß wirkt (Meyer-Ladewig, aaO, RdNr 6 zu § 118). Das bedeutet, daß es dann zu keiner Änderung des Geburtsdatums für die Zwecke der Rentenversicherung kommt, wenn nicht festgestellt werden kann, daß der Versicherte zu dem nunmehr von ihm behaupteten Zeitpunkt geboren ist. Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten. Faksimile 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 ... link (0 Kommentare) ... comment BVerwG, 5 ER 625.90 vom 18.12.1990, Bundesverwaltungsgericht
anselmf
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BVerwG 5 ER 625.90 OVG 16 A 1486/89 BESCHLUSS In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 18. Dezember 1990 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. F. und die Richter am Bundesverwaltungsgericht R. und Dr. P. beschlossen: Der Antrag der Klägerin, ihr für eine Be- schwerde gegen die Nichtzulassung der Revi- sion in dem Urteil des Oberverwaltungsge- richts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. März 1990 Prozeßkostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird ab- gelehnt. - 2 - Gründe: Das Prozeßkostenhilfegesuch der Klägerin ist abzulehnen; die be- absichtigte weitere Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO, § 114 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO). Die angekündigte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts müßte erfolglos bleiben, weil Zulassungsgründe nicht hinreichend dargelegt und auch sonst nicht erkennbar sind. Die Klägerin macht geltend, das Oberverwaltungsgericht weiche von dem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. April 1987 - BVerwG 5 B 103.86 - (NJW 1988, 154) und von dem Urteil des Bun- desverwaltungsgerichts vorn 12. Juni 1987 - BVerwG 5 C 2.83 - FarnRZ 1987, 1089) ab und beruhe auf dieser Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die gerügte Abweichung könnte aber nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO führen. Wie die Klägerin nicht verkennt, hat das Bundesverwaltungsgericht sich der weiter entwickelten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Anwendungsbereich des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG an- geschlossen und seine frühere Rechtsprechung ausdrücklich aufge- geben, soweit sie entgegensteht (Beschluß vorn 14. August 1989 - BVerwG 5 B 76.89 - ). Die Abweichung von einer Rechtsprechung, an der das Bundesverwaltungsgericht in späteren Entscheidungen selbst nicht mehr festhält, rechtfertigt die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO jedoch nicht (vgl. u.a. BVerwG, Beschluß vorn 20. November 1981 - BVerwG 3 B 52.81 - ; Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, 1971, Rdnr. 104). Soweit die Klägerin ferner rügt, das Oberverwaltungsgericht habe die jüngste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem Urteil vom 7. Juni 1989 - IV b ZR 51/88 - angewandt, namentlich zu Unrecht (BGHZ 107, 376) unzutreffend angenommen, zwischen ihrer kaufmännischen Ausbildung und ihrem späteren Studium der Wirt- - 3 - schaftswissenschaften bestehe ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang, benennt die Klägerin nicht den Zulassungsgrund, der mit diesem Vortrag geltend gemacht werden soll. Abgesehen davon, ist mit dem Vorbringen der Klägerin auch in der Sache kein Zu- lassungsgrund dargelegt und auch unabhängig davon nicht erkennbar. Das Oberverwaltungsgericht ist von den rechtlichen Grundsätzen ausgegangen, die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelt und vorn Bundesverwaltungsgericht übernommen worden sind. Es hat von diesen Grundsätzen ausgehend in Würdigung des Einzelfalles der Klägerin nur nicht die Schlußfolgerungen gezogen, die die Klägerin aus der Rechtsprechung von Bundesgerichtshof und Bundesverwaltungsgericht für ihren Fall gezogen wissen möchte. Die angeblich unrichtige Anwendung eines in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten und vorn Berufungsgericht nicht in Frage gestellten Rechtsgrundsatzes auf den zu entscheidenden Einzelfall stellt aber keine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO dar (BVerwG, Beschluß vom 31. März 1988 - BVerwG 7 B 46.88 - ). Die Klägerin setzt sich im übrigen mit dem angefochtenen Urteil unter wesentlicher Heranziehung der Umstände ihres Einzelfalles nach Art einer Berufungs- oder Revisionsbegründung auseinander. Damit wird weder eine konkrete Rechtsfrage bezeichnet noch erkennbar gemacht, inwieweit die Beantwortung dieser Rechtsfrage entscheidungserheblich und über den Fall der Beschwerdeführerin hinaus von allgemeiner Bedeutung sein könnte. Deshalb ist auch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Die Klägerin macht schließlich geltend, das angefochtene Urteil beruhe auf Verfahrensmängeln (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Klägerin rügt, das Oberverwaltungsgericht habe seine Pflichten verletzt, darauf hinzuwirken, daß ungenügende tat- sächliche Angaben ergänzt und alle für die Feststellung und - 4 - Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden (§ 86 Abs. 3 VwGO), sowie die Streitsache mit dem Beteiligten tatsächlich und rechtlich zu erörtern (§ 104 Abs. 1 VwGO). Die ge- rügten Verfahrensmängel liegen indes nicht vor. Das Oberverwaltungs- gericht hat nicht seine Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO) verletzt. Der Berichterstatter des Berufungsgerichts hat vielmehr durch prozeß- leitende Verfügungen die Klägerin auf das während des Berufungsver- fahrens bekanntgewordene Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. Juni 1989 hingewiesen, verbunden mit der Anfrage, ob die Klägerin die Klage aufrechterhalte. Die Klägerin wußte damit, daß das Oberver- waltungsgericht dem Urteil des Bundesgerichtshofs auch für ihren Fall Bedeutung beimißt und die dort aufgestellten Voraussetzungen für ein Fortbestehen der Unterhaltspflicht als wohl gegeben ansah. Die Klägerin hatte damit Gelegenheit, alles vorzutragen, was aus ihrer Sicht gegen den engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen praktischer kaufmännischer Ausbildung und wirtschaftswissen- schaftlichem Studium, namentlich aber dagegen sprach, ihren Eltern sei die Finanzierung ihres Studiums wirtschaftlich zumutbar. Die Klägerin hat von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gernacht und ins- besondere dargelegt, aus welchen Gründen sie die Finanzierung des Studiums durch ihre Eltern für diese wirtschaftlich nicht für zurnut- bar hielt. Sie hat dabei allerdings nicht erwähnt, einer ihrer Brüder befinde sich noch in der Ausbildung, ein weiterer Bruder sei arbeits- los und müsse wegen des geringen Arbeitslosengeldes durch die Eltern unterstützt werden. Warum es eines weiteren Hinweises des Oberverwal- tungsgerichts bedurft hätte, um auch diese Umstände noch vorzutragen, legt die Beschwerde nicht dar. Das Unterbleiben eines weiteren Hin- weises verstieß nicht gegen § 86 Abs. 3 VwGO. Die Hinweispflicht in bezug auf den Sachvortrag der Beteiligten kann sich nur auf die Er- gänzung ungenügender tatsächlicher Angaben erstrecken, deren Unvoll- ständigkeit für das Gericht erkennbar ist. Eine Verletzung der Hin- weispflicht kommt nur dann in Betracht, wenn für das Gericht erkennbar der Kläger von falschen Voraussetzungen bei seiner Rechtsverfolgung ausgegangen ist und deshalb unterlassen hat vorzutragen, was zur Wahrnehmung seiner Rechte vorzutragen ist (BVerwG, Urteil vom 8. Mai 1984 - BVerwG 9 C 141.83 - ). Das Oberverwaltungsgericht konnte dem - 5 - Vortrag der Klägerin entnehmen, ihr sei bekannt, es komme u.a. darauf an, ob ihren Eltern die Finanzierung des Studiums finanziell zumutbar sei. Das Oberverwaltungsgericht durfte deshalb annehmen, die Klägerin werde auch ohne weitere Hinweise alles vorbringen, was hierzu aus ihrer Sicht vorzubringen war. Unter diesen Umständen hat das Oberverwaltungsgericht auch nicht gegen seine Pflicht aus § 104 Abs. 1 VwGO verstoßen, die Streitsache in tatsächlicher Hinsicht zu erörtern (vgl. zu§ 104 Abs. 1 VwGO u.a. BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1989 - BVerwG 7 C 2.87 - ), zumal die Klägerin selbst gemäß § 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO auf eine mündliche Verhandlung und damit auf eine Erörterung der Streitsache verzichtet hat. Die Klägerin rügt zum anderen, das Oberverwaltungsgericht habe seine Pflicht verletzt, den Sachverhalt von Amts wegen zu erfor- schen (§ 86 Abs. 1 VwGO). Sie ist insoweit der Ansicht, das Ober- verwaltungsgericht hätte ihre Eltern zu deren wirtschaftlichen Verhältnissen als Zeugen hören müssen. Eine Anregung, in diese Richtung Beweis zu erheben, hat die Klägerin im Berufungsverfahren nicht gegeben. Erst recht hat sie keinen förmlichen Beweisantrag gestellt. Im Gegenteil hat sie auf eine mündliche Verhandlung ausdrücklich verzichtet, weil sie den Sachverhalt bereits für geklärt hielt. Unter diesen Umständen könnte der Verfahrensmangel einer unzureichenden Aufklärung des Sachverhalts nur dann gegeben sein, wenn ersichtlich wäre, weshalb sich dem Oberverwaltungsge- richt eine weitere Sachaufklärung in der jetzt aufgezeigten Richtung hätte aufdrängen müssen. Dem Gericht kann nur dann eine unzureichende Aufklärung des Sachverhalts vorgeworfen werden, wenn nach den gesamten Umständen - auch ohne einen entsprechenden Beweisantrag - erkennbar war, daß weitere Beweismittel vorhanden waren und diese der weiteren Sachaufklärung dienlich sein konnten (BVerwG, Urteil vom 7. Februar 1985 - BVerwG 3 C 36.84 - ). Das Oberverwaltungsgericht durfte aber nach dem Verhalten der Klägerin annehmen, die Klägerin habe insoweit alle - ohnehin in ihrem Lebensbereich liegenden - Umstände vorge- tragen. Dr. F. R. Dr. P. ... link (0 Kommentare) ... comment BVerwG, 5 C 12.80 vom 04.06.1981, Bundesverwaltungsgericht
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VR 1981, 449-449(L1-2)
Sachgebiet: Sozialhilferecht Rechtsquellen: BSHG § 1 Abs. 2 § 2 Abs. 1 § 76 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VO zur Durchführung des § 76 BSHG § 3 Abs. 4 und 6 Begriff "gesetzlich vorgeschrieben": § 76 Abs. 2 und 3 BSHG Beitrag zur Kfz-Haftpflichtversicherung - Absetzung vom Einkommen, Angemessen- heit dem Grunde nach; Führung eines menschenwürdigen Lebens und Halten eines Kfz. FEVS 1981, 372 (LT1+2) Zfs 1981, 342 (LT1+2) ZfsH 1981, 340 (LT1+2) Vole Beo A 1981, 313 (LT1+2) Buchh 436.0 § 76 BSHG Nr 13 (LT) DVBl 1982, 266 (LT1+2) BVerwGE Bd. 62 261-267 (LT1+2) Urteil vom 4. Juni 1981 - BVerwG 5 C 12.80 Leitsätze: 1. Im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt (Abschnitt 2 des Bundessozialhilfe- gesetzes) umfaßt der notwendige Lebens- unterhalt den Aufwand für das Halten eines Kraftfahrzeugs nicht. 2. Der Beitrag zur Kraftfahrzeug-Haftpflicht- versicherung, der an die Kraftfahrzeug- haltung als einen Akt freier Entscheidung anknüpft, ist nicht "gesetzlich vorge- schrieben" im Sinne des § 76 Abs. 2 Nr. 3 BSHG; er ist bei der Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nicht als eine dem Grunde nach angemessene Ausgabe vom Einkommen abzusetzen. Urteil des 5. Senats vom 4. Juni 1981 - BVerwG 5 C 12.80 I. VG Bremen, Gerichtsbescheid vom 31.1.1979 - Az.: VG III A 449/78 - II. OVG Bremen, Urteil vom 13.11.1979 - Az.: OVG II BA 9/79 - - 1 - Verkündet am 4. Juni 1921 Neidhardt Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BVerwG 5 C 12.80 OVG 2 BA 9/79 IM NAMEN DES VOLKES In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juni 1981 durch den Vornitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht K. und die Richter am Bundesverwaltungsgericht R. , Dr. S. , R. und B. für Recht erkannt: Die - 2 - Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 13. November 1979 wird zurückge- wiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens als Gesamt- schuldner. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe: I. Die Kläger, Eheleute, bezogen 1977 und 1978 für sich und ihre Tochter Sozialhilfe in Gestalt von (ergänzender) Hilfe zum Lebensunterhalt, da das dem Kläger als Berufsprakti- kanten für den Beruf des Sozialarbeiters gezahlte Prakti- kantencehalt unter dem sozialhilferechtlichen Bedarfssatz für die Familie lag. Bei der Bemessung der Sozialhilfe be- rücksichtigte der Träger der Sozialhilfe Ausgaben des Klä- gers für das Halten eines Kraftfahrzeugs (Kfz) - durch Ab- setzung eines Pauschbetrages vom Einkommen -, solange der Kläger das Kfz für· die Ausübung der Praktikantentätigkeit außerhalb seines Wohnorts benutzte (Oktober 1977 bis März 1978). Als der Kläger anschließend an seinem Wohnort als Berufspraktikant beschäftigt wurde, setzte der Träger der Sozialhilfe. nur noch die Kosten der Fahrkarte für das öffentliche Verkehrsmittel ab (DM 39 monatlich). Anfang Juli 1978 beantragten die Kläger, die bereits Anfang Mai fällig gewordene Kfz-Steuer (Halbjahresbetrag: 118,60 DM) und die am 1. Juli 1978 fällig gewordenen Halbjahr.esbei träge für - 3 - für die Kfz-Haftpflichtversicherung, die Teilkaskoversiche- rung und die Unfallversicherung (262,70 DM, 17,50 DM und 15,50 DM) vom einzusetzenden Einkommen abzusetzen. Die Be- klagte lehnte dies ab, weil der Kläger für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumutbar öffentliche Verkehrsmittel benutzen könne. Mit der daraufhin erhobenen Klage haben die Kläger in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Das Berufungsurteil ist im wesentlichen wie folgt begründet: Die streitigen Aufwen- dungen seien nicht mit der Erzielung des Einkommens verbun- dene notwendige Ausgaben, weil der Kläger - wie gerichtsbe- kannt sei - den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen könne. Als gesetz- lich vorgeschriebene Beiträge zu einer privaten Versicherung im Sinne der Nummer 3 des § 76 Abs. 2 BSHG könnten die Versicherungsbeiträge nicht anerkannt werden, weil es nicht der Sinn dieser Vorschrift sei, beliebigen Zwecken dienen- de Versicherungsbeiträge abzusetzen. Der Gesamtzusammenhang der Regelung ergebe, daß nur solche Beiträge in Betracht kämen, mit denen der Hilfesuchende wie mit Vorsorgeleistungen nach der Nummer 2 des § 76 Abs. 2 BSHG für Krankheit, Unfall- folgen, Alter und Arbeitslosigkeit die Voraussetzungen für einen Ausgleich bei einem künftigen Wegfall des Einkommens aus eigener Erwerbstätigkeit schaffe. - Für eine Absetzung der Kfz-Steuer außerhalb der Nummer 4 des § 76 Abs. 2 BSHG gebe es offensichtlich keine Rechtsgrundlage. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter; lediglich hinsichtlich der zunächst noch erstrebten Absetzung eines Betrages von 2,00 DM (Säumniszuschlag bei der Kfz-Steuer) haben sie das Rechtsmittel in der Revisionsverhandlung zurück- genommen. Sie halten die Ansicht des Oberverwaltungsgerichts mit Rücksicht auf den klaren Wortlaut des Gesetzes für unrich- tig; die Kfz-Haftpflichtversicherung sei gesetzlich vorge- schrieben. Die Kfz-Steuer kann nach Meinung der Kläger nicht anders behandelt werden; sie lasse sich bei analoger Anwen- dung des Gesetzes berücksichtigen. - 4 - Die Beklagte tritt der Revision entgegen. Sie macht sich die Gründe des angefochtenen Urteils zu eigen. II. Die - zulässige - Revision ist unbegründet, so daß sie zu- rückzuweisen ist ( § 144 Abs. 2 VwGO) Die Kläger haben mit ihrer Klage in den Vorinstanzen zu Recht keinen Erfolg gehabt. Sie haben keinen Anspruch dar- auf, daß der Träger der Sozialhilfe ihnen und ihrer Tochter (als Bedarfsgemeinschaft) von Juli 1978 an ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt unter (anteilmäßiger) Berücksichtigung der Aufwendungen gewährt, die dem Kläger im Zusammenhang mit dem Halten eines Kraftfahrzeuges (Kfz) in Gestalt der Kfz-Steuer und der Beiträge zu Kfz-Versicherungen erwachsen waren. Die Auffas- sung des Oberverwaltungsgerichts, daß es sich dabei während der fraglichen Zeit nicht um mit der Erzielung des Ein- kommens des Klägers (Praktikantengehalt) verbundene not- wendige Ausgaben gehandelt hat, steht mit § 76 Abs. 2 Nr. 4 BSHG in Einklang; denn nach den das Bundesverwaltungsge- richt bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungs- gerichts war es dem Kläger zuzumuten, den Weg zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte mit öffentlichen Verkehrs- mitteln zurückzulegen (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 6 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 76 des Bundes- sozialhilfegesetzes vom 28. November 1962 [BGBl. I S. 692]). Dies wollen offenbar auch die Kläger nicht in Abrede stel- len; denn sie begehren - wie ihre Revisionsbegründung zeigt -, die erwähnten Ausgaben nach der Nummer 3 des § 76 Abs. 2 BSHG zu berücksichtigen. Ihrer Ansicht, daß die erwähnten Ausgaben nach dem schlichten und klaren Wortlaut des Gesetzes ohne weiteres deshalb vom Einkommen des Klägers abzusetzen seien, weil es sich um „gesetzlich - 5 - "gesetzlich vorgeschriebene" Beiträge handele, kann jedoch nicht beigetreten werden. Was die Kfz-Steuer angeht, so ist sie - gerade nach dem von den Klägern für sich in Anspruch genommenen schlichten und klaren Wortlaut des Gesetzes - kein Beitrag zu einer öffentlichen oder privaten Versicherung; oder ähnlichen Einrichtune; und Beiträge zur Teilkasko- und Unfall- versicherung sind nicht gesetzlich vorgeschrieben, ebenso- wenig Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung, soweit diese die Mindestdeckungssummen überschreitet (vgl. dazu das Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter vom 5. April 1965 [BGBl. I S. 213] in Verbindung mit der Verord- nung zur Änderung der Mindesthöhe der Versicherungssummen in der Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter vom 23. Juli 1971 [BGBl. I S. 1109]). Aber auch die Kfz-Haftpflichtversicherung, soweit sie vom Um- fang her gesetzlich vorgeschrieben ist, ist nicht schon aus diesem Grund ohne weiteres vom Einkommen abzusetzen. Es kann offenbleiben, ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutrifft, daß die Absetzbarkeit dieser Ausgabe nach der Nummer 3 des § 76 Abs. 2 BSHG deshalb von Rechts wegen ausgeschlossen sei, weil es sich um eine Ausgabe handele, die im Rahmen der Absetzungen nach der Nummer 4 des § 76 Abs. 2 BSHG in Verbindung mit § 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 6 Nr. 2 der Durchführungsverord- nug berücksichtigt werden könne, und weil diese Vorschriften die Frage songergesetzlich abschließend regelten. Hierfür spricht manches; gerade auch dass von den Klägern - wenn auch mit entgegengesetzter Schlußfolgerung - angeführte Argument, daß aus einem einheitlichen Lebensvorgang, nämlich dem Halten eines Kraftfahrzeugs, erwachsende gesetzliche Verpflichtungen (zur Zahlung von Kfz-Steuer und Kfz-Haftpflichtversicherungs- beitrag) sozialhilferechtlich nicht unterschiedlich behandelt werden könnten: Da die einheitliche Berücksichtigung dieser "Pflichtausgaben" nur in § 76 Abs. 2 Nr. 4 BSHG in Verbin- dunp; mit § 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 6 Nr. 2 der Durch- führungsverordnung vorgesehen ist, hat es bei dieser Sicht der Dinge eben dabei sein Bewenden auch in bezug auf den Beitrag zur Kfz-Haftpflichtversicherung; mit anderen - 6 - Worten: Die mit dem Halten eines Kfz verbundenen notwendi- gen Ausgaben sollen danach nur dann absetzbar sein, wenn sie mit der Erzielung von Einkommen verbundene notwendige Ausgaben sind. Jedoch braucht diese Frage nicht abschließend beantwortet zu werden. Selbst wenn man hinsichtlich jeder Art von Versicherung die Absetzbarkeit des Beitrages ausgangs- weise für rechtlich möglich hält, ist die Absetzung des Beitrags für die Kfz-Haftpflichtversicherung (mit ihrem Mindestumfang) nicht ipso jure geboten. Auch hinsichtlich dieses Beitrages ist im Einzelfall zu prüfen, ob er nach Grund und Höhe unter dem Aspekt angemessen ist, dem Hilfe- suchenden Mittel zu belassen (also mittelbar Sozialhilfe zu gewähren), die ihn in den Stand setzen, Versicherungen aufrechtzuerhalten, für die aus der Sicht der das Sozial- hilferecht prägenden Grundsätze ein Bedürfnis besteht. Prüfung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, kann dem Träger der Sozialhilfe nicht mit der Begründung verwehrt werden, daß die Kfz-Haftpflichtversicherung "gesetzlich vor- geschrieben" sei. Das Bundesverwaltungsgericht teilt nicht die Ansicht, die hierzu im Schrifttum verschiedentlich ver- treten wird (Gottschick/Giese, Das Bundessozialhilfegesetz, 6. Aufl. 1977, § 76 RdNr. 8.3 Abs. 3; Jehle/Schmitt, Sozial- hilferecht, Loseblatt-Kommentar, A (1. Teil), § 76 Erl. 4c; Schellhorn/Jirasek/Seipp, Kommentar zum Bundessozialhilfe- gesetz, 9. Aufl. 1977, § 76 RdNr. 21; Gutachten des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 26. April 1971, Kleinere Schriften Heft 54 S. 30; anderer Ansicht aber: Rehnelt in ZfF 1969, 280 [282]) und die auch vom Verwaltungsgericht Berlin (Urteil vom 16. Januar 1979 - ZfSH 1979, 216) geteilt wird. Das Tatbestandsmerkmal der gesetzlich vorgeschriebenen Versicherung erhält den ihm in § 76 Abs. 2 Nr. 3 BSHG zugedachten Sinn erst mit der Frage nach dem Grund für die Beitragsverpflichtung, nämlich ob die betreffende Versicherung per se dem Hilfesuchenden auferlegt - 7 - auferlegt ist, so daß er sich ihr durch freie Entschei- dung nicht entziehen kann, oder danach, ob jedenfalls eine solche Entscheidung unzumutbar erscheint. Der Abschluß der Kfz-Haftpflichtversicherung ist die Folge des Hal- tens eines Kfz. Dies ist dem einzelnen aber freigestellt. Der Hilfesuchende kann daher auf das Halten eines Kfz ver- zichten. Ein solcher Verzicht wird ihm vom Gesetz auch zuge- mutet, wenn er aus dem von seinen Mitbürgern erarbeiteten Bruttosozialprodukt, ohne das Leistung von Sozialhilfe nicht möglich ist, die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt er- wartet, die in § 11 BSHG auf den notwendigen Lebensunterhalt begrenzt ist. In dem Verzicht auf ein Kfz liegt dann Selbsthilfe, zu der § 2 Abs. 1 BSHG verpflich- tet, in dem Sinne, daß der Hilfesuchende Ausgaben vermeidet, die die ihm zur Verfügung stehenden und in erster Linie für die Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts einzu- setzenden Mittel mindern könnten. Das ergibt sich aus dem inneren Zusammenhang, in dem die Vorschriften über den Einsatz des Einkommens und Vermögens mit den Vorschriften stehen, mit denen die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe geregelt sind, in concreto aus dem inneren Zusammenhang zwischen § 76 BSHG und den §§ 11 ff. BSHG. Es macht keinen Unterschied, ob einem gänzlich Hilfe- bedürftigen für die Bezahlung des Beitrages zur Kfz-Haft- pflichtversicherung Sozialhilfe gewährt wird oder ob die einem teilweise Hilfebedürftigen zu gewährende (ergänzende) Hilfe zum Lebensunterhalt deshalb höher ausfällt, weil von seinem als einsetzbar in Betracht zu ziehenden Einkommen der Beitrag zur Kfz-Haftpflichtversicherung abgezogen wird. Dieser im o.a. Schrifttum und vom Verwaltungsgericht Berlin nicht erwogene, aber zwangsläufig bestehende innere Zusam- menhang findet sich im Gesetz selbst in einem Teilbereich ausgedrückt, nämlich im auch vom Oberverwaltungsgericht erwähnten § 13 BSHG. Darin ist die Obernahme von Kranken- versicherungsbeiträgen bestimmt (in Absatz 1 als "Muß"- Leistung, in Absatz 2 als "Kann"-Leistung), wobei folge- richtig § 76 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 BSHG von der Anwendung ausgenommen - 8 - ausgenommen wird; andernfalls käme der Hilfeempfänger zwei- mal in den Genuß entsprechender Beträge. Wollte man also die Entrichtung eines Beitrages zur Kfz-Haft- pflichtversicherung als im Sinne des § 76 Abs. 2 Nr. 3 BSHG "gesetzlich vorgeschrieben" erachten und ihre Berücksichti- gung nach dieser Vorschrift deshalb als "Muß", so hätte das zur Folge, daß einer völlig mittellos gewordenen Person, die jedoch "aus besseren Tagen" noch ein Kfz besitzt, Sozialhilfe nicht nur zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts (vgl. besonders § 12 BSHG), sondern auch zur Bezahlung des Beitrages zur Kfz-Haftpflichtversicherung (und wenn es nach den Klägern ginge, auch zur Bezahlung der Kfz-Steuer) ohne weiteres gewährt werden müßte. Es braucht nicht näher dargelegt zu werden, daß eine solche Leistung mit den das Sozialhilferecht prägenden Grundsätzen nicht vereinbar ist. Daher muß bei einem "gesetzlich vorgeschriebenen" Bei- trag, der dies nicht per se, sondern nur als Folge freiwil- ligen Handelns ist, hier wie dort gefragt werden, ob seine Berücksichtigung mit der Zielsetzung des Sozialhilferechts in Einklang steht, die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht, und den Hilfeempfän- ger zur Selbsthilfe zu befähigen, damit weitere Gewährung von Sozialhilfe entbehrlich wird (§ 1 Abs. 2 BSHG). Diesen Zusammenhang haben offenbar auch die Kläger erkannt; denn sie führen aus: Das Anschaffen und das Halten eines KfZ seien nach allgemein gewandelter Anschauung nicht mehr an den "Status eines zahlungskräftigen Bürgers" gebunden, ein Kfz werde nicht mehr als Luxusgegenstand, sondern als ein durchaus übliches Mittel zur Fortbewegung angesehen, es sei menschenwürdiger, die Anschaffung eines Kfz als freie Entscheidung eines Hilfeempfängers hinzunehmen als in dem Gebrauch eines Kfz ein Statussymbol zu sehen. Dieser Argumentation, die am Ende darauf hinausläuft, daß ein menschenwürdiges Leben nur mit einem Kfz geführt werden könne - 9 - könne, so daß für die Anschaffung und die Unterhaltung eines Kfz Sozialhilfe als Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren sei, kann sich das Bundesverwaltungsgericht nicht anschließen. Steht nur Hilfe zum Lebensunterhalt in Frage, so ist die Füh- rung eines menschenwürdigen Lebens vom Halten und Benutzen eines Kfz noch weniger abhängig als vom Fernsehen (vgl. zu letzterem BVerwGE 48, 237). Daß ein Kfz ein übliches I1ittel zur Fortbewegung ist, besagt nicht, daß es eine von,der Men- schenwürde her gebotene Notwendigkeit ist. Es ist eine An- nehmlichkeit, auf die zu verzichten übrigens aus Gründen der Ökologie und der Energieeinsparung zunehmend aufgefor- dert wird. Überdies läßt sich dem Sozialhilferecht selbst entnehmen, daß die Übernahme der Kosten für das Anschaffen eines Kfz und seine Unterhaltung nur als Maßnahme der Ein- gliederungshilfe in Betracht kommt (§ 40 Abs. 1 Nr. 2 BSHG in Verbindung mit den §§ 8 und 10 Abs. 6 der Eingliederungs- hilfe-Verordnung in der Fassung vom 1. Februar 1975 [BGBl. I S. 434]). Entgegen der Ansicht der Kläger liegt in der Nichtberück- sichtigung des Beitrags zur Kfz-Haftpflichtversicherung keine "Gängelei", für die es keine rechtliche Grundlage gäbe, so lange die Voraussetzungen für die Anwendung des § 25 BSHG nicht vorlägen. Die Kläger übersehen, daß es in diesem Rechtsstreit nicht um die sinnvolle Verwendung ge- währter Hilfe zum Lebensunterhalt durch sie geht; vielmehr darum, daß sie zusätzlich eine Leistung der Sozialhilfe be- gehren (indem ein entsprechender Betrag des vorhandenen Einkommens ihnen freigelassen wird), die sie erst in den Stand setzen·soll, ein Kraftfahrzeug zu halten. Jedenfalls aus diesen Gründen war der Beitrag des Klägers zur Kfz-Haftpflichtversicherung in seiner ganzen Höhe kein dem Grunde nach angemessener und damit kein nach § 76 Abs. 2 Nr. 3 BSHG vom Einkommen absetzbarer Beitrag; ebensowenig der Beitrag zur Teilkasko- und zur Unfallversicherung. Daß sich aus eben diesen Gründen verbietet, § 76 Abs. 2 Nr. 3 BSHG analog - 10 - analog anzuwenden, um die Absetzbarkeit der Kfz-Steuer vom Einkommen zu rechtfertigen, versteht sich dann von selbst. Die Kostenentscheidung, bei der der durch partielle Revi- sionsrücknahme erledigte Teil des Rechtsstreites einzube- ziehen war, beruht auf den§§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 2·und 159 Satz 2 VwGO; die Gerichtskostenfreiheit.auf § 188 Satz 2 VwGO. K. R. Dr. S. R. B. Faksimile 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Leitsätze Thema und Veröffentlichung ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, 5 BJ 114/85 vom 14.02.1986, Bundessozialgericht
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Bundessozialgericht
5b BJ 114/85 Beschluß in dem Rechtsstreit Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin, Prozeßbevollmächtigte: gegen Beklagte, Antragsgegnerin ‘ und Beschwerdegegnerin. Der 5b Senat des Bundessozialgerichts hat am 14. Februar 1986 beschlossen: Der Antrag der Klägerin, ihr für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundessozialgericht Prozeßkostenhilfe zu bewilli- ' gen und ihr ihren Prozeßbevollmächtigten beizuordnen, wird abgelehnt. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 28. Februar 1985 wird als unzulässig verworfen. - 2 - Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu erstatten. Gründe: Nach § 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) iVm § 11M der Zivil- prozeßordnung (ZPO) kann einem Beteiligten für das Beschwerde- verfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) Prozeßkostenhilfe nur dann bewilligt und ein Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigter beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hin- reichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG und ebenso auch eine Abweichung des Berufungsurteils iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG macht die Klägerin mit der Beschwerde nicht geltend. Anhaltspunkte dafür sind auch aus den Akten nicht erkennbar. Der zur Beschwerdebegründung allein gerügte Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist nicht hinreichend bezeichnet. Nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG muß in der Beschwerdebegründung der Ver- fahrensmangel bezeichnet werden. Die Begründung muß - wie bei der Verfahrensrevision (vgl § 164 Abs 2 Satz 3 SGG) - die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben (vgl BSG in SozR 1500 § 160a Nr 14). Da die Beschwerdebegründung auf einen Beweisantrag ver- weist, den die Klägerin zu Beginn des Berufungsverfahrens in ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 29. Mai 198U dahin ge- - 3 - stellt hat, erneut eine Diagnose von Dr. B. und einen Befund von einem anderen Facharzt oder einer Klinik nach etwaigem Be- · obachtungsaufenthalt einzuholen, hatte sie besonderen Anlaß, nach Durchführung der vom Landessozialgericht (LSG) angeordneten Sachaufklärung in Gestalt der Einholung eines Befundberichts des Dr. B. vom 19. August 198U und des nach zweitägiger sta- tionärer Untersuchung der Klägerin erstatteten nervenfachärztli- chen Gutachtens des Dr. F. vom 22. Januar 1985 einen An- trag auf ergänzende Ermittlungen zu stellen, soweit ihr solche erforderlich erschienen. Hierzu bestand insbesondere deshalb be- sonderer Anlaß, weil das LSG dem Sachverständigen im Beweisbe- schluß auch die Frage gestellt hatte, ob zur Klärung des medizi- nischen Sachverhalts weitere Ermittlungen erforderlich seien, und der Sachverständige diese Frage am Ende seines Gutachtens ver- neint hatte. Spätestens bei Kenntnisnahme des Gutachtens mußte die Klägerin daher auf eine etwa von ihr noch begehrte weitere Beweiserhebung hinweisen. Da sie dies nicht getan hat, hat sie einen Beweisantrag, über den das LSG iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG hätte hinweggehen können, nicht mehr gestellt. Zur Beschwerdebe- gründung hätte die Klägerin deshalb im einzelnen darlegen müssen, daß und inwiefern für das LSG erkennbar ihr Beweisantrag aus der Berufungsbegründungschrift durch die vom LSG angestellten Er- mitlungen nicht erledigt war und somit bei der Entscheidung über ihre Berufung ohne hinreichende Begründung übergangen worden ist. Solche Darlegungen läßt die Beschwerdebegründung jedoch vermis- sen. Mangels der erforderlichen Erfolgsaussicht mußte daher das Gesuch - 4 - der Klägerin um Gewährung von Prozeßkostenhilfe und Beiordnung ihres Prozeßbevollmächtigten abgelehnt werden. Zugleich war die nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form begründete Be- schwerde in entsprechender Anwendung des § 169 SGG durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter wegen Formmangels als unzulässig zu verwerfen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1 und 5; BVerfG aaO Nr 30). Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment BGH, IVA ZR 318/86 vom 03.06.1987, Bundesgerichtshof
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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS IVa ZR 318/86 in dem Rechtstreit des Handelsvertreter Joachim N. , W. Straße 61, Klägers und Revisionsklägers, - Prozeßbevollmächtigter Rechtsanwalt Dr. - gegen die S. Lebenversicherungs- und Rentenanstalt, Versicherungsgenossenschaft auf Gegenseitigkeit, vertreten durch den Hauptbevollmächtigten Dipl. Math. Günther H., L. straße 8-10, ,M. , Beklagte und Revisionsbeklagte, - Prozeßbevollmächtigten Rechtsanwälte Dr. und II. Instanz: Partner, S. Ring 18, H. - - 2 - er IVa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. H. und die Richter R., D., Dr. S. und Dr. R. am 3. Juni 1987 beschlossen Der Antrag des Klägers auf Prozeßkostenhilfe wird abgelehnt. Gründe Der Kläger ist rechtsschutzversichert; sein Versicherer verweigert die Deckung der Revisionskosten lediglich deshalb, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg biete. In einem solchen Fall kann Prozeßkostenhilfe nicht gewährt werden. Sollte der Rechtsschutzversicherer die Prozeßaussichten zutreffend beurteilt haben, so wäre nach § 114 Satz 1 ZPO auch die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ausgeschlossen. Falls aber der Versicherer die Erfolgsaus- sicht zu Unrecht verneint haben sollte, kann vom Antragstel- ler erwartet werden, daß er seinen Prozeßbevollmächtigten - 3 - mit einem Stichentscheid nach § 17 Abs. 2 ARB beauftragt. Ei- ne finanzielle Belastung ist für ihn damit nicht verbunden, da die Kosten des Stichentscheids auch dann zu Lasten des Rechtsschutzversicherers gehen, wenn der Anwalt dem Rechts- mittel keine Erfolgschancen zubilligen sollte. Dr. H. D. Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein ZPO § 114 Zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen einer Partei Prozeßkostenhilfe gewährt werden kann, wenn ihr Rechts- schutzversicherer die Kostendeckung wegen mangelnder Er- folgsaussicht ablehnt. BGH, Beschl.v. 3. Juni l987 - IVa ZR 318/86 - - 1 - BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IVa ZR 318/86 in dem Rechtstreit des Handelsvertreter Joachim N. , W. Straße 61, Klägers und Revisionsklägers, - Prozeßbevollmächtigte Rechtsanwältin als Ab- wicklerin der Kanzlei des ver- storbenen Rechstanwalts Dr. - gegen die S. Lebenversicherungs- und Rentenanstalt, Versicherungsgenossenschaft auf Gegenseitigkeit, vertreten durch den Hauptbevollmächtigten Dipl. Math. Günther H., L. straße 8-10, ,M. , Beklagte und Revisionsbeklagte, - Prozeßbevollmächtigten Rechtsanwälte Dr. - 2 - Der IVa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. H. und die Richter R., , Dr. L. , D. und Dr. Z. am 13. Januar 1988 beschlossen Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Hamm vom 5. Dezember 1986 wird nicht angenommen. Der Kläger trägt die Kosten der Revision. Gründe Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Revision verspricht keine Erfolg. Der Senat versteht die rechtsfehlerfreien tatsäch- lichen Feststellungen des Berufungsgerichts dahin, daß beim Kläger bereits im Mai 1984 ein Zustand vorlag, der bei rückschauender Betrachtung eine Wiederherstellung einer (zumindest halben) Arbeitskraft innerhalb abseh- - 3 - barer Zeit nach de Stand der Wissenschaft nicht mehr zu- ließ. Infolgedessen kommt es auf die im Berufungsurteil erörterte Frage, ob die Bedingungen der Beklagten eine Prognose darüber verlangen, für welchen Zeitraum der Ver- sicherte voraussichtlich krankheitsbedingt an der Aus- übung seines Berufs gehindert ist, nicht an. Dr. H. R. Dr. L. D. Dr. Z. ... link (0 Kommentare) ... comment BGH, IV ZR 214/88 vom 17.01.1990, Bundesgerichtshof
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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES IV ZR 214/88 URTEIL verkündet am: 17. Januar 1990 Keller Justizassistentin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit der C ge- setzlich vertreten durch den Vorstand, K. -Allee H Beklagten und Revisionsklägerin, — Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt gegen Herrn Theo K , Alte H. , N Kläger und Revisionsbeklagten, - Prozeßbevollmächtigter Rechtsanwalt als Ab- wickler für die Kanzlei - 2 - Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter B. und die Richter D., Dr. S., Dr. Z. und Dr. R. auf die münd- liche Verhandlung vom 17. Januar 1990 für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 15. Juni 1988 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisions- verfahrens. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte dem Kläger vertraglichen Rechtsschutz in einem gegen die Muttergesell- schaft der Beklagten geführten Prozeß auch für die Beru- fungsinstanz zu gewähren hat. Sie gehen übereinstimmend da- von aus, daß dem zwischen ihnen bestehenden Versicherungs- verhältnis die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz- versicherung (ARB) zugrunde liegen. Für den ersten Rechtszug des gegen den Unfallversicherer des Klägers geführten Pro- zesses hatte die Beklagte Rechtsschutz gewährt. Die Klage ist abgewiesen worden. Mit ihrer Ablehnung, auch für das Be- rufungsverfahren eine Kostenzusage zu geben, stellte es die Beklagte dem Kläger anheim, einen für beide Teile verbindli- - 3 - chen Stichentscheid eines Rechtsanwaltes seines Vertrauens gemäß § 17 Abs. 2 ARB herbeizuführen. Nach Erhalt eines die Erfolgsaussicht der Berufung bejahenden Schreibens des Beru- fungsanwaltes des Klägers vom 5. Februar 1987 und erneut nach Erhalt einer Kopie der Berufungsbegründung vom 11. Fe- bruar 1987 blieb die Beklagte jeweils bei ihrer Ablehnung, die erbetene Kostenzusage zu geben. Nach ihrer Ansicht liegt ein wirksamer, sie bindender Stichentscheid im Sinne des § 17 Abs. 2 ARB nicht vor. Zu dem Prozeß gegen den Unfallversicherer des Klägers ist es gekommen, weil der Kläger nach der Teilnahme an einer Wanderung am Himmelfahrtstage 1985, auf der an drei ver- schiedenen Rastplätzen Bier getrunken worden war, auf der Heimfahrt als Beifahrer auf dem Soziussitz des von Oliver G , einem Mitglied der Wandergruppe, geführten Mo- torrades verunglückte. Zur Unfallzeit betrug die Blutalko- holkonzentration bei dem Fahrer 1,54 und bei dem Kläger 2,87 g ‰. Klage und Berufung des Klägers sind ab- bzw. zurückgewiesen worden mit der Begründung, der Kläger habe seinen Unfall durch eine alkoholbedingte Bewußtseinsstörung verursacht. Im anhängigen Verfahren ist dem Klagebegehren auf Ge- währung von Rechtsschutz in den beiden Vorinstanzen stattge- geben worden. Mit ihrer - zugelassenen — Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter. - 4 - Entscheidungsgründe: Das Berufungsgericht hat das Schreiben des Rechtsanwal- A vom 5. Februar 1987 als eine beide Parteien bindende Stellungnahme im Sinne des § 17 Abs. 2 ARB gewer- tet. Die Ausführungen, die das Berufungsgericht zu den An- forderungen gemacht hat, denen eine derartige Stellungnahme formell und inhaltlich entsprechen muß, treffen zu. 1.a) Dem Rechtsanwalt, der gemäß § 17 Abs. 2 ARB tätig wird, obliegt in der Funktion eines Schiedsgutachters die Aufgabe, die "Notwendigkeit" der Interessenwahrnehmung von Seiten des Versicherungsnehmers dem Streit der (Vertrags-) Parteien zu entziehen (Harbauer, Rechtsschutzversicherung 3. Aufl. § 17 Rdn. 14). Gemäß § 1 Abs. 1 ARB ist die Inter- essenwahrnehmung notwendig nur, "wenn sie hinreichende Aus- sicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint." Mit dieser wortgetreuen Übernahme der sachlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe, die folgerichtig in § 17 Abs. 2 ARB wiederholt wird, haben die Rechtsschutz- versicherer klargestellt, daß die Notwendigkeit der Wahrneh- mung rechtlicher Interessen im Rahmen einer Rechtsschutzver- sicherung nur und erst dann zu bejahen ist, wenn bei dem ge- gebenen Sachverhalt einer Partei, die nach ihren persönli- chen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten einer Prozeßführung (ganz oder teilweise) nicht aufzubringen ver- mag, Prozeßkostenhilfe zu gewähren wäre. Die Anforderungen an die Erfolgsaussicht, zu der in einem Stichentscheid gemäß § 17 Abs. 2 ARB Stellung zu nehmen ist, sind demnach nicht niedriger als in einem Prozeßkostenhilfeverfahren (a.A. Har- bauer, aaO § 1 Rdn. 33). Diesen Maßstab hat der Berufungsan- - 5 - walt des Klägers indes nicht verkannt; er hat auf hinrei- chende Erfolgsaussicht der Berufung abgestellt und diese be- jaht. b) Da gemäß § 17 Abs. 2 ARB eine begründete Stellung- nahme zu der Notwendigkeit einer Wahrnehmung rechtlicher In- teressen abzugeben ist, ist der Rechtsanwalt gehalten, die Grundlagen seiner gutachterlichen Entscheidung und den Weg, auf dem er zu ihr gelangt ist, aufzuzeigen; er hat deshalb grundsätzlich den entscheidungserheblichen Streitstoff dar- zustellen, anzugeben, inwieweit für bestrittenes Vorbringen Beweis oder Gegenbeweis angetreten werden kann, die sich er- gebenden rechtlichen Probleme unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Rechtslehre herauszuarbeiten und das nach seiner Ansicht bestehende (Prozeß—)Risiko aufzuzeigen, d.h. sich auch mit etwa vorhandenen Argumenten auseinanderzuset- zen, die gegen eine Erfolgsaussicht sprechen. Dabei ist es von nachrangiger Bedeutung und weitgehend von den Besonder- heiten des Einzelfalles abhängig, in welche Form der Anwalt seine Stellungnahme kleidet und wie umfänglich er sie ge- staltet und dabei auf die vom Rechtsschutzversicherer ange- meldeten Bedenken eingeht. Das ist abhängig vom Umfang oder von der Komplexität des Streitstoffes, von dem Stand der vorangegangenen Korrespondenz mit dem Rechtsschutzversiche- rer und seiner dadurch begründeten Vorkenntnis, ferner von dem Stadium, in dem sich die Interessenwahrnehmung jeweils befindet. c) Der Inhalt und nicht die Form einer Stellungnahme bleibt stets primär maßgebend dafür, ob sie den Anforderun- gen an eine begründete Bejahung hinreichender Erfolgsaus- - 6 - sicht genügt; deshalb sind auch - jedenfalls zeitnahe – Er- gänzungen einer Stellungnahme, in der noch nicht auf alle für die Beurteilung der Notwendigkeit einer Wahrnehmung rechtlicher Interessen eine Rolle spielenden Gesichtspunkte umfassend eingegangen worden war, zulässig und rechtlich be- achtlich. Um eine derartige Ergänzung zur Stellungnahme vom 5. Februar 1987 handelt es sich bei der unter dem 11. Febru- ar 1987 gefertigten Berufungsbegründung, die der Beklagten am 18. Februar 1987 zugegangen ist. Daß der Berufungsanwalt des Klägers hiermit seine bisherigen Ausführungen zur hin- reichenden Erfolgsaussicht der Berufung ergänzen und unter- mauern wollte, war auch für die Beklagte unübersehbar. Sie hatte ihm in ihrem ersten Ablehnungsschreiben vom 2. Dezem- ber 1986 unter anderem mitgeteilt: "Um ein Berufungsverfah- ren mit einiger Aussicht auf Erfolg durchführen zu können, müßten hier unseres Erachtens zumindest Zeugen dafür benannt werden, daß für unseren Versicherungsnehmer auch in nüchter- nem Zustand keineswegs erkennbar gewesen wäre, daß Herr Gl alkoholbedingt fahruntüchtig war. Dies erscheint uns nach dem bisher bekannten Sachverhalt nicht möglich zu sein." In seiner Stellungnahme vom 5. Februar 1987 hatte Rechtsanwalt A. die Ansicht vertreten, die Kausalitätsfrage sei nur noch am Rande von Bedeutung, weil im Berufungsver- fahren eine andere Beurteilung der alkoholbedingten Bewußt- seinsstörung des Klägers erwartet werden dürfe. Er hatte da- zu aufgezeigt, was sein Mandant gegen die Annahme des Land- gerichts anführen könne, er sei bei Fahrtantritt alkoholbe- dingt bewußtseinsgestört gewesen. Mit der umgehend nachge- reichten Berufungsbegründung verdeutlichte er der Beklagten - 7 - dann zum einen, daß der Kläger auch Beweis anbieten könne für diese Behauptung, und führte ihr zum anderen nunmehr auch vor Augen, daß der Kläger auch zur Entkräftung der vom Landgericht bejahten Kausalität einer alkoholbedingten Be- wußtseinsstörung für den Fahrtantritt mit einem absolut fahruntüchtigen Motorradfahrer und damit für den Unfall noch nicht erhobenen Beweis angetreten hatte. Ist bestrittenes Vorbringen, mit dem die Rechtsverfol- gung oder die Rechtsverteidigung begründet werden soll, un- ter Beweis gestellt, ohne daß sich auf Anhieb sagen ließe, dieses Vorbringen sei mit der jeweils verfolgten Wahrnehmung rechtlicher Interessen schlechterdings nicht in Zusammenhang zu bringen, oder hat der Versicherungsnehmer gegen eine ihm ungünstige Feststellung in einem Urteil, das er angreifen will, Beweis angetreten, so bindet die hierauf in einem Stichentscheid gestützte Bejahung von Erfolgsaussicht die Parteien des Rechtsschutzversicherungsvertrages, solange nicht derjenige, der die Bindungswirkung anzweifelt, be- weist, daß die Stellungnahme "offenbar von der wirklichen Rechtslage erheblich abweicht." Keine Rolle spielt es bei der Beurteilung, ob der Stichentscheid ausreichend begründet worden ist bzw. ob er offenbar erheblich von der wirklichen Rechtslage abweicht, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung tatsächlich Erfolg hatte. wie im Prozeßkostenhilfeverfahren ist nur eine ex ante-, nicht eine ex post-Beurteilung erlaubt, d.h. es ist unter anderem uner- heblich, zu welchem Ergebnis spätere Beweisaufnahmen geführt haben. d) Für ihre Ansicht, die zeitnah und zu Beginn des Be- rufungsverfahrens gegen den Unfallversicherer nachgereichte — 8 — Berufungsbegründung sei keine beachtliche Ergänzung der ur- sprünglichen Stellungnahme vom 5. Februar 1987, kann sich die Beklagte nicht auf die in VersR 1980, 671 veröffentlich- te Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm berufen. Auch wenn die Annahme dieses Gerichts zutreffen sollte, es bleibe kein Raum mehr für ein Verfahren gemäß § 17 Abs. 2 ARB, wenn dem Rechtsschutzversicherer erstmalig nach Abschluß eines gerichtlichen Verfahrens von einer auf diesem Wege verfolg- ten Wahrnehmung rechtlicher Interessen Mitteilung gemacht worden sei, besagt dies nichts dazu, ob eine zeitgerechte Stellungnahme zu ihrer Begründung gemäß § 17 Abs. 2 ARB zeitnah durch weitere Schriftstücke ergänzt werden darf. Ebensowenig einschlägig ist der Beschluß des erkennenden Se- nates vom 3. Juni 1987 - IVa ZR 318/86 - VersR 1987, 978; er besagt nur, daß es einer Partei, deren Rechtsschutzversiche- rer eine Kostenzusage mangels Erfolgsaussicht abgelehnt hat, zuzumuten ist, einen Stichentscheid gemäß § 17 Abs. 2 ARB herbeizuführen, so daß ihr nicht stattdessen Prozeßkosten- hilfe bewilligt werden kann. 2.a) Den ihr obliegenden Beweis offenbar erheblichen Abweichens des Stichentscheids von der wirklichen Rechtslage hat die Beklagte nicht geführt. Zu Recht bezweifelt auch die Beklagte nicht, daß eine alkoholbedingte Bewußtseinsstörung des Klägers (bzw. deren Fehlen oder deren Nichterweislich- keit) und die Kausalität dieser Bewußtseinsstörung für den Unfall maßgeblich sind und waren zur Beurteilung hinreichen- der Erfolgsaussicht der Berufung gegen das Urteil, mit dem Ansprüche gegen den Unfallversicherer abgewiesen worden wa- ren. Was den juristischen Ausgangspunkt betrifft, den Rechtsanwalt A. für seinen Stichentscheid gewählt hatte, - 9 - kommt demnach ein Abweichen von der wirklichen Rechtslage nicht in Betracht. b) Es ging in dem Prozeß gegen den Unfallversicherer allein darum, ob sich der Kläger nur und gerade wegen einer alkoholbedingten Bewußtseinsstörung einem absolut fahrun- tüchtigen Motorradfahrer anvertraut hatte; es ging dagegen nicht um ein alkoholbedingtes unfallursächliches Verhalten des Klägers während der Fahrt. In zutreffender Berücksichti- gung der Senatsrechtsprechung (vgl. Urteil vom 27. Februar 1985 — IVa ZR 96/83 - VersR 1985, 583 unter II) hatte das Erstgericht nicht allein aufgrund der erwiesenen Blutalko- holkonzentration von 2,87 g ‰ eine alkoholbedingte Be- wußtseinsstörung im Sinne des in § 3 Abs. 4 der Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB) enthaltenen Risikoaus- schlusses bejaht; es hatte seine Überzeugung - ein An- uscheinsbeweis kam nicht in Betracht (vgl. dazu auch Senats- urteil vom 24. Februar 1988 — IVa ZR 193/86 unter 2 – VersR 1988, 733) — zusätzlich aus den Feststellungen hergeleitet, die der den Kläger nach dem Unfall behandelnde Arzt getrof- fen hatte. In seiner Stellungnahme vom 5. Februar 1987 zeig- te Rechtsanwalt A. auf: Die ärztliche Feststellung, die Atemluft des Klägers habe deutlich nach Alkohol gerochen, sage über den Grad seiner erwiesenen Alkoholisierung nichts aus; ein sogenanntes Alkoholdelirium, das während des Kran- kenhausaufenthaltes aufgetreten sein soll, sei ebenfalls oh- ne Aussagewert für die Alkoholisierung des Klägers bei Fahrtantritt am Himmelsfahrttag, weil damit Entzugserschei— nungen während des stationären Aufenthaltes angesprochen seien, deren Auftreten gerade die Behauptung des Klägers un- termauerten, er sei besonders alkoholgewohnt; der Anwalt bot - 10 - - zumindest in Verbindung mit der Berufungsbegründung – Be- weis durch den Arzt an, der dem Kläger das Blut entnommen hatte, daß der Kläger bei der Blutentnahme eine deutliche Sprechweise, ein beherrschtes Verhalten, eine unauffällige Stimmung mit klarer Bewußtseinslage und geordneten Denkab- läufen gezeigt habe. Unter diesen Umständen wich sein wer- tungsergebnis, er messe einer hierauf gestützten Berufung hinreichende Erfolgsaussicht bei, nicht offenbar erheblich von der wirklichen Rechtslage ab. Die Feststellung alkohol- bedingter Bewußtseinsstörung verlangt, wo es nicht nur um Fahruntüchtigkeit geht, ausnahmslos eine am Einzelfall ori- entierte, alle in Betracht kommenden Indizien einschließende Beweiswürdigung. Es ging bei der Feststellung einer alkohol- bedingten Bewußtseinsstörung des Klägers auch nicht um einen Anscheins-, sondern um Vollbeweis. c) Die Bejahung hinreichender Erfolgsaussicht der Beru- fung weicht auch nicht offenbar erheblich von der wirklichen Rechtslage ab, soweit sie zusätzlich daraus hergeleitet wur- de, daß der Kläger in der Berufungsbegründung auch Beweis gegen die im ersten Urteil bejahte Kausalität seiner Alkoho- lisierung für den Unfall angetreten hatte. Es war Sache des Unfallversicherers zu beweisen, daß der Kläger ohne seine alkoholische Beeinflussung mit Rücksicht auf die ihm dann erkennbar gewordene oder sich ihm dann zumindest aufdrängen- de Fahruntüchtigkeit des Motorradfahrers, dem äußerlich bei Fahrtantritt eine Alkoholisierung nicht anzumerken war, Ab- stand genommen hätte von einem Mitfahren. Alles, was der Kläger gegen die Berechtigung einer solchen Annahme anführen und unter Beweis stellen konnte, war grundsätzlich geeignet, seinen Anspruch zu stützen. Die Berücksichtigung dieses Vor- - 11 - bringens in dem Stichentscheid bei der Bejahung hinreichen- der Erfolgsaussicht konnte demnach ebenfalls nicht dazu füh- ren, daß dieser erheblich und offenbar von der wirklichen Rechtslage abwich. Das Feststellungsbegehren des Klägers ist begründet. B. D. Dr. S. Dr. Z. Dr. R. Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja AVB f. Rechtsschutzvers. (ARB) § 17 Abs. 2 Zu den Anforderungen an eine Stellungnahme gemäß § 17 Abs. 2 ARB (Stichentscheid). BGH, Urteil vom 17. Januar 1990 — IV ZR 214/88 — OLG Celle LG Hannover Faksimile 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Leitsatz ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, IV ZB 5/90 vom 04.10.1990, Bundesgerichtshof
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BUNDESGERICHTSHOF
IV ZB 5/90 Beschluss in dem Rechtsstreit - 2 - Der IV Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den vorsitzenden Richter B. und die Richter R. , Dr. S. , Dr. Z. und R. am 4. Oktober 1990 beschlossen: Auf die sofertige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluß des 7. Zivilsenats des Ober1andes- gerichts Stuttgart vom 21. Juni 1990 zu Nr. 2 und 3 aufgehoben. Dem Beklagten wird wegen Versäumung der Berungs- frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ge- währt. Die Kosten der Wiedereinsetzung einschließlich der Kosten des Beschwerdevertfahrens nach einem Beschwerdewert von 40.304,15 DM trägt der Be- klagte. Gründe Das dem Rückzahlungsantrag des Klägers stattgebende Ur- teil des Landgerichts ist dem Anwa1t des Beklagten am 5. März 1990 zugestellt werden. Mit Schriftsatz vom·30. März 1990, der beim Berufungsgericht am 2. April 1990 eingegangen ist, beantragte der Beklagte für die Berufung gegen dieses - 3 - Urteil Prozeßkostenhilfe unter Vorlage der erforderlichen Belege und Darlegung der beabsichtigten Berufungsbegründung. Seine Rechtsschutzversicherung, die lediglich für die erste Instanz Deckung zugesagt hatte, unterrichtete er am gleichen Tage in gleicher Weise. Diese antwortete ihm, daß sie vor Ablauf der Berufungsfrist die Frage der Deckungszusage für die Berufungsinstanz nicht entscheiden werde. Mit Schreiben vom 12., dem Anwalt des Klägers zugegangen am 19. April 1990 gewährte sie dann Deckungsschutz. Daraufhin legte der Be- klagte am 23. April 1990 Berufung ein, begründete diese gleichzeitig und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das Berufungsgericht hat durch den angefochtenen Be- schluß 1. den Antrag auf Prozeßkostenhilfe zurückgewiesen, 2. den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und 3. die Berufung verworfen. Gegen die Nr. 2 und 3 dieses Beschlusses wendet sich der Be- klagte mit seiner fristgerecht eingelegten sofortigen Be- schwerde. Diese hat Erfolg. Das Berufungsgericht meint, der Beklagte habe bei Durchführung der ihm und seinem Prozeßbevollmächtigten zu- mutbaren Maßnahmen die Deckungszusage so rechtzeitig erhal- ten können, daß er fristgerecht Berufung habe einlegen kön- nen. Diese Begründung ist rechtsfehlerhaft. - 3 - Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtsho- fes ist ein Rechtsmittelführer, der innerhalb der Rechtsmit- tel- oder Rechtsmittelbegründungsfrist die Bewilligung von Prozeßkestenhilfe beantragt hat, bis zur Entscheidung über den Antrag so lange als ohne sein Verschulden an der Einle- gung oder Begründung des Rechtsmittels verhindert anzusehen, als er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags wegen fehlender Bedürftig- keit rechnen muß (BGHZ 26, 99, 101; Beschlüsse vom 14.3.1984; und 29.1.1985 - IVb ZB 114/83 und VI ZB 20/84 - FamRZ 1984, 677 unter II 1a und VersR 1985, 395 unter 1). Erst dann, wenn das Hindernis der Bedürftigkeit entfallen ist, wenn z.B. die anfängliche Armut des Rechtsmittelführers, durch nun erlangtes Arbeitseinkommen wegfällt, muß er mit der Ableh- dnung seines Antrages auf Prozeßkostenhilfe rechnen (BGH, Be- schluß vom - 13.7.1988 - IVb ZR 19/88 - BGHR ZPO § 234 Abs. 2 Prozeßkestenhi1fe 2 = FamRZ 1988, 1153). Erst dann ist ihm zuzumuten, die Berufung einzulegen, wofür ihm gegebenenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. So liegt es hier. Erst mit dér Deckungssusage des Re¢htsschutz- versicherers entfiel das Hindernis der Bedürftigkeit, dessen Vorliegen der Beklagte mit seinem Antrag auf Prozeßkosten- hilfe und den dazu eingereichten Unterlagen ordnungsgemäß dargetan hatte. Allerdings hat der Senat entschieden, daß Prozeßkosten- hilfe nicht gewährt werden kann, wenn der Rechtsscbutzversi- cherer die Deckung wegen fehlender Erfolgsaussicht des Rechtsmittels verweigert (Beschluß vom 3.6.1987 - IVa ZR 318/86 - BGHR ZPO § 114 Abs. 1. Rechtschutzversicherung 1 = VersR 1987, 978). Bei zutreffender Beurteilung der mangeln - 5 - den) Erfolgsaussicht durch den Rechtsschutzversicherer ist ohnehin nach S 114 Satz 1 ZPO die Bewilligung von Prozeßko- stenhilfe ausgeschlossen (vgl. Senatsurteil vom 16.9.1987 - IVa ZR 76/86 - BGHR ZPO § 114 Abs. 1 Satz 1 Erfolgsaus- sicht 1 = VersR 1987, 1186, dazu Bauer, VersR 1988, 174). Einer unrichtigen Beurteilung der Erfolgsaussicht kann der Rechtsmittelführer durch den Stichentscheid gemäß S 17 Abs. 2 der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzver— sicherung (ARB) entgegentreten. Das besagt jedoch nichts zur Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Derjenige, der die Kosten seines Rechtsmittels nicht aufbringen kann, darf wie ein anderer die Frist für die Einlegung oder Begründung des Rechtsmit- tels bis zum letzten Tag ausnutzen; er darf also noch am letzten Tag der Frist die Entscheidung treffen, ob er das Rechtsmittel einlegen will, und braucht erst dann den aller- dings vollständigen Antrag auf Prozeßkostenhilfe einzurei- chen (BGHZ 16, 1 und 38, 376). Daran kann sich nichts da- durch ändern, daß er rechtsschutzversichert und auf das Ver- fahren gemäß § 17 ARB angewiesen ist. Der Stichentscheid ge- mäß § 17 Abs. 2 ARB setzt die vorausgegangene Verneinung der Leistungspflicht seitens des Rechtsschutzversicherers vor- aus. Solange dieser sich nicht entschieden hat, ist für ei- nen Stichentscheid kein Raum. Es liegt auf der Hand, daß dieses Verfahren - zunächst die Entscheidung des Rechts- schutzversicherers über die Erfolgsaussicht, dann gegebenen- falls der Stichentscheid - eine gewisse Zeit erfordert. Die- ser Zeitraum muß dem Rechtsmittelführer, der rechtsschutz- versichert ist, ohne Rechtsnachteil zur Verfügung stehen. Er darf, wenn er im übrigen die wirtschaftlichen Voraussetzun- - 6 - gen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe erfüllt nicht wegen der Rechtsschutzversicherung schlechtergestellt werden den als die übrigen Rechtsmittelführer. Danach ist dem Beklagten mit der Kostenfolge § 238 Abs. 4 ZPO Wiedereinsetzung zu gewähren. B. Dr. Z. Nechschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Für einen rechtsschutzversicherten Rechtsmittelführer, der die die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostehhilfe im übrigen erfüllt, entfällt das Hindernis der Bedürftigkeit erst mit der Deckunugszusage seines Rechts- schutzversicherers. BGH, Beschl. v. 4. Oktober 1990 - IV ZB 5/90 - OLG Stuttgart LG Rottweil Faksimile 1 2 3 4 5 6 Leitsatz ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, 3 RK 3/82 vom 23.03.1983, Bundessozialgericht
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BSGE 55, 37, 38 ff [BSG 23.03.1983 - 3 RK 3/82] = SozR 2200 § 194 Nr 10
Bundessozialgericht 3 RK 3/82 Verkündet am 23. März 1983 Im Namen des Volkes Urteil in dem Rechtsstreit Klägerin und Revisionsklägerin, Prozeßbevollmächtigte: gegen Beklagte und Revisionsbeklagte, Prozeßbevollmächtigter: Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 1983 für Recht erkannt: Auf die Sprungrevision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28. September 1981 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen. - 2 - Gründe: I Die Klägerin begehrt die Erstattung von Krankentransportkosten. Die Klägerin wohnt in D. und ist Mitglied der Beklagten. Am 27. April 1980 erlitt sie während ihres Urlaubs im Sauerland einen Unterschenkelbruch rechts. Sie wurde zum nächstgelegenen Krankenhaus, dem M. -H. -Krankenhaus in W. gefahren. Dort wurde vom Chefarzt Dr. K. (K.) die Reposition durchgeführt und ein Transportgips angelegt. Die Klägerin wurde am selben Tag noch liegend ins Knappschaftskrankenhaus D. transportiert. Für diese Fahrt stellte der Kreis S. 468,-- DM in Rechnung, die die Klägerin beglich. Die Übernahme der Kosten für die Fahrt von W. nach D. lehnte die Beklagte am 7. Oktober 1980 ab. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie sei Mutter eines vierjährigen Kindes. Ihm wäre es wegen der Dauer einer Reise von D. nach W. (über BO km) praktisch nicht möglich gewesen, die Klä- gerin regelmäßig zu sehen. Eine Trennung von Mutter und Kind wirke sich unter Berücksichtigung der psychosomatischen Zusam- menhänge auch für den Genesungsprozeß der Mutter äußerst nach- teilig aus. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Sozialgericht - 3 - (SG) hat ausgeführt, der Transport der Klägerin von W. nach D. sei nicht durch die Art und Weise der erforderlichen Krankheitsbehandlung bedingt gewesen. Die erforderliche, medizi- nisch ausreichende und zweckmäßige Krankenhauspflege wäre im M. -H. -Krankenhaus gesichert gewesen. Medizinisch erforder- lich sei die Verlegung nach D. auch nicht deshalb gewesen, weil das Verbleiben der Klägerin in W. zu psychischen Störungen mit Krankheitswert bei dem Kind hätte führen können. Die Möglichkeit des Eintritts einer Krankheit bei einem anderen könne die medizinische Notwendigkeit im Hinblick auf die zu behandelnde Krankheit des Versicherten nicht beeinflussen. Am 27. April 1980 hätten auch konkrete Hinweise darauf gefehlt, daß die sofortige Verlegung nach D. die medizinisch einzig geeignete Maßnahme zur Sicherstellung des Genesungsprozesses der Klägerin gewesen wäre. Vielmehr habe der verantwortliche Chefarzt mitgeteilt, daß eine medizinische Notwendigkeit zur Verlegung nicht bestanden habe. Diese Notwendigkeit werde auch nicht durch das kassenarztrechtlich vorgesehene Formular der Anordnung des Krankentransports bestätigt, denn darin gehe es nicht um die Frage, ob die Verlegung erforderlich sei, sondern um deren Art und Weise. Zwar behaupte die Klägerin, das Krankenhaus habe die Verlegung veranlaßt. Es sei aber jedenfalls nicht Aufgabe der Krankenkasse, Kosten einer nicht medizinisch bedingten Verlegung zu tragen. Medizinische Gründe für die Verlegung habe Dr. K. ausdrücklich verneint. Die Klägerin hat Sprungrevision eingelegt und macht geltend, das kassenarztrechtlich vorgesehene Formular bestätige die Notwen- - 4 - digkeit der Verlegung. Auch sei der Transport der Klägerin not- wendig gewesen wegen der gesundheitlichen Gefährdung von Mutter und und und der Beeinträchtigung des Genesungsprozesses durch die Trennung zwischen beiden. Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Dortmund vom 28. September 1981 und der Bescheide vom 7. Oktober 1980 und 3. Februar 1981 zu verurteilen, an sie 468,-- DM nebst 4 % Zinsen ab 1. März 1981 zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. II Die Revision ist im Sinn der Zurückverweisung der Sache an das SG zu neuer Verhandlung und Entscheidung begründet. Anhand der im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen des SG kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind, und cb der Anspruch der Klägerin be- steht. Nach § 194 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) übernimmt die Beklagte die im Zusammenhang mit der Gewährung einer Leistung der Krankenkasse erforderlichen Fahrkosten für den Versicherten. - 5 - Der Anspruch aus § 19A Abs 1 RV0 setzt voraus, daß die Kassen- leistung dem Versicherten an einem bestimmten Ort zu gewähren ist und der Transport lediglich dazu dient, ihn zu diesem Ort zu befördern (Urteil des Senats vom 28. März 1979 in BSGE NB, 139 = SozR 2200 § 194 RVO Nr U). Aus den Feststellungen des SG ergibt sich nicht, ob die Beklagte der Klägerin die Krankenhausbehand- lung in diesem Sinn gerade im Knappschaftskrankenhaus in D. zu gewähren hatte. Die Gewährung der stationären Behandlung im Knappschaftskranken- haus und die dafür erforderliche Fahrt nach D. sind nicht von Dr. K. in einer für die Beklagten verbindlichen Weise angeordnet worden. Mit Recht hat das SG die Frage offengelassen, ob die Fahrt von W. nach D. Q von der Klägerin oder von Dr. K. veranlaßt worden ist. Das SG hat bindend festgestellt, Dr. K. habe die Verlegung jedenfalls nicht aus medizinischen Gründen veranlaßt. Wenn der Arzt die Verlegung des Versicherten von einem Krankenhaus in ein anderes aus medizinischen Gründen veranlaßt, mag dies die Pflicht der Krankenkasse zur Übernahme der Transportkosten auch dann nach sich ziehen, wenn die Gründe objektiv nicht gegeben waren. Eine derartige Verpflichtung der Krankenkasse ist zwar nicht ausdrücklich geregelt. Es liegt aber nahe, sie dem Grundgedanken von Vorschriften wie § 20 Abs 5 des Bundesmantelvertrages Ärzte (BMVÄ) vom 28. August 1978 zu ent- nehmen. Nach § 20 Abs 5 BMVÄ bleibt bei der Verordnung von Kran- kenhauspflege die Kostenverpflichtungserklärung gegenüber dem Krankenhaus der Krankenkasse vorbehalten. Veranlaßt der Arzt in Notfällen ausnahmsweise von sich aus die Aufnahme in ein - 6 - Krankenhaus, so hat er dieses in der Verordnung besonders zu be- gründen. Aus der Vorschrift ergibt sich aber keinerlei Anhalts- punkt dafür, daß ein Arzt durch seine Verordnung die Kasse zu Leistungen verpflichten könnte, die er nicht im einzelnen für medizinisch begründet hält. Die Kosten des Transports von W. nach D. sind von der Beklagten auch nicht schon deshalb zu tragen, weil Dr. K. die ärztliche Notwendigkeit der Krankenfahrt festgestellt hat. Das SG hat festgestellt, der Arzt treffe mit dem Formular keine Anordnung hinsichtlich des "Ob" des Transports. Damit hat das SG eine tatsächliche Feststellung getroffen, die mit der Sprungrevision nicht angegriffen werden kann (§ 161 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Die Klägerin bezieht sich in ihrer Revisionsbegründung insoweit auf das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz vom 24. Januar 1980 - L 5 K 46/79 -. Darin wird ausgeführt, Chefarzt Dr. M. habe den Transport auf einem dafür vorgesehenen Formblatt angeordnet, und die Anordnung beziehe sich nicht lediglich auf die Art des Transports, sondern auch auf die Durchführung selbst; das Formblatt sei nämlich als Nachweis der ärztlichen Anordnung für die Krankenkasse bestimmt. Das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz enthält insoweit tatsächliche Feststellungen, wobei es noch nicht einmal vom gleichen Formblatt ausgeht wie im Fall der Klägerin. Für den Rechtsstreit der Klägerin gegen die Beklagte sind die Feststellungen des LSG Rheinland-Pfalz nicht verbindlich. Die Auslegung der formularmäßigen Erklärung durch das SG läßt auch keinen rechtlichen Fehler erkennen. Allerdings dient das - 7 - Formblatt dem Nachweis für die Krankenkasse. Das SG war aber nicht an der Auslegung gehindert, daß es nur um den Nachweis der angeordneten Art des Transports geht. Insoweit wird die Auslegung durch die neuen Richtlinien über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransport- und Rettungsdienstleistungen vom 26. Februar 1982 (BAnz Beilage 32 Seite 9) bestätigt. Darin ist die Auswahl des Beförderungsmittels eingehend geregelt. Es wird zwar auch bestimmt, daß Ausgangs- und Zielort der Fahrt anzugeben sind. Die Richtlinien sehen aber keine Aussage des Arztes über den Zweck und die Notwendigkeit der Fahrt vor. Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Fahrkosten kann sich aber aus einem anderen Rechtsgrund ergeben. Unter den Krankenhäusern, mit denen Verträge über die Erbringung von Krankenhauspflege bestehen, kann der Versicherte nach § 184 Abs 2 RVO wählen. Der Versicherte bestimmt mit dieser Wahl des Kran- kenhauses allerdings nicht den Ort der Leistung in der Weise, daß die Bestimmung die Pflicht der Krankenkasse zur Übernahme der Kosten für die Fahrt dorthin nach sich zieht. Vielmehr hat er selbst die Mehrkosten zu tragen, wenn er ohne zwingenden Grund ein anderes ale eines der nächsterreichbaren Vertragskranken- häuser in Anspruch nimmt (§ 184 Abs 2 Satz 2 RVO). Die Vorschrift des § 184 Abs 2 Satz 2 RVO ist im vorliegenden Fall anwendbar. Zu dem dieser Vorschrift im ambulanten Bereich entsprechenden § 368d Abs 2 RVO hat der Senat bereits entschieden, daß auch die Kosten der Fahrt zum gewählten Arzt Mehrkosten in diesem Sinn sind, soweit sie die Kosten der Fahrt zum nächsterreichbaren Arzt überschreiten (BSG SozR 2200 § 368d RVO Nr N). Anderes - 8 - Krankenhaus iS des § 184 Abs 2 Satz 2 RVO ist allerdings in der Regel das im Krankheitsfall zuerst aufgesuchte Krankenhaus. Indessen ist kein durchschlagender Grund erkennbar, warum die Vorschrift nicht auch im Fall des Krankenhauswechsels, der Verlegung von einem Krankenhaus in ein anderes angewendet werden soll. Die Klägerin hätte je nach Art des Unfalls genausogut unmittelbar vom Unfallort nach D. gebracht werden können. Nach der Interessenlage kann die - offenbar nur ambulante - Erstversorgung in W. die Erstattung der Fahrkosten nach D. nicht ausschließen. Die Klägerin hat das Knappschaftskrankenhaus in D. "in Anspruch genommen", selbst wenn die Verlegung dorthin allein von Dr. K. oder durch andere Angestellte des W. Krankenhauses veranlaßt werden sein sollte. Inanspruchnahme bedeutet keine bewußt ausgeübte Wahl. Der Versicherte nimmt grundsätzlich das Krankenhaus in Anspruch, in dem er sich behandeln läßt. Die Feststellungen des SG reichen nicht aus für eine Entscheidung darüber, ob für die Verlegung der Klägerin von W. nach D. ein zwingender Grund gegeben war. Zur Übernahme der Kosten für einen solchen Weitertransport ist die Kasse nur verpflichtet, wenn Gründe dafür in der Art und Weise der Krankheitsbehandlung liegen (BSG SozR 2200 § 194 RVO Nr 4). Die erforderliche, medizinisch ausreichende und zweck- mäßige Krankenhauspflege wäre nach den bindenden Feststellungen des SG im M. -H. -Krankenhaus in W. gesichert gewesen. - 9 - Mit Recht hat das SG auch dargelegt, die Gefahr von psychischen Störungen bei dem Kind der Klägerin sei kein in der Art und weise der Krankheitsbehandlung liegender Grund. Krankheitsbe- handlung in diesem Sinn ist nur die Behandlung der Klägerin selbst. Zu den gesetzlichen Aufgaben der gesetzlichen Kranken- versicherung gehört es nicht, gesundheitliche Gefahren für Familienangehörige des Kranken abzuwehren, auch wenn die Angehö- rigen selbst Krankenversicherungsschutz genießen. Zu Unrecht hat das SG keine Feststellungen darüber getroffen, ob und in welcher Weise die Trennung von Mutter und Kind den Gene- sungsprozeß der Mutter beeinträchtigt hätte. Das SG hat die Sachaufklärung dazu unterlassen, weil am 27. April 1980 offen- kundig alle konkreten Hinweise für die Notwendigkeit der Verle- gung aus diesem Grund gefehlt haben. Darauf kommt es indessen nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob die Notwendigkeit objek- tiv vorgelegen hat. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 28. März 1979 angedeutet, daß die Gefahr einer psychischen Erkrankung des Versicherten beim Verbleib in dem Krankenhaus außerhalb seines Wohnorts für die Entscheidung erheblich sein könnte. Im Verhältnis einer Mutter zu ihrem vierjährigen Kind liegt die Beeinträchtigung des Genesungsprozesses der Mutter durch eine Trennung nicht so fern, daß das SG von einer weiteren Sachaufklärung ohne weiteres entbunden wäre. wenn die Gefahr ernsthaft bestanden hat, wird das SG eine etwa zu befürchtende Verzögerung der Genesung gegen die Transportkosten abzuwägen und auch etwaige andere Möglichkeiten der Kontaktsicherung zu berücksichtigen haben. - 10 - Die Kostenentscheidung bleibt dem Urteil des SG vorbehalten. Faksimile 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 ... link (0 Kommentare) ... comment BVerwG, 3 B 62.88 vom 21.02.1989, Bundesverwaltungsgericht
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Sachgebiet: BVerwGE: nein
Lebensmittelrecht Fachpresse: nein Weinrecht Rechtsquellen: VO (EWG) Nr. 2179/83 Art. 4 Abs. 2.· Art. 5 Abs. 1 VwVfG §§ 38 Abs. 1 Satz 1 u. Abs. 2. 44 VwGO § 132 Abs . 2 Nr . 1 u . Nr . 2 Stichworte: Behördliche Genehmigung eines Vertrags zur Destillation von Wein. allgemeine Hinweise im Genehmigungsbescheid. Auslegung eines Hinweises als bedingte Zusicherung der Gewährung einer Beihilfe; keine Grundsatzfrage (unbegründete Nichtzulassungs- beschwerde) Beschluß des 3. Senats vom 21. Februar 1989- BVerwG 3 B 62.88 I. VG Frankfurt am Main vom 13.06.1986 - Az.: I/3 E 2021/84 - II. VGH Kassel vom 19.05.1988 - Az.: 8 UE 2017/86 - 1- BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BVerwG 3 B 62.88 VGH 8 UE 2017/86 BESCHLUSS In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 21. Februar 1989 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. D. sowie die Richter am Bundes- verwaltungsgericht S. Und W.-E. S. beschlossen: - 2 - Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Mai 1988 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Beklagten zur Last. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 28 374.79 DM festgesetzt. Gründe Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Urteil des Berufungsgerichts erweist sich als unbegründet. Keiner der in der Beschwerdebegründung dargelegten rechtlichen Gesichtspunkte vermag die Zulassung der Revision zu rechtfertigen. Die von der Beklagten als klärungsbedürftig dargelegte Frage. ob Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 und Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2179/83 des Rates vom 25. Juli 1983 dahin auszulegen sind. daß ein Verwaltungsakt. der eine dort vorgesehene Genehmigung eines Vertrags zur Destillation von Wein zum Inhalt hat. gleichzeitig die Zusicherung enthält. eine für die Destillation beantragte Beihilfe zu gewähren, hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. weil sie in dieser Allgemeinheit nicht klärungsfähig ist. Im Grundsatz wäre diese Frage sicherlich zu verneinen, weil es sich von selbst versteht. daß ein Verwaltungsakt, der lediglich die Genehmigung eines Vertrags zum Inhalt hat, nicht zugleich auch die Zusicherung einer Leistung enthält. Allerdings kann sich - 3 - aus der Begründung einer Genehmigung ergeben, daß über die Ge- nehmigung hinaus zugleich eine Zusicherung erteilt worden ist. Dies hängt also von den jeweiligen besonderen Umständen des kon- kreten Einzelfalls ab. Die weiterhin von der Beklagten dargelegte Frage, ob ein Ver- waltungsakt, der die Genehmigung eines Vertrags zur Destillation von Wein betrifft, durch Interpretation eines allgemeinen Hin- weises zu der Genehmigung dahin ausgelegt werden kann, daß er zugleich die Zusicherung enthält, eine für die Destillation be- antragte Beihilfe werde gewährt, ist nicht klärungsbedürftig, weil sie zweifelsfrei zu bejahen ist. Denn es ist unter den Umständen des konkreten Einzelfalls durchaus möglich, daß ein zur Begründung der Genehmigung gegebener Hinweis als eine Zu- sicherung zu verstehen ist. Ob dies im Einzelfall zutrifft. ist wiederum keine Grundsatzfrage. sondern eine Frage der Auslegung des konkreten Verwaltungsakts. Im übrigen ist die Frage. ob im vorliegenden Falle die Umstände nicht eher gegen die Feststel- lung des Berufungsgerichts sprechen. die Behörde habe eine Zu- sicherung gegeben. vom Bundesverwaltungsgericht nicht zu ent- scheiden. Die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung wegen Abweichung nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegen ebenfalls nicht vor. Eine Zulassung aus diesem Grunde kommt nur in Betracht. wenn die Meinungsverschiedenheit die Frage der Geltung eines bestimmten abstrakten Rechtssatzes betrifft. - 4 - Was die angebliche Abweichung vom Urteil des Bundesverwaltungs- gerichts vom 17. Oktober 1975- BVerwG 4 C 66.72- (NJW 1976. 303 = BVerwGE 49. 244) anbetrifft, so wird in der Beschwerde lediglich behauptet, das Berufungsgericht habe nicht die Anfor- derungen beachtet, die das Bundesverwaltungsgericht an eine behördliche Zusage stelle, nicht aber, daß das Berufungsgericht die Richtigkeit dieser Anforderungen in Zweifel gezogen habe. Ein etwaiger Fehler bei der Anwendung des zwischen Tatsachenge- richt und Bundesverwaltungsgericht unumstrittenen Rechtssatzes rechtfertigt keine Zulassung wegen Abweichung. Zu Unrecht gerügt wird auch die Abweichung vom Urteil des Bun- desverwaltungsgerichts vom 7. Juli 1966 - BVerwG 3 C 219.64- (BVerwGE 24. 294) und von dem Beschluß vom 20. März 1973 - BVerwG 1 WB 217.72- (BVerwGE 46. 89); denn die diesbezügli- chen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts enthalten keine rechtliche Aussage zu den Voraussetzungen einer wirksamen behördlichen Zusicherung. und auf den in diesen Entscheidungen behandelten Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes hat das Be- rufungsgericht nicht abgehoben. so daß es naturgemäß auch die Maßstäbe des Bundesverwaltungsgerichts für einen wirksamen Ver- trauensschutz nicht in Frage gestellt hat. Im übrigen wird in dem einschlägigen Beschwerdevorbringen übersehen, daß sich das vom Berufungsgericht erwähnte Vertrauen auf das behördliche Einverständnis mit der Destillation bezieht. die zeitlich nach dem Zugang der Genehmigung erfolgte. Im übrigen sei nur noch bemerkt. daß § 38 Abs. 2 VwVfG die Un- - 5 - wirksamkeit einer Zusicherung unbeschadet des § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG nur unter den Voraussetzungen des § 44 VwVfG an- nimmt. Zusammenfassend ergibt sich. daß die Nichtzulassungsbeschwerde unter keinem dargelegten rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg haben kann. so daß sie mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen ist. Die Streitwertfestsetzung beruht auf§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Dr. D. S. S. ... link (0 Kommentare) ... comment Freitag, 8. Mai 2015
BGH, II ZR 124/76 vom 19.01.1978, Bundesgerichtshof
anselmf
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20, BGB § 203 Die Verjährung wird gehemmt, auch wenn die arme Partei das Gesuch um Bewilligung des Armenrechts für die Er- hebung der Klage zwar noch innerhalb der Verjährungs- frist, aber so spät - auch noch am letzten Tage - bei Gericht einreicht, daß darüber nicht mehr vor Frist- ablauf entschieden werden kann (Abweichung von BGHZ 17, 199 und 37, 113). BUNDESGERICHSTHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 124/76 verkündet am 19. Januar 1978 Justizobersekretär Als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit des Fischermeisters … K … Klägers und Revisionsklägers, - Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt … - gegen die Gesellschaft für K … und K … mbG, gesetzliche vertreten durch den Geschäftsführer Manfred P … Beklagte und Revisionsbeklagte, - Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt … - Tatbestand: Der Fischkutter "Anneliese" des Klägers, eines selbständigen Fischermeisters, ist am 4. März 1973 nach einer Kollosion mit MS "Hanseat III" der Beklagten in der Lübecker Bucht gesunken. Der Kläger verlangt Ersat eines Teils seines nicht durch Versicherung gedeckten Schadens. Er ist der Auffassung, die Schiffs- führung von MS "Hanseat III" habe durch ihr Verschulden den Schiffszusammenstoß überwiegend verursacht Die Parteien haben bis August 1974 außergerichtlich über eine vergleichsweise Regelung verhandelt konnten sich aber nicht über die Schadensquote einigen. Am - 3 - 23. Oktober 1974 beantragten die vom Kläger bevoll- mächtigten Rechtsanwälte beim Landgericht Lübeck das Armenrechts für eine Klage über 37 061,22 DM nebst Zinsen. Mit Schriftsatz vom 26. November 1974, der einen Tag später bei Gericht einging, rügte die Beklagte unter anderem die Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts, mit dem Hinweis, daß sie ihren Sitz in Hamburg habe. Die Anwälte des Klägers erwiderten mit Schriftsatz vom 10. Februar 1975, der am 19. Februar beim Landgericht Lübeck eingegangen ist. Sie beantragten unter Erweiterung des Gesuchs auf ca. 49 704,53 DM das Armenrechtsverfahren an das Landgericht Hamburg abzugeben. Diesem Antrag hat das Landgericht Lübeck entsprochen. Die Akten trafen am 3. März 1975 beim Landgericht Hamburg ein. Die zunächst der Zivilkammern 10 zugeleitete Sache wurde an die Zivil- kammer 6 abgegeben und anschließend, auf Antrag der Be- klagten, an die Kammer für Handelssachen verwiesen. Nach- dem die Beklagte sich auf Verjährung berufen hatte, hat das Landgerichts durch Beschluß vom 4. Juni 1975 dem Kläger das Armenrecht versagt. Seine Beschwerde wurde durch Be- schluß des Oberlandesgerichts vom 18. August 1975 zurück- gewiesen. Am 2. September 1975, der Beklagten zugestellt am 4. September 1975, erhob der Kläger Klage mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, 39.763,63, DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21. Oktober 1973 zu bezahlen. Die Beklagte hat erneut die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter. - 4 - Entscheidungsgründen: Das Berufungsgericht hat den auf § 736 Abs. 1 HGB gestützten Schadensersatzanspruch für verjährt und die Klage schon aus diesem Grunde für abweisungsreif ge- halten. Dem ist jedoch, wie die Revision zu Recht geltend macht, nicht zu folgen. Ansprüche dieser Art verjähren gemäß § 901 Satz 2 Nr. 2 HGB a.F. und § 902 Nr. 2 HGB i.d.F. d. Seerechts- änderungsgesetzes vom 21. Juni 1972, BGBl I 1513 (= n. F.) in zwei Jahren vom Ablauf des Kollosionstags an gerechnet (§ 903 HGB). Diese Frist war am 4. März 1975, also bevor der Kläger am 4. September 1975 Klage erhob, abgelaufen. Die Einreichung des Armenrechtsgesuchs hat die Verjährung nicht unterbrochen; eine dahingehende gesetzliche Regelung besteht nicht (§ 209 BGB). Die Ver- jährung war jedoch gehemmt (§ 203 BGB), weil der Kläger wegen des Unvermögens, die Prozeßkosten zu tragen, während der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist durch - im Sinne jener Vorschrift - „höhere Gewalt" an der Rechts- verfolgung gehindert war. Das entspricht allerdings bei dem vorliegenden Sach- verhalt nicht der bisherigen Rechtsprechung des Bundes- gerichtshofes, der sich das Berufungsgericht angeschlossen hat (BGHZ 17, 199; BGH, Urt. v. B. 5. 56 - VI ZR 58/55, LM BGB § 254 [E] Nr. 2; v. 28. 9. 59 - III ZR 75/58, VersR 1960, 60; v. 20. 6. 60 - III ZR 127/59, VersR 1960, 951; BGHZ 37, 113; v. 30. 9. 69 - VI ZR 54/68, DAVorm. 70, 10; v. 8. 3. 77 - VI ZR 142/75, VersR 1977, 622). Danach soll der Umstand, daß das Gericht erst nach Fristablauf - 5 - entscheidet, nur dann einen Fall höherer Gewalt dar- stellen, wenn der Berechtigte alles in seinen Kräften Stehende getan hat, um eine rechtzeitige Bewilligung des Armenrechts zu erreichen und damit eine Klage- erhebung noch vor Ablauf der Verjährung zu ermöglichen. Diese Voraussetzungen waren hier nicht erfüllt. Denn die Beklagte, die ihren Sitz in Hamburg hat, hatte schon mit Schriftsatz vom 26. November 1974 die örtliche Zuständigkeit des vom Kläger zum Zwecke der Armenrechts- bewilligung angerufenen Landgerichts Lübeck gerügt. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers stellte jedoch erst am 19. Februar 1975, also mehr als zwei Monate später, beim Landgericht Lübeck den Antrag, das Armen- rechtsverfahren an das Landgericht Hamburg abzugeben. Nach dieser vom Kläger oder seinen Anwälten zu vertretenden Verzögerung konnte mit einer Entscheidung des Landgerichts Hamburg bis zum 4. März 1975 nicht mehr gerechnet werden. An der Auffassung, die Verjährung werde nur gehemmt, wenn die unbemittelte Partei so frühzeitig das Armenrecht beantrage, daß darüber bei gewöhnlichem Geschäftsgang des Gerichts noch innerhalb der Verjährungsfrist ent- schieden und Klage erhoben werden können, kann jedoch nicht festgehalten werden. Im Bereich des Rechtsschutzes gebietet es der allge- meine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG), die prozessuale Stellung von Bemittelten und Unbemittelten weitgehend anzugleichen (BVerfGE 9, 124, 131; 10, 264, 270). Der unbemittelten Partei darf daher die Rechtsver- folgung und -verteidigung im Vergleich zur bemittelten - 6 - nicht unverhältnismäßig erschwert werden (BVerfGE 2, 336, 340; 9, 124, 130, 131). Daraus hat das Bundesverfassungs- gericht unter anderem hergeleitet, daß es gegen Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG verstoße, im Zivilprozeß einem unbe- mittelten Rechtsmittelkläger, der nach Bewilligung des Armenrechts die Frist für den Wiedereinsetzungsantrag (§ 234 Abs. 1 ZPO) versäumt hat, keine Wiedereinsetzung zu gewähren (BVerfGE 22, 83). Nach Ansicht des Senats sind diese Grundsätze auch im vorliegenden Falle anzuwenden; sie erfordern es, die Hemmung der Verjährung auch dann eintreten zu lassen, wenn ein ordnungsgemäß begründetes und vollständiges Armen- rechtsgesuch zwar noch innerhalb der Verjährungsfrist, aber so spät - unter Umständen noch am letzten Tag - eingereicht wird, daß darüber vor Fristablauf nicht mehr entschieden werden kann. Die gegenwärtige Rechtspraxis benachteiligt die unbe- mittelte Partei und führt außerdem zur Rechtsunsicherheit im Einzelfall: Einer bemittelten Partei steht der volle Zeitraum, in dem die Verjährung läuft, für außergericht- liche Verhandlungen und zur Vorbereitung der Klage zur Verfügung, da sie noch am letzten Tage der Frist die Ver- jährung durch Klageerhebung oder eine gleichstehende Maß- nahme (§§ 209 BGB, 270 Abs. 3 n.F. ZPO) unterbrechen kann. Für die unbemittelte Partei führt dagegen die Verpflichtung, im Armenrechtsgesuch eine vollständige Sachdarstellung zu geben (BGH, Urt. v. 27. 11. 1959 - VI ZR 112/59, LM BGB § 203 Nr. 6) und das Armenrecht so rechtzeitig zu beantragen, daß darüber innerhalb der Verjährungsfrist entschieden werden kann, zu einer Verkürzung dieser Frist. Ebenso schwerwiegend wie dieser Nachteil ist die Unsicherheit, mit der die arme Partei belastet wird. Dies gilt zu- nächst für die Pflicht, das Armenrecht so rechtzeitig zu beantragen, daß wirklich vor Ablauf der Verjährung darüber entschieden werden kann (BGHZ 17, 199, 202). Damit wird von der armen Partei eine Prognose verlangt, die sie nicht zuverlässig stellen kann, weil sie nicht alle Umstände kennt, die den Gang des Verfahrens beein- flussen werden. Die unbemittelte Partei ist daher dem Risiko ausgesetzt, nachträglich gesagt zu bekommen, sie habe das Armenrechtsgesuch nicht „rechtzeitig" eingereicht. Von Unsicherheit geprägt ist auch die Bestimmung des Zeit- punkts für den Beginn der Hemmung. Nach der hierfür ver- wendeten Formel tritt die Hemmung der Verjährung in dem Augenblick ein, in dem der Kläger bei sachgemäßer Be- handlung eine Entscheidung über sein Armenrechtsgesuch erwarten konnte (BGHZ 17, 202; 37, 113, 122). Der Beginn der Verjährungshemmung und damit auch ihre Dauer hängen danach von dem unbestimmten, verschiedener Deutung zugäng- lichen Begriff der "sachgemäßen" Behandlung des Armenrechts- verfahrens ab. Da0 darin für die arme Partei eine Risiko liegt, sich hinsichtlich der Dauer der Hemmung der Ver- jährung zu "verrechnen", liegt auf der Hand. Die darge- legten Umstände bedeuten für die arme Partei eine unver- hältnismäßige Erschwerung der Rechtsverfolgung im Vergleich zu der bemittelten. Darauf, daß die Belange der um das Armenrecht nachsuchenden Partei durch die Zustellung eines Mahnbescheids oder die Anbringung eines Gütevertrags nicht hinreichend gewahrt sind, hat bereits das Reichsgericht (RGZ 163, 9) hingewiesen. Bei einer am Gerechtigkeits- gedanken orientierten Betrachtungsweise erscheint die weitgehende Angleichung der Stellung der armen an die der vermögenden Partei nur durch eine Regelung gewähr- leistet, die es ersterer erlaubt, die Verjährungsfrist in vollem Umfange zu nutzen (vgl.. auch BGHm Urt v. 4. 3. 77 -V ZR 236/75, VersR 1977, 665 u. Kollhoser, VersR 1974, 829 zu der ähnlichen Problematik bei § 12 Abs. 3 VVG). Deshalb ist nach Auffassung des Senats bei verfassungskonformer Anwendung des § 203 Abs. 2 BGB eine Partei durch höhere Gewalt an der Rechtsverfolgung verhindert, wenn sie am Tage des Ablaufs der Verjährungs- frist infolge Armut keine Klage erheben kann, aber spätestens in diesem Zeitpunkt das zur Behebung des Hindernisses not- wendige Armenrechtsverfahren durch ein ordnungsgemäß be- gründetes und vollständiges Armenrechtsgesuch eingeleitet hat. Ist diese Voraussetzung erfüllt, dann tritt die Hemmung der Verjährung ein, und sie dauert grundsätzlich fort, bis die arme Partei nach der Entscheidung über das Armenrechts- gesuch bei angemessener Sachbehandlung in der Lage ist, ordnungsgemäß Klage zu erheben. Eine solche Regelung wider- spricht weder dem Wortlaut noch dem Sinn des Gesetzes. Sie belastet auch nicht den Schuldner der unbemittelten Partei in unangemessener Weise. Die dadurch in der Regel eintretende Verlängerung der Verjährungsfrist hält sich in vertretbarem Rahmen, und der Schuldner erfährt zur gleichen Zeit wie bei Klageerhebung von der beabsichtigten Rechtsverfolgung und kann sich darauf einstellen. Für den vorliegenden Fall folgt daraus, daß die mit der Klage geltend gemachte Schadensersatzforderung nicht verjährt ist. Das Armenrechtsgesuch ist, da es am letzten Tage der Verjährungsfrist dem Gericht vorlag, rechtzeitig gestellt. Dem Kläger - der seine Armut glaubhaft gemacht hatte - sind auch im weiteren Verlauf des Armenrechtsver- fahrens keine Umstände, die eine Verzögerung der Armen- rechtsentscheidung nach sich gezogen haben, als Verschulden - 9 - mit der Folge anzurechnen, daß von höherer Gewalt im Sinne von § 203 Abs. 2 BGB nicht mehr gesprochen werden könnte. Der Kläger wurde durch Verfügung des Vorsitzenden der Zivilkammer 6 des Landgerichts Hamburg, die am 7. April 1975 an die Rechtsanwälte abgesandt worden ist, aufgefordert, ein Armen-Attest neueren Datums vorzulegen. Dem ist er nachgekommen, indem er am 5. Mai 1975 ein weiteres Zeugnis zur Erlangungen einstweiliger Kosten- befreiung eingereicht hat. Darauf, ob dieser Erledigungs- zeitraum angemessen war, kommt es nicht an. Die Verzögerung der Entscheidung über das Armenrechtsgesuch hätte selbst dann nicht auf diesem Vorgang beruht, wenn das Armuts- zeugnis etwas früher hätte vorgelegt werden können. Das Landgericht hatte nämlich in der gleichen Verfügung die Beklagte aufgefordert zu erklären, ob sie Verweisung an die Kammer für Handelssachen beantragen wolle. Der Ent- sprechende Antrag ist am 29. April 1975 beim Landgericht eingegangen. Die Zivilkammer hat daraufhin durch Beschluß vom 23. Mai 1975 das Verfahren an die Kammer für Handels- sachen abgegeben. Zu dieser Zeit aber hat das neue Armuts- zeugnis des Klägers vorgelegen. Der Umstand, daß der Kläger nicht sogleich beim Landgericht Lübeck beantragt hat, das Verfahren an die Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hamburg abzugeben, kann ihm nicht zum Nachteil gereichen. Nach § 96 Abs. 1 GVG ist der Kläger nicht verpflichtet zu beantragen, daß der Rechtsstreit vor der Kammer für Handelssachen verhandelt werden solle. Schließlich ist die Klage auch rechtzeitig nach Ab- schluß des Armenrechtsverfahrens erhoben worden. Das Armen- recht wurde dem Kläger durch Beschluß des Berufungsgerichts vom 18. August 1975 endgültig versagt. Eine Ausfertigung dieses Beschlusses ging am 21. August 1975 an die Anwälte des Klägers ab. Mit Schriftsatz vom 1. Septem- ber 1975, der bei Gericht am 2. September eingegangen ist, hat der Kläger Klage erhoben. Diese ist am 4. September 1975 zugestellt worden. Der Kläger hat also spätestens zwei Wochen, nachdem er von dem nega- tiven Ausgang des Armenrechtsverfahrens Kenntnis erlangt hatte, die Klage eingereicht. In Anwendung des Rechts- gedankens von § 234 Abs. 1 ZPO ist der Partei nach Kenntnis vom Abschluß des Armenrechtsverfahrens eben- falls eine zumindest zweiwöchige Frist zur Vorbereitung der Klage zuzubilligen. Ob diese im Einzelfall über- schritten werden darf, braucht hier nicht entschieden zu werden. Aus all dem folgt, daß die Verjährung des Schadens- ersatzanspruchs des Klägers bis zur Erhebung der Klage gehemmt war. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht. Ein Grund zur Vorlage dieser Sache an den Großen Senat für Zivilsachen bestand nicht. Der III. und der Vl. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes haben auf Anfrage erklärt, daß sie an ihrer entgegenstehenden Rechtsprechung nicht mehr festhalten. S. Dr. S. F. Dr. B. B. Faksimile 1 2 3 4 5 6 7 7a 8 9 10 11 Leitsatz ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, 2 RU 61/60 vom 29.09.1965, Bundessozialgericht
anselmf
Bundessozialgericht
Az.: 2 RU 61/60 Im Namen des Volkes 29. September 1965 In dem Rechtsstreit Verkündet am Beklagte und Revisionsklägerin, 1. , 2. , Kläger und Revisionsbeklagte, hat der 2. Senat des Bundessozialgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. September 1965 durch Senatspräsident B. - Vorsitzender - Bundesrichter D. und Bundesrichter H. , Bundessozialrichter Dr. S. und Bundessozialrichter H. für Recht erkannt: Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein- Westfalen vom 24. November 1959 wird mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehohen. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Ent- scheidung an das Landessozialgericht zurückver- wiesen. - 2 - Gründe: I Die Klägerin zu 1) ist die Witwe, der Kläger zu 2) der Sohn des Franz D. (D.). Die Kläger beanspruchen Hinterblie- nenenentschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung (UV). Sie sind der Auffassung, den der Tod des D. am 22. Juni 1954 die Folge eines Arbeitsunfalls vom 19. Juni 1954 sei. Ans dem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) ergeben sich ua folgende tatsächlichen Feststellungen: Der am 3O. März 1907 geborene D. war von Beruf gelernter Schreiner und in einem Unternehmen beschäftigt, das der be- klagten Berufsgenossenschaft (EG) als Mitglied angehört. Er hatte an den Tagen vor dem 19. Juni 1954 bei dem Hausbau sei- nes Schwagers P. laufend mitgearbeitet und am 18. Juni 1954 den Polizeimeister Schl. bei schweren Arbeiten gehol- fen und ihm zugesagt, am nächsten und übernächsten Tag wie- der mitzuhelfen. Weder seinem Schwager noch dem Polizeimei— ster Sch. hatte D. Angaben über körperliche Beschwerden gerecht. An Morgen des 19. Juni 1954 ging er wie üblich zu seiner Arbeitsstätte, ohne über irgendwelche körperlichen Beschwerden zu klagen. Um die Mittagszeit traf der Polizei- meister Sch. ihn auf dem Weg von der Arbeitsstätte nach hause. Auf die Frage, ob er am Nachmittag beim Bau wieder helfen würde, erwiderte D., er könne leider nicht, er habe bei der Arbeit ein Brett vor sein Geschlechtsteil bekommen und große Schmerzen. Nachdem er zur üblichen Zeit nach Hause gakommen war, setzte er sich an den Mittagstisch und ließ das Essen unberührt. Seiner Ehefrau sagte er nur, er habe einen anstrengenden Tag gehabt. Er begab sich zu Bett, stand später wieder auf, brach aber nach zwei Minuten zusam- men und mußte ins Bett gebracht werden. Während der Nacht - 3 - klagte er über große Schmerzen. Am Sonntag (20. Juni 1954) verschlimmerte sich der Zustand derart, daß der praktische Arzt Dr. Z. gerufen werden mußte. Diesem gab D. an, ihm sei während der Arbeit ein Brett zwischen die Beine gefallen und gegen das Geschlechtsteil geschlagen. Der Arzt stellte hohes Fieber fest und veranlaßte die Einweisung in das Dreifaltigkeitshospital in Lippstadt. Dort gab D. an, er habe am 19. Juni 1954 gegen 11 Uhr vom Holzlager ein Brett holen wollen. Die Bretter seien nachgerutscht und dabei habe sich der Penis eingeklemmt. Dem Elektromeister W., der mit D. auf einem Zimmer lag, erzählte D., er habe am Samstag morgen gegen 11 Uhr einen Unfall gehabt. Er habe von einem Stapel Bohlen eine 30 mm dicke Bohle her- ausgezogen. Der Stapel sei ihm bis in Bauchhöhe gegangen. Beim Fallenlassen der Bohle hätte diese mit dem Ende das Geschlechtsteil eingeklemmt. Von Montagnachmittag an ver- schlimmerte sich der Zustand des D. Es trat hohes Fieber und ein Brand des Penis ein. Am Dienstag, dem 22. Juni 1954 um 9.50 Uhr ist D. gestorben. Der Chefarzt des Dreifaltigkeitshospitals, Dr. Sch., teilte der Beklagten noch am 22. Juni 1954 fernmündlich mit, daß es sehr zweifelhaft sei, ob die Penisinfektion, die zum Tode geführt habe, auf den geschilderten Unfall- hergang am 19. Juni 1954 zurückzuführen sei. Eine Obduktion der Leiche sei zur Aufklärung erforderlich. Am 24. Juni 1954 teilte der gleichfalls im Dreifaltigkeitshospital tätige Arzt Dr. B. der Beklagten fernmündlich mit, daß der Schwager des Verstorbenen vorgesprochen und mitgeteilt habe, die Witwe werde wegen des Arbeitsunfalls Ansprüche geltend machen. Die Beklagte zog die Akten der Staatsanwaltschaft bei, Landgericht Paderborn bei, die am 17. August 1954 bei ihr eingingen. In diesen Akten befindet sich ua ein Bericht der Kriminalpolizei in Lippstadt vom 24. Juni 1954, in dem - 4 - hervorgehoben wird, daß der Witwe von der BG vermutlich Schwierigkeiten bereitet werden würden, weil die Todes- ursache und der Betriebsunfall ziemlich unklar seien. Aus den Akten ergibt sich weiterhin, daß das Amtsgericht in Lippstadt der Auffassung war, der Sachverhalt und das Ermittlungsergebnis sprachen eindeutig für einen Betriebs- unfall, die Schuld eines anderen sei nicht ersichtlich, und daß die Staatsanwaltschaft die Einstellung des Ermitt- lungsverfahrens verfügt hat, weil kein Verdacht einer strafbaren Handlung vorliege. Die Beklagte stellte noch Ermittlungen in dem Unternehmen an, in dem D. beschäftigt gewesen war. Diese ergaben, daß weder den Arbeitskameraden noch den Vorgesetzten von einem Unfall etwas bekannt war und D. auch weder den Werkssani— täter noch den Durchgangsarzt aufgesucht hatte. Aus einer Auskunft der Betriebskrankenkasse ergibt sich, daß D. vor dem Unfall nicht an einem Leiden erkrankt gewesen ist, das mit einer Penisinfektion in Zusammenhang stehen könnte. In dem Durchgangsarztbericnt des Dr. Sch. .vom 22. Juni 1954 ist als Diagnose angegeben: "Infizierte Penisverlet- zung mit septischer Aussaat", und ausgeführt, es werde ein Arbeitsunfall bezweifelt, da eine Infektion nach einem Tage nicht solche Ausmaße annehmen könne; D. habe sich die Verletzung anderswo zugezogen; eine Überprüfung werde für unbedingt erforderlich gehalten. In einem weiteren Gutachten vom 20. Oktober 1954 führte Dr. Sch. ua aus, die Angaben des Patienten seien sofort unglaubwürdig gewe- sen: es sei schlecht vorstellbar, daß beim Herabfallen von Brettern eine isolierte Penisverletzung auftrete; man hätte wenigstens einige Schrammen an den Oberschenkeln erkennen müssen; auch trete bei einer Penisverletzung erfahrungsgemäß nicht innerhalb von Stunden eine Nekrose auf; leider sei eine Sektion unterlassen worden. - 5 - Durch Bescheid vom 26. November 1954 lehnte die Beklagte den Anspruch der Witwe und des Sohnes Franz H. auf Hinter- bliebenenentschädigung ab. Sie begründete das unter ausführ- licher Wiedergabe des Ermittlungsergebnisses damit, daß sowohl das Vorliegen eines Unfallereignisses als auch der ursächliche Zusammenhang des Todes mit einem Unfallereignis nicht hinreichend wahrscheinlich seien. Gegen diesen Bescheid haben die Kläger Klage beim Sozial- gericht (SG) Dortmund erhoben. Dieses hat ein Gutachten von Prof. Dr. B. (Knappschaftskrankenhaus Bottrop) vom 1O. Dezember 1955 beigezogen. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, es lasse sich keine Erklärung für die Vorfälle finden, welche auch nur mit einer gewissen Wahrscheinlich- keit erlauben, den Unfall — bei seiner Unterstellung als gegeben — als Ursache für die Entzündung des Penis und den weiteren Verlauf anzuerkennen. Der Unfall sei in der durch den Elektromeister W. wiedergegebenen Form ungeeignet, eine Einklemmung des Penis zu verursachen, und weder das Krankheitsbild noch der Verlauf seien in eine Kausalverbin- dung mit dem Unfall zu dringen. Außerdem hat das SG Dr. Sch. als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat ua ausgeführt: Es seien zwar äußere Anzeichen einer trauma- tischen Beeinflussung vorhanden gewesen, doch habe die Krank- heit innerhalb von 24 Stunden einen derart schnellen Ver- lauf genommen, daß sie nicht auf einen Unfall vom Vortage zurückgeführt werden könne. Es sei anzunehmen, daß schon vorher eine Infektion bestanden habe. Wenn man die Richtig- keit der schwersten Darstellung des Unfalles unterstelle, sei dieser geeignet, bei bereits vorhandener Infektion eine erhebliche Steigerung des Krankheitsverlaufs zu bewirken. Ohne eine solche traumatische Beeinflussung wäre D. an der Infektion voraussichtlich nicht gestorben. Das SG hat durch Urteil vom 2. Oktober 1956 wie folgt ent- schieden: - 6 - · Der Bescheid vom 26. November 195A wird aufgehoben. Es wird festgestellt, daß es sich bei dem Ereignis vom 19. Juni 1954 um einen Arbeitsunfall des Ehe- mannes der Klägerin im Sinne des § 542 der Reichs- versicherungserdnungordnung (RVO) handelt. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin einen entsprechenden Bescheid zu erteilen und die Kosten des Verfahrens zu tragen. · Das SG hat als erwiesen angesehen, daß D. von einem unbeo- bachteten Lagerplatz eine schwere Bohle abholen wollte und daß das Abheben oder Herausstemmen aus dem Stapel und das Herunterfallen zu einem Schlag gegen die Geschlechtsteile bzw. einem Einklemmen des Penis geführt hat. Im Übrigen hat es als erwiesen angesehen, daß eine bereits vor dem 19. Juni 1954 vorhandene Pensisinfektien, die normalerweise geheilt werden wäre, durch ein in seiner Stärke nicht erwiesenes, aber doch recht schweres Trauma eine solche Verschlimme- rung bewirkt habe, daß in kurzer Zeit der Tod eingetreten sei. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung beim Landes- sozialgericht Nordrhein—Westfalen eingelegt. Das LSG hat ein Gutachten des Dr. Sch. vom 22. November 1954 beigezogen, in dem ua ausgeführt wird, bei der Aufnahme seien keine sicheren Anzeichen einer Verletzung im Sinne einer Quetschung, Prellung oder Schnittverletzung festzu- stellen gewesen; aus dem Befund sei aber der Rückschluß zu ziehen, daß zwar eine Verletzung stattgefunden, der Zeit- punkt aber mindestens mehrere Tage zurückgelegen haben müsse. In Termin zur mündlichen Verhandlung am 14. November 1959 hat das LSG den Polizeimeister Sch. den Elektromeister W. als Zeugen und die Ärzte Dr. Z. und Dr. Sch. als sachverständige Zeugen vernommen. Außerdem hat es den Oberarzt Dr. K. als Sachverständigen gehört. Dieser hat ua - 7 - ausgeführt, auch ohne Trauma könne es jederzeit zu einer Infektion derart, wie sie bei D. vorgelegen haben müsse, kommen, weil praktisch immer kleine Schleimhautdefekte am Vorhautblatt vorhanden seien. Andererseits bestehe aber die Möglichkeit, daß durch den Unfall mikroskopische Ver- letzungen gesetzt worden seien, die Eintrittspforten für die Erreger gebildet hätten. Ob das der Fall sei, könne nachträglich nicht mehr gesagt werden und wäre nur durch eine Obduktion mit mikroskopischer Untersuchung und bak- teriologischem Nachweis der Erreger zu klären gewesen. Ob der Unfall die Infektion wesentlich verschlimmert habe, hätte gleichfalls nur durch Obduktion geklärt werden kön- nen. Hierfür wären stärkere Gefäßquetschungen und Zer- reißungen Voraussetzung gewesen. Der Unfall könne nicht schwer gewesen sein. Damit sei aber nicht ausgeschlossen, daß doch oberflächliche Verletzungen gesetzt werden seien. Durch Urteil vom 24. November 1959 hat das LSG die Beru- fung der Beklagten gegen das Urteil des SG Dortmund zurück- gewiesen und die Revision zugelassen. Das LSG hat als erwiesen angesehen, daß sich am 19. Juni 1954 gegen 11 Uhr an der Arbeitsstelle ein Arbeitsunfall ereignet hat, indem D. beim Herausziehen einer Bohle aus einem Bret- terstapel auf dem Holzplatz vor der Schreinerei ein Brett gegen das Geschlechtsteil geschlagen ist. Zur Begründung hat das LSG unter eingehender Würdigung der Beweisergebnisse ausgeführt, bei vernünftiger Abwägung aller Umstände, die für und gegen das von D. selbst angegebene Unfallgeschehen sprächen, überwögen die dafür sprechenden Erwägungen in einer solchen Weise, daß das Unfallereignis als wahrschein- lich geschehen angenommen werden müßte. Im übrigen hat das LSG ausgeführt: Zu welcher Gesundheits- schädigung der Arbeitsunfall geführt habe (schwere Penis- infektion oder Verschlimmerung), habe sich nicht mit Wahr- scheinlichkeit feststellen lassen. Die Infektion könne ihre - 8 - Entstehung und ihren Verlauf unabhängig von dem Arbeits- unfall genommen haben; bei Mitwirkung ungewöhnlich viru- lenter Bakterien könne sie auch auf einer durch Unfall hervorgerufenen Verletzung beruhen, und schließlich könne eine bereits vorhanden gewesene Infektion durch das Unfall- ereignis derart verschlimmert werden sein, daß der rasche weitere Verlauf und der Tod eingetreten seien. Eine Wahr- scheinlichkeit für die eine oder andere Möglichkeit lasse sich nicht begründen. Die Unterlagen reichten für eine Beurteilung nicht aus, welche Krankheitserreger für den Verlauf und den Tod verantwortlich seien und ob der Unfall im Bereich des Penisschafts kleinste oder schwere Verlet- zungen gesetzt habe. Obgleich danach der ursächliche Zusam- menhang des Todes mit dem Arbeitsunfall nicht bewiesen sei, müsse sich die Beklagte doch so behandeln lassen, als ob dieser Beweis erbracht sei; denn die Beklagte habe schuld- haft verursacht, daß zur Beweisführung entscheidende und geeignete Beweismittel, nämlich die Obduktion mit Sektions— befund, nicht zur Verfügung stehen. Die Beklagte sei von Amts wegen zur Aufklärung des Sachverhalts verpflichtet (§§ 1545 bis 1571 RVO). Sie habe auch eine notwendige Obduktion von Amts wegen durchzuführen. Unterlasse sie das, so vereitle sie die Benutzung eines wesentlichen Beweismittels und bewirke dadurch schuldhaft die Unauf- klärbarkeit des Sachverhalts (§§ 286, 444 der Zivilprozeß- ordnung -ZPO~; §§ 128, 202 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG—). Für die Beweiswürdigung könnten in einem solchen Fall Folge- rungen zu ihren Ungunsten gezogen werden. Der Beklagten sei durch die Anrufe der Ärzte Dr. Sch. und Dr. B. be- kannt gewesen, daß die Hinterbliebenen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Tod und Arbeitsunfall behaupten und Hinterbliebenenansprüche geltend machen würden, und es sei ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß dieser ursäch- liche Zusammenhang zweifelhaft sei und nur durch eine Obduktion geklärt werden könne. Dadurch daß sie bei dieser -·9·- Sachlage die Obduktion nicht habe durchführen lassen, obwohl die Leiche für diesen Zweck bereits polizeilich beschlag- nahmt gewesen sei, habe sie gegen ihre Aufklärungspflicht verstoßen und ein wesentliches Beweismittel vereitelt. Sie habe also die Unaufklärbarkeit des ursächlichen Zusammen- hangs zwischen Tod und Arbeitsunfall schuldhaft veranlaßt. Ob die Sektion zu einem für die Klägerin günstigen Beweis- ergebnis geführt hätte, sei in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung. Der bereits angeführte Grundsatz rechtfer- tige es, im Wege der freien Beweiswürdigung den Beweis des ursächlichen Zusammenhangs des Todes mit dem Arbeitsunfall als gegeben anzusehen, so daß die Hinterbliebenenansprüche begründet seien. Die Revision sei zugelassen werden, weil die Frage grundsätzliche Bedeutung habe, welche Rechtsfol- gen aus der unterlassenen Obduktion zu ziehen seien. Die Beklagte, der das Urteil des LSG am 21. März 1960 zuge- stellt worden ist, hat dagegen am 7. April 196O Revision eingelegt. Sie beantragt, unter Aufhebung des Urteils des LSG und des Urteils des SG die Klage abzuweisen, hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entschei- dung an das LSG zurückzuverweisen. Zur Begründung führt die Beklagte aus, nach dem Akteninhalt erscheine es schon zweifelhaft, ob der Vorderrichter über- haupt zu seiner Feststellung hinsichtlich des Unfallereig- nisses habe kommen können. Das LSG hätte auch die von ihm erörterten Möglichkeiten nicht als gleichwertig behandeln dürfen. Vielmehr hätte die zweite und dritte Möglichkeit völlig zurücktreten müssen. Vor allem aber bestehe ein Beweiswürdigungsgrundsatz, wie in das LSG annehme, im sozialgerichtliehen Verfahren nicht, das vom Prinzip der objektiven Beweislast beherrscht werde. Auch im Zivilprozeß - 10 - bestehe ein solcher uneingeschränkter Grundsatz nicht. § 444 ZPO setze die Absicht voraus, das Beweismittel der Gegenseite zu entziehen. Es komme also in der Regel auf das arglistige Verhalten einer Partei an. Außerdem habe der Beklagten keine Unfallanzeige vorgelegen, und der Arbeitgeberin sei von einem Betriebsunfall nichts bekannt gewesen. Deshalb sei vom Standpunkt der Beklagten aus nichts zu veranlassen gewesen. Man kenne den an sich schon so belasteten Verwaltungen der Versicherungsträger nicht zumuten, nur auf telefonische oder schriftliche Angaben Dritter gewissermaßen ins Blaue hinein Unfallermittlungen vorzunehmen und dabei gar eine so einschneidende Maßnahme wie die einer Leichenöffnung zu verlangen. Die Leiche habe sich zudem gar nicht im Gewahrsam der Beklagten befunden, sondern der Kreispolizeibehörde. Diejenigen, die in erster Linie an eine Obduktion hätten denken müssen, seien die Kläger. Sie hätten sie mindestens anregen können und sollen. Die Kläger beantragen, die Revision als unegründet zurückzuweisen. Sie weisen auf EuM 22. 216 und 217 hin. II Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet werden und somit zulässig. Sie hatte auch insofern Erfolg, als das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache an das LSG zurückverwiesen worden ist. Das LSG hat als erwiesen angesehen, daß dem Ehemann der Klägerin am 19. Juni 1954 gegen 11 Uhr ein Arbeitsunfall zugestoßen ist, indem ihm ein Brett beim Herausziehen aus einem Bretterstapel gegen die Geschlechtsteile schlug. - 11 - Die Rügen, mit denen die Revision diese tatsächlichen Fest- stellungen angreift, sind allenfalls dazu geeignet, darzutun, daß die Würdigung der Beweise in dieser Beziehung auch zu einem negativen Ergebnis hätte führen können; dagegen rei- chen sie nicht aus, um schlüssig darzutun, daß das LSG bei der Würdigung der Beweise die Grenzen seines Rechts der freien richterlichen Überzeugungsbildung überschritten hat (§ 128 SGG). Diese Feststellung ist deshalb für das Revi- sionsgericht bindend (§ i63 SGG). Das LSG hat mit ausführlicher Begründung dargelegt, daß die Beklagte verpflichtet gewesen sei, zur Aufklärung des Sachverhalts eine Leichenöffnung zu veranlassen. Die Aus- führungen, mit denen die Revision diese Auffassung angreift, enthalten keine Rügen gegen die tatsächlichen Feststellun- gen, auf denen diese Schlußfolgerung des LSG beruht, son- dern wenden sich gegen die Rechtsauffassung des LSG, daß das Unterbleiben der Leichenöffnung auf eine schuldhafte Vernachlässigung der Ermittlungspflicht der Beklagten (vgl. §§ 1571, 1572 RVO) zurückzuführen sei. Diese Rüge der Revision ist unbegründet. Die Beklagte wußte aus den Telefongesprächen mit den beiden Ärzten des Dreifaltigkeits- hospitals, daß der Zusammenhang zwischen den vom Verletzten selbst behaupteten Unfallereignis und dem Tode außerordent- lich zweifelhaft sei und daß die Hinterbliebenen Entschä- digungsansprüehe geltend machen wollten. Unter diesen Um- stünden hätte die Beklagte sofort alles tun müssen, um für eine Aufklärung des Sachverhalts zu sorgen. Daß ihr noch keine förmliche Unfallanzeige des Unternehmers vorlag und der Unternehmer, wie sich später ergab, von dem Unfall nichts wußte, enthob sie dieser Verpflichtung zur Sachauf- klärung nicht. Sie konnte sich auch insbesondere nicht etwa darauf verlassen, daß eine Leichenöffnung von der Kriminal- polizei, dem Amtsgericht oder der Staatsanwaltschaft veran- laßt würde; denn für diese Stellen war nur die Frage von - 12 - Bedeutung, ob Anhaltspunkte für strafbare Handlungen ande- rer Personen gegeben seien. Das LSG ist ohne Rechtsirrtum davon ausgegangen, daß die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, eine Leichenöffnung zu veranlassen. Dagegen sind nach der Auffassung des erkennenden Senats die Rügen berechtigt, mit denen sich die Revision gegen die rechtlichen Schlußfolgerungen wendet, die das LSG aus diesem Umstand gezogen hat. Hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Unfallereignis vom 19. Juni 1954 und der zum Tode führen- den Sepsis hat das LSG das Ergebnis der Beweiswürdigung wie folgt zusammengefaßt: (a) die Infektion könne unabhängig von dem Unfall ent- standen und ihren Verlauf auch unabhängig von ihm genommen haben; (b) bei Mitwirkung von ungewöhnlich virulenten Bakterien könne die Infektion aber auch auf einer durch den Unfall hervorgerufenen Verletzung beruhen; (c) eine zur Zeit des Unfalls bereits vorhandene Infek- tion könne durch den Unfall derart verstärkt und verschlimmert werden sein, daß der weitere rasche Verlauf und der Tod eingetreten seien. Die ernsthaften Möglichkeiten (b) und (c) müßten ebenso in Erwägung gezogen werden wie die Möglichkeit (a). Eine Wahr- scheinlichkeit für die eine oder andere Möglichkeit lasse sich nicht begründen. Die medizinischen Unterlagen reich- ten nicht aus, um beurteilen zu können, welche Krankheits- erreger den ungewöhnlichen Verlauf und raschen Eintritt des Todes verursacht hätten und ob der Unfall kleinere oder schwere Verletzungen gesetzt habe. Diese Feststellungen hätten sich aber mit Sicherheit durch eine Obduktion mit mikroskopischer Untersuchung von Gewebeschnitten und bakteriologischem Nachweis der Erreger treffen lassen. Anschließend hat das LSG ausdrücklich ausgeführt, auf Grund der vorliegenden und jetzt noch möglichen Beweismittel sei - 13 - der ursächliche Zusammenhang des Todes mit dem Arbeitsunfall nicht bewiesen. Das LSG ist jedoch der Auffassung, die Beklagte müsse sich "so behandeln lassen, als ob der Beweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Unfall und Tod erbracht" sei. Da das LSG selbst hinsichtlich dieses ursächlichen Zusammen- hangs keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, sich insbesondere für keine der von ihm erörterten Möglichkei- ten entschieden hat, sind nach der Auffassung des erkennen- den Senats die Rechtsausführungen des LSG dahin zu verste- hen, daß das - von der Beklagten verschuldete - Fehlen des für die Sachaufklärung entscheidenden Beweismittels der Leichenöffnung, eine "Umkehrung" der Beweislast zur Folge hahe und daß infolgedessen zu Lasten der Beklagten ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Tod unterstellt werden müsse, weil das Gegenteil nicht erweislich sei. Das trifft nach der Auffassung des erken- nenden Senats nicht zu. Mit der Frage, welche Bedeutung es hat, wenn der zur Sach- aufklärung verpflichtete Versicherungsträger es unterläßt, eine Leichenöffnung zu veranlassen, und deshalb der tat- sächliche Sachverhalt in medizinischer Hinsicht nicht oder nur unvollständig aufklärbar ist, hat sich bereits der 8. Senat im Urteil vom 26. Juli 1961 (SozR SGG § 128 Nr.60) befaßt. Er hat ausgeführt, daß ein solches Verschulden nichts an der Verteilung der objektiven Beweislast (Fest- stellungslast) ändert, sondern nur von den Tatsachen- Instanzen im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden kann. Dieses Urteil ist von Glücklich in einer aus- führlichen Anmerkung (Sgb 1963 S. 19) kritisch besprochen worden. Glücklich vertritt die Meinung, daß eine vorsätz- liche oder fahrlässige Beweisvereitelung die Beweislast dergestalt umkehre, daß nunmehr der Gegner der zunächst beweisbelasteten Partei die Beweislast trage. - 14 - Es kann dahingestellt bleiben, ob eine solche Beweislast- Regel, wenn sie, wie Glücklich wohl annimmt, für den Zivilprozeß allgemein anerkannt wäre, auf das Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit übertragen werden könnte, obwohl dieses Verfahren vom Amtsermittlungsgrundsatz beherrscht ist und entgegen Glücklich (aaO) nach fast allgemeiner Ansicht keine Beweisführungslast und nur in sehr beschränk- tem Umfang eine Behauptungslast kennt (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 6. Aufl., Stand Juni 1965, S. 244 m I, mit weiteren Nachweisen auch für das Verfahren vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten). Denn auch für den Zivilprozeß ist die Lehre von der Umkehrung der Beweis- last im Falle der schuldhaften Beweisvereitelung keines- wegs allgemein anerkannt. Blomeyer (Zivilprozeßrecht, 1963 S. 369 § 73 II) nimmt zwar im Falle der schuldhaften Beweis- vereitelung eine "Umkehr der Beweis1ast" an, auch Nikisch (Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., S. 324 § 82 VI) vertritt diese Auffassung. Dagegen führt Schönke (Zivilprozeßrecht), auf dessen 2. Auflage sich Glücklich beruft, in der 7. Auflage (S. 232 § 58 am Ende) zur Frage der schuldhaften Beweis- vereitelung ausdrücklich aus: wenn in derartigen Fällen von einer Umkehrung der Beweislast gesprochen werde (so RGZ 60, 152), so verdecke das den wahren Sachverhalt, daß Kraft freier Beweiswürdigung und folglich ohne jeden Zwang der Beweis vorbehaltlich des Gegenbeweises erbracht sei (ebenso auch Schönke/Schroeder/Niese in der 8. Aufl. S. 264 § 58 am Ende). Völlig eindeutig sind die Ausführungen von Rosenberg (Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 3. Aufl., S. 559 § 114 III 3 d, S. 570 § 117 II 2; Die Beweislast, 4. Aufl., S. 153 § 12, S. 191 § 14), aus denen sich ergibt, daß seiner Auf- fassung nach die Beweisvereitelung keinen Einfluß auf die Verteilung der Beweislast hat. Ebenso unmißverständlich sind zB die Ausführungen in RGZ 128, 121, 125, während andere Entscheidungen (zB BGHZ 6, 227; RGZ 60, 152), wie der erkennende Senat nicht verkennt, auch die Deutung - 15 - zulassen, das Revisionsgerieht habe der schuldhaften Beweis- vereitelung die Wirkung einer für das Tatsachengericht ver- bindlichen "Umkehrung der Beweislast" zumessen wollen. Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß die Lehre von der Umkehrung der Beweislast im Falle der schuldhaften Be- weisvereitlung in den Vorschriften des SGG und der ZPO keine ausreichende Stütze findet; insbesondere läßt sie sich nach der Auffassung des erkennenden Senats nicht aus den §§ 427, 444, 446 ZPO herleiten, die nur Vorschriften für die Beweis- würdigung enthalten (vgl. zB auch die Anmerkungen zu diesen Paragraphen in Stein/Jonas/Schönke/Pohle, Kommentar zur ZPO, 18. Aufl.) und die Verteilung der Beweislast ebenso unver- ändert lassen, wie das der Fall ist, wenn das Gericht sich bei der Beweiswürdigung der Regeln des Beweises des ersten Anscheines (Prima—facie—Beweis, vgl. zB BSG 8, 245; 1O, 46; l2, 242, 246; 19, 52, 54) bedient. Der erkennende Senat stimmt mit dieser Auffassung nicht nur mit dem 8. Senat überein, sondern auch mit dem Bundesverwaltungsgericht, das es bereits mehrfach angelehnt hat, die Lehre von der Umkehrung der Beweislast im Falle der Beweisvereitelung anzuerkennen (BVerwG 1O, 27O; DVBl 1964, 759 mit weiteren Nachweisen für das Verfahren vor den allgemeinen Verwaltungs- gerichten). Die rechtlichen Schlußfolgerungen daraus, daß die Unmöglich- keit, das Ergebnis einer Leichenöffnung als Beweismittel zu benützen, auf einem Verschulden der Beklagten beruht, sind demnach unzutreffend und nicht geeignet, das angefochtene Urteil zu rechtfertigen. Die Rügen der Revision hiergegen sind begründet. Andererseits zwingt aber der Umstand, daß das LSG ausgeführt hat, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereig- nis und dem Tod sei nicht erwiesen, nicht zur Klageabweisung. Denn die Entscheidung des LSG beruht nicht auf diesem Ergeb- - 16 - nis der Beweiswürdigung, sondern, wie dargelegt, auf der rechts- irrtümlichen Auffassung hinsichtlich der Verteilung der Beweis- last und somit in tatsächlicher Beziehung auf der Feststellung, daß das Nichtbestehen eines Zusammenhangs zwischen Tod und Unfall gleichfalls nicht bewiesen sei. Das LSG hat auf Grund seiner Rechtsauffassung insofern von einer vollständigen und abschließenden Beweiswürdigung abgesehen, als es den durch das Unterbleiben der Leichenoffnung verursachten Beweisnotstand unberücksichtigt gelassen hat. Der erkennende Senat stimmt mit den 8. Senat darin überein, daß dieser von der Beklagten verschuldete Beweisnotstand vom Tat- sachenrichter im Rahmen seines Rechts der freien richterlichen Überzeugungsbildung (§ 128 SGG) zu berücksichtigen ist. Insbeson- dere darf der Tatsachenrichter diesem Beweisnotstand, wie der Senat in dem einen anders gelagerten Fall betreffenden Urteil in BSG 19, 52, 56 ausgeführt hat (vgl. auch Brackmann aaO S. 244 ) dadurch Rechnung tragen, daß er an den Beweis der Tatsachen, auf die sich der Beweisnotstand bezieht, weniger hohe Anforderungen stellt. Da dem Revisionsgericht eine solche ergänzende Würdigung der erho- benen Beweise verwehrt ist, mußte das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückver- wiesen werden. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Revisions- verfahrens bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten. Faksimile 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, 2 RU 38/96 vom 27.05.1997, Bundessozialgericht
anselmf
BUNDESSOZIALGERICHT
Im Namen des Volkes Verkündet am 27. Mai 1997 Urteil in dem Rechtsstreit Az: 2 RU 38/96 Klägerin und Revisionsbeklagte, Prozeßbevollmächtigte: gegen Bau-Berufsgenossenschaft Hamburg, Holstenwall 8-9, 20355 Hamburg, Beklagte und Revisionsklägerin, Prozeßbevollmächtigter: Der 2. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Mai 1997 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. K. , die Richter Dr. B. und K. sowie die ehrenamtlichen Richter B. und L. für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landes- sozialgerichts vom 7. August 1996 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurück- verwiesen. -2- Gründe: I In dem Rechtsstreit um Gewährung von Witwenrente streiten die Beteiligten, ob der Tod des Ehemannes der Klägerin Folge einer Berufskrankheit (BK) der Nr 4104 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) ist. Der im Jahre 1944 geborene Ehemann der Klägerin (Versicherter) war nach seiner Aus- bildung in der Zeit von September 1959 bis Oktober 1963 zum Klempner und Installateur bis März 1971 in diesem Beruf als Geselle tätig. Nach einer Fortbildung zum Bautechniker in der Zeit von April 1971 bis September 1972 war er im Bedachungs- und Fassadenbau bis Juli 1976 als Bauleiter, anschließend bis Juli 1984 als Bauleiter und Abteilungsleiter, von August 1984 bis Juni 1986 als Niederlassungsleiter, von August 1986 bis August 1987 als Vertriebsleiter sowie ab September 1987 als Oberbau- und Außendienstleiter be- schäftigt. Während seiner Tätigkeit als Klempner hatte er asbesthaltige Materialien zu be- arbeiten. Im Bedachungs- und Fassadenbau wurden vorwiegend Bitumen, Asbestzement- und Betonsteinprodukte verarbeitet. Im März 1988 trat beim Versicherten ein Doppelbildersehen mit Kopfschmerzen auf. Des- wegen wurde er im Allgemeinen Krankenhaus B. stationär behandelt. Dabei wurde ein fortgeschrittenes metastasiertes Bronchialkarzinom diagnostiziert. Am 4. Mai 1988 zeigte das Krankenhaus der Beklagten an, daß beim Versicherten der Verdacht auf das Vorliegen einer BK der Nr 4104 der Anlage 1 zur BKVO bestehe. Das daraufhin mit Schreiben vom 26. Mai 1988 an den Chefarzt der neurologischen Abteilung des Krankenhauses gerichtete Ersuchen, im Falle des Ablebens des Versicherten vor- sorglich eine Sektion durchzuführen, wurde mit dem Hinweis zurückgewiesen, derartige Mitteilungen in Zukunft zu unterlassen. Die Beklagte zog die medizinischen Unterlagen der Landesversicherungsanstalt (LVA) der Freien und Hansestadt Hamburg bei und ermittelte im Anschluß an eine schriftliche Auskunft des Versicherten bei seinen früheren Arbeitgebern über Art und Dauer seiner Beschäftigungen sowie welchen Einwirkungen er dabei ausgesetzt war. Aus den Berich- ten des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Beklagten vom 20. Oktober und 21. Dezember 1988 ergab sich ua, daß der Versicherte im September 1988 verstorben war. Die Beklagte zog die Krankenblätter des Allgemeinen Krankenhauses B. und der Reha-Klinik D. über die Behandlungen des Versicherten bei. Am 30. Januar 1989 unterrichtete die Klägerin die Beklagte telefonisch, daß ihr Ehemann am 17. September 1988 verstorben sei. Es habe eine Erdbestattung stattgefunden. Mit - 3 - Schreiben vom 19. Juli 1989 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß zur Feststellung ei- ner BK eine Obduktion erforderlich sei und fragte zugleich an, ob - sofern eine solche nicht bereits durchgeführt worden sei - die Klägerin einer Exhumierung und Untersuchung des Leichnams ihres Ehemannes zustimme. Diese teilte mit, daß eine Obduktion nicht vorgenommen worden sei; sie sei nicht sicher, ob sie einer Exhumierung zustimmen solle, da ihr Ehemann bereits vor zehn Monaten verstorben sei. Nach Ablauf einer eingeräumten Bedenkzeit erklärte die Klägerin mit ihrer am 11. August 1989 bei der Beklagten eingegangenen Erklärung ihr Einverständnis mit einer Exhumierung und Untersuchung des Leichnams ihres Ehemannes. Der Arzt für innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. S. teilte auf Anfrage der Beklagten mit, daß eine Exhumierung sinnlos sei, weil seit dem Ableben des Versi- cherten mehr als sechs Monate vergangen seien. Nach Einholung eines Gutachtens von Dr. S. vom 18. April 1990 sowie einer Stellungnahme des Staatlichen Gewerbearz- tes der Freien und Hansestadt Hamburg vom 1. Juli 1990 lehnte es die Beklagte ab, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen aus Anlaß des Todes ihres Ehemannes zu gewähren. Nach den ärztlichen Feststellungen könne das Vorliegen einer Asbestose nicht wahr- scheinlich gemacht werden. Es bestehe nach dem ermittelten Sachverhalt allenfalls die Möglichkeit einer beruflichen Krebsentstehung. Die anspruchsbegründenden Tatsachen seien trotz umfangreicher Ermittlungen nicht bewiesen (Bescheid vom 21. August 1990 idF des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 1991). Das Sozialgericht (SG) hat nach Einholung eines Gutachtens mit ergänzender Stellung- nahme von dem Arzt für innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. L. vom 18. Februar 1993/12. Oktober 1993 die Klage abgewiesen (Urteil vom 16. Dezember 1993). Das Landessozialgericht (LSG) hat nach Einholung eines Gutachtens des Arztes für in- nere Medizin und Sozialmedizin Prof. Dr. W. vom 1. April 1996 das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Hinterbliebenenrente zu gewähren (Urteil vom 7. August 1996). Der Tod des Versicherten sei auf eine BK der Nr 4104 der Anlage 1 der BKVO zurückzuführen. Zwar stehe nicht fest, daß der Versicherte während seiner beruflichen Tätigkeit den Einwirkungen von Asbestfaserstaub in einem Umfang von 25 Faserjahren ausgesetzt gewesen sei. Auch die weiteren Tatbestandsalternativen einer BK nach der Nr 4104 stünden wegen fehlender Röntgen-, computertomographischer und feingeweblicher Untersuchungsbefunde nicht fest. Schließlich sei auch nachträglich keine Obduktion durchgeführt worden. Der medizinische Sachverhalt könne insoweit im Nach- hinein nicht mehr aufgeklärt werden. Nach allem steht zwar fest, daß der Versicherte an einem Lungenkrebs verstorben sei, nicht aber, daß bei dem Versicherten eine Asbest- staublungenerkrankung oder eine durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura vorgelegen habe. Dies schließe jedoch nicht die Feststellung aus, daß der Versicherte in- - 4 - folge einer BK nach der Nr 4104 der Anlage 1 zur BKVO verstorben sei. Wegen der be- sonderen Umstände des Falles reiche es zur Anspruchsbegründung aus, daß bei dem Versicherten möglicherweise eine Asbestose vorgelegen habe. Denn die Beweislage sei auf das Verhalten der Beklagten zurückzuführen. Sie habe schuldhaft versäumt, den me- dizinischen Sachverhalt aufzuklären. Durch das Verhalten der Beklagten sei die Klägerin in einen Beweisnotstand geraten. Diesen Umständen sei bei den Anforderungen an den Nachweis der anspruchsbegündenden Tatsachen Rechnung zu tragen. Es sei zwar keine Umkehr der Beweislast anzunehmen. Wenn der beweisbelastete Beteiligte durch das schuldhafte Verhalten des Gegners in einen Beweisnotstand gerate, könne das Gericht aber dem dadurch Rechnung tragen, daß es an den Nachweis der Tatsachen, auf die sich der Beweisbelastete beziehe, weniger hohe Anforderungen stelle. Im vorliegenden Falle reiche deshalb lediglich die Möglichkeit des Vorhandenseins einer Asbestose aus. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens gehe das LSG davon aus, daß der Versi- cherte möglicherweise an einer Minimalasbestose erkrankt gewesen sei. Der Versicherte sei über eine Reihe von Jahren mit der Verarbeitung von Asbest befaßt gewesen. Das sei die wesentliche Voraussetzung für das Entstehen einer Asbestose. Damit seien die Vor- aussetzungen für die Bejahung einer BK iS der Nr 4104 der Anlage 1 zur BKVO erfüllt. Dem stehe auch nicht die Annahme entgegen, daß der Versicherte nach Aktenlage Rau- cher gewesen sei. Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte, daß das LSG zu Unrecht die fehlenden bzw nicht festgestellten Tatbestände der BK der Nr 4104 der Anlage 1 zur BKVO meine dadurch ersetzen zu können, daß es der Beklagten eine schuldhafte Be- weisverhinderung anlaste. Die Begründung des LSG laufe im Ergebnis darauf hinaus, daß es zu Lasten der Beklagten eine Umkehr der Beweislast vorgenommen habe. Diese Fol- gerung sei aber mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) unvereinbar. Im vorliegenden Fall habe entgegen der Auffassung des LSG eine schuldhafte Beweisverei- telung durch die Beklagte nicht vorgelegen. Selbst wenn die Beklagte sofort tätig gewor- den wäre und die erforderlichen Genehmigungen eingeholt hätte, hätte die Obduktion erst nach einem Zeitraum von fünf bis sechs Monaten nach dem Ableben des Versicherten durchgeführt werden können. Das LSG gehe aber selbst davon aus, daß eine Obduktion spätestens "bis zu sechs Monaten" nach dem Tode hätte durchgeführt werden müssen, um eine Asbestose oder eine asbestbedingte Veränderung der Pleura nachweisen zu können. Unabhängig davon begegne die Beweisführung des LSG durchgreifenden Be- denken. Es unterstelle, daß bei dem Versicherten möglicherweise eine Asbestose vorge- legen habe. Alsdann gewähre das LSG der Klägerin eine weitere Beweiserleichterung aufgrund des Beweisnotstandes und sehe die Möglichkeit des Vorhandenseins einer As- bestose, die es mangels konkreter Nachweise und Anhaltspunkte selbst unterstellt habe, als ausreichend an. Das LSG komme also im Ergebnis entgegen der Rechtsprechung des BSG zu einer Umkehr der Beweislast. Das LSG habe daher nicht nur die Rechtsprechung des BSG, sondern auch die nicht vorhandenen Tatsachen verfälscht, um - 5 - zu dem von ihm gewünschten Ergebnis zu kommen. Das LSG hätte auch berücksichtigen müssen, daß der Versicherte ein starker Raucher gewesen sei und nach seinen eigenen Angaben 20 Zigarillos pro Tag geraucht habe. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 7. August 1996 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 16. Dezember 1993 zurückzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Entgegen der Ansicht der Beklagten habe das LSG keineswegs eine Umkehr der Beweislast vorgenommen. Unverständlich sei auch der Vortrag der Beklagten darüber, daß eine schuldhafte Beweisvereitelung durch sie nicht vorgelegen habe. II Die Revision der Beklagten ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufzuhe- ben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzu- verweisen ist. Die Feststellungen des LSG reichen nicht aus, um abschließend über den Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu entscheiden. Der Anspruch der Klägerin richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversiche- rungsordnung (RVO), da die von ihr geltend gemachte BK ihres Ehemannes vor dem In- krafttreten des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes , § 212 SGB VII). Der Anspruch auf Witwenrente besteht gemäß § 589 Abs 1 RVO "bei" Tod durch Arbeits- unfall. Arbeitsunfall iS des § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Als Ar- beitsunfall gilt nach § 551 Abs 1 Satz 1 RVO auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung bezeichnet und die sich ein Versi- cherter bei einer versicherten Tätigkeit zugezogen hat. Das LSG hat die Voraussetzungen für den Anspruch auf Hinterbliebenenrente im vorlie- genden Rechtsstreit als erfüllt angesehen, weil der Tod des Versicherten auf eine BK der - 6 - Nr 4104 der Anlage 1 zur BKVO zurückzuführen sei. Das LSG hat dabei auf die BK der Nr 4104 idF der Zweiten Verordnung zur Änderung der BKVO vom 18. Dezember 1992 (BGBl I, S 2343) abgestellt, die nach Art 2 Abs 1 dieser Verordnung am 1. Januar 1993 in Kraft getreten ist. Nach der Rückwirkungsklausel des Art 2 Abs 2 dieser Verordnung könnte sie jedoch nur angewandt werden, wenn der Versicherungsfall erst nach dem 31. März 1988 eingetreten ist. Dies war vorliegend aber nicht der Fall, weil sich der Versi- cherte bereits ab dem 22. März 1988 wegen des Bronchialkarzinoms in stationärer Be- handlung befand. Es kann daher hier ungeprüft bleiben, ob die Einwirkung einer kumulati- ven Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren nachgewie- sen ist. Somit ist die frühere Fassung der Nr 4104 der Anlage 1 zur BKVO maßgebend. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Nr 4104 der Anlage 1 zur BKVO vom 22. März 1988 (BGBl I, S 400) oder deren Vorgängerin, die BKVO idF der Änderungsverordnung vom 8. Dezember 1976 (BGBl I, S 3329), anzuwenden ist, da der hier einschlägige Tatbe- stand, Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) in Verbindung mit Lungenkrebs, der BK der Nr 4104 im Wortlaut zwar verändert wurde, inhaltlich aber keine Änderungen erfahren hat. Nach der Fassung der BK der Nr 4104 der Anlage 1 der BKVO vom 22. März 1988 zählt als BK "Lungenkrebs in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura". Die Voraussetzungen der Nr 4104 in der hier maßgebenden Fassung stehen nach An- sicht des LSG nicht fest, weil wegen fehlender Röntgen-, computertomographischer oder feingeweblicher Befunde nicht festgestellt werden kann, daß bei dem Versicherten eine Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder eine durch Asbeststaub verursachte Er- krankung der Pleura vorlag. Auch eine Obduktion oder rechtzeitig durchgeführte Exhu- mierung und Untersuchung des Leichnams, wodurch eine Klärung, ob eine Asbeststaub- erkrankung vorgelegen hat, möglich gewesen wäre, sei nicht durchgeführt worden. We- gen der besonderen Umstände des Falles reiche es zur Anspruchsbegründung aus, daß bei dem Versicherten möglicherweise eine Asbestose vorgelegen habe. Denn die Beweis- lage sei auf das Verhalten der Beklagten zurückzuführen, die es schuldhaft versäumt ha- be, den medizinischen Sachverhalt aufzuklären. Die Ausführungen, mit denen die Beklagte sich gegen die Auffassung des LSG wendet, das Unterbleiben der Obduktion bzw der rechtzeitigen Exhumierung und Untersuchung des Leichnams des Versicherten sei auf eine schuldhafte Vernachlässigung ihrer Ermitt- lungspflicht (§ 20 Zehntes Buch des Sozialgesetzbuches ) zurückzuführen, sind unbegründet. Sie hat nach den Feststellungen des LSG bereits im Oktober 1988 und spä- ter noch einmal im Dezember 1988 erfahren, daß der Versicherte im September 1988 verstorben war, ohne unverzüglich Ermittlungen hinsichtlich des medizinischen Sachver- halts anzustellen. Der Beklagten oblag es im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht auch festzustellen, ob Rechtsnachfolger iS des § 56 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) und - 7 - Hinterbliebene iS des § 589 RVO vorhanden waren. Schon deshalb ist der Hinweis der Revision unbeachtlich, der Beklagten seien Angehörige des Versicherten nicht bekannt gewesen. Vor allem übersieht die Beklagte, daß der Vorwurf des LSG, ihre Pflicht zur Amtsermitt- lung dahingehend, ob beim Versicherten eine Asbeststaublungenerkrankung bzw eine durch Asbeststaub verursachte Erkrankung des Zwerchfelles vorlag, verletzt zu haben, sich auch auf den Zeitraum vor dem Tode des Versicherten bezieht. Nach den Feststel- lungen des LSG war der Beklagten bereits seit dem 4. Mai 1988 durch die Anzeige des Allgemeinen Krankenhauses B. bekannt, daß beim Versicherten der Verdacht des Vorliegens einer BK der Nr 4104 der Anlage 1 zur BKVO bestand, ohne daß von ihr - vor allem in Hinblick auf den ihr bekannten Gesundheitszustand des Versicherten - unver- züglich die erforderlichen medizinischen Untersuchungen und Begutachtungen veranlaßt wurden. Hinzu kommt, daß im Falle rechtzeitiger Ermittlungen der Klägerin ggf für das Feststellungsverfahren über ihre Hinterbliebenenansprüche die Rechtsvermutung des § 589 Abs 2 Satz 2 RVO zugute gekommen wäre. Auch diese mögliche Rechtsvermutung der Klägerin wurde durch das Verhalten der Beklagten vereitelt. Dagegen sind nach der Auffassung des erkennenden Senats die Rügen der Revision be- rechtigt, mit denen sie sich gegen die Schlußfolgerungen wendet, die das LSG aus dem von der Beklagten verschuldeten Beweisnotstand der Klägerin gezogen hat. Das LSG geht entsprechend der Rechtsprechung des BSG (BSGE 24, 25; 41, 297, 300; BSG SozR Nr 60 zu § 128 SGG) und der Literatur (Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl, § 103 RdNrn 18, 19; § 128 RdNr 18; Bley in Gesamt-Komm, § 128 SGG Anm 4a ff; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, III, RdNrn 29, 159) von dem Grund- satz aus, daß bei einem Beweisnotstand, auch wenn er auf einer fehlerhaften Beweiser- hebung oder sogar auf einer Beweisvereitelung durch denjenigen beruht, dem die Uner- weislichkeit der Tatsachen zum prozessualen Vorteil gereicht, keine Umkehr der Beweis- last eintritt. Vielmehr sind die Tatsachengerichte in einem derartigen Fall berechtigt, im Rahmen der vielfältigen Möglichkeiten der Beweiswürdigung (s ua Baumgärtel, Beweis- lastpraxis im Privatrecht, 1996, S 152 ff) an den Beweis der Tatsachen, auf die sich der Beweisnotstand bezieht, weniger hohe Anforderungen zu stellen (BSGE 24, 25). An die- ser, auch vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) geteilten Rechtsauffassung (BVerwGE 10, 270) hält der Senat trotz der beachtlichen abweichenden Ausführungen von Keller (SGb 1995, 474) fest. Auch Keller geht zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) davon aus, einem Beweisnotstand jedenfalls zunächst einmal im Rahmen der Beweiswürdigung Rechnung zu tragen. Die Fälle, in denen nach der Rechtsprechung des BGH eine Beweislastumkehr zu prüfen ist (vgl Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, Band 1, 2. Aufl 1991, § 823 II RdNr 51, § 823 Anhang C II RdNrn 33, 64 und Baumgärtel, Beweislastpraxis im Privatrecht aaO S 267 ff, 297), unterscheiden sich wesentlich von denen, die dem vorliegenden Fall entsprechen (s - 8 - auch Baumgärtel, Beweislastpraxis im Privatrecht aaO S 266, RdNr 453). Insbesondere kommt es weder im Rahmen der Amtsermittlungspflicht der Sozialleistungsträger (s BVerwGE 10, 270, 272) noch grundsätzlich für die geltend gemachten materiell- rechtlichen Ansprüche der Versicherten darauf an, ob einem der Beteiligten - oder in der gesetzlichen Unfallversicherung dem Arbeitgeber - ein Verschulden trifft (vgl Baumgärtel aaO § 823 Anhang C II RdNr 33; s auch BGH NJW 1985, 1774, 1775 und 1992, 754, 755). Eine gegenüber der Berücksichtigung des Beweisnotstandes im Rahmen der Be- weiswürdigung sichere Handhabung bietet auch eine Beweislastumkehr nicht, deren Ein- tritt ebenfalls nicht generell bei fehlerhafter Beweiserhebung oder Beweisvereitelung, son- dern in diesen Fällen je nach den Umständen des Einzelfalls flexibel gestaltet sein (Baumgärtel, Beweislastpraxis im Privatrecht aaO S 266 RdNr 453) und als letzte der sich an die Beweiswürdigung anschließenden Maßnahmen eintreten soll (s auch BGHZ 72, 132, 139; Baumgärtel Handbuch aaO § 823 II RdNr 51, § 823 Anhang C II RdNr 64 und Beweislastpraxis im Privatrecht aaO S 297 RdNr 508). Die ständige Rechtsprechung des BSG, die sich im Ergebnis nicht zwangsläufig von de- nen der Gegenmeinung und der Rechtsprechung des BGH unterscheiden muß, vermag auch bei Beweisnotstand den in diesem Zusammenhang vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) betonten Grundsätzen - insbesondere des fairen Verfahrens und der Waffen- gleichheit - wirksam zu beachten (s BVerfGE 52, 131, 153, 158; 54, 148, 157; s auch BGHZ aaO; BVerfG DVBl 1991, 154; Reinhardt NJW 1994, 93). Es bleibt dem Tatsa- chengericht im Rahmen seiner freien richterlichen Beweiswürdigung überlassen, je nach den Besonderheiten des maßgebenden Einzelfalls schon einzelne Beweisanzeichen, im Extremfall ein Indiz ausreichen zu lassen für die Feststellung einer Tatsache oder der dar- aus abgeleiteten Bejahung der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Hätte das LSG im Hinblick auf den Beweisnotstand der Klägerin aufgrund der gesamten Umstände des vorliegenden Falles die Voraussetzungen der BK Nr 4104 und die Wahr- scheinlichkeit des Kausalzusammenhangs zwischen dieser BK und dem Tod des Versi- cherten bejaht, so wäre dies revisionsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden gewe- sen. Die demgegenüber vom LSG aus den angeführten Grundsätzen gezogene rechtliche Schlußfolgerung, daß schon die Möglichkeit des Vorhandenseins einer Asbestose beim Versicherten ausreiche, ist unzutreffend (s auch BGH NJW 1990, 1721). Denn die Be- fugnis der Tatsachengerichte, im Falle eines unverschuldeten Beweisnotstands ange- sichts der konkreten Umstände des Einzelfalles an den Beweis weniger hohe Anforde- rungen zu stellen, basiert auf dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ). Dieser Grundsatz bezieht sich nur auf die zu würdigenden Tatsachen; er schließt nicht die Befugnis ein, das Beweismaß zu ver- ringern oder frei darüber zu entscheiden, ob die Gewißheit erforderlich oder die Wahr- scheinlichkeit ausreicht oder sogar die Möglichkeit genügt, damit eine Tatsache als fest- - 9 - gestellt oder der Kausalzusammenhang als gegeben angesehen werden kann. Die zu- grunde zu legenden Beweismaßstäbe sind anders als die Beweiswürdigung im engeren Sinn revisionsgerichtlich nachprüfbar (vgl Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 10. Aufl 1994, § 108 VwGO RdNr 5). Das LSG ist aufgrund seiner Rechtsauffassung von einem anderen Beweismaßstab bei der Beurteilung des Kausalzusammenhangs ausgegangen und hat darauf seine Beweis- würdigung ausgerichtet. Dem Revisionsgericht ist eine eigene Würdigung der Beweise verwehrt. Deshalb mußte das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneu- ten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden. Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, 2 RU 18/85 vom 10.04.1986, Bundessozialgericht
anselmf
SG Bremen S 11 J 117/82 vom 11.04.1984
LSG Bremen L 1 J 15/84 vom 13.12.1984 BSG 2 RU 15/85 vom 30.04.1986, BSGE 60, 87 - 96 Bundessozialgericht 2 RU 15/85 Im Namen des Volkes Verkündet am 30. April 1986 in dem Rechtsstreit Klägerin und Revisionsbeklagte, Prozeßbevollmächtigter gegen 1. Beklagte, 2. Beklagter und Revisionskläger, Prozeßbevollmächtigte: beigeladen: l. Prozeßbevollmächtigter: 2. - 2 - Der 2. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung am 30. April 1986 für Recht erkannt: Auf die Revision des Beklagten zu 2) wird das Teilurteil des Landessozialgerichts Bremen vom 13. Dezember 1984 geändert, soweit der Beklagte zu 2) zur Zahlung eines Be- trages in Höhe von 297,10 DM für den Monat Juni 1981 an die Klägerin verurteilt worden ist. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialge- richts Bremen vom 11. April 1984 wird auch insoweit zu- rückgewiesen, als sie die Klage gegen den Beigeladenen zu 2) für den Monat Juni 1981 betrifft. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten. Gründe: I Streitig ist, ob die Beklagten von den der Beigeladenen zu 1) zustehenden Renten Teilbeträge auf Grund eines Pfändungs- und - 3 - Uberweisungsbeschlusses an die klagende Bank abzuführen haben, obwohl die Beigeladene zu 1) zuvor zwei Abtretungserklärungen hinsichtlich des pfändbaren Teils der ihr zustehenden Rentenan- sprüche unterschrieben hatte. Die Beigeladene zu 1) bezieht als Witwe des durch einen Arbeits- unfall am 25. Mai 1971 verstorbenen Versicherten H. G. sowohl eine Witwenrente von der Beklagten zu 1) (: LVA für das Saarland) als auch von dem Beklagten zu 2) (: GUV für das Saarland); die Höhe der von der Beklagten zu 1) bezogenen Wit- wenrente betrug - nach dem Stand vom 1. Januar 1981 - 237,10 DM monatlich, die Höhe der von dem Beklagten zu 2) bezogenen Wit- wenrente - ebenfalls nach dem Stand vom 1. Januar 1981 - 1.104,80 DM monatlich. Die Kinder der Beigeladenen zu 1) M. geb. am 5. Juni 1966, und C. , geb. am 9. Dezember 1970, bezogen Waisenrenten, und zwar von der Beklagten zu 1) in der Gesamthöhe von 305,80 DM monatlich sowie von dem Beklagten zu 2) in der Gesamthöhe von 1.104,80 DM monatlich (Stand: 1. Januar 1981). Unter dem Datum vom 28. Mai 1979 unterzeichnete die Beigeladene zu 1) eine formularmäßige Abtretungserklärung, mit der sie zur Sicherung eines ihr von der Beigeladenen zu 2) gewährten Kredits den pfändbaren Teil ihrer gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche gegen den Beklagten zu 2) auf Zahlung der ihr zustehenden Rente bzw Pension gemäß § 53 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - (SGB I) unwiderruflich an die Beigeladene zu 2) abtrat. Hiervon unterrichtete die Beigeladene zu 2) den Beklagten zu 2) - 4 - mit Schreiben vom 13. Juli 1979. Außer dieser Erklärung befindet sich in den Akten des Beklagten zu 2) eine weitere von der Bei- geladenen zu 1) unterzeichnete, wörtlich gleichlautende formu- larmäßige Abtretungserklärung - ebenfalls vom 28. Mai 1979 -, in der ein Schuldner jedoch nicht bezeichnet ist. Mit Pfändungs- und Uberweisungsbeschluß des Amtsgerichts Saar- brücken vom 18. Februar 1981, der der Beklagten zu 1) am 25. Februar 1981 und dem Beklagten zu 2) am M. März 1981 zuge- stellt wurde, pfändete die Klägerin wegen einer Forderung in Höhe von 21.778,37 DM zuzüglich Zinsen und Kosten die gegenüber den Beklagten bestehenden Rentenansprüche der Beigeladenen zu 1). In dem Pfändungs- und Uberweisungsbeschluß ordnete das Amtsgericht gemäß § 850c Abs 4 der Zivilprozeßordnung (ZPO) an, daß die Kin- der der Beigeladenen zu 1), M. und C. , bei der Berech- nung des pfändbaren Teils des Einkommens nicht zu berücksichtigen seien; außerdem verfügte es zugleich die Zusammenrechnung der gepfändeten Renten gemäß § 850e Nr 2 und 2a ZPO. Die Beklagten verständigten sich daraufhin am 5. März 1981 dahingehend, daß die Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung weiterhin in voller Höhe an die Beigeladene zu 1) auszuzahlen und der gesamte pfändbare Teil aus der Witwenrente der Unfallversicherung zu entnehmen sei. Durch einen weiteren Beschluß vom 3. Juni 1981, welcher der Beklagten zu 1) am 15. Juni 1981 und dem Be- klagten zu 2) am 12. Juni 1981 zugestellt wurde, änderte das Amtsgericht den Pfändungs- und Uberweisungsbeschluß dahingehend ab, daß der Beigeladenen zu 1) von den zusammengerechneten Renten in Anlehnung an die Sozialhilferichtlinien gemäß § 54 Abs 3 SGB I - 5 - ein unpfändbarer Betrag in Höhe von 1.000,-- DM monatlich ver- bleiben sollte. Der Beklagte zu 2) zahlte daraufhin auf Grund der ihm vorliegen- den Abtretungserklärungen vom 28. Mai 1979 ab Juni 1981 an die Beigeladene zu 2) einen Betrag in Höhe von 3A1,90 DM monatlich aus, und zwar unter Berücksichtigung der Anordnungen des Pfän- dungs- und Uberweisungsbeschlusses sowie des Beschlusses vom 3. Juni 1981. Der Beigeladenen zu 1) verblieben danach von den zusammengerechneten Renten in der Gesamthöhe von 1.341,90 DM ab Juni 1981 ihre gesamte Witwenrente aus der Rentenversicherung in Höhe von 237,10 DM monatlich sowie ein Teil ihrer Witwenrente aus der Unfallversicherung in Höhe von 762,90 DM monatlich, insgesamt der vom Amtsgericht Saarbrücken festgesetzte unpfändbare Betrag in Höhe von 1.000,-- DM monatlich. Zahlungen auf Grund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an die Klägerin lehnte der Beklagte zu 2) durch seine Schreiben vom 27. Mai, 14. Juli und 27. November 1981 ab. Das Sozialgericht (SG) Bremen hat die hiergegen gerichtete Klage auf Auszahlung der auf Grund des Pfändungs- und Uberweisungsbe— schlusses pfändbaren Rentenbeträge abgewiesen (Urteil vom 11. April 198U). Durch Teilurteil hat das Landessozialgericht (LSG) Bremen auf die Berufung der Klägerin das erstinstanzliche Urteil abgeändert und den Beklagten zu 2) verurteilt, an die Klägerin für den Monat Juni 1981 297,10 DM als pfändbaren Betrag zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage gegen den Beklagten zu 2) bezüglich des Monats Juni 1981 und die Klage gegen die Beklagte - 6 - zu 1) in vollem Umfang abgewiesen (Urteil vom 13. Dezember 1984). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Von den Renten des Monats Juni 1981 seien nach dem Pfändungs- und Über- weisungsbeschluß (vom 18. Februar 1981) sowie dem Beschluß vom 3. Juni 1981 der über 1.000,-- DM hinausgehende Teil, insgesamt 341,90 DM, pfändbar. Die zeitlich früher vorgenommene Abtretung genieße gegenüber der späteren Pfändung zwar Vorrang, dieser Vorrang setze sich aber nur in Höhe von 44,80 DM zugunsten der Beigeladenen zu 2) durch. Rechtsgrundlage der Abtretung sei § 53 Abs 3 SGB I. § 53 Abs 2 Nr 2 SGB I sei schon deshalb nicht anzu- wenden, weil es an ausdrücklichen Feststellungen der Beklagten fehle, daß die Übertragung der Rentenanteile im wohlverstandenen Interesse der Beigeladenen zu 1) liege. wirksam abgetreten sei nur der gegenüber dem Beklagten zu 2) bestehende Rentenanspruch, der gemäß § 53 Abs 3 SGB I iVm § 8500 ZPO in der ab 1. Januar 1981 geltenden Fassung sowie der dazugehörigen Tabelle des § 850c Abs 3 ZPO unter Berücksichtigung der Unterhaltsgewährung der Beigeladenen zu 1) für ihre beiden Kinder in Höhe von 44,80 DM pfändbar und somit abtretbar gewesen sei. Der Beklagte zu 2) müsse an die Klägerin den Differenzbetrag von 297,10 DM zwischen dem gepfändeten (= 341,90 DM) und dem abgetretenen Betrag (: 44,80 DM) abführen. Nicht wirksam abgetreten sei dagegen der Rentenanspruch der Beigeladenen zu 1) gegenüber der Beklagten zu 1). Die von der Beigeladenen zu 1) unterzeichnete Abtretungs- erklärung, in der ein Drittschuldner nicht benannt sei, verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot, zumal die Forderung gegen die Be- klagte zu 1) bereits bestanden habe und insoweit individuali- sierbar gewesen sei. Der Rentenanspruch gegenüber der Beklagten - 7 - zu 1) sei im übrigen ohnehin in vollem Umfang unpfändbar und so- mit unabtretbar gewesen, weil dieser unter dem damals unpfändba- ren Grundbetrag in Höhe von 559,-- DM monatlich gelegen habe. Die Zusammenrechnung der beiden Renten wie auch die Nichtberücksich- tigung der beiden Kinder der Beigeladenen zu 1) für die Berech- nung des unpfändbaren Teils des Einkommens wirke nur zugunsten der Klägerin, nicht der Beigeladenen zu 2). Es fehle insbesondere eine Verweisungsvorschrift, nach der eine solche Zusammenrechnung verschiedener Einkünfte bzw die Nichtberücksichtigung unter- haltsberechtigter Personen auch etwa vorhandenen Abtretungsgläu- bigern zugute komme. Selbst wenn ein Abtretungsgläubiger ein den §§ 8500 Abs U und 850e Nrn 2 und 2a ZPO entsprechendes Antrags- recht haben sollte, fehle es an einem entsprechenden Antrag der Beigeladenen zu 2). Zudem beeinträchtige die Erhöhung des pfänd- baren Betrages zugunsten der vorrangigen Abtretungsgläubiger den Schutz des Schuldners, den die §§ 53 ff SGB I im Auge hätten. Das LSG hat die Revision zugelassen. Der Beklagte zu 2) hat dieses Rechtsmittel eingelegt. Er rügt die Verletzung von Bundesrecht und begründet dies zunächst damit, daß die Klage wegen Verstoßes gegen § 54 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) unzulässig sei. Die Klägerin sei in der Lage gewesen, im einzelnen das pfändbare Renteneinkommen ziffernmäßig anzugeben. Auch komme vorliegend nicht eine Leistungsklage, sondern eine Anfechtungsklage in Betracht, da es sich bei seinen Schreiben vom 27. Mai und 14. Juli 1981 um Verwaltungsakte gehandelt habe. Die Pfändung der Klägerin auf Grund des Pfändungs- und Überwei- sungsbeschlusses sei im übrigen ins Leere gegangen. Nach dem - 8 - Prioritätsprinzip gehe eine zeitlich frühere Abtretung einer späteren Pfändung vor. Im Gegensatz zur Auffassung des LSG liege eine wirksame Abtretung auch der gegenüber der Beklagten zu 1) bestehenden Rentenansprüche der Beigeladenen zu 1) vor. Maßgeb- lich hierfür sei allein der Wille der Parteien des Abtretungs- Vertrages. Da die Abtretung gemäß § 398 des Bürgerlichen Gesetz- buches (BGB) nicht an eine bestimmte Form gebunden sei, sei hierfür auf alle Umstände abzustellen. Die Tatsache, daß die Beigeladene zu 1) neben der Abtretungserklärung bezüglich der Rentenansprüche gegenüber dem Beklagten zu 2) eine weitere Ab- tretungserklärung unterzeichnet habe, habe nur den Sinn, weitere Rentenleistungen an die Beigeladene zu 2) abzutreten. Hierfür komme es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) allein darauf an, ob die abgetretene Forderung genügend indi- vidualisierbar sei, wofür die Bezeichnung des Drittschuldners in der schriftlichen Urkunde nicht erforderlich sei. Die Wirksamkeit der Abtretung sei nach § 53 Abs 3 SGB I zu beurteilen. Diese Re- gelung bezwecke ebenso wie die des § 54 SGB I vor allem den Schutz des Leistungsempfängers davor, durch die Abtretung oder Pfändung sozialhilfebedürftig zu werden. Die Frage der Sozial- hilfebedürftigkeit werde aber auch bei einer Abtretung nicht wie jede einzelne Sozialleistung gesondert ermittelt, sondern richte sich danach, ob dem Sozialleistungsempfänger insgesamt genug zum Leben bleibe. Unabhängig von einem konkreten Antrag der Beige- ladenen zu 2) habe der Beklagte zu 2) daher die Arbeitseinkommen und Sozialleistungen zusammenzurechnen. Die Wirkung der Zusam- menrechnung gemäß § 850e Nr 2a ZPO trete also unabhängig davon ein, ob ein späterer Pfandgläubiger im Verfahren vor dem Voll- - 9 - streckungsgericht einen entsprechenden Antrag stelle oder nicht. Dies gelte ebenso für die Nichtberücksichtigung der unterhalts- berechtigten Kinder gemäß § 8500 Abs 4 ZPO. Der Beklagte zu 2) habe sich im Rahmen seiner Prüfung nach § 53 Abs 3 SGB I insofern an die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts halten können, weil hierdurch die tatsächlichen Umstände iS des § 850c Abs 4 ZPO zutreffend berücksichtigt worden seien. Der Beklagte zu 2) beantragt, das Urteil des LSG Bremen vom 13. Dezember 198M aufzuheben und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Revision des Beklagten zu 2) zurückzuweisen. Sie vertritt die Auffassung, daß die Schreiben des Beklagten zu 2) vom 27. Mai und 1A. Juli 1981 keine Verwaltungsakte, sondern lediglich Anfragen an die Klägerin seien. Die somit allein in Betracht kommende Leistungsklage, zu deren Stellung das SG an- stelle einer Feststellungsklage zudem ausdrücklich aufgefordert habe, sei trotz fehlender genauer Bezifferung des geforderten Geldbetrages hinreichend konkretisiert und damit zulässig. Zudem sei nicht nachgewiesen, daß die Abtretung der Rentenansprüche der Beigeladenen zu 1) zugunsten der Beigeladenen zu 2) bereits am 26. Mai 1979 wirksam geworden sei. Die von der Beigeladenen zu 1) unterzeichneten Abtretungserklärungen tragen zwar das Datum vom 28. Mai 1979, es sei aber nicht erkennbar, ob und wann dié - 10 - Beigeladene zu 2) diese Abtretungserklärungen angenommen habe. Da die Beigeladene zu 2) ihren Sitz in Koblenz habe, die Abtre- tungserklärungen jedoch in Saarbrücken unterschrieben worden seien, hätten diese als einseitiges Angebot zu wertenden Erklä- rungen nach § 147 Abs 2 BGB nur innerhalb einer Zeitspanne von einer Woche oder mehr angenommen werden können. Ein nicht recht- zeitig angenommenes Angebot stelle rechtlich ein nullum dar. Diese zeitlich unklaren Verhältnisse seien insbesondere deshalb von Bedeutung, weil die Beigeladene zu 1) auch ihr (der Klägerin) gegenüber die Rentenansprüche abgetreten habe. Diese Abtretungs- erklärung, die sich auf dem von der Beigeladenen zu 1) am 1. Juni 1979 unterzeichneten Kreditantrag befinde, sei von ihr am 15. Juni 1979 angenommen worden. Die ihr (der Klägerin) ge- genüber vorgenommene Abtretung sei somit am 15. Juni 1979 und damit zu einem Zeitpunkt wirksam geworden, als die Abtretungen zugunsten der Beigeladenen zu 2) noch nicht wirksam gewesen seien. Der Beklagte zu 2) hat zur Frage der Wirksamkeit des zwischen den Beigeladenen zu 1) und 2) geschlossenen Abtretungsvertrages mit Schriftsatz vom 24. Juni 1985 Stellung genommen. Dieser Ab- tretungsvertrag sei am 28. Mai 1979, dem Tage der Unterzeichnung zustande gekommen. Für die Beigeladene zu 2) sei in Saarbrücken ein Vertreter tätig gewesen, so daß es nicht auf deren Ge- schäftssitz in Koblenz ankomme. Dieser Vertreter habe der Beige- ladenen zu 1) sowohl ein Darlehen gewähren als auch mit dieser Verträge über die Abtretung von Rentenansprüchen schließen kön- nen. - 11 - Die Beklagte zu 1) beantragt, die Revision zurückzuweisen. Die Beigeladenen zu 1) und 2) stellen keinen Antrag. Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf die Schriftsätze vom 23. April 1985, 8. Mai 1985, 12. Juni 1985, 22. Juni 1985 und 5. Juli 1985 Bezug genommen. II Die zulässige Revision des Beklagten zu 2) ist begründet. Die Klägerin begehrt mit der von ihr erhobenen Klage von den Be- klagten zu 1) und 2) in Ausführung des Pfändungs- und Überwei- sungsbeschlusses vom 18. Februar 1981 sowie des Beschlusses vom 3. Juni 1981 Zahlung des pfändbaren Teils der Renteneinkommen ier Beigeladenen zu 1). Da nur der Beklagte zu 2) Revision eingelegt hat, hat der Senat auch nur über das Urteil des LSG zu entscheiden, soweit es die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Klage betrifft. Das LSG hat hierüber gemäß § 202 SGG iVm § 301 ZPO durch Teilurteil ent- schieden, indem es über einen Teil des geltend gemachten An- spruchs, nämlich nur für den Monat Juni 1981 entschieden und die Entscheidung für den übrigen Zeitraum dem Schlußurteil vorbehal- ten hat. Gegenstand der revisionsrechtlichen Prüfung ist daher - 12 - nur der Klageanspruch gegen den Beklagten zu 2) für den Monat Juni 1981. Der von der Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 2) geltend gemachte weitergehende Anspruch für den übrigen Zeitraum ist noch in der Berufungsinstanz anhängig und damit der Prüfung durch den erkennenden Senat entzogen. Das LSG hat zutreffend den Rechtsweg zu den Gerichten der So- zialgerichtsbarkeit bejaht. Die Klägerin macht die Ansprüche der Beigeladenen zu 1) auf die Hinterbliebenenrenten aus der ge- setzlichen Renten- und Unfallversicherung im eigenen Namen gel- tend, soweit sie ihr aufgrund der Pfändung zur Einziehung über- wiesen sind. Da die Rechtsnatur eines Anspruchs durch seine Pfändung und Überweisung nicht geändert wird und der Streit um Rente aus der gesetzlichen Unfall- oder Rentenversicherung eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in einer Angelegenheit der Sozialversicherung iS des § 51 Abs 1 SGG ist, ist der Sozial- rechtsweg gegeben (vgl ua BSGE 18, 76, 78; 53, 182, 183; SozR 1200 § 5A Nr 6; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 10. Auflg, S 187u). Die von der Klägerin erhobene echte Leistungsklage ist gemäß § 54 Abs 5 SGG zulässig. Hiernach kann die Verurteilung zu einer Lei- stung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Ein sol- cher Fall liegt jedenfalls dann vor, wenn - wie hier - zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, ob und in welcher Höhe der Schuldnerin (: Beigeladene zu 1) Rentenleistungen aus der ge- setzlichen Renten- und Unfallversicherung zustehen, sondern le- - 13 - diglich die Frage umstritten ist, ob und ggf welcher Teil der Sozialleistungen aufgrund der Pfandung an die Pfändungsgläubige- rin auszuzahlen ist. Bei dieser Sachlage bedurfte es keiner er- neuten Regelung durch einen Verwaltungsakt, so daß vor Erhebung der echten Leistungsklage auf Zahlung des pfändbaren Betrages der Witwenrenten die Durchführung eines Vorverfahrens nicht erfor- derlich wer (BSG 30zR 1200 § 5M Nr 5 S b, 7; BSGE 18, 76, 77 f). Hieran ändern auch die beiden Schreiben des Beklagten zu 2) vom 27. Mai und 14. Juli 1482 nichts. Zwar ist es für die Wertung einer Verwaltungshandlung als Verwaltungsakt unerheblich, ob die Behörde zu seinem Erlaß befugt gewesen ist oder ob sie im kon- kreten Fall überhaupt hoheitlich tätig werden durfte. Für das Vorliegen eines Verwaltungsakts reicht es aus, daß der äußeren Erscheinungsform nach eine hoheitliche Maßnahme zur Regelung ei- nes Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts vorliegt. Entscheidend hierfür ist, daß das Verwaltungshandeln seinem ln- halt nach die Merkmale des § 31 SGB X erfüllt und erkennbar den Willen der Benörde ausdrückt, auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts einen Einzelfall verbindlich zu regeln (vgl ua BSGE 15, 7b, 78 mwN; 19, 123, 124; Schneider-Danwitz in RVO/SGB-Gesamt- Kommentar, Stand Dezember 1981, § 31 SGB X Anm 7 mwN; Schröder-Printzen/Engelmann, SGB X, 1981, § 31 Anm 1,2). In diesem Sinne ist der Beklagte zu 2) gegenüber der Klägerin jedoch nicht tätig geworden. Die beiden Schreiben vom 27. Mai und 14. Juli 1981 sind - im Gegensatz zur Auffassung der Revision - nicht als Verwaltungsakte zu werten, de sie ihrem Inhalt nach nicht die Voraussetzungen des § 31 BGB X erfüllen. Das Schreiben vom 27. Mai 1981 beinhaltet lediglich eine Darstellung des - 14 - Rechtsstandpunktes des Beklagten zu 2), mit dem das Zahlungsbe- gehren der Klägerin abgelehnt wurde. Mit dem weiteren Schreiben vom 14. Juli 1981 wiederholt der Beklagte zu 2) unter Bezugnahme auf sein vorhergehendes Schreiben vom 27. Mai 1981 lediglich diesen ablehnenden Rechtsstandpunkt. Da somit ein Verwaltungsakt des Beklagten zu 2) nicht erforderlich war und auch nicht vor- liegt, war die Durchführung eines Vorverfahrens und mithin die Erhebung einer Anfechtungsklage nicht notwendig; die Klägerin hat daher hier zutreffend eine Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG erhoben. Entgegen der Auffassung des Beklagten zu 2) ist diese Leistungs- klage zulässig, obwohl die Klägerin ihren Antrag nicht im ein- zelnen beziffert hat. Zwar gilt auch im sozialgerichtlichen Ver- fahren als Zulässigkeitsvoraussetzung das Erfordernis eines be- stimmten Klageantrages (Meyer-Ladewig, SGG, 2. Aufl 1981, § 92 Anm 5); hieraus folgt jedoch nicht, daß bei einer auf eine Geld- leistung gerichteten Klage der geforderte Geldbetrag genau be- ziffert werden müßte (Meyer-Ladewig, aaO, § 92 Anm 5; anderer Ansicht wohl Bley in RVO/SGB-Gesamtkomm, Stand Juli 1983, § 54 SGG Anm 11c). Dieser in anderen Rechtsgebieten anerkannte Grund- satz (vgl für die Zivilgerichtsbarkeit ua BGH NJW 1982, 340f mwN; für die Verwaltungsgerichtsbarkeit BVerwGE 12, 189 und Hess VGH Hess VGRspr 1977, 62, 63; Eyermann/Fröhler, VwGO, 8. Aufl 1980, § 82 Rdn 4; Kopp, VwG0, 7. Auflage 1986, § 82 Rdn 10), nach dem dem Bestimmtheitsgebot jedenfalls dann genügt ist, wenn neben einer hinreichend genauen Darlegung des anspruchsbegründenden Sachverhalts wenigstens die ungefähre Höhe des verlangten Be- - 15 - trages angegeben wird, gilt auch im sozialgerichtlichen Verfah- ren, zumal § 130 SGG bei einer auf eine Geldleistung gerichteten echten Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs 5 SGG die Verurtei- lung dem Grunde nach erlaubt, und zwar ohne daß - wie nach § 111 VwGO und auch § 304 ZPO erforderlich - der Anspruch dem Grunde und der Höhe nach streitig ist. Aus der Befugnis zum Erlaß eines Grundurteils nach § 130 SGG ergibt sich konsequenterweise, daß ein entsprechender, hierauf gerichteter, nicht bezifferter Kla- geantrag zulässig ist. Die danach zulässige Leistungsklage ist hinsichtlich des gegen- über dem Beklagten zu 2) geltend gemachten Klageanspruchs für den Monat Juni 1981 jedoch unbegründet. Das LSG hat den Beklagten zu 2) zu Unrecht zur Zahlung von 297,10 DM für den Monat Juni 1981 verurteilt. Dies ergibt sich aus den Wirkungen der hier vorliegenden nach- einander erfolgten Abtretung und Pfändung der Rentenansprüche der Beigeladenen zu 1). Hat ein Leistungsberechtigter seine Sozial- leistungsansprüche an einen Dritten abgetreten, so gilt im Falle des Zusammentreffens dieser Abtretung mit einer zeitlich nach- folgenden Pfändung das Prioritätsprinzip, soweit es sich bei dem Abtretungsgläubiger und dem Pfändungsgläubiger - wie hier bei der Beigeladenen zu 2) und der Klägerin - nicht um bevorrechtigte Unterhaltsberechtigte handelt (vgl Brackmann aaO S 738 m; von Maydell in GK-SGB I, 2. Aufl 1981, § 53 Rz 41; Heinze in Bochumer Kommentar, SGB AT, 5 53 Rz 40; SGB I, Allgemeiner Teil, BfA/VDR, 6. Aufl 1983, § 53 Anm 8.3). Ist also ein Anspruch auf - 16 - Sozialleistungen nach dem SGB zunächst in den Grenzen des § 860c ZPO abgetreten, so kommt bei einer nachfolgenden Pfändung der Pfändungsgläubiger nur insoweit zum Zuge, als die Sozialleistung von der vorausgegangenen Abtretung nicht erfaßt war. Gemäß § 398 Satz 2 BGB wird nämlich der Zessionar mit der Abtretung einer Forderung eines Schuldners neuer Gläubiger des Drittschuldners, so daß die Forderung nicht mehr zum Vermögen des Schuldners gehört (Stöber, Forderungspfändung, 7. Auflage 1984, Rdnr 764, 1248; BAGE 41, 297, 300; OLG Hamm Rechtspfleger 1978, 186), dh, die Klägerin als nachrangige Pfändungsgläubigerin kann mit ihrer Pfändung nur insoweit Erfolg haben, als die Witwenrentenansprüche der Beigeladenen zu 1) nicht wirksam an die Beigeladene zu 2) abgetreten sind. Die Beigeladene zu 1) hat aber von der ihr für den Monat Juni 1981 zustehenden Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung einen Betrag - wie unten noch näher darzulegen ist - in Höhe von 378,70 DM wirksam an die Beigeladene zu 2) ab- getreten. Zutreffend hat das LSG die Wirksamkeit der Abtretung der Witwen- rentenansprüche nicht nach Maßgabe des § 53 Abs 2 Nr 2 SGB I, sondern nach § 53 Abs 3 SGB I beurteilt. Danach können Ansprüche auf laufende Geldleistungen, die - wie die Witwenrenten der Bei- geladenen zu 1) - der Sicherung des Lebensunterhalts dienen, in anderen Fällen übertragen und verpfändet werden, soweit sie den für Arbeitseinkommen geltenden unpfändbaren Betrag übersteigen. § 53 Abs 2 Nr 2 SGB I, wonach Ansprüche auf Geldleistungen über- tragen und verpfändet werden können, wenn der zuständige Lei- stungsträger feststellt, daß die Übertragung und Verpfändung im - 17 - wohlverstandenen Interesse des Berechtigten liegt, ist hier schon deshalb nicht einschlägig, weil es an einer entsprechenden Fest- stellung des wohlverstandenen Interesses durch die Beklagte zu 1) und den Beklagten zu 2) fehlt, die zudem durch Verwaltungsakt zu erfolgen hat (allg Ansicht vgl ua BSG SozR 1200 § 53 Nr 2 S 0; Hauck/Haines, SGB I, K § 53 Rz 8 aE., Heinze in Bochumer Kom- mentar, SGB AT, § 53 Rz 21). Die Beigeladene zu 1) konnte somit ihre gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) bestehenden Witwen- rentenansprüche an die Beigeladene zu 2) gemäß § 53 Abs 3 SGB I wirksam nur innerhalb der für Arbeitseinkommen geltenden Pfän- dungsgrenzen abtreten. Die Pfändbarkeit von Arbeitseinkommen er- gibt sich aus § 850c Abs 1 ZPO in der hier anzuwendenden Fassung des Artikels 1 Nr 6 des M. Gesetzes zur Änderung der Pfändungs- freigrenzen vom 28. Februar 1978 (BGBl I S 333) sowie der maß- gebenden Tabelle zu § 8500 Abs 3 ZPO (: Anlage zu § 850c ZPO idF des Art 1 Nr 9 des M. Gesetzes zur Änderung der Pfändungsfrei- grenzen, Umbenennung mit Wirkung vom 1. Januar 1981 in Anlage 2 durch Art 1 Nr 13 des Gesetzes über die Prozeßkostenhilfe vom 13 Tuni 1980 — BGBl I S 677). Der pfändungsfreie Betrag ist dabei, sofern — wie hier - verschiedene Ansprüche gegen ver- schiedene Schuldner abgetreten werden, für jeden Anspruch geson- dert nach § 850c ZPO zu ermitteln (Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 20. Aufl aaO, § 850e Rdnr 19, 32; s. auch Grunsky in ZIP 1983, 908, 909). Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hat die Beigeladene zu 1) am 28. Mai 1979 hinsichtlich ihres gegenüber dem Beklagten zu 2) bestehenden Witwenrentenanspruches eine formularmäßige Ab- - 13 - tretungserklärung zu Gunsten der Beigeladenen zu 2) unterzeich- net. Hiervon hat die Beigeladene zu 2) den Beklagten zu 2) mit Schreiben vom 13. Juli 1979 in Kenntnis gesetzt, so daß davon auszugehen ist, daß die Abtretungserklärung der Beigeladenen zu 1) spätestens zu diesem Zeitpunkt von der Beigeladenen zu 2) an- genommen (vgl §§ 147 bis 152 BGB) und somit der zwischen den Beigeladenen zu 1) und 2) geschlossene Abtretungsvertrag eben- falls spätestens zu diesem Zeitpunkt wirksam geworden ist. Dies hat zur Folge, daß die Witwenrente aus der gesetzlichen Unfall- versicherung von der Beigeladenen zu 1) an die Beigeladene zu 2) vorrangig vor der im Jahre 1981 und damit zeitlich späteren Pfändung durch die Klägerin abgetreten worden ist. Hiervon ist das LSG im angefochtenen Urteil auch zu Recht ausgegangen. Die diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen des LSG sind mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen nicht angegriffen wor- den und damit für den Senat bindend (§ 163 SGG). Der Wirksamkeit steht auch nicht entgegen, daß auf der in den Akten des Beklagten zu 2) befindlichen Abtretungserklärung die Unterschrift der Beigeladenen zu 1) — worauf die Klägerin im Re- visionsverfahren hinweist — nicht beglaubigt ist. Die Beglau- bigung der Unterschrift ist nur eine auf dem Abtretungsformular vorgesehene Möglichkeit der Absicherung der Unterschriftslei- stung. Dem Abtretungsvertrag sind keine Anhaltspunkte zu ent- nehmen, daß seine Wirksamkeit von diesem gesetzlich nicht vor- geschriebenen Formerfordernis abhängig sein soll. Die Klägerin hält zwar die Vorrangigkeit der Abtretung zu Gunsten - 19 - der Beigeladenen zu 2) für zweifelhaft und führt hierzu in ihrer Revisionserwiderung aus, daß die Beigeladene zu 1) am 1. Juni 1979 ihr gegenüber die Rentenansprüche ebenfalls abgetreten habe und diese Abtretung aufgrund ihrer Annahmeerklärung vom 15. Juni 1979 zu einem Zeitpunkt wirksam geworden sei, als die Abtretung vom 28. Mai 1979 zu Gunsten der Beigeladenen zu 2) mangels Vor- liegen einer entsprechenden Annahmeerklärung noch nicht wirksam gewesen sei. Hierin könnte die Rüge mangelnder Sachaufklärung (§ 103 SGG) zu sehen sein. Derartige Verfahrensrügen können zwar auch vom Revisionsbeklagten im Wege der sogenannten Gegenrüge bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vorgebracht werden (BSG SozR 1500 § 16A Nr 2H mwN; Meyer-Ladewig, aaO, § 170 RdNr A mwN), jedoch entsprechen die Ausführungen der Klägerin nicht den Er- fordernissen des § 166 Abs 2 Satz 3 SGG. Hierfür hätte die Klä- gerin die den Verfahrensmangel vermeintlich begründenden Tat- sachen substantiiert darlegen müssen, wozu insbesondere dieje- nigen Gründe gehören, aufgrund derer sich das LSG von seinem sachlich—rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt sehen müssen, weitere Ermittlungen zur Sachverhaltsaufklärung anzustellen und in welcher Hinsicht derartige Ermittlungen unterlassen worden sind (vgl BSG SozR 2200 § 160a Nr 3M mwN; SozR Nr ÖH zu § 102 SGG; SozR Nr 1A zu § 103 SGG). Da das Rangverhältnis zwischen der Abtretung zu Gunsten der Beigeladenen zu 2) und dem von der Klä- gerin erwirkten Pfändungs— und Uberweisungsbeschluß und somit der zeitliche Vorrang der Abtretung vor der Pfändung nicht umstritten war, hätte die Klägerin diesbezüglich näher darlegen müssen, welche Umstände das LSG hätten veranlassen müssen, den genauen Zeitpunkt der Annahme der Abtretungserklärung der Beigeladenen zu - 20 - 1) durch die Beigeladene zu 2) zu ermitteln und ob die Beige- ladene zu 1) noch eine weitere Abtretungserklärung, und zwar zu Gunsten der Klägerin unterschrieben hätte. Die Tatsache des Vor- handenseins einer weiteren Abtretungserklärung der Beigeladenen zu 1) vom 1. Juni 1979 zu Gunsten der Klägerin, die aufgrund der zeitlichen Nähe zu der Abtretung vom 28. Mai 1979 für die zeit- liche Rangfolge der verschiedenen Abtretungen und der Pfändung von Bedeutung sein könnte, hat die Klägerin erst im Revisions- verfahren vorgebracht, obwohl ihr diese Tatsache als weitere Ab- tretungsgläubigerin von Anfang an bekannt gewesen ist, so daß sie diese spätestens im Berufungsverfahren hätte vorbringen können. Im Revisionsverfahren ist derartiges neues Tatsachenvorbringen nur unter den Voraussetzungen des § 163 SGG zu berücksichtigen, die hier aber nicht gegeben sind. Ausgehend von diesem vom LSG festgestellten und für den Senat somit maßgebenden Sachverhalt hat das LSG zu Unrecht die für den Monat Juni 1981 von dem Beklagten zu 2) zu gewährende Witwenrente von 1.104,80 DM lediglich in Höhe eines Betrages von 44,80 DM als pfändbar und damit abtretbar angesehen. Das LSG ist bei der Bemessung des unpfändbaren Betrages von einer Unterhaltsgewährung der Beigeladenen zu 1) an ihre beiden Kinder im Sinne des § 850c Abs 1 Unterabs 2 ZPO ausgegangen; es hat hierbei jedoch nicht dargelegt, woraus sich ein Unterhaltsanspruch der beiden Kinder M. und C. gegenüber ihrer Mutter, der Beigeladenen zu 1), ergibt, denn nur aufgrund eines Unterhaltsanspruchs gelei- stete Zahlungen sind im Rahmen dieser Vorschrift beachtlich. - 21 - § 850c Abs 1 ZPO stellt hinsichtlich der Bemessung des unpfänd- baren Teils des Einkommens auf den gesetzlichen Unterhalt ab. Ausgehend von einem unpfändbaren Grundbetrag von seinerzeit 559,00 DM (§ 850c Abs 1 Unterabs 1 ZPO in der oa anzuwendenden Fassung) richtet sich die Höhe des unpfändbaren Teils des Ein- kommens des weiteren danach, ob der Schuldner, dh hier die Bei- geladene zu 1), eine Unterhaltsverpflichtung hat. Der pfändungs- freie Teil des Einkommens erhöht sich dabei nach § 850c Abs 1 Unterabs 2 ZPO, wenn der Schuldner ua einem Verwandten, wozu eheliche oder nichteheliche (§§ 1615a ff BGB) Kinder etc gehören, kraft Gesetzes unternaltspflichtig ist und tatsächlich Unterhalt gewährt (vgl ua BAG AP Nr 2 mwN und AP Nr 3 zu § 850c ZPO). Lei- stungen an Verwandte, die sich selbst unterhalten können, sind daher gemäß § 1602 Abs 1 BGB nicht zu berücksichtigen (Stein/ Jonas/Münzberg, aa0, § 850c RdNr 15; Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 44. Aufl, § 850c Anm 2 A). Die Unterhaltspflichten zwischen Eltern und ihren Kindern ergeben sich aus § 1601 BGB. Danach sind Verwandte in gerader Linie ver- pflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Eine "abstrakte" Un- terhaltsverpflicntung allein aufgrund einer bestimmten familien- rechtlichen Beziehung reicht aber hierfür nicht aus. Die Pflicht zur Gewährung von Unterhalt ergibt sich erst aus den konkreten Lebens- und Einkommensverhältnissen des zum Unterhalt Berechtig- ten und des hierzu Verpflichteten. Auf den vorliegenden Fall be- zogen bedeutet dies, daß die Kinder der Beigeladenen zu 1) un- terhaltsbedürftig (§ 1602 Abs 1 BGB) und die Beigeladene zu 1) zur Gewährung des Unterhalts leistungsfähig (S 1603 BGB) gewesen - 22 - sein müssen. Nach § 1602 Abs 1 BGB ist unterhaltsberechtigt, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Bei Verwandten in gerader Linie ist diese Voraussetzung gegeben, wenn ein der Le- bensstellung der Bedürftigen entsprechender Unterhalt nicht ge- sichert ist, wenn sie also nicht in der Lage sind, ihren ange- messenen Unterhalt selbst zu bestreiten (§ 1610 Abs 1 BGB). Die Beigeladene zu 1) bezog nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) im Juni 1981 Witwenrenten von der Beklagten zu 1) und dem Beklagten zu 2) in einer Gesamthöhe von 1.341,90 DM. Ihre beiden 10 und 15-jährigen Kinder C. und M. erhiel- ten zur selben Zeit von der Beklagten zu 1) und dem Beklagten zu 2) zusammen Halbwaisenrenten in der Gesamthöhe von 1.410,60 DM, so daß auf jedes einzelne Kind hiervon die Hälfte, dh ein Betrag von 705,30 DM entfiel. Angesichts dieser den beiden Kindern zur Verfügung stehenden monatlichen Einkünfte waren sie nicht unter- haltsbedürftig im Sinne des § 1602 Abs 1 BGB. Der Betrag des angemessenen Unterhalts bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles (BSG SozR 2200 § 596 Nr 10). Da deren Feststellung häufig recht schwierig ist, hat die Praxis der Zi- vilgerichte eine Anzahl von Tabellen und Leitlinien entwickelt, um die unbestimmten Rechtsbegriffe der "Lebensstellung" und des "angemessenen" Unterhalts praktikabel zu machen. Für eine solche Pauschalierung treten die meisten Oberlandesgerichte ein. Eine besonders weite Verbreitung bei den Familiengerichten haben hierbei die in der sogenannten Düsseldorfer Tabelle festgelegten Unterhaltsrichtlinien gefunden (vgl hierzu Gesamtüberblick bei - 23 - Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 3. Aufl 1985, S 3 ff), die auch in die sozialrechtliche Praxis Eingang gefunden haben (vgl ua zuletzt Urteil des 7. Senats des BSG vom 23. Oktober 1985 - 7 RAr 32/8M -; BSG SozR 2200 5 596 Nr 10; BSGE 57, 59, 70; 57, 77, 81, s. aber auch Gernhuber SGb 1985, 523). Auch der Bundesgerichtshof geht in seiner Rech- sprechung davon aus, daß bei der Bemessung des angemessenen Unterhalts Richtsätze und Leitlinien zugrunde gelegt werden kön- nen, die auf die gegebenen Verhältnisse abgestimmt sind und der Lebenserfahrung entsprechen, soweit nicht im Einzelfall besondere Umstände eine Abweichung bedingen; er hat hierbei bislang die in der Düsseldorfer Tabelle enthaltenen unterhaltsrechtlichen Grundsätze nicht beanstandet (vgl zB BGHZ 70, 151, 155; FamRZ 1979, 692, 693; 1982, 365, 366). Da gemäß § 1606 Abs 3 Satz 1 BGB beide Elternteile ihren Kindern anteilig nach ihren Erwerbs- und Vvermögensverhältnissen haften und nach der Wertentscheidung des Gesetzes in § 1606 Abs 3 Satz 2 BGB jedenfalls während der Minderjährigkeit der Kinder davon auszugehen ist, daß die finanziellen Leistungen des Vaters und die Betreuung der Kinder durch die Mutter im allgemeinen als gleichwertig anzusehen sind (BGH NJW 1981, 168, 170; BGHZ 70, 151, 159f), geben die Tabellenwerte auch nur den nälftigen Le- bensbedarf wieder (Kalthoener/Büttner, aaO, RdNr 286). Nach dem Tode eines Elternteils, entweder des barleistungspflichtigen oder des die Kinder betreuenden, richtet sich daher der Unterhalts- anspruch der Kinder in Höhe des vollen Bedarfs C: doppelter Ta- bellensatz: Bar- und Betreuungsunterhalt) gegen den überlebenden - 24 - Elternteil (BGH NJW 1981, 168, 170; Kalthoener/Büttner, aaO, RdNr 287). Auf den derart ermittelten Unterhaltsanspruch eines Berechtigten sind dessen eigene Einkünfte anzurechnen. Zwar müssen minder- jährige unverheiratete Kinder nach § 1602 Abs 2 BGB den Stamm ihres Vermögens nicht zum eigenen Unterhalt verwenden, dies gilt jedoch nicht für Einkünfte jeder Art einschließlich von ihnen bezogener Sozialleistungen. Eine einem ehelichen Kind nach dem Tode eines Elternteils gewährte Waisenrente aus der gesetzlichen Renten- oder Unfallversicherung mindert oder beseitigt somit dessen Unterhaltsbedürftigkeit und dementsprechend auch dessen Unterhaltsanspruch (BGH NJW 1981, 168, 169 mwN; Kalthoener/Bütt- ner, aaO, RdNr 286; Köhler, Handbuch des Unterhaltsrechts, 6. Aufl, RdNr 67; Sorgel/Lange, Kommentar zum BGB, 11. Aufl, § 1602 RdNr 6; Köhler in Münchener Kommentar zum BGB, 1978, § 1602 RdNr 17). Da - wie bereits ausgeführt - sich nach dem Tode eines Elternteils der Unterhaltsanspruch in Höhe des vollen Be- darfs gegen den überlebenden Elternteil richtet, kommt diesem auch die Minderung der Unterhaltsbedürftigkeit durch die Waisen- rente in voller Höhe zugute (BGH NJW 1981, 168, 170). Unter Zu- grundlegung der Düsseldorfer Tabelle nach dem hier maßgebenden Stand vom 1. Januar 1980 (vgl NJW 1980, 107; 1981, 963) ergeben sich aufgrund des Renteneinkommens der Beigeladenen zu 1) in Höhe von insgesamt 1.341,90 DM für den Monat Juni 1981 Unterhalts- bedarfsbeträge von 456,00 DM für das Kind C. (: doppelter Satz der Tabelle A "Kindesunterhalt" entsprechend der zum dama- ligen Zeitpunkt - Juni 1981 - maßgebenden Altersstufe vom 7. bis - 25 - zur Vollendung des 12. Lebensjahres sowie der Einkommensgruppe 1) sowie 540,00 DM für das Kind M. (= doppelter Satz der Ta- belle A "Kindesunterhalt" entsprechend der zum damaligen Zeit- punkt - Juni 1981 - maßgebenden Altersstufe vom 13. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres sowie der Einkommensgruppe 1). Auf diese Unterhaltsbedarfsbeträge sind die den beiden Kindern der Beigeladenen zu 1) gewährten Waisenrenten in Höhe des jeweils auf das einzelne Kind entfallenen Anteils von 705,30 DM voll an- zurechnen. Da diese Einkünfte die Unterhaltsbedarfsbeträge über- steigen, fehlt es insoweit an der Unterhaltsbedürftigkeit der beiden Kinder der Beigeladenen zu 1). Da somit eine Unterhaltsverpflichtung der Beigeladenen zu 1) mangels Unterhaltsbedürftigkeit ihrer Kinder nicht bestand, war die von dem Beklagten zu 2) zu gewährende Witwenrente des Monats Juni 1981 nach § 8500 Abs 1 iVm der Tabelle zu § 850c Abs 3 ZP0 (= pfändbarer Betrag bei Unterhaltspflicht für null Personen -, jeweils in der oa anzuwendenden Fassung) in Höhe eines Betrages von 378,70 DM pfändbar und damit abtretbar. Die Beigeladene zu 1) hat daher ihre gegen den Beklagten zu 2) bestehenden Rentenan- sprüche wirksam und - wie ausgeführt — auch vorrangig von der zeitlich späteren Pfändung durch die Klägerin in Höhe eines Be- trages von 378,70 DM abgetreten. Daß in dem Beschluß des Amts- gerichts vom 3. Juni 1981 ein höherer unpfändbarer Betrag fest- gestellt ist, berührt die für die Abtretung maßgebende Berechnung des pfändbaren Betrages nicht, da der Beschluß nur die Pfändung betrifft. - 25 - Aufgrund der wirksamen und vorrangigen Abtretung des gegenüber dem Beklagten zu 2) bestehenden Witwenrentenanspruches in Höhe eines Betrages von 378,70 DM war - wie bereits dargelegt - dies- bezüglich nicht mehr die Beigeladene zu 1), sondern die Beige- ladene zu 2) Gläubigerin des Beklagten zu 2), so daß die Pfändung der Klägerin aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 18. Februar 1981 ins Leere ging, da hiernach sowie dem er- gänzenden Beschluß vom 3. Juni 1981 lediglich ein Betrag von insgesamt 341,90 DM und damit weniger als der abgetretene Betrag von 378,70 DM pfändbar war. Es kann daher hier dahingestellt bleiben, welche Wirkungen die mit dem Pfändungs- und Uberweisungsbeschluß des Amtsgerichts Saarbrücken vom 18. Februar 1981 gleichzeitig erlassenen Be- schlüsse nach den §§ 850c und 850 e Nrn 2 und 2a ZPO sowie der Beschluß vom 3. Juni 1981 in bezug auf die Abtretungsgläubige- rin, dh die Beigeladene zu 2), entfalten, da dies jedenfalls hinsichtlich des hier allein streitigen Anspruchs der Klägerin gegen den Beklagten zu 2) für den Monat Juni 1981 nicht ent- scheidungserheblich ist. Ein höherer Betrag als der bereits vor- rangig von der Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversiche- rung abgetretene Betrag in Höhe von 378,70 DM ist nämlich nach den genannten Beschlüssen - wie ausgeführt - für den Monat Juni 1981 nicht pfändbar. Es kann daher darüber hinaus auch dahingestellt bleiben, ob trotz fehlender Schuldnerbenennung in der weiteren Abtretungserklärung vom 28. Mai 1979 auch die von der Beklagten zu 1) zu zahlende - 27 - Witwenrente wirksam an die Beigeladene zu 2) abgetreten ist oder ob entsprechend der Auffassung des LSG mangels Bestimmtheit des Abtretungsvertrages eine wirksame Abtretung der Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht vorliegt, da selbst bei einer Unwirksamkeit der Abtretung der Witwenrente aus der ge- setzlichen Rentenversicherung - wie ausgeführt - der Klägerin jedenfalls von der Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallver- sicherung kein pfändbarer Betrag mehr zur Verfügung stehen würde. Nach den Beschlüssen des Vollstreckungsgerichts käme allenfalls die Pfändbarkeit der von der Beklagten zu 1) zu gewährenden Wit- wenrente in Betracht. Hierüber hat der Senat jedoch nicht zu entscheiden. Das Urteil des LSG, mit dem der Beklagte zu 2) zur Zahlung von 297,10 DM verurteilt, die Klage gegen die Beklagte zu 1) jedoch in vollem Umfang abgewiesen worden ist, ist nämlich nur von dem Beklagten zu 2) mit der Revision angefochten worden. Die Klägerin dagegen hat keine Revision eingelegt. Das angefochtene Urteil ist daher einer Nachprüfung durch das Revisionsgericht nur insoweit zugänglich, als es sich um die von dem Revisionskläger (= Beklagter zu 2) angegriffene Verurteilung zur Zahlung von 297,10 DM als pfändbaren Betrag handelt. Hinsichtlich der Klage- abweisung gegenüber der Beklagten zu 1) ist das Urteil des LSG zwischen den Beteiligten bindend geworden, da es diesbezüglich weder von der Klägerin noch der Beklagten zu 1) bzw den Beigela- denen angegriffen und auch eine Anschlußrevision innerhalb eines Monats nach Zustellung der Revisionsbegründungsschrift nicht eingelegt worden ist (BSGE 44, 184). Da das SG somit im Ergebnis zutreffend die Klage gegen den Be- - 28 - klagten zu 2) betreffend den Monat Juni 1981 abgewiesen hat, war das angefochtene Urteil insoweit zu ändern und die Berufung gegen das Urteil des SG betreffend den Zeitraum Juni 1981 zurückzuwei- sen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Faksimile 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, 2 BU 15/91 vom 09.08.1991, Bundessozialgericht
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2 BU 15/91 BESCHLUSS in dem Rechtsstreit Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer, gesetzlich vertreten durch seinen Pfleger ... , Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt ..., gegen Bayerischer Gemeindeunfallversicherungsverband, München 40, Ungererstraße 71, Beklagter, Antragsgegner und Beschwerdegegner. Der 2. Senat des Bundessozialgerichts hat am 9. August 1991 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. K. sowie Richter W. und Dr. B. beschlossen: Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Nichtzu- lassungsbeschwerde vor dem Bundessozialgericht Prozeßkosten- hilfe zu bewilligen und ihm Rechtsanwalt M..... beizuordnen, wird abgelehnt. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Oktober 1990 wird als unzulässig verworfen. Kosten sind nicht zu erstatten. - 2 - Gründe : Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Pflege oder Pfle- gegeld wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 23. März 1979. Den Antrag des Klägers, ihm Pflegegeld zu gewähren, lehnte der Beklagte ab, weil der Kläger nicht infolge des Arbeitsunfalls, sondern durch seine paranoide Schizophrenie hilflos sei (formloses Schreiben vom 4. Februar 1986, Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 1987). Vor dem Sozialgericht (SG) Würzburg und dem Bayerischen Landessozialgericht (LSG) hat der Kläger eben- falls keinen Erfolg gehabt (Urteile vom 19. Juli 1988, berich- tigt am 6. Oktober 1988 - S 2 U 57/87 - und vom 24. Oktober 1990 - L 2 U 204/88 -) . Sein Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Ver- fahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundessozialgericht (BSG) war abzulehnen; die nicht in zulässiger Form begründete Beschwerde war zu verwerfen. Prozeßkostenhilfe kann dem Kläger allein deshalb nicht gewährt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinrei- chende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Sozialgerichtsgesetz - SGG- iVm § 114 Abs 1 Satz 1 Zivilprozeßordnung idF des Gesetzes über die Prozeßkostenhilfe vom 13. Juni 1980 - BGBl I 677 -). Zulassungsgründe iS des § 160 Abs 2 SGG sind nicht ersichtlich. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das LSG ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht - 3 - nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 SGG festgelegten gesetzlichen Form. Nach der ständigen Rechtsprechung erfordert § 160a Abs 2 Satz 3 SGG, daß die Zulassungsgründe schlüssig dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47, 54, 58). Daran fehlt es der Beschwerde. Der Beschwerdeführer hat keinen der in § 160 Abs 2 SGG genannten Zulassungsgründe formgerecht bezeichnet oder dargelegt. In seiner Beschwerdebegründung erwähnt er noch nicht einmal eine einzige Vorschrift des SGG für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde. Zur Begründung der Grundsätzlichkeit einer Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG muß erläutert werden, daß und warum in dem angestrebten Revisionsverfahren eine Rechtsfrage erheblich sein würde, die über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung hat (BSG SozR 1500 § 160a Nr 39). Der Beschwerdebegründung fehlt es sowohl an der konkreten Formulierung einer Rechtsfrage als auch an der schlüssigen Darlegung, warum das angedeutete Rechtsproblem klärungsbedürftig ist. Eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG hat der Beschwerde- führer nicht schlüssig bezeichnet, weil er die Entscheidung des BSG, von der die Entscheidung des LSG abweichen soll, nicht mit Datum und Aktenzeichen genau bezeichnet hat und auch die Angabe fehlt, mit welchem tragenden Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung das LSG von welcher genau bezeichneten tragenden rechtlichen Aussage eine Entscheidung des BSG abgewichen sein soll (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). - 4 - Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefoch- tene Entscheidung beruhen kann. Auch daran fehlt es der Be- schwerdebegründung. Zweck des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde ist es nicht, das Urteil eines LSG daraufhin zu überprüfen, ob das materielle Recht zutreffend angewandt worden ist. Deshalb kann der Kläger in diesem Verfahren nicht mit dem Argument gehört werden, das LSG habe den Grundsatz der Subsidiarität sozialhilferechtlicher Leistungen grundlegend verkannt. Aus den oben angeführten prozeßrechtlichen Gründen ist es dem Senat verwehrt, zu dieser materiell-rechtlichen Frage Stellung zu nehmen. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, 1 RK 23/96 vom 18.02.1997, Bundessozialgericht
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Im Namen des Volkes Urteil in dem Rechtsstreit Az: 1 RK 23/96 Kläger und Revisionskläger, Prozeßbevollmächtigte: gegen Schwäbisch Gmünder Ersatzkasse, 73529 Schwäbisch Gmünd, Gottlieb-Daimler-Straße 19, Beklagte und Revisionsbeklagte. Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 18. Februar 1997 durch den Präsidenten von W. , die Richter S. und Dr. D. sowie die ehrenamtliche Richterin D. und den ehrenamtlichen Richter H. für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 26. September 1996 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. - 2 - Gründe: I Der 1938 geborene Kläger leidet an einer Niereninsuffizienz, derentwegen er sich seit Dezember 1993 zwei- bis dreimal wöchentlich einer Dialysebehandlung unterziehen muß. Für die Fahrten zwischen seiner Wohnung in Wilhelmshaven und dem Dialysezentrum in Jever benötigt er ein Taxi. Die beklagte Ersatzkasse übernahm aufgrund der Härtefallre- gelung des § 62 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für 1994 den die Bela- stungsgrenze übersteigenden Teil der notwendigen Fahrkosten. Eine darüber hinausge- hende, generelle Kostenübernahme nach Maßgabe des § 60 Abs 2 Satz 1 SGB V lehnte sie ab, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt seien (Bescheid vom 9. März 1994; Widerspruchsbescheid vom 9. September 1994). Klage und Berufung des Klägers sind ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat im Urteil vom 26. September 1996 ausgeführt, auf § 60 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V lasse sich der geltend gemachte Anspruch nicht stützen. Diese Bestimmung sehe bei Fahrten zu einer ambulanten Krankenbehandlung eine Kostenübernahme nur für den Fall vor, daß dadurch eine an sich gebotene vollstationäre oder teilstationäre Kranken- hausbehandlung vermieden werde. Dialysebehandlungen würden aber regelmäßig ambu- lant durchgeführt, so daß der angesprochene Gesichtspunkt bei ihnen nicht zum Tragen komme. Da die Regelung in § 60 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V vom Gesetzgeber bewußt eng gefaßt worden sei, scheide auch eine analoge Anwendung der Bestimmung auf andere, vom Wortlaut nicht erfaßte Tatbestände aus. Das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) werde durch die Nichteinbeziehung der Dialysebehandlungen in die gesetzliche Regelung nicht verletzt. Mit der Revision macht der Kläger geltend, die Dialyse müsse im Hinblick auf den damit verbundenen zeitlichen, personellen und medizinisch-technischen Aufwand einer teilsta- tionären Behandlung gleichgesetzt werden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebiete, daß bei Dialysepatienten ebenso wie bei anderen Schwerkranken die mit der medizini- schen Versorgung in Zusammenhang stehenden Fahrkosten von der Krankenkasse ge- tragen werden. Der Kläger beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 26. September 1996 und des Sozialgerichts Oldenburg vom 25. Oktober 1995 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 9. Mai 1994 in der Gestalt des Wider- - 3 - spruchsbescheides vom 9. September 1994 zu verurteilen, ihm den Eigenanteil an den Fahrkosten zu Dialysebehandlungen ab April 1994 zu erstatten. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. II Die Revision ist nicht begründet. Zwischen den Beteiligten besteht Übereinstimmung, daß die Beklagte die Kosten des Klägers für Fahrten zur Dialysebehandlung nach der Härtefallregelung des § 62 Abs 1 SGB V insoweit zu tragen hat, als sie die dort festgelegte individuelle Belastungsgrenze übersteigen. Eine darüber hinausgehende, generelle Übernahme dieser Kosten, wie sie der Kläger begehrt, läßt das geltende Recht nicht zu. Die klageabweisenden Urteile der Vorinstanzen sind deshalb zu bestätigen. Zu der Frage, ob und inwieweit die durch eine Krankenbehandlung verursachten Fahrko- sten zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, trifft das Ge- setz eine differenzierende Regelung: Nach der Grundnorm des § 60 Abs 2 Satz 1 SGB V sind diese Kosten von der Krankenkasse nur bei bestimmten, in der Vorschrift genannten Sachverhalten zu tragen, während sie im übrigen dem Verantwortungsbereich des Versi- cherten zugerechnet werden. Demgegenüber hat die Kasse nach § 60 Abs 2 Satz 2 SGB V unabhängig von der Art der Leistung einzutreten, wenn die Kosten den Versicher- ten unzumutbar belasten würden, sei es, daß er wegen seines geringen Einkommens überhaupt keine Eigenleistungen erbringen kann (§ 61 SGB V) oder daß die entstehen- den Aufwendungen eine von der Einkommenshöhe abhängige Grenze der zumutbaren Eigenbelastung überschreiten (§ 62 SGB V). Gemäß § 60 Abs 2 Satz 1 SGB V übernimmt die Krankenkasse die einen Betrag von 20,00 DM je Fahrt übersteigenden Fahrkosten bei Fahrten zu einer stationären Behandlung (Nr 1), bei Rettungsfahrten (Nr 2), bei Kranken- transporten (Nr 3) sowie bei Fahrten zu einer ambulanten Krankenbehandlung einschließ- lich einer Behandlung nach § 115a oder § 115b SGB V, wenn dadurch eine an sich ge- botene vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird oder diese nicht ausführbar ist (Nr 4). Da die Dialysebehandlungen des Klägers ambulant durchgeführt werden und keinen qualifizierten Krankentransport iS der Nr 3 erfordern, kommt als Grundlage des geltend gemachten Anspruchs allein § 60 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V in Betracht. Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, sind die Voraussetzungen dieser Vorschrift jedoch nicht erfüllt; - 4 - denn die Dialyse gehört nicht zu den Leistungen, durch die eine "an sich gebotene" stationäre Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob mit dieser Wendung nur Ausnahmefälle erfaßt werden sollen, in denen eine aus medizinischer Sicht eigentlich notwendige stationäre Behandlung aus be- sonderen Gründen ambulant vorgenommen wird (so wohl Krauskopf, Soziale Krankenver- sicherung und Pflegeversicherung, Stand Juni 1996, § 60 SGB V RdNr 16), oder ob dar- unter, wofür die Einbeziehung der Leistungen nach § 115b SGB V spricht, auch solche Behandlungen fallen, die zwar bisher (noch) überwiegend stationär erbracht werden, grundsätzlich aber auch ambulant durchführbar sind und durchgeführt werden. Nachdem Dialysebehandlungen regelmäßig ambulant erbracht werden und allenfalls beim Auftreten von Komplikationen eine stationäre Aufnahme nach sich ziehen, werden sie vom Rege- lungsgehalt des § 60 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V in keinem Fall erfaßt. Mit Recht hat es das LSG auch abgelehnt, § 60 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V auf Fahrten zur Dialysebehandlung analog anzuwenden. Eine Erstreckung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf weitere, nicht ausdrücklich genannte Fälle einer ambulanten Behandlung käme nur in Betracht, wenn die getroffene Regelung gemessen an den mit ihr verfolgten Zielen unvollständig wäre und durch die Einbeziehung ähnlicher, vom Gesetzeszweck ebenfalls erfaßter Sachverhalte ergänzt werden müßte. Für die Annahme einer solchen planwidrigen Gesetzeslücke ist indessen nach dem Inhalt der Vorschrift und der ihr zugrundeliegenden Regelungsabsicht kein Raum. Bereits die Tatsache, daß das Gesetz die Übernahme der durch eine medizinische Behandlung verursachten Fahrkosten durch die Krankenkasse auf bestimmte, genau umschriebene Sachverhalte beschränkt und den Versicherten im übrigen in § 60 Abs 2 Satz 2 SGB V auf die Härteklauseln der §§ 61 und 62 SGB V verweist, macht deutlich, daß die Regelung Ausnahmecharakter hat und die privilegierten Tatbestände abschlie- ßend erfassen will. Dies wird durch die Rechtsentwicklung bestätigt. Während der frühere, am 31. Dezember 1988 außer Kraft getretene § 194 Abs 1 Reichsversicherungs- ordnung (RVO) noch generell die Erstattung der im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten ein- schließlich eines notwendigen Gepäcktransports vorgesehen hatte, hat das Gesundheits- Reformgesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S 2477) die Ansprüche auf Reise- kostenerstattung drastisch eingeschränkt. Seither werden nur noch Fahrkosten und auch diese nur in besonderen Fällen übernommen. Die Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung hat der Versicherte grundsätzlich selbst zu tragen. Ausgenommen hiervon waren nach der ursprünglichen, auf dem GRG beruhenden Fassung des § 60 Abs 2 Satz 1 SGB V nur Rettungsfahrten zum Krankenhaus und Krankentransporte in einem speziellen Krankentransportfahrzeug. Der Gesetzgeber war der Auffassung, daß einerseits die starke, durch eine weitgehend unkritische Verordnung von Krankenfahrten seitens der Ärzte und Krankenhäuser mitverursachte Kostenbelastung der Kranken- - 5 - kassen finanziell nicht länger vertretbar, andererseits angesichts des hohen Grades der Motorisierung und des zumindest im städtischen Bereich dichten Netzes öffentlicher Ver- kehrsmittel eine umfassende Kostenübernahme auch nicht zwingend geboten sei (Regierungsentwurf zum GRG, BR-Drucks 200/88 S 186 Begr zu § 68). Das Gesundheits-Strukturgesetz (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S 2266) hat den Katalog der zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung zählenden Fahrkosten um den Tatbestand des jetzigen § 60 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V erweitert, ohne das der Vorschrift zugrundeliegende Regel-Ausnahmeprinzip aufzugeben. Ange- sichts dessen ist nicht zweifelhaft, daß die Aufzählung der für eine Kostenerstattung in Frage kommenden Fälle abschließend sein soll. Der Annahme einer unbeabsichtigten Regelungslücke als Voraussetzung für eine analoge Anwendung des § 60 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V auf Fahrten zu Dialysebehandlungen steht aber vor allem der aus der Entstehungsgeschichte ersichtliche Zweck dieser Vorschrift entgegen. Im Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/CSU, SPD und F.D.P. vom 5. No- vember 1992 (BT-Drucks 12/3608 S 82) ist ihre Einführung damit begründet worden, daß dadurch Anreize zur Vermeidung oder Verkürzung einer stationären Behandlung geschaf- fen werden sollten. Im Unterschied zu den in § 60 Abs 2 Satz 1 Nrn 1 bis 3 SGB V ge- nannten Sachverhalten, bei denen die überdurchschnittliche Höhe der zu erwartenden Ko- sten den Grund für die Ausnahmeregelung abgibt, ging es bei den Behandlungsfällen nach Nr 4 darum, das Ziel einer Verlagerung von Leistungen aus dem stationären in den ambulanten Bereich nicht durch eine Schlechterstellung der ambulanten Behandlungsal- ternativen bei der Fahrkostenerstattung zu gefährden. Mit Blick auf diese gesetzgeberi- sche Absicht sind Dialysebehandlungen den in § 60 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V aufgeführ- ten Behandlungen von vornherein nicht vergleichbar, so daß es insoweit an einem analo- giefähigen Tatbestand fehlt. Diese Konsequenz ist im Gesetzgebungsverfahren aus- drücklich gesehen und gebilligt worden. Der Ausschuß für Gesundheit des Deutschen Bundestages, auf dessen Beschlußempfehlung vom 7. Dezember 1992 (BT-Drucks 12/3930 S 17) der endgültige Text der Vorschrift zurückgeht, hat in seinem Bericht vom 8. Dezember 1992 (BT-Drucks 12/3937 S 12) wörtlich ausgeführt: "Für Leistungen, die grundsätzlich ambulant erbracht werden (zB Dialysebehandlungen) bringt die Neurege- lung keine Änderung gegenüber dem bisherigen Recht, da bei solchen Behandlungen stationäre oder teilstationäre Krankenhauspflege nicht erforderlich ist und damit auch nicht vermieden werden kann." Das Problem der Fahrkosten bei Dialysebehandlungen und allgemein bei ambulanten Dauer- oder Serienbehandlungen war dem Gesetzgeber demnach bekannt und sollte bewußt nicht in dem von der Revision befürworteten Sinne einer Einbeziehung dieser Leistungen in die Kostenerstattungsregelung gelöst werden. Zu Unrecht beruft sich der Kläger für seinen Rechtsstandpunkt auf den Gleichbehand-lungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG. Abgesehen davon, daß die gesetzliche Regelung gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers auch im Wege einer ver- - 6 - fassungskonformen Auslegung nicht auf Fahrten zu Dialysebehandlungen erstreckt werden könnte (vgl dazu BVerfGE 8, 28, 34; 70, 35, 63 f mwN; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Aufl, RdNr 80), gibt es für die Privilegierung der in § 60 Abs 2 Satz 1 SGB V genannten Tatbestände hinreichende sachliche Gründe. Daß Dialysebehandlungen auf der einen und die in § 60 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V aufgeführten ambulanten Leistungen auf der anderen Seite in bezug auf die Erstattung von Fahrkosten unterschiedlich behandelt werden, ist angesichts des mit der genannten Vorschrift verfolgten Zwecks sachgerecht. Der Umstand, daß die Dialyse wegen der Häufigkeit und der Zeitdauer der Behandlung sowie des erforderlichen perso- nellen und medizinisch-technischen Aufwands einer teilstationären Behandlung vergleich- bar sein mag, zwingt auch nicht dazu, sie hinsichtlich der Übernahme von Fahrtkosten einer stationären Therapie iS des § 60 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V gleichzusetzen. Anders als in den Fällen des § 60 Abs 2 Satz 1 Nrn 1 bis 3 SGB V, in denen es darum geht, den Versicherten von dem Risiko einer einmaligen hohen Kostenbelastung freizustellen, verteilen sich die - in der Summe unter Umständen ebenfalls hohen - Fahrkosten bei Dialysebehandlungen regelmäßig über einen längeren Zeitraum. Insoweit wird jedoch durch die Regelung in § 62 Abs 1 SGB V sichergestellt, daß die finanzielle Ge- samtbelastung des Versicherten durch Fahrkosten sowie Zuzahlungen zu Arznei-, Verband- und Heilmitteln längerfristig nicht über einen zumutbaren Eigenanteil hinaus an- wächst. Im Hinblick auf diese Unterschiede und bei Berücksichtigung der Härtefallregelung ist die Differenzierung zwischen Fahrten zur stationären Behandlung auf der einen und den auf lange Sicht vergleichbar kostenaufwendigen Fahrten zu einer ambulanten Langzeitbehandlung auf der anderen Seite verfassungsrechtlich nicht zu be- anstanden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, 1 RK 23/95 vom 09.12.1997, Bundessozialgericht
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Urteil in dem Rechtsstreit Az: 1 RK 23/95 Kläger und Revisionsbeklagter, Prozeßbevollmächtigte: gegen Barmer Ersatzkasse, Untere Lichtenplatzer Str. 100-102, 42289 Wuppertal, Beklagte und Revisionsklägerin. Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Dezember 1997 durch die Richter S. - Vorsitzender - , Dr. D. und Dr. S. sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. B. und B. für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein- Westfalen vom 27. Juli 1995 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 9. September 1994 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. - 2 - Gründe: I Der 1987 geborene Kläger leidet an einer Phenylketonurie, einer angeborenen Störung des Eiweißstoffwechsels, bei der die Aminosäure Phenylalanin vom Körper nicht abge- baut werden kann. Die Krankheit erfordert eine Diät, deren Grundlage phenylalaninfreie Eiweißersatzpräparate bilden. Daneben müssen haushaltsübliche Getreideprodukte wie Mehl, Brot, Backwaren, Teigwaren, Gebäck und Pasteten durch eiweißarme Spezialnah- rungsmittel aus dem Reformhaus ersetzt werden. Die beklagte Ersatzkasse, bei welcher der Kläger über seine Mutter krankenversichert ist, trägt die Kosten für die als Arzneimittel eingestuften Eiweißersatzpräparate. Die Über- nahme der Kosten für die eiweißarmen Nahrungsmittel lehnte sie dagegen mit Bescheid vom 28. März 1989 (Widerspruchsbescheid vom 21. August 1989) ab, weil die Kranken- versicherung für die Beschaffung von Lebensmitteln des täglichen Bedarfs auch dann nicht aufzukommen habe, wenn aus Krankheitsgründen eine besondere, kostenaufwen- digere Ernährung vonnöten sei. Während das Sozialgericht (SG) die dagegen gerichtete Klage abgewiesen hat, hat das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte verurteilt, dem Kläger die durch die notwendige eiweißarme Ernährung entstandenen Mehrkosten im Verhältnis zu den Kosten der Ernäh- rung eines gesunden gleichaltrigen Versicherten zu erstatten (Urteil vom 27. Juli 1995). Es hat ausgeführt: Lebensmittel seien zwar im Regelfall auch dann keine Arznei- oder Heilmittel, wenn ihnen über den allgemeinen Ernährungszweck hinaus eine spezifische Heilwirkung zukomme, wie dies bei den eiweißarmen Getreideprodukten der Fall sei. Et- was anderes müsse jedoch ausnahmsweise gelten, wenn der Versicherte auf die beson- dere Ernährung angewiesen und ihm die Beschaffung der teureren Spezialnahrungsmittel unter Abwägung mit den Interessen der Solidargemeinschaft wirtschaftlich nicht zumutbar sei. Letzteres sei hier der Fall gewesen, denn die Mutter des Klägers habe zeitweise von Sozialhilfe gelebt und die zusätzlichen Mittel für die Krankenkost in Höhe von mindestens 100,-- DM pro Monat nicht aufbringen können. Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Der Krankenbe- handlungsanspruch umfasse nach § 27 Abs 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, nicht aber die Be- reitstellung von Mitteln des allgemeinen Lebensbedarfs. Für Mehraufwendungen, welche durch eine besondere krankheitsbedingte Lebensführung entstünden, habe die Kranken- versicherung grundsätzlich keinen Ersatz zu leisten, es sei denn, daß ausdrücklich etwas anderes geregelt sei. Hiervon könne nicht je nach den Umständen des Einzelfalles abge- wichen werden. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten sei schon vom - 3 - Ansatz her kein geeigneter Gradmesser für die Leistungsverpflichtung eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. Juli 1995 aufzu- heben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 9. September 1994 zurückzuweisen. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Mehraufwendungen für besondere krankheitsverträgliche Nahrungsmittel seien typische Folgekosten der Krankheit und mit- hin dem Risikobereich der Krankenversicherung zuzurechnen. Dies rechtfertige es, sie jedenfalls dann der Krankenkasse aufzubürden, wenn der Versicherte mit der Aufbrin- gung der zusätzlichen Mittel wirtschaftlich überfordert sei. II Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung der klageabwei- senden Entscheidung erster Instanz. Nach dem Tenor des angefochtenen Urteils hat das Berufungsgericht nur über die Er- stattung der bei Erlaß des Urteils bereits entstandenen Kosten entschieden. Es hat damit das Klagebegehren, das auf Übernahme der durch die eiweißarme Ernährung bedingten Mehraufwendungen ohne zeitliche Begrenzung gerichtet war, nicht ausgeschöpft. Da nur die Beklagte Revision eingelegt hat, ergeben sich daraus jedoch keine prozessualen Fol- gerungen. In der Sache selbst kann der Auffassung des LSG nicht gefolgt werden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der durch den Verzehr eiweißarmer Spezial- nahrungsmittel entstandenen krankheitsbedingten Mehrkosten. Als Rechtsgrundlage des vom LSG angenommenen Erstattungsanspruchs kommt nur § 13 Abs 3 (früher Abs 2) SGB V in Betracht. Danach hat die Krankenkasse, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, dem Versicherten die für die Beschaffung der Leistung aufgewen- deten Kosten zu erstatten. Da der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle eines an sich gegebenen Sachleistungsanspruchs tritt, kann er nur bestehen, soweit die selbstbe- schaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, welche die gesetzlichen Kran- kenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Das ist bei den im Streit befindlichen Diätnahrungsmitteln nicht der Fall. - 4 - Die von der Krankenkasse zu gewährende Krankenbehandlung umfaßt neben der ärztli- chen Behandlung ua nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln. Diätnahrungsmittel sind keine Heilmittel iS der genannten Vorschrift, weil sie zum Verzehr und nicht zur äußeren Einwirkung auf den Körper be- stimmt sind (zum Begriff des Heilmittels vgl BSGE 28, 158, 159 f = SozR Nr 30 zu § 182 RVO Bl Aa 28; BSGE 46, 179, 182 = SozR 2200 § 182 Nr 32 S 62; BSG SozR 3-2200 § 182 Nr 11 S 47 f). Als Arzneimittel dürfen sie nach den Arzneimittelrichtlinien des Bun- desausschusses der Ärzte und Krankenkassen (AMRL) von den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten nicht verordnet werden (vgl Nr 17.1 Buchst i AMRL vom 31. August 1993 - BAnz 1993 Nr 246; ebenso früher: Nr 21 Buchst i AMRL vom 19. Juni 1978 - Beilage zum BAnz 1978 Nr 235). Sie sind damit von der Anwendung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Die auf der Grundlage des § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V erlassenen AMRL regeln als untergesetzliche Rechts- normen den Umfang und die Modalitäten der Arzneimittelversorgung mit verbindlicher Wirkung sowohl für die Vertragsärzte und die Krankenkassen als auch für die Versicher- ten (allgemein zur Rechtsqualität und Tragweite der Richtlinien der Bundesausschüsse der (Zahn)Ärzte und Krankenkassen: Senatsurteil vom 16. September 1997 - 1 RK 32/95, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Das Verordnungsverbot für Diätle- bensmittel und Krankenkost hält sich im Rahmen der dem Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen erteilten Rechtsetzungsermächtigung. Zwar bezieht sich diese Er- mächtigung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur auf den Erlaß von Vorschriften zur Sicherung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Arzneimittelversorgung und gibt dem Bundesausschuß nicht die Befugnis, selbst Inhalt und Grenzen des Arzneimittelbegriffs festzulegen (BSGE 66, 163, 164 = SozR 3-2200 § 182 Nr 1 S 2; BSGE 67, 36, 38 = SozR 3-2500 § 27 Nr 2 S 4; BSGE 72, 252, 255 = SozR 3-2200 § 182 Nr 17 S 81 f). Der Regelung in Nr 17.1 Buchst i AMRL liegt indes- sen kein vom Gesetz abweichender Arzneimittelbegriff zugrunde. Sie zieht mit dem Aus- schluß von Diätnahrungsmitteln aus der vertragsärztlichen Versorgung lediglich die recht- liche Konsequenz daraus, daß derartige Produkte keine Arzneimittel im krankenversiche- rungsrechtlichen Sinne sind. Der Begriff des Arzneimittels wird im SGB V selbst nicht erläutert. Nach der Definition des Arzneimittelgesetzes (AMG), die im wesentlichen mit dem allgemeinen Sprachgebrauch übereinstimmt, sind darunter Substanzen zu verstehen, deren bestimmungsgemäße Wir- kung darin liegt, Krankheitszustände zu erkennen, zu heilen, zu bessern, zu lindern oder zu verhüten (vgl § 2 Abs 1 AMG idF der Bekanntmachung vom 19. Oktober 1994 - BGBl I 3018). Die in Rede stehenden eiweißarmen Getreideprodukte dienen demgegenüber in erster Linie der Ernährung. Sie treten an die Stelle haushaltsüblicher Back- und Teigwa- ren, deren Verzehr dem Kläger wegen ihrer krankheitsverschlimmernden Wirkung versagt ist. Ihre durch den vorrangigen Verwendungszweck begründete Eigenschaft als Nah- - 5 - rungs- bzw Lebensmittel (vgl § 1 Abs 1 Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz idF der Bekanntmachung vom 9. September 1997 - BGBl I 2390) verlieren sie nicht dadurch, daß sie speziell zu dem Zweck hergestellt werden, eine auf die Krankheit abgestimmte Ernährungsweise zu ermöglichen. Als Lebensmittel sind sie, wie § 2 Abs 3 Nr 1 AMG ausdrücklich klarstellt, keine Arzneimittel. Sie gehören damit auch nicht zur Arzneimittel- versorgung als Teil der Krankenbehandlung. Dabei kann offenbleiben, ob der Arzneimit- telbegriff des SGB V in jeder Hinsicht mit demjenigen des AMG übereinstimmt (verneinend: BSGE 67, 36, 38 = SozR 3-2500 § 27 Nr 2 S 4; BSG SozR 3-2200 § 182 Nr 11 S 46; bejahend: Schlenker, DOK 1987, 236 ff; ders, SGb 1988, 473 ff). Darauf kommt es nicht an, weil jedenfalls in dem hier interessierenden Punkt der Unterscheidung und Abgrenzung zwischen Arzneimitteln auf der einen und Nahrungsmitteln auf der ande- ren Seite keine Abweichung besteht. Eine Ausweitung des Arzneimittelbegriffs durch Einbeziehung von Diät- oder Krankenkost widerspräche der begrenzten Aufgabenstellung der gesetzlichen Krankenversicherung. Diese verfolgt nicht das Ziel, den Versicherten vor krankheitsbedingten Nachteilen umfas- send zu schützen. Bei der Vielzahl von Auswirkungen, die eine Krankheit auf die Le- bensführung des Betroffenen haben kann, wäre das Krankenversicherungsrisiko nicht sachgerecht begrenzbar, wenn es sich auf alle durch die Krankheit veranlaßten Aufwen- dungen erstrecken würde. Die Leistungspflicht der Krankenkassen ist deshalb, soweit das Gesetz nichts anderes vorschreibt, auf Maßnahmen beschränkt, die gezielt der Krank- heitsbekämpfung dienen. Mehrkosten und andere Nachteile und Lasten, die der Versi- cherte im täglichen Leben wegen der Krankheit hat, sind der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen und nicht von der Krankenkasse zu tragen (vgl BSGE 42, 16, 18 f = SozR 2200 § 182 Nr 14 S 30 f; BSGE 42, 229, 231 = SozR 2200 § 182b Nr 2 S 3; BSGE 53, 273, 275 = SozR 2200 § 182 Nr 82 S 161 f). Das gilt grundsätzlich auch für Mehraufwen- dungen, die durch eine besondere, krankheitsangepaßte Ernährungsweise entstehen (BSG SozR 2200 § 182 Nr 88 S 183; BSGE 63, 99, 100 = SozR 2200 § 182 Nr 109 S 234; vgl zur identischen Risikoabgrenzung im Beihilferecht des öffentlichen Dienstes: OVG Rheinland-Pfalz, Der öffentliche Dienst 1995, 291; VGH Baden-Württemberg, Zeitschrift für Beamtenrecht 1985, 255; im sozialen Entschädigungsrecht: BSGE 64, 1 = SozR 3100 § 11 Nr 17; im Sozialhilferecht: BverwG Buchholz 427.3 § 276 LAG Nr 15). Dementsprechend hat der 3. Senat des BSG schon zum früheren Recht der Reichsversi- cherungsordnung (RVO) entschieden, daß Lebensmittel, auch soweit ihnen über ihren generellen Ernährungszweck hinaus eine spezifische krankheitsheilende, krankheitslin- dernde oder verschlimmerungshemmende Wirkung zukommt, keine Arzneimittel im Sinne des Leistungsrechts der Krankenversicherung sind (Urteil des 3. Senats vom 18. Mai 1978 - BSGE 46, 179, 182 = SozR 2200 § 182 Nr 32 S 82). Dieser Rechtsstandpunkt ist entgegen der Ansicht des LSG nicht dadurch relativiert wor- den, daß derselbe Senat in späteren Entscheidungen zu § 182 Abs 1 RVO die Auffassung - 6 - vertreten hat, eine Krankenkost könne von der Krankenkasse ausnahmsweise gewährt werden, wenn zu der Heilwirkung der Kost für den einzelnen Versicherten noch beson- ders gravierende Umstände, insbesondere eine unzumutbar hohe finanzielle Belastung durch die im Vergleich zu üblichen Lebensmitteln teureren Diätpräparate, hinzuträten (Urteile vom 23. März 1983 - SozR 2200 § 182 Nr 88 S 183 und vom 23. März 1988 - BSGE 63, 99, 100 = SozR 2200 § 182 Nr 109 S 234; ähnlich für andere Gegenstände des allgemeinen Lebensbedarfs: BSGE 65, 154, 157 = SozR 2200 § 368e Nr 13 S 35; BSGE 67, 36, 37 = SozR 3-2500 § 27 Nr 2 S 3). Damit ist nicht zum Ausdruck gebracht worden, daß beim Vorliegen derartiger Umstände die Krankenkost zum Arzneimittel wird. Die Re- vision weist mit Recht darauf hin, daß die Arzneimitteleigenschaft einer Substanz durch den Verwendungszweck bestimmt wird und nichts mit der wirtschaftlichen Leistungsfähig- keit des Versicherten zu tun hat. Andernfalls könnte ein und dasselbe Produkt je nach der Situation des Erkrankten einmal Arzneimittel sein und ein anderes Mal nicht. Die ange- führten Entscheidungen haben nicht den Arzneimittelbegriff modifiziert, sondern vielmehr das Spektrum der im Gesetz vorgesehenen Leistungen erweitert. Das war nach früherem Recht nicht ausgeschlossen; denn § 182 Abs 1 Nr 1 RVO enthielt, wie das Wort "insbesondere" im Einleitungssatz der Vorschrift verdeutlicht, keine abschließende Auf- zählung der als Krankenpflege zu gewährenden Leistungen und ließ damit Raum für eine Ausweitung des Leistungskatalogs. Insofern konnte die Gewährung der Krankenkost in den genannten Ausnahmefällen als eine besondere Leistung der Krankenpflege neben den in § 182 Abs 1 Nr 1 RVO ausdrücklich genannten Leistungsarten angesehen werden. Diese Möglichkeit ist mit dem Inkrafttreten des SGB V am 1. Januar 1989 entfallen. Der jetzige § 27 Abs 1 Satz 2 SGB V regelt den Umfang der Krankenbehandlung bewußt ab- schließend (Begründung zum Entwurf des Gesundheitsreformgesetzes, BT-Drucks 11/2237 S 170). Die Krankenkassen sind damit grundsätzlich auf die in der Vorschrift ge- nannten Leistungen beschränkt; außerhalb etwaiger Modellvorhaben nach § 63 Abs 2 SGB V können neue Leistungsarten nur vom Gesetzgeber eingeführt werden (Höfler in Kasseler Kommentar, § 27 SGB V RdNr 58; von Maydell in Gemeinschaftskommentar zum SGB V § 27 RdNr 77). Die bisherige Rechtsprechung, auf die das LSG seine Ent- scheidung gestützt hat, kann deshalb für das geltende Recht nicht aufrechterhalten wer- den. Mit der Aussage, daß Lebensmittel, auch wenn es sich um Diät- oder Krankenkost han- delt, keine Leistungen der Krankenversicherung sind, weicht der Senat von der Rechts- auffassung ab, die dem Urteil des für die knappschaftliche Krankenversicherung zustän- digen 8. Senats des BSG vom 27. September 1994 - 8 RKn 9/92 (USK 94110) zugrunde liegt. Der 8. Senat hat dort auch für das neue Recht daran festgehalten, daß ein Lebens- mittel (im konkreten Fall ein handelsübliches Heilwasser) ausnahmsweise zum Arznei- mittel werden könne, wenn zu der Heilwirkung besonders gravierende Umstände, etwa eine unzumutbare finanzielle Belastung des Versicherten, hinzukämen. Einer Anfrage gemäß § 41 Abs 3 SGG wegen der insoweit bestehenden Divergenz bedarf es gleichwohl - 7 - nicht, weil vorliegend ein Anspruch des Klägers auch bei Zugrundelegung der Rechtsauf- fassung des 8. Senats zu verneinen wäre. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 10. Mai 1995 (SozR 3-2500 § 33 Nr 15) entschieden, daß krankheitsbedingte Mehr- kosten beim Kauf von Gegenständen des allgemeinen Lebensbedarfs nur dann als "besonders gravierender Umstand" gewertet werden können, wenn bei den betreffenden Gütern der Teil der Herstellungskosten überwiegt, der allein auf die therapeutische Wir- kung des Mittels zurückzuführen ist. Nur dann trete die Bedeutung als Gebrauchsgegen- stand für den Versicherten in den Hintergrund, so daß eine Beteiligung der Krankenkasse an den Aufwendungen zu rechtfertigen sei. Ausgehend hiervon würde eine Leistungs- pflicht der Beklagten auch auf dem Boden der früheren Rechtsprechung ausscheiden, weil die vom Kläger benötigten Back- und Teigwaren, wie sich aus den von ihm vorge- legten und bei den Akten befindlichen Preislisten ersehen läßt, durchweg weniger als doppelt so teuer sind wie gleichartige haushaltsübliche Produkte. Nach alledem konnte das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, 1 RA 63/70 vom 11.11.1971, Bundessozialgericht
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Bundessozialgericht
Az. 1 RA 63/70 Verkündet am 11 November 1971, Amtsinspektor als Urk. Beamter d. Gesch.Stelle Im Namen des Volkes Urteil in dem Rechtsstreit Kläger und Revisionskläger, Prozeßbevollmächtigte; gegen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Berlin 54, Ruhrstraße 2, Beklagte und Revisionsbeklagteo Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 11 November 1971 durch Präsident Prof. Dr. W. - Vorsitzender -, Bundesrichter Dr. S. , Bundesrichter S. , Bundessozialrichter M. und Bundessozialrichter B. für Recht erkannt: Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 42 Dezember 1969 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen. - 2 - Gründe I Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der Angestelltenversicherung. Die Beklagte lehnte seine "form- losen Anträge" vom 15. November und 17. November 1965 durch Bescheid vom 18. April 4967 ab, weil der Kläger es trotz mehrfacher Aufforderung unterlassen habe, die für die Rentengewährung erforderlichen Antragsvordrucke auszu- füllen und einzureicheno Das Sozialgericht (SG) Braun- schweig hat durch Urteil vom 15. Januar 1968 die gegen den Bescheid gerichtete Klage abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger unter Ver- wendung eines Antragsvordrucks der Bundesversicherungsan- stalt für Angestellte (BfA) am 48. Oktober 1968 Rente be- antragte Die Beklagte hat auch diesen Antrag durch Bescheid vom 1. Oktober 1969 angelehnt, weil die für die Rentenge- währung erforderlichen Voraussetzungen nicht hätten geklärt werden können. Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat durch Ur- teil vom 12. Dezember 1969 die Berufung des Klägers zurück- gewiesen und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 1. Oktober 1969 abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Der Kläger hat gleichwohl dieses Rechtsmittel eingelegte Er rügt vor allem Verletzung des § 103 des Sozialgerichts- gesetzes (SGG) im Verfahren des LSG. Er beantragt, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Ver- säumung der Revisionsfrist und Revisionsbegründungsfrist zu gewähren, das angefochtene Urteil sowie das Urteil des SG Braunschweig vom 15. Januar 1968 und die Bescheide der - 3 - Beklagten vom 18. April 1967 und vom 10. Oktober 1969 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu zahlen, hilfsweise, das ange- fochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zu ver- werfen, hilfsweise, als unbegründet zurückzuweisen. II Die Revision des Klägers ist zulässig und insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen is. Dem Kläger ist auf seinen Antrag gemäß § 67 iVm §§ 165, 153 SGG gegen die Versäumung der Revisionseinlegungs- und Revisione- begründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu ge- währen, nachdem er innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Bewilligung des Armenrechts die Revision eingelegt und begründet hat. Obgleich das LSG die Revision nicht gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassen hat, ist Sie nach § 162 Abs. 4 Nr. 2 SGG statt- haft, weil die Revision ordnungsgemäß als wesentlichen Mangel im Verfahren des Berufungsgerichts Verletzung des § 103 SGG rügt, der auch vorliegt (BSG 1, 150). In den Gründen seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht ausgeführt, nach § 204 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) iVm § 1613 Abs. 5 Satz 1 der Reichsversicherungs- ordnung (RVO) habe die Beklagte den Sachverhalt aufzuklären. Das bedinge aber eine Mitwirkung des Antragstellers, wie sich aus § 1613 Abs. 1 Satz 2 RVO ergebe, Da der Kläger sich - 4 - beharrlich weigere, an dieser notwendigen Aufklärung des Sache verhalts mitzuwirken, indem er zunächst kein Antragsformular eingesandt und später eine Untersuchung verweigert habe, habe die Beklagte mit Recht den Rentenantrag abgelehnt, weil sie nicht in der Lage gewesen sei, den Sachverhalt aufzuklären. Zur Beurteilung der Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit des Klägers sei die Einholung eines ärztlichen Gutachtens über seinen Gesundheitszustand unerläßlich gewesene Die im Versorgungs- verfahren vorgenommenen Untersuchungen seien für die Frage der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit im Rentenverfahren nicht zugrunde zu legen, da hier andere Gesichtspunkte Geltung hätten. Alle von dem Kläger im Laufe des Verfahrens gemachten Ausführungen lägen neben der Sache und hätten mit der recht- lichen Beurteilung des hier zu entscheidenden Falles, nämlich ob die Beklagte mit Recht den Antrag auf Rente abgelehnt habe oder nicht, nichts zu tun. Das LSG hat damit seiner Pflicht nicht genügt, gemäß § 105 SGG den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Dem LSG lagen die Versicherunkarten des Klägers vor, Sie reichten - wie der Tatbestand des angefochtenen Urteils auch zeigt - aus, das Versicherungsleben des Klägers und die Tätig- keiten festzustellen und zu beurteilen, in denen er versiche- rungspflichtig beschäftigt gewesen ist, ln der Regel ist der Versicherte verpflichtet, bei der Beweis- erhebung über seine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit sich von dem ihm bezeichneten Arzt untersuchen zu lassen, soweit die vorgesehenen Untersuchungen zumutbar sind, Er braucht sich schon einer solchen Untersuchung nicht zu unterziehen, wenn er sich für seine Weigerung auf einen triftigen Grund berufen kann (vgl. hierzu BSG 20, 166, 168). Hierzu sind in dem an- gefochtenen Urteil keine Feststellungen getroffen. - 5 - Verweigert der Versicherte die ärztliche Untersuchung ohne be- rechtigten Grund, so darf ohne die für erforderlich gehaltene Untersuchung nach Lage der im übrigen ausreichend geklärten Akten nur entschieden werden, wenn er nachweislich die Auf- forderung zur Untersuchung erhalten hat und ihm die Folgen einer unbegründeten Weigerung angedroht sind. Es ist jedoch nicht zulässig, allein wegen der Weigerung des Versicherten, sich untersuchen zu lassen, in jedem Falle von vornherein auf jede Beweiserhebung zu verzichten und auch den Versuch zu unter- lassen, ein Gutachten nach Lage der bereits vorhandenen ärzt- lichen Untersuchungsbefunde und Gutachten zu erstellen, deren Beiziehung möglich gewesen wäre, oder ohne die behandelnden Ärzte des Versicherten bzw. die von ihm selbst angegebenen Ärzte anzuhören (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversiche- rung, Bde III so 672 sowie Bd; II so 244 k VII). Das Bundes- sozialgericht (BSG) hat bereits ausgesprochen, daß das Gericht seine Aufklärungspflicht (§ 103 SGG) verletzt, wenn es, ohne festzustellen, ob es für die Erstattung eines weiteren Gut- achtens einer erneuten Untersuchung des Beschädigten bedarf, allein wegen der Weigerung des Beschädigten, sich erneut unter- suchen zu lassen, von der Einholung eines Gutachtens über medi- zinische Fragen absieht (BSG in SozR Nr. 43 zu § 103 SGG).' In dem vorliegenden Fall hat der Kläger seinem Schreiben vom 29. Dezember 1966 an die BfA eine auszugsweise Abschrift des Bescheides des Versorgungsamts (VersorgA) Braunschweig vom 13. Dezember 1966 über die von diesem anerkannten Schädi- gungsfolgen beigefügte Das LSG hätte ohne Beiziehung der Akten des VersorgA die Sachaufklärung nicht als erschöpft an- sehen dürfen. Das LSG hätte prüfen müssen, ob sich die Er- werbsunfähigkeit des Klägers aus den ärztlichen Befunden und Beurteilungen ergeben konnte, die sich in den Strafakten und in den Akten des VersorgA befinden, worauf der Kläger sich berufen hat (Bl 2 und 8 LSG-Akten). - 6 - Schließlich hat sich der Kläger zum Beweis für seine Erwerbs- unfähigkeit — so müssen seine Ausführungen in seiner Klage- schrift (Bl 5 und 8 LSG-Akten) aufgefaßt werden — auf die Stellungsnahmen der Ärzte Dr. K und Dr. G II, beide in Goslar, bezogene Er hat sich bereit erklärt, Dr. G II von der ärztlichen Schweigepflicht zu ent- binden. Er hat des weiteren ärztliche Bescheinigungen des Dr. Guischard (Lungenfacharzt) vom 24. Januar 1967 und des Dr. K (praktischer Arzt) vom 21. Januar 1967 in Abschrift vorgelegt (Bl 22 LSG-Akten). In seinem Schriftsatz vom 4. Januar 1968 hat er nochmals erklärt, daß das LSG von Dr. G II ein Gutachten erhalten könne, wenn ein ent- sprechender Auftrag erteilt werde (Bl 54 LSG-Akten). Es ist nicht auszuschließen, daß anhand der in den Akten des VersorgA und in den Strafakten vorhandenen ärztlichen Befunde und Gutachten Rückschlüsse zur Feststellung der Erwerbsun- fähigkeit des Klägers gezogen werden können. Es ist des weiteren möglich, daß die vom Kläger angegebenen Ärzte für die Beurteilung seiner Erwerbsfähigkeit ausreichende Beweise hätten vorbringen können. Das LSG hätte im Rahmen seiner Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, diese möglichen Beweise erheben müssen. Der gerügte Mangel einer Verletzung des § 103 SGG liegt mithin im Verfahren des LSG vor. Da die Revision schon aus diesem Grunde gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft ist, bedarf es keiner weiteren Prüfung, ob auch die weiteren, von der Revision vorgebrachten Ver- fahrensrügen durchgreifen. Die hiernach zulässige Revision ist auch begründet, da nicht auszuschließen ist, daß das LSG zu einem anderen Ergebnis ge- langt wäre, wenn es gesetzmäßig verfahren wären Das ange- fochtene Urteil ist deshalb aufzuheben. Dem Berufungsgericht muß zunächst Gelegenheit gegeben werden, die erforderlichen Er- - 7 - mittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts durchzuführen. Hierfür muß die Sache gemäß § 170 Abs. 2 SGG an das LSG zu- rückverwiesen werden. Bei seiner das Verfahren abschließenden Entscheidung wird des LSG auch über die Erstattung von außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben. ... link (0 Kommentare) ... comment BVerfG, 1 BvR 535/07 vom 30.03.2007, Bundesverfassungsgericht
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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BVR 535/07 - In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn B... — Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Matthias Altfeld, Konstanzer Straße 62, 10707 Berlin — gegen a) den Beschluss des Landessozialgerichts Berlin—Brandenburg vom 22. Januar 2007 — L 18 B 1194/06 AS ER —, b) den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. Oktober 2006 — S 101 AS 8862/06 ER — hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungs- gerichts durch den Präsidenten P. und die Richter S.‚ G. gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl 1 S. 1473) am 30. März 2007 einstimmig beschlossen: Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. - 2 - Gründe Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung an- genommen, weil die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 des Bun- desverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Der Beschwerdeführer hat die Verfassungsbeschwerde nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG) begründet. Eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG ist nicht hinreichend dargetan. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass mit dem Abwarten der Hauptsacheent- ischeidung nicht mehr rückgängig zu machende Nachteile verbun- den sind. § 22 Abs. 5 Satz 1 und 2 und Abs. 6 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) enthält eine Regelung zur Sicherung der Unterkunft gerade im Fall einer Räumungsklage. Der vor- rangige Einsatz von geschütztem Vermögen oder nicht anrechen- barem Einkommen zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit kann nach einer zusprechenden Entscheidung im Hauptsacheverfahren ausgeglichen werden. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen. Diese Entscheidung ist unanfechtbar. P. S. G. ... link (0 Kommentare) ... comment BVerfG, 1 BVR 3250/13 und 1 BVR 3251/13 vom 05.12.2013, Bundesverfassungsgericht
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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
-1 BVR 3250/13 - -1 BVR 3251/13 - In den Verfahren über die Verfassungsbeschwerden des Herrn W..., 1. gegen a) den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 25. Oktober 2013 - S 19 AS 3294/13 RG —, b) den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 16. September 2013 - S 19 AS 2594/13 ER - u n d Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe u n d Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - 1 BVR 3250/13 -, 2. gegen a) den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 25. Oktober 2013 - S 19 AS 3265/13 RG -‚ b) den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 20. September 2013 - S 19 AS 2665/13 ER — u n d Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe u n d Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten K., den Richter M. und die Richterin Baer gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekannt- machung vom 11. August 1993 (BGBI I S. 1473) am 5. Dezember 2013 einstimmig beschlossen: Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wer- den abgelehnt, weil die Verfassungsbeschwerden keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten. Die rechtzeitig eingelegten Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie mangels hinreichender Begründung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG unzulässig sind; von einer weiteren Begründung wird insoweit nach § 93d Abs. 1. Satz 3 BVerfGG abgesehen. Die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind gegenstandslos. Diese Entscheidung ist unanfechtbar. K. M. B. ... link (0 Kommentare) ... comment BVerfG, 1 BvR 2471/12 vom 27.12.2012
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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
-1 BvR 2471/12 - In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der Frau H ..., gegen das Urteil des Bundessozialgerichts vom 12. Juli 2012 - B 14 AS 189/11 R - und Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten K., den Richter S. und die Richterin B. gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekannt- machung vom 11. August 1993 (BGB! I S. 1473) am 27. Dezember 2012 einstimmig beschlossen: Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung ohne Aussicht auf Erfolg ist. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da sie mangels Rechtswegerschöpfung (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) unzulässig ist. - 2- Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BverfGG abgesehen. Diese Entscheidung ist unanfechtbar. K. S. B. ... link (0 Kommentare) ... comment BVerfG, 1 BvR 2203/12, 1 BvR 2233/12 und 1 BvR 2234/12 vom 12.07.2012, Bundesverfassungsgericht
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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2203/12 - - 1 BvR 2233/12 - - 1 BvR 2234/12 - In den Verfahren über die Verfassungsbeschwerden der Frau H..., I. 1. unmittelbar gegen das Urteil des Bundessozialgerichts vom 12. Juli 2012 - B 14 AS 153/11 R -, 2. mittelbar gegen a) § 20 SGB II n. F., b) die neue Regelbedarfsverordnung und Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts - 1 BvR 2203/12 -, II. 1. unmittelbar gegen den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 13. September 2012 - B 14 AS 78/12 B -, 2. mittelbar gegen a) § 20 SGB II, b) die neue Regelbedarfsverordnung und Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts - 1 BvR 2233/12 -, - 2 - III. gegen den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 13. September 2012 - B 14 AS 79/12 B -, und Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts - 1 BvR 2234/12 – hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten K., den Richter S. und die Richterin B. gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekannt- machung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 20. November 2012 einstimmig beschlossen: Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts werden abgelehnt, da die beabsichtigten Rechtsverfolgungen ohne Aussicht auf Erfolg sind. Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entschei- dung angenommen. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen. Diese Entscheidung ist unanfechtbar. K. S. B. ... link (0 Kommentare) ... comment BVerfG, 1 BVR 1686/93 vom 20.10.1993, Bundesverfassungsgericht
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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
— 1 BVR 1686/93 — In dem Verfahren über den Antrag des Herrn - Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Ulrich Zimmer, Südwall 3, Celle - auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 1993 - III ZR 60/92 - hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungs— gerichts durch die Richter Henschel, Seidl‚ Grimm am 20. Oktober 1993 einstimmig beschlossen: Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe wird abgelehnt. G r ü n d e : Dem Antragsteller kann keine Prozeßkostenhilfe gewährt wer- den, weil die beabsichtigte Verfassungsbeschwerde keine hin- reichende Aussicht auf Erfolg bietet. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Monatsfrist gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG kommt nicht in Betracht. Im Falle der Mittellosigkeit kann Wiedereinsetzung nach Gewährung von Pro- zeßkostenhilfe nur dann gewährt werden, wenn die mittellose Partei alles Zumutbare getan hat, um das bestehende Hindernis alsbald zu beheben. Die Fristversäumung ist daher grundsätz- lich nur dann unverschuldet‚ wenn der Antragsteller innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG alle für die Ent- scheidung über das Prozeßkostenhilfegesuch wesentlichen Anga- ben und Unterlagen verlegt. Dazu gehört auch, daß er ent— sprechend § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO wenigstens im Kern deutlich macht‚ welche verfassungsrechtliche Beanstandung er gegen das angegriffene Urteil erheben will. Dieser Darlegungspflicht ist der Antragsteller nicht in zumutbarer Weise nachgekommen. Er hat sich vielmehr auf die formelhafte Angabe beschränkt, daß die Verletzung von Grundrechten und sonstigen verfassungs- rechtlichen Rechten gerügt werden solle‚ und ausdrücklich erklärt, daß eine weitergehende Begründung des Prozeßkosten- hilfeantrags nicht beabsichtigt sei. Diese Entscheidung ist unanfechtbar. Henschel Seidl Grimm ... link (0 Kommentare) ... comment BVerfG, 1 BvR 1601/08 vom 04.02.2009, Bundesverfassungsgericht
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Instanz 1: S 14 KR 69/08 ER Instanz 2: L 5 B 314/08 KR ER Bundesverfassungsgericht1 BvR 1601/08 In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des gegen den Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 3. Juni 2008 – L 5 B 314/08 KR ER - hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin H.-D. und die Richter G. K. gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.August 1993 (BGBl I S. 1473) am 4. Februar 2009 einstimmig beschlossen: Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. - 2 - Gründe: Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahme- gründe im Sinne von § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbe- schwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, denn sie ist unzulässig. Die Verfasssungsbeschwerde genügt den Begründungsanforderungen des § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG nicht. Der Beschwerdeführer rügt, ihm würden durch die Entscheidung des Landesso- zialgerichts lebensnotwendige Leistungen vorenthalten bzw. die Nichterstattung von Fahrkosten führe zu einem Unterschreiten des Existenzminimums. Seinen Ausfüh- rungen ist jedoch schon nicht zu entnehmen, wie oft er neben der Dialyse-Behandlung zusätzliche ambulante Behandlungen benötigt, wo diese im Einzelnen stattfinden und welche Kosten hierdurch entstehen. Ebenso wenig legt der Beschwerdeführer dar, dass die Nichterstattung dieser Kosten dazu führt, dass das Existenzminimum nicht mehr gewährleistet ist. Angaben zu seiner konkreten Einkommens- und Vermögens- situation als auch zu den persönlichen Lebensumständen fehlen ebenso wie Darle- gungen zu den tatsächlichen finanziellen Belastungen, die durch Fahrten zu am- bulanten ärztlichen Behandlungen entstehen. Der Beschwerdeführer legt auch nicht dar, dass er sich wegen der Übernahme von Fahrtkosten an das Sozialamt gewandt hätte. Zwar wird nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII der Bedarf des notwendigen Le- bensunterhalts mit Ausnahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung und der Sonderbedarfe nach Regelsätzen erbracht, jedoch werden die Bedarfe abweichend festgelegt, wenn im Einzelfall ein Bedarf unabweisbar seiner Höhe nach erheblich vom einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (§ 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII), diese Öffnungsklausel erlaubt auch die Übernahme erhöhter Fahrkosten, die über das hin- ausgehen, was an Fahrtkosten durch die Regelsätze abgegolten sind (vgl. Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 28 Rn. 13) Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BverfGG abgesehen. Diese Entscheidung ist unanfechtbar. später Instanz 2: L 5 B 748/08 KR ER C ... link (0 Kommentare) ... comment BVerfg, 1 BvR 1411/91 vom 09.08.1991, Bundesverfassungsgericht
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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1411/91 - In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn - Bevollmächtigter Rechtsanwalt M., gegen den Beschluß des Bundessozialgerichts vom 9 August 1991 - 2 BU 15/9 - und Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungs- gerichts durch den Präsidenten H. und die Richter G., S. am 18 Dezember 1991 einstimmig beschlossen: Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozeß- kostenhilfe wird abgelehnt. - 2 - Gründe: Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe wendet und soweit er hinsichtlich der Ver- werfung der Nichtzulassungsbeschwerde die Verletzung des Art. 11 GG rügt. Im übrigen bietet die Verfassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 93b Abs. 1 Satz 1 r. 2 BVerfGG ). 1. Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde verlangt nach § 92 BVerfGG, daß der Beschwerdeführer innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG die Möglichkeit einer Grund- rechtsverletzung hinreichend deutlich darlegt (vgl. BVerfGE 81, 347 [355]). Dies ist hier hinsichtlich der Ablehnung der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nicht der Fall. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Gewährung von Prozeßkostenhilfe davon abhängig gemacht wird, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint (vgl. BVerfGE 81, 347 [357]). Es ist aufgrund des Vorbringens des Beschwerde- führers nicht erkennbar, daß das Bundessozialgericht bei der ihm obliegenden Auslegung und Anwendung des § 114 Satz 1 ZPO die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung und damit den Zweck der Prozeßkostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlt haben könnte (vgl. BVerfGE 81, 347 [359]). Es ist dem Beschwerdeführer durch die Ableh- nung der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe auch nicht der Zugang zu den Gerichten verwehrt worden, denn er hatte mit dem Prozeßkostenhilfeantrag seine Nichtzulassungsbeschwerde bereits eingelegt und begründet. Auch soweit der Beschwerde- führer einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG hinsichtlich der Ablehnung der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe rügt, fehlt es an einer ausreichenden Begründung der Verfassungsbe- schwerde. - 3 - 2. a) Soweit der Beschwerdeführer hinsichtlich der Verwer- fung der Nichtzulassungsbeschwerde wegen der Nichtgewährung der nach seiner Ansicht vorrangigen Sozialversicherungslei- stungen vor den nur subsidiären Sozialhilfeleistungen eine Verletzung des Art. 11 GG rügt, fehlt es ebenfalls an einer hinreichenden Darlegung der Möglichkeit einer solchen Grund- rechtsverletzung. Das Bundessozialgericht hat über den An- spruch auf Pflegegeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung in der Sache nicht entschieden. Es hat vielmehr festgestellt, daß der Beschwerdeführer die formalen Voraussetzungen der §§ 160, 160 a SGG für eine zulässige Nichtzulassungsbeschwer- de nicht erfüllt hat. b) Soweit der Beschwerdeführer in der Verwerfung seiner Nichtzulassungsbeschwerde eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG sowie des "Grundsatzes des sozialen Rechtsstaates (Art. 20 GG )" erblickt, bietet die Verfassungsbeschwerde keine hinrei- chende Aussicht auf Erfolg. aa) Gegen den Vertretungszwang nach § 166 SGG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Bundesverfassungs- gericht hat wiederholt ausgesprochen, daß die Anrufung der Gerichte von der Erfüllung bestimmter formaler Voraussetzun- gen abhängig gemacht werden darf, zu denen auch die ordnungs- gemäße Vertretung durch einen zugelassenen Prozeßbevollmäch- tigten gehören kann (vgl. BVerfGE 9, 194 [199 f.]; 10, 264 [267 f.]). Auch folgt aus dem Sozialstaatsprinzip bei dem durch einen Rechtsanwalt vertretenen Beschwerdeführer hin- sichtlich der Anwendung des § 166 SGG keine gesteigerte Für- sorgepflicht. Es war von Verfassungs wegen nicht geboten, den Beschwerdeführer auf die fehlende Erfüllung der formalen Voraussetzungen für eine zulässige Nichtzulassungsbeschwerde hinzuweisen, zumal aus Art. 103 Abs. 1 GG keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht in bezug auf die Rechtsansicht des Gerichts folgt (vgl. BVerfGE 74, 1 [5]). - 4 - bb) Im übrigen kann das Bundesverfassungsgericht, da das Bundessozialgericht lediglich anhand der §§ 160, 160 a SGG über die Nichtzulassung der Revision wegen formaler Begrün- dungsmängel entschieden hat, den Beschluß des Bundessozialge- richts nur daraufhin überprüfen, ob das Revisionsgericht bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Zulas- sung der Revision, die den Fachgerichten obliegt, Verfas- sungsrecht verletzt hat. Verfassungsrecht ist aber nicht schon dann verletzt, wenn eine Entscheidung, am einfachen Recht gemessen, objektiv fehlerhaft ist; der Fehler muß gera- de in der Nichtbeachtung von Grundrechten liegen. Verfas- sungsrecht ist nur dann verletzt, wenn Auslegungsfehler sichtbar werden, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von eini- gem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 18, 85 [92 f.]). Derartige Fehler im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer als verletzt gerügten Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte enthält der angegriffene Beschluß nicht. Mit Art. 19 Abs. 4 GG ist es vereinbar, wenn das Bundesso- zialgericht seine wesentliche Aufgabe in der Wahrung und Fortentwicklung des Rechts sieht und daher die Zulassung der Revision aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde von be- stimmten formalen Voraussetzungen abhängig macht, wie von Begründungs-, Darlegungs- und Bezeichnungserfordernissen innerhalb der Begründungsfrist von zwei Monaten nach Zustel- lung des Urteils gemäß § 160 a Abs 2 Satz 1 und 3 SGG . Da- nach ist es nicht zu beanstanden, wenn das Bundessozialge- richt feststellt, eine Abweichung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG habe der Beschwerdeführer nicht schlüssig bezeich- net, weil er die Entscheidung des Bundessozialgerichts, von der das Urteil des Berufungsgerichts abgewichen sein solle, nicht mit Datum und Aktenzeichen genau bezeichnet habe und auch die Angabe fehle, mit welchem tragenden Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung das Landessozialgericht von wel- - 5 - cher genau bezeichneten tragenden rechtlichen Aussage einer Entscheidung des Bundessozialgerichts abgewichen sein solle. Es ist nachvollziehbar, daß es das Bundessozialgericht nicht genügen läßt, wenn der Gegner des Beschwerdeführers im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren oder der Beschwerdeführer selbst erst nach Ablauf der Begründungsfrist dasjenige Ur- teil, von dem das Berufungsgericht abgewichen sein soll, mit Datum und Aktenzeichen bezeichnet hat. Weiter ist es nach- vollziehbar, wenn das Bundessozialgericht den Darlegungen des Beschwerdeführers in seiner Nichtzulassungsbeschwerdeschrift nicht die Angabe zu entnehmen vermochte, mit welchem tragen- den Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung des Berufungs- gerichts von welcher genau bezeichneten tragenden rechtlichen Aussage einer Entscheidung des Bundessozialgerichts abgewi- chen sein soll. Von Verfassungs wegen ist es ferner nicht zu beanstanden, wenn das Bundessozialgericht im Hinblick auf die Begründung der Grundsätzlichkeit der Rechtssache im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Erläuterung verlangt, daß und warum in dem angestrebten Revisionsverfahren eine Rechtssache erheb- lich sein würde, die über den Einzelfall hinaus allgemein Bedeutung habe, und wenn es vorliegend in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde sowohl die konkrete Formulierung einer Rechtsfrage als auch die schlüssige Darlegung, warum das angedeutete Rechtsproblem klärungsbedürftig sei, vermißt. Schließlich ist es nachvollziehbar, daß das Bundessozialge- richt davon ausgeht, der Beschwerdeführer habe in seiner Be- gründung keinen Verfahrensmangel geltend gemacht, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne. Wenn das Bundessozi- algericht den "Grundsatz der Subsidiarität sozialhilferecht- licher Leistungen" in durchaus naheliegender Weise als ein materiell-rechtliches, nicht aber als ein verfahrensrechtli- ches Problem wertet, so liegt darin auch keine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG , denn diese Norm verpflichtet das Gericht nicht, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen (vgl. BVerfGE 64, 1 [12]). - 6 - Da das Bundessozialgericht danach in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zur Annahme der Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gelangt ist, hat es auch nicht dadurch gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen, daß es aus Grün- den des formellen Rechts auf weiteres Vorbringen des Be- schwerdeführers, insbesondere dazu, daß das Berufungsgericht grundlegend fehlerhaft entschieden habe, nicht eingegangen ist. 3. Da die Verfassungsbeschwerde teilweise unzulässig ist und im übrigen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, ist der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe abzuleh- nen. Diese Entscheidung ist unanfechtbar. ... link (0 Kommentare) ... comment BVerfG, 1 BvR 1301/86 vom 15.06.1988, Bundesverfassungsgericht
anselmf
- 1 BvR 1301/86 -
Beschluß des Ersten Senats vom 15. Juni 1988 in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der Frau Z. - Bevoll- mächtigter: Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Philipp, Viktoriastraße 12, Mann- heim - gegen das Urteil des Bundessozialgerichts vorn 24. September 1986 - 8 RK 8/85 - Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen. GRÜNDE: A. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Entscheidung des Bundessozialgerichts, mit der die Revision der Beschwerdefüh- rerin gegen das Urteil eines Sozialgerichts zurückgewiesen wurde. Dieses hat die Klage der Beschwerdeführerin gegen ihre gesetzliche Krankenversicherung auf Unterlassung der Finanzierung von „rechtswidrigen“ Abtreibungen als unzulässige Popularklage abge- wiesen. I. Das nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Fe- bruar 1975 (BVerfGE 39, 1 - Fristenregelung) verkündete Fünf- zehnte Strafrechtsänderungsgesetz vom 18. Mai 1976 (BGBl. I S. 1213) hat §218a StGB neu gefaßt. Danach ist ein mit Einwilli- gung der Schwangeren durch einen Arzt vorgenornmener Abbruch der Schwangerschaft nicht nach §218 StGB strafbar, wenn nach ärztlichen Erkenntnissen eine medizinische, eine eugenische, eine ethische oder eine soziale Indikation vorliegt. Durch § 1 Nr. 2 des Gesetzes über ergänzende Maßnahmen zum fünften Strafrechtsrefonngesetz (Strafrechtsreform-Ergänzungsge- setz - StREG) vom 28. August 1975 (BGB1. I S. 2289) wurde in den zweiten Abschnitt des Zweiten Buches der Reichsversicherungs- ordnung ein neuer Unterabschnitt ,,IIIa. Sonstige Hilfen" einge- fügt. Danach haben Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse oder einer ihnen nach § 507 Abs. 4 RVO gleichgestellten Ersatzkas- se bei einem nicht rechtswidrigen Abbruch der Schwangerschaft Anspruch auf Krankenkassenleistungen. Für die Leistungsgewäh- rung gelten grundsätzlich die für die Krankenhilfe maßgeblichen Vorschriften. Im einzelnen lauten die Bestimmungen: § 200f RVO Versicherte haben Anspruch auf Leistungen bei einer nicht rechtswid- rigen Sterilisation und bei einem nicht rechtswidrigen Abbruch der Schwangerschaft durch einen Arzt. Es werden ärztliche Beratung über die Erhaltung und den Abbruch der Schwangerschaft, ärztliche Untersu- chung und Begutachtung zur Feststellung der Voraussetzungen für eine nicht rechtswidrige Sterilisation oder für einen nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch, ärztliche Behandlung, Versorgung mit Arz- nei-, Verband- und Heilmitteln sowie Krankenhauspflege gewährt. An- spruch auf Krankengeld besteht, wenn Versicherte wegen einer nicht rechtswidrigen Sterilisation oder wegen eines nicht rechtswidrigen Ab- bruchs der Schwangerschaft durch einen Arzt arbeitsunfähig werden, es sei denn, es besteht Anspruch nach § 182 Abs. 1 Nr. 2. § 200 g RVO Die für die Krankenhilfe geltenden Vorschriften gelten für die Lei- stungsgewährung nach den §§200e und 200f entsprechend, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. … Der in §200f Satz 1 RVO verwendete Begriff des „nicht rechts- widrigen“ Abbruchs der Schwangerschaft wird von der im sozial- rechtlichen Schrifttum herrschenden Auffassung mit der in §218a Abs. 1 Satz 1 StGB gebrauchten Formulierung „nicht strafbar“ gleichgesetzt (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. I/2, S. 284 k, 285, 286; Peters, Handbuch der Krankenversiche- rung, Teil II, Band 2, Anm. 4 zu §200f RVO; Schroeder-Printzen in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Kommentar, 2. Aufl., Anm. 3 zu §200f RVO; Aye/Göbelsmann/Müller/Schieckel/ Schroeter, RVO-Gesamtkommentar, Anm. 5 zu §200 f, S. 248). Dem folgend gewähren die gesetzlichen Krankenkassen ihren Mit- gliedern bei nach § 218 a StGB nicht strafbaren Schwangerschafts- abbrüchen die nach den Vorschriften über die Krankenhilfe vorge- sehenen Leistungen. II. 1. Nach §54 Abs. 5 SGG kann mit der Klage vor den Sozialge- richten die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsan- spruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungs- akt nicht zu ergehen hatte. Die Beschwerdeführerin erhob unter Berufung auf diese Vor- chrift Klage beim Sozialgericht und beantragte: 1. die Beklagte zu verurteilen, solange sie Mitglied der Beklag- ten ist, Leistungen nach §§ 200 f und 200 g RVO, § 17a Abs. 2 bis 4 der Versicherungsbedingungen der Beklagten an Versi- cherte oder mitgeschützte Personen ausschließlich für solche Schwangerschaftsabbrüche zu erbringen, die wegen nach- weislichen Vorliegens der Indikation nach § 218 a Abs. 1 StGB nicht rechtswidrig sind, und für jeden Fall der Zuwiderhand- lung ein Ordnungsgeld anzudrohen, dessen Höhe in das Er- messen des Gerichts gestellt wird, 2. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, solange die Klägerin Mitglied der Beklagten ist, für Schwan- gerschaftsabbrüche Leistungen nach §§ 200f und 200g RVO, 4 § 17 a Abs. 2 bis 4 der Versicherungsbedingungen der Beklag- ten an Versicherte oder mitgeschützte Personen zu erbringen, ohne daß sie a) die Nichtrechtswidrigkeit, b) hilfsweise die Nichtstrafbarkeit des Schwangerschaftsab- bruches in angemessener Weise selbst überprüft hat, sowie für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld anzudro- hen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird. Das Sozialgericht war anfänglich der Auffassung, die Klage sei nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Das Begehren der Beschwerdefüh- rerin sei nicht auf die abstrakte Feststellung der Ungültigkeit einer Norm, sondern darauf gerichtet, die beklagte Krankenkasse zu verpflichten, konkretes Verwaltungshandeln einzustellen. Das Gericht setzte das Verfahren aus und legte dem Bundesver- fassungsgericht die Frage vor, ob die §§ 200 f, 200g RVO insoweit mit Art. 2 Abs. 1, ferner mit Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 sowie mit Art.4 Abs. 1 GG vereinbar seien, als in diesen Vorschriften Kassenleistungen für solche Schwangerschaftsabbrü- che vorgeschrieben seien, die aus anderen Gründen als dem Vorlie- gen einer lndikation nach § 218 a Abs. 1 StGB rechtmäßig seien. Das Bundesverfassungsgericht sah die Vorlage als unzulässig an. Grundsätzlich sei eine auf § 54 Abs. 5 SGG gestützte vorbeugende Unterlassungsklage eines Mitglieds gegen seine gesetzliche Kran- kenkasse statthaft. Die von der Beschwerdeführerin erhobene Kla- ge sei jedoch als Popularklage unzulässig. §54 Abs. 5 SGG eröffne nicht die Möglichkeit einer abstrakten Normenkontrolle. Hinsicht- lich der Begründung der Entscheidung im einzelnen wird auf den Beschluß des Ersten Senats vom 18.April 1984 - 1BvL 43/81 - (BVerfGE 67, 26) verwiesen. 2. Auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verfolgte die Beschwerdeführerin ihr Klagebegehren weiter. Das Sozialgericht wies die Klage ab. Sie sei unzulässig, weil es der Beschwerdeführerin an der erforderlichen Klagebefugnis fehle. Diese könne nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungs- gerichts zur Klagebefugnis von Zwangsmitgliedern öffentlich- rechtlicher Verbände begründet werden; denn diese Rechtspre- chung lasse sich nicht auf Zwangsmitgliedschaften im Bereich des Sozialversicherungsrechts übertragen. Bei der Erfüllung staatlicher Aufgaben durch die Träger der Sozialversicherung gehe es nicht um die Interessenvertretung bestimmter Bevölkerungsgruppen, son- dern um die Wahrnehmung von Gemeinwohlinteressen. Mitglieder des Zwangsverbandes hätten keinen Anspruch auf Leistungen an einen Dritten. Entsprechend gebe es keinen Rechtsanspruch eines Mitglieds darauf, daß die Leistung gegenüber einem Dritten einge- stellt werde. Die Kontrolle über die Mittelverwendung obliege den Selbstverwaltungsorganen und den Aufsichtsbehörden. Das Bundessozialgericht hat die Sprungrevision der Beschwerde- führerin zurückgewiesen. Auch für die reine Leistungsklage nach §54 Abs.5 SGG sei ein Rechtsschutzbedürfnis erforderlich. Die Beschwerdeführerin sei durch die beanstandeten Leistungen der Beklagten nicht in ihren eigenen Rechten verletzt, weil diese sich nicht unmittelbar gegen ihren Rechtskreis richteten. Auf Art. 2 Abs. 1 GG könne die Beschwerdeführerin ihr Verlan- gen auf Einstellung der nach ihrer Ansicht rechtswidrigen Verwal- tungspraxis der Beklagten nicht stützen. Wollte man jedem Mit- glied wegen seiner versicherungsrechtlichen Zwangsmitgliedschaft das Recht zugestehen, von ihm mißbilligte Leistungen an andere Mitglieder gerichtlich überprüfen zu lassen, so würde dies zu einer gesetzlich nicht vorgesehenen abstrakten Rechtskontrolle führen. III. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das Urteil des Bundessozialgerichts. Die Beschwerdeführerin rügt Verletzung von Art. 2 Abs. 1, von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1, von Art.4 Abs. 1 und Art. 19 Abs.4 GG durch die angegriffene Entscheidung, wobei sie nur Ausführungen zu Art. 2 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG macht und im übrigen auf den gesamten bisheri- gen Vortrag, insbesondere auf die Revisionsbegründung nebst nachfolgenden Schriftsätzen an das Bundessozialgericht verweist. Sie trägt vor: Während des ganzen Verfahrens habe sie die Auffassung vertre- ten, daß §§ 200 f, 200 g RVO mit der Verfassung vereinbar seien, die Beklagte diese Bestimmungen jedoch durch gesetzesüberschreiten- des und rechtswidriges Verwaltungshandeln mißachte und sie da- durch in ihren Rechten als Zwangsmitglied verletze. Nur hilfsweise habe sie sich auf die Verfassungswidrigkeit der §§ 200 f, 200 g RVO berufen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. April 1984 (BVerfGE 67, 27) beziehe sich daher nicht auf ihren Antrag, die Beklagte des Ausgangsverfahrens möge sich auf die Wahrnehmung der ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben be- schränken. Sie habe ausschließlich vorgetragen und nachgewiesen, daß die Beklagte das Tatbestandsmerkmal „nicht rechtswidrig“ in zehntau- senden von Fällen vernachlässigt und auch mit ihren Beiträgen rechtswidrige Schwangerschaftsabbrüche finanziert habe. Das Bundessozialgericht habe ihren Anspruch nicht berücksichtigt, daß die Beklagte nur die ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben erfüllen dürfe. Dies habe das Bundesverfassungsgericht in seiner Entschei- dung als selbstverständlich vorausgesetzt. Gegenstand der Verfas- sungsbeschwerde sei mithin keine Normenkontrolle, sondern die Frage, ob ihr als Mitglied einer Zwangskörperschaft gegen allgemei- nes gesetzwidriges Verwaltungshandeln des Vorstands der Rechts- weg offenstehe, weil sie behaupte, in ihren eigenen Rechten ver- letzt zu sein. Diese Rechtsfrage sei im übrigen weit über den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung hinaus von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung. Die Krankenkassen seien unter Erweiterung ihres Arbeitsgebiets zu „Abtreibungskassen“ geworden. Diese Ausdehnung des Aufga- benbereichs einer Zwangskörperschaft stehe im Verhältnis zu den Pflichtrnitgliedern einer Neugründung gleich. Für das Bundesver- fassungsgericht sei nie zweifelhaft gewesen, daß der Bürger unter Berufung auf Art.2 Abs. 1 GG seine Inpflichtnahrne durch eine neue oder erweiterte Zwangskörperschaft mit Beitragsverpflich- tung nachprüfen lassen könne. Aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei nicht zu schließen, daß der Bürger sich selbst dann nicht auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen könne, wenn die Ausweitung der Tätigkeit des Zwangsverbandes nicht vom Gesetzgeber angeordnet worden sei. Sie habe daher nach Art. 2 Abs. 1 GG das Recht, eine Nachprüfung des Verwaltungs- handelns der Beklagten zu verlangen, sonst müßten sich die Mit- glieder einer Zwangskörperschaft über ihre Beitragsleistungen an rechtswidrigen oder sogar kriminellen Handlungen beteiligen, oh- ne daß ihnen ein gerichtliches Verfahren zur Nachprüfung solcher Übergriffe eröffnet sei. Das beitragszahlende Mitglied einer Zwangskörperschaft stehe zu dieser in einem wesentlich engeren Verhältnis als der Steuerzahler zum Staat, da die Zusammenfas- sung von Bürgern zu einer Zwangskörperschaft nach ständiger Rechtsprechung jeweils gesonderter und nachprüfbarer Legitima- tion bedürfe. Danach sei die Frage, ob sie durch die beanstandeten Leistun- gen der Beklagten „in ihren eigenen Rechten“ verletzt sei, bei der Begründetheit der Klage zu überprüfen. Das Bundessozialge- richt verkenne, wie tief die Beschwerdeführerin sich durch die Inanspruchnahme ihrer Person für Tötungshandlungen in ihren Rechten betroffen fühle. Wenn es aus dem Hinweis des Bundes- verfassungsgerichts, § 54 Abs. 5 SGG eröffne nicht die Möglich- keit einer abstrakten Normenkontrolle, folgere, das einzelne Mit- glied habe keine Möglichkeit, die rechtswidrige Ausgabenver- wendung im Klagewege zu verhindern, stelle es die Fälle einer zwar gesetzmäßigen, aber verfassungswidrigen Mittelverwen- dung einerseits und einer schlechthin gesetzwidrigen Mittelver- wendung durch den eigenmächtig handelnden Vorstand anderer- seits gleich. Es sei unverständlich, wenn das Bundessozialgericht feststelle, die Beschwerdeführerin habe nicht berücksichtigt, daß das Bundesverwaltungsgericht Mitgliedern öffentlich-rechtlicher Zwangsverbände ein Abwehrrecht nur gegen die Wahrnehmung ,,nicht legitimer Aufgaben" eingeräumt habe; gerade dies habe sie vorgetragen. Offenbar sei das Bundessozialgericht der Auffas- sung, die allgemein für Zwangskörperschaften bestehenden Grundsätze sollten für Krankenkassen nicht gelten; eine solche Differenzierung zwischen verschiedenen Zwangskörperschaften sei jedoch sachlich nicht vertretbar. Es gehe ihr nicht um einzelne Fehlentscheidungen, sondern um die prinzipielle, eigenmächtige Erweiterung des Tätigkeitsbereichs der Zwangskörperschaft durch Nichtbeachtung oder Falschausle- gung von Rechtsvorschriften, welche in die Rechtssphäre der Mit- glieder eingreife. Die erforderliche Abgrenzung dieser Fallgestal- tungen habe das Bundessozialgericht nicht vorgenommen und den klaren Vortrag der Beschwerdeführerin überhaupt nicht gewürdigt. Der Hinweis des Gerichts, daß die Rechtskontrolle über eine rechts- widrige Ausgabenverwendung allein den Selbstverwaltungsorga- nen und Aufsichtsbehörden der Versicherungsträger obliege, sei eine bloße Leerformel. In Wirklichkeit finde im Bereich des Lebens- schutzes überhaupt keine Überwachung der Krankenkassen mehr statt. Dies ergebe sich aus einem Schreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, wonach dieser keine Befugnis habe, Krankenkassen in dem von der Beschwerdeführerin gewünschten Sinne anzuweisen. Im übrigen lehne die Bundesregierung generell jede Überprüfung der gegenwärtigen Rechtspraxis der Kran- kenkassen ab, wie sich aus der Beantwortung einer entsprechenden parlamentarischen Anfrage ergebe. Durch die Revisionsentscheidung des Bundessozialgerichts wer- de ihr schließlich der Rechtsweg in verfassungswidriger Weise ab- geschnitten (Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG). B. Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit unzulässig, als die Ver- letzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 und von Art. 4 Abs. 1 GG gerügt wird. Nimmt die Verfassungsbeschwerde- schrift auf Ausführungen in der Revisionsbegründung und anderen Schriftsätzen Bezug, ist den Formerfordernissen des § 92 BverfGG nur genügt, wenn die Schriftsätze der Verfassungsbeschwerde als Anlagen beigefügt werden (vgl. BVerfGE 47, 182 [187]). Das ist hier nicht geschehen. Im übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig. I. 1. Den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts kommt wie denen anderer Gerichte Rechtskraftwirkung zu. Dabei bezieht sich die materielle Rechtskraft allein auf die Entscheidungsformel, nicht aber auf die in den Entscheidungsgründen enthaltenen Urteils- elemente, wenngleich die Entscheidungsgründe zur Ermittlung des Sinnes der Entscheidungsformel herangezogen werden können. Sie bindet in einem späteren Verfahren das Gericht nur dann, wenn es sich um denselben Streitgegenstand zwischen denselben Parteien handelt (vgl. BVerfGE 4, 31 [38f.]). Danach entfaltet der Beschluß vom 18. April 1984 (BVerfGE 67, 26) keine Rechtskraftwirkung im Hinblick auf die vorliegende Ver- fassungsbeschwerde; denn der Streitgegenstand des Vorlageverfah- rens ist nicht identisch mit dem Streitgegenstand der vorliegenden Verfassungsbeschwerde. Das Vorlageverfahren betraf die Verfas- sungsmäßigkeit der §§ 200 f, 200 g RVO; Streitgegenstand des Ver- fassungsbeschwerdeverfahrens ist hingegen die behauptete Grund- rechtsverletzung der Beschwerdeführerin durch das angegriffene Urteil des Bundessozialgerichts. Die Beschwerdeführerin war auch nicht „Beteiligte“ des Vorlageverfahrens. Im Verfahren der konkre- ten Normenkontrolle haben die Beteiligten des Ausgangsverfahrens zwar das Recht, sich zu äußern (§ 82 Abs. 3 BVerfGG); sie werden dadurch aber nicht im engeren Sinne Beteiligte dieses Verfahrens (vgl. BVerfGE. 42, 90 [91]; Ulsamer in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/ Klein/Ulsamer, BVerfGG, § 82 Rdnr. 17 m. w. N.), 2. Eine Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG kommt- abgesehen davon, daß diese nicht für das Bundesverfassungsgericht selbst besteht (vgl. BVerfGE 4, 31 [38 f.]; 20, 56 [87]) - schon deshalb nicht in Betracht, weil der die Vorlage verwerfende Beschluß keine Sach-, sondern lediglich eine Prozeßentscheidung darstellt (vgl. Maunz in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Ulsamer, a.a.O., §31, Rdnr. 18). Die Bindungswirkung erstreckt sich nicht auf die zu lnzidentfragen entwickelten Rechtsansichten, die das Bundesverfas- sungsgericht zur Abweisung eines Antrages aus prozessualen Grün- den bestimmt haben. II. § 92 BVerfGG verlangt, daß in der Begründung der Beschwerde das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlas- sung des Organs oder der Behörde, durch die die Beschwerdeführe- rin sich verletzt fühlt, bezeichnet werden. Zur Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde ist es danach erforderlich, daß sich aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin mit hinreichender Deutlichkeit die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung ergibt (Vgl. BverfGE 65, 227 [232 f.]). Die Beschwerdeführerin hat ausgeführt, das Urteil des Bundesso- zialgerichts, mit dem die Entscheidung des Sozialgerichts über die Unzulässigkeit ihrer Klage bestätigt wurde, verletze sie in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG, weil sie als Zwangsmitglied der Beklagten einen Anspruch auf gesetzmäßige Verwendung ihrer Beiträge habe, für den ihr der Klageweg eröffnet werden müsse. Damit ist den Anforderungen des §92 BverfGG genügt. C. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Die Beschwerde- führerin hat keinen Anspruch aus Art. 2 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 4 GG, daß ihr Klagebegehren durch die Gerichte der Sozialgerichts- barkeit materiell beschieden wird. I. Die Frage der verfassungsrechtlichen Schranken einer Zwangs- rnitgliedschaft in einem öffentlich-rechtlichen Verband hat das Bun- desverfassungsgericht am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 GG geprüft und entschieden, daß eine solche Zwangsmitgliedschaft nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Crdnung möglich ist. Danach darf der Staat öffentlich-rechtliche Verbände nur schaffen, um legitime öffentliche Aufgaben wahrnehmen zu lassen (vgl. BVerfGE 10, 89 [102]; 10, 354 [363]; 38, 281 [299]). Diese Rechtsprechung bezieht sich ausschließlich auf die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Errichtung von öffentlichen Verbänden mit Zwangsmitglied- schaft und betrifft nicht die Einwirkungsmöglichkeit des Mitglieds eines verfassungsmäßig errichteten Zwangsverbandes auf die Si- cherung der legitimen Aufgabenerfüllung. Die Beschwerdeführerin macht in diesem Zusammenhang gel- tend, daß die Krankenkassen nach Einführung der §§200f, 200g RVO ihr Arbeitsgebiet in einer Weise erweitert hätten, die einer Neugründung gleichkomme. Mit dieser Argumentation will sie aus der oben angegebenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsge- richts ableiten, daß das Sozialgericht über den gesetzlichen Umfang der sozialversicherungsrechtlichen Leistungen bei Schwanger- schaftsabbrüchen zu entscheiden hat. Dem kann nicht gefolgt wer- den. Durch die Übertragung zusätzlicher Aufgabenbereiche auf einen Zwangsverband wird die Verfassungsmäßigkeit seiner Er- richtung und seines Bestandes nicht berührt, wenn es - wie hier - bei der Erfüllung der ursprünglichen, verfassungsrechtlich unbe- denklichen Aufgaben verbleibt und die neuen Aufgaben den Cha- rakter des Zwangsverbands nicht wesentlich verändern. II. Allerdings können die Mitglieder öffentlich-rechtlicher Zwangs- Verbände nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von dem Verband die Einhaltung derjenigen Grenzen verlangen, die seiner Tätigkeit durch die gesetzlich festgelegte Aufgabenstel- lung gezogen sind. Das ergebe sich insbesondere aus Art. 2 Abs. 1 GG, der dem einzelnen Mitglied ein Abwehrrecht gegen solche Eingriffe des Verbandes einräume, die sich nicht im Wirkungskreis legitimer öffentlicher Aufgaben hielten oder bei deren Wahrneh- mung nicht dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprochen werde (vgl. BVerwGE 59, 231). Diese unter anderem für die Tätigkeit der verfaßten Studenten- schaft entwickelte Rechtsprechung kann aber nicht ohne weiteres auf alle anderen öffentlich-rechtlichen Zwangsverbände übertra- gen werden. Die Frage nach der verfassungsrechtlichen Verbürgung einer solchen Klagemöglichkeit des Mitglieds gegen den Zwangs verband läßt sich nicht einheitlich beantworten. Wenn die Tätigkeit des Verbandes über die Beitragspflicht hinaus in eigene Grundrech- te des Mitglieds eingreift, liegt es nahe, eine solche Klagemöglich- keit von Verfassungs wegen anzunehmen (vgl. BVerwG, a.a.O.). Im vorliegenden Falle wird die Beschwerdeführerin dagegen ver- fassungsrechtlich nur in ihrem Vermögen als Beitragspflichtige be- troffen. Aus den Grundrechten folgt kein Anspruch auf generelle Unterlassung einer bestimmten Verwendung öffentlicher Mittel (vgl. BVerfGE 67, 26 [37]). III. Da sich eine Klagebefugnis der Beschwerdeführerin nicht aus der Verfassung ergibt, ist hier die Auslegung und Anwendung des § 54 Abs. 5 SGG allein Sache der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit und ist der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. (gez.) Herzog Niemeyer Henschel Seidl Grimm Söllner Dieterich ... link (0 Kommentare) ... comment Freitag, 8. Mai 2015
BVerfG, 1 BvR 1411/91 vom 09.08.1991, Bundesverfassungsgericht
anselmf
382 E 86, 382,1 Nr. 17
Nr. 17 1. Droht einem Beschwerdeführer, der sich unmittelbar gegen ein Ge- setz wendet, bei der Verweisung auf den Rechtsweg in der Hauptsache ein schwerer Nachteil, kann er nach dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gehalten sein, vor der Anrufung des Bundesver- fassungsgerichts wenigstens den Rechtsweg im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erschöpfen. 2. Hält ein Gericht eine für seine Entscheidung maßgebliche Gesetzes- norm für verfassungswidrig, so ist es durch Art. 100 Abs. 1 GG nicht gehindert, vor der im Hauptsacheverfahren einzuholenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, wenn dies im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes geboten erscheint und die Hauptsache dadurch nicht vorweggenommen wird. Beschluß des Ersten Senats vom 24. Juni 1992 gemäß 524 BVerfGG - 1 BvR 1028/91 - in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde 1. des Herrn A... und weiterer 98 Beschwerdeführer — Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Willi A. Handorn, Klaus Wagner und Partner, Talstraße 27, Homburg/Saar — gegen das Gesetz vom 23. September 1990 zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokrati- schen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands — Einigungs- vertragsgesetz — und der Vereinbarung vom 18. September 1990 (BGBl. II S. 885), soweit darin den Regelungen des Vertrages, wonach Kiese und Kiessande im Beitrittsgebiet als bergfreie Bodenschätze im Sinne des 53 Abs. 3 BBergG eingestuft werden, zugestimmt worden ist. ENTSCHEIDUNGSFORMEL: Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen. GRÜNDE: A. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Regelung des Einigungsvertrages, daß Kiese und Kiessande im Beitrittsgebiet als bergfreie Bodenschätze behandelt werden und damit — im Unter- schied zu der Rechtslage, die nach dem Bundesberggesetz im alten Bundesgebiet galt und weiterhin gilt — nicht im Eigentum des Grundstückseigentümers stehen. 24. 6. 92 383 1. Das Bundesberggesetz — BBergG —— vom 13.August 1980 (BGBl.I S. 1310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.Februar 1990 (BGBl.I S.215), unterscheidet zwischen grundeigenen und bergfreien Bodenschätzen. Grundeigene Bodenschätze stehen im Eigentum des Grundeigentümers; auf bergfreie Bodenschätze er- streckt sich das Eigentum an einem Grundstück nicht (53 Abs.2 BBergG). Sofern Bodenschätze weder bergfrei (5 3 Abs. 3 BBergG) noch grundeigen (5 3 Abs. 4 BBergG) sind, stehen sie als sonstige Grundeigentümerbodenschätze ebenfalls im Eigentum des Grund- eigentümers. Jedoch findet das Bundesberggesetz‚ das auch Vor- schriften über das Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten grundei- gener Bodenschätze enthält, darauf keine Anwendung. Nach der im alten Bundesgebiet bestehenden Rechtslage gehören Kiese und Kiessande zu den grundeigenen Bodenschätzen, soweit sie untertägig aufgesucht oder gewonnen werden (5 3 Abs. 4 Nr. 2 BBergG), und, soweit dies nicht der Fall ist, zu den sonstigen Grund- eigentümerbodenschätzen. 2. In der Deutschen Demokratischen Republik bestimmte 53 des Berggesetzes vom 12. Mai 1969 (GBl. I S. 29): Mineralische Rohstoffe, deren Nutzung von volkswirtschaftlicher Be- deutung ist, sind Bodenschätze und - unabhängig Vorn Grundeigentum - Volkseigentum. In der Verordnung über die Verleihung von Bergwerkseigentum vom 15. August 1990 (GBl. I S. 1071) wurden als Bodenschätze im Sinne von 5 3 des Berggesetzes die in der Anlage zu dieser Verord- nung aufgeführten mineralischen Rohstoffe bestimmt. Nach Nr. 9.23 der Anlage fielen darunter: Kiese und Kiessande zur Herstellung von Betonzuschlagstoffen (Kies- anteil größer 2mm: mehr als 10% geologische Vorratsmenge: größer 1,0 Mio t), einschließlich darin enthaltener Quarzkiese zur Herstellung von Ferro-‚ Chemie- und Filterkies. Durch 51 Abs. 1 dieser Verordnung wurde der Ministerrat oder eine von ihm bestimmte Stelle ermächtigt, der Treuhandanstalt auf Antrag für ein bestimmtes Feld und für bestimmte unter 53 des 384 E 86, 382, I Nr. 17 Berggesetzes fallende Bodenschätze Bergwerkseigentum zu verlei- hen mit der Befugnis, es gegen Entgelt weiter zu übertragen. 3. Gemäß Art.8 des Einigungsvertrages und dessen Anlage I Kapitel V Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 1 (BGBl.II S. 1004f.) ist das Bundesberggesetz im Beitrittsgebiet mit folgenden Maßgaben in Kraft getreten: a) Mineralische Rohstoffe im Sinne des 53 des Berggesetzes der Deutschen Demokratischen Republik vom 12.Mai 1969 (GBl.I Nr.5 S. 29) und der zu dessen Durchführung erlassenen Vorschriften sind bergfreie Bodenschätze im Sinne des 53 Abs. 3. d) (1) Gewinnungsrechte an mineralischen Rohstoffen im Sinne des 5 3 des Berggesetzes der Deutschen Demokratischen Republik kann der zur Ausübung Berechtigte innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach dem Tage des Wirksamwerdens des Beitritts bei der für die Zulassung von Betriebsplänen zuständigen Behörde zur Bestätigung anmelden. . .. Die Bestätigung ist unter den in Absatz 2 dieser Regelung ge- nannten Voraussetzungen zu erteilen. Ein bestätigtes Gewinnungs- recht gilt, wenn das Gewinnungsrecht dem Antragsteller aufgrund der Verordnung vom 15.August 1990 als Bergwerkseigentum übertragen worden war, als Bergwerkseigentum im Sinne von 5151 BBergG (Absatz 4 Nr.2 i.V.m. Absatz 2 Nr. 1.2 der Rege- lung). II. Mit der am 3.Juli 1991 erhobenen Verfassungsbeschwerde, der sich weitere Beschwerdeführer am 20. August 1991 angeschlossen haben, wenden sich die Beschwerdeführer gegen die genannte Re- gelung des Einigungsvertrages‚ soweit danach Kiese und Kiessande als bergfreie Bodenschätze im Sinne von 53 Abs. 3 BBergG einge- stuft worden sind. Sie rügen eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 2 GG und tragen vor: Sie seien Eigentümer oder Miteigentümer von Kiesgrundstücken, die sich innerhalb zweier der insgesamt 1300 auf dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik vorhandenen Kieslagerstätten befänden. Durch die angegriffene Regelung sei ihnen das Gewinnungsrecht am Kies auf ihren Grundstücken entzo- gen. Die Treuhandanstalt habe von der Möglichkeit gemäß 51 der Verordnung vom 15. August 1990 Gebrauch gemacht und sich an sämtlichen Kies- und Kiessandgrundsstücken in den neuen Bundes- ländern das Bergwerkseigentum verleihen lassen. Inzwischen habe die Treuhandanstalt sämtliche Kiesbetriebe nach einzelnen Be- triebsstätten ausgeschrieben und sei jetzt dabei, die Betriebsstätten zur Ausbeutung zu vergeben. Einige Vergaben seien bereits erfolgt. Sie seien durch die gesetzliche Regelung selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen. Außer der Verfassungsbeschwerde hätten sie keine Möglichkeit, sich gegen die Verletzung ihrer Grundrechte zu wehren. Die vorliegende Verfassungsbeschwerde sei auch von großer allgemeiner Bedeutung. Die Ungewißheit über die rechtli- che Zulässigkeit der Vergabe des Bergwerkseigentums durch die Treuhandanstalt an Dritte stelle ein bedeutsames Hemmnis für den wirtschaftlichen Aufbau in den neuen Bundesländern dar. Insge- samt seien etwa 65 O00 Grundstückseigentümer betroffen. Im Falle der Fortgeltung der jetzigen Regelung entstünde ihnen durch die Vorenthaltung des Eigentums am Kies ein schwerer und unabwend- barer Nachteil. Für die ungleiche Behandlung der Grundstückseigentümer im Osten und im Westen Deutschlands sei ein sachlicher Grund nicht ersichtlich. Die Gründe, die nach dem Bundesberggesetz für die Bergfreiheit bestimmter Bodenschätze in Betracht kämen (Siche- rung der Rohstoffversorgung, Abwehr von Gefahren beim Abbau der Bodenschätze), träfen auf den Abbau von Kies nicht zu. Des weiteren sei Art. 14 Abs. 1 GG verletzt. Bei der Ausgestal- tung des Eigentums sei der Gesetzgeber an die Tradition des Berg- rechts gebunden. Er dürfe danach nur die volkswirtschaftlich be- sonders wichtigen Bodenschätze vom Verfügungsrecht des Grund- eigentümers ausschließen. Die angegriffene Regelung sei grob sach- widrig und verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 386 E 86, 382,1 Nr. 17 B. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. I. Die angegriffene Regelung kann in Verbindung mit dem Eini- gungsvertragsgesetz Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein (vgl. BVerfGE 84, 90 [113]). Die Beschwerdeführer haben auch hinreichend dargelegt, daß sie von der Regelung selbst, gegen- wärtig und unmittelbar betroffen sind. Insbesondere bewirkt die angegriffene Regelung allein — ohne Hinzutreten eines weiteren hoheitlichen Aktes (vgl. BVerfGE 79, 174 [187f.]) —, daß sich das Grundstückseigentum nicht auf den in einem Grundstück liegenden Kies erstreckt. Ob der Sachvortrag, mit dem die Beschwerdeführer hre Betroffenheit schlüssig dargelegt haben, tatsächlich zutrifft, wäre eine Frage der Begründetheit der Verfassungsbeschwerde (vgl. BVerfGE 84, 90 [117]). II. i Der Zulässigkeit steht jedoch der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde entgegen. Die Beschwerdeführer können zwar vor den Fachgerichten nicht unmittelbar gegen die angegriffe- ne Regelung Rechtsschutz erlangen. Sie können aber die Fachge- richte zur Sicherung und Durchsetzung der Rechte in Anspruch nehmen, die sie aus der Verfassungswidrigkeit der Regelung herlei- ten. Zur Herbeiführung einer Verklärung der tatsächlichen und ein- fachrechtlichen Lage sind sie gehalten, zunächst — zumindest vor- läufigen — Rechtsschutz vor den Fachgerichten zu suchen. 1. Der in 5 90 Abs. 2 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität gewährleistet unter anderem, daß dem Bundesverfassungsgericht in der Regel nicht nur die abstrakte Rechtsfrage und der Sachvortrag des Beschwerdeführers unterbrei- tet werden, sondern auch die Beurteilung der Sach- und_ Rechtslage durch ein für diese Materie zuständiges Gericht (vgl. BVerfGE 69, 122 [125]; 74, 69 [74f.]). Der Verklärung durch die Fachgerichte kommt inbesondere dort Bedeutung zu, wo die Beurteilung der mit der Verfassungsbeschwerde erhobenen Rügen die Prüfung tatsäch- licher oder einfachrechtlicher Fragen Voraussetzt, für die das Ver- fahren vor den Fachgerichten besser geeignet ist. Der Subsidiari- tätsgrundsatz stellt sicher, daß dem Bundesverfassungsgericht in solchen Fällen infolge der fachgerichtlichen Vorprüfung der Be- schwerdepunkte ein bereits eingehend geprüftes Tatsachenmaterial vorliegt und ihm auch die Fallanschauung und die Rechtsauffassung der Fachgerichte vermittelt werden. Für die verfassungsrechtliche Beurteilung der mit der Verfas- sungsbeschwerde erhobenen Rügen bedarf es hier der Klärung sowohl tatsächlicher als auch einfachrechtlicher Fragen. So müßte zunächst das Eigentum der Beschwerdeführer an den betroffenen Grundstücken festgestellt werden. Des weiteren müßte geklärt werden, ob das Kiesvorkommen an den Grundstücken, die im Eigentum der Beschwerdeführer stehen, unter die angegriffene ge- setzliche Regelung fällt. Schließlich könnte für die verfassungs- rechtliche Beurteilung auch von Bedeutung sein, wie die Kiesaus- beutung in der Deutschen Demokratischen Republik praktisch ge- handhabt wurde, insbesondere auch, ob und in welchem Umfang die Eigentümer in der Lage waren, in ihren Grundstücken lagern- den Kies zu verwerten. Solange die Treuhandanstalt das ihr verliehene — jedenfalls dem Rechtsschein nach bestehende — Bergwerkseigentum noch nicht auf Dritte übertragen hat, können die Beschwerdeführer vor den Fach- gerichten geltend machen, daß die Verleihung des Bergwerkseigen- tums auf einer verfassungswidrigen Norm beruhe und daß die Treu- handanstalt deshalb keine Rechte daraus herleiten könne. Sofern eine Weiterübertragung auf Dritte erfolgt ist, können sich die Be- schwerdeführer gegen einen Kiesabbau auf ihren Grundstücken im Zivilrechtsweg zur Wehr setzen. Diese Verfahren ermöglichen eine Klärung der tatsächlichen und einfachrechtlichen Fragen. Sie bieten auch nicht von vornherein so wenig Aussicht auf Erfolg, daß sie den Beschwerdeführern unzumutbar wären. Insbesondere kann nicht von vornherein davon ausgegangen werden, daß die Fachgerichte im Falle der Übertragung des Bergwerkseigentums auf private Drit- te - bei Annahme der Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Regelung - jedenfalls die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs des Bergwerkseigentums durch die Vertragspartner der Treuhand- anstalt bejahen würden. 2. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung vor Erschöpfung des Rechtswegs nach der - im Rahmen des Subsidiaritätsgrundsat- zes sinngemäß anwendbaren - Vorschrift des 590 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG sind nicht erfüllt. a) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Verfassungsbeschwerde allgemeine Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift zukommt. Selbst wenn diese unterstellt wird, würde sie nicht für sich allein eine Vorabentscheidung durch das Bundesverfassungsgericht gebieten. Sie wäre vielmehr nur ein Moment bei der Abwägung für und wider eine sofortige Sachentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 71, 305 [349] m.w.N.). Bei dieser Abwägung wäre insbesondere auch zu bedenken, daß eine Vorabentscheidung in der Regel dann nicht in Betracht kommt, wenn entscheidungserhebliche Tatsachen noch nicht aufgeklärt sind (vgl. BVerfGE 8, 222 [227] ; 13, 284 [289]). Gegen eine Vor- abentscheidung kann ferner sprechen, daß die einfachrechtliche Lage nicht hinreichend geklärt ist (vgl. BVerfG, Beschluß vom 25. März 1992 — 1 BvR 1859/91 —, NJW 1992, S. 1676 [1677])1. Das ergibt sich aus dem Sinn des Subsidiaritätsgrundsatzes. Dieser dient auch einer sachgerechten Aufgabenverteilung zwischen dem Bun- desverfassungsgericht und den Fachgerichten (vgl. BVerfGE 55, 244 [247]; 77, 381 [401] m.w.N.). Danach obliegt es vorrangig den Fachgerichten, einfachrechtliche Vorschriften auszulegen und die zur Anwendung der Vorschriften erforderlichen Ermittlungen so- wie die Würdigung des Sachverhalts vorzunehmen. Das Interesse an der fachgerichtlichen Verklärung wiegt hier so schwer, daß das allgemeine Interesse an einer sofortigen Entscheidung des Bundes- verfassungsgerichts zurücktreten muß. b) Eine Vorabentscheidung ist auch nicht wegen eines den Be- schwerdeführern drohenden schweren und unabwendbaren Nach- teils geboten. Die Verweisung auf den Rechtsweg könnte sich insofern für die 1 Nr. 2 S. 15, 22f. 24. 6. 92 389 Beschwerdeführer nachteilig auswirken, als nicht auszuschließen ist, daß während des fachgerichtlichen Verfahrens, das möglicher- weise längere Zeit in Anspruch nimmt, das Kiesvorkommen auf ihren Grundstücken ausgebeutet wird. Es ist nicht sicher abzuse- hen, daß sie nach der einfachrechtlichen Lage dafür einen Ausgleich erlangen könnten, wenn die angegriffene Regelung für verfassungs- widrig erklärt würde. Ebenso ist nicht vorherzusehen, 0b und mit welchem Inhalt der Gesetzgeber, falls die Regelung für verfassungs- widrig erklärt wird, nachträglich einen Ausgleich schaffen würde. Die Beschwerdeführer können jedoch im fachgerichtlichen Ver- fahren gegen die Inanspruchnahme ihrer Grundstücke für den Kies- abbau vorläufigen Rechtsschutz beantragen. An der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wären die Fachgerichte für den Fall, daß sie die angegriffene Regelung für verfassungswidrig erachten, nicht dadurch gehindert, daß sie über die Frage der Verfassungswi- drigkeit nicht selbst entscheiden könnten, sondern insoweit die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG einholen müßten. Das dem Bundesverfassungsgericht vorbe- haltene Verwerfungsmonopol hat zwar zur Folge, daß ein Gericht Folgerungen aus der (von ihm angenommenen) Verfassungswidrig- keit eines formellen Gesetzes — jedenfalls im Hauptsacheverfah- ren— erst nach deren Feststellung durch das Bundesverfassungsge- richt ziehen darf (vgl. BVerfGE 79, 256 [266]). Die Fachgerichte sind jedoch durch Art. 100 Abs. 1 GG nicht gehindert, schon vor der im Hauptsacheverfahren einzuholenden Entscheidung des Bundes- verfassungsgerichts auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung vor- läufigen Rechtsschutz zu gewähren, wenn dies nach den Umstän- den des Falles im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes geboten erscheint und die Hautsacheentscheidung dadurch nicht vorwegge— nommen wird. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes würde den Eintritt von Nachteilen während der Durchführung des Haupt- sacheverfahrens verhindern. Selbst wenn den Beschwerdeführern vorläufiger Rechtsschutz versagt werden sollte, wäre dieses Verfah- ren jedenfalls bereits zur Verklärung der offenen tatsächlichen und einfachrechtlichen Fragen geeignet. Auch insoweit überwiegt bei der zu treffenden Abwägung das 390 E 86, 390, II N11 13 Interesse an der fachgerichtlichen Verklärung das Interesse der Beschwerdeführer an einer sofortigen Entscheidung des Bundes- verfassungsgerichts jedenfalls so lange, als die Beschwerdeführer noch nicht einmal vorläufigen Rechtsschutz im fachgerichtlichen Verfahren begehrt haben. Ob darüber hinaus, wenn das Begehren auf vorläufigen Rechtsschutz erfolglos bleiben sollte, auch noch der Rechtsweg in der Hauptsache erschöpft werden muß, hängt von dem Ergebnis des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes und der bis dahin im übrigen eingetretenen weiteren Entwicklung ab. (gez.) Herzog Henschel Seidl Grimm Söllner Dieterich Kühling Seibert Kein Faksimile verfügbar ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, 1/3 RK 13/90 vom 28.06.1990, Bundessozialgericht
anselmf
BUNDESSOZIALGERICHT
Im Namen des Volkes Urteil in dem Rechtsstreit Az: 1/3 RK 13/90 Kläger und Revisionskläger, Prozeßbevollmächtigte: gegen Allgemeine Ortskrankenkasse München, München 2, Maistraße 43 - 47, Beklagte und Revisionsbeklagte. Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 1992 durch den Präsidenten Prof. Dr. R., die Richterin Dr. W. und den Richter K. sowie die ehrenamtliche Richterin B. und den ehrenamtlichen Richter B. für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Juni 1990 wird zurückgewiesen. - 2 - Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten. - 3 - Gründe: I Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung von Krankengeld für die Zeit vom 12. November 1985 bis 20. März 1986. Der in Jugoslawien geborene Kläger war seit 1968 in der Bundesrepublik als Arbeiter beschäftigt und bezog zuletzt als Arbeitsloser Leistungen vom Arbeitsamt. Mit dessen Zustimmung begab er sich für die Zeit vom 20. August 1985 bis 17. September 1985 auf Heimaturlaub. Dort wurde er am 11. September 1985 wegen zahlreicher Erkrankungen zunächst drei Wochen arbeitsunfähig krank geschrieben. Der jugoslawische Versicherungsträger teilte dies der Beklagten, bei der der Kläger aufgrund des Leistungsbezuges krankenversichert war, auf dem hierfür vorgesehenen Formblatt mit. Später gingen weitere Meldungen über Arbeitsunfähigkeitszeiten bei der Beklagten ein, wobei noch zusätzliche Erkrankungen genannt wurden. Nachdem der Vertrauensärztliche Dienst unter Berücksichtigung der beigezogenen Unterlagen von einer Arbeitsunfähigkeit von zwei Monaten ausgegangen war, bewilligte die Beklagte für die Zeit nach Beendigung der Leistungserbringung durch das Arbeitsamt Krankengeld bis zum 11. November 1985. Gleichzeitig erbat sie bei einem eventuellen Fortbestehen von Arbeitsunfähigkeit um die Übersendung neuer ärztlicher Befunde. Weil nach Auffassung des Vertrauensärztlichen Dienstes aus den vom Kläger übersandten neuen ärztlichen Unterlagen auf eine Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit nicht geschlossen werden könne, lehnte die Beklagte die Gewährung von Krankengeld über den 11. November 1985 hinaus ab (Bescheid vom 18. Februar 1986). Obwohl der jugoslawische Versicherungsträger inzwischen Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 20. März 1986 bestätigt und gemeldet hatte, sah die Beklagte den Widerspruch nicht als begründet an, da die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit nicht nachgewiesen sei (Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 1986). Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) München abgewiesen, nachdem es erfolglos versucht hatte, weitere Krankenunterlagen aus Jugoslawien zu erhalten (Urteil vom 26. Oktober 1988). Die Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 28. Juni 1990). Es hat im wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe Krankengeld für den streitigen Zeitraum nicht zu, weil das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit über den 11. November 1985 hinaus nicht nachgewiesen sei. Der Versicherte sei bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit arbeitsuchend gemeldet und damit weitgehend auf andere Tätigkeiten verweisbar gewesen. Es fehle jeder Nachweis darüber, daß die behaupteten Krankheiten sich derart langfristig auf seine Arbeitsfähigkeit - 4 - ausgewirkt haben könnten und daß keine ihm zumutbare Arbeit möglich gewesen wäre. Die Beklagte müsse entgegen der Ansicht des Klägers die Arbeitsunfähigkeitsmeldung des jugoslawischen Versicherungsträgers nicht ungeprüft übernehmen. Eine solche Rechtsfolge lasse sich aus dem deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommen nicht entnehmen. Der Kläger könne auch keine Rechte aus den europäischen Verträgen und den aus ihnen hervorgegangenen EG-Verordnungen Nr 1408/71 und 574/72 sowie der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundessozialgerichts (BSG) herleiten. Diese Regelungen seien mit dem deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommen nicht vergleichbar. Der Grundsatz, daß die Beklagte als leistender Versicherungsträger entsprechend den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) über die Krankengeldgewährung zu entscheiden habe, werde auch nicht durch das dem Kläger ausgehändigte Merkblatt, in dem Art 4 des Zusatzabkommens zum deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommen wiedergegeben sei, aufgehoben. Hiermit habe sich die Beklagte nicht verpflichtet, ihre Entscheidungskompetenz gesetzwidrig auf den jugoslawi- schen Versicherungsträger zu verlagern. Zwar könne es für den Versicherten unbefriedigend sein, wenn das Krankengeld wegen unterschiedlicher Auffassungen von der Arbeitsunfähigkeit zwischen den jugoslawischen Ärzten bzw Krankenver- sicherungsgemeinschaften einerseits und den deutschen Krankenkassen andererseits verweigert werde, obwohl er alles getan habe, was ihm das Abkommen vorschreibe und er wenig Einfluß auf die Aussagekraft der Bescheinigungen und die durchgeführten Untersuchungen habe. Dies könne aber nicht dazu führen, die Beklagte zu verpflichten, ungeprüft gesetzlich geforderte Voraussetzungen zu unterstellen, zumal sie selbst keinerlei Einfluß auf die von ihr nicht zu vertretenden Mängel bei der Anwendung des Abkommens habe. Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 30 Abs 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil -(SGB I), 182 Abs 1 Nr 2, Abs 3 und 183 RVO sowie des Art 29 iVm Art 4 des deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommens. Das LSG habe übersehen, daß, unabhängig davon, wie nach innerstaatlichem Recht das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit festgestellt werde, Ausnahmen durch das Recht der europäischen Gemeinschaften oder durch zwischenstaatliche Abkommen bestimmt werden könnten. Der Entscheidungskompetenz der Beklagten über die Arbeitsunfähigkeit stünden Art 29 iVm Art 4 des Abkommens und die übrigen Vereinbarungen mit Jugoslawien entgegen. Hiernach leisteten Träger, Verbände von Trägern, Behörden und Gerichte der Vertragsstaaten einander bei der Durchführung der in Art 2 Abs 1 bezeichneten Rechtsvorschriften und des Abkommens gegenseitige Hilfe. Die Amtshilfe erstrecke sich ausdrücklich auch auf ärztliche Kontrolluntersuchungen. Ferner bestimme Art 3 der Durchführungsvereinbarung zum Abkommen, daß die Pflicht des Versicherten, dem zuständigen Träger das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen, nur gegenüber dem Träger des Aufenthaltsortes bestehe. Entsprechend werde der Versicherte von - 5 - seiner Krankenkasse durch Merkblätter informiert. Das gesamte Regelwerk des Abkommens mache deutlich, daß die Mitteilung über das Bestehen und die Überwachung der Arbeitsunfähigkeit ausschließlich bei dem örtlich zuständigen jugoslawischen Krankenversicherungsträger liege. Da das Abkommen keinen Vorbehalt gegen die Feststellung der jugoslawischen Kontrollärzte enthalte, stehe den deutschen Krankenkassen keine eigene Feststellungs- und Kontrollbefugnis hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeit zu. Für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und deren Kontrolle solle nach dem Abkommen und den Zusatzvereinbarungen das Recht des Aufenthaltsstaates maßgebend sein. Das sei der eindeutige Wille der vertragschließenden Staaten gewesen. Falls bei dem deutschen Versicherungsträger berechtigte Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses von Kontrolluntersuchungen bestehen sollten, müsse er dieselben über den zuständigen jugoslawischen Versicherungsträger ausräumen lassen und gegebenenfalls auf seine Kosten eine stationäre Beobachtung in einem jugoslawischen Krankenhaus beantragen. Er, der Kläger, habe alle seine Mitwirkungspflichten erfüllt und mit der Übersendung der Mitteilung über das Bestehen oder Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit durch den jugoslawischen Träger zugleich den ihm obliegenden Nachweis der Arbeits- unfähigkeit geführt. Der Kläger beantragt, die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Juni 1990 und des Sozialgerichts München vom 26. Oktober 1988 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Februar 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 1986 zu verurteilen, ihm Krankengeld über den 11. November 1985 hinaus bis einschließlich 20. März 1986 zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. II Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Krankengeld über den 11. November 1985 hinaus. Nach § 182 Abs 1 Nr 2 RVO, der mit Wirkung ab 1. Januar 1989 durch Art 5 Nr 2 des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I, S 2477) aufgehoben wurde, hier jedoch noch anwendbar ist, wird Krankengeld gewährt, wenn die Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig macht. Das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit muß gemäß § 182 Abs 3 RVO von einem Arzt festgestellt werden, wobei es unerheblich ist, aus welchem Anlaß und zu welchem Zweck diese Feststellung getroffen wird (BSGE 41, 201, 203 = SozR 2200 § 182 Nr 12). Die Feststellung kann auch durch einen - 6 - ausländischen Arzt erfolgen. Dem während eines Urlaubsaufenthaltes im Ausland erkrankten Versicherten steht - sofern ein Sozialversicherungsabkommen entsprechendes regelt - deshalb auch Krankengeld für die Zeit des Auslandsaufenthaltes zu, in der er nachweislich arbeitsunfähig ist. Bestand kein Sozialversicherungsabkommen mit dem Aufenthaltsstaat, war Krankengeld in der Zeit der Geltung des § 182 RVO trotzdem bei Eintritt von Arbeitsunfähigkeit zu gewähren (BSGE 31, 100, 101 f = SozR Nr 39 zu § 182 RVO). Ab 1. Januar 1989 gilt demgegenüber § 16 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V). Hiernach ruht der Anspruch auf Leistungen, solange sich der Versicherte außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes aufhält, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. Solche Ausnahmen sind Regelungen im zwischen- bzw überstaatlichen Recht, insbesondere also in Sozialversicherungsabkommen. Ansonsten kann Krankengeld während eines Auslandsaufenthaltes nicht mehr gewährt werden (BT-Drucks 11/2237, S 165). Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Beklagte an die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen jugoslawischen Arzt oder an die Meldung des jugoslawischen Versicherungsträgers nicht gebunden. Eine solche Bindung läßt sich insbesondere nicht aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 (BGBl II 1969, S 1438) idF des Änderungsabkommens vom 30. September 1974 (BGBl II 1975, S 390) - zukünftig Abkommen genannt - und der Durchführungsvereinbarung zum Abkommen entnehmen. Art 4 Abs 1 Satz 1 des Abkommens sieht vor, daß, soweit das Abkommen nichts anderes bestimmt, die Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates, nach denen die Entstehung von Ansprüchen auf Leistungen oder Gewährung von Leistungen oder die Zahlung von Geldleistungen vom Inlandsaufenthalt abhängig ist, nicht für die Staatsangehörigen gelten, die sich im Gebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten. Diese Regelung enthält den Grundsatz der uneingeschränkten Leistungsgewährung in dem anderen Vertrags- staat (Denkschrift der Bundesregierung zum Abkommen, BT-Drucks V/4124). Krankengeld ist nach dem Abkommen also grundsätzlich auch dann zu zahlen, wenn die Arbeitsunfähigkeit in Jugoslawien eintritt. Weitere Regelungen, insbesondere hinsichtlich der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, beinhaltet Art 4 Abs 1 Satz 1 des Abkommens nicht. Sozialversicherungsabkommen enthalten - anders als bei den Sachleistungen, die im allgemeinen nach dem Recht des Aufenthaltsstaates gewährt werden (vgl Art 15 Abs 2 des Abkommens und Plöger/Wortmann, Deutsche Sozialversicherungsabkommen mit ausländischen Staaten, Bd I, Allgemeiner Teil, S 296; Baumeister in Gesamtkommentar zur Sozialversicherung, Bd X, Stichwort Jugoslawien, Art 15 Anm 2; Neumann-Duesberg, DOK 1985, S 302, 309) - regelmäßig keinen Eingriff in das innerstaatliche Recht hinsichtlich der Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankengeld (Begriff der Arbeitsunfähigkeit) und bezüglich der Höhe der Geldleistungen. Es bleiben vielmehr die - 7 - für den zuständigen Träger nach innerstaatlichem Recht geltenden Vorschriften maßgebend (Plöger/Wortmann, aaO, Bd I, Allgemeiner Teil, S 395). Diese allgemeine Regelung gilt auch für das deutsch-jugoslawische Sozialversicherungsabkommen (vgl dazu Art 16 des Abkommens). Hiernach werden auf Ersuchen der deutschen Krankenkassen Geldleistungen vom jugoslawischen Sozialversicherungsträger ausgezahlt, woraus sich gleichzeitig ergibt, daß die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen und der Höhe und Dauer der auszuzahlenden Geldleistungen Aufgabe der deutschen Krankenkassen bleibt (Baumeister, aaO, Bd X, Stichwort Jugosla- wien, Art 16 Anm 1). Aus Art 4 Abs 1 Satz 1 des Abkommens läßt sich also eine Bindung des deutschen Versicherungsträgers an die Feststellung der jugoslawischen Ärzte oder Krankenversicherungsgemeinschaften nicht entnehmen. Gleiches gilt für Art 15 Abs 2 des Abkommens, denn er enthält lediglich die Regelung, daß die Sachleistungen - von gewissen Ausnahmen abgesehen - nach den für den Träger des Aufenthaltsortes maßgebenden Rechtsvorschriften gewährt werden. Für Geldlei- stungen gilt diese Vorschrift damit nicht. Gemäß Art 29 Abs 1 Satz 1 des Abkommens leisten die Träger, Verbände von Trägern, Behörden und Gerichte der Vertragsstaaten einander bei Durchführung der vom Abkommen umfaßten Rechtsvorschriften und dieses Abkommens gegenseitige Hilfe, als wendeten sie die für sie geltenden Rechtsvorschriften an. Art 29 Abs 1 Satz 1 gilt, wie Abs 2 dieser Vorschrift regelt, auch für ärztliche Untersuchungen. Nach der Denkschrift der Bundesregierung enthalten die Art 29 bis 38 des Abkommens die auch sonst üblichen Regelungen für das Zusammenwirken der in den beiden Staaten mit der Durchführung des Abkommens betrauten Stellen. In Art 29 sind also Vorschriften über die Rechts- und Amtshilfe enthalten. Die deutschen Krankenkassen können sich daher jugoslawischer Ärzte für Untersuchungen und zu Kontrollzwecken bedienen, indem sie sich im Wege der Amtshilfe an die zuständige Krankenversicherungsgemeinschaft wenden. Die Formulierung "als wendeten sie die für sie geltenden Rechtsvorschriften an" umschreibt lediglich Art und Umfang der Amts- und Rechtshilfe. Deutsche Sozialversicherungsträger haben bei der Erbringung der Amtshilfe daher die Regelungen der §§ 3 ff Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X), aber auch § 35 SGB I iVm §§ 67 ff SGB X über die Offenbarung von Daten, die unter das Sozialgeheimnis fallen, zu beachten (Baumeister, aaO, Bd X, Stichwort Jugoslawien, Art 29 Anm 1; Koch/Hartmann, Die Rentenversicherung im Sozialgesetzbuch unter besonderer Berücksichtigung der Angestelltenversicherung - zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht -Bd I, Allgemei- ner Teil, Anm 9.3.). Ärztliche Untersuchungen müssen unter Berücksichtigung der §§ 62, 65 SGB I durchgeführt werden. Umgekehrt haben die jugoslawischen Versicherungsträger bei Untersuchungen in ihrem Staat die für sie geltenden Verfah- rensvorschriften anzuwenden. - 8 - Eine weitere - über den dargestellten Inhalt hinausgehende - Regelung, insbesondere über die Begründung materiell-rechtlicher Leistungsansprüche oder die Bindung deutscher Sozialversicherungsträger an die im Rahmen der Amtshilfe getroffenen Feststellungen, kann aus Art 29 des Abkommens nicht entnommen werden. Der Wortlaut, dem bei der Auslegung völkerrechtlicher Verträge im allgemeinen eine größere Bedeutung beizumessen ist als bei der Auslegung innerstaatlicher Gesetze (BSGE 36, 125, 126 = SozR Nr 16 zu § 1303 RVO; BSGE 39, 284, 287 = SozR 2200 § 1303 Nr 3; BSGE 55, 131, 134 = SozR 6555 Art 26 Nr 1; Gobbers, Gestaltungsgrundsätze des zwischenstaatlichen und überstaatlichen Sozialversicherungsrechts, 1980, S 10 mwN), läßt die vom Kläger behauptete Bindung an die in Jugoslawien getroffenen Feststellungen nicht erkennen. Er ist nicht unklar, mißverständlich oder gar mehrdeutig; die wortlautmäßige Auslegung führt auch nicht zu unvernünftigen, mit dem Ziel und Zweck der Bestimmung und des Vertrages unvereinbaren Ergebnissen, so daß eine andere Auslegung erforderlich wäre. Auch läßt der in der Denkschrift zum Abkommen manifestierte Wille der Vertragspartner keine andere Auslegung zu. Nach Art 3 der Durchführungsvereinbarung zum Abkommen, auf den sich der Kläger weiter beruft, besteht die Pflicht des Versicherten, dem zuständigen Träger das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen, bei Anwendung des Art 4 Abs 1 des Abkommens nur gegenüber dem Träger des Aufenthaltsortes. Tritt bei einem bei einer deutschen Krankenkasse Versicherten in Jugoslawien Arbeitsunfähigkeit ein, so enthebt ihn diese Bestimmung lediglich der Verpflichtung, das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit dieser Krankenkasse bzw beim Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses gemäß § 3 Abs 2 Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) dem Arbeitgeber und der Krankenkasse zu melden, um ein Ruhen des Krankengeldanspruches nach § 216 Abs 3 RVO (ab 1. Januar 1989 § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V) oder des Lohnfortzahlungsanspruches nach § 5 Nr 1 LFZG zu verhindern. Es genügt, wenn er die jugoslawische Krankenversicherungsgemeinschaft vom Bestehen der Arbeitsunfähigkeit unterrichtet; diese leitet die Mitteilung mittels des vorgesehenen Vordruckes Ju 4 an die deutsche Krankenkasse weiter, die wiederum gegebenenfalls den Arbeitgeber informiert. Hierüber werden die Versicherten in dem Merkblatt Ju 93 unterrichtet. Weitere Regelungen sind in Art 3 der Durchführungsvereinbarung nicht enthalten, insbesondere läßt sich aus dieser Regelung keine Bindung an die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch jugoslawische Ärzte oder jugoslawische Versicherungsträger entnehmen (vgl auch BSG SozR 2200 § 369 b Nr 1 und BSG USK 83 160 zum deutsch-spanischen Sozialversicherungsabkommen). Schließlich sind die Entscheidung des 8. Senats des BSG vom 10. September 1987 (BSG SozR 6055 Art 18 Nr 2) und das ihr zugrundeliegende Urteil des EuGH vom 12. März 1987 (SozR 6055 Art 18 Nr 1) nicht einschlägig. Die dort angenommene Bindung der deutschen Krankenkassen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht an die vom Träger des Wohnortes getroffenen ärztlichen Feststellungen über den Eintritt und die Dauer der - 9 - Arbeitsunfähfigkeit betrifft nur Staaten der Europäischen Gemeinschaft, zu denen Jugoslawien nicht gehört. Art 18 der EWG-VO Nr 574/72 hat zudem einen völlig anderen Wortlaut als die Vorschriften im hier anwendbaren Abkommen und enthält auch inhaltlich ganz unterschiedliche Regelungen. Wird somit der Grundsatz, daß krankenversicherungsrechtliche Geldleistungen vom deutschen Versicherungsträger nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften zu gewähren sind, durch das Abkommen nicht berührt, sind das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit und der Anspruch auf Krankengeld nach § 182 Abs 1 Nr 2 iVm Abs 3 RVO zu prüfen. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit ist ein Rechtsbegriff, dessen Voraussetzungen die Krankenkasse anhand ärztlich erhobener Befunde festzustellen hat. Das Attest mit der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit hat lediglich die Bedeutung einer ärztlichen Stellungnahme, die die Grundlage für den über den Krankengeldbezug zu erteilenden Verwaltungsakt der Krankenkasse bildet (vgl BSGE 54, 62, 65 = SozR 2200 § 182 Nr 84; BSG SozR 2200 § 216 Nr 8; Höfler in Kasseler Kommentar zur Sozialversicherung, § 46 RdNr 7; Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, § 182 Anm, 4.1; Krauskopf, Soziale Krankenversicherung - SGB V -, § 44 RdNr 15; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 182 Anm 13b). Aus den Bestimmungen der §§ 182 Abs 3 und 369b RVO (nun § 46 Satz 1 Nr 2 und § 275 SGB V) folgt, daß die Krankenkasse die ärztliche Feststellung über das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit nur überprüft (BSG SozR 2200 § 216 Nr 8), während sie die sonstigen Leistungsvoraussetzungen (zB Mitgliedschaft mit Krankengeldanspruch, Erschöpfung des Leistungsanspruches innerhalb der Blockfrist) selbständig ermittelt und dann über die Krankengeldgewährung entscheidet. Den Bescheinigungen ausländischer Ärzte kommt dabei nicht von vornherein ein geringerer Beweiswert zu als denen deutscher Ärzte (BSGE 31, 100, 102 = SozR Nr 39 zu § 182 RVO; BAGE 48, 115, 119; BAG EzA § 3 LFZG Nr 11; LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1984, 361, 362). Da der Begriff der Arbeitsunfähigkeit den deutschen Ärzten vertraut ist (vgl jetzt die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien vom 3. September 1991, BKK 1991, S 707 = WzS 1991, S 326), genügt es in der Praxis regelmäßig, wenn sie Arbeitsunfähigkeit bescheinigen (BSGE 41, 201, 203 = SozR 2200 § 182 Nr 12). Kenntnisse über den Begriff der Arbeitsunfähigkeit iS der deutschen Krankenversicherung und die versicherungsrechtliche Bedeutung dieser Feststellung sind ausländischen Ärzten dagegen normalerweise fremd (BSGE 31, 100, 102 = SozR Nr 39 zu § 182 RVO). Zur Kontrolle kann die Krankenkasse daher bei Zweifeln über das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit, insbesondere wenn die aus dem Ausland mitgeteilten Diagnosen und Befunde nicht jede Erwerbstätigkeit ausschließen und - wie hier - für arbeitslose Arbeiter eine weite Verweisbarkeit in Betracht kommt (BSG SozR 4100 § 105b Nr 4), oder wenn die genannten Diagnosen Zweifel an der Dauer der Arbeitsunfähigkeit weken, den Medizinischen Dienst heranziehen. Eine Überprüfung durch den Vertrauensärztlichen bzw - 10 - Medizinischen Dienst ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil ein ausländischer Arzt die Arbeitsunfähigkeit festgestellt hat. § 369b RVO enthält, ebenso wie § 275 SGB V, keine Einschränkung dahingehend, daß nur die Feststellungen inländischer Ärzte überprüft werden könnten. Einen Ermessensfehler bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der Untersuchung (BSG SozR 2200 § 369b Nr 1) hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Schließlich hat das LSG nicht den Grundsatz der objektiven Beweislast verletzt. Er regelt, wen die Folgen treffen, wenn das Gericht bestimmte Tatsachen nicht feststellen kann. Es gilt der Grundsatz, daß die Folgen der objektiven Beweislosigkeit oder des Nichtfestgestelltseins einer Tatsache von dem Beteiligten zu tragen ist, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will (BSGE 30, 121, 123 = SozR Nr 83 zu § 128 SGG; Meyer-Ladewig, Komm zum SGG, 4. Aufl, 1991, § 103 RdNr 19 mwN). Die Regeln über die objektive Beweislast können nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erst angewendet werden, wenn alle verfügbaren Erkenntnisquellen ausgeschöpft sind (BSG SozR 2200 § 317 Nr 2; BSG SozR 1500 § 128 Nr 18). Sie entheben den Tatrichter nicht seiner insbesondere durch § 103 und § 128 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begründeten Pflicht zur eingehenden Erforschung des Sachverhalts und zur sorgfältigen Würdigung der erhobenen Beweise unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles. Die Frage der Beweislastverteilung stellt sich erst dann, wenn es nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhaltes nicht gelungen ist, die bestehende Ungewißheit über eine ungeklärte Tatsache zu beseitigen (BSGE 30, 121, 123 = SozR Nr 83 zu § 128 SGG; BSG SozR 1500 § 128 Nr 18). Trotz seines engen Zusammenhangs mit dem Verfahrensrecht gehört der Grundsatz der objektiven Beweislast zum materiellen Recht (BSG SozR 1500 § 161 Nr 26; Meyer-Ladewig, aaO, § 103 RdNr 19; BVerwGE 45, 131, 132; BGH NJW 1983, 2032, 2033; NJW 1985, 1774, 1775; Kopp, Komm zum VWGO, 8. Aufl 1989, § 108 RdNr 12; aA Peters/Sauters/Wolff, Komm zum SGG, § 103 Anm 4 S II/74 - 14 -; Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl 1987, S 274). Seine richtige Anwendung ist deshalb vom Senat auch grundsätzlich ohne entsprechende Rüge durch den Kläger zu prüfen. Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, daß die medizinischen Grundlagen für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit über den 11. November 1985 hinaus nicht mehr aufklärbar sind. Hierbei handelt es sich um eine Tatsachenfeststellung, an die das Revi- sionsgericht nach § 163 SGG gebunden ist, wenn die Beteiligten - wie im vorliegenden Falle - dagegen keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben haben. Daß die Vorinstanz nach Auffassung des erkennenden Senats nicht alle Möglichkeiten der Aufklärung genutzt hat, läßt die Bindung nicht entfallen. Das Revisionsgericht wäre nur dann nicht nach § 163 SGG gebunden, wenn die tatrichterliche Feststellung der nicht weiteren Aufklärbarkeit mit anderen Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil im Widerspruch stünde (vgl dazu BSG SozR 2200 § 1246 Nr 139). Das ist hier aber nicht der - 11 - Fall. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, daß das LSG den Grundsatz der objektiven Beweislast angewendet hat und davon ausgegangen ist, daß der Kläger die Folgen der Nichtfeststellbarkeit der von ihm behaupteten Arbeitsunfähigkeit zu tragen hat. Nach alledem war die Revision zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Faksimile 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, 13 BJ 271/96 vom 13.05.1997, Bundessozialgericht
anselmf
BUNDESSOZIALGERICHT
Beschluß in dem Rechtsstreit Az: 13 BJ 271/96 Kläger und Beschwerdeführer, Prozeßbevollmächtigte: gegen Bahnversicherungsanstalt, Bezirksleitung Rosenheim, Klepperstraße 1a, 83026 Rosenheim, Beklagte und Beschwerdegegnerin, beigeladen: Freistaat Bayern, vertreten durch die Bezirksfinanzdirektion Regensburg, Bahnhofstraße 7, 93047 Regensburg. Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat am 13. Mai 1997 durch den Vorsitzenden Richter Dr. G. sowie die Richter Dr. L. und M. beschlossen: Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayeri- schen Landessozialgerichts vom 21. Mai 1996 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Gründe: - 2 - Im Ausgangsverfahren ist die Rückgängigmachung einer Beitragserstattung, hilfsweise die Nachentrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen, ggf im Wege einer Nachversi- cherung, streitig. Der am 20. März 1940 geborene Kläger war bei der Deutschen Bundesbahn zunächst vom 1. September 1954 bis 20. November 1957 als versicherungspflichtiger Jungwerker und anschließend bis zum 31. Juli 1961 als versicherungsfreier Betriebsaufseher-Anwär- ter tätig. Auf seinen Antrag wurden ihm mit Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 1959 die in der Zeit vom 1. September 1954 bis 20. November 1957 entrichteten Arbeit- nehmeranteile der Beiträge zur Rentenversicherung erstattet. Zum 1. August 1961 wech- selte der Kläger in eine versicherungsfreie Tätigkeit bei der Finanzverwaltung über, wo er 1991 als Steuerhauptsekretär in den Ruhestand versetzt wurde. Da seine Zeit bei der Deutschen Bundesbahn nicht als ruhegehaltsfähige Dienstzeit angerechnet wurde, er- folgte für die Zeit vom 1. Dezember 1957 bis 31. Juli 1961 eine Nachversicherung. Mit Bescheid vom 23. November 1992 idF des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 1993 lehnte die Beklagte sowohl eine Rückgängigmachung der 1959 erfolgten Beitragserstat- tung als auch eine Zulassung zur Nachentrichtung von Beiträgen für die Zeit von Septem- ber 1954 bis November 1957 ab. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Urteile des Sozialgerichts Regensburg vom 11. Oktober 1994 und des Bayerischen Landes- sozialgerichts vom 21. Mai 1996). Das LSG hat seine Entscheidung im wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt: Eine Verpflichtung der Beklagten zur Rückgängigmachung der Beitragserstattung vom 22. Dezember 1959 bestehe nicht. Der Erstattungsbescheid sei wirksam und bestands- kräftig geworden. Zwar habe der Kläger als nach damaligem Recht Minderjähriger einen Antrag auf Beitragserstattung nicht wirksam stellen können, auch habe das Fehlen eines wirksamen Antrages auf Beitragserstattung die Nichtigkeit des Erstattungsbescheides zur Folge, hier sei jedoch § 108 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) entsprechend anzu- wenden. Das bedeute, daß ein Zustand schwebender Unwirksamkeit bestanden habe. Nach Eintritt der Volljährigkeit des Klägers, nach damaligem Recht am 20. März 1961, sei seine Genehmigung an die Stelle der fehlenden Genehmigung seines gesetzlichen Ver- treters getreten (vgl § 108 Abs 3 BGB). Eine solche Genehmigung könne auch konkludent anzunehmen sein, wenn der volljährig Gewordene den Vertrag fortsetze bzw - wie hier - die Beitragserstattung nicht beanstande. Dies habe von seiten der Beklagten als Geneh- migung aufgefaßt werden müssen. Der Beitragserstattungsbescheid vom 22. Dezember 1959 sei also spätestens mit Volljährigkeit des Klägers im März 1961 wirksam geworden. Der Bescheid sei auch nicht rechtswidrig gewesen. Mit der Aufnahme des Klägers in die Bundesbahn-Anwärterliste ab 1. Dezember 1957 sei die Versicherungspflicht zur gesetz- lichen Rentenversicherung entfallen, ohne daß der Kläger ein Recht zur freiwilligen Wei- - 3 - terversicherung gehabt habe. Im übrigen ließe sich die seinerzeitige Beitragserstattung auch dann nicht rückgängig machen, wenn deren gesetzliche Voraussetzungen nicht vor- gelegen hätten. Konzediere man trotz der hoheitlichen Abwicklung einer Beitragserstattung eine gewisse Ähnlichkeit mit öffentlich-rechtlichen Verträgen, so habe hier ein Irrtum über die Ge- schäftsgrundlage in Gestalt der außerhalb der Beitragserstattung liegenden rechtlichen Gegebenheiten seitens der Beteiligten nicht vorgelegen. Vielmehr habe der Kläger damit rechnen können, bei Fortführung seines Anwärterverhältnisses Versorgung von der Deut- schen Bundesbahn unter Einbeziehung auch der Zeit seit dem 1. Dezember 1957 zu er- halten. Die Erwartung des Fortbestehens dieser Perspektive könne aber nicht als Ge- schäftsgrundlage einer Beitragserstattung angesehen werden, deren Fortfall einen An- spruch auf Rückgängigmachung begründe. Es finde sich auch keine Rechtsgrundlage für eine Nachversicherung. § 8 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) sei weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar, da der Kläger von September 1954 bis November 1957 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Dazu trägt er ua vor: Zwar werde vom LSG anerkannt, daß er als damaliger Minderjähriger keinen wirksamen Antrag auf Beitragserstattung habe stellen können, jedoch werde in rechtsfehlerhafter Weise § 108 BGB entsprechend angewendet. Er habe nachträglich als Volljähriger die Tragweite seines Beitragserstattungsantrages nicht erkennen und damit diesen auch nicht konkludent iS von § 108 Abs 3 BGB genehmigen können, da er damals die Konse- quenzen nicht habe übersehen können. Die Annahme einer Genehmigung der Beitrags- rückerstattung nach § 108 Abs 3 BGB würde den Minderjährigenschutz ins Gegenteil ver- kehren. Wegen der besonderen grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache schon in diesem Punkt sei die Revision zuzulassen. Ferner liege die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache auch darin, wie seine "Zwitterstellung" im damaligen Beschäftigungszeitraum vom 1. Dezember 1957 bis 31. Juli 1961 rechtlich zu bewerten sei. Eine einwandfreie Versicherungsfreiheit ab 1. Dezember 1957 sei nicht ohne weiteres gegeben, zumal er zum Ablauf des 31. Juli 1961 ohne Anwartschaft auf Versorgung aus dieser Beschäftigung ausgeschieden sein. Im übrigen sei die vom LSG zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. Dezember 1981 für diesen konkreten Sonderfall nicht einschlägig. Die klärungsbedürf- tige Rechtsfrage sei auch nicht in dem weiter angeführten Urteil des BSG vom 11. Juli 1972 entschieden worden. Diese beziehe sich nicht auf den hier streitbefangenen Fall, dessen Brisanz und Entscheidungswichtigkeit sich erst im Rahmen seiner Versetzung in - 4 - den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit zum 1. Oktober 1991 herauskristallisiert und ma- nifestiert habe. Zwar sei nun die Zeit vom 1. Dezember 1957 bis 31. Juli 1961 nachversi- chert worden, nicht jedoch der davorliegende Zeitraum vom 1. September 1954 bis zum 30. November 1957. Daraus ergebe sich die besondere Rechtsproblematik für ihn und damit die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Aufgrund dieser Konstellation sei seiner Auffassung nach § 8 Abs 2 SGB VI analog anzu- wenden. Grundlage für den damaligen Antrag auf Beitragsrückerstattung sei zunächst die falsche Beratung durch die damaligen Dienstvorgesetzten, ferner seine Unmündigkeit und die Ungeklärtheit seiner Stellung für den Zeitraum vom 1. Dezember 1957 bis 31. Juli 1961 gewesen. Aufgrund dieser ungeklärten Situation hätte eine Beitragsrückerstattung auch nicht vorgenommen werden dürfen. Zumindest habe ein Irrtum über die Geschäfts- grundlage der Beitragsrückerstattung zum damaligen Zeitpunkt vorgelegen, der nicht zu seinen Lasten gehen dürfe. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den sich aus § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergebenden Anforderungen. Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 SGG genannten Gründen - grundsätzliche Bedeutung, Abweichung, Verfahrensmangel - zugelassen werden. In der Beschwerdebe- gründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt und die Ent- scheidung, von der das Urteil des LSG abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Daran fehlt es hier. Um die vom Kläger allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache (vgl § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) darzulegen, ist es zunächst erforderlich, die nach Ansicht des Beschwerdeführers grundsätzliche Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen, daß sie allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitze (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 11, 39). Ferner ist darzutun, daß die Rechtsfrage klärungsbedürftig sei. Das ist zum einen nicht der Fall, wenn die Antwort von vornherein praktisch außer Zweifel steht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 4, 11). Zum anderen ist auch eine Rechtsfrage, die das BSG bereits entschieden hat, nicht mehr klärungsbedürftig und kann somit keine grundsätzliche Bedeutung mehr haben, es sei denn, die Beantwortung der Frage ist aus besonderen Gründen klärungsbedürftig geblieben oder erneut geworden; das muß sub- stantiiert vorgetragen werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 13, 65). Schließlich ist darzulegen, daß die Rechtsfrage in dem einer Zulassung folgenden Revisionsverfahren entscheidungserheblich und damit auch klärungsfähig sei (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 54). - 5 - Diesen Begründungserfordernissen hat der Kläger nicht in vollem Umfang Genüge getan. Es ist bereits zweifelhaft, ob er eine von ihm als grundsätzlich erachtete Rechtsfrage deutlich genug gestellt hat, jedenfalls fehlt es an hinreichenden Ausführungen zur Klä- rungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der von ihm angesprochenen Punkte. Soweit es die Anwendung des § 108 Abs 3 BGB betrifft, hat es der Kläger zur Darlegung eines höchstrichterlichen Klärungsbedarfes gänzlich unterlassen, sich mit der dazu ergan- genen Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes auseinanderzusetzen. Als höchstrichterlich geklärt muß nämlich eine Rechtsfrage auch dann angesehen werden, wenn sie zwar vom BSG noch nicht ausdrücklich entschieden worden ist, zur Auslegung der anzuwendenden Vorschrift aber schon höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung dieser Frage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8; ebenso Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, Rz 117 mwN). Dementsprechend hätte der Kläger in seiner Beschwerdebegründung auf die Rechtsprechung aller obersten Bundesgerichte zu § 108 Abs 3 BGB eingehen müssen. Dabei hätte sich folgende Rechtslage ergeben: Zunächst hat das BSG die § 106 ff BGB bereits im Zusammenhang mit dem Antrag eines nicht voll geschäftsfähigen Versicherten auf Beitragserstattung nach § 1303 der Reichsversicherungsordnung (RVO) entspre- chend angewandt (vgl BSG SozR Nr 3 zu § 1613 RVO). Ferner ist eine Genehmigung nach § 108 Abs 3 BGB - wie insbesondere der Bundesgerichtshof (BGH) bereits ent- schieden hat - zwar auch durch schlüssiges Verhalten möglich, sie setzt dann jedoch vor- aus, daß sich der volljährig Gewordene der schwebenden Unwirksamkeit des Rechtsge- schäfts bewußt gewesen ist oder mindestens mit ihr gerechnet hat (vgl BGHZ 53, 174, 178; BGH LN Nr 4 zu § 108 BGB; ebenso Bundesarbeitsgericht, NJW 1964, 1641, 1643). Unter diesen Umständen hätte der Kläger möglicherweise eine Abweichung des LSG von der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung geltend machen können (vgl § 160 Abs 2 Nr 2 SGG), eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache lag hingegen fern. Soweit der Kläger die Frage seiner Versicherungsfreiheit als Anwärter bei der Deutschen Bundesbahn für grundsätzlich bedeutsam hält, kann dahingestellt bleiben, ob er ihre Klä- rungsbedürftigkeit hinreichend dargetan hat, jedenfalls wäre diese Frage nur entschei- dungserheblich und damit klärungsfähig, wenn der Beitragserstattungsbescheid bei Ver- neinung einer Versicherungsfreiheit des Klägers in der Zeit ab Dezember 1957 und damit bei Fehlen der Voraussetzungen des § 1303 RVO, von der Beklagten zurückgenommen werden müßte. Da das LSG eine Rückgängigmachung der Beitragserstattung auch für diesen Fall unter Bezugnahme auf Entscheidungen des BSG abgelehnt hat, hätte der Kläger für diese tragende Begründung ebenfalls einen Zulassungsgrund iS von § 160 Abs 2 SGG ordnungsgemäß geltend machen müssen. Auch insoweit läßt die Beschwer- debegründung jedoch die gebotene Auseinandersetzung mit der einschlägigen Recht- sprechung des BSG vermissen. Die bloße Behauptung, die Entscheidungen des BSG - 6 - vom 11. Juli 1972 (BSG SozR Nr 16 zu § 1232 RVO) und 9. Dezember 1981 (BSG SozR 2200 § 1303 Nr 23) seien im konkreten Fall nicht einschlägig, reicht insoweit nicht aus, um einen weiterhin bestehenden Klärungsbedarf zu begründen, zumal das BSG-Urteil vom 9. Dezember 1981 durch spätere Entscheidungen bestätigt worden ist (vgl BSG SozR 2200 § 1744 Nr 17; SozR 2200 § 1303 Nr 26; SozR 1300 § 45 Nr 7). Auch hinsicht- lich der anderen in diesem Zusammenhang vom Kläger hervorgehobenen Gesichtspunkte wird nicht deutlich, warum sie einer Heranziehung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung entgegenstehen sollen. Schließlich stellen auch die Ausführungen des Klägers zur analogen Anwendung des § 8 Abs 2 SGB VI und zum "Irrtum über die Geschäftsgrundlage" keine hinreichende Be- schwerdebegründung dar; sie entbehren insbesondere einer näheren Darlegung der Klä- rungsbedürftigkeit damit zusammenhängender Rechtsfragen. Da somit Zulassungsgründe nicht hinreichend dargelegt worden sind, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Dem Kläger bleibt die Möglichkeit, das von ihm bean- spruchte Recht auf Rückabwicklung der im Jahre 1959 erfolgten Beitragserstattung in ei- nem Verfahren nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) erneut geltend zu machen. Die Verwerfung der Beschwerde des Klägers kann in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter erfolgen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1, 5; BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30). Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, 13 BJ 207/92 vom 21.01.1993, Bundessozialgericht
anselmf
BSG SozR 3-1500 § 160 Nr. 8
BUNDESSOZIALGERICHT Beschluß in dem Rechtsstreit Az.: 13 BJ 207/92 Klägerin und Beschwerdegegnerin, Prozeßbevollmächtigte gegen Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken, Bayreuth 2, Wittelsbacherring 11, Beklagte und Beschwerdeführerin. Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat am 21. Januar 1993 durch den Vorsitzenden Richter Dr. G. und die Richter Dr. W. und Dr. L. sowie den ehrenamtlichen Richter Freiherr von B. und die ehrenamtliche Richterin G. beschlossen: Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 2. Juni 1992 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Beschwerde- verfahren zu erstatten. - 2 - Gründe: I lm Ausgangsverfahren ist die Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsanspruchs auf die wiederaufgelebte Witwenrente der Klägerin streitig. Die 1940 geborene Klägerin bezog nach dem Tode ihres ersten Ehemannes bis zu ihrer Wiederheirat Witwenrente von der Beklagten. Die zweite Ehe wurde geschie- den, nachdem sich die Klägerin einem anderen Mann zugewandt hatte und aus der ehelichen Wohnung ausgezogen war. Im Scheidungsverfahren verzichteten die Klägerin und ihr zweiter Ehemann wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt. Auf die der Klägerin gewährte, wiederaufgelebte Witwenrente rechnete die Be- klagte mit Bescheid vom 7. August 1989 einen Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen den zweiten Ehemann an. Der nach erfolglosem Widerspruch (Wider- spruchsbescheid der Beklagten vom 21. Februar 1990) erhobenen Klage gab das Sozialgericht (SG) Nürnberg statt. Durch Urteil vom 30. April 1991 verpflichtete es die Beklagte, die Witwenrente ohne Anrechnung von Unterhaltsansprüchen zu gewähren. Die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Nach dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 2. Juni 1992 läßt sich ein anrechen- barer Unterhaltsanspruch der Klägerin, der hier nach § 1579 Nr 6 des Bürgerli- chen Gesetzbuches (BGB) wegen ihres ehewidrigen Verhaltens ausgeschlossen sei, auch nicht im Hinblick darauf unterstellen, daß die Klägerin ihn durch eigenes Verschulden verwirkt habe. Es gebe nach Inkrafttreten des Rentenreformgesetzes 1972 (RRG 1972) im Gesetz keinen Anknüpfungspunkt mehr für die Herstellung eines Zusammenhanges zwischen ehelichem oder nachehelichem Fehlverhalten in der zweiten Ehe und dem Anspruch auf wiederaufgelebte Witwenrente. Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Beklagte im wesentlichen eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Die entscheidungserhebliche Frage, ob ein wegen groben ehelichen Fehlverhaltens vor der Scheidung verwirk- ter Unterhaltsanspruch gegen den zweiten Ehemann auf die wiederaufgelebte Wit- wenrente nach dem ersten Ehemann angerechnet werden kann, sei klärungsbe- dürftig. - 3 - II Die Beschwerde der Beklagten ist nicht begründet. Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) genannten Gründen - grundsätzliche Bedeutung, Abweichung, Verfahrensman- gel - zugelassen werden. Die Beklagte beruft sich sowohl auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache als auch auf eine Abweichung von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG). Damit kann sie keinen Erfolg haben. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist eine Rechtssa- che, wenn sie eine Rechtsfrage grundsätzlicher Art aufwirft, die klärungsbedürftigist. Die Frage darf sich nicht unmittelbar und ohne weiteres aus dem Gesetz be- antworten lassen oder bereits von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ent- schieden sein (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 4). Diese Voraussetzung erfüllt die von der Beklagten herausgestellte Frage nicht. Das BSG hat diese Frage zwar noch nicht ausdrücklich entschieden, es sind jedoch zur Auslegung vergleichbarer Regelungen schon höchstrichterliche Entscheidungen ergangen, die ausreichende Anhaltspunkte zu ihrer Beantwortung geben (vgl allgemein Kummer, Die Nichtzu- Iassungsbeschwerde, 1990, RdNr 117). Dabei ist mit dem Bundesverfassungs- ericht (BVerfG) davon auszugehen, daß die Wiederauflebensregelung im Sozial- versicherungsrecht mit den entsprechenden Bestimmungen im Beamten- und Kriegsopferversorgungsrecht vergleichbar ist, weil hier das gleiche familienpoliti- sche Problem vom Gesetzgeber übereinstimmend gelöst worden ist (vgl BVerfGE 38, 187, 203 ff, 205). Mithin kann die zu den anderen Rechtsgebieten vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung auch für die Beurteilung der An- rechnung von (fiktiven) Unterhaltsansprüchen im Rahmen des § 1291 Abs 2 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) herangezogen werden. Insofern ist zu beachten, daß nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 25. Januar 1961 (BVerwGE 11, 350) das Witwengeld der wieder- verheirateten Beamtenwitwe nach der Scheidung der zweiten Ehe auch dann wie- derauflebt, wenn die Ehegatten eigens zu diesem Zweck die Scheidung betrieben haben. In solch einem Fall dürfen selbst tatsächliche Zuwendungen des geschiede- nen zweiten Ehemannes, auf die kein Anspruch besteht, nicht den in der Wieder- auflebensregelung behandelten Unterhaltsansprüchen gleichgestellt und wie diese auf das Witwengeld angerechnet werden (vgl BVerwGE 11, 350, 354). Dieser - 4 - Rechtsprechung hat sich das BSG bereits für den Bereich der Kriegsopferversor- gung angeschlossen. In seinem Urteil vom 2. Oktober 1975 hat es ausgeführt, daß der Anspruch auf Witwenversorgung seit Inkrafttreten des RRG 1972 umso sicherer, ungefährdeter und vollständiger - nämlich ohne Anrechnung etwaiger Unterhaltsansprüche - wiederauflebt, wenn die Ehe aus dem Alleinverschulden der Frau geschieden worden ist (vgl BSGE 40, 260, 262 = SozR 3100 § 44 Nr 5 Seite 14). Da keine Gesichtspunkte ersichtlich sind, warum diese Beurteilung nicht auch in der gesetzlichen Rentenversicherung Geltung beanspruchen kann, ist insofern keine weitere höchstrichterliche Klärung erforderlich. Auch die gerügte Abweichung des LSG von dem Urteil des BSG vom 25. Mai 1971 (BSG SozR Nr 31 zu § 1291 RVO) liegt nicht vor (vgl § 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Denn die letztgenannte Entscheidung ist zu der alten, durch das RRG 1972 geänderten Fassung des § 1291 RVO ergangen. Zwar ist der Wortlaut der An- rechnungsbestimmung selbst gleichgeblieben, jedoch wird deren Auslegung durch den Wegfall der Verschuldensklausel in der Wiederauflebensregelung entscheidend beeinflußt (vgl BSGE 40, 260, 264 = SozR 3100 § 44 Nr 5 Seite 16). Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG, 12/11 BA 116/75 vom 02.03.1976, Bundessozialgericht
anselmf
SozR 1500 § 160 Nr 17
Bundessozialgericht 12/11 BA 116/75 Beschluß in dem Rechtsstreit Kläger und Beschwerdeführer gegen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Berlin 57, Ruhrstreße 2, Beklagte und Beschwerdegegnerin„ Der 12. Senat des Bundessczielgerichts hat am 2. März 1976 durch den Vorsitzenden Richter Dr. H. und die Richter Dr. F. und O. beschlossen: Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 16 Juli 1975 wird als unzulässig verworfen. Anßergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. - 2 - Gründe: Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers_ist als unzu- lässig zu verwerfen (§ 169 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Da der Kläger seine Nichtzulassungsbeschwerde allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs.2 Nr. 1 SGG) stützt, hätte er in der Beschwerdebegründung hinreichend die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darlegen müssen (§ 160 a Abs. 2 Satz 3 SGG. Das ist nicht geschehen. Das Landessozialgericht (LSG) hat es, wie bereits die Beklagte und das Sozialgericht (SG), abgelehnt, dem Kläger auf dessen Antrag gemäß Art. 2 § 49 a Abs. 2 des Ange stelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes zu gestatten, freiwillige Beiträge (§ 40 des Angestelltenversicherungs- gesetzes -AVG-) für die Zeiten vom 1. Januar 1956 an bis 31. Dezember 1973 nachzuentrichten. Die Voraussetzungen der Nachentrichtung hat das LSG damit verneint, der Kläger habe weder seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland, da er seit Jahrzehnten in den Vereinigten Staaten von Amerika lebe, noch sei er Deutscher i.S. des Art. 116 Abs. 4 des Grundgesetzes, da er seit 1944 ameri- kanischer Staatsbürger sei. Die Nachentrichtung sei auch nicht auf Grund der in Art. IV Abs. 2 des Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages zwischen der Bundes- republik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. Oktober 4954 verfügten Inländerbehand- lung gerechtfertigt„ Nach dem eindeutigen Wortlaut und dem Sinn dieser Vorschrift erstrecke sich diese Inländer- behandlung nur auf Leistungen. Die in Abs. 4 des Art. IV genannten "anderen Vorteile" seien in Abs. 2 ausdrücklich - 3 - nicht erwähnt. Der Bundesminister für Arbeit (BMA) habe in seinem Erlaß vom 10 Oktober 1956 (abgedruckt in: Deutsche Sozialversicherungsabkommen mit ausländischen Staaten, XVI USA, Art. IV des Freundschaftsvertrags, An. 1) in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Vorschriften über die freiwillige Versicherung (§ 21 AVG damaliger Fassung)‘ durch den Vertrag nicht berührt würden, weil Art, IV die Gleichbehandlung nur in bezug auf die innerstaatlichen Vor- schriften vorschreibe, die Leistungen aus der Sozialversi- cherung oder der Arbeitslosenversicherung vorsehen. Das Recht auf Selbstversicherung stelle jedoch keine Leistung· dar. Der Kläger möchte der Sache deshalb grundsätzliche Bedeutung beimessen, weil das Bundessozialgericht bisher über die Auslegung des Art. IV Ab. 2 des Freundschaftsvertrages im Hinblick auf das Recht der Selbstversicherung noch nicht entschieden habe, eine solche Entscheidung aber für eine Unzahl gleichgelagerter Fälle bedeutsam sei. Der Vertrags- text des Art. IV Abs. 2 des Vertrages sei nicht so eindeu- tig, daß sich bereits von vornherein die Rechtsfrage nicht stelle. Wie er näher ausführt, hält er die Inländerbehand- lung auch bei der Anwendung des Rechts zur Selbstversiche- rung für zulässig. Diese Ausführungen des Klägers entsprechen nicht den Anfor- derungen an die dem Beschwerdeführer obliegende Pflicht, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen (§ 460 a Abs. 2 Satz 5 SGG). Eine Rechtsfrage hat u.a. nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie klärungsbedürftig ist. Dies ist aber regelmäßig dann zu verneinen, wenn - wie hier - die Beantwortung der Rechtsfrage so gut wie unbestritten ist (Weyreuther, Revisionszulassung und Nicht- zulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, NJW-Schriften 14, RdNr. 65 mit weiteren Hin- - 4 - weisen auf die höchstrichterliche Rechtsprechung). Der Kläger hätte daher, um die Ausnahme darzutun, im einzelnen darlegen müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten und inwie- fern sie im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist. Zu einer solchen Darlegung mußte sich der Kläger im vorliegenden Fall schon deshalb gedrängt fühlen, weil sich das LSG in seiner - Begründung noch ausdrücklich auf den gegen die Auffassung des · Klägers sprechenden, den Inhalt des Vertrages klarstellenden Erlaß des BMA vom 10. Oktober 1956 gestützt hat. Auf den Er- laß ist der Kläger aber überhaupt nicht eingegangen. Das·wäre jedoch erforderlich gewesen. Bei der Auslegung von Sozial- versicherungsabkommen - hier des Freundschaftsvertrages - ist nämlich die Auffassung des beim Zustandekommen eines solchen Abkommens beteiligten Fachministers wegen dessen Kenntnis der Zusammenhänge und der mit dem Abkommen verbundenen Verstellun- gen beider Vertragsteile von nicht geringer Bedeutung. Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des § 195 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment Dienstag, 5. Mai 2015
BVerwG 11 VR 3.97 vom 21.03.1997, Bundesverwaltungsgericht
anselmf
BVerwG 11 VR 3.97
In der Verwaltungsstreitsache hat der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 21. März 1997 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. D. und die Richter am Bundes- verwaltungsgericht Prof. Dr. B. und Dr. R. beschlossen: Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller zu 1 als Gesamtschuldner und der Antragsteller zu 2 jeweils zur Hälfte. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8 000 DM festgesetzt.- 2 - G r ü n d e : I. Die Antragsteller sind Eigentümer von bebauten Grundstücken entlang des Bundesschienenweges Uelzen - Stendal, der nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz als Ausbaustrecke (Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Schiene Nr. 8) auszubauen ist. Diese Strecke stellte bis 1945 die kürzeste Verbindung zwischen dem mitteldeutschen Raum und den Nordseehäfen dar und wurde zweigleisig betrieben. Im Juli 1945 wurde der Eisenbahnbetrieb zwischen den Grenzbahnhöfen von Sachsen- Anhalt und Niedersachsen eingestellt. In den folgenden Jahren wurden die Gleisanlagen in Grenznähe vollständig abgebaut und im weiteren Streckenabschnitt zwischen Wieren und Uelzen eingleisig zurückgebaut. Zur Realisierung der Ausbaustrecke hat die Deutsche Bahn AG die auf die Elektrifizierung beschränkte Planfeststellung beantragt. Für die den Streckenabschnitt Stederdorf - Uelzen betreffenden Planfeststellungsabschnitte 25 und 26 wird derzeit das Planfeststellungsverfahren durchgeführt. Im Planfeststellungsabschnitt 25 hat die Auslegung der Planfeststellungsunterlagen bereits stattgefunden. Die Einwendungsfrist ist abgelaufen. Die Antragsteller haben Einwendungen erhoben. Die den Planfeststellungsabschnitt 26 betreffenden Planfeststellungsunterlagen liegen derzeit öffentlich aus. Es ist beabsichtigt, die Einwendungen zu beiden Planfeststellungsabschnitten in einem gemeinsamen Termin zu erörtern. Die Antragsteller haben am 11. Februar 1997 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Sie befürchten, daß ihre Grundstücke durch den Ausbau erheblich an Wert verlieren, weil trotz der zu erwartenden Lärmbelästigung keine Lärmschutzmaßnahmen - 3 - vorgesehen seien. Sie vertreten die Auffassung, daß es sich bei der Ausbaumaßnahme um eine wesentliche Änderung eines Schienenweges handele, weil die Bahnstrecke in den Jahren 1984/1985 in eine eingleisige Strecke zurückgestuft worden sei. Deswegen sei die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte im Sinne der 16. Bundesimmissionsschutzverordnung durch Lärmschutzmaßnahmen sicherzustellen. Darüber hinaus seien Kreuzungsbauten im Sinne des Eisenbahnkreuzungsgesetzes vorzusehen. Die Deutsche Bahn AG wolle sich diesen Konsequenzen aber entziehen, indem sie - ebenso wie die Antragsgegnerin - die Rückstufung der Strecke bestreite, die Einsicht in die entsprechenden Unterlagen verweigere, diese Unterlagen trotz zeitweiligen Vorlageverlangens der Anhörungsbehörde zurückhalte und nicht den ausgelegten Planunterlagen beifüge. Ohne Offenlegung dieser Akten dürfe das Planfeststellungsverfahren nicht weiterbetrieben werden. Andernfalls würden die Rechte der Antragsteller verletzt, insbesondere ihr Recht auf Eigentum und Gesundheit. Das Akteneinsichtsrecht der Antragsteller ergebe sich aus § 29 VwVfG, aus §§ 4 und 5 UIG sowie unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG. Dieses Recht müsse im Wege der beantragten einstweiligen Anordnung bereits jetzt gewährt werden. Andernfalls sei eine ordnungsgemäße Wahrnehmung ihrer Rechte im Planfeststellungsverfahren nicht möglich. Darüber hinaus liefen sie Gefahr, im späteren gerichtlichen Verfahren mit ihren Einwendungen präkludiert zu sein. Effektiver Rechtsschutz sei nicht gewährleistet, da möglichen Planungsalternativen, die sich aus der vollständigen Kenntnis aller Planungsunterlagen ergeben könnten, im Rahmen einer bloß nachträglichen Rechtskontrolle kein maßgebliches Gewicht mehr zukomme. § 44 a VwGO stehe dem Antrag nicht entgegen. Die Antragsteller beantragen, der Antragsgegnerin aufzugeben, den Antragstellern Akteneinsicht in die eigenen Rückstufungsakten für die Bahnlinie Wieren-Uelzen von zweigleisigem Verkehr auf dauernd eingleisigen Verkehr gemäß Erlaß vom 22. Februar 1984 zu Aktenzeichen E 15/32.38.02/428 Bb 83 zu gewähren, hilfsweise, - 4 - der Antragsgegnerin aufzugeben, die Rückstufungsakten für die Bahnlinie Wieren-Uelzen von zweigleisigem Verkehr auf dauernd eingleisigen Verkehr gemäß Erlaß vom 22. Februar 1984 zu Aktenzeichen E 15/32.38.02/428 Bb 83 der Bezirksregierung Lüneburg im Anhörungsverfahren zur Planfeststellung betreffend VDE Nr. 3, Bahnlinie Uelzen-Stendal vorzulegen. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen. Sie hält den Antrag wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses für unzulässig, weil den Antragstellern der Inhalt der Akten, in die Einsicht begehrt werde, bereits bekannt sei. Wenn seitens der Antragsgegnerin davon die Rede gewesen sei, die fragliche Strecke sei entwidmet worden, so habe es sich um eine unverbindliche Einschätzung der Rechtslage gehandelt, die später im Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wieder revidiert worden sei. Jedenfalls sei der Antrag unbegründet. Ein Anspruch auf Einsicht in die Akten der Antragsgegnerin bzw. auf Vorlage der Akten an die Anhörungsbehörde stehe der Antragsgegnerin - insbesondere nach § 29 VwVfG - nicht zu. - 5 - II. 1. Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäß § 5 Abs. 1 VerkPBG berufen, über den Antrag der Antragsteller auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zu entscheiden. Der Gesetzeszweck dieser Vorschrift verlangt ihre weite Auslegung dahin, daß sie alle Verwaltungsstreitverfahren erfaßt, die einen unmittelbaren Bezug zu konkreten Planfeststellungsverfahren oder Plangenehmigungsverfahren für Vorhaben nach § 1 VerkPBG haben (BVerwG, Beschluß vom 22. November 1995 - BVerwG 11 VR 42.95 - Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 5). Ein solcher unmittelbarer Bezug zu den Planfeststellungsverfahren in den Planfeststellungsabschnitten 25 und 26 der Ausbaustrecke Uelzen - Stendal (Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Schiene Nr. 8) ist noch zu bejahen. Er ergibt sich daraus, daß die streitbefangenen Akten diesen Streckenabschnitt betreffen und die Antragsteller - wie vor allem aus ihrem Hilfsantrag hervorgeht - den Akteninhalt zum Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens machen wollen. Auch die Anhörungsbehörde des Planfeststellungsverfahrens hat zeitweise die Beiziehung der Akten für erforderlich gehalten. 2. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung bleibt ohne Erfolg. Die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 VwGO liegen nicht vor. Die Antragsteller haben einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Mit ihrem Antrag auf Akteneinsicht begehren die Antragsteller keine vorläufige Maßnahme, sondern die Vorwegnahme der Hauptsache. Ein solches Rechtsschutzziel widerspricht grundsätzlich der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes (BVerwG, Beschluß vom 14. Dezember 1989 - BVerwG 2 ER 301.89 - Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 15). Etwas anderes muß im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) allerdings gelten, wenn ohne vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der- 6 - Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfGE 46, 166 <179>; 79, 69 <74>). Solche Nachteile drohen den Antragstellern nicht. Sie machen geltend, ohne Kenntnis des Akteninhalts an der ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer Rechte im Planfeststellungsverfahren gehindert zu werden, weil sie mit späteren Einwendungen ausgeschlossen werden könnten und eine Alternativplanung nicht rechtzeitig erarbeitet werden könnte; ein einmal ergangener Planfeststellungsbeschluß schaffe vollendete Tatsachen, die durch nachträglichen Rechtsschutz erfahrungsgemäß nicht mehr beseitigt würden. Das trifft jedoch nicht zu. Die Antragsteller sind auch ohne Zuerkennung des beantragten vorläufigen Rechtsschutzes nicht gehindert, ihre Einwendungen in den die Planfeststellungsabschnitte 25 und 26 betreffenden Planfestellungsverfahren in einer den Anforderungen des § 20 AEG entsprechenden Weise vorzubringen. Das belegen bereits ihre Ausführungen in der Antragsschrift im vorliegenden Verfahren. Die Planfeststellungsbehörde kann hieraus ohne weiteres entnehmen, daß sie Lärmschutzmaßnahmen zur Sicherung des Immissionsgrenzwertes des § 2 der 16. BImSchV für erforderlich halten, weil nach ihrer Ansicht die planfestzustellende Maßnahme die Voraussetzungen einer wesentlichen Änderung von Schienenwegen im Sinne des § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der 16. BImSchV erfüllt. Die damit von den Antragstellern aufgeworfene Rechtsfrage könnte weder im vorliegenden Eilverfahren noch durch die begehrte Akteneinsicht verbindlich entschieden werden. Dies könnte erforderlichenfalls erst in einem gegen den Planfeststellungsbeschluß gerichteten verwaltungsgerichtlichen Verfahren geschehen. Es ist nicht erkennbar, daß diese Rechtsschutzmöglichkeit im Hinblick auf das im Planfeststellungsverfahren verfolgte Begehren der Antragsteller nicht mehr zeitgerecht oder inhaltlich, insbesondere im Hinblick auf die Kontrolle von Verfahrensfehlern, Planrechtfertigung oder Abwägungsmängeln, unzureichend wäre. Soweit die Antragsteller faktische Nachteile durch einen auf die nachträgliche Kontrolle der Sachentscheidung beschränkten Rechtsschutz rügen, wenden sie - 7 - sich in Wahrheit gegen die Entscheidungen des Gesetzgebers zu Art und Umfang des gerichtlichen Rechtsschutzes gegenüber Planfeststellungsverfahren im allgemeinen und gegenüber solchen auf der Grundlage des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes im besonderen, deren Verfassungsmäßigkeit sie allerdings selbst nicht in Frage stellen. Es kann aber nicht Aufgabe des vorliegenden Eilverfahrens sein, diese gesetzgeberischen Entscheidungen der Sache nach wieder aufzuheben oder zu umgehen. Art. 19 Abs. 4 GG gebietet dies jedenfalls nicht. Die Antragsteller haben auch keinen weitergehenden Anspruch darauf, ihre Rechtsposition noch vor Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses gerichtlich bestätigt zu erhalten oder die Planfeststellungsbehörde noch während des laufenden Planfeststellungsverfahrens zur Übernahme der Rechtsauffassung der Antragsteller gerichtlich zu zwingen. Schon von daher sind im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG bedeutsame rechtliche oder tatsächliche Nachteile der Antragsteller in dem Planfeststellungsverfahren durch die Ablehnung des beantragten Erlasses einer einstweiligen Anordnung nicht erkennbar. Das gilt nicht zuletzt deshalb, weil die Antragsteller davon ausgehen, daß bereits durch die unstreitig gegebene dauernde Betriebseinstellung eine "Entwidmung" des zweiten Gleises stattgefunden habe, so daß dessen Wiederinbetriebnahme Lärmschutzmaßnahmen im Sinne der 16. BImSchV erforderlich mache. Mithin kommt es nach der Rechtsauffassung der Antragsteller für die Frage, ob sie Einwendungen gegen das Vorhaben bzw. gegebenenfalls Klage gegen den Planfeststellungsbeschluß erheben werden, auf das Vorhandensein und den Inhalt der begehrten Unterlagen nicht an. - 8 - 3. Auch hinsichtlich des Hilfsantrages haben die Antragsteller einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Das ergibt sich aus den unter 2 wiedergegebenen Erwägungen. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 159 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 20 Abs. 3 GKG in Verbindung mit § 5 ZPO. Dr. D. Prof. Dr. B. Dr. R. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG 11 RAr 89/94 vom 30.11.1994, Bundessozialgericht
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BUNDESSOZIALGERICHT
Beschluß in dem Rechtsstreit Az: 11 RAr 89/94 Kläger, Antragsteller und Revisionsführer, Prozeßbevollmächtigter: gegen Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg, Regensburger Straße 104 Beklagte, Antragsgegnerin und Revisionsbeklagte. Der 11. Senat des Bundessozialgerichts hat am 30. November 1994 durch den Vorsitzenden Richter S. , die Richterin Dr. W. - S. und den Richter Lüdtke beschlossen: Der Antrag des Klägers, ihm für die Revision gegen das Urteil des Hessischen Landes- sozialgerichts vom 17. Dezember 1993 Prozeßkostenhilfe zu gewähren und Rechtsanwalt Dr. B. beizuordnen, wird abgelehnt. - 2 - Gründe: Die Revision betrifft einen Anspruch auf Überlassung von Ablichtungen aus den den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA). Der Kläger war bis 1980 als Diplom-Ingenieur und Filialleiter beschäftigt. Seit Mai 1980 begehrt er von der BA die Vermittlung in eine Stellung als Generalmanager. Seither ist es zu einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten zwischen den Beteiligten gekommen. Der Kläger argwöhnt, zu einer entsprechenden Vermittlung sei es wegen der fachlich unzu- reichenden und gegen ihn persönlich voreingenommenen Vermittlungstätigkeit des Bediensteten Gerd L beim Büro für Führungskräfte der Wirtschaft der BA nicht ge- kommen. Den auch mit der Revision verfolgten Antrag, "dem Kläger Ablichtungen sämt- licher Bewertungen, Beschreibungen, Charakterisierungen und ähnlicher Aktenvermerke zu überlassen, die Herr L in dem Zeitraum von Dezember 1980 bis Dezember 1991 über ihn abgegeben bzw gefertigt hat", hat die BA abgelehnt (Bescheid vom 19. März 1987; Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 1988). Die dagegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 3. Dezember 1991 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, die BA habe den Kläger auf die Akteneinsicht verweisen dürfen. Nach § 25 Abs 5 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) sei die BA lediglich verpflichtet, dem Kläger im Rahmen der Akteneinsicht Ablichtungen von durch ihn genau (mit Blattzahl oder Datum) bezeichneten Aktenteilen zu erteilen. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) als unzulässig verworfen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter. II Die zur Durchführung der Revision nachgesuchte Prozeßkostenhilfe und Beiordnung seines Prozeßbevollmächtigten steht dem Kläger nicht zu, denn seine Rechtsverfolgung hat nicht hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 Sozialgerichtsgesetz ; § 114 Satz 1 Zivilprozeßordnung . 1. Entscheidend für die Beurteilung der Erfolgsaussicht ist nicht das voraussichtliche Ergebnis des Revisionsverfahrens, sondern eine Aussicht auf Erfolg in der Sache selbst. Dies ergibt sich aus Wortlaut und Zweck der §§ 114 Satz 1, 119 Satz 2 ZPO, auf die § 73a Abs 1 SGG Bezug nimmt. Die Prozeßkostenhilfe soll wirtschaftlich unbemittelten Prozeßbeteiligten annähernd gleichen Zugang zu den Gerichten gewähren wie denjeni- - 3 - gen, die die dafür erforderlichen Kosten selbst aufbringen können. Die Gleichstellung ist nur soweit geboten, als ein wirtschaftlich denkender, die Prozeßaussichten vernünftig ab- wägender Prozeßbeteiligter das verfahrensrechtliche Kostenrisiko in Kauf nehmen würde (BVerfGE 81, 347, 356 ff = NJW 1991,413 f; BGH NJW 1994,1160 f mwN). Aus alledem folgt für den hier zu beurteilenden Sachverhalt, daß die Zulassung der Revision durch den Senat noch nicht die hinreichende Aussicht auf Erfolg für den vom Kläger geltend ge- machten Anspruch begründet. Der Senat hat die Revision allein deswegen zugelassen, weil der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde eine Abweichung des LSG von Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in einer den Zugang zum Berufungs- rechtszug betreffenden Frage bezeichnet hat. Bei dieser Verfahrenslage besteht aber die Möglichkeit, daß der Kläger mit der Klage keinen Erfolg haben wird, weil der Senat auf- grund des festgestellten Sachverhalts eine abschließende Entscheidung zum Nachteil des Klägers fällt oder das LSG im Falle der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache im Ergebnis gleichsinnig entscheiden wird. Ein solches Ergebnis ist im vorliegenden Falle absehbar, weil sich für den geltend gemachten Anspruch eine rechtliche Grundlage nicht wird feststellen lassen. 2. Das Begehren des Klägers, ihm Ablichtungen aus den Verwaltungsakten zu über- lassen, die die BA nach abstrakten Vorgaben des Klägers konkretisiert, unterliegt durch- greifenden materiell-rechtlichen Bedenken. Der Kläger wird voraussichtlich keinen Erfolg haben, weil für sein Anliegen, ihm nach abstrakten Merkmalen abzugrenzende Aktenteile abgelichtet zur Verfügung zu stellen, eine gesetzliche Grundlage nicht ersichtlich ist. In Betracht zu ziehen ist hierfür allein § 25 Abs 5 SGB X. Nach dieser Vorschrift können die Beteiligten Auszüge oder Abschriften selbst fertigen oder sich Ablichtungen durch die Behörde erteilen lassen, soweit die Akteneinsicht zu gestatten ist. Wortlaut, systemati- scher Zusammenhang und Zweck der Vorschrift stützen den geltend gemachten An- spruch nicht. Sie begründet zwar einen Anspruch auf die Erteilung von Ablichtungen, die die Behörde herstellt, soweit der Anspruch auf Akteneinsicht reicht. In diesen Grenzen besteht der Anspruch auf Erteilung von Ablichtungen alternativ zu der eigenen Anfertigung von Aktenauszügen oder Abschriften. Er ergänzt den Anspruch auf Akteneinsicht, indem er dem Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit einräumt, das Ergebnis der Akteneinsicht zur weiteren Verwendung zu fixieren. Ist der Anspruch auf Erteilung von Abschriften aber darauf gerichtet, das Ergebnis eigener Akteneinsicht durch den Verfahrensbeteiligten festzuhalten, setzt er die Akteneinsicht, die die BA dem Kläger angeboten hat, und die genaue Bezeichnung der Aktenteile durch den Verfahrensbeteiligten voraus, die abge- lichtet werden sollen. In ihrem Schriftsatz an das SG vom 31. August 1988 hat die BA er- klärt, daß sie auch bereit sei, einem in solcher Weise bezeichneten Antrag gegen Kostenerstattung zu entsprechen. Den erörterten Anforderungen genügt der Antrag des Klägers nicht, denn er gibt der BA nur abstrakt generelle Merkmale für Aktenteile vor, von denen er Ablichtungen beansprucht. Dies führt dazu, daß die Akteneinsicht nicht vom - 4 - Kläger vorgenommen wird, sondern der BA die Aktendurchsicht und die Prüfung des Akteninhalts nach den vom Kläger vorgegebenen Merkmalen zugemutet wird. Einen An- spruch auf eine derartige Leistung der BA begründet aber § 25 Abs 5 SGB X nicht. Zwar ist die Akteneinsicht im Verfahren der Sozialleistungsträger nicht begrenzt, "soweit durch sie die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt würde" (vgl § 29 Abs 2 Verwaltungsverfahrensgesetz . Eine entsprechende Regelung des Regierungsentwurfs zum SGB X wurde gestrichen, um "eine notwendige Anpassung an die speziellen Bedürfnisse der Sozialleistungsverwaltung" vorzunehmen (Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren und Schutz der Sozialdaten - Kommentar, § 25 RdNr 4). Daraus läßt sich aber eine Auslegung des § 25 Abs 5 SGB X im Sinne der Revision nicht herleiten. Abgesehen von den erörterten Grenzen des An- spruchs auf Erteilung von Ablichtungen enthielte ein dem Antrag des Klägers entspre- chendes Vorgehen die Gefahr weiterer Streitigkeiten zwischen den Beteiligten. Dies gilt um so mehr, als der Kläger ohnehin argwöhnt, ihm würden von der BA Aktenteile vorent- halten. Im übrigen gibt der Rechtsstreit Anlaß zu dem Hinweis, daß auch das Recht, Ab- lichtungen von Aktenbestandteilen zu verlangen, seinem Umfang nach durch die allge- meinen Grundsätze zulässiger Rechtsausübung (§§ 226, 242 BGB) begrenzt wird. 3. Da dem Kläger ein Anspruch auf Ablichtungen in der beantragten Form nicht zusteht und die Beklagte ihm Akteneinsicht einräumt, kommt es für die Entscheidung nicht darauf an, ob der Kläger ein Recht auf Akteneinsicht nach § 25 Abs 1 SGB X hat, das Voraus- setzung für den Anspruch auf Erteilung von Ablichtungen nach § 25 Abs 5 SGB X ist. Auch gegenüber einem Anspruch des Klägers auf Akteneinsicht bestehen hier allerdings Bedenken. Der Gesetzgeber hat den Grundsatz der Aktenöffentlichkeit für Verfahrensbeteiligte nicht unumschränkt eingeführt. Grundsätzlich besteht ein Recht auf Akteneinsicht für Verfah- rensbeteiligte - unter weiteren noch zu erörternden Voraussetzungen und Einschränkun- gen - nur für Beteiligte während eines Verwaltungsverfahrens. Begriff und Dauer des Verwaltungsverfahrens sind dabei nach überwiegender Ansicht §§ 8, 18 SGB X zu ent- nehmen. Unter Verwaltungsverfahren ist nach § 8 SGB X nur eine Behördentätigkeit zu verstehen, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlaß eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist. Aus dieser Begrenzung ist der Schluß gezogen worden, die Vorschriften des 2. Abschnittes (§§ 8 bis 30 SGB X) seien nicht auf eine Verwaltungstätigkeit zu beziehen, die - hier nicht einschlägig - auf den Erlaß von autonomen Rechtssätzen oder allgemeinen Verwaltungsvorschriften oder - wie hier - das schlichte Verwaltungshandeln gerichtet ist (Hauck/Haines aaO § 8 RdNr 11; Kommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenver- sicherung - Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren , § 8 SGB X RdNr 5 - Stand Juli 1989 -; Krause/von Mutius/Schnapp/Siewert, Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren, 1991, § 8 - 5 - RdNr 10). Die auf die Arbeitsvermittlung des Klägers gerichtete Tätigkeit der BA ist aber nicht auf Erlaß eines Verwaltungsaktes oder Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertra- ges gerichtet, sondern schlichtes Verwaltungshandeln (Gagei, AFG, § 13 RdNr 20), so daß für diesen Tätigkeitsbereich ein Recht des Klägers auf Akteneinsicht nach § 25 Abs 1 8GB X nicht begründet ist. Diesen Rechtszustand hat allerdings schon die Begründung des Regierungsentwurfs zu dem insoweit übereinstimmenden § 29 Abs 1 VwVfG (= § 25 des Entwurfs) für unbefriedigend gehalten (BT-Drucks 7/910 S 52). Ob gegenüber der Absicht des Gesetzgebers, die Akteneinsicht zu begrenzen, eine erweiternde Auslegung in Betracht kommt, ist hier nicht zu entscheiden. Die Begrenzung des Anspruchs auf Akteneinsicht kann einer "Justifizierung" des schlichten Verwaltungshandelns im Bereich der 8ach- und Dienstleistungen entgegenwirken und damit der Effizienz der Verwaltung dienen (so Hauck/Haines aaO § 8 RdNr 11). Die praktischen Folgen der gesetzlichen Regelung lassen sich aber dadurch mildern, daß sie nicht als abschließende Regelung verstanden wird, so daß es im pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltung steht, darüber zu befinden, ob sie auch im Bereich des schlichten Verwaltungshandelns Akteneinsicht gewährt (BT-Drucks aaO; BVerwGE 61, 15, 22). Dem hat die BA entsprochen, indem sie dem Kläger die Möglichkeit eröffnet hat, Akteneinsicht zu nehmen. Der Kläger hat jedoch von der ihm gebotenen Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, so daß er nicht in der Lage war, die für Ablichtungen in Betracht kommenden Aktenteile zu bezeichnen. Problematisch ist im zu beurteilenden Falle auch, ob die Akteneinsicht dem Kläger Kennt- nis zur Geltendmachung oder Verteidigung seiner rechtlichen Interessen verschaffen soll, wie es § 25 Abs 18GB X für das Recht auf Akteneinsicht erforderlich macht. Die behaupteten Zweifel an der Qualifikation und Neutralität eines Bediensteten der BA dürf- ten allein nicht ausreichen, um ein rechtliches Interesse iS des § 25 Abs 18GB X zu begründen. Der Begriff des rechtlichen Interesses ist enger als derjenige des berechtigten Interesses. Ein rechtliches Interesse ist nur gegeben, wenn die Akteneinsicht darauf ge- richtet ist, tatsächliche Unsicherheiten über ein Rechtsverhältnis zu klären, ein rechtlich relevantes Verhalten nach dem Ergebnis der Einsichtnahme zu regeln oder eine ge- sicherte Grundlage für die Verfolgung eines Anspruchs zu erhalten (vgl BT-Drucks 7/910 8 53). Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Kenntnis von früheren Äußerungen eines Bediensteten der BA für das rechtliche Interesse des Klägers an einer Arbeitsvermittlung von Bedeutung sein soll. Denkbar wäre allerdings, daß die Akteneinsicht tatsächliche Grundlagen für vermeintliche Schadensersatzansprüche gegen die BA oder einen ihrer Bediensteten zutage fördern soll. Die BA hat dem Kläger Akteneinsicht und damit die Möglichkeit eröffnet, seine Interessen wahrzunehmen. Damit ist auch dem Gedanken des rechtlichen Gehörs Rechnung getragen (Schroeder-Printzen/Engelmann/Schmalz/ Wiesner/von Wulffen, SGB X, 2. Aufl 1990, § 25 Anm 2). Zweifelhaft ist schließlich, ob sich ein Recht auf Akteneinsicht nach § 25 Abs 18GB X auf sämtliche vom Kläger allgemein umschriebenen Aktenbestandteile erstrecken könnte. - 6 - Nach Satz 2 der Vorschrift erstreckt sich die Akteneinsicht nicht auf Arbeiten zur unmittel- baren Vorbereitung einer Entscheidung. Darunter dürfte wegen des sachlichen Zusam- menhangs der Regelung nur ein Verwaltungsakt oder eine Erklärung zu einem öffentlich- rechtlichen Vertrag zu verstehen sein. Darum geht es bei der Arbeitsvermittlung - wie ausgeführt - nicht. Im Rahmen einer Ermessensentscheidung der BA über die Bewilligung von Akteneinsicht wäre aber der Rechtsgedanke des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB X als eine dem Zweck der Ermächtigung entsprechende Ermessenserwägung (§ 39 Abs 1 SGB I) geeignet, die Akteneinsicht sinnvoll zu begrenzen. Die Beschränkung der Akteneinsicht nach § 25 Abs 1 Satz 2 SGB X soll nämlich dazu dienen, nicht abschließend durchge- arbeitete Entwürfe als Interna zu behandeln. Damit sollen letztlich unergiebige Streitigkeiten vermieden werden. Bereits im Regierungsentwurf zum VwVfG wird auf die "totale Aktentransparenz" als Gefahr für die Qualität des Verwaltungshandelns hingewiesen (vgl BT-Drucks 7/910 S 53). 4. Da dem Kläger Prozeßkostenhilfe schon deshalb nicht zusteht, weil ein Anspruch auf Erteilung von Ablichtungen nach § 25 Abs 5 SGB X nur bei genauer Bezeichnung der in Betracht kommenden Aktenbestandteile in Betracht kommt, hat der Senat nicht zu prüfen, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung mutwillig erscheint. Dies ist der Fall, wenn Rechte von einer wirtschaftlich denkenden Partei nicht in dieser Weise verfolgt würden. Da der Kläger von dem Angebot der BA, Akteneinsicht zu nehmen und genau bezeichnete Ab- lichtungen zu verlangen, nicht Gebrauch gemacht hat, kann der Eindruck entstehen, ihm komme es weniger auf die Kenntnis der Akten als vielmehr darauf an, seinen Willen gegenüber der BA durchzusetzen. Ein solcher Standpunkt enthielte den die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ausschließenden Mutwillen iS des § 114 Satz 1 ZPO. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG 11 RAr 71/91 vom 10.12.1991, Bundessozialgericht
anselmf
BUNDESSOZIALGERICHT
Im Namen des Volkes Urteil in dem Rechtsstreit Az: 11 RAr 71/91 Kläger und Revisionskläger, Prozeßbevollmächtigter: gegen Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg, Regensburger Straße 104, Beklagte und Revisionsbeklagte. Der 11. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 10. Dezember 1992 durch die Richterin Dr. W. - als Vorsitzende -, die Richter L. und Prof. Dr. B. sowie die ehrenamtlichen Richter H. und E. für Recht erkannt : Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. Juli 1991 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage als unzulässig abgewiesen wird. - 2 - Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. - 3 - Gründe: I Die Revision betrifft die uneingeschränkte Einsicht in die schriftlichen Vermitt- lungsvorgänge der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) bei der beklagten Bundesanstalt (BA). Der seit 1980 arbeitslose Kläger beantragte 1982 die Vermittlung durch das Büro für Führungskräfte der Wirtschaft (BFW) bei der ZAV. In der Folgezeit kam es zu zahlreichen Prozessen, wobei der Kläger unzureichende bzw unzulässige Vermittlungsbemühungen von Beamten der ZAV rügte. Am 27. Mai 1983 erhob er Klage vor dem Sozialgericht (SG) Frankfurt/Main - S-1/Ar-404/83 - und verlangte von der BA Auskunft darüber, mit welchen Unternehmen und mit welchem Vermittlungsziel die Beklagte am 24. Juni 1981, 24. Februar 1982, 1. März 1982 und 10. Mai 1982 über ihn gesprochen habe. Dieses Verfahren endete im September 1992 mit einem angenommenen Anerkenntnis, mit welchem die BA sich verpflichtete, das Auskunftsverlangen des Klägers im Widerspruchsverfahren sachlich zu bescheiden. Während des Verfahrens vor dem SG Frankfurt/Main - S-1/Ar-404/83 - beantragte der Kläger Einsicht in die ihn ab 1. Juni 1980 betreffenden Vermittlungsakten der BA. Diese kam dem Anliegen des Klägers weitgehend nach, beschränkte aber die Akteneinsicht, indem sie dem Kläger auf der Bewerberangebotskarte (B/Ank) Feld J und in Band II auf Blatt 72 zur Geheimhaltung personenbezogener Daten Dritter die dort enthaltenen Firmennamen vorenthielt. Mit der am 4. Oktober 1983 erhobenen Klage machte der Kläger die uneingeschränkte Akteneinsicht geltend. Klage und Berufung blieben erfolglos (Urteil SG Frankfurt/Main vom 2. Dezember 1988; Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. Juli 1991). Das LSG bewertete ein Schreiben der BA an den Kläger vom 23. September 1983 und den Schriftsatz vom 15. März 1984 als uneingeschränkte Akteneinsicht ablehnende Verwaltungsakte und die Klageerwiderung vom 8. November 1983 als Widerspruchsbescheid, verneinte jedoch einen Anspruch auf Akteneinsicht. Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die bloße Weigerung von zwei unbekannt gebliebenen Unternehmen, ihre Namen zu verlautbaren, reiche zur Beschränkung der Akteneinsicht nicht aus. Vielmehr komme es auf deren berechtigte Interessen an. Die Offenbarung personenbezogener Daten sei zur Erfüllung sozialer Aufgaben zulässig. Zu diesen gehörten auch die Pflichtaufgaben der BA. Der Arbeitsuchende müsse die Möglichkeit haben nachzuprüfen, ob die BA den Vermittlungsaufgaben im gesetzlichen Rahmen nachgekommen sei. Die Beschränkung - 4 - der Akteneinsicht dürfe nicht dazu dienen, vom Kläger wiederholt angekündigte Amtshaftungsansprüche zunichte zu machen. Hinter diesem Interesse des Klägers hätten die mit nicht näher konkretisierten "grundsätzlichen Erwägungen" begründeten Interessen der Unternehmen zurückzutreten. Im übrigen seien die Unternehmen notwendig beizuladen, weil es auf eine Abwägung der Interessen des Klägers und der Unternehmen ankomme. Ihre Namen würden damit im Verfahren ohnehin offenbar. Der Kläger beantragt, das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. Juli 1991 und das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 2. Dezember 1988 sowie die Bescheide der Beklagten vom 23. September 1983, 8. November 1983 und 15. März 1984 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unbeschränkte, vollständige Akteneinsicht in die über ihn geführten Verwaltungsakten, insbesondere Band II Blatt 72 und Bewerberkarteifeld J einschließlich der eingetragenen Firmennamen zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. II Im Einverständnis mit den Beteiligten hat der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ). Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg, denn das Urteil des LSG beruht nicht auf einer ihn beschwerenden Gesetzesverletzung (§ 170 Abs 1 SGG). Die auf vollständige Akteneinsicht gerichtete Klage ist unzulässig. Nach § 44a Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Der Rechtsgedanke dieser unmittelbar nur im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten geltenden Norm ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren zu beachten. Es handelt sich nämlich um einen Rechtsgedanken des allgemeinen Verfahrensrechts, das Verwaltungsverfahren nicht durch die isolierte Anfechtung von einzelnen Verfahrenshandlungen zu verzögern oder zu erschweren. Das Bundessozialgericht (BSG) hat deshalb § 44a Satz 1 VwGO wiederholt herangezogen, zumal in § 172 Abs 2 SGG in vergleichbarem Zusammenhang der gleiche - 5 - Rechtsgedanke zum Ausdruck gekommen ist (BSG SozR 1500 § 144 Nr 39; BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 3 mwN). Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an. Die Entscheidung der BA über die Begrenzung der Akteneinsicht ist eine behördliche Verfahrenshandlung in dem auf Auskunftserteilung gerichteten Verwaltungsverfahren. Die BA hat über den geltend gemachten Auskunftsanspruch - wie in dem Verfahren vor dem SG Frankfurt/Main - S-1/Ar-404/83 - von ihr anerkannt - eine rechtsmittelfähige Entscheidung zu treffen. Auskunftsanspruch und Akteneinsicht sind auf den gleichen Gegenstand - die Namen von zwei Unternehmen - gerichtet. Auch wenn es sich um prozeßrechtlich zu unterscheidende Streitgegenstände handelt, stimmt der Klagegrund beider Verfahren überein. Unabhängig von der Regelung des § 44a Satz 1 VwGO ist deshalb ein Rechtsschutzbedürfnis für eine gesonderte Anfechtbarkeit der Entscheidung über die Beschränkung der Akteneinsicht nicht ersichtlich. Eine Verletzung des Rechts des Klägers auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 Grundgesetz ) ist bei dieser Sach- und Rechtslage nicht zu befürchten (vgl dazu: BVerfG SozR 3-1300 § 25 Nr 1 = NJW 1991, 415). Der Rechtsschutz des Klägers wäre wirkungsvoller durchzuführen gewesen, wenn er nicht durch die Gleichzeitigkeit verschiedener Verfahren mit dem gleichen Ziel behindert worden wäre (vgl auch: BSG SozR 15OO § 144 Nr 39). Die Revision des Klägers kann nach alledem keinen Erfolg haben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG 11 RAr 61/97 vom 17.12.1997, Bundessozialgericht
anselmf
BUNDESSOZIALGERICHT
Im Namen des Volkes Verkündet am 17. Dezember 1997 Urteil in dem Rechtsstreit Az: 11 RAr 61/97 Klägerin und Revisionsklägerin, Prozeßbevollmächtigte: gegen Bundesanstalt für Arbeit, Regensburger Straße 104, 90478 Nürnberg, Beklagte und Revisionsbeklagte. Der 11. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 1997 durch den Vorsitzenden Richter S. , die Richterin Dr. W. und den Richter L. sowie die ehrenamtlichen Richter D. und B. für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. März 1997 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entschei- dung an das Landessozialgericht zurückverwiesen. - 2 - Gründe: I Der Rechtsstreit betrifft die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg), welches die beklagte Bundesanstalt (BA) dem früheren Arbeitnehmer der Klägerin Kurt J. (J) in der Zeit vom 23. September 1994 bis 30. Juni 1995 gezahlt hat. Die Klägerin schloß im Rahmen eines Sozialplans mit ihrem am 27. April 1935 geborenen Arbeitnehmer J einen Aufhebungsvertrag vom 30. Dezember 1993, mit welchem das Ar- beitsverhältnis - nach den Feststellungen des LSG - gegen Zahlung einer Abfindung von 4.000,00 DM zum 30. Juni 1994 beendet wurde. J war seit dem 26. März 1965 - zuletzt als Meister - bei der Klägerin beschäftigt. Er meldete sich am 7. Juni 1994 arbeitslos und beantragte Alg. Die BA bewilligte die Leistung von einer Sperrzeit vom 1. Juli bis 22. September 1994 ausgehend ab 23. September 1994 in Höhe von 625,20 DM wö- chentlich. J hatte die Möglichkeit in Anspruch genommen, das Alg unter erleichterten Voraussetzungen zu beziehen. Seit dem 1. Juli 1995 erhält er Altersrente wegen Arbeits- losigkeit. Mit einem vorgedruckten Schreiben eröffnete die BA der Klägerin im Januar 1995, sie be- absichtige die Erstattung des an J gezahlten Alg von der Klägerin zu verlangen und er- läuterte die Befreiungstatbestände des § 128 Abs 1 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Die Klägerin erhob in einem Schreiben vom 14. Februar 1995 Einwände gegen die Erstattung, die sich insbesondere auf die Sachaufklärung von anderweitigen sozialrechtli- chen Ansprüchen des J, die Möglichkeit einer betriebsbedingten Kündigung (Umsatzrückgang) und verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Erstattungsregelung bezogen. Mit Bescheid vom 21. Februar 1995 stellte die BA fest, daß die Klägerin verpflichtet sei, das ihrem früheren Arbeitnehmer J ab 23. September 1994 gezahlte Alg für längstens 624 Tage zu erstatten. Die Klägerin erhob Widerspruch und nahm im gleichen Monat Einsicht in die Leistungsakten der BA. Am 5. April 1995 errechnete die BA die von der Klägerin zu erstattenden Leistungen an J für die Zeit vom 23. September 1994 bis 28. Februar 1995 und gab der Klägerin für diesen Zeitraum mit Bescheid vom 6. April 1995 ohne weitere Erläuterung folgende Erstattungsbeträge zur Zahlung auf: Alg 14.046,20 DM (für 136 Leistungstage), Beiträge zur Krankenversicherung 3.522,96 DM, Beiträge zur Rentenversicherung 3.766,55 DM, gesamter Erstattungsbetrag 21.335,71 DM. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 1995 wies die BA den Rechtsbehelf zurück. Zur Begründung ist ausgeführt, aus den "vorliegenden Unterlagen" und dem Vorbringen der - 3 - Widerspruchsführerin ergäben sich keine Anhaltspunkte für Ansprüche auf anderweitige Sozialleistungen iS der §§ 128 Abs 1 Satz 2 AFG. Zur Befreiung nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG reiche die bloße Möglichkeit einer betriebsbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist nicht aus. Ein Aufhebungsvertrag sei nicht geeignet, diesen Befrei- ungstatbestand zu erfüllen. Die von der Klägerin vorgetragenen betriebsbedingten Gründe reichten für eine Kündigung aus wichtigem Grund bei ordnungsgemäßer Sozialauswahl nicht aus. Dieses Verständnis des Gesetzes sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Für den Leistungszeitraum 1. März bis 30. Juni 1995 gab die BA der Klägerin mit Schrei- ben vom 8. November 1995 Gelegenheit, sich zu einem Erstattungsbetrag von 17.351,57 DM zu äußern, nachdem sie J nochmals zu seinem Gesundheitszustand und anderweitigen sozialrechtlichen Ansprüchen befragt hatte. Unter dem 6. Dezember 1995 erließ die BA einen weiteren Erstattungsbescheid für die Zeit vom 1. März bis 30. Juni 1995, wobei sie den Erstattungsbetrag von 17.351,57 DM mit 10.748,70 DM Alg für 105 Leistungstage, Beiträge zur Krankenversicherung 2.274,09 DM und Beiträge zur Renten- versicherung 4.328,78 DM bezifferte. Den der Rechtsbehelfsbelehrung entsprechenden Widerspruch der Klägerin wies die BA mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 1996 zurück, wobei sie sich zur Begründung auf den Bescheid vom 21. Februar 1995 und den Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 1995 berief. Die gegen die Bescheide vom 21. Februar und 6. April 1995 idF des Widerspruchsbe- scheids vom 8. Mai 1995 gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen (Urteil vom 27. November 1995). Das Landessozialgericht (LSG) hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen und die gegen den Bescheid vom 6. Dezember 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 1996 gerichtete Klage abgewiesen. Das LSG ist davon ausgegangen, der Erstattungsbescheid vom 6. Dezember 1995 idF des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 1996 sei entsprechend § 96 Sozialge- richtsgesetz (SGG) kraft Klage Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Sämtli- che Bescheide seien rechtlich nicht zu beanstanden. Sie beruhten auf § 128 AFG in der ab 1. Januar 1993 geltenden Fassung, die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht unter- liege. Die BA sei ohne Verletzung der amtlichen Sachaufklärungspflicht davon ausgegan- gen, im Leistungszeitraum habe J eine andere Sozialleistung, die den Bezug von Alg aus- schließe, nicht zugestanden. Für gesundheitliche Einschränkungen des J, die zu Sozial- leistungen führen könnten, hätten keinerlei Anhaltspunkte bestanden. Befreiungstatbe- stände, die bei sozial gerechtfertigter Kündigung (§ 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG) oder der Möglichkeit zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist (§ 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG) vorlägen, seien nicht gege- ben. Das Interesse der Klägerin an einer "ausgewogenen Altersstruktur" des Betriebes, rechtfertige eine entsprechende Anwendung der erwähnten Befreiungstatbestände auch nicht unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten. Da J gesundheitlich in der Lage ge- - 4 - wesen sei, seine Arbeit fortzusetzen, treffe die Klägerin als Arbeitgeber die die Erstat- tungspflicht begründende Verantwortung für die Arbeitslosigkeit. Die Klägerin habe auch nicht nachgewiesen, daß die Erstattung eine unzumutbare Belastung iS des § 128 Abs 2 Nr 2 AFG darstelle, weil sie den Fortbestand des Unternehmens oder die nach dem Per- sonalabbau verbleibenden Arbeitsplätze gefährde. Immerhin sei sie in der Lage gewesen, den im Rahmen des Sozialplans ausscheidenden Mitarbeitern Abfindungen zu zahlen. Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des Art 12 Grundgesetz (GG), des § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 4 und 5 sowie Abs 2 Nr 2 AFG und der amtlichen Sachaufklärungspflicht. Das Berufungsurteil mit seinem Verständnis des § 128 AFG sei mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit nicht zu vereinbaren. Da das Arbeitsver- hältnis durch Aufhebungsvertrag geendet habe, hätten beide Arbeitsvertragsparteien von ihrer Vertragsfreiheit Gebrauch gemacht, so daß die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht allein im Verantwortungsbereich der Klägerin liege. Bedenken gegenüber der Er- stattungspflicht ergäben sich auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit, denn die gegen Frühverrentungen gerichtete Regelung habe ihren Zweck - wie die Praxis zeige - nicht erreicht. Trotz langjähriger Beitragsentrichtung seien die Vertragsparteien ei- nerseits durch die Erstattungspflicht andererseits durch die gleichfalls verfassungswidrige fiktive Kündigungsfrist des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG gehindert, das freiwillig eingegangene Arbeitsverhältnis zu lösen. Dies führe zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Doppelbe- lastung. Dieser Gesichtspunkt sei in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu § 128 AFG aF unberücksichtigt geblieben. Zu einer verfassungsrechtlich be- denklichen Risikoverteilung komme es auch durch die Regelung des § 105c AFG. Der mit der Erstattungspflicht verbundene Eingriff in die Berufsausübung sei nur dann verfas- sungsgemäß, wenn er in einem vernünftigen Verhältnis zu dem gegebenen Anlaß und dem ihm verfolgten Zweck stehe. Die Auslegung des § 128 AFG müsse deshalb unbillige Härten vermeiden. Dem diene eine weite Auslegung der Befreiungstatbestände, insbe- sondere müßten Aufhebungsverträge Kündigungen iS des § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 4 und 5 AFG gleichgesetzt werden. Da der Arbeitgeber keinerlei Möglichkeiten habe, die Vor- aussetzungen anderer Sozialleistungen zu prüfen, erstrecke sich die amtliche Sachauf- klärungspflicht darauf, alle vernünftigerweise zu Gebote stehenden und rechtlich zulässi- gen Möglichkeiten der Aufklärung - auch zugunsten des Arbeitgebers - auszuschöpfen. Deshalb müsse der Arbeitslose mindestens einmal pro Quartal vorgeladen und über an- dere Sozialleistungen und über seinen Gesundheitszustand befragt werden. Im übrigen seien Nachfragen beim Krankenversicherungsträger und beim Rentenversicherungsträ- ger anzustellen, zumal statistisch etwa 30 bis 50 vH der über 55 Jahre alten Arbeitnehmer in ihrer gesundheitlichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt seien, so daß nicht selten eine verdeckte Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vorliege. Gegenüber den Ausführungen des LSG zur unzumutbaren Belastung iS des § 128 Abs 2 Nr 2 AFG sei darauf hinzuweisen, daß die Erstattungsforderung der BA die an J gezahlte Abfindung bei weitem übersteige. - 5 - Die Klägerin beantragt, die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. März 1997 und des Sozi- algerichts Darmstadt vom 27. November 1995, sowie die Bescheide der Beklagten vom 21. Februar 1995 und 6. April 1995 idF des Widerspruchsbescheids vom 8. Mai 1995 sowie vom 6. Dezember 1995 idF des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 1996 aufzuheben. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend, insbesondere entspreche die Auslegung des § 128 AFG durch das LSG den Vorgaben des BVerfG. II Die Revision der Klägerin ist iS der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Die Entscheidung des LSG verletzt § 128 Abs 1 Satz 1 AFG. Für eine abschließende Ent- scheidung des Bundessozialgerichts (BSG) reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht aus. 1. Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß der Erstattungsbescheid vom 6. April 1995 gemäß § 86 SGG Gegenstand des gegen den "Grundlagenbescheid" vom 21. Februar 1995 eingeleiteten Widerspruchsverfahrens und der Erstattungsbescheid vom 6. Dezember 1995 idF des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 1996 gemäß §§ 96 Abs 1, 153 Abs 1 SGG Gegenstand des Gerichtsverfahrens geworden sind (vgl hierzu BSG SozR 3-4100 § 128a Nrn 3 und 7 mwN). Durch die beiden Erstattungsbe- scheide ist der "Grundlagenbescheid" überholt. Mit ihnen hat die BA die für Erstattungen im vorliegenden Fall in Betracht kommenden Leistungszeiträume vom 23. September 1994 bis 30. Juni 1995 erschöpft. Seit dem 1. Juli 1995 bezieht J Altersrente. Dem Grundlagenbescheid kommt damit eigenständige Bedeutung über die Erstattungsbe- scheide hinaus nicht zu. Die Frage, ob die Beklagte entsprechend der im DBl-Runderlaß 11/93 vom 3. Februar 1993 Rz 7.4 Abs 3 vorgesehenen Verfahrensweise zu "Grundentscheidungen" über die Erstattungspflicht berechtigt ist (vgl dazu das zur Veröf- fentlichung vorgesehene Urteil des Senats vom 17. Dezember 1997 - 11 RAr 103/96 -), bedarf daher hier keiner Erörterung. Zu entscheiden ist allein, ob die BA die Klägerin zu Recht gemäß § 128 AFG zur Erstattung der 38.687,28 DM herangezogen hat. 2. Die angefochtene Heranziehung ist nicht wegen Verletzung der gebotenen Anhörung rechtswidrig. Die BA hat der Klägerin Gelegenheit gegeben, sich zu den für die Erstat- - 6 - tungspflicht erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 24 Abs 1 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - ). Zwar ist der Anhörungspflicht nicht schon mit dem "Anhörungsschreiben" genügt, das dem Grundlagenbescheid vorausgegangen ist. Die Anhörungspflicht bezieht sich auf sämtliche für die Erstattung entscheidungserheblichen Tatsachen, auch diejenigen, die die Erstattungsforderung der Höhe nach betreffen. Aus diesem Grunde hat auch den je- weiligen Erstattungsbescheiden eine Anhörung vorauszugehen (vgl dazu das schon er- wähnte Urteil des Senats vom 17. Dezember 1997 - 11 RAr 103/96 -). Vor dem Erstat- tungsbescheid vom 6. April 1995 hat die BA der Klägerin jedenfalls nicht durch ein Anhö- rungsschreiben Gelegenheit gegeben, sich zu entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Das Rechenwerk für die mit dem Erstattungsbescheid vom 6. April 1995 geltend gemachte Erstattungsforderung für die Zeit vom 23. September 1994 bis 28. Februar 1995 hat die BA am 5. April 1995 erstellt. Es kann damit noch nicht in der Verwaltungs- akte enthalten gewesen sein, als die Klägerin im März 1995 Akteneinsicht genommen hat. Ob zu diesem Zeitpunkt bereits Zahlungsnachweise der Verwaltungsakte vorgeheftet waren, aus denen die Klägerin entscheidungserhebliche Tatsachen hätte entnehmen können, steht nicht fest. Allerdings führt der Erstattungsbescheid selbst das im Leistungs- zeitraum an 136 Leistungstagen erbrachte Alg, sowie die zur Kranken- und Rentenversi- cherung aufgewendeten Beiträge auf. In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß die An- hörung im Widerspruchsverfahren auch durch den Inhalt des angefochtenen Bescheids iS des § 41 Abs 1 Nr 3 SGB X nachgeholt werden kann. Voraussetzung hierfür ist, daß der Verwaltungsakt diejenigen Tatsachen enthält, die nach § 24 Abs 1 SGB X Gegenstand der Anhörung sind (BSG SozR 1300 § 24 Nr 7; BSGE 69, 247, 253 f = SozR 3-1300 X 24 Nr 4 mwN). Der Erstattungsbescheid vom 6. April 1995 enthält zwar nur die Erstattungsforderung, nicht das Rechenwerk, welches ihr zugrunde liegt. Der Einwand der Klägerin in ihrem Schreiben vom 28. November 1995, sie könne "mangels Berechnungs- grundlage die Höhe der Forderung nicht nachvollziehen", liegt daher nahe. Sie begründet hier jedoch nicht die Rechtswidrigkeit des Erstattungsbescheids. Der Inhalt des Bescheids vermittelte der Klägerin hinreichende Kenntnisse, um sich zur Ausschöpfung ihres Rechts auf rechtliches Gehör noch weitere Tatsachenkenntnis zu verschaffen (BSG SozR 1300 § 24 Nrn 4 und 6 mwN). Die Übersendung des Rechenwerks erscheint hier auch deshalb nicht geboten, weil die BA bei der Feststellung des Alg sowie der Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung und damit dem Erstattungsbetrag wesentlich von dem Arbeitsentgelt des J ausgegangen ist, das gerade auf tatsächlichen Angaben der Klägerin in der Arbeitsbescheinigung beruht (§ 24 Abs 2 Nr 3 SGB X). Auch wenn das Arbeitsent- gelt nicht notwendig mit dem Bemessungsentgelt identisch ist, war die Klägerin im Zu- sammenhang mit dem Anhörungsschreiben sowie der Mitteilung des Erstattungszeit- raums hinreichend über Tatsachen unterrichtet, die eine Überraschungsentscheidung ausschlossen und der Klägerin eine Entscheidung darüber ermöglichten, ob sie Anlaß sah, an die BA heranzutreten, um ihre Erstattungsentscheidung zu beeinflussen. Aus den - 7 - gleichen Gründen genügt das dem Erstattungsbescheid vom 6. Dezember 1995 vor- ausgegangene Anhörungsschreiben vom 8. November 1995 noch den Anforderungen der Anhörungspflicht. 3. Zutreffend ist das LSG zu dem Ergebnis gekommen, daß die Klägerin der BA das in der Zeit vom 23. September 1994 bis 30. Juni 1995 gezahlte Alg einschließlich der auf diese Leistung entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung (§ 128 Abs 4 AFG) zu erstatten hat. 3.1 Nach § 128 Abs 1 Satz 1 AFG erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose in- nerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Bei- tragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der BA vierteljährlich das Alg für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage. Diese Voraussetzungen sind nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die nicht mit Revisionsrügen angegriffen und damit für das BSG bindend sind (§ 163 SGG), erfüllt. Die Klägerin hat J durchgehend seit 1965 und damit innerhalb der letzten vier Jahre vor Eintritt der Arbeitslosigkeit am 1. Juli 1994 mindestens 720 Kalendertage beitragspflichtig beschäftigt. Während des Bezuges von Alg ab 23. September 1994 hatte der 1935 ge- borene J das 58. Lebensjahr und bei Eintritt der Arbeitslosigkeit das 56. Lebensjahr voll- endet. Der Umstand, daß die BA mit beiden Erstattungsbescheiden jeweils nicht nur die von ihr für ein Vierteljahr erbrachten Leistungen in Rechnung gestellt hat, läßt die Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung unberührt. Die BA hat ausschließlich nach § 128 Abs 1 Satz 1 AFG fällige Erstattungsbeträge geltend gemacht. Der Erstattungszeit- raum von längstens 624 Tagen ist nicht überschritten, selbst wenn die BA noch die Bei- träge für die gesetzliche Krankenversicherung für die Sperrzeit vor dem 29. September 1994 erstattet verlangen könnte. 3.2 Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß J nicht auch die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs 1 Satz 1 Nrn 2 bis 4 AFG genannten Sozialleistungen (Krankengeld, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, Altersrente usw) oder Rente wegen Be- rufsunfähigkeit erfüllt und ein solcher Tatbestand nach § 128 Abs 1 Satz 2 AFG der Er- stattungspflicht nicht entgegensteht. Auf eine Verletzung des Ermittlungsgrundsatzes kann sich die Klägerin insoweit nicht mit Erfolg berufen. Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die amtliche Sachaufklärungs- pflicht nicht, nach Tatsachen zu forschen, für deren Bestehen die Umstände des Einzel- falls keine Anhaltspunkte bieten (st Rspr: BSGE 78, 207, 213 = SozR 3-2600 § 43 Nr 13; BVerwGE 66, 237 f). Eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes im Verwaltungs- verfahren wäre nur erheblich, wenn sie zu einem anderen Verfahrensergebnis führen könnte (§ 42 Satz 1 SGB X). Gegebenenfalls hätten die Tatsacheninstanzen nach § 103 - 8 - SGG für weitere Sachaufklärung zu sorgen. Dazu bestand hier kein Anlaß. Mit dem erör- terten Maßstab für die amtliche Sachaufklärungspflicht korrespondiert auch die Regelung der Mitwirkungspflicht von Arbeitslosen nach § 128 Abs 8 AFG. Die Angaben von J über seinen Gesundheitszustand und über Anträge auf andere Sozialleistungen im Lei- stungsantrag sowie bei seiner erneuten Befragung vor Erlaß des Erstattungsbescheids vom 6. Dezember 1995 lassen keinen Anhaltspunkt für weitere Ermittlungen erkennen. Eine Pflicht zur Einhaltung regelmäßiger formaler Rituale (vierteljährliche Vorladung von Arbeitslosen, Anfragen bei anderen Sozialleistungsträgern oder gar die körperliche Un- versehrtheit berührender Begutachtungen) läßt sich aus dem Ermittlungsgrundsatz nicht herleiten. Den Umfang der Amtsermittlung bestimmt die Behörde bzw das Gericht auf- grund pflichtgemäßer Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles. Sachliche An- haltspunkte für weitergehende Ermittlungen waren auch dem Sachvortrag der Klägerin nicht zu entnehmen. Allgemeine statistische Angaben als Erfahrungssätze über Ein- schränkungen der gesundheitlichen Leistungsfähigkeit älterer Menschen sind für die Sachaufklärung im Einzelfall unergiebig (aM Ossenbühl, Der Erstattungsanspruch gemäß § 128 AFG und anderweitige Sozialleistungsansprüche, 1991, 12 ff; Kreßel NZS 1993, 292, 295 ff). Sie verfehlen den erörterten Inhalt des Untersuchungsgrundsatzes, wonach die Notwendigkeit von Ermittlungen durch konkrete Umstände des Einzelfalles, nicht aber generelle statistische Erhebungen bestimmt wird. Auch der Einwand, zum Gesundheits- zustand und Leistungsvermögen des früheren Arbeitnehmers könne der Arbeitgeber nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb nicht beitragen, vermag nicht zu überzeugen. Inwie- weit der Klägerin Kenntnisse über den Gesundheitszustand und anderweitige Ansprüche auf Sozialleistungen während des Bezugs von Alg zur Verfügung standen, kann auf sich beruhen. Da die Klägerin die Lohnsteuerkarte von J wegen über die Dauer des Arbeits- verhältnisses hinausgehender Zahlungen einbehalten hat, liegt die Annahme nahe, daß sie bei den Abreden über das vorzeitige Ausscheiden Auskunfts- und Mitteilungspflichten ihres früheren Arbeitnehmers über Gesundheitsstörungen und anderweitige Soziallei- stungen begründet hat. Abgesehen davon stehen der Klägerin gegebenenfalls aus der Zeit der Beschäftigung Kenntnisse über Fehlzeiten oder Absinken der gesundheitlichen Leistungsfähigkeit zur Verfügung, die zwar nicht unmittelbar den hier maßgeblichen Be- zugszeitraum betreffen, die Klägerin aber zu substantiiertem Sachvortrag befähigen, der Anlaß zur Ermittlung entscheidungserheblicher Tatsachen nach § 103 SGG, § 20 SGB X geben könnte (insoweit zutreffend Wissing NZA 1993, 385, 397). Solches Vorbringen hat die Klägerin sowohl im Verwaltungs- wie im gerichtlichen Verfahren vermissen lassen. Auch wenn amtliche Sachaufklärung nicht von Beteiligtenvorbringen (Tatsachen- behauptungen; Beweisanregungen; Beweisanträgen) abhängig ist, begründet der Ermittlungsgrundsatz keine Pflicht von Behörden und Gerichten, Tatsachen zu ermitteln, für deren Bestehen weder das Beteiligtenvorbringen noch sonstige konkrete Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte liefern (aA ohne Auseinandersetzung mit der st Rspr: Wissing NZA 1993, 385, 397). In diesem Sinne findet die amtliche Sachaufklärungspflicht ihre Grenze an der Mitwirkungspflicht der Verfahrensbeteiligten (st Rspr: BVerwGE 66, - 9 - 237 f; Eyermann/Geiger, VwGO, 10. Aufl 1998, § 86 RdNr 10; Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, § 103 RdNr 16; noch deutlicher § 76 Abs 1 Finanzgerichtsordnung: "Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären". Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die sich aus dem erörterten Maßstab des Untersuchungsgrundsatzes ergebenden Folgen für die Erstattungspflicht beruhen auf nicht hinreichender Klarheit über den Inhalt der Amtsermittlungspflicht und dem Ziel, über eine nicht praxisgerechte und nicht zumutbare Steigerung der Amtsermittlungspflicht zu Entscheidungen nach objektiver Beweislast und damit einer Einschränkung der Erstattungspflicht zu gelangen (vgl Kreßel NZS 1993, 292, 294 f). Nach den Umständen des hier zu beurteilenden Falles hat das LSG ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften übereinstimmend mit der BA festgestellt, daß J während des Er- stattungszeitraums vom 23. September 1994 bis 30. Juni 1995 anderweitige Soziallei- stungen nicht zustanden. 3.3 Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, daß einer der in § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 1 bis 7 AFG genannten Tatbestände vorliegt, die die Erstattungspflicht nicht entstehen lassen. Die Klägerin hat nicht dargelegt und nachgewiesen, daß sie das Arbeitsverhältnis mit J durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat (§ 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG). Un- streitig ist das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag beendet worden, der diesen Befreiungstatbestand gerade nicht erfüllt (Niesel/Brand, AFG, 1995, § 128 RdNr 38). Dem gegenüber greift der pauschale Hinweis der Revision auf die Austauschbarkeit von sozial gerechtfertigter Kündigung und Aufhebungsvertrag als Beendigungsgründen von Arbeitsverhältnissen nicht durch. Der Gesetzgeber hat bei der hier anzuwendenden Fas- sung des Gesetzes beachtet, daß das BVerfG gerade in der Wahl bestimmter "Formen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen älterer, langjährig beschäftigter Arbeitnehmer" ein Indiz dafür sieht, daß die Arbeitslosigkeit in den "Verantwortungsbereich des Ar- beitgebers" fällt (BVerfGE 81, 156, 197 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1). Bei Abschluß eines Aufhebungsvertrages setzt sich der Arbeitgeber nicht der Prüfung der die Kündigung so- zial rechtfertigenden Gründe aus. Kann er solche Gründe anführen und damit darlegen und nachweisen, daß die Verantwortung für die Arbeitslosigkeit seines früheren Arbeit- nehmers nicht ihn treffe, hat er die Möglichkeit, vom Kündigungsrecht Gebrauch zu ma- chen. Träfe die Rechtsauffassung der Klägerin zu, könnte § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG vorliegend übrigens auch keine Anwendung finden; es fehlt substantiierter Sachvortrag, dem betriebliche Gründe für eine sozial gerechtfertigte Kündigung zu entnehmen wären. - 10 - Die Klägerin hat auch nicht dargelegt und nachgewiesen, daß sie bei Beendigung des Ar- beitsverhältnisses berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Ein- haltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen (§ 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG). Ihr Vorbringen zu diesem Tatbestand ist auf abstrakte Rechtsausfüh- rungen beschränkt. Konkrete Tatsachen, welche die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses belegen könnten, sind ihm nicht zu entnehmen. Insbesondere hat die Klägerin nichts dafür vorgetragen, daß J seine Arbeitsleistung krankheitsbedingt oder wegen altersbedingten Leistungsabbaus über länger währende Zeiträume nicht erbracht hätte. Die Behauptung wirtschaftlicher Gründe für die Beendigung des Arbeitsver- hältnisses weist keine Substanz auf, die die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Ar- beitsverhältnisses mit J begründen könnte. In diesem Zusammenhang ist eine Klarstel- lung dahin geboten, daß dieser Befreiungstatbestand nicht Manipulationen Vorschub lei- sten soll, welche die Erstattungspflicht von Arbeitgebern nach § 128 AFG entwerten könnten (BVerfGE 81, 156, 203 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1). Ohne konkreten für die Tat- sacheninstanzen überprüfbaren Sachvortrag kann sich die Klägerin auf den Befrei- ungstatbestand des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG nicht mit Recht berufen. Unerheblich ist insoweit, daß auch bei tariflich nicht kündbaren Arbeitnehmern der Tarifvertrag eine ordentliche Kündigung im Rahmen eines Sozialplans zuläßt. Das Gesetz trägt dabei der Erfahrung Rechnung, daß bei Beendigung von Arbeitsverhältnissen älterer Arbeitnehmer häufig der sonst typische Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht besteht (BVerfGE 81, 156, 203 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1; BSGE 77, 48, 52 = SozR 3-4100 § 119 Nr 9). 3.4 Substantiierter Sachvortrag fehlt schließlich insoweit, als die Klägerin sich auf einen Wegfall der Erstattungspflicht nach § 128 Abs 2 Nr 2 AFG beruft. Nach dieser Vorschrift entfällt die Erstattungspflicht nur, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, daß die Erstattung für ihn eine unzumutbare Belastung bedeutete, weil durch sie der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung des Personalabbaus verbleibenden Ar- beitsplätze gefährdet wären. Der Anwendung dieser Vorschrift steht zwar nicht entgegen, daß die Klägerin ausscheidenden Arbeitnehmern im Rahmen eines Sozialplans eine Ab- findung von 4.000,00 DM gezahlt hat. Insoweit unterliegt der rechtliche Ausgangspunkt des LSG Bedenken. Unabhängig davon, welche Anforderungen an eine unzumutbare Belastung unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Gesichtspunkte zu stellen sind (vgl dazu BVerfGE 81, 156, 203 ff = SozR 3-4100 § 128 Nr 1; Niesel/Brand § 128 RdNr 83), ist der Darlegungs- und Beweislast der Klägerin jedenfalls nicht mit dem pau- schalen Hinweis auf "Umsatzrückgang" genügt. Insoweit hätte die Klägerin konkrete Da- ten vortragen und unter Beweis stellen müssen, die Aufschluß über den wirtschaftlichen Zustand ihres Unternehmens geben. Daran fehlt es ebenso wie an der Stellungnahme einer fachkundigen Stelle, die Satz 2 der Vorschrift zum Nachweis einer unzumutbaren Belastung fordert. Unter diesen Umständen besteht kein Anlaß, näher darauf einzugehen, unter welchen Voraussetzungen eine "unzumutbare Belastung" iS des § 128 Abs 2 Nr 2 - 11 - AFG unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeits- grundsatzes gegeben sein könnte. 4. Entgegen der Annahme der Revision unterliegt § 128 AFG nicht grundsätzlichen ver- fassungsrechtlichen Bedenken. Dazu ist klarzustellen, daß es sich um eine Regelung der Berufsausübung (nicht der Berufswahl) handelt, die nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG mit Art 12 Abs 1 Satz 2 GG vereinbar ist, wenn die gewählten Mittel zum Errei- chen des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sind und wenn bei einer Ge- samtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtferti- genden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt. Dabei hat der Gesetzgeber für seine arbeits- oder sozialpolitischen sowie wirtschaftspolitischen Ziele einen weiten Gestaltungsspielraum. Er kann Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit in den Vordergrund stellen. Seine Gestaltungsfreiheit ist noch größer, wenn die Regelung - wie hier - nicht unmittelbar berufsregelnden Charakter hat (BVerfGE 81, 156, 188 f = SozR 3-4100 § 128 Nr 1). Zu § 128 AFG aF hat das BVerfG aaO im einzelnen ausgeführt, daß die arbeits- und sozialpolitische Zielsetzung, "Frühverrentungen", mit denen Personalkosten nament- lich von Großunternehmen auf die Solidargemeinschaft abgewälzt werden, entgegenzu- treten (Entlastungsfunktion), durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist. Zur Eig- nung und Erforderlichkeit des eingesetzten Mittels der Erstattungspflicht hat das BVerfG hervorgehoben, die Eignung der Erstattungspflicht sei bereits dann anzunehmen, wenn durch sie der gewünschte Erfolg gefördert werde. Eine verfassungsrechtliche Beanstan- dung sei nur möglich, wenn das eingesetzte Mittel "objektiv ungeeignet" oder "schlechthin ungeeignet" sei (BVerfGE 81, 156, 192 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1). Dieses Merkmal hat das BVerfG für die im wesentlichen gleichlautende frühere Regelung verneint. Für das geltende Recht kann nichts anderes gelten. Die Revision geht daher bei ihren Einwänden gegen die gesetzliche Regelung von verfassungsrechtlich nicht zutreffenden Vorausset- zungen aus. Sie nimmt die verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG auch insoweit nicht zur Kenntnis, als sie meint, die Klägerin treffe für die Arbeitslosigkeit nicht besondere Verantwortung. Diese hat der Gesetzgeber durch die typisierend differenzierende Regelung des § 128 AFG konkretisiert. Arbeitgebern ist durch die Befrei- ungstatbestände des § 128 Abs 1 Satz 2 AFG und die Auffangklausel des § 128 Abs 2 Nr 2 AFG insbesondere die Möglichkeit eingeräumt worden, betriebliche Belange vorzutragen und unter Beweis zu stellen, um die Erstattungspflicht - von der zeitlichen Begrenzung abgesehen - in den Grenzen zumutbarer Belastung der Verhältnismäßigkeit zu halten (BVerfGE 81, 156, 194 ff = SozR 3-4100 § 128 Nr 1). Damit ist die Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen Regelung gewahrt. Die verfassungsrechtlichen Ausführungen der Klägerin reißen einzelne Begriffe aus dem Zusammenhang der Ausführungen des BVerfG und werden damit der Verfassungsrechtslage nach Art 12 Abs 1 Satz 2 GG nicht gerecht. - 12 - Die Erstattungspflicht der Arbeitgeber ist auch insoweit verfassungsgemäß, als Arbeits- lose - wie hier J - von der Möglichkeit Gebrauch machen, Alg unter den erleichterten Vor- aussetzungen des § 105c AFG in Anspruch zu nehmen. Auch wenn Arbeitslose danach nicht mehr jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen bereit sein müssen, steht ihnen Alg nur zu, wenn sie die objektiven und subjektiven Anspruchsvoraussetzungen im übri- gen erfüllen. Die Rechtsansicht, eingeschränkte Arbeitsbereitschaft älterer Arbeitnehmer und eingeschränkte Vermittlungsbemühungen der BA führten zu einer nicht verhältnis- mäßigen Risikoverteilung zum Nachteil von Arbeitgebern (Kreßel NZA 1993, 292, 294), verkennt die tatsächlichen Verhältnisse des Arbeitslebens. Die Regelung des § 105c AFG berücksichtigt ua, daß Arbeitslosen nach Vollendung des 58. Lebensjahres "im allgemei- nen kein Arbeitsplatz mehr vermittelt werden kann, der ihrer bisherigen - in der Regel durch langjährige Betriebszugehörigkeit geprägten - Tätigkeit annähernd gleichwertig ist" (Begründung des Entwurfs zum 7. AFG-Änderungsgesetz, BT-Drucks 10/3923 S 21). Be- stehen aber für ältere Arbeitnehmer ohnehin kaum Vermittlungsmöglichkeiten, wird deut- lich, daß der Aufhebungsvertrag gerade nach langer Betriebszugehörigkeit wesentlich mitwirkende Ursache für die Arbeitslosigkeit ist. Die Frühverrentungspläne der Unter- nehmen kalkulieren dies ein und gehen davon aus, daß entlassene Arbeitnehmer nach einjähriger Arbeitslosigkeit mit 60 Jahren Altersrente beziehen können. Die Ansicht, bei Inanspruchnahme des § 105c AFG seien mangelnde Arbeitsbereitschaft des Arbeitslosen und eingeschränkte Vermittlungsbemühungen der BA Grund der Arbeitslosigkeit, wird der Bedeutung, die der Lösung des Arbeitsverhältnisses für die Arbeitslosigkeit zukommt, nicht gerecht. Sie verwechselt insofern Ursache und Wirkung und ist nicht geeignet, Arbeitgeber von ihrer Verantwortung für die Arbeitslosigkeit langjähriger älterer Ar- beitnehmer zu entlasten. 5. Eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 AFG enthält das angefochtene Urteil jedoch, als ihm tatsächliche Feststellungen nicht zu entnehmen sind, nach denen sich die Erstat- tungsforderung der BA gegenüber der Klägerin errechnen läßt. An tatsächlichen Fest- stellungen ist dem Urteil insoweit nur zu entnehmen, daß der Kläger ab 23. September 1994 Alg in Höhe von 625,20 DM wöchentlich bezogen und anläßlich der Aufhebung sei- nes Arbeitsvertrages eine Abfindung von 4.000,00 DM erhalten haben soll. Diese Fest- stellungen reichen für eine rechtliche Überprüfung nicht aus, denn diese bezieht sich nicht nur auf die dem Arbeitslosen tatsächlich erbrachte, sondern die ihm rechtlich zustehende Leistung (BSG Urteil vom 18. September 1997 - 11 RAr 55/96 - mit Hinweis auf BSG SozR 3-4100 § 128a Nr 7 mwN). Dem Urteil des LSG fehlen deshalb Feststellungen, die die Prüfung sämtlicher Anspruchsvoraussetzungen und der rechnerischen Richtigkeit des gezahlten Alg und der darauf beruhenden Erstattungsforderung erlauben. Das Urteil läßt nicht erkennen, daß das LSG die Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung der Höhe nach geprüft hat. - 13 - Da die tatsächlichen Feststellungen des LSG für eine abschließende Entscheidung des BSG nicht ausreichen, ist das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Fest- stellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das LSG zurückzuverweisen. Für die erneute Entscheidung wird darauf hingewiesen, daß die Feststellungen des LSG die J nach der Betriebsvereinbarung zustehenden Leistungen nicht voll erfassen dürften. Faksimile 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 ... link (0 Kommentare) ... comment BSG 11 BAr 47/92 vom 30.09.1992, Bundessozialgericht
anselmf
BUNDESSOZIALGERICHT
Beschluß in dem Rechtsstreit Az: 11 BAr 47/92 Klägerin und Beschwerdeführerin, Prozeßbevollmächtigter: gegen Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg, Regensburger Straße 104, Beklagte und Beschwerdegegnerin. Der 11. Senat des Bundessozialgerichts hat am 30. September 1992 in Berlin durch den Vorsitzenden Richter Dr. V. die Richterin Dr. W. , den Richter Prof. Dr. B. sowie die ehrenamtlichen Richter H. und G. beschlossen: Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. Dezember 1991 wird bezüglich der erhobenen Verfahrensrüge als unzulässig verworfen, im übrigen als unbegründet zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. - 2 - Gründe: [Abs. 1] Das Landessozialgericht (LSG) hat wie das Sozialgericht (SG) den Anspruch der Klägerin auf Gewährung höheren Arbeitslosengeldes (Alg) durch die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) verneint. Die mit einem als Arbeitnehmer beschäftigten Steuerberater verheiratete Klägerin begehrt, das ihr unter Berücksichtigung der zu Beginn des Jahres 1988 eingetragenen Lohnsteuerklasse V/0 - beim Ehemann war die Lohn- steuerklasse III/1 eingetragen - nach Leistungsgruppe D gewährte Alg ent- sprechend der Lohnsteuerklasse III/1 nach der Leistungsgruppe C festzustellen. Sie hält die von der BA angewandte Regelung des § 111 Abs 2 Nr 1d Arbeitsförderungsgesetz (AFG) für mit dem Gleichheitsgebot des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar und macht geltend, sie werde schlechter behandelt, wie wenn sie mit einem selbständig tätigen Ehemann verheiratet wäre, weil ihr dann die begehrte Einstufung in Leistungsgruppe C zustehen würde. Außerdem rügt sie als Verfahrensmangel Verletzung des rechtlichen Gehörs. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision ist zulässig (§ 160a Abs 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz ), soweit sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache betrifft, nicht hingegen hinsichtlich der Verfahrensrüge. [Abs. 2] Soweit die Klägerin Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, ist die Beschwerde unzulässig, weil die diesen Verfahrensmangel ergebenden Tatsachen nicht bezeichnet worden sind (§ 160a Abs 2 Satz 2 SGG). Der damalige Prozeßbevollmächtigte der Klägerin ist ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen worden. Ort und Zeit der mündlichen Ver- handlung sind ihm in der Ladung (Terminsmitteilung) mit dem Hinweis darauf, daß auch im Falle des Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne, rechtzeitig mitgeteilt worden. Einen besonderen Hinweis, daß eine Erörterung des Rechtsstreits zwischen dem Gericht und den Beteiligten vorgesehen ist, verlangt § 110 SGG nicht; der Begriff der Verhandlung schließt vielmehr für die Beteiligten eine Erörterung des Rechtsstreits in jeder Hinsicht ein. Im übrigen hatte die Klägerin ihren Rechtsstandpunkt bereits eingehend in beiden Instanzen vorgetragen, so daß nicht dargelegt ist, was sie darüber hinaus noch hätte vorbringen wollen. -3- - 3 - [Abs. 3] Soweit die Klägerin ihre Beschwerde auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache stützt, ist die Beschwerde zulässig. Nach Auffassung des Senats ist die Klärungsbedürftigkeit der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage - Verfassungswidrigkeit des § 111 Abs 2 Nr 1d AFG - hinreichend dargelegt. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage zwar dann nicht mehr, wenn sie bereits entschieden ist oder durch Auslegung des Gesetzes, evtl unter Berücksichtigung bereits ergangener Rechtsprechung, eindeutig beantwortet werden kann. Das ist jedoch nicht der Fall, wenn - wie hier - neue Gesichtspunkte vorgetragen werden, die zu einer über die bisherige Erörterung hinausgehenden Betrachtung der grundsätzlich bereits entschiedenen Rechtsfrage führen können und die Möglichkeit einer anderweitigen Entscheidung nicht offensichtlich ausschließen (vgl Meyer-Ladewig, SGG-Kommentar, 4. Aufl § 160 RdNr 7 sowie Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde RdNr 119). Das trifft hier zu. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschlüssen vom 8. März 1983 - 1 BvL 21/80 - (SozR 4100 § 111 AFG Nr 6) und vom 12. Oktober 1983 - 1 BvR 1596/82 - Dreier-Ausschuß - (SozR 4100 § 111 AFG Nr 7) die Anknüpfung der Leistungsbemessung an das Lohnsteuersystem in § 111 Abs 2 AFG idF des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) - die Fassung ist praktisch unverändert geblieben - als typisierende Regelung bei der Ordnung von Massenerscheinungen im Hinblick auf die steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten von gemeinsam zur Lohn- und Einkommensteuer veranlagten Ehepartnern für verfassungsgemäß erachtet. Das BVerfG hat dabei ausgesprochen, daß niemand allein daraus, daß einer Gruppe aus besonderem Anlaß besondere gesetzliche Vergünstigungen zugestanden werden, für sich ein verfassungsrechtliches Gebot herleiten könne, genau dieselben Vorteile in Anspruch nehmen zu dürfen. Insbesondere sei der Gesetzgeber bei verheirateten Arbeitslosen nicht gehalten, statt des durch Arbeitslosigkeit ausfallenden Einkommens die Gesamteinkünfte der Familie als Anknüpfungspunkt für die Bemessung von Alg zu wählen. Aus diesen Ausführungen geht hervor, daß § 111 Abs 2 - damit auch Nr 1d - AFG in bezug auf alle Ehepaare, die zur Lohn- und Einkommensteuer veranlagt werden, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Aus den genannten Entscheidungen ist allerdings nicht sicher zu entnehmen, daß das BVerfG auch den von der Klägerin angeführten Vergleich zwischen einem Arbeitnehmerehepaar und einem Ehepaar, das aus einem Arbeitnehmer und einem selbständig Tätigen besteht, bei seinen Entscheidungen berücksichtigt hat. Deshalb sind die von der Klägerin unter diesem Blickwinkel angestellten Erwägungen dazu, daß Arbeitnehmerehepaare gegenüber dem Vergleichspaar benachteiligt werden, neu - 4 - und nicht offensichtlich ungeeignet, die bisherige verfassungsrechtliche Betrachtungsweise in Frage zu stellen. Nach Auffassung des Senats hat die Klägerin daher die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage ausreichend dargelegt. [Abs. 4] Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, denn aus dem von der Klägerin angestellten Vergleich folgt nicht die behauptete Verletzung des Gleichheitssatzes. Nach Art 3 Abs 1 GG muß der Gesetzgeber die Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sicherstellen und darf nicht wesentlich Gleiches ungleich behandeln (vgl zB BVerfGE 55, 72, 88; 65, 104, 112; 75, 382, 393; 79, 1, 17 und zuletzt Urteil vom 7. Juli 1992, NJW 1992 S 2213, 2214). Damit ist ihm jedoch nicht jede Differenzierung verwehrt, sofern sie in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze findet. Die Klägerin begehrt die rechtliche Gleichbehandlung wesentlich verschiedener Sachverhalte. Die Lohnersatzfunktion des Alg mit existenzsichernder Wirkung ist nur er- reichbar, wenn die Feststellung und Auszahlung des Alg sobald wie möglich erfolgt. Dazu ist die Anknüpfung an die bescheinigten Lohnsteuerklassen zweckmäßig. Bei Arbeitnehmer-Ehegatten kann freilich die Höhe des Arbeitslohnes der Partner im Laufe eines Kalenderjahres derart wechseln, daß eine Änderung der auf den Lohnsteuerkarten eingetragenen Lohnsteuerklassen angebracht ist, zumal jeder der beiden Partner arbeitslos werden kann und Anspruch auf seinem Arbeitslohn entsprechende Leistungen haben soll. Auch dann kommt zwischen den Eheleuten ein Steuerklassenwechsel im Rahmen der Steuerklassen III bis V gemäß § 113 Abs 2 AFG in Betracht (vgl dazu BSG SozR 4100 § 113 Nr 4). Bei dem Arbeitnehmer/Selbständigen-Ehepaar kann dies nicht auftreten. Hier kann nur der Arbeitnehmerpartner arbeitslos werden und Anspruch auf Alg haben. Ein Lohnsteuerklassenwechsel kommt wegen der Lohnsteuerpflicht nur eines Ehegatten nicht in Frage. Bereits aufgrund dieser Unterschiede kommt für die Vergleichsgruppe eine Regelung, die der für Arbeitnehmer-Ehegatten voll entspricht, nicht in Betracht. Der in § 113 Abs 2 AFG vorgesehene Steuerklassenwechsel zwischen Arbeitnehmer-Ehegatten hat nach seinem Sinn und Zweck allein für diese Ehegatten Bedeutung. Die Verfassungsmäßigkeit der von der Klägerin beanstandeten Regelung wird nach Auffassung des Senats nicht dadurch widerlegt, daß für die sich von den Arbeitnehmer-Ehegatten in sachlicher Hinsicht unterscheidenden Ar- beitnehmer/Selbständigen-Ehegatten gem § 38b Satz 1 Nr 3a, aa Einkom- mensteuergesetz (EStG) lohnsteuerrechtlich nur ein feststehender Anknüp- - 5 - fungsmaßstab für die Bemessung des Alg des arbeitslosen Arbeitnehmer-Ehegatten besteht, nämlich seine Lohnsteuerklasse. Zu berücksichtigen ist, daß in vielen Fällen der Arbeitnehmer dieser Verbindung im Vergleich zum Arbeitseinkommen des Selbständigen ein höheres Arbeitsentgelt erzielt. Jedenfalls in diesen Fällen weist die Bemessung des Alg für den arbeitslosen Arbeitnehmer unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse III im Vergleich zu Arbeitnehmer-Ehepaaren keinen Unterschied auf. Bei umgekehrten Einkommensverhältnissen, in denen der Arbeitnehmer-Ehegatte gleichwohl lohn- steuerrechtlich in die Klasse III eingruppiert wird, ist für die Arbeitsverwaltung im Zeitpunkt der Entscheidung über das begehrte Alg regelmäßig nicht vorhersehbar, ob die steuerrechtlichen Regelungen über die Veranlagung von Ehegatten ein finanzielles Endergebnis herbeiführen, das den Arbeitslosen jedenfalls nicht wesentlich besserstellt als den arbeitslosen Arbeitnehmer-Ehegatten. Von der Verwaltung schnell zu bewältigende Massenerscheinungen wie die Gewährung von Alg verlangen mithin notwendigerweise pauschalierende und typisierende Regelungen, selbst wenn dabei gewisse Ungleichheiten zwischen verschiedenen Personengruppen auftreten (BSG Urteil vom 27. Juli 1989 - 11/7 RAr 101/87 - SozR 4100 § 111 AFG Nr 10). Der aus diesem Grunde erforderliche Regelungsspielraum ist im Bereich der Leistungsverwaltung besonders weit, weil die Praktikabilität einfache Maßstäbe für die Leistungsberechnung erfordert. § 111 Abs 2 AFG trägt diesem Erfordernis daher auch bezüglich des mit einem Selbständigen verheirateten Arbeitnehmers, der Alg beansprucht, Rechnung. Das Arbeitseinkommen des selbständigen Ehegatten steht nämlich erst nach Abgabe seiner Steuererklärung und der dann erfolgenden Veranlagung, die in Einzelfällen mehrere Jahre dauern kann, fest. Erst nach der steuerlichen Veranlagung könnte damit auch das Verhältnis der Bruttoeinkünfte dieser beiden Ehepartner berücksichtigt werden. Würde die Arbeitsverwaltung dann mit im Einzelfall erforderlichen Korrekturen der Höhe des zu gewährenden Alg belastet werden, wäre damit nicht nur ein unangemessener Verwaltungsaufwand verbunden, sondern die Korrekturen würden auch zu einer nachträglichen Zweckverfehlung des Alg führen, das den zuvor tatsächlich erzielten Lohn ersetzen soll (vgl BSG, Urteil vom 13. November 1980 - 7 RAr 99/79 -BSGE 51, 10, 14, 15). Das Arbeitsförderungsrecht muß deshalb für die Bemessung des Alg nicht abweichend von der bestehenden Lohnsteuerklasseneinteilung des § 111 Abs 2 AFG an das durch Arbeitslosigkeit verminderte Gesamteinkommen der Familie anknüpfen. Die Regelung des § 111 Abs 2 AFG kann im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG auch deshalb für die nach Auffassung der Klägerin begünstigte Vergleichsgruppe hingenommen werden, weil durch die angeführten Entscheidungen anerkannt ist, daß auch zum Nachteil des Arbeitslosen individuelle Freibeträge, die auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden können und sonstige Steuervergünstigungen, - 6 - die erst im Lohnsteuerausgleichsverfahren oder bei der Veranlagung zur Einkommensteuer zu einer Steuerentlastung führen, grundsätzlich für die Bemessung des Alg unberücksichtigt bleiben. Eine gewisse Parallelität zu dem hier zu beurteilenden Fall besteht jedenfalls insoweit, als auch in jenen Fällen die rein steuerrechtlichen Ausgleichsmechanismen zwischen den Eheleuten unbeachtet bleiben dürfen (vgl BSGE 51, 10, 15 sowie Urteil vom 27. Juli 1989 aaO). Der Nichtzulassungsbeschwerde war daher der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG 11 BA 8/75 vom 22.08.1975, Bundessozialgericht
anselmf
Bundessozialgericht
- 11 BA 8/75 - Beschluß in dem Rechtsstreit Kläger und Revisionskläger, gegen Beklagte und Revisionsbeklagte Der 11. Senat des Bundessozialgerichts hat am 22. August 1975 durch den Vorsitzenden Richter Dr. B. und die Richter H. und Dr. Z. sowie die ehrenamtlichen Richter V. und Dr. L. beschlossen: Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Januar 1975 wird zurück- gewiesen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. - 2 - Der Kläger war nach seinem Hochschulstudium von August 1932 bis April 1934 arbeitslos, aber nicht beim Arbeits- amt gemeldet. Er begehrt dennoch von der Beklagten die Anerkennung (Vormerkung) dieser Zeit als Ausfallzeit im Sinne des § 36 Abs.1 Nr. 3 des Angestelltenver- sicherungsgesetzes (AVG).Die Beklagte hat das abge- lehnt. Klage und Berufung waren ohne Erfolg.Nach An- sicht des Landessozialgerichts (LSG) ist es nicht grund- gesetzwidrig (willkürlich), daß das Gesetz die Anrech- nung einer Arbeitslosigkeit als Ausfallzeit von der Arbeitslosmeldung abhängig macht und für ehemals un- beschäftigte Jungakademiker keine Ausnahme zuläßt. Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.Mit der dagegen eingelegten Beschwerde beantragt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Be- deutung der Rechtssache. In der damals herrschenden größten Arbeitslosigkeit sei - insbesondere für Jung- akademiker - eine Meldung beim Arbeitsamt nutzlos ge- wesen, weil die Arbeitsämter keine Stellen hätten ver- mitteln können. Damit stelle sich die Frage, ob § 36 Abs. 1 Nr. 3 AVG mit der Verfassung im Einklang stehe, soweit das Gesetz von seinen Vorteilen die große Gruppe der Arbeitslosen ausschließe, die sich wegen Nutzlosigkeit nicht beim Arbeitsamt gemeldet hätten. Diese Frage sei noch nicht entschieden. Die Beschwerde ist zulässig. Zu den Voraussetzungen der Zulässigkeit gehört nach § 160 a Abs. 2 Satz 3 SGG, daß in der (fristgebundenen) Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt wird. Demgemäß ist in der Begründung die zu entscheidende Rechts- - 3 - frage klar zu bezeichnen; außerdem muß ersichtlich sein, weshalb ihrer Klärung eine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das gilt auch, wenn die Verfassungswidrigkeit einer Vor- schrift behauptet wird. Hier kann die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht ausreichen; vielmehr muß dargetan sein, welche Vorschrift des Grundgesetzes verletzt ist und aus welchen Gründen. Insbesondere bei behaupteten Verstößen gegen den Gleichheitsgrundsatz ist zu erläutern, worin Ungleichbehandlung und Willkür er- blickt werden (vgl. BVerwG, Buchholz, 448.3 § 7 USG Nr. 1); erst dann sind Inhalt und Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfrage der Verfassungswidrigkeit genügend gekennzeichnet. Diesen Anforderungen genügt indessen die Beschwerdebegründung des Klägers; es ist vor allem nicht zweifelhaft, daß und warum er Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) für verletzt erachtet. Auch sonst sind Bedenken gegen die Zulässigkeit der Be- schwerde nicht gegeben. Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Der Senat kann allerdings nicht der Meinung des Bundes~ gerichtshofs (BGH) folgen, daß die Frage der Verfassungs~ mäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift die Zulassung einer Revision wegen grundsätz- licher Bedeutung der Rechtssache nicht rechtfertigen könne (Rzw 1964, 225; 1967, 368). Der BGH begründet diese Ansicht damit, daß eine solche Zulassung nur das Ver- fahren verzögere, weil gegen eine die Verfassungsmäßig- keit bejahende Entscheidung noch der Weg der Verfassungs- beschwerde zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) offen- stehe; die Verfassungswidrigkeit könne nur vom BVerfG ausgesprochen werden; dieses könne aber auch angerufen - 4 - werden, wenn die Revision nicht zugelassen werde. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß das BVerfG auch bei Fragen der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes, wenn diese Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist, vor der Einlegung der Verfassungsbeschwerde zur Erschöpfung des Rechtsweges die Einlegung der Nichtzulassungsbe- schwerde verlangt (BVerfG 16, 3; vgl. auch 21, 167). Im übrigen ist die Klärungsfähigkeit auch dieser Rechts- fragen im Revisionsverfahren nicht zu bestreiten, selbst wenn eine Klärung im Sinne der Verfassungswidrigkeit nur durch Anrufung des BVerfG möglich ist. Zu Recht schließt deshalb das BVerwG die Zulassung einer Revision zur grundsätzlichen Klärung der Verfassungsmäßigkeit bzw. - widrigkeit einer Vorschrift nicht aus (vgl. BVerwG, Buchholz aaO sowie 232 § 90 BBG Nr. 14 und 235.16 § 5 LBesG Nr. 1). Wegen der Divergenz zum BGH braucht der erkennende Senat allerdings nicht den Ge- neinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes anzurufen; dies ist jedenfalls deshalb nicht erfor- derlich, weil der Senat aus anderen Gründen hier eben- falls zur Zurückweisung der Beschwerde kommt. Der Senat hält die Rechtsfrage nämlich nicht für klärungsbedürftig. Richtig ist zwar, daß über die Ver- fassungsmäßigkeit des Erfordernisses der Arbeits- losmeldung in § 36 Abs. 1 Nr. 3 AVG bzw. § 1259 Abs. 1 Nr. 3 RVO, sei es allgemein, sei es für die vom Klä- ger bezeichnete Gruppe, soweit bekannt, bisher weder vom BSG noch vom BVerfG entschieden worden ist. Wenn auch Ausführungen in mehreren Urteilen des BSG (vgl. SozR Nr. 13, 35 und 50 zu § 1259 RVO) die Arbeits- losmeldung wiederholt als zusätzliches gesetzliches Tatbestandsmerkmal bezeichnen, ohne die eine Arbeitslo- sigkeit nicht als Ausfallzeit anerkannt werden kann, - 5 - so ist doch nicht ersichtlich, daß in diesen Urteilen eine beantragte Anrechnung einer Arbeitslosigkeit wegen der fehlenden Meldung abgelehnt worden ist; andererseits haben diese Urteile keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift erkennen lassen. Wie der Senat im Beschluß vom 4. Juni 1975 (11 BA 4/75) dargelegt hat, kann indessen eine Rechtsfrage auch ohne einschlägige.Rechtsprechung dann nicht klärungsbedürftig sein, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht. Das ist hier der Fall. Die angeführ- ten Urteile des BSG (vgl. Nr. 13 und 35) haben bereits die Gründe deutlich gemacht, weshalb der Gesetzgeber die Ar- beitslosmeldung fordert. Der Gesetzgeber wollte eine zu- sätzliche Sicherung für das Bestehen echter Arbeitslosig- keit. Er wollte bei den in Betracht kommenden bis 1927 zurückreichenden Zeiträumen Mißbräuche ausschließen und sicherstellen, daß der Arbeitslose auch ernstlich arbeits- willig war und der Arbeitsvermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stand. Das sind sachlich ein- leuchtende Gründe. Im übrigen hat der Kläger das Erfordernis der Arbeits- losmeldung nicht allgemein als verfassungswidrig bezeichnet. Bei der Prüfung von Zulassungsgründen ist der Senat auf die geltend gemachten Gründe beschränkt. Entscheidend ist daher die Frage, ob das Erfordernis der Arbeitslosmeldung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, soweit es auch für Arbeits- lose gilt, bei denen eine Meldung beim Arbeitsamt von vorn- herein nutzlos erschien, insbesondere in der hier streitigen Zeit. Auch hier kann jedoch von Willkür keine Rede sein. Es ist schon nicht dargetan, daß Meldungen in der Zeit der "größten Arbeitslosigkeit" allgemein wirklich nutzlos gewe- sein seien; keinesfalls läßt sich das für alle in Betracht kommenden Vermittlungen annehmen. Hinzu kommt, daß sich - 6 - die vom Kläger bezeichnete Gruppe nicht sinnvoll abgrenzen läßt. Abgesehen von der bestehenden Arbeitslosigkeit und der Meldung beim Arbeitsamt erfordert § 36 Abs. 1 Nr. 3 AVG außerdem, daß der Arbeitslose versicherungsmäßiges Ar- beitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe oder Fürsorgeunter- stützung oder Familienunterstützung bezogen hat oder daß eine dieser Leistungen wegen Zusammentreffens mit anderen Bezügen, wegen eines Einkommens oder wegen der Berück- sichtigung von Vermögen nicht gewährt worden ist. Auf dieses weitere Tatbestandserfordernis ist der Kläger in der Beschwerdebegründung nicht eingegangen; auch aus dem angefochtenen Urteil des LSG ist nicht zu ersehen, ob eine dieser alternativen weiteren Voraussetzungen beim Kläger gegeben ist. Der Senat kann jedoch offenlassen, ob die in- soweit fehlenden Feststellungen und Ausführungen ebenfalls dem Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde hätten im wege stehen müssen. Die Beschwerde ist nach alledem zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus entsprechender An- wendung des § 193 SGG. ... link (0 Kommentare) ... comment BSG 11 BA 4/75 vom 04.06.1975, Bundessozialgericht
anselmf
Bundessozialgericht
- 11 BA 4/75 - Beschluß in dem Rechtsstreit Kläger und Beschwerdeführer, Prozeßbevollmächtigter: gegen Beklagte und Beschwerdegegnerin Der 11. Senat des Bundessozialgerichts hat am 4. Juni 1975 durch den Vorsitzenden Richter Dr. B. und die Richter H. und Dr. Z. sowie die ehrenamtlichen Richter B. und Dr. B. Beschlossen: 1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzu- lassung der Revision im Urteil des Landessozial- gerichts Berlin vom 5. November 1974 wird zurückgewiesen 2. Äußergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfah- rens sind nicht zu erstatteno - 2 - Gründe: Das Landessozialgericht (LSG) hat in dem angefochtenen Urteil, das am 5, November 1974 ohne mündliche Verhandlung ergangen und dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers in New York am 16. Januar 1975 zugestellt worden ist, die Revision nicht zugelassen. Die dagegen gerichtete Beschwer- de des Klägers hat keinen Erfolg. Die Beschwerde ist zwar fristgerecht eingelegt und auch fristgerecht begründet worden, obwohl die Begründung erst am 10. April 1975 und damit - entgegen der Vorschrift des § 160a Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) - nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des Berufungsurteils beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen ist, Für den Kläger lief nämlich nicht eine Begründungs- frist von zwei, sondern eine solche von vier Monaten, weil ihm das Berufungsurteil außerhalb des Geltungsbereiches des SGG zugestellt worden ist. In Fällen der Auslandszustellung hatte die Rechtsprechung bisher schon für die Einlegung der Revision in entsprechen- der Anwendung des § 87 Abs, 1 Satz 2 SGG eine Frist von drei Monaten zugebilligt (SozR Nr, 42 zu § 164 SGG aF); demzufolge hatte der Revisionskläger, da sich damals noch die einmonatige Begründungsfrist der Revisionsfrist an- schloß, bei Auslandszustellung praktisch vier Monate Zeit zur Revisionsbegründung (SozR Nr, 51 zu § 164 SGG aF), Mit dieser Rechtsprechung wurde bezweckt_ den im Ausland leben- den Beteiligten ausreichende Zeit zur Nachprüfung des Urteils, zu Überlegungen und zur Einleitung der erforderlichen Maß- nahmen zu belassen; sie sollten nicht gegenüber inländischen Prozeßgegnern benachteiligt sein, Diese Erwägungen haben kein minderes Gewicht für die Fristen, die bei der neueinge- - 3 - führten Nichtzulassungsbeschwerde zu wahren sind, Da nicht erkennbar ist, daß der Gesetzgeber anläßlich der Änderung des SGG zum 1. Januar 1975 die genannte Rechtsprechung nicht mehr hätte akzeptieren wollen, erscheint es geboten, sie bei den Fristen für die Nichtzulassungsbeschwerde fort- zuführen. Das bedeutet, daß bei Urteilszustellung außer- halb des Geltungsbereichs des SGG die Frist für die Ein- legung der Beschwerde - in entsprechender Anwendung des § 87 Abs, 1 Satz 2 SGG - drei Monate ab Zustellung beträgt. Daran kann sich die Begründungsfrist zwar nicht an- schließen, weil sie nach § 160a Abs. 2 Satz 1 SGG ( mit zwei Monaten ) ab Zustellung des Urteils zu berechnen ist ( wie jetzt auch die Revisiensbegründungsfrist, vgl. § 164 Abs. 2 Satz 1 SGG); wenn das Urteil - wie hier - außer- halb des Geltungsbereichs des SGG zugestellt worden ist, muß daher die Begründungsfrist sinngemäß auf eine Zeit von vier Monaten ab Zustellung des Urteils festgesetzt werden. Die vom Kläger vorgetragenen Zulassungsgründe gebieten je- doch keine Zulassung der Revision, Soweit der Kläger zunächst eine Verletzung des § 105 SGG rügt, könnte diese nach § 160 Abs. 2 Nr. 5 SGG nur dann einen Zulassungsgrund bilden, wenn das LSG einem Beweis- antrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt wäre. Die Beschwerdebegründung enthält keine dahingehenden An- gaben; sie genügt damit nicht den Erfordernissen des § 160 a Abs. 2 Satz 5 SGG. Nach dieser Vorschrift ist in der Begründung der Verfahrensmangel zu bezeichnen; wenn Ver- stöße gegen § 105 SGG gerügt werden, muß also dargelegt werden, welchem Beweisantrag das LSG zu Unrecht nicht ge- folgt sein soll. - 4 - Soweit der Kläger außerdem eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, läßt der Senat dahingestellt, ob die Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung in dem von § 160a Abs. 2 Satz 5 SGG geforderten Maße ausreichend darlegt; dieser Zulassungsgrund ist jedenfalls nicht gegeben. Der Kläger zitiert Ausführungen des LSG, daß wegen des. Fehlens genauer Unterlagen "sich nicht feststellen läßt", ob die "Beitragsentrichtung oder die Nichtentrichtung“ von Beiträgen zur Angestelltenversicherung für die Zeit von März 1952 bis Juni 1953 "ein höheres Maß an Wahrscheinlich- keit hat". Nach seiner Meinung ist hier die grundsätzliche Rechtsfrage zu klären, ob nicht bei Verfolgten die Fest- stellung von Tatsachen gemäß § 5 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung - WGSVG - vom 22. Dezember 1970 grundsätzlich zugunsten der Verfolgten zu treffen ist. Des- halb hat der vorliegende Rechtsstreit indessen keine grund- sätzliche Bedeutung. Dieser Zulassungsgrund (vgl. aus der bisherigen Rechtsprechung des BSG dazu BSG 2, 129, 152 und 15, 17, 19) verlangt zwar, daß die zu treffende Entscheidung sich über den Einzelfall hinaus auswirkt; insofern hat die Antwort auf die dargelegte Rechtsfrage ohne Zweifel eine erhebliche Breitenwirkung; sie beträfe viele Fälle von Verfolgten, in denen § 5 WGSVG an- zuwenden ist. Die Bedeutung über den Einzelfall hinaus ge- nügt aber noch nicht. Erforderlich ist vielmehr ferner, daß die Rechtsfrage auch klärungsbedürftig ist (vgl„ BSG aaO und Neyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der Obersten Bundesgerichte, S. 29); eine schon geklärte Frage hat kein grundsätzliches Gewicht nein; Eine Klärungsbedürftigkeit ist aber nicht erst denn' - 5 - zu verneinen, wenn bereits eine gefestigte Recht- sprechung die Rechtsfrage klar entschieden hat; eine Rechtsfrage kann schon dann nicht klärungsbedürftig sein, wenn von vornherein die Antwort darauf praktisch außer Zweifel steht. Das aber ist hier der Fall. Nach § 5 Abs. 1 WGSVG genügt es für die Feststellung der nach diesem Gesetz erheblichen Tatsachen, wenn sie glaubhaft gemacht sind; das ist der Fall, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen überwiegend wahrscheinlich ist; nach Abs. 2 können als Mittel der Glaubhaftmachung eidesstattliche Versicherungen zuge- lassen werden. Die Vorschrift des § 3 gibt damit den Verfolgten Beweiserleichterungen, vor allem dadurch, daß für die Feststellung der rechtserheblichen Tat- sachen die überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreicht. Die Vorschrift enthält aber keinen Grundsatz, daß Tatsachenfeststellungen allgemein oder regelmäßig zugunsten der Verfolgten zu treffen seien; die Beweis- last (Feststellungslast) bleibt unberührt„ Auch im Rah- men des § 5 Abs. 1 WGSVG verbleiben Fälle, in denen weder das Vorhandensein noch das Nichtvorhandensein einen Tatsache überwiegend wahrscheinlich ist; dann ist nicht "im Zweifel zugunsten der Verfolgten" zu entscheiden. Ein derartiger Grundsatz wäre auch dem Sozialversicherungsrecht fremd. - 6 - Die Kostenentscheidung ergibt sich aus entsprechender Anwendung des § 195 SGG Dr. B. Dr. Z. Zugleich für Richter am BSG H., der durch Urlaub an der Unterzeichnung verhindert ist. ... link (0 Kommentare) ... comment |
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