Ausgewählte Rechtsprechung und Rechtsentwicklung
Samstag, 25. März 2017
Beweislast für den Zugang und Garantenpflicht nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I
Gekürzte Chronologie der Petition
Beweislast für den Zugang und Garantenpflicht nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I
07.01.2015
Kurzfassung der Petition

Petition an den Deutschen Bundestag (mit der Bitte um Veröffentlichung)

§ 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I Rechtssichere Mitteilungen an die Behörde

Wortlaut der Petition

Der Deutsche Bundestag wird gebeten Sorge zu tragen, dass es Leistungsempfängern rechtssicher und ohne zusätzlichen Aufwand möglich ist, ihrer Mitteilungspflicht nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I mit einer Mitteilung an die Behörde nachzukommen. Beispielsweise könnte dies durch folgende Anfügung als § 60 Abs. 2 Satz 2 SGB I erreicht werden.

„Mitteilungen gelten als zugegangen, sobald sie in den Herrschaftsbereich der zuständigen oder einer zur Weiterleitung verpflichteten Behörde gelangen.“

Begründung

Bezieher von Sozialleistungen sind nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I verpflichtet, eine Änderung in den Verhältnissen, die für einen Anspruch auf eine laufende Leistung erheblich ist, richtig, vollständig und rechtzeitig mitzuteilen. Unterlassen sie dies vorsätzlich oder fahrlässig, so ist dies etwa gemäß § 404 Abs. 2
Nr. 26 SGB III eine Ordnungswidrigkeit. Weiter wird die Nichtmitteilung als Verletzung der Garantenpflicht nach § 13 Abs. 1 StGB gesehen und stellt somit Betrug im Sinne des § 263 StGB dar.
Es kommt also im Fall solchen Unterlassens regelmäßig nicht nur zu einer Aufhebung der Bewilligung und zur Rückzahlungspflicht für die zu Unrecht erhaltene Leistung, sondern es ist zusätzlich mit strafrechtlichen Konsequenzen wie Geld- oder Freiheitsstrafen zu rechnen. Nach der ständigen Rechtsprechung diverser Oberlandesgerichte ist die Pflicht des Empfängers von Sozialleistungen zur Mitteilung erst erfüllt, wenn die Mitteilung den für die Leistungsbewilligung zuständigen Sachbearbeiter des Leistungsträgers erreicht hat, siehe etwa Hanseatisches OLG 2. Strafsenat, II-104/03 vom 11.11.2003; OLG München, 4 St RR 159/07 vom 31.10.2007; OLG Köln, Ss 470/02 vom 17.12.2002.

Es ist für einen Leistungsempfänger im allgemeinen jedoch nicht möglich, überhaupt festzustellen, wer der zuständige Bedienstete ist, geschweige denn mit diesem in Kontakt zu treten oder diesem eine Meldung so zukommen zu lassen, dass der Zugang bei diesem später zweifelsfrei nachweisbar ist. Bei vielen Behörden
gelangt der Bürger überhaupt nur bis zur „Kundentheke“ oder telefonisch bis zur „Hotline“. Schon ein Anspruch auf Durchwahlnummern besteht nicht, siehe OVG Nordrhein-Westfalen Urteil 8 A 2429/14 vom 16.06.2015. Es ist somit oft schon unmöglich, Mitteilungen überhaupt an den befassten Bediensteten der Behörde zu adressieren, geschweige denn sicherzustellen, dass sie diesen gezielt erreichen.
Die Bürger erwarten von Staat und Verwaltung zu Recht qualitativ hochwertige Leistungen und eine zügige, serviceorientierte, effektive und effiziente Aufgabenerledigung, vergleiche Stellungnahme der Bundesregierung, Bt.Drs 16/6785, Seite 5. Es kann daher den Behörden zugemutet werden, intern dafür zu sorgen, dass Mitteilungen dem zuständigen Mitarbeiter zeitgerecht und vollständig zugehen. Die Folgen etwaiger Fehlleistungen in diesem Bereich hat die Behörde zu tragen, statt sie auf den Bürger abzuwälzen.

Schreiben des Petitionsausschusses vom 20.10.2015

Berlin, 20. Oktober 2015
Bezug: Ihr Schreiben vom
7. Oktober 2015

Sozialversicherung
Pet 3-18-11-820-025762 (Bitte bei allen Zuschriften angeben)

Sehr geehrter Herr ...,

hiermit bestätige ich den Eingang Ihrer Petition mit der ID-
Nummer 61439. Damit möchten Sie eine Ergänzung der
Vorschrift § 60 Erstes Buch sozialgesetzbuch (SGB I) erreichen.

Die inhaltliche Prüfung Ihrer Eingabe beginnt zunächst damit,
dass der Ausschussdienst von dem für Ihr Anliegen fachlich
zuständigen Bundesministerium eine Stellungnahme anfordert.
Sobald der Sachverhalt unter Berücksichtigung dieser
Stellungnahme aufgeklärt und die Rechtslage beurteilt ist,
erhalten Sie weitere Nachricht.

Um Petitionen auf der Internetseite des Deutschen Bundestages
sachgerecht präsentieren zu können, müssen sie bestimmten
Erfordernissen entsprechen, die in den Verfahrensgrundsätzen
des Petitionsausschusses als Voraussetzung für eine
Veröffentlichung niedergelegt sind.

Ihre Petition lässt erkennen, dass Sie offensichtlich von falschen
Voraussetzungen ausgegangen sind, denn es ist nicht gesetzlich
vorgesehen, dass Mitteilungen an die Behörde an die dort
zuständige Bearbeiterin bzw. den dort zuständigen Bearbeiter zu
richten sind.

Daher scheidet eine Veröffentlichung nach Nr. 3 Buchstabe f) der
„Richtlinie für die Behandlung von öffentlichen Petitionen“
gemäß Ziffer 7.1 (4) der Verfahrensgrundsätze (veröffentlicht
unter www.bundestag.de/petition) aus.

Damit ist keine Bewertung Ihres Anliegens verbunden. Das
Ergebnis des Petitionsverfahrens hängt allein vom Inhalt der
Petition ab und nicht von einer möglichen Zahl von
Unterstützern oder Gegnern. Ihre Petition wird so sorgfältig und

Seite 2

gründlich geprüft wie jede andere an den Deutschen Bundestag
gerichtete Eingabe.

Bitte teilen Sie dem Petitionsausschuss Änderungen des
Sachverhaltes oder Ihrer Anschrift unter dem angegebenen -
leicht geänderten - Aktenzeichen mit.

Personenbezogene Daten werden unter Wahrung des
Datenschutzes gespeichert und verarbeitet. Dazu gehört im
Regelfall auch, dass Ihre Petition mit allen von Ihnen gemachten
- auch personenbezogenen - Angaben dem zuständigen Ressort
der Bundesregierung zur Stellungnahme zugeleitet wird.

Mit freundlichen Grüßen
Schreiben des Petitionsausschusses vom 15.12.2015

Berlin, 15. Dezember 2015
Bezug: Mein Schreiben vom
20. Oktober 2015

Sozialversicherung
Pet 3-18-11-820-025762 (Bitte bei allen Zuschriften angeben)

Sehr geehrter Herr ...,

anliegend übersende ich Ihnen die zu Ihrer Eingabe eingeholte
Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
(BMAS) mit der Bitte um Kenntnisnahme.

Im Hinblick auf die Ausführungen des BMAS zu dem von Ihnen
vorgebrachten Anliegen bitte ich um Mitteilung, sofern noch
weitere Punkte aufklärungsbedürftig sind.

Falls Sie sich nicht mehr äußern sollten, geht der
Ausschussdienst davon aus, dass Ihr Petitionsverfahren als
abgeschlossen angesehen werden kann.

Mit freundlichen Grüßen
Schreiben des BMAS vom 03.12.2015

Bundesministerium
für Arbeit und Soziales

Bonn, 3. Dezember 2015 .

Sozialgerichtsbarkeit

Eingabe des Herrn ... vom 07. Oktober 2015
Ihr Schreiben vom 20. Oktober 2015
Pet 3-18-11-820-025762

Zu der o. a. Eingabe nehme ich wie folgt Stellung:

Mit der Eingabe schlägt der Petent die Einführung folgender Zugangsregelung in den § 60
Absatz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB l) vor: „Die Mitteilungen gelten als
zugegangen, sobald sie in den Zuständigkeitsbereich der zuständigen oder einer zur
Weiterleitung verpflichteten Behörde gelangen“.

Diese vom Petenten vorgeschlagene Änderung wird nicht befürwortet, da der Vorschlag
bereits das geltende Recht darstellt und kein Änderungsbedarf besteht.

Beim Zugang der Mitteilung an die Behörde gilt der allgemeine Grundsatz nach § 130
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Nach diesem Grundsatz gilt eine Willenserklärung bzw.
eine Mitteilung zugegangen, wenn diese so in den Machtbereich des; Empfängers gelangt
ist, dass unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Für
die Erfüllung des Zuganges ist grundsätzlich das Gelangen in den Machtbereich der
zuständigen Behörde entscheidend, nicht die Kenntnisnahme durch den zuständigen
Mitarbeiter der Behörde. Eine genauere Adressierung des zuständigen Bediensteten der
Behörde ist für den Zugang grundsätzlich nicht erforderlich.

Bei den vom Petenten zitierten Entscheidungen handelt es sich um Urteile der
ordentlichen Gerichte in strafrechtlichen Prozessen. Dabei ging es weniger um eine
Problematik im Zusammenhang mit der Zugangsregelung, sondern primär um den
strafrechtlichen Betrugstatbestand der „Täuschung“ durch Unterlassen (§§ 263,13
Strafgesetzbuch).

Die Mitteilungspflicht ist Teil einer effektiven Mitwirkungspflicht des Leistungsempfängers
(§ 60 Absatz 1 Nr. 2 SGB I). Der Zweck einer Mitwirkungs- und Mitteilungspflicht‚ auf
welche im strafrechtlichen Verfahren unter den Tatbestandsmerkmalen „Unterlassen
durch Täuschung“ (§ 263 StGB) und „Garantenpflicht“ (§ 13 StGB) Bezug genommen
wird, besteht darin, bei der Behörde unzutreffende Tatsachen zu berichtigen. An der
Erfüllung dieser Aufklärungspflicht bestehen im strafrechtlichen Verfahren Zweifel, wenn
die zuständige Behörde trotz (erstmaliger) Mitteilung durch den Leistungsempfänger -
irrtümlicherweise - weiterhin Zahlungen leistet und der Leistungsempfänger bei Kenntnis
von diesen zu Unrecht erfolgenden Leistungen untätig bleibt. Zur Erfüllung der
Aufklärungspflicht und zur Abwendung der Strafbarkeit des Betruges nach dem
Strafgesetzbuch hat der Leistungsempfänger die Mitteilung auf geeigneter Form
gegebenenfalls zu wiederholen, wenn es nah liegt bzw. der Leistungsempfänger erkennt,
dass seine Mitteilung die zuständige Behörde oder zumindest den zuständigen
Bediensteten nicht erreicht hat; dabei spielt es keine Rolle, ob die Mitteilung aufgrund
eines behördeninternen Versehens den zuständigen Mitarbeiter der Behörde nicht
erreichte. Der Leistungsempfänger erhält in dem beschriebenen Fall Leistungen, die ihm
nicht zustehen. Ein solcher Irrtum ist aufgrund der Mitwirkungspflicht nach § 60 Absatz 1
Nr. 2 SGB I aufzuklären und zwar im erforderlichen Fall durch mehrmalige Mitteilungen in
geeigneter und zumutbarer Form.

Ein Bedarf zur Gesetzesänderung besteht aus oben genannten Gründen nicht.

Die Petition sowie eine Kopie dieses Schreibens sind, beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen
Schreiben an den Petitionsausschuss vom 28.12.2015

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Petent dankt für die Übersendung des Schreibens des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 03.12.2015. Indes entspricht die dort dargelegte Sicht nicht der Realität, sondern es verhält sich, wie der Petent bereits dargelegt hat. Er hält sein Anliegen daher vollumfänglich aufrecht und bittet um Entscheidung hierüber.

Das BMAS teilt mit

Mit der Eingabe schlägt der Petent die Einführung folgender Zugangsregelung in den § 60 Absatz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) vor: „Die Mitteilungen gelten als zugegangen, sobald sie in den Zuständigkeitsbereich der zuständigen oder einer zur Weiterleitung verpflichteten Behörde gelangen“.

Wie unschwer aus der Petition zu ersehen ist, ist das Anliegen des Petenten

Der Deutsche Bundestag wird gebeten Sorge zu tragen, dass es Leistungsempfängern rechtssicher und ohne zusätzlichen Aufwand möglich ist, ihrer Mitteilungspflicht nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I mit einer Mitteilung an die Behörde nachzukommen.
Bei dem vom BMAS wiedergegebenen Satz handelt es sich, wie ebenfalls durch Lesen der Petition unmittelbar klar ist, um einen beispielhaften Vorschlag. Die Petition ist als öffentliche Petition zur Diskussion im Internetforum des Petitionsausschusses angelegt und dementsprechend die konkrete Beispielformulierung als Ausgangspunkt für eine dortige konstruktive Diskussion. Weitere Beispiele könnten etwa Gesetzesergänzungen auch an anderen Orten sein, zum Beispiel

Die Behörde hat sich Kenntnis zuschreiben zu lassen, sobald eine Mitteilung in ihren Zuständigkeitsbereich oder den einer zur Weiterleitung verpflichteten Behörde gelangt.

Die Mitteilungspflicht gilt als erfüllt ...“

oder auch weitere, komplexere Lösungen. Selbstverständlich steht es dem Gesetzgeber beispielsweise auch frei den gesamten Bereich der Mitteilungspflicht und der Frage, wie Unterlagen einem Träger nach dem SGB rechtssicher zugestellt werden können, neu zu regeln. Hier könnten an mehr als einer Stelle Verbesserungen vorgenommen werden, jedoch dürfte dieses Thema zu breit für den Rahmen einer öffentlichen Petition sein, so dass sich der Petent auf die Verbesserung in einem Teilpunkt konzentriert hat.

Insbesondere steht es dem Gesetzgeber selbstverständlich frei im Rahmen einer umfassenderen Neuregelung etwa auch eine Art „wiederholter Mitwirkungspflicht“ einzuführen, wie sie das BMAS anscheinend sieht. Eine solche besteht indes derzeit nicht, unbeschadet dessen, ob in Einzelfällen ein Betroffener durch solches Handeln an anderer Stelle die freie richterliche Beweiswürdigung möglicherweise dahin beeinflussen hätte können, eine günstigere Überzeugung zu finden und ein günstigeres Urteil zu fällen.
Es ist sehr leicht zu sehen, dass es auf die Möglichkeit, die Mitteilung zu wiederholen höchstens in zweiter Linie ankommt. Hierzu betrachte man etwa den Fall, dass der Leistungsempfänger durch glücklichen Zufall tatsächlich in der Lage ist, den Zugang der Mitteilung beim zuständigen Bediensteten nachzuweisen. Die vorliegenden Entscheidungen gründen sich rechtlich auf die Nichtkenntnis der Behörde, hätte der Angeklagte also den Zugang seiner Mitteilung beim zuständigen Mitarbeiter nachweisen können, so wäre er aus der Rechtssicht des Gerichts unmittelbar freizusprechen gewesen, einer wiederholten Mitteilung hätte es nicht bedurft. Das Gericht hätte weitere Entlastungsgründe nicht prüfen müssen. Schon daraus ergibt sich klar, dass es darauf ankommt, den Zugang beim zuständigen Bediensteten nachzuweisen, also die Rechtslage so ist, wie sie der Petent beschrieben hat.

Das BMAS teilt weiter mit

Eine genauere Adressierung des zuständigen Bediensteten der Behörde ist für den Zugang grundsätzlich nicht erforderlich.

Es geht nicht (nur) um die „genauere Adressierung des zuständigen Bediensteten“ sondern um dessen Kenntnis der Mitteilung. Der Bürger, der sich sicher sein will, seinen Pflichten entsprochen zu haben, kann dies nach der herrschenden Rechtsprechung nur indem er den Zugang beim zuständigen Bediensteten nachweist. Diesen Zustand hält der Petent für untragbar und daher dringend änderungsbedürftig.

Soweit das BMAS erklärt, dass Mitteilungen „gegebenenfalls zu wiederholen“ sind und hierzu ausführt, ist dies eben nur gegebenenfalls überhaupt von Relevanz. Dies ist ein anderer Aspekt des Falls ändert aber nichts daran, dass der Verurteilung die Rechtsauffassung zugrunde liegt, dass nur der Nachweis des Zugangs beim zuständigen Bediensteten ausreichend ist. Ohne diese Rechtsauffassung zugrunde zu legen, wäre von vorneherein keine Pflichtverletzung erkennbar, womit nicht einmal im Ansatz erkennbar wäre, worauf sich eine Verurteilung stützen könnte.

Die Darlegung des BMAS illustriert nur, dass auch wenn der direkte Beweis des Zugangs beim Sachbearbeiter nicht gelingt, ein Freispruch aus anderen Gründen grundsätzlich möglich ist, etwa Mangel an Vorsatz. Das ist natürlich völlig unbestritten, tut aber hier nichts zur Sache. Es ist im Strafprozess nicht unüblich, dass eine Reihe von möglichen Gründen für einen Freispruch zu prüfen ist, von denen letztlich einer ausreicht um tatsächlich zum Freispruch zu gelangen. Die Petition wendet sich selbstverständlich nicht dagegen, dass die Gerichte pflichtgemäß alle möglicherweise einen Freispruch verursachenden Gründe mit Sorgfalt prüfen, sondern gegen die Rechtsauffassung im Punkte des Zugangsnachweises. Die vom Petenten angeführten Beispiele belegen seine Behauptung, dass im Konfliktfall nach herrschender Ansicht nur der Nachweis des Zugangs beim zuständigen Bediensteten ausreicht. Dies liegt völlig klar zu Tage und eine etwaige gegenteilige Meinung des BMAS wäre schlicht kontrafaktisch.

Dass ein aus der Praxis gegriffener Beispielfall auch andere Aspekte hat, als jene weswegen er zum Nachweis der behaupteten Tatsache geeignet ist, ist zu erwarten. Dies für sich beeinträchtigt die Eignung als Nachweismittel nicht. Es ist indes zur Klärung des ursprünglichen Themas selten sinnvoll, einen anderen Aspekt des Beispielfalls herauszugreifen und stattdessen diesen zu diskutieren.

Die Ausführungen des BMAS sind, unabhängig davon, dass sie rechtlich unzutreffend sind, irrelevant für die Frage, die die Petition aufwirft. Da es in der Praxis häufig unmöglich oder mit gerade von Bedürftigen schwer zu schulternden Kosten verbunden sein wird, den Ansprüchen der OLG zu genügen, lautet diese letztlich, ob man sämtlichen Leistungsberechtigten jegliche Möglichkeit entziehen will, einer ihnen auferlegten Pflicht in klarer und geordneter Form abschließend nachzukommen. Derzeit ist die Rechtslage so, dass jeder der nicht den Beweis des Zugangs beim zuständigen Bediensteten führen kann sich jederzeit, auch im Nachhinein, vorhalten lassen muss, seine Pflicht verletzt zu haben. Es kann bezweifelt werden, ob sich viele der Betroffenen dieses Damoklesschwerts überhaupt bewusst sind.

Die Rechtsauffassung der Gerichte ist eindeutig, siehe etwa Leitsatz 1 des Hanseatischen OLG 2. Strafsenat, II-104/03 vom 11.11.2003

Die Pflicht des Empfängers von Sozialleistungen zur Mitteilung von Änderungen der leistungserheblichen Verhältnisse (hier: Arbeitsaufnahme) nach § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB I ist erst erfüllt, wenn die Mitteilung den für die Leistungsbewilligung zuständigen Sachbearbeiter des Leistungsträgers erreicht hat.

Der Petent hebt nochmals hervor, dass sein Petitionsbegehren ist

... dass es Leistungsempfängern rechtssicher und ohne zusätzlichen Aufwand möglich ist, ihrer Mitteilungspflicht nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I mit einer Mitteilung an die Behörde nachzukommen.
und er gegenüber allen geeigneten Vorschlägen hierfür offen ist. Alternativ könnte etwa die Behörde gesetzlich verpflichtet werden, dem Leistungsempfänger innerhalb kurzer Frist Eingang und Kenntnis der Änderungsmitteilung zu bestätigen. Dies schafft klare Verhältnisse. Trifft diese nicht ein, so weiß er, dass er seiner Pflicht noch nicht genügt hat, trifft sie aber ein, so kann er durch Vorlegen dieser Bestätigung beweisen mitgeteilt zu haben.

Soweit das BMAS den Beispielfall diskutiert, und darauf hinweist, es wären nicht zustehende Leistungen bezogen worden, könnte man auch darauf hinweisen dass der Zugang bei der Behörde nachweisbar war, diese aber rechtswidrig die Zahlung nicht eingestellt hat. Hätte sie dies pflichtgemäß getan, wäre strafrechtlich relevantes Verhalten überhaupt nicht erst entstanden. Von einer qualitativ hochwertigen Leistung und effektiven und effizienten Aufgabenerledigung wie sie die Bundesregierung dem Bürger zusichert kann also hier gerade nicht die Rede sein. Dennoch hat der Bürger alleine alle Konsequenzen zu tragen. Für die vorliegende Petition ist dies jedoch nicht relevant.

Soweit die Gerichte von einer Pflicht zur Wiederholung sprechen, etwa OLG München, 4 St RR 159/07 vom 31.10.2007

Der Leistungsempfänger hat dann die Pflicht, die Mitteilung in geeigneter Form zu wiederholen und auf diese Weise zu gewährleisten, dass der zuständige Bedienstete von den veränderten Umständen unverzüglich Kenntnis erhält.

handelt es sich um die Beschreibung des vom Leistungsberechtigten geforderten Realakts, der aus seiner Sicht bereits mitgeteilt hat; aus Sicht des Behördenmitarbeiters, der die erste Mitteilung nicht erhalten hat, liegt ja gerade keine Wiederholung vor. Das Gericht spricht hier also nicht von einer (kompletten) Mitteilung im Sinne des § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Eine solche hat nach der Rechtsauffassung der Gerichte ja gerade nicht stattgefunden, sonst wäre der Leistungsbezieher seiner Pflicht ja nachgekommen und damit einer Verurteilung die Basis entzogen. Daher kann sie schlechterdings (noch) nicht wiederholt werden.

Auch das OLG München weicht offenkundig nicht von der Rechtsprechung ab, dass es auf den Zugang beim zuständigen Bediensteten ankommt

Gehen daher in einem solchen Fall weiter Zahlungen der Behörde bei dem Leistungsempfänger ein, so liegt es nahe, dass die Mitteilung die Behörde oder zumindest den zuständigen Bediensteten nicht erreicht hat. … Hierfür spielt es keine Rolle, auf welchen Umständen die irrigen Vorstellungen des verfügenden Behördenmitarbeiters beruhen, ob also der Steuerberater den ihm vom Angeklagten erteilten Auftrag nicht ausgeführt hat, oder ob er dies zwar getan hat, jedoch die Mitteilung an einen anderen Behördenangehörigen gelangte und aufgrund eines behördeninternen Versehens nicht den zuständigen Mitarbeiter erreichte.

Im Übrigen beruht das Urteil des OLG München möglicherweise darauf, dass für entlastenden Vortrag die Frist des § 345 Abs. 1 StPO h versäumt wurde. Dies ist für das Petitionsanliegen allerdings gleichermaßen irrelevant wie die vom BMAS herangezogenen Falldetails.

Im Übrigen weist der Petent darauf hin, dass parallel zu dieser Entwicklung, die Leistungsberechtigten eine nicht mehr zu schulternde Last zur Beweisführung aufbürdet, im spiegelbildlichen Fall die förmlichen Anforderungen an Jobcenter oder eine Optionskommune zur Darlegung, dass ein Leistungsempfänger Kenntnis einer Pflicht hatte und bei deren Verletzung folglich zu sanktionieren ist, auf ein Minimum reduziert wurden. So lauten etwa § 31 SGB II derzeit

Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ...

und § 32 SGB XII

Kommen Leistungsberechtigte trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis …

wozu die BT‑Drs. 17/3404, Seite 111 erläutert

Künftig kann eine Pflichtverletzung im Sinne der Vorschrift auch vorliegen, wenn der Leistungsberechtigte die Rechtsfolgen seines Verhaltens kannte. Der Nachweis über eine schriftliche Rechtsfolgenbelehrung muss in diesem Fall nicht geführt werden.

das heißt es bedarf keinerlei förmlicher Unterrichtung mehr, womit die Behörde von solch kostenträchtiger und komplexer Mühsal wie etwa der Aushändigung einer Informationsbroschüre entlastet wird, wenn nur irgendwie nahegelegt werden kann, dass der Leistungsempfänger Kenntnis besitzen konnte.
Beschluss des Petitionsausschusses vom 20.02.2017

Berlin, 20. Februar 2017

Bezug: Ihre Eingabe vom

7. Oktober 2015; Pet 3-18-11-820—

025762

Anlagen: 1


Sehr geehrter Herr ...,

der Deutsche Bundestag hat Ihre Petition beraten und am

16. Februar 2017 beschlossen:



Das Petitionsverfahren abzuschließen.



Er folgt damit der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses

(BT—Drucksache 18/ 10996), dessen Begründung beigefügt ist.



Mit dem Beschluss des Deutschen Bundestages ist das

Petitionsverfahren beendet.



Mit freundlichen Grüßen

Kersten Steinke



— 48 - Prot. Nr. 18/76



Pet 3-18-11-820-025762



Sozialversicherung



Beschlussempfehlung



Das Petitionsverfahren abzuschließen.



Begründung



Der Petent möchte eine Ergänzung der Vorschrift des § 60 des Ersten Buches Sozi-

algesetzbuch erreichen.



Zur Begründung der Petition wird ausgeführt, dass es Leistungsempfängern ermög-

licht werden müsse, rechtssicher und ohne zusätzlichen Aufwand ihrer Mitteilungs-

pflicht nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) mit einer

Mitteilung an die Behörde nachzukommen. Dies könnte beispielsweise dadurch er-

reicht werden, dass § 60 Abs. 2 SGB I mit folgendem Satz ergänzt werde: „Mitteilun-

gen gelten als zugegangen, sobald sie in den Herrschaftsbereich der zuständigen

oder einer nur zur Weiterleitung verpflichteten Behörde gelangen“. Bezieher von So-

zialleistungen seien nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I verpflichtet, eine Änderung in den

Verhältnissen, die für einen Anspruch auf eine laufende Sozialleistung erheblich sei,

richtig, vollständig und rechtzeitig mitzuteilen. Unterließen sie dies vorsätzlich oder

fahrlässig, so gelte dies als Ordnungswidrigkeit. Es komme also im Fall eines sol-

chen Unterlassens regelmäßig nicht nur zur Aufhebung der Bewilligung und zu einer

Rückzahlungspflicht der zu Unrecht erhaltenen Leistung, sondern es sei zusätzlich

mit strafrechtlichen Konsequenzen wie Geld- oder Freiheitsstrafen zu rechnen. Zu-

dem sei die Pflicht des Empfängers von Sozialleistungen zur Mitteilung erst erfüllt,

wenn die Mitteilung den für die Leistungsbewilligung zuständigen Sachbearbeiter des

Leistungsträgers erreicht habe. Der Nachweis des Zugangs sei für einen Leistungs—

empfänger nicht realisierbar. Bei vielen Behörden gelange der Bürger überhaupt nur

bis zur „Kundentheke“ oder telefonisch bis zur „Hotline“. Auf die weiteren Ausführun—

gen in der Petition wird verwiesen.



- 49 - Prot. Nr. 18/76



noch Pet 3—18-11—820-025762



Der Ausschuss hat der Bitte des Petenten um Veröffentlichung seiner Petition nicht

entsprochen. Die Ablehnungsgründe wurden dem Petenten mit Schreiben vom 20.

Oktober 2015 mitgeteilt. Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegen-

heit gegeben, ihre Haltung zu der Eingabe darzulegen. Die hierzu verfasste Stei-

lungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) ist dem Peten-

ten mit Schreiben vom 15. Dezember 2015 übersandt worden. Hiergegen hat sich

der Petent gewandt. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung stellt sich unter

Einbeziehung der seitens der Bundesregierung genannten Aspekte wie folgt dar:



Wie das BMAS in der Stellungnahme richtigerweise ausführt, gilt beim Zugang der

Mitteilung an die Behörde der allgemeine Grundsatz nach § 130 Bürgerliches Ge-

setzbuch (BGB). Nach diesem Grundsatz gilt eine Willenserklärung bzw. eine Mittei-

lung als zugegangen, wenn diese so in den Machtbereich des Empfängers gelangt

ist, dass unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann.

Für die Erfüllung des Zuganges ist grundsätzlich das Gelangen in den Machtbereich

der zuständigen Behörde entscheidend und nicht die Kenntnisnahme durch den zu-

ständigen Mitarbeiter der Behörde. Eine genauere Adressierung des zuständigen

Bediensteten der Behörde ist für den Zugang grundsätzlich nicht erforderlich. Soweit

der Petent in diesem Zusammenhang einen Zugangsnachweis fordert, bleibt es je-

dem Leistungsempfänger unbenommen, von der Behörde im konkreten Einzelfall zu

verlangen, dass eine Empfangsbestätigung über den Erhalt von Angaben im Sinne

des § 60 Abs.1 Nr. 2 SGB I ausgestellt wird. Die Behörde entscheidet dann, in wel—

cher Weise diesem Verlangen Rechnung getragen wird. In aller Regel kann der Be-

troffene auf diesem Wege im Streitfall rechtssicher den Nachweis der Erfüllung sei-

ner Mitwirkungspflichten erbringen. Diese Verfahrensweise ist aus Sicht des Petiti-

onsausschusses auch sachgerecht, da eine Empfangsbestätigung jeder per Telefon,

E-Mail, postalisch oder persönlich eingehenden Information zu einem unverhältnis-

mäßig hohen Verwaltungsaufwand führen würde. Ergänzend merkt der Petitionsaus-

schuss an, dass auch jeder in persönlichen Angelegenheiten mit einem Ansprech-

partner der Behörde vereinbarte Termin für die Übergabe von Unterlagen mit der Bit-



— 50 - Prot. Nr. 18/76



noch Pet 3-18-11-820-025762



te genutzt werden kann, dass diese Übergabe entsprechend bestätigt wird. Für die

Job—Center gilt, dass die bei einem vereinbarten Termin getroffenen Feststellungen

durch die Sachbearbeitung in den IT—Verfahren und bei leistungsrelevanten Unterla-

gen in der Leistungsakte zu dokumentieren sind. Der Betroffene hat das Recht, zur

Klärung von Unklarheiten Akteneinsicht nehmen und kann sich auf diesem Wege

davon überzeugen, dass die entsprechenden Feststellungen dokumentiert wurden.



Grundsätzlich ist die Mitteilungspflicht Teil einer effektiven Mitwirkungspflicht des

Leistungsempfängers (§ 60 Absatz 1 Nr. 2 SGB I). Der Zweck einer Mitwirkungs- und

Mitteilungspflicht, auf welche im strafrechtlichen Verfahren unter den Tatbestands-

merkmalen „Unterlassen durch Täuschung" (§ 263 Strafgesetzbuch) und „Garanten—

pflicht" (§ 13 Strafgesetzbuch) Bezug genommen wird, besteht darin, bei der Behör-

de unzutreffende Tatsachen zu berichtigen. An der Erfüllung dieser Aufklärungs-

pflicht bestehen im strafrechtlichen Verfahren Zweifel, wenn die zuständige Behörde

trotz (erstmaliger) Mitteilung durch den Leistungsempfänger — irrtümlicherweise —

weiterhin Zahlungen leistet und der Leistungsempfänger bei Kenntnis von diesen zu

Unrecht erfolgenden Leistungen untätig bleibt. Zur Erfüllung der Aufklärungspflicht

und zur Abwendung der Strafbarkeit des Betruges nach dem Strafgesetzbuch hat der

Leistungsempfänger die Mitteilung auf geeigneter Form gegebenenfalls zu wiederho—

len, wenn es nahe liegt bzw. der Leistungsempfänger erkennt, dass seine Mitteilung

die zuständige Behörde oder zumindest den zuständigen Bediensteten nicht erreicht

hat; dabei spielt es keine Rolle, ob die Mitteilung aufgrund eines behördeninternen

Versehens den zuständigen Mitarbeiter der Behörde nicht erreichte. Der Leistungs-

empfänger erhält in dem beschriebenen Fall Leistungen, die ihm nicht zustehen. Ein

solcher Irrtum ist aufgrund der Mitwirkungspflicht nach § 60 Absatz 1 Nr. 2 SGB 1

aufzuklären und zwar im erforderlichen Fall durch mehrmalige Mitteilungen in geeig-

neter und zumutbarer Form.



— 51 — Prot. Nr. 18/76



noch Pet 3—18-11-820-025762



Nach den vorangegangenen Ausführungen sieht der Petitionsausschuss keine Not—

wendigkeit, das gesetzgeberische Anliegen des Petenten zu unterstützen. Er emp-

fiehlt deshalb, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht ent—

sprochen werden konnte.

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Freitag, 17. März 2017
Anrechnungsfreie Nachzahlung bei widerrechtlicher Sanktion
Gekürzte Chronologie
der Petition Pet 4-18-11-81503-021496
Anrechnungsfreie Nachzahlung bei widerrechtlicher Sanktion
Kurzfassung der Petition

(mit der Bitte um Veröffentlichung)

Titel Sozialrecht “Anrechnungsfreie Nachzahlung bei widerrechtlicher Minderung"

Seite2

Wortlaut der Petition

Es wird folgender § 31a Abs. 5 SGB II eingefügt

(5) Erweisen sich Minderungen als zu Unrecht vorgenommen oder wurde zu Unrecht auf andere als Geldleistungen verwiesen, sind die Geldleistungen vollständig und anrechnungsfrei nachzuentrichten.

Anm.: Die Einzelheiten der Nachentrichtung richten sich nach den Normen des SGB I und SGB X, etwa die Verzinsung nach § 44 SGB I. Dienst- und Sachleistung sind im SGB II nach § 4 SGB II grundsätzlich möglich, jedoch die Ausnahme (etwa § 24 Abs. 2 SGB II).

Begründung

Gesetzgeberische Absicht ist, dass auch Hilfebedürftige vorrangig zu selbständigem Wirtschaften angehalten werden sollen. Der Handel mittels Zahlungsmittel ist die dominierende Warenaustauschform und somit hat jede Abweichung hiervon ein erhöhtes Stigmatisierungsrisiko. Die Dispositionsfreiheit (§ 20 SGB II, Art 2 Abs. 1 GG), das heißt das Recht auf dem gesamten Markt das bevorzugte Angebot selbst wähen zu können, kann nur mit allgemein geltenden Zahlungsmittel zur Entfaltung gelangen.

Einschränkungen gelten im Fall sogenannter Sanktionen. In diesem Fall sollen Geldleistung teilweise oder vollständig gestrichen werden, können und soll das Existenzminimum durch andere Leistungsformen gesichert werden. Wie oben dargelegt ergibt sich, dass im Wertesystem der Grundsicherung ein solcher Verweis auf Nichtgeldleistungen als belastend zu sehen ist. Die vorliegende Petition befasst sich nicht mit Sanktionen an sich. Gegenstand hier ist allein die Frage, wie in Fällen zu verfahren ist, in denen sich Sanktionen schlussendlich als rechtswidrig herausstellen oder generell ein Verweis auf Dienst- oder Sachleistungen, auch in Form etwa von Gutscheinen erfolgte, für die sich später ergibt, dass dieser rechtsgrundlos erging.

Derzeit ist die Situation so, dass zwar Nachzahlungen erfolgen, die Grundsicherungsträger aber hiergegen etwa den Nominalwert der zwischenzeitlich erteilten Gutscheine etwa für Lebensmittel gegenrechnen. Dass der zu Unrecht sanktionierte, durch den Entzug der Geldleistung de facto gezwungen war, diese anzunehmen, findet keine Berücksichtigung. Nimmt der zu Unrecht Sanktionierte die lebensnotwendigen Gutscheine an, wird ihm dies als Annahme an Erfüllungs statt gemäß § 364 Abs. 1 BGB vorgehalten (so auch Bayerisches Landessozialgericht, L 11 AS 654/14 vom 26.11.2014).

Ein Rechtsstaat ist dem Legalitätsprinzip und dem Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet. Besonders in Bereichen in denen er noch belastende Eingriffe am Existenzminimum vornimmt, muss er sich an höchsten Sorgfaltsmaßstäben messen lassen. Eine Nachentrichtung ist grundsätzlich geeignet die Belastung während Zeiten überdurchschnittlicher Einschränkung durch einen vergrößerten Freiraum in der Folgezeit wenigstens teilweise zu kompensieren.

Anregungen für die Forendiskussion

Eine im Einzelfall möglicherweise unbeabsichtigt auftretende Überkompensation - etwa wenn ein zu Unrecht Sanktionierter vorhatte in nächster Zeit besonders sparsam zu leben, um etwa für einen einmaligen Bedarf anzusparen - dürfe in der Praxis oft unnachweisbar sein und ist im Hinblick auf die grundrechtlich gebotene Gleichbehandlung und darauf, dass Unschuldige nichts zu befürchten haben sollen, hinzunehmen. Ohnehin verbleibt es bei einem hinzunehmenden Sonderopfer für die Allgemeinheit für diejenigen Personen, die zufällig gerade in der Zeit der zu Unrecht erlittenen Sanktion, besonderen Bedarf decken wollten, der nicht mehr ohne Weiteres nachgeholt werden kann. Beide Restrisiken der Lebensführung verbleiben. Es ist nicht einzusehen, warum der Staat sich des seinen einseitig zu Lasten Unschuldiger entledigen können sollte.
Schreiben des Petitionsausschusses vom 21.05.2015

Berlin, 21. Mai 2015

Bezug: Ihre Eingabe vom 1. Mai 2015

Arbeitslosengeld II

Sehr geehrter Herr ...,



hiermit bestätige ich den Eingang Ihrer Petition, mit der Sie fol-

gendes Anliegen vortragen:



Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass Hilfsbedürftige

zum selbständigen Wirtschaften angehalten werden sollen und

Geldleistungen vollständig und anrechnungsfrei bei unrechten

Minderungen nachzuentrichten sind.



Der Ausschussdienst, dem die Ausarbeitung von Vorschlägen für

den Petitionsausschuss obliegt, hat das von Ihnen vorgetragene

Anliegen sorgfältig geprüft.



Nach Prüfung aller Gesichtspunkte ist der Ausschussdienst zu

dem Ergebnis gekommen, dass eine Umsetzung Ihres Anliegens

angesichts der gegenwärtigen Handlungsprioritäten auf diesem

Gebiet ausgeschlossen erscheint. Diese Auffassung stützt sich

insbesondere auf folgende Erwägungen:



Die Nichtanrechnung der geleisteten Sachleistungen oder geld-

werten Leistungen würde zu einer rechtswidrigen Erhöhung des

Regelbedarfs führen.



Sofern Sie keine entscheidungserheblichen Bedenken gegen die

inhaltliche Bewertung Ihrer Eingabe vortragen, wird den Abge-

ordneten des Petitionsausschusses in sechs Wochen vorgeschla-

gen werden, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil Ihrem

Anliegen nicht entsprochen werden kann. Folgen der Ausschuss

und das Plenum des Deutschen Bundestages diesem Vorschlag,

erhalten Sie keinen weiteren Bescheid.



Seite 2



Weil Ihre Petition nicht den gewünschten Erfolg haben wird,

sieht der Ausschuss von einer Veröffentlichung auf der Internet-

seite des Petitionsausschusses ab. Diese Entscheidung erfolgte

auf der Grundlage der „Richtlinie für die Behandlung von öffent-

lichen Petitionen“ (Pkt. 4e) gemäß Ziffer 7.1 (4) der Verfahrens-

grundsätze, die unter www.bundestag.de/Petitionen veröffent-

licht sind.



Personenbezogene Daten werden unter Wahrung des Datenschut-

zes gespeichert und verarbeitet.



Mit freundlichen Grüßen


Schreiben des Petenten vom 10.06.2015

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit erhebe ich Bedenken gegen Ihr in obigem Schreiben angekündigtes Vorgehen.

Soweit Sie ausführen

… hiermit bestätige ich den Eingang Ihrer Petition, mit der Sie folgendes Anliegen vortragen:

Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass Hilfsbedürftige zum selbständigen Wirtschaften angehalten werden sollen …

ist dies unrichtig.

Zwar ist ein ähnlicher Passus in der Begründung enthalten, allerdings eben dort und nicht im Wortlaut der Petition. Er dient überdies dort ersichtlich nicht zur weiteren Ausformulierung des Petitionsbegehrens, sondern zur Beschreibung des status quo, denn er lautet

Gesetzgeberische* Absicht ist, dass auch Hilfebedürftige vorrangig zu selbständigem Wirtschaften angehalten werden sollen.

Da dies überdies bereits lege lata ist, vergleiche etwa § 20 SGB II

Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

wäre eine hierauf gerichtete Petition ohnehin im Wesentlichen sinnlos, da nicht mehr erreicht werden muss, was schon der Fall ist.

Im Wesentlichen richtig hingegen ist, dass die Petition erreichen soll, dass Geldleistungen bei unrechten Minderungen wenigstens vollständig und anrechnungsfrei nachzuentrichten sind. Hierzu hat der Petent auch eine konkrete Gesetzesformulierung vorgeschlagen, verschließt sich jedoch nicht Alternativen mit gleicher Wirkung.

Weiter führen Sie aus

Nach Prüfung aller Gesichtspunkte ist der Ausschussdienst zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Umsetzung Ihres Anliegens angesichts der gegenwärtigen Handlungsprioritäten auf diesem Gebiet ausgeschlossen erscheint. Diese Auffassung stützt sich insbesondere auf folgende Erwägungen:

Die Nichtanrechnung der geleisteten Sachleistungen oder geldwerten Leistungen würde zu einer rechtswidrigen Erhöhung des Regelbedarfs führen.

Zunächst stellt der Petent hiermit klar, dass er sich mit seiner Petition an den deutschen Bundestag in seiner Funktion als demokratischer Gesetzgeber wendet. Schon deswegen ist der Vorwurf, der Petent fordere Rechtswidriges ohne jeden Sinn, insbesondere selbst dann, wenn der Vorschlag tatsächlich geltendem Recht widersprechen würde, denn es steht dem Gesetzgeber grundsätzlich zu, eben dieses geltende Recht jederzeit außer Kraft zu setzen, wenn er es für tunlich hält.

Es ist im Übrigen auch nicht erkennbar, dass der Vorschlag geltendem Recht widersprechen würde. Vielmehr wendet er sich gegen eine bestimmte Rechtsauslegung. Die Behauptung, die Nichtanrechnung der geleisteten Sachleistungen oder geldwerten Leistungen würde zu einer rechtswidrigen Erhöhung des Regelbedarfs führen, wird vom Petitionsausschuss nicht weiter begründet und ist nicht nachvollziehbar. Gemäß § 20 SGB II steht dem Hilfebedürftigen ein Geldbetrag als Pauschale zu

Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; ...

diesen hat er nicht oder nicht im vollen Umfang erhalten, wenn er eine widerrechtliche Sanktion zu erdulden hatte. Ob daneben Sachleistungen erbracht wurden ist für die Erfüllung dieses Anspruchs zunächst irrelevant.

Wie bereits in der Petition dargelegt, beruht die rechtliche Bewertung, die zur Anrechnung führt, darauf, dass dem zu Unrecht Sanktionierten vorgeworfen wird, er hätte die Gutscheine angenommen. Das überzeugt jedoch nicht, da die Beantragung und die Annahme dieser Gutscheine durch vis compulsiva (etwa bei Lebensmittelgutscheinen durch Hunger) oder der Drohung damit erzwungen wurde und wie sich herausgestellt hat, dies alles keine hinreichende Rechtsgrundlage hatte.

Der Verweis des Petitionsausschusses auf „gegenwärtigen Handlungsprioritäten“ ist unverständlich, denn weder wird gesagt, was diese Handlungsprioritäten wären, noch warum sie zwangsläufig einer Umsetzung des Begehrens des Petenten entgegenstehen.

Der Petent hält daher seine Bitten im vollen Umfang aufrecht und bittet um Entscheidung hierüber.
Schreiben des Petitionsausschusses vom 07.01.2016

Berlin, 7. Januar 2016

Bezug: Ihre Eingabe vom 1. Mai 2015:

Anlagen: 1

Kersten Steinke, MdB
...

Sehr geehrter Herr ...,

der Deutsche Bundestag hat Ihre Petition beraten und am
17. Dezember 2015 beschlossen:

Das Petitionsverfohren abzuschließen.

Er folgt damit der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
(ET—Drucksache 18/7067), dessen Begründung beigefügt ist. '

Mit dem Beschluss des Deutschen Bundestages ist das
Petitionsverfahren beendet.

Mit freundlichen Grüßen

Kersten Steinke


— 140 — Prot. Nr. 18/51

Pet4-18-11-81503f021496 84069 Schierling

Arbeitslosengeld II

Beschlussempfehlung

Das Petitionsverfahren abzuschließen.

Begründung

Der Petent fordert, dass Geldleistungen vollständig und anrechnungsfrei
nachzuentrichten sind, sofern sich Minderungen als zu Unrecht vorgenommen
erweisen oder zu Unrecht auf Dienst- oder Sachleistungen verwiesen wurde.

Zur Begründung trägt der Petent im Wesentlichen vor, der Handel mittels Zahlungs-
mittel sei die dominierende Warenaustauschform und somit habe jede Abweichung
hiervon ein erhöhtes Stigmatisierungsrisiko. Einschränkungen gebe es im Falle von
Sanktionen. Dabei könne auf Nichtgeldleistungen verwiesen werden.

Stelle sich später heraus, dass der Verweis auf Dienst— oder Sachleistungen rechts—
grundlos ergangen sei, erfolgten zwar die Nachzahlungen, doch werde der Nominal—
wert der zwischenzeitlich erteilten Gutscheine etwa für Lebensmittel gegengerech—
net. Die erzwungene Annahme der Gutscheine werde dem Leistungsempfänger
nach höchstrichterlicher Rechtsprechung als Annahme an Erfüllung statt gemäß §
364 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entgegengehalten. Eine Nachentrich-
tung sei geeignet, die vorherige Belastung wenigstens teilweise zu kompensieren.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die vom Petenten
eingereichten Unterlagen verwiesen.

Der Bitte des Petenten um Veröffentlichung seiner Eingabe auf der Internetseite des
Deutschen Bundestages hat der Ausschuss nicht entsprochen.

Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Der Staat ist nach Art. 1 Abs. 1 sowie dem Sozialstaatsgebot nach Art. 20 Abs. 1
Grundgesetz verpflichtet, mittellosen Bürgern die Mindestvoraussetzungen für ein

- 141 — Prot. Nr. 18/51

noch Pet 4-18-11-81503-021496

menschenwürdiges Dasein erforderlichenfalls durch Sozialleistungen zu sichern. lm
Rahmen der Entscheidung, in welchem Umfang Fürsorgeleistungen unter Berück-
sichtigung vorhandener Mittel und anderer gleichwertiger Staatsaufgaben gewährt
werden können, ist dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet.

Der Gesetzgeber hat sich entschieden, mit der Grundsicherung für Arbeitssuchende
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) eine steuerfinanzierte staatliche
bedarfsorientierte und bedürftigkeitsabhängige reine Fürsorgeleistung zur Sicherung
des Lebensunterhaltes des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der mit ihm in Be-
darfsgemeinschaft zusammenlebenden Angehörigen einzurichten. Er hat es dabei
mit den Grundsätzen eines aus Steuermitteln finanzierten Fürsorgesystems für nicht
vereinbar gehalten, höhere Leistungen zu gewähren, als für die Sicherung des Exis—
tenzminimums notwendig wären.

Liegen Pflichtverletzungen des Leistungsberechtigten vor, ist in § 31a Absätze 3 und
4 SGB II vorgesehen, die Leistungen in Sachleistungen oder geldwerten Leistungen
zu erbringen. Sind die Sanktionen zu Unrecht erfolgt, werden die Geldleistungen .
nachgezahlt, wobei die bereits in anderer Form erbrachten Leistungen angerechnet
werden müssen, da eine Nichtanrechnung zu einer rechtswidrigen Erhöhung des
Regelbedarfs führen würde. Dies wäre, wie bereits ausgeführt, mit den Interessen
des Steuerzahlers nicht zu vereinbaren.

Der Ausschuss hält die geltende Rechtslage für sachgerecht und vermag eine
Rechtsänderung im Sinne der Eingabe nicht zu unterstützen. Der Petitionsausschuss
empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht ent—
sprochen werden konnte.

Der von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellte Antrag, die Petition der
Bundesregierung — dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales — als Material zu
überweisen, ist mehrheitlich abgelehnt worden.

Anmerkungen

*) Der Schreibfehler im Original „Gesetzgeberischen Absicht ist, dass auch Hilfebedürftige vorrangig zu selbständigem Wirtschaften angehalten werden sollen.“ wurde korrigiert.

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Freitag, 17. März 2017
Ablösung der Erreichbarkeitsanordnung (EAO) durch § 7 Abs. 4a SGB II
Gekürzte Chronologie der Petition zur Ablösung der Erreichbarkeitsanordnung (EAO) durch § 7 Abs. 4a SGB II
Petition vom 14.06.2015

Petition an den Deutschen Bundestag

(mit der Bitte um Veröffentlichung)

Seite2

Wortlaut der Petition

Der Deutsche Bundestag möge beschließen ...

1. Gesetzesänderung

§ 77 Abs. 1 SGB II wird mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Demzufolge tritt § 7 Abs 4a SGB II mit
sofortiger Wirkung in Kraft.

2. ad-hoc Regelung zum weiteren Verfahren

Die zuständigen Träger nach dem SGB II entscheiden nach pflichtgemäßem Ermessen, ob ein wichtiger
Grund vorliegt und die Eingliederung in Arbeit nicht beeinträchtigt wird.

Begründung

Die Regelungen zur Ortsabwesenheit Erwerbsfähiger die sich vormals an der Erreichbarkeits-Anordnung vom
23. Oktober 1997 orientierten, haben sich im SGB II als von geringer Brauchbarkeit erwiesen und führten
stattdessen zu zahlreichen auch schwerwiegenden Problemen in der Praxis, bis hin zum unüberwindlichen
Hindernis für die Eingliederung in Arbeit, die die Vorschrift eigentlich fördern sollte. Der Gesetzgeber hat
dies längst erkannt und durch Artikel 2 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des
Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 BGBl. I S. 453 den § 7 Abs. 4a SGB II von
Grund auf neu gefasst. Bedauerlicherweise läuft diese Nachbesserung leer.

Nach § 77 Abs. 1 SGB II gilt die alte, inferiore Fassung weiter, da bisher die geforderte Rechtsverordnung
nach § 13 Abs. 3 SGB II nicht erlassen wurde. Ein Grund, durch diese, als Übergangsregelung gedachte
Norm, auf Dauer die von vielen Seiten dringend gewünschte Ablösung der Erreichbarkeits-Anordnung durch
eine moderne, zweckmäßige Regelung zu blockieren, ist schon lange nicht mehr erkennbar.

Wiewohl eine einheitliche Rechtsverordnung im Grundsatz ein erstrebenswertes Ziel ist, ist aufgrund von
deren anhaltendem Fehlen die Vorschrift des § 77 Abs. 1 SGB II zum Hemmschuh geworden. Indem die
zuständige Behörde ihr im Einzelfall auszuübendes Ermessen konsequent an dem in § 7 Abs 4a SGB II zum
Ausdruck kommenden Ziel der Vermeidung von Eingliederungshemmnissen ausrichtet, ist dieser für eine
Übergangszeit, bis eine Rechtsverordnung erlassen wird, auch alleine besser geeignet den Gesetzeszweck zu
erfüllen. Die Erreichbarkeits-Anordnung ist bereits jetzt obsolet.

Sinnvoll wäre weiter, wenn die Behörde die Zustimmung auch im Nachhinein und von Amts wegen erteilen
kann. Beantragende von Leistungen nach dem SGB II sind darüber zu belehren, dass sie eine Zustimmung
frühzeitig beantragen sollen. Leistungsberechtigte, die vor Abwesenheit die Zustimmung beantragen, sollen
eine Entscheidung hierüber möglichst frühzeitig erhalten. Die Rechtsverordnung kann diese oder andere Wege
gehen. Mit ihrem in Kraft treten entfällt die ad hoc Regelung.

Anregungen für die Forendiskussion

Seite3

Einer weiteren, noch darüber hinausgehenden Verbesserung durch die Rechtsverordnung, deren
Erwünschtheit die Petition nicht angreift, wird entgegengesehen. Es besteht jedoch kein Grund den jetzigen,
vom Gesetzgeber schon lange als unsinnig bis hin zum im Einzelfall untragbar erkannten Zustand nur
deswegen fortbestehen zu lassen, weil die durch Sofortaufhebung des § 77 Abs. 1 SGB II erzielbare
Verbesserung "nur" spürbar, aber noch nicht perfektioniert ist. Es handelt sich um eine ohne Weiteres und
sofort durchführbare Novellierung, die spätere, weitere Verbesserungen nicht blockiert.

Der Regelfall ist die vollständige Klärung vor Inanspruchnahme der Ortsabwesenheit. Für Fälle, in denen dies
nicht möglich ist, etwa wegen unvorhersehbarer Ereignisse, muss eine Möglichkeit zu nachträglicher
Zustimmung bestehen. Um unproblematische Fälle unbürokratisch zu erledigen, kann die Behörde die
Zustimmung von sich aus ohne Weiteres erteilen.
Schreiben des Petitionsausschusses vom 15.07.2015

Berlin. 15. Juli 2015

Arbeitslosengeld II

Pet 4-18-11-81503-022397 (Bitte bei allen Zuschriften angeben)

Sehr geehrter Herr ...,

hiermit bestätige ich den Eingang Ihrer Petition mit der ID-
Nummer: 59392.

Von der von Ihnen gewünschten Veröffentlichung Ihrer Eingabe
wurde abgesehen, da sich bereits eine sachgleiche Petition in der
parlamentarischen Prüfung befindet.

Sie finden diese auf unserer Homepage
www.bundestag.de/Petitionen unter der ID-Nummer 53758.

Ihre Petition wird deshalb als Mehrfachpetition zu dieser
Leitpetition behandelt und mit ihr Zusammen geprüft. Zu
gegebener Zeit erhalten Sie eine abschließende Nachricht. Bis
dahin bitte ich um Geduld.

Personenbezogene Daten werden unter Wahrung des Daten-
schutzes gespeichert und verarbeitet.

Auf das geänderte Aktenzeichen weise ich hin.
Mit freundlichen Grüßen
Schreiben an den Petitionsausschusses vom 22.07.2015

Sehr geehrte Damen und Herren,

in Ihrem oben genannten Schreiben führen Sie aus

Von der von Ihnen gewünschten Veröffentlichung Ihrer Eingabe wurde abgesehen, da sich bereits eine sachgleiche Petition in der parlamentarischen Prüfung befindet.

Sie finden diese auf unserer Homepage www.bundestag.de/Petitionen unter der ID-Nummer 53758.

Es ist richtig, dass die Petition mit der ID-Nummer 53758 ebenso wie die vorliegende Petition sich mit der Ortsanwesenheitspflicht von Beziehern von Arbeitslosengeld II befasst. Allerdings gibt der Petent zu bedenken, dass sich hiermit die Gemeinsamkeiten wohl schon erschöpft haben dürften. Dies sollte klar werden, wenn man sich etwa vergegenwärtigt, zu was eine Umsetzung der jeweiligen Petition durch den Deutschen Bundestag führen würde. Im Fall der Petition mit der ID-Nummer 53758 würden damit § 7 Abs 4a SGB II nie in Kraft treten, sondern die Pflichten wären völlig aufgehoben, die Ortsabwesenheit ungeregelt und dem jeweiligen Betroffenen überlassen. Die vorliegende Petition dagegen würde, gerade im Gegenteil dazu, zum Inkraftreten von § 7 Abs 4a SGB II führen.

Beiliegend übersendet der Petent zur Verdeutlichung eine reformulierte Version der Petition.
Schreiben des Petitionsausschusses vom 03.09.2015

Berlin, 3. September 2015
Bezug: Ihr Schreiben vom,
22. Juli 2015

Arbeitslosengeld II
Pet 4-18-11-81503-022397 (Bitte bei allen Zuschriften angeben)

Sehr geehrter Herr ...,

ich bestätige den Eingang Ihres Schreibens.

Angesichts der Rechtslage kann bedauerlicherweise nichts weiter
in Ihrer Angelegenheit veranlasst werden.

Nach abschließender Behandlung werden Sie unaufgefordert un-
terrichtet.

Mit freundlichen Grüßen
Schreiben des Petitionsausschusses vom 30.03.2016

Berlin. 30. März 2016

Bezug: Ihre Eingabe vom

14. Juni 2015; Pet 4-18-11—81503—022397

Anlagen: 1

Sehr geehrter Herr ...,

der Deutsche Bundestag hat Ihre Petition beraten und am
17. März 2016 beschlossen:

Das Petitionsverfahren abzuschließen.

Er folgt damit der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
(BT—Drucksache 18/7900). dessen Begründung beigefügt ist.

Mit dem Beschluss des Deutschen Bundestages ist das
Petitionsverfahren beendet.

Mit freundlichen Grüßen

- 94 - I Prot. Nr. 18/56

Pet4-18—11—81503v

Arbeitslosengeld II

Beschlussempfehlung

Das Petitionsverfahren abzuschließen.

Begründung

Mit der Petition wird gefordert, die Ortsanwesenheitsregelung für Arbeitslosengeld II-
Bezieher aufzuheben.

Zur Begründung wird im Wesentlichen angeführt, dass Arbeitslose täglich ihren
Briefkasten kontrollieren müssten und ihren Wohnort nicht verlassen dürften, um auf
Bewerbungsangebote schnell reagieren zu können. Im Zeitalter elektronischer Kom-
munikationsmöglichkeiten sei dies nicht mehr erforderlich, für Bewerbungsangebote
auf die nach eigener Ansicht unzuverlässige und langwierige Postzustellung zuwar—
ten. Dank moderner Verkehrsmittel sei es Arbeitslosen auch jederzeit möglich, am
nächsten Morgen an jedem beliebigen Ort in Deutschland zur Bewerbung anzutre-
ten.

Zudem seien Selbstständige von der Regelung zu befreien, da für diese Gruppe die
Grundlage, auf der die Ortsanwesenheitspflicht aufbaue, ohnehin nie bestanden ha-
be. Selbstständige würden ansonsten in ihrer beruflich notwendigen Flexibilität be—
hindert.

Dem Petitionsausschuss liegen zu diesem Thema mehrere Eingaben mit verwandter
Zielsetzung vor, die wegen des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen parla-
mentarischen Prüfung unterzogen werden. Es wird um Verständnis gebeten, dass
nicht auf alle der vorgetragenen Aspekte im Einzelnen eingegangen werden kann.

Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Petitionsaus—
schusses eingestellt. Sie wurde von 236 Mitzeichnern unterstützt. Außerdem gingen
53 Diskussionsbeiträge ein.

- 95 - Prot. Nr. 18/56

noch Pet4-18-11-81503-

Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, ihre Haltung
zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich
unter anderem unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten
Aspekte wie folgt zusammenfassen:

Nach § 7 Abs. 4 a Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhält keine Leistungen,
wer sich ohne Zustimmung des zuständigen Trägers außerhalb des zeit— und ortsna—
hen Bereiches aufhält. Die Bestimmungen der grundsätzlich für den Bereich der Ar-
beitslosenversicherung erlassenen Erreichbarkeitsanordnung (EAO) vom
23. Oktober 1997, geändert durch Anordnung vom 16. November 2001, gelten ent-
sprechend.

Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, möglichst zu vermeiden, dass die Abwesen-
heit Einfluss auf die berufliche Eingliederung hat. Leistungsberechtigte sollen den
Eingliederungsbemühungen zur Verfügung stehen. Mit § 1 EAO wird die Pflicht eines
Arbeitslosen — und über § 7 Abs. 4 a SGB II auch des arbeitslosen erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen —— geregelt, sicherzustellen, dass er an Werktagen durch Briefpost
erreichbar sein muss. Eine Erreichbarkeitspflicht an Tagen, die keine Werktage sind,
wäre nicht erfüllbar, da an solchen Tagen keine Briefpost ausgeliefert wird. Insoweit
ist es konsequent, die Erreichbarkeitspflicht nur für Werktage zu regeln. Der Aufent—
halt innerhalb dieses Bereiches ist nach § 1 Abs. 1 EAO insbesondere erforderlich,
um Mitteilungen der Agentur für Arbeit persönlich zur Kenntnis zu nehmen, das Ar—
beitsamt aufzusuchen, mit einem möglichen Arbeitgeber oder Träger einer berufli-
chen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und bei Bedarf persönlich
mit diesem zusammenzutreffen oder eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen‚ oder
an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen. Dabei ist es nicht aus-
geschlossen, dass Vorstellungstermine auch an Sonn- und Feiertagen wahrge—
nommen werden könnten, insbesondere in Berufen, in denen Arbeit an solchen Ta-
gen üblich ist. Darüber hinaus haben die eigenständigen Bemühungen um Eingliede—
rung (z. B. das Verfassen von Bewerbungen) ohnehin auch unabhängig von der Öff-

- 96 - Prot. Nr. 18/56

noch Pet 4-18-11-81503

nungszeit der Agentur für Arbeit bzw. des zuständigen Trägers der Grundsicherung
für Arbeitsuchende zu erfolgen.

In § 7 Abs. 4 a SGB II wird aber auch das Recht geregelt, sich außerhalb des zeit-
und ortsnahen Bereiches aufzuhalten. Möchte ein Arbeitsloser den zeit- und ortsna-
hen Bereich verlassen, kann dies zu einer Beeinträchtigung der beruflichen Einglie—
derung führen. Das vorherige Zustimmungserfordernis dient daher dazu, dass durch
den zuständigen Träger abgeklärt wird, ob eine solche Beeinträchtigung durch die
Abwesenheit droht. Ist dies nicht der Fall, steht die Abwesenheit der Verfügbarkeit —
und damit dem Leistungsanspruch — "bis zu drei Wochen im Kalenderjahr" nicht
entgegen. Diese Formulierung begünstigt die Betroffenen. Dem Arbeitslosen wird
ermöglicht, sich für einen zusammenhängenden Zeitraum von bis zu drei Wochen
außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches aufzuhalten. Dafür ist es unerheblich,
ob ein Zeitraum von "18 Werktagen" oder von "drei (Kalender-) Wochen" geregelt
wird. Möchte der Arbeitslose hingegen von seinem Recht in mehreren Teilzeiträumen
Gebrauch machen, hat er durch die getroffene Regelung je nach Aufteilung der Orts—
abwesenheitszeiten die Möglichkeit, sich an bis zu 21 Werktagen außerhalb des zeit-
und ortsnahen Bereiches aufzuhalten.

Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn für den Aufenthalt außerhalb des zeit- und
ortsnahen Bereichs ein wichtiger Grund vorliegt und die Eingliederung in Arbeit nicht
beeinträchtigt wird. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, bei Teilnahme an ei—
ner ärztlich verordneten Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation,
bei Teilnahme an einer Veranstaltung, die staatspolitischen, kirchlichen oder gewerk-
schaftlichen Zwecken dient oder sonst im öffentlichen Interesse liegt oder bei Aus-
übung einer ehrenamtlichen Tätigkeit.

Die Zustimmung kann auch erteilt werden, wenn für den Aufenthalt außerhalb des
zeit— und ortsnahen Bereichs kein wichtiger Grund vorliegt und die Eingliederung in
Arbeit nicht beeinträchtigt wird. Hierbei soll die Dauer der Abwesenheit in der Regel
insgesamt 3 Wochen im Kalenderjahr nicht überschritten werden.

- 97 - Prot. Nr. 18/56

noch Pet4-18-11-81503

Dem Vortrag, dass eine elektronische Erreichbarkeit ausreichend sei, kann nicht ge-
folgt werden.

Die Umstellung des bisher praktizierten Verwaltungsverfahrens würde voraussetzen,
dass jede erwerbsfähige leistungsberechtigte Person über entsprechende technische
Geräte zum Empfang elektronischer Nachrichten verfügt. Die Anschaffung solcher
Geräte ist in der Regel mit Kosten verbunden. Zusätzlich fallen in der Regel auch
monatliche Nutzungsentgelte an. Die Zustellung mit der Briefpost ist hingegen für die
leistungsberechtigte erwerbsfähige Person kostenlos. Auch eine Nutzung elektroni—
scher Kommunikationswege auf ausdrücklichen Wunsch des Betroffenen kommt
nicht in Betracht. Es entspricht der Lebenswirklichkeit, dass der Empfang elektroni—
scher Nachrichten durch verschiedene Umstände eingeschränkt oder unmöglich sein
kann. So kann es bei einem Wechsel des Telekommunikationsanbieters für einen
bestimmten Zeitraum zu einer Unterbrechung der Empfangsmöglichkeiten kommen;
ausstehende Zahlungen ‚der Nutzungsentgelte (z. B. bei sogenannten „prepaid-
Verträgen“) können ebenfalls zur Nichterreichbarkeit führen. Es kann nicht Aufgabe
des Jobcenters sein, zuvor das Vorliegen der Empfangsvoraussetzungen zu prüfen
bzw. im Nachgang der Übermittlung, die erfolgreiche Datenübermittlung zu überprü-
fen.

Die Nutzung der Briefpost stellt demgegenüber ein für Bürger und Verwaltung rechts-
sicheres und transparentes Verfahren dar. Unabhängig von technischen Anforderun-
gen und Kosten ist die Nachrichtenübermittlung an die erwerbsfähige leistungsbe-
rechtigte Person sichergestellt.

Auch die Argumentation, dass erwerbsfähige Leistungsberechtigte von jedem Auf-
enthaltsort in Deutschland Aufforderungen zur Meldung im Jobcenter am nächsten
Werktag Folge leisten könnten, überzeugt nicht. Vielmehr dürfte ein erheblicher zeitli-
cher und finanzieller Aufwand erforderlich sein, um bei einem Aufenthalt außerhalb
des zeit- und ortsnahen Bereiches rechtzeitig das Jobcenter erreichen zu können.

Gerade eine zusätzliche finanzielle Belastung der erwerbsfähigen leistungsberechtig-

- 98 - Prot. Nr. 18/56

noch Pet4-18-11-81503

ten Person dürfte in der Regel im Hinblick auf deren Hilfebedürftigkeit problematisch
sein.

Zu der mit der Petition zusätzlich geforderten Aussetzung des Vollzugs der Regelung
in § 7 Absatz 4a SGB II bei selbständig Erwerbstätigen, die ergänzend Arbeits—
losengeld II beziehen, ist auf Folgendes hinzuweisen.

Nach geltender Rechtslage finden die Regelungen der EAO nur auf arbeitslose er-
werbsfähige Leistungsberechtigte Anwendung. Soweit die selbständig ausgeübte
Erwerbstätigkeit einen zeitlichen Umfang einnimmt, die zum Wegfall der Arbeitslosig-
keit führt, findet die EAO keine Anwendung. Gleichwohl unterliegen auch selbständig
Erwerbstätige mit ergänzendem Bezug von Arbeitslosengeld II weiterhin der Selbst-
hilfeverpflichtung. Sie sind trotz selbständiger Erwerbstätigkeit verpflichtet, alle Mög—
lichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen.
Dies bedeutet in der Regel, die selbständige Erwerbstätigkeit auszuweiten bzw. so
auszugestalten, dass sie wirtschaftlich tragfähig ist und die Hilfebedürftigkeit durch
die selbständige Tätigkeit innerhalb eines angemessenen Zeitraums dauerhaft über—
wunden wird. Sofern eine wirtschaftliche Tragfähigkeit nicht erreicht werden kann, ist
der betroffenen erwerbsfähigen‚ leistungsberechtigten Person auch die Aufgabe der
selbständigen Tätigkeit zugunsten einer abhängigen Beschäftigung zumutbar (vgl.
§ 10 Absatz 2 Nummer 5 SGB II). Das Jobcenter muss daher weiterhin die Möglich-
keit haben, die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person mit der Briefpost zu errei-
chen. Die betroffene leistungsberechtigte Person kann sich nicht darauf berufen, Auf—
forderungen und Mitteilungen des Jobcenters wegen Ortsabwesenheit nicht zur
Kenntnis nehmen und Aufforderungen nicht Folge leisten zu können. Im Zweifel ist
die betroffene leistungsberechtigte Person gehalten, ihre - auch beruflich bedingte
Abwesenheit - dem Jobcenter in geeigneter Weise anzuzeigen. Dies ermöglicht dem
Jobcenter die Versendung von Aufforderungen (z. B. Meldeaufforderungen) entspre—
chend dem Aufenthalt der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person an ihrem
Wohnort.

- 99 — Prot. Nr. 18/56 V

noch Pet 4—18-11—81503-

Erforderliche Abwesenheiten wegen der Ausübung der selbständigen Tätigkeit wer—
den von der Erreichbarkeitsanordnung nicht erfasst.

Abschließend ist anzumerken, dass die Regelung der Ortsanwesenheitspflicht keine
Freiheitsberaubung darstellt. Die Regelung ist nur mit Leistungsansprüchen verbun-
den, greift aber nicht in Art. 11 des Grundgesetzes ein.

Der Ausschuss hält die geltende Rechtslage für sachgerecht und vermag sich nicht
für die mit der Petition geforderte Gesetzesänderung auszusprechen.

Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil
dem Anliegen der Petition nicht entsprochen werden konnte.

Der von der Fraktion DIE LINKE. gestellte Antrag, die Petition der Bundesregierung —
dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales — als Material zu überweisen und
den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben, ist mehrheitlich
abgelehnt worden.
Petition vom 30.03.2016

Petition an den Deutschen Bundestag
(mit der Bitte um Veröffentlichung)

Seite2

Wortlaut der Petition

Der Deutsche Bundestag möge beschließen

1. Gesetzesänderung

§ 77 Abs. 1 SGB II wird mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Demzufolge tritt § 7 Abs 4a SGB II mit
sofortiger Wirkung in Kraft.

2. ad-hoc Regelung zum weiteren Verfahren

Die zuständigen Träger nach dem SGB II entscheiden nach pflichtgemäßem Ermessen, ob ein wichtiger
Grund vorliegt und die Eingliederung in Arbeit nicht beeinträchtigt wird.

Begründung

Die Petition entspricht wortgleich der Petition Pet 4181181503022397, die der Petent am 14.06.2015 beim
Deutschen Bundestag eingereicht hat. Der Petent verweist daher zur inhaltlichen Begründung seines Anliegens
auf die Darlegungen zu dieser Petition und beschränkt sich im Weiteren hier darauf, zu erläutern, warum er
mit der vorliegenden Petition sein Anliegen erneut dem Deutschen Bundestag vorträgt.

Mit Schreiben vom 15.07.2016 hat der Petitionsausschuss mitgeteilt, dass sich bereits die sachgleiche Petition
mit der IDNummer 53758 in der parlamentarischen Prüfung befinde und die eingereichte Petition als
Mehrfachpetition zu dieser Petition behandelt werde. Mit Schreiben vom 22.07.2015 hat der Petent darauf
hingewiesen, dass sich die Petitionen nur oberflächlich ähnlich sind und sich insbesondere in ihren möglichen
Auswirkungen wesentlich unterscheiden. Weiter hat er einen alternativen Vorschlag für eine umfangreichere
ad-hoc Regelung übersandt.

Mit Scheiben vom 30.03.2016 hat der Petitionsausschuss mitgeteilt, dass das Verfahren abgeschlossen wurde
und die Begründung der Beschlussempfehlung übersandt. Diese erläutert, warum es für erforderlich gehalten
wird, dass eine Erreichbarkeits- und Aufenthaltsregelung weiterhin besteht. Der Begründung ist indes keine
Auseinandersetzung mit dem Begehren der Petition Pet 4181181503022397 zu entnehmen, die gerade keine
völlig Abschaffung solcher Regelungen verlangt, sondern eher im Gegenteil wünscht, dass die im Gesetz
bereits bestehenden Regelungen hierzu in Kraft treten, indem die Übergangsvorschrift, die dies verhindert,
gestrichen wird.

Der Petent bittet daher den Deutschen Bundestag sich mit dem Kernanliegen seiner Petition, nämlich der oben
genannten Gesetzesänderung aus Nr. 1, zu befassen.
Schreiben des Petitionsausschusses vom 19.01.2017

Berlin, .19. Januar 2017
Bezug: Ihr Schreiben vom
21. Dezember 2016

Arbeitslosengeld II
Pet 4-18-11-81503-022397 (Bitte bei allen Zuschriften angeben)

Sehr geehrter Herr ...,

der Petitionsausschuss hat zum vorgetragenen Anliegen dem
Plenum des Deutschen Bundestages den Antrag vorgelegt, das
Petitionsverfahren abzuschließen. Das Plenum des Deutschen
Bundestages hat diese Beschlussempfehlung angenommen.
Damit ist Ihre Eingabe ordnungsgemäß behandelt worden.

Artikel 17 des Grundgesetzes gewährt nur einen Anspruch auf
eine einmalige sachliche Prüfung des gleichen Vorbringens
durch dieselbe Stelle.
Ich bitte daher um Verständnis, dass Ihr erneutes Schreiben, das
sich lediglich auf das bereits behandelte Anliegen bezieht, zu
keiner nochmaligen parlamentarischen Prüfung Anlass gibt.

Mit freundlichen Grüßen

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Samstag, 6. Juni 2015
Anrechnungsfreie Nachzahlung bei widerrechtlicher Sanktion

Gekürzte Chronologie

der Petition Pet 4-18-11-81503-021496

 

Kurzfassung der Petition

(mit der Bitte um Veröffentlichung)

 

Titel Sozialrecht “Anrechnungsfreie Nachzahlung bei
widerrechtlicher Minderung"

01.05.2015

 

Seite2

 

Wortlaut der Petition

 

Es wird folgender § 31a Abs. 5 SGB II eingefügt

(5) Erweisen sich Minderungen als
zu Unrecht vorgenommen oder wurde zu Unrecht auf andere als
Geldleistungen verwiesen, sind die Geldleistungen vollständig und
anrechnungsfrei nachzuentrichten.

Anm.: Die Einzelheiten der Nachentrichtung richten sich nach den
Normen des SGB I und SGB X, etwa die Verzinsung nach § 44 SGB I.
Dienst- und Sachleistung sind im SGB II nach § 4 SGB II
grundsätzlich möglich, jedoch die Ausnahme (etwa § 24 Abs. 2 SGB
II).

Begründung

Gesetzgeberische Absicht ist, dass auch
Hilfebedürftige vorrangig zu selbständigem Wirtschaften angehalten
werden sollen. Der Handel mittels Zahlungsmittel ist die dominierende
Warenaustauschform und somit hat jede Abweichung hiervon ein erhöhtes
Stigmatisierungsrisiko. Die Dispositionsfreiheit (§ 20 SGB II, Art 2
Abs. 1 GG), das heißt das Recht auf dem gesamten Markt das
bevorzugte Angebot selbst wähen zu können, kann nur mit allgemein
geltenden Zahlungsmittel zur Entfaltung gelangen.

Einschränkungen gelten im Fall sogenannter Sanktionen. In diesem
Fall sollen Geldleistung teilweise oder vollständig gestrichen
werden, können und soll das Existenzminimum durch andere
Leistungsformen gesichert werden. Wie oben dargelegt ergibt sich,
dass im Wertesystem der Grundsicherung ein solcher Verweis auf
Nichtgeldleistungen als belastend zu sehen ist. Die vorliegende
Petition befasst sich nicht mit Sanktionen an sich. Gegenstand hier
ist allein die Frage, wie in Fällen zu verfahren ist, in denen sich
Sanktionen schlussendlich als rechtswidrig herausstellen oder
generell ein Verweis auf Dienst- oder Sachleistungen, auch in Form
etwa von Gutscheinen erfolgte, für die sich später ergibt, dass
dieser rechtsgrundlos erging.

Derzeit ist die Situation so, dass zwar Nachzahlungen erfolgen,
die Grundsicherungsträger aber hiergegen etwa den Nominalwert der
zwischenzeitlich erteilten Gutscheine etwa für Lebensmittel
gegenrechnen. Dass der zu Unrecht sanktionierte, durch den Entzug der
Geldleistung de facto gezwungen war, diese anzunehmen, findet keine
Berücksichtigung. Nimmt der zu Unrecht Sanktionierte die
lebensnotwendigen Gutscheine an, wird ihm dies als Annahme an
Erfüllungs statt gemäß § 364 Abs. 1 BGB vorgehalten (so auch
Bayerisches Landessozialgericht,
L 11 AS 654/14 vom 26.11.2014).

Ein Rechtsstaat ist dem Legalitätsprinzip und dem
Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet. Besonders in Bereichen in
denen er noch belastende Eingriffe am Existenzminimum vornimmt, muss
er sich an höchsten Sorgfaltsmaßstäben messen lassen. Eine
Nachentrichtung ist grundsätzlich geeignet die Belastung während
Zeiten überdurchschnittlicher Einschränkung durch einen
vergrößerten Freiraum in der Folgezeit wenigstens teilweise zu
kompensieren.

Anregungen für die Forendiskussion

Eine im Einzelfall möglicherweise unbeabsichtigt auftretende
Überkompensation - etwa wenn ein zu Unrecht Sanktionierter vorhatte
in nächster Zeit besonders sparsam zu leben, um etwa für einen
einmaligen Bedarf anzusparen - dürfe in der Praxis oft unnachweisbar
sein und ist im Hinblick auf die grundrechtlich gebotene
Gleichbehandlung und darauf, dass Unschuldige nichts zu befürchten
haben sollen, hinzunehmen. Ohnehin verbleibt es bei einem
hinzunehmenden Sonderopfer für die Allgemeinheit für diejenigen
Personen, die zufällig gerade in der Zeit der zu Unrecht erlittenen
Sanktion, besonderen Bedarf decken wollten, der nicht mehr ohne
Weiteres nachgeholt werden kann. Beide Restrisiken der Lebensführung
verbleiben. Es ist nicht einzusehen, warum der Staat sich des seinen
einseitig zu Lasten Unschuldiger entledigen können sollte.

Schreiben des
Petitionsausschusses vom 21.05.2015

Berlin, 21. Mai 2015

Bezug: Ihre Eingabe vom 1. Mai 2015

Arbeitslosengeld II

Sehr geehrter Herr ...,

 

hiermit bestätige ich den Eingang Ihrer Petition, mit der Sie
fol-

gendes Anliegen vortragen:

 

Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass Hilfsbedürftige

zum selbständigen Wirtschaften angehalten werden sollen und

Geldleistungen vollständig und anrechnungsfrei bei unrechten

Minderungen nachzuentrichten sind.

 

Der Ausschussdienst, dem die Ausarbeitung von Vorschlägen für

den Petitionsausschuss obliegt, hat das von Ihnen vorgetragene

Anliegen sorgfältig geprüft.

 

Nach Prüfung aller Gesichtspunkte ist der Ausschussdienst zu

dem Ergebnis gekommen, dass eine Umsetzung Ihres Anliegens

angesichts der gegenwärtigen Handlungsprioritäten auf diesem

Gebiet ausgeschlossen erscheint. Diese Auffassung stützt sich

insbesondere auf folgende Erwägungen:

 

Die Nichtanrechnung der geleisteten Sachleistungen oder geld-

werten Leistungen würde zu einer rechtswidrigen Erhöhung des

Regelbedarfs führen.

 

Sofern Sie keine entscheidungserheblichen Bedenken gegen die

inhaltliche Bewertung Ihrer Eingabe vortragen, wird den Abge-

ordneten des Petitionsausschusses in sechs Wochen vorgeschla-

gen werden, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil Ihrem

Anliegen nicht entsprochen werden kann. Folgen der Ausschuss

und das Plenum des Deutschen Bundestages diesem Vorschlag,

erhalten Sie keinen weiteren Bescheid.

 

Seite 2

 

Weil Ihre Petition nicht den gewünschten Erfolg haben wird,

sieht der Ausschuss von einer Veröffentlichung auf der Internet-

seite des Petitionsausschusses ab. Diese Entscheidung erfolgte

auf der Grundlage der „Richtlinie für die Behandlung von
öffent-

lichen Petitionen“ (Pkt. 4e) gemäß Ziffer 7.1 (4) der
Verfahrens-

grundsätze, die unter www.bundestag.de/Petitionen veröffent-

licht sind.

 

Personenbezogene Daten werden unter Wahrung des Datenschut-

zes gespeichert und verarbeitet.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Schreiben des Petenten vom 10.06.2015

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit erhebe ich Bedenken gegen Ihr in obigem Schreiben
angekündigtes Vorgehen.

Soweit Sie ausführen


… hiermit bestätige ich den Eingang Ihrer Petition, mit der Sie
folgendes Anliegen vortragen:


Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass Hilfsbedürftige zum
selbständigen Wirtschaften angehalten werden sollen …

ist dies unrichtig.

Zwar ist ein ähnlicher Passus in der Begründung enthalten,
allerdings eben dort und nicht im Wortlaut der Petition. Er dient
überdies dort ersichtlich nicht zur weiteren Ausformulierung des
Petitionsbegehrens, sondern zur Beschreibung des status quo, denn er
lautet


Gesetzgeberische*
Absicht ist, dass auch Hilfebedürftige vorrangig zu selbständigem
Wirtschaften angehalten werden sollen.

Da dies überdies bereits lege lata ist, vergleiche etwa § 20
SGB II


Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten
Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich;
dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu
berücksichtigen.

wäre eine hierauf gerichtete Petition ohnehin im Wesentlichen
sinnlos, da nicht mehr erreicht werden muss, was schon der Fall ist.

Im Wesentlichen richtig hingegen ist, dass die Petition erreichen
soll, dass Geldleistungen bei unrechten Minderungen wenigstens
vollständig und anrechnungsfrei nachzuentrichten sind. Hierzu hat
der Petent auch eine konkrete Gesetzesformulierung vorgeschlagen,
verschließt sich jedoch nicht Alternativen mit gleicher Wirkung.

Weiter führen Sie aus


Nach Prüfung aller Gesichtspunkte ist der Ausschussdienst zu dem
Ergebnis gekommen, dass eine Umsetzung Ihres Anliegens angesichts der
gegenwärtigen Handlungsprioritäten auf diesem Gebiet ausgeschlossen
erscheint. Diese Auffassung stützt sich insbesondere auf folgende
Erwägungen:


Die Nichtanrechnung der geleisteten Sachleistungen oder geldwerten
Leistungen würde zu einer rechtswidrigen Erhöhung des Regelbedarfs
führen.

Zunächst stellt der Petent hiermit klar, dass er sich mit seiner
Petition an den deutschen Bundestag in seiner Funktion als
demokratischer Gesetzgeber wendet. Schon deswegen ist der Vorwurf,
der Petent fordere Rechtswidriges ohne jeden Sinn, insbesondere
selbst dann, wenn der Vorschlag tatsächlich geltendem Recht
widersprechen würde, denn es steht dem Gesetzgeber grundsätzlich
zu, eben dieses geltende Recht jederzeit außer Kraft zu setzen, wenn
er es für tunlich hält.

Es ist im Übrigen auch nicht erkennbar, dass der Vorschlag geltendem
Recht widersprechen würde. Vielmehr wendet er sich gegen eine
bestimmte Rechtsauslegung. Die Behauptung, die Nichtanrechnung der
geleisteten Sachleistungen oder geldwerten Leistungen würde zu einer
rechtswidrigen Erhöhung des Regelbedarfs führen, wird vom
Petitionsausschuss nicht weiter begründet und ist nicht
nachvollziehbar. Gemäß § 20 SGB II steht dem
Hilfebedürftigen ein Geldbetrag als Pauschale zu


Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt.
Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten
Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich;
...

diesen hat er nicht oder nicht im vollen Umfang erhalten, wenn er
eine widerrechtliche Sanktion zu erdulden hatte. Ob daneben
Sachleistungen erbracht wurden ist für die Erfüllung dieses
Anspruchs zunächst irrelevant.

Wie bereits in der Petition dargelegt, beruht die rechtliche
Bewertung, die zur Anrechnung führt, darauf, dass dem zu Unrecht
Sanktionierten vorgeworfen wird, er hätte die Gutscheine angenommen.
Das überzeugt jedoch nicht, da die Beantragung und die Annahme
dieser Gutscheine durch vis compulsiva (etwa bei
Lebensmittelgutscheinen durch Hunger) oder der Drohung damit
erzwungen wurde und wie sich herausgestellt hat, dies alles keine
hinreichende Rechtsgrundlage hatte.

Der Verweis des Petitionsausschusses auf „gegenwärtigen
Handlungsprioritäten“ ist unverständlich, denn weder wird gesagt,
was diese Handlungsprioritäten wären, noch warum sie zwangsläufig
einer Umsetzung des Begehrens des Petenten entgegenstehen.

Der Petent hält daher seine
Bitten im vollen Umfang aufrecht und bittet um Entscheidung hierüber.

 

Beschlussempfehlung

 

 

 

Anmerkungen

Der Schreibfehler im Original
„Gesetzgeberischen Absicht ist, dass auch Hilfebedürftige
vorrangig zu selbständigem Wirtschaften angehalten werden sollen.“
wurde korrigiert.

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Montag, 1. Juni 2015
Petition zur Begründung des Gerichtsbescheids
Gekürzte Chronologie
der Petition Pet 3-18-11-8206-014539
vorgezogene Begründung des Gerichtsbescheids


Petition vom 08.11.2014

Petition an den Deutschen Bundestag
(mit der Bitte um Veröffentlichung)

Titel Gesetzgebung - Sozialgerichtsgesetz, vorgezogene Begründung des
Gerichtsbescheids nach § 105 SGG

Petition 55791 - 08. November 2014

Seite2

Wortlaut der Petition

Der Deutsche Bundestag möge beschließen ...
§ 105 SGG wird dergestalt neu gefasst, dass den Beteiligten vorher die Gründe des beabsichtigten
Gerichtsbescheids mitzuteilen und sie zu hören sind. Dies wird als durchsetzbares Recht der Beteiligten
gestaltet.

Begründung

Eine mögliche konkrete Formulierung von § 105 SGG nF wäre etwa die Folgende.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache
keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
Den Beteiligten sind vorher die Gründe des Gerichtsbescheids mitzuteilen und sie sind zu hören. Die
Vorschriften über Urteile gelten entsprechend. Der Gerichtsbescheid darf nur auf Gründe gestützt werden, die
gemäß Satz 2 mitgeteilt wurden.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel
einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben,
kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche
Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt oder wird in dem
durch das eingelegte Rechtsmittel eröffneten Verfahren festgestellt, dass er nicht den Voraussetzungen des
Abs. 1 genügt, gilt er als nicht ergangen. Die Feststellung des Fehlens der Voraussetzungen und die
Zurückverweisung erfolgt von Amts wegen. § 159 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung
des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids
folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

Die folgenden Anmerkungen beziehen sich auf die derzeitige Gesetzesfassung.

Das Gehörsrecht der Beteiligten nach § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG wird von den Sozialgerichten dahingehend
verstanden, dass die Beteiligten nur zur Tatsache dass ein Gerichtsbescheid beabsichtigt ist, zu hören sind
(Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, C. H. Beck § 105 RdNr. 10a) und es entbehrlich ist, dass das Gericht
auch nur mitteilt wie es zu entscheiden gedenkt, oder seine Rechtssicht mitteilt oder die Gründe, dafür anführt,
dass es der Ansicht ist, die Sache sei einfach und geklärt. Ebensowenig wird es für erforderlich gehalten die
Gründe zu nennen, auf denen der Gerichtsbescheid selbst beruhen wird. Dementsprechend bestehen derzeit
Mitteilungen an die Beteiligten mitunter inhaltlich nur aus dem Satz, dass das Gericht beabsichtigt durch
Gerichtsbescheid zu entscheiden und der Angabe einer Frist bis zu der sich diese hierzu äußern können.
Es ergibt sich aus dem Änderungsvorschlag keine Belastung der Sozialgerichte.

Seite3

Anregungen für die Forendiskussion

§ 105 Abs. 1 SGG ermöglicht es dem Sozialgericht ohne mündliche Verhandlung, also rein auf dem
Schriftweg, zu entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher
Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Ein Gerichtsbescheid ist somit geeignet in einfachen Fällen das
Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, was sich sowohl zugunsten des Gerichts als auch der
Beteiligten auswirken kann.

Die Entscheidung per Gerichtsbescheid zu entscheiden ist allerdings grundsätzlich beschwerend. Ein
Betroffener, der der Ansicht ist, dass die Sache zur weiteren Klärung doch eine mündliche Verhandlung
erfordert, kann diese nur erhalten wenn gegen den Gerichtsbescheid kein Rechtsmittel möglich ist. Ist gegen
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts beispielsweise die Berufung zum Landessozialgericht möglich, so ist
er, wenn er nicht vollständig auf Rechtsmittel verzichten will, gezwungen, diese einzulegen.

Schreiben des Petitionsausschusses vom 08.11.2014

Sehr geehrter Herr ...,

hiermit bestätige ich den Eingang Ihrer Petition mit der ID-
Nummer 55791.

Sie möchten eine Änderung der Vorschrift § 105 Sozialgerichts-
gesetz (SGG) erreichen.

Die inhaltliche Prüfung Ihrer Eingabe beginnt zunächst damit,
dass der Ausschussdienst von dem für Ihr Anliegen zuständigen
Bundesministerium eine Stellungnahme anfordert. Sobald der
Sachverhalt unter Berücksichtigung dieser Stellungnahme aufge-
klärt und die Rechtslage beurteilt ist, erhalten Sie weitere Nach-
richt.

Um Petitionen auf der Internetseite des Deutschen Bundestages
sachgerecht präsentieren zu können, ist es schon angesichts der
Vielzahl von Eingaben nicht möglich, allen Veröffentlichungs-
wünschen nachzukommen. Zu berücksichtigen ist insbesondere,
inwieweit eine Bitte oder Beschwerde ein Anliegen von allge-
meinem Interesse zum Gegenstand hat und ob sich Anliegen und
Darstellung für eine sachliche öffentliche Diskussion eignen. Zu-
dem soll sich in der Auswahl der veröffentlichten Eingaben eine
Vielfalt von Themen und unterschiedlichen Sichtweisen mög-
lichst vieler Petenten widerspiegeln.

Vor dem Hintergrund der vorgenannten Erwägungen konnte Ihrer
Bitte, Ihre Eingabe auf der Internetseite des Petitionsausschusses
zu veröffentlichen, leider nicht entsprochen werden.

Darüber hinaus könnte die Veröffentlichung Ihrer Petition zu
Missverständnissen führen. Denn die Beteiligten sind gemäß
§ 105 Abs. 1 S. 2 SGG zu hören. Das Gericht muss den Beteiligten
mitteilen, dass es eine Entscheidung ohne mündliche

Seite 2

Verhandlung durch Gerichtsbescheid in Betracht zieht und Ihnen
Gelegenheit geben, sich dazu zu äußern. Die Beteiligten können
dann Gründe für die Anberaumung einer mündlichen
Verhandlung vorbringen oder Beweisanträge stellen.

Damit ist keine Bewertung Ihres Anliegens verbunden. Das Er-
gebnis des Petitionsverfahrens hängt allein vom Inhalt der Peti-
tion ab und nicht von einer möglichen Zahl von Unterstützern
oder Gegnern. Ihre Petition wird so sorgfältig und gründlich ge-
prüft wie jede andere an den Deutschen Bundestag gerichtete
Eingabe.

Sobald die Prüfung Ihrer Zuschrift abgeschlossen ist, werden Sie
über das Ergebnis unaufgefordert unterrichtet. Ich bitte Sie, sich
bis dahin zu gedulden.

Schreiben vom 28.11.2014 an den Petitionsausschuss

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich danke für Ihr oben genanntes Schreiben, in dem Sie auch inhaltlich auf das Anliegen des Petenten eingehen und zu möglichen Missverständnissen ausführen. Daher und aufgrund der Zeichenbeschränkung bei der Einreichung einer Petition über das Internet teilt dieser hierzu weiter mit.

§ 105 Abs. 1 SGG ermöglicht es dem Sozialgericht ohne mündliche Verhandlung, also rein auf dem Schriftweg, zu entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Ein Gerichtsbescheid ist somit geeignet in einfachen Fällen das Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, was sich sowohl zugunsten des Gerichts als auch der Beteiligten auswirken kann.

Die Entscheidung per Gerichtsbescheid zu entscheiden ist allerdings grundsätzlich beschwerend. Ein Betroffener, der der Ansicht ist, dass die Sache zur weiteren Klärung doch eine mündliche Verhandlung erfordert, kann diese nur erhalten wenn gegen den Gerichtsbescheid kein Rechtsmittel möglich ist. Ist gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts beispielsweise die Berufung zum Landessozialgericht möglich, so ist er, wenn er nicht vollständig auf Rechtsmittel verzichten will, gezwungen, diese einzulegen. Er ist damit gezwungen eine weitere Instanz anzurufen und die weitere rechtliche Auseinandersetzung am oft weiter entfernten Landessozialgericht zu führen. Das Bemühen die Angelegenheit zügig und möglichst in einer Instanz zu klären wird damit konterkariert.
Durch den Gerichtsbescheid ist die erste Instanz beendet. Dies hat beispielsweise zur Folge, dass eine für die erste Instanz gewährte Prozesskostenhilfe endet und keine anwaltliche Vertretung mehr besteht, sondern erst ein weiteres Prozesskostenhilfeverfahren zu führen ist. Für die Führung des Prozesskostenhilfeverfahrens sind auch bei Bedürftigen keine Hilfen vorgesehen (Bundesgerichtshof VIII ZR 298/83 vom 30.05.1984).

Das Gehörsrecht der Beteiligten nach § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG wird von den Sozialgerichten dahingehend verstanden, dass die Beteiligten nur zur Tatsache dass ein Gerichtsbescheid beabsichtigt ist, zu hören sind (Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, C. H. Beck § 105 RdNr. 10a) und es entbehrlich ist, dass das Gericht auch nur mitteilt wie es zu entscheiden gedenkt, oder seine Rechtssicht mitteilt oder die Gründe, dafür anführt, dass es der Ansicht ist, die Sache sei einfach und geklärt. Ebensowenig wird es für erforderlich gehalten die Gründe zu nennen, auf denen der Gerichtsbescheid selbst beruhen wird. Dementsprechend bestehen Mitteilungen an die Beteiligten mitunter inhaltlich nur aus dem Satz, dass das Gericht beabsichtigt durch Gerichtsbescheid zu entscheiden und der Angabe einer Frist bis zu der sich diese hierzu äußern können.

Es ist schwer zu sehen, welchen Sinn die Vorschrift, die Beteiligten im Voraus zu hören überhaupt haben soll, wenn diesen nur bekannt wird, dass es sich nach Auffassung des Gerichts um einen einfachen Fall handelt, aber noch nicht einmal klar ist, ob das Gericht beabsichtigt die Klage abzuweisen, ihr stattzugeben oder sonstwie zu entscheiden. Da das Gericht alleine festlegt, ob es per Gerichtsbescheid entscheidet und es insbesondere einer Zustimmung der Beteiligten nicht bedarf, besteht deren einzige Möglichkeit, einen etwaigen Irrtum des Gerichts zu korrigieren und auf dieses einzuwirken, darin, in der Sache vorzutragen und auf die Kraft der Argumente zu vertrauen. Ohne Wissen, worauf es dem Gericht ankommt, ist ein solcher Vortrag aber nur ins Blaue hinein möglich.

Soweit das Gericht neue, im bisherigen Verfahren noch nicht erörterte Sach- und Rechtsfragen der Entscheidung zugrunde legen will, besteht schon aufgrund des allgemeinen Gehörsrechts die Pflicht dies vor der endgültigen Entscheidung mitzuteilen. Somit wäre § 105 Abs. 1 Satz 3 SGG überflüssig, wenn der Gesetzgeber nicht ein darüber hinausgehendes Gehörsrecht der Beteiligten schaffen will, das sich darauf bezieht, welche von den bisher bereits angesprochenen Punkten das Gericht für erheblich hält. Die Petition beabsichtigt, dieses Gehörsrecht auch effektiv nutzbar zu machen. Hierdurch kann das Verfahren weiter beschleunigt werden, etwa indem Beteiligte zum Nachgeben veranlasst werden, wenn ihnen die Auffassung des Gerichts frühzeitig bekannt wird, aber auch, wenn sie schon im schriftlichen Verfahren einen etwaigen Irrtum des Gerichts berichtigen können.

Es ergibt sich aus dem Änderungsvorschlag keine Belastung der Sozialgerichte, denn der Gerichtsbescheid selbst ist wegen § 105 Abs. 1 Satz 3 SGG ebenso wie ein Urteil zu begründen. Eine Mitteilung der Gründe schon im Schreiben, das mitteilt, dass Gerichtsbescheid ergehen kann, verlagert somit allenfalls die Arbeit zur schriftlichen Ausformulierung der Begründung zeitlich nach vorne und erspart diese dafür später. Eine Pflicht des Gerichts zusätzlich zu den Gründen des beabsichtigten Gerichtsbescheids ausdrücklich darzulegen, warum die Voraussetzungen für die Entscheidung per Gerichtsbescheid vorliegen, besteht auch nach der vorgeschlagenen Änderung nicht.

Im oben genannten Schreiben vom 08.11.2014 führen Sie aus

Darüber hinaus könnte die Veröffentlichung Ihrer Petition zu Missverständnissen führen. Denn die Beteiligten sind gemäß § 105 Abs. 1 S. 2 SGG zu hören.

Dass die Petition über das übliche Maß, das eine Kommunikation im Internet mit sich bringt, hinaus besonders dazu geeignet ist Missverständnisse zu erzeugen, kann der Petent nicht erkennen. Insbesondere bestreitet er nicht, dass die Beteiligten zu hören sind, vielmehr geht es ihm darum durch ein zeitliches Vorziehen der Begründung das Verfahren weiter in der Effizienz zu steigern, da so ein gezielter und damit präziser und verschlankter Vortrag möglich ist, der insbesondere bereits die Rechtssicht des Gerichts berücksichtigt und auf diese eingeht. Im Idealfall können etwa die Argumente des Gerichts eine Seite zum Nachgeben bewegen, so dass zudem das Verfahren verkürzt wird.

Weiter führen Sie aus

Das Gericht muss den Beteiligten mitteilen, dass es eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid in Betracht zieht und Ihnen Gelegenheit geben, sich dazu zu äußern. Die Beteiligten können dann Gründe für die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vorbringen oder Beweisanträge stellen.

Wie oben dargelegt bestreitet der Petent dies nicht, vielmehr baut sein Petitionsanliegen gerade hierauf auf. Auf das Gehörsrecht nach § 105 Abs. 1 S. 2 SGG hat der Petent auch in der per Internet eingereichten Begründung der Petition ausdrücklich hingewiesen. Im Übrigen haben die Beteiligten auch ohne Aufforderung des Gerichts die Möglichkeit sich in jeder Hinsicht zu der Sache zu äußern, so etwa der Kläger schon in seiner Klage und der Beklagte in seiner Stellungnahme hierzu. Insbesondere können die Beteiligten bereits hier alle ihnen wesentlich erscheinenden Punkte anbringen und Anträge stellen und es ist nicht ersichtlich, warum sie dies nicht tun sollten. Die reine Mitteilung, dass das Gericht durch Gerichtsbescheid entscheiden kann, hat keinen inhaltlichen Informationswert und ist daher weder geeignet die Beteiligten zum Überdenken ihrer Position zu veranlassen noch ihnen einen Anhaltspunkt zu geben, welcher weitere Vortrag oder welche Beweisanträge am zweckdienlichsten sein könnten.

Wie dargelegt ist die verkürzte Begründung der Tatsache geschuldet, dass längere Erläuterungen über die Schnittstelle im Internet nicht vorgebracht werden können und im Übrigen auch Links zu ausführlicheren Darlegungen nicht gestattet sind. Andererseits ist aber darauf hinzuweisen, dass eine sich ergebende Diskussion nicht nur dazu geeignet ist, zu Lücken in der Darlegung nachzutragen, sondern auch dazu Missverständnisse direkt im Dialog auszuräumen. Zusammenfassend ist es für den Petenten daher nicht verständlich, warum gerade die Veröffentlichung dieser Petition vermehrt zu Missverständnissen Anlass geben sollte die nicht ohne Weiteres in einer öffentlichen Diskussion sofort wieder ausgeräumt werden können.

Schreiben des Petitionsausschuss vom 12.02.2015

Sehr geehrter Herr ...,

die aufgrund Ihrer Eingabe eingeleitete Prüfung dauert noch an.
Sie erhalten so bald wie möglich weitere Nachricht.

Schreiben vom 21.05.2015 an den Petitionsausschuss

Sehr geehrte Damen und Herren,
mit obigem Schreiben teilten Sie mir mit, dass die Prüfung noch andauere. Dies ist die letzte Nachricht, die mir von Ihnen vorliegt. Da mir die mit Ihrem Schreiben vom 08.11.2014 angekündigte Stellungnahme des zuständigen Bundesministerium ebenfalls noch nicht vorliegt, möchte ich, um etwaigen Irrläufern auf dem Postweg entgegenzuwirken, hiermit auf diese Umstände hinweisen.

Schreiben des Petitionsausschuss vom 27.05.2015

Sehr geehrter Herr ...,
ich bestätige Ihnen den Eingang Ihres Schreibens.

Ihre Eingabe habe ich den Abgeordneten, die dem Petitionsaus-
schuss zu Ihrem Anliegen Bericht erstatten werden. zugeleitet.

Die Antwort der Bundesregierung bzw. die Stellungnahme des
BMAS wurde ebenfalls den Berichterstattern des Petitionsaus-
schusses durch den Ausschussdienst übersandt. Sie dient dem
parlamentsinternen Meinungs- und Willensbildungsprozess im
Hinblick darauf, ob die Antwort der Bundesregierung als ab—
schließend akzeptiert werden kann.

Nach abschließender Behandlung Ihrer Petition durch den Deut-
schen Bundestag werden Sie unaufgefordert über das Ergebnis
unterrichtet werden. Ich bitte Sie, sich bis dahin zu gedulden.

Schreiben vom 01.06.2015 an den Petitionsausschuss

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich danke für die Weiterleitung meines Schreibens an die Berichterstatter.

Um jedes Missverständnis zur Intention meiner Nachfrage vom 21.05.20125 auszuschließen möchte ich hierzu noch Folgendes nachtragen. Ich bitte die Mitglieder des Petitionsausschusses ausdrücklich mir Stellungnahmen der Bundesregierung beziehungsweise von Behörden wie dem BMAS im Volltext und rechtzeitig genug zur Verfügung zu stellen, dass ich hierauf, falls erforderlich, inhaltlich eingehen kann.

Es kann leider nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass eine Behörde, auch ein Bundesministerium, bei einmaliger Darlegung ohne klärende Diskussion einen Sachverhalt oder eine Rechtslage auch zutreffend erfasst. Ich weise beispielhaft auf meine frühere Petition Pet 2-17-15-8271-052556 hin, in der das Bundesministerium für Gesundheit ursprünglich die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht für maßgebend hielt und erst auf meinen Hinweis hin sich mit der einschlägigen Rechtsprechung des tatsächlich zuständigen Bundessozialgerichts befasste, welches zum damaligen Thema zu wesentlich anderen Schlüssen gelangte als bei einer bloße analoge Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht zu erwarten gewesen wäre. Ein solches „aneinander vorbei reden“ sollte natürlich unbedingt vermieden werden, weil es sachgerechte Äußerungen und Entscheidungen behindert.

Eine gegebenenfalls erforderliche Klärung kann am besten in einer Vordiskussion direkt zwischen dem Petenten und der Behörde erreicht werden und entlastet auch den Petitionsausschuss, dem damit eine bereits völlig geklärte Angelegenheit vorgelegt werden kann.

Eine Antwort des Referats Pet 3 auf dieses Schreiben ist nicht erforderlich, ich bitte lediglich wie gewünscht mein Schreiben weiter zu leiten. Im Übrigen warte ich weiter ab.

Schreiben des Petitionsausschusses vom 29.02.2016

Berlin, 29. Februar 2016

Bezug: Ihre Eingabe vom

8. November 2014; Pet 3-18-11—8206-014539

Platz der Republik 1
11011 Berlin

Sehr geehrter Herr ,

der Deutsche Bundestag hat Ihre Petition beraten und am
25. Februar 2016 beschlossen:

Das Petitionsvelfahren abzuschließen.

Er folgt damit der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses

(BT-Drucksache 18/7571), dessen Begründung beigefügt ist.

Mit dem Beschluss des Deutschen Bundestages ist das
Petitionsverfahren beendet.

Mit freundlichen Grüßen



- 52 — Anl. 3 z. Prot. 18/54

Pet 3-18-11-8206-014539

Sozialgerichtsbarkeit

Beschlussempfehlung

Das Petitionsverfahren abzuschließen.

Begründung

Der Petent fordert eine Änderung des § 105 Sozialgerichtsgesetz.

Der Petent führt aus, dass gemäß § 105Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für das
Sozialgericht die Möglichkeit bestehe, ohne mündliche Verhandlung - also rein auf
Grundlage der dem Gericht vorliegenden schriftlichen Unterlagen - zu entscheiden,
wenn die zu behandelnde Sache keine besondere Schwierigkeit tatsächlicher oder
rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt grundsätzlich geklärt sei. Betroffene, die
der Ansicht sind, dass die Sache zur weiteren Klärung eine mündliche Verhandlung
erfordere, könnten diese nur dann erzwingen, wenn gegen den Gerichtsbescheid
kein Rechtsmittel möglich sei. In solchen Fällen seien Betroffene gezwungen, Beru—
fung beim zuständigen Landessozialgericht einzulegen. In diesem Zusammenhang
fordert der Petent, dass den Beteiligten eines sozialgerichtlichen Verfahrens die
Gründe des beabsichtigten Gerichtsbescheides ohne mündliche Verhandlung zwin—
gend vorher mitgeteilt werden müssten. Zudem müsse eine Anhörung durch das zu-
ständige Gericht erfolgen. Nach Einschätzung des Petenten hätten die von ihm vor-
geschlagenen Änderungen des § 105 SGG keine erhöhte Belastung der Sozialge—
richte zur Folge.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die vom Petenten
eingereichten Unterlagen Bezug genommen.

Der Bitte des Petenten um Veröffentlichung seiner Eingabe auf der Internetseite des

Deutschen Bundestages hat der Ausschuss nicht entsprochen.

- 53 - Anl. 3 z. Prot. 18/54

noch Pet 3—18-11—8206—014539

Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung - dem Bundesministerium für Arbeit
und Soziales (BMAS) - Gelegenheit gegeben, ihre Haltung zu der Eingabe darzule—
gen.

Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich unter Einbeziehung der sei-
tens der Bundesregierung angeführten Aspekte wie folgt zusammenfassen:

Nach § 105 Absatz1 Satz 2 SGG muss das Gericht alle Beteiligten dazu anhören,
dass es beabsichtigt, in einer Sache durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Nach
dem Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. auch Artikel 103 Abs. 1 Grund-
gesetz und § 62 SGG) sind die Beteiligten darüber zu informieren, dass das Gericht
von dem Vorliegen eines Sachverhalts ausgeht, der weder besondere tatsächliche
noch besondere rechtliche Schwierigkeiten aufweist, und dass außerdem nach Auf—
fassung des Gerichts der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten müssen darauf hin-
gewiesen werden, dass sie sich in der Sache äußern und Bedenken gegen die vom
Gericht beabsichtigte Verfahrensweise geltend machen können. Aus der Anhörung
muss jedenfalls ersichtlich sein, dass die Beteiligten die Gelegenheit-haben, Gründe
für die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vorzubringen oder Beweisan—
träge zu stellen. Die Anhörung muss konkret auf den einzelnen Fall bezogen sein.
Ein formularmäßiger Hinweis reicht nicht aus.

Aus Sicht des Petitionsausschusses besteht weder eine Verpflichtung noch ein Be—
darf, darüber hinaus zu regeln, dass das Gericht generell verpflichtet ist, seine

Rechtsauffassung zur Sache selbst mitzuteilen. Insbesondere enthält Artikel 103 Ab—
satz 1 des Grundgesetzes keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung, keine
allgemeine Aufklärungspflicht des Gerichts über die Rechtslage und auch nicht über
seine Rechtsauffassung zur Rechtssache und den Erfolgsaussichten. Auch aus dem
Zweck der Regelung des § 105 Absatz1 Satz 2 SGG ergibt sich kein zwingendes

Argument für eine derartige Hinweispflicht. Der Zweck der Regelung besteht lediglich
darin, den Beteiligten Gelegenheit zu geben, innerhalb einer bestimmten Frist Grün—
de vorzutragen, die für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sprechen.

Wären in der Anhörungsmitteilung inhaltliche Ausführungen zu tatsächlichen oder
rechtlichen Fragen erforderlich, würden die Beteiligten, über deren Angelegenheit per

- 54 - Anl. 3 z. Prot. 18/54

noch Pet 3-18—11-8206—014539

Gerichtsbescheid entschieden werden soll, gegenüber denjenigen Beteiligten besser
gestellt, in deren Verfahren nach mündlicher Verhandlung entschieden werden soll.

Denn in der mündlichen Verhandlung erörtert der Vorsitzende zwar das Sach- Und
Streitverhältnis mit den Beteiligten (§ 112 Absatz 2 Satz 2 SGG), eine Pflicht zur
Darstellung seiner Rechtsansicht oder zu einem umfassenden Rechtsgespräch
ergibt sich daraus aber nicht.

Der mit § 105 SGG verfolgte Zweck der Beschleunigung des Verfahrens darf zudem
nicht durch überzogene Anforderungen an die Anhörung unterlaufen werden. Die
Auffassung des Petenten, mit seinem Änderungsvorschlag ergebe sich keine Mehr—
belastung der Sozialgerichte, wird seitens des Petitionsausschusses nicht geteilt.

Der Ausschuss hält die geltende Rechtslage für Sachgerecht und vermag sich nicht
für eine Rechtsänderung im Sinne des Petenten auszusprechen. Er empfiehlt des-
halb, das Petitionsverfahren abzuschließen, da dem Anliegen nicht entsprochen
werden konnte.

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Donnerstag, 21. Mai 2015
Kilometerpauschale für Krankenfahrten
Gekürzte Chronologie
der Petition Pet 2-17-15-8271-052556
Kilometerpauschale für Krankenfahrten

04.07.2013 Kurzfassung der Petition

Petition an den Deutschen Bundestag
(mit der Bitte um Veröffentlichung)

Titel Sozialrecht - Kilometerpauschale für Krankenfahrten

Seite 2

Wortlaut der Petition

Der Deutsche Bundestag möge beschließen

"Es wird klargestellt, dass der Bezug auf den Höchstbetrag in § 60 Abs. 1 Nr. 4 SGB V so zu verstehen ist,
dass für Krankenfahrten die höchste im Bundesreisekostengesetz genannte Kilometerpauschale maßgebend
ist. Derzeit ist diese 30 Cent."

Die Petition betrifft die Kilometerpauschale, die von der gesetzlichen Krankenversicherung für Fahrten mit
einem privaten Kfz gezahlt wird. Sie ist darauf gerichtet, den gesetzmäßigen Zustand wieder herzustellen.

Begründung

Einschlägig ist für die Bestimmung der Kilometerpauschale § 60 SGB V.
§ 60 Abs. 1 Nr. 4 SGB V lautet auszugsweise

"Als Fahrkosten werden anerkannt ... bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für jeden gefahrenen
Kilometer den jeweils auf Grund des Bundesreisekostengesetzes festgesetzten Höchstbetrag für
Wegstreckenentschädigung ... "

Der maßgebende Auszug des § 6 Abs. 1 des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) über
Wegstreckenentschädigung lautete in der Fassung vor dem 01.09.2005

"Für Strecken, die der Dienstreisende mit einem ihm gehörenden Kraftfahrzeug zurückgelegt hat, wird als
Auslagenersatz eine Wegstreckenentschädigung gewährt, und zwar je Kilometer bei Benutzung von
1. Kraftfahrzeugen mit einem Hubraum bis 80 ccm 10 Cent,
2. Kraftfahrzeugen mit einem Hubraum von mehr als 80 bis 350 ccm 13 Cent,
3. Kraftfahrzeugen mit einem Hubraum von mehr als 350 bis 600 ccm 16 Cent,
4. Kraftfahrzeugen mit einem Hubraum von mehr als 600 ccm 22 Cent."

Die Krankenkassen haben zur damaligen Zeit ohne Ermittlung des Hubraums des Fahrzeugs unterschiedslos
22 Cent erstattet. Dies entspricht dem Wortlaut der Norm, da § 60 Abs. 1 Nr. 4 SGB V ausdrücklich den
Höchstbetrag vorschreibt und diese lex specialis somit die Unterscheidung nach Hubraum außer Kraft setzt.
Seit 01.09.2005 ist die Wegstreckenentschädigung nach den Vorschriften des § 5 Abs. 1 Satz 2 und
§ 5 Abs. 2 Satz 1 in 20 Cent beziehungsweise 30 Cent differenziert. Eine strikte gesetzliche Vorgabe, wie
vormals die Bindung an den Hubraum, existiert innerhalb des Bundesreisekostengesetzes nicht mehr, sondern
wurde durch das gebundene Ermessen des Dienstherrn ersetzt. In seiner aktuellen Fassung lautet der relevante
Teil des BRKG nunmehr

"(1) Für Fahrten mit anderen als den in § 4 genannten Beförderungsmitteln wird eine
Wegstreckenentschädigung gewährt. Sie beträgt bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges oder eines anderen
motorbetriebenen Fahrzeuges 20 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke, ...
(2) Besteht an der Benutzung eines Kraftwagens ein erhebliches dienstliches Interesse, beträgt die
Wegstreckenentschädigung 30 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke."

Seite 3

Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben beschlossen, 20 Cent zu erstatten. Eine Durchsetzung des
höheren, dem Wortlaut nach eigentlich vorgesehen Betrags von 30 Cent auf dem Rechtsweg ist nicht möglich.
Neben der Normenklarheit sprechen für die begehrte Klarstellung auch sozialstaatliche und
Gerechtigkeitsüberlegungen. Eine Kilometerpauschale von 20 Cent ist ersichtlich zu niedrig, um die
tatsächlichen Betriebskosten eines Kfz zu decken. Kosten für Fahrten zu ambulanten Behandlungen zeichnen
sich dadurch aus, dass ihnen keine sonstigen Einnahmen gegenüberstehen, wie es etwa bei Fahrten zur
Arbeitsstätte durch den Arbeitslohn der Fall sein kann. Somit kommt es bei Notwendigkeit ambulante
Behandlung mit dem Kfz aufzusuchen unweigerlich zu einem Vermögensverzehr, der bis zum Verlust des Kfz
führen kann.

Anregungen für die Forendiskussion

Einige Sachverhalte kann ich vorliegend wegen der Beschränkung der Zeichenzahl leider nur behaupten, nicht
näher erklären, siehe etwa die Behauptung, dass der Rechtsweg aussichtslos ist. Falls an vertiefenden
Ausführungen Interesse besteht, bitte ich um Nachfrage.

04.07.2013 Langfassung der Petition

Öffentliche Bitte 43893 zur Kilometerpauschale für Krankenfahrten

Der Deutsche Bundestag möge beschließen

Es wird klargestellt, dass der Bezug auf den Höchstbetrag in § 60 Abs. 1 Nr. 4 SGB V so zu verstehen ist, dass für Krankenfahrten die höchste im Bundesreisekostengesetz genannte Kilometerpauschale maßgebend ist. Derzeit ist diese 30 Cent.

Begründung:

Die Petition betrifft die Kilometerpauschale, die von der gesetzlichen Krankenversicherung für Fahrten mit einem privaten Kfz gezahlt wird. Sie ist darauf gerichtet, den gesetzmäßigen Zustand wieder herzustellen.

Einschlägig ist für die Bestimmung der Kilometerpauschale § 60 SGB V. § 60 Abs. 1 Nr. 4 SGB V lautet auszugsweise

Als Fahrkosten werden anerkannt … bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für jeden gefahrenen Kilometer den jeweils auf Grund des Bundesreisekostengesetzes festgesetzten Höchstbetrag für Wegstreckenentschädigung …

Der maßgebende Auszug des § 6 Abs. 1 des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) über Wegstreckenentschädigung lautete in der Fassung vor dem 01.09.2005

Für Strecken, die der Dienstreisende mit einem ihm gehörenden Kraftfahrzeug zurückgelegt hat, wird als Auslagenersatz eine Wegstreckenentschädigung gewährt, und zwar je Kilometer bei Benutzung von

1. Kraftfahrzeugen mit einem Hubraum bis 80 ccm 10 Cent,

2. Kraftfahrzeugen mit einem Hubraum von mehr als 80 bis 350 ccm 13 Cent,

3. Kraftfahrzeugen mit einem Hubraum von mehr als 350 bis 600 ccm 16 Cent,

4. Kraftfahrzeugen mit einem Hubraum von mehr als 600 ccm 22 Cent.


Die Krankenkassen haben zur damaligen Zeit ohne Ermittlung des Hubraums des Fahrzeugs unterschiedslos 22 Cent erstattet. Dies entspricht dem Wortlaut der Norm, da § 60 Abs. 1 Nr. 4 SGB V ausdrücklich den Höchstbetrag vorschreibt und diese lex specialis somit die Unterscheidung nach Hubraum außer Kraft setzt.

Seit 01.09.2005 ist die Wegstreckenentschädigung nach den Vorschriften des § 5 Abs. 1 Satz 2 und § 5 Abs. 2 Satz 1 in 20 Cent beziehungsweise 30 Cent differenziert. Eine strikte gesetzliche Vorgabe existiert innerhalb des Bundesreisekostengesetzes nicht mehr, sondern wurde durch das gebundene Ermessen des Dienstherrn ersetzt. In seiner aktuellen Fassung lautet der relevante Teil des BRKG nunmehr

(1) Für Fahrten mit anderen als den in § 4 genannten Beförderungsmitteln wird eine Wegstreckenentschädigung gewährt. Sie beträgt bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges oder eines anderen motorbetriebenen Fahrzeuges 20 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke, ...

(2) Besteht an der Benutzung eines Kraftwagens ein erhebliches dienstliches Interesse, beträgt die Wegstreckenentschädigung 30 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke.


Diese Änderung des BRKG war Gegenstand einer Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Leistungsrecht am 01./02. Juni 2005 in Bonn. Das Rundschreiben zu dieser Besprechung führt hierzu aus

Am 31. Mai 2005 (Bundesgesetzblatt Nr. 30; Seite 1418 ) wurde mit dem Gesetz zur Reform des Reisekostenrechts ein neues Bundesreisekostengesetz (BRKG) veröffentlicht. Das Gesetz tritt am 01. September 2005 in Kraft.

Diese Gesetzesänderung hat unmittelbaren Einfluss auf die Höhe der Fahrkosten bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs (PKW), denn nach § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V wird bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für jeden gefahrenen Kilometer der jeweils auf Grund des BRKG festgesetzte Höchstbetrag als Fahrkosten anerkannt. Das BRKG sieht in § 5 eine differenzierte Betrachtung der Kilometer-Sätze vor. Es stellt sich die Frage, welcher Satz bei Anwendung des § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V in Betracht kommt.

Besprechungsergebnis:

Mit In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Reform des Reisekostenrechts zum 01. September 2005 ist bei einer PKW-Nutzung die Wegstreckenentschädigung nach § 5 Abs. 1 BRKG in Höhe von 20 Cent je Kilometer bei Anwendung des § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V maßgebend. Eine Differenzierung der Wegstreckenentschädigung unter Berücksichtigung des höheren Kilometersatzes nach § 5 Abs. 2 BRKG kommt nicht in Betracht, da es in den Leistungsfällen an einem "erheblichen dienstlichen Interesse" mangelt.


Die Krankenkassen haben sich also entschlossen, die lex specialis, dass der Höchstbetrag und nicht etwa der Betrag nach dem BRKG zu wählen ist, ab 01.09.2005 zu ignorieren und stattdessen das BRKG direkt anzuwenden. Warum so vorzugehen ist wird nicht begründet. Dadurch ergibt sich das Problem, wie es nunmehr überhaupt möglich sein soll, einen Kilometersatz für Krankenfahrten zu ermitteln, da ja das BRKG in der neuen Fassung nach dienstlichem Interesse unterscheidet, indem es bei erheblichem im Gegensatz zu nur gewöhnlichem dienstlichem Interesse 30 Cent statt 20 Cent zugesteht. Der Versicherte steht aber gegenüber seiner Krankenkasse in keinem Dienstverhältnis. Die bisherige Interpretation, dass das Wort „Höchstbetrag“ eine lex specialis Regelung vorgibt würde hingegen keinen Problemen begegnen, da dann wie vormals die Differenzierung nach Hubraum nunmehr die Differenzierung nach Erheblichkeit des dienstlichen Interesses ohne Belang wäre und der Höchstbetrag der gegebenen Kilometersätze, also nunmehr 30 Cent, zu wählen wäre.

Die Spitzenverbände der Krankenkassen lösen dieses Problem dadurch, dass sie eine Festlegung auf 20 Cent treffen. Sie begründen dies damit, dass es in den Leistungsfällen an einem "erheblichen dienstlichen Interesse" mangle ohne näher zu erklären, warum dem so ist. Gleichzeit sagen sie damit unausgesprochen, dass ein gewöhnliches dienstliches Interesse vorliegt, denn andernfalls käme nach dem BRKG überhaupt keine Erstattung in Frage (§ 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 und § 13 Abs. 1 Satz 1 BRKG). Warum die Spitzenverbände der Krankenkassen zu der Auffassung gelangten, Krankenfahrten wären gerade mit gewöhnlichen Dienstreisen ohne erhebliches Interesse gleichzusetzen, ist ebensowenig ersichtlich wie warum sie das Wort Höchstbetrag mit Betrag gleichsetzen.

Den Antrag B 1 KR 6/10 BH, der unter anderem zum Ziel hatte, die Korrektheit dieser Festlegung durch die Spitzenverbände der Krankenkassen zu überprüfen, wurde vom Bundessozialgericht am 21.05.2010 abgelehnt, da es sich nicht um eine klärungsbedürftige Frage handle, da ihre Beantwortung so gut wie unbestritten sei oder die Antwort von vorneherein praktisch außer Zweifel stehe. Hierzu führt das Bundessozialgericht wie folgt aus

Auch unabhängig von einer höchstrichterlichen Klärung ist indes eine Rechtsfrage dann als nicht klärungsbedürftig anzusehen, wenn ihre Beantwortung so gut wie unbestritten ist (vgl zB BSG SozR 1500 § 160 Nr 17) oder die Antwort von vorneherein praktisch außer Zweifel steht (vgl zB BSGE 40, 40 = SozR 1500 § 160a Nr 4). So liegt es hier bei der vom Kläger indirekt aufgeworfenen Frage unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien (vgl BT-Drucks 12/3608 S 82) und dem Sinn und Zweck der Verweisungsregel in § 60 Abs 3 Nr 4 SGB V, die für den Ausnahmefall des § 5 Abs 2 Satz 2 BRKG keinen Anwendungsraum bietet.

Was nach Ansicht des Bundessozialgerichts der Sinn und Zweck der Verweisungsregel ist, wird von diesem nicht weiter erklärt. Der betreffende Abschnitt der Bundestagsdrucksache 12/3608 lautet

Zu Buchstabe b)

Die Regelung nach der für jeden gefahrenen Kilometer 0,31 DM anerkannt werden, entsprach bei ihrer Einführung durch das Gesundheitsreformgesetz zum 1. Januar 1989 dem seinerzeit geltenden Höchstsatz für die Wegstreckenentschädigung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Bundesreisekostengesetz (BRKG). Dieser Höchstsatz wurde durch die Verordnung zur Änderung reisekostenrechtlicher Vorschriften des Bundesministeriums des Inneren vom 29. November 1991 (BGBl. S 2154) mit Wirkung vom 1. Oktober 1991 im Hinblick auf die geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse auf 0,38 DM erhöht. Künftige Anpassungen sollen nunmehr auch für die Kilometerpauschale der gesetzlichen Krankenversicherung gelten.


Dies bezieht sich auf Seite 8 Nr. 28 derselben Drucksache die ausführt

§ 60 wird wie folgt geändert

b) in Absatz 3 Nr. 4 wird die Bezeichnung „31 Deutsche Pfennige“ ersetzt durch „ den jeweils auf Grund des Bundesreisekostengesetzes festgesetzten Höchstbetrag für Wegstreckenentschädigung“


Durch Rückänderung folgt, dass das Gesetz im Endeffekt wie folgt geändert wurde. Von

Als Fahrkosten werden anerkannt … bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für jeden gefahrenen Kilometer 31 Deutsche Pfennige ...

zu

Als Fahrkosten werden anerkannt … bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für jeden gefahrenen Kilometer den jeweils auf Grund des Bundesreisekostengesetzes festgesetzten Höchstbetrag für Wegstreckenentschädigung …

Die Begründung des Gesetzgebers hierfür ist, dass sich der Kilometersatz in Zukunft dynamisch mit Änderung des BRKG ändern solle, wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die bisher direkt im Gesetz angegebene Erstattungshöhe sich am Höchstsatz des BRKG orientierte. Als nun mit der Änderung des BRKG zum 01.09.2005 der Änderungsfall eintrat, für den der Gesetzgeber die Dynamisierung vorgesehen hatte, stieg der Höchstsatz des BRKG von 22 Cent auf 30 Cent, gleichzeitig sank der Kilometersatz für Krankenfahrten von 22 Cent auf 20 Cent. Es ist nicht erkennbar, warum es Sinn und Zweck der Dynamisierung gewesen sein soll, diese gegenläufige Veränderung auszulösen. Dass die Spitzenverbände der Krankenkassen die Auswirkung der Änderung des BRKG zu einem Tagesordnungspunkt machten, also offenbar Klärungs- und Abstimmungsbedarf sahen, stützt ebenfalls nicht die Meinung des Bundessozialgerichts, die Auslegung sei so gut wie unbestritten oder die Antwort würde von vorneherein praktisch außer Zweifel stehen.

Neben der Normenklarheit sprechen für die begehrte Klarstellung auch sozialstaatliche und Gerechtigkeitsüberlegungen.

Eine Kilometerpauschale von 20 Cent ist ersichtlich zu niedrig, um die tatsächlichen Betriebskosten eines Kfz zu decken. So beliefen sich laut „ADAC Autokosten“ etwa schon 2009 Kosten eines Toyota Yaris 1.33 bei üblicher Nutzung auf 31,6 Cent pro km. Kosten für Fahrten zu ambulanten Behandlungen zeichnen sich auch dadurch aus, dass ihnen keine sonstigen Einnahmen gegenüberstehen, wie es etwa bei Fahrten zur Arbeitsstätte durch den Arbeitslohn der Fall sein kann. Somit kommt es bei Notwendigkeit ambulante Behandlungen mit dem Kfz aufzusuchen unweigerlich zu einem Vermögensverzehr. Ist kein genügend hohes sonstiges Einkommen oder Vermögen vorhanden, führt dies früher oder später zum Verlust des Fahrzeugs, etwa können Reparaturen nicht mehr bezahlt werden oder eine erforderliche Anschaffung ist nicht möglich, da hierfür nicht angespart werden konnte. Sind aber weiterhin Behandlungen und somit weitere Transporte erforderlich müssen diese etwa per Taxi erfolgen, was zu Kostensteigerung führen kann, soweit eine solche Lösung rechtlich überhaupt zulässig ist.

Nämlich gehen die Krankentransport-Richtlinien (KrTransp-RL) schon der Langbezeichnung als „Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten“ nach sowie gemäß § 1 KrTransp‑RL und aufgrund der Regel-Ausnahme Formulierung von § 2 sowie § 7 KrTransp-RL anscheinend davon aus, dass außer in den explizit genannten Ausnahmen jeder Krankentransport einer Verordnung bedarf (so auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 9 KR 100/06 vom 10.09.2008). Ein Taxitransport ist jedoch keine der explizit genannten Ausnahmen und bedarf also somit einer Verordnung. Diese darf gemäß § 7 Abs. 3 KrTransp-RL nur erfolgen, „wenn der Versicherte aus zwingenden medizinischen Gründen öffentliche Verkehrsmittel oder ein privates Kraftfahrzeug nicht benutzen kann.“ Es ist fraglich, ob das schlichte Nichtvorhandensein eines privaten Kraftfahrzeugs als zwingender medizinischer Grund gilt, denn etwa hat das Hessische Landessozialgericht im Urteil L 1 KR196/04 vom 06.09.2005 zum Fall eines täglich notwendigen Arztbesuchs im Rahmen einer Methadontherapie ausgeführt

Nach der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 15/1525 vom 8. September 2003, Seite 94) hat der behandelnde Arzt zu entscheiden, ob und inwieweit zwingende medizinische Gründe vorliegen. Fahrten zur ambulanten Behandlung bedürfen der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse und dürfen nur in ganz besonderen Ausnahmefällen von den Krankenkassen übernommen werden.

Eine solche medizinische Notwendigkeit und insbesondere die Voraussetzung, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist, liegt bei der Klägerin nicht vor. Sie hebt vielmehr darauf ab (vgl. insbesondere Schriftsatz vom 11. Mai 2004 im Verfahren S 12 KR 950/04 ER), dass sie als Bezieherin von Hilfe zum Lebensunterhalt und allein erziehende Mutter aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sei, die Kosten zur Methadon-Substitution zu bezahlen. Dies sind zwar nachvollziehbare finanzielle Gründe, jedoch keine zwingenden medizinischen Gründe. In der Stellungnahme vom 27. April 2004 führt Dr. G. vom MDK überzeugend aus, dass es sich bei der Heroinabhängigkeit, die zur Substitutionstherapie geführt hat, nicht um ein Krankheitsbild handelt, das in seiner Schwere mit einem Nierenversagen mit Dialysepflicht oder einem bösartigen Tumor mit onkologischer Therapie vergleichbar sei. Vergleichbar seien Substitutionspatienten vielmehr mit Patienten, die einer dauerhaften medikamentösen Therapie bedürften, wie beispielsweise insulinpflichtige Diabetiker. Auch hier sei eine regelmäßige, mehrfach täglich Therapie notwendig, die allerdings selbständig durch die Patienten erfolge. Eine solche Form der häuslichen Therapie sei medizinisch gesehen auch bei der Substitution möglich. Die Notwendigkeit, die Substitution innerhalb der Praxis durchzuführen, bestehe nämlich nicht aufgrund medizinischer Sachverhalte, sondern werde durch die Richtlinien der Bundesärztekammer i. V. m. der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung begründet. Somit fehle allein deshalb schon die zwingende medizinische Notwendigkeit.


Eine bloße Notwendigkeit im Zusammenhang mit einer erforderlichen Behandlung, auch wenn sie wie hier absolut zwingend, da durch Rechtsvorschriften gegeben ist, ist daher nicht ausreichend, eine medizinische Notwendigkeit zu begründen.

30.08.2013 Schreiben des Bundesministerium für Gesundheit

Bundesministerium
für Gesundheit

Gesetzliche Krankenversicherung — Leistungen — ;

Der Petent fordert, die Wegstreckenentschädigung für die Nutzung eines privaten Pkw für
Fahrten zu ambulanten Behandlungen von 20 auf 30 Eurocent zu erhöhen.

Zunächst ist anzumerken, dass es sich bei der Erstattung von Fahrkosten nach § 60 SGB V nicht
um eine Hauptleistung, sondern um eine Nebenleistung der gesetzlichen Krankenversicherung
handelt.

Die Krankenkassen übernehmen im Rahmen des § 60 Absatz 1 bis 3 SGB V in Verbindung mit
den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschuss über die Verordnung von Krankenfahrten,
Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach § 92 Absatz 1 Nummer 12 SGB V
(Krankentransport-Richtlinien) die Kosten von Fahrten, wenn die Fahrten im Zusammenhang
mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig ist. Die
Versicherten haben, soweit keine Zuzahlungsbefreiung nach § 62 SGB V vorliegt, dabei nach § 61
Satz 1 SGB V entsprechende Zuzahlungen zu leisten.

Gemäß § 60 Absatz 1 Satz 2 SGB V bestimmt die medizinische Notwendigkeit, welches Fahrzeug
im Einzelfall benutzt werden kann. Bei der Auswahl des jeweiligen Transportmittels ist daher
von dem verordnenden Arzt vor allem der Gesundheitszustand des jeweiligen Versicherten zu
berücksichtigen. In Übereinstimmung hiermit regelt § 4 der Krankentransport-Richtlinien, dass
bei der Art der Beförderung ausschließlich die zwingende medizinische Notwendigkeit im

Seite 2 von 3

Einzelfall maßgeblich ist, wobei der Gesundheitszustand des Patienten und dessen Gehfähigkeit
zu berücksichtigen sind. Erstattungsfähig sind, in den von § 60 Absatz 3 SGB V vorgegebenen
Grenzen, die Fahrkosten, die bei der Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels, der
Benutzung eines Taxis oder Mietwagens, der Benutzung eines Kranken- oder Rettungsfahrzeuges
und der Benutzung eines privaten Kraftfahrzeuges entstehen.

Die Reihenfolge der in § 60 Absatz 3 Nummer 1 bis 4 SGB V genannten Verkehrsmittel spiegelt
wider, welche Verkehrsmittel aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebotes vorrangig zu benutzen
sind. In erster Linie sollen die erforderlichen Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln
durchgeführt werden (§ 60 Absatz 3 Nr. 1 SGB V). Nachrangig soll die Benutzung eines Taxis oder
Mietwagens (§ 60 Absatz 3 Nr. 2 SGB V) erfolgen und erst wenn dies alles nicht möglich ist,
kommt die Benutzung eines Krankenkraftwagens oder Rettungsfahrzeuges (§ 60 Absatz 3 Nr. 3
SGB V) in Betracht. Die Anerkennung von Fahrkosten bei der Benutzung eines privaten
Kraftfahrzeugs (§ 60 Absatz 3 Nr. 4 SGB V) hängt zwar nicht davon ab, dass ein anderes
Verkehrsmittel nicht benutzt werden kann, allerdings werden höchstens die Kosten anerkannt,
die bei der Inanspruchnahme des nach Nummern 1 bis 3 erforderlichen Transportmittels
entstanden wären.

Nach § 60 Absatz 3 Nr. 4 SGB V wird bei der Benutzung eines privaten Kraftfahrzeuges für jeden
gefahrenen Kilometer der jeweils auf Grund des Bundesreisekostengesetzes - BRKG -
festgesetzte Höchstbetrag für Wegstreckenentschädigung erstattet, begrenzt allerdings auf den
Betrag der Kosten, die bei Inanspruchnahme des nach § 60 Absatz 3 Nr. 1-3 SGB V erforderlichen
Transportmittels entstanden wären. Gemäß § 5 Absatz 1 Satz 1 BRKG beträgt die
Wegstreckenentschädigung bei der Benutzung eines Kraftfahrzeuges oder eines anderen
motorbetriebenen Fahrzeuges 20 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke, höchstens jedoch
130 €.

Soweit vom Petenten angemerkt wird, dass die Höhe der Wegstreckenentschädigung von 20
Cent je gefahrenen Kilometer nicht angemessen sei, ist zu berücksichtigen, dass der Benutzung
öffentlicher Verkehrsmittel der Vorrang einzuräumen ist. So lag der Überarbeitung des BRKG im
Jahre 2005 unter anderem die Zielsetzung zugrunde, Anreize zur Wahl umweltverträglicher
Verkehrsmittel und zu umweltgerechtem Verhalten im Verkehr zu setzen (Bundesrats-
Drucksache: 16/05, Seite 1). Die mangelnde Kostendeckung des Betrages ist, wie das
Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 1. Juli 2010 (Az.: 6 PB 7/10) entschieden hat,
auch gerechtfertigt. Wer in Ausübung der reisekostenrechtlichen Wahlfreiheit ein privates
Kraftfahrzeug benutzt, obwohl die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel möglich und
zumutbar ist, hat im Regelfall ein überwiegendes privates Interesse.

Zusammenfassend lasst sich feststellen, dass die Übernahme von Kosten für die Benutzung eines
in § 60 Absatz 3 SGB V genannten Verkehrsmittels sichergestellt ist. Der Versicherte hat mit
Ausnahme gegebenenfalls zu tragender Zuzahlungen, die auch bei der Nutzung eines privaten
Kraftfahrzeuges anfallen, hinsichtlich der in den Nummern 1 bis 3 genannten Verkehrsmittel,
keine finanziellen Lasten zu tragen. Soweit sich eine mangelnde Kostendeckung bei der
Erstattung der Kosten ergibt, die bei der Benutzung eines privaten Kraftfahrzeuges nach § 60
Absatz 3 Nummer 4 anfallen, sind die zum Bundesreisekostengesetz genannten Gesichtspunkte
zu berücksichtigen. Eine Änderung der bestehenden Rechtslage ist nicht beabsichtigt.

05.09.2013 Schreiben des Ausschussdienstes

Sehr geehrter Herr ...

der Ausschussdienst, dem die Ausarbeitung von Vorschlägen für den Petitions-
ausschuss obliegt, hat das von Ihnen vorgetragene Anliegen sorgfältig geprüft und in
diese Prüfung die beigefügte Stellungnahme einbezogen.

Nach Prüfung aller Gesichtspunkte kommt der Ausschussdienst zu dem Ergebnis,
dass eine Umsetzung Ihres Anliegens ausgeschlossen erscheint. Diese Auffassung
stützt. sich insbesondere auf die in der Stellungnahme des Fachministeriums
schlüssig dargelegte Begründung, weshalb eine Gesetzesänderung im Sinne Ihres
Anliegens nicht in Aussicht gestellt werden kann.

Einwendungen gegen diese Bewertung können Sie innerhalb von sechs Wochen
mitteilen. Nach Ablauf dieser Zeit wird den Abgeordneten des Petitionsausschusses
vorgeschlagen, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil Ihrem Anliegen nicht
entsprochen werden kann. Folgen der Ausschuss und das Plenum des Deutschen
Bundestages diesem Vorschlag, erhalten Sie keinen weiteren Bescheid.

Weil Ihre Petition nicht den gewünschten Erfolg haben wird, sieht der Ausschuss von
einer Veröffentlichung auf der Internetseite des Petitionsausschusses ab (vgl. Nr. 4e
der Richtlinie für die Behandlung von öffentlichen Petitionen gemäß Ziffer 7.1 (4) der
Verfahrensgrundsätze; veröffentlicht unter www.bundestag‚de/Petitionen).'

01.10.2013 Stellungnahme zum Schreiben des Bundesministerium für Gesundheit vom 30.08.2013

Sehr geehrte Damen und Herren,

zu Ihrem mit oben genanntem Schreiben übersandten Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 30.08.2013 erhebe ich folgende Einwendungen:

Zunächst ist klarzustellen, dass der Petent keine Gesetzesänderung fordert. Er fordert weder eine Änderung des Bundesreisekostengesetzes noch des § 60 oder 92 SGB V. Er fordert auch keine Änderung der untergesetzlichen Krankentransport-Richtlinen.

Vielmehr fordert er eine Klarstellung der Auslegung des Wortes „Höchstbetrag“ in § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V. Er fordert, dass klargestellt wird, dass wieder verstärkt auf den Wortlaut abzustellen ist, insbesondere, dass zu berücksichtigen ist, dass die Norm auf den „Höchstbetrag für Wegstreckenentschädigung“ verweist, nicht etwa auf den „Betrag für Wegstreckenentschädigung“. Dies ist die einzige Forderung des Petenten. Da das Bundesreisekostengesetz zwei mögliche Beträge, nämlich 20 Cent und 30 Cent nennt, und der höchste Betrag hieraus somit 30 Cent ist, hat eine am Wortlaut orientierte Auslegung zur Folge, dass der Erstattungsbetrag 30 Cent beträgt. Dies ist keine zusätzliche Forderung des Petenten, sondern eine sächliche Folge, wenn der Forderung nach stärker am Wortlaut orientierter Auslegung entsprochen würde. Der Petent fordert insoweit eine Rückkehr zur früher praktizierten Auslegung, bei der von damals vier möglichen Beträgen der Höchstbetrag, der damals 22 Cent betrug, erstattet wurde. Auch dies ist keine zusätzlich Forderung des Petenten, sondern ergibt sich als Folge aus seiner einzigen Forderung und ist dieser im Übrigen äquivalent, das heißt der Petent könnte seine Forderung auch so formulieren, dass er eine Rückkehr zur alten Auslegung fordert. Der Gesetzgeber war sich bei Änderung des Bundesreisekostengesetzes mutmaßlich bewusst, dass dieses auch Auswirkungen auf die Erstattung von Fahrkosten für Krankenfahrten hat, denn er hat mit dem Änderungsgesetz gleichzeitig korrespondierende Änderungen am SGB V vorgesehen (Art. 9 Bundestagsdrucksache 16/05). Er hat somit in diesem Bewusstsein die Bezeichnung „Höchstbetrag“ im § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V belassen.

Zum Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit nimmt der Petent im Einzelnen wie folgt Stellung:

Im ersten Satz führt das BundesminiHubersterium für Gesundheit aus, dass der Petent eine Erhöhung der Wegstreckenentschädigung von 20 auf 30 Cent pro Kilometer fordert. Das ist, wie oben dargelegt, nur insoweit zutreffend als dies eine Folge der Forderung des Petenten ist.

Das Bundesministerium für Gesundheit führt dann zunächst bis einschließlich Zeile 21 Seite 2 zu verschiedenen Normen aus, insbesondere zur Wahl des Transportmittels nach der medizinischen Notwendigkeit. Es ist nicht zu erkennen, welchen Bezug diese Ausführungen zur Forderung des Petenten haben. Der Petent fordert keine Abschaffung der genannten Gesetzeskriterien oder eine Ausweitung oder sonstige Änderung des Kreises der Personen, die Anspruch auf Fahrkostenerstattung in Form des Höchstbetrags nach § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V für ein privates Kfz bei Fahrten zur Behandlung haben. Geändert werden soll nicht der Personenkreis, sondern die Festlegung der Höhe des Anspruchs den Personen aus diesem Kreis geltend machen können.

Ab Zeile 21 Seite 2 teilt das Bundesministerium für Gesundheit mit

Gemäß § 5 Absatz 1 Satz 1 BRKG beträgt die Wegstreckenentschädigung bei der Benutzung eines Kraftfahrzeuges oder eines anderen motorbetriebenen Fahrzeuges 20 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke, höchstens jedoch 130 €.

Dies ist richtig, jedoch unvollständig, denn es kommt für die hier vorliegende Fragestellung nicht nur auf § 5 Abs. 1 Satz 1 BRKG an, denn es geht hier um Fahrkostenerstattungen, wie sie § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V vorsieht. Der hier relevante Teil von § 60 Abs. 3 SGB V lautet

(3) Als Fahrkosten werden anerkannt

4. bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für jeden gefahrenen Kilometer den jeweils auf Grund des Bundesreisekostengesetzes festgesetzten Höchstbetrag für Wegstreckenentschädigung, höchstens jedoch die Kosten, die bei Inanspruchnahme des nach Nummer 1 bis 3 erforderlichen Transportmittels entstanden wären.


Mit der Formulierung „auf Grund des Bundesreisekostengesetzes festgesetzten“ bezieht sich § 60 Abs. 3 SGB V offensichtlich auf das gesamte Bundesreisekostengesetz als Grundlage für die Festsetzung, insbesondere heißt es nicht „... auf Grund des § 5 Abs. 1 Satz 1 des Bundesreisekostengesetzes festgesetzten ...“. Damit ist zunächst jede Regelung im Bundesreisekostengesetz in Betracht zu ziehen, welche Wegstreckenentschädigung für private Kfz festlegt, also auch der gesamte § 5 BRKG. Der hier relevante Teil besteht somit zunächst zumindest aus den ersten beiden Absätzen des § 5 BRKG und lautet also.

1) Für Fahrten mit anderen als den in § 4 genannten Beförderungsmitteln wird eine Wegstreckenentschädigung gewährt. Sie beträgt bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges oder eines anderen motorbetriebenen Fahrzeuges 20 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke, höchstens jedoch 130 Euro. Die oberste Bundesbehörde kann den Höchstbetrag auf 150 Euro festsetzen, wenn dienstliche Gründe dies im Einzelfall oder allgemein erfordern.

(2) Besteht an der Benutzung eines Kraftwagens ein erhebliches dienstliches Interesse, beträgt die Wegstreckenentschädigung 30 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke. Das erhebliche dienstliche Interesse muss vor Antritt der Dienstreise in der Anordnung oder Genehmigung schriftlich oder elektronisch festgestellt werden.


Es sind demnach zunächst offensichtlich zwei Kilometerpauschalen, nämlich 20 Cent und 30 Cent möglich. Auf dieser Grundlage ist nun durch Anwendung der weiteren einschlägigen Normen eine Auswahl zu treffen.

Wählt man das althergebrachte, dem Wortlaut entsprechende und vom Petenten geforderte Verfahren, die Verwendung der Bezeichnung „Höchstbetrag“ als lex specialis zu deuten, so kommt hier diese ohne Weiteres zur Anwendung und als Kilometerpauschale ergibt sich somit der Höchstbetrag aus 20 Cent und 30 Cent, also 30 Cent.

Ignoriert man diese Vorgabe aus § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V, so stellt sich die Frage, wie überhaupt weiter vorzugehen ist, denn es wäre nun nach dem Wortlaut des § 5 BRKG zu ermitteln, ob ein erhebliches dienstliches Interesse oder lediglich eine gewöhnliches dienstliches Interesse vorliegt. Da es sich bei der zu beurteilenden Krankenfahrt jedoch nicht um eine Dienstfahrt handelt, es insbesondere schon eines Dienstherrn und eines dienstlichen Zwecks ermangelt, ist nicht ohne Weiteres klar, wer dies und nach welchen Kriterien entscheiden soll. Wie bereits in der Begründung der Petition dargelegt und wie das Bundesministerium hier selbst nochmal vorführt besteht die derzeitige „Lösung“ dieses Auslegungsproblems darin, sich nicht mit diesem zu befassen, indem § 5 Abs. 2 BRKG kommentarlos als nicht existent behandelt wird. Dies benachteiligt Kranke gegenüber Bediensteten, da bei letzteren immerhin noch in manchen Fällen eine Erstattung in Höhe von 30 Cent möglich ist.

Würde der Versicherte konsequent analog zu einem Bediensteten behandelt, indem die Krankenkasse analog zu den reisekostenrechtlichen Vorschriften über das Vorliegen eines erheblichen Interesses an der Benutzung eines Kfz entscheidet, so würde dies im Übrigen voraussichtlich ebenfalls zu einem Erstattungsbetrag von 30 Cent führen, denn nach 5.2.2 BRKGVwV liegt ein erhebliches dienstliches Interesse vor, wenn ein Dienstgeschäft sonst nicht durchgeführt werden kann oder das Kfz nach Sinn und Zweck eines Dienstgeschäfts notwendig ist und ein Dienstkraftfahrzeug nicht zur Verfügung steht, insbesondere wenn das Dienstgeschäft bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden Beförderungsmittels nicht durchgeführt werden kann oder ein solches nicht zur Verfügung steht. Dies dürfte als erfüllt anzusehen sein, wenn ein Kfz erforderlich ist und nur in diesen Fällen kommt nach § 60 Abs. 3 SGB V überhaupt eine Wegstreckenentschädigung in Frage.

Erst im letzten Absatz der Seite 2 befasst sich das Bundesministerium für Gesundheit direkt mit dem Anliegen des Beschwerdeführers.

Soweit vom Petenten angemerkt wird, dass die Höhe der Wegstreckenentschädigung von 20 Cent je gefahrenen Kilometer nicht angemessen sei, ist zu berücksichtigen, dass der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel der Vorrang einzuräumen ist.

Wie dargelegt bezieht sich die Petition einzig darauf, den Rechtsanspruch von Versicherten, die Anspruch auf Fahrkostenerstattung als Höchstbetrag nach § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V für ein privates Kfz haben, festzulegen und zwar nicht seinem Umfang, sondern nur der Höhe nach. Einen wirksamen Anspruch auf Fahrkostenerstattung nach § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V für ein privates Kfz haben Versicherte aufgrund der Einschränkung „... höchstens jedoch die Kosten, die bei Inanspruchnahme des nach Nummer 1 bis 3 erforderlichen Transportmittels entstanden wären.“ aus § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V indes nur, wenn das private Kfz als Transportmittel erforderlich ist, denn sofern beispielsweise öffentliche Verkehrsmittel genutzt werden können, und dies günstiger ist als die Erstattung des Höchstbetrags aus dem Bundesreisekostengesetz, wird in jedem Fall nur der geringere Betrag für das öffentliche Verkehrsmittel erstattet, unabhängig vom tatsächlich verwendeten Transportmittel. In diesen Fällen wirkt sich also die vom Kläger vorgeschlagene Klarstellung überhaupt nicht aus. Es verbleiben somit, soweit ein öffentliches Verkehrsmittel günstiger wäre, nur mehr die Fälle, in denen ein Kfz erforderlich ist, nur diese können von der vorgeschlagenen Änderung profitieren. In diesen Fällen kann jedoch der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel kein wie immer gearteter Vorrang eingeräumt werden, da diese kein geeignetes Transportmittel sind und somit überhaupt nicht in Frage kommen, sondern eben ein privates Kfz erforderlich ist.

Das Bundesministerium für Gesundheit führt weiter aus

So lag der Überarbeitung des BRKG im Jahre 2005 unter anderem die Zielsetzung zugrunde, Anreize zur Wahl umweltverträglicher Verkehrsmittel und zu umweltgerechtem Verhalten im Verkehr zu setzen (Bundesrats-Drucksache: 16/05, Seite 1).

Anreize zu einer bestimmten Wahl können nur gegeben werden, wenn überhaupt eine Wahl zwischen verschiedenen Alternativen möglich ist. In den vorliegend vor allem interessierenden Fällen, dass ein privates Kfz erforderlich ist, ist gerade keine Wahl des Versicherten möglich. Ist es dem Versicherten möglich ein öffentliches Verkehrsmittel zu wählen, so werden ohnehin höchstens dessen Kosten erstattet. Die Petition betrifft Versicherte nicht, die aus eigenem Entschluss ein privates Kfz benutzen, obgleich ein öffentliches Verkehrsmittel benutzt werden könnte, wenn ein öffentliches Verkehrsmittel günstiger für die Krankenkasse ist.

Das Bundesministerium für Gesundheit führt weiter aus

Die mangelnde Kostendeckung des Betrages ist, wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 1. Juli 2010 (Az.: 6 PB 7/10) entschieden hat, auch gerechtfertigt.

Zunächst ist die Meinung eines Gerichts vorliegend schon deswegen von untergeordneter Bedeutung, weil der Petent ein Wort des Gesetzgebers begehrt und dessen Wille nach Art. 20 Abs. 3 GG die Gerichte bindet. Die Entscheidung 6 PB 7.10 des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.07.2010 ist außerdem deswegen dem Ansinnen des Petenten nicht entgegengerichtet, weil es sich dort um die Beurteilung einer tatsächlichen Dienstfahrt handelt und das Bundesverwaltungsgericht zudem in Abs. 26 ausdrücklich ausführt

Anders liegt es, wenn die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ausscheidet und die zugunsten des Personalratsmitgliedes eingreifenden Regelungen in § 5 Abs. 1 BRKG eine auch nur annähernd kostendeckende Erstattung nicht zulassen. In solchen Fällen hält die "große Wegstreckenentschädigung" nach § 5 Abs. 2 BRKG eine Regelung bereit, die bei sachgerechter Anwendung im Einklang mit dem Benachteiligungsverbot des § 8 BPersVG sicherstellt, dass der Beschäftigte nicht mit Kosten belastet bleibt, die er bei ordnungsgemäßer Wahrnehmung seines Personalratsmandats nicht vermeiden kann (vgl. Beschluss vom 12. November 2009 a.a.O. Rn. 19).

Das Bundesverwaltungsgericht hält die Unterdeckung also in dem Zusammenhang für gerechtfertigt, dass Bediensteten der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel generell tatsächlich möglich ist und dass in den Fällen, in denen dies nicht möglich ist, eine Erstattung in Höhe von 30 Cent gewährt werden kann und bei korrekter Anwendung auch zu gewähren ist.

Wie dargelegt garantiert im Falle der Krankenfahrten bereits § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V, dass höhere Kosten für ein Kfz nicht übernommen werden, wenn dieses nicht erforderlich, sondern ein öffentliches Verkehrsmittel ausreichend ist. Die Petition ändert hieran nichts, sie versucht lediglich sicherzustellen, dass geschieht, was das Bundesverwaltungsgericht in Abs. 26 fordert, im Bereich der Krankenfahrten aber nicht realisiert ist: dass eine wenigstens annähernd kostendeckende Erstattung erfolgt, wenn die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ausscheidet.

Im Gegensatz zum Reisekostenrecht ist nach der derzeitigen Auslegung des Wortes „Höchstbetrag“ in § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V im Fall von Krankenfahrten keine Öffnungsklausel gegeben. Der Erstattungsbetrag von 30 Cent kommt nie zur Anwendung. Eine Möglichkeit, dass etwa die Krankenkasse nach Ermessen auch 30 Cent bewilligen könnte, gibt es nicht. Das Krankenversicherungsrecht ist an dieser Stelle defizitär und stellt den Versicherten deutlich schlechter als den Bediensteten. So bleibt der Versicherte mit Kosten belastet, die er nicht vermeiden kann. Dies selbst dann wenn er wegen geringen Einkommens und Vermögens überhaupt nicht in der Lage ist, die Kosten zumutbar selbst aufzubringen. Dieser Zustand ist schon aus rechts- und sozialstaatlichen Gründen bedenklich.

Das Bundesverwaltungsgericht ist für den Bereich des gesetzlichen Krankenversicherungsschutzes nicht zuständig. Das zuständige Bundessozialgericht hat bereits entschieden, dass § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V für den Ausnahmefall des § 5 Abs. 2 Satz 2 BRKG „keinen Anwendungsraum bietet“ (B 1 KR 6/10 BH vom 21.05.2010, Abs. 6), das heißt eine Erstattung von 30 Cent statt 20 Cent ist nie möglich, auch nicht in begründeten Ausnahmefällen. Eine Änderung dahingehend, dass Kranke, die zwingend auf ein Kfz angewiesen sind, wenigstens annähernd die entstehenden Kosten erstattet bekommen, kann daher nur mehr durch Tätigwerden des Gesetzgebers erzielt werden. Eben dies begehrt der Petent.

Das Bundesministerium für Gesundheit teilt weiter mit

Wer in Ausübung der reisekostenrechtlichen Wahlfreiheit ein privates Kraftfahrzeug benutzt, obwohl die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel möglich und zumutbar ist, hat im Regelfall ein überwiegendes privates Interesse.

Der Petent weist nochmals darauf hin, dass in den Fällen, die durch seine Petition hauptsächlich betroffen sind, keine Wahlfreiheit besteht, da ein Kfz erforderlich ist. Dementsprechend besteht auch keine „reisekostenrechtlichen Wahlfreiheit“ und es ist auch kein Ausüben der – real nicht bestehenden – Freiheit möglich. Versicherte, die auf die Benutzung eines privaten Kfz angewiesen sind erleiden den in der Petitionsbegründung erläuterten (...) Vermögensschaden bis hin zum Verlust des Kfz.

Soweit das Bundesministerium für Gesundheit hier darauf abstellt, dass es auch Personen, die nur Anspruch auf die Kosten eines öffentlichen Verkehrsmittels haben, freisteht, ein Kfz zu benutzen, haben diese zusätzlich entstehende Kosten schon jetzt zu tragen. Hieran ändert sich durch Umsetzung der Petition nichts. Soweit also die Erstattung nach der Kilometerpauschale, die für die Benutzung des privaten Kfz zu zahlen wäre, schon jetzt höher ist, als die der Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels, kann hier kein Anreiz entstehen, ein privates Kfz statt eines öffentlichen Verkehrsmittels zu benutzen, da immer nur der niedrigere Betrag erstattet wird, hier also nach wie vor nur der Betrag für die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels erstattet wird, sich am Erstattungsbetrag also nichts ändert. Dieser ist auch nach Umsetzung der Petition ebenso wie bisher durch den Betrag, der für öffentliche Verkehrsmittel erstattet wird, gedeckelt.

Nur wenn ein Versicherter lediglich Anspruch auf die Kosten eines öffentlichen Verkehrsmittels hat, zugleich diese Kosten aber höher sind als die der Benutzung eines privates Kfz kann sich eine Erhöhung ergeben. Diese ist ihrerseits wieder durch den Betrag, der für öffentliche Verkehrsmittel erstattet wird, gedeckelt. Es ist also auch in diesem Fall gesichert, dass die Erstattung bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel höher oder wenigstens gleich hoch, wie bei Benutzung eines Kfz ist. Insoweit also überhaupt eine Wahlfreiheit besteht, ist die Erstattung bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel immer höher oder wenigstens gleich hoch wie bei Benutzung eines Kfz. Dies wird durch gesetzliche Vorgaben garantiert, die von der Petition nicht betroffen sind.

Nur für Personen, die eine Wahl haben und die dadurch, dass sie aufgrund eigener Wahl ein Kfz benutzen zugleich der gesetzlichen Krankenversicherung Kosten ersparen - oder im Grenzfall höchstens dieselben Kosten verursachen, wie bei Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels - kann sich also durch eine erhöhte Kilometerpauschale überhaupt ein Anreiz ergeben dieses Verhalten fortzusetzen oder ein solches Verhalten aufzunehmen. Ein Anreiz zur Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel kann hier also nur geschaffen werden, wenn gleichzeitig für die gesetzliche Krankenversicherung überhöhte Ausgaben in Kauf genommen werden. Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu fördern, selbst wenn dies nur um den Preis höherer Kosten für die gesetzliche Krankenversicherung zu erreichen ist, hätte er dies am einfachsten und effektivsten dadurch sicherstellen können, dass er nur die Kosten für das erforderliche und tatsächlich benutzte Transportmittel erstattet. Diese Änderung ist ihm nach wie vor und unabhängig von der vorliegenden Petition jederzeit möglich.

Das Bundesministerium für Gesundheit teilt weiter mit

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Übernahme von Kosten für die Benutzung eines in § 60 Absatz 3 SGB V genannten Verkehrsmittels sichergestellt ist.

Dies ist falsch, denn in Fällen, in denen ein Kfz erforderlich ist, wird nur eine Erstattung von 20 Cent pro Kilometer geleistet. Dies dürfte für nahezu alle marktüblichen Kfz unzureichend sein (laut http://www.adac.de/infotestrat/autodatenbank/autokosten/autokosten-rechner/default.aspx etwa Toyota iQ 1.0 ab 31,8 Cent, Toyota Aygo 1.0 ab 28,2 Cent, Skoda Citigo 1.0 Green tec Elegance ab 30,2 Cent, Fiat Panda 1.2 8V ab 31,4 Cent, Fiat 500 1.2 8V Start&Stopp Pop Star ab 33,8 Cent, KIA Picanto 1.0 Attract ab 28,2 Cent). Zudem widerspricht das Bundesministerium für Gesundheit hier der von ihm selbst gegebenen Lesart des von ihm angeführten Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts, dass eine mangelnde Kostendeckung besteht.

Das Bundesministerium für Gesundheit teilt weiter mit

Der Versicherte hat mit Ausnahme gegebenenfalls zu tragender Zuzahlungen, die auch bei der Nutzung eines privaten Kraftfahrzeuges anfallen, hinsichtlich der in den Nummern 1 bis 3 genannten Verkehrsmittel, keine finanziellen Lasten zu tragen.

Das ist ersichtlich falsch. Der Versicherte der auf ein Kfz angewiesen ist, hat zusätzlich zu den Zuzahlungen die Kosten pro Kilometer zu tragen, die sich als Differenz seiner tatsächlich notwendigen Ausgaben pro Kilometer abzüglich lediglich 20 Cent Fahrtkostenerstattung ergeben. Wie oben dargelegt, ist selbst unter günstigsten Annahmen davon auszugehen, dass die tatsächlichen Kosten diese 20 Cent deutlich überschreiten. Eine Obergrenze für die zusätzlichen Kosten existiert nicht, sie können also auch ruinös sein.

Das Bundesministerium für Gesundheit teilt weiter mit

Soweit sich eine mangelnde Kostendeckung bei der Erstattung der Kosten ergibt, die bei der Benutzung eines privaten Kraftfahrzeuges nach § 60 Absatz 3 Nummer 4 anfallen, sind die zum Bundesreisekostengesetz genannten Gesichtspunkte zu berücksichtigen.

Es erschließt sich nicht, auf welche Fälle das Bundesministerium für Gesundheit abstellt, wenn es nunmehr einräumt, was es soeben noch bestritten hatte: dass eine Unterdeckung bestehen kann. Mit dem Hinweis auf „zum Bundesreisekostengesetz genannten Gesichtspunkte“ will das Bundesministerium für Gesundheit vermutlich auf seine Darlegung, es solle die Wahl eines öffentlichen Verkehrsmittels statt eine privaten Kfz gefördert werden, hinweisen. Es bleibt dem Petenten nur, abermals darauf hinzuweisen, dass vorliegend nicht nur die reisekostenrechtlichen, sondern auch die krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften zu beachten sind, nach denen die Erstattungshöhe ohnehin auf die Kosten eines öffentlichen Verkehrsmittels gedeckelt ist, sofern dieses ausreichend ist. Übersteigende Kosten durch Benutzung eines privaten Kfz werden von der gesetzlichen Krankenversicherung nur erstattet, wenn dessen Benutzung erforderlich ist. Daran ändert sich durch die Petition nichts.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Petition, im Fall des Erfolgs, keinerlei Auswirkungen auf die Unterdeckung hat, die möglicherweise entsteht, wenn ein Versicherter, für dessen Transport lediglich ein öffentliches Verkehrsmittel erforderlich ist, dennoch aus eigenem Entschluss ein privates Kfz benutzt, denn in diesen Fällen kommt der Höchstbetrag ohnehin nicht zum Tragen. Diese aus eigener Wahlfreiheit entstehende Differenz trägt der Versicherte nach wie vor selbst. Die Differenz um die es hier geht ist nicht die zwischen den Kosten eines öffentlichen Verkehrsmittels und den Kosten eines Kfz, sondern die zwischen 20 Cent und 30 Cent, also 10 Cent pro Kilometer. Hier können bei häufigen Behandlungen in großer Entfernung, etwa wenn ein Dialysepatient aus dem ländlichen Raum dreimal in der Woche zur Dialyse und zurück fährt, erhebliche Summen entstehen, die insbesondere Menschen der unteren Einkommensschichten überfordern.

Obwohl sie im ersten Satz zutreffend die sächliche Änderung, die sich aus einer Umsetzung der Petition ergibt, wiedergibt, ist aufgrund der Fehlerhaftigkeit der Stellungnahme zweifelhaft, dass das Bundesministerium für Gesundheit Art, Wirkung und Umfang der Petition vollumfänglich erfasst hat. Da sich aus der Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit keine nachvollziehbaren Gründe ergeben, warum die Petition, so sie sach- und rechtsfehlerfrei bewertet würde, aussichtslos wäre, hält der Petent sie aufrecht und bittet, sie nochmals zu überdenken. Er bittet eine Abschrift dieses Schreibens dem Bundesministerium für Gesundheit zu übersenden und diesem die Gelegenheit zu weiterer Stellungnahme zu geben. Er bittet um Mitteilung der Entscheidung des Petitionsausschusses.

06.11.2013 Schreiben des Bundesministerium für Gesundheit

Bundesministerium
für Gesundheit

Gesetzliche Krankenversicherung - Leistungen

Eingabe des ... vom 4. Juli 2013


Hier: Ergänzende Äußerung vom 1. Oktober 2013

Zu der o. a. Eingabe nehme ich wie folgt Stellung:

Der Petent fordert, die Wegstreckenentschädigung für die Nutzung eines privaten PKW für
Fahrten zu ambulanten Behandlungen von 20 auf 30 Eurocent zu erhöhen.

In diesem Zusammenhang wird zunächst auf unser Schreiben vom 30. August 2013 verwiesen.

Ergänzend ist Folgendes anzumerken: Die vom Petenten angesprochene Höhe der
Erstattungsbeträge im Falle der Benutzung eines privaten Fahrzeugs bemisst sich nach § 60
Absatz 3 Nr. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Hierin erfolgt eine Anknüpfung an das
Bundesreisekostengesetz (BRKG). Der somit einschlägige § 5 Absatz 1 Satz 2 BRKG sieht eine
Wegeentschädigung von 20 Eurocent je gefahrenem Kilometer vor. Die vom Petenten
gewünschte Möglichkeit einer darüber hinausgehenden Kostenerstattung besteht indes nicht.

Insbesondere ist nach derzeitiger Rechtslage der vom Petenten angesprochene Rückgriff auf § 5
Absatz 2 BRKG, der einen Erstattungsbetrag von 30 Eurocent je gefahrenem Kilometer vorsieht,
nicht möglich. Dies stellte jüngst das Bundessozialgericht klar, das eine sich hiergegen wendende
Revision nicht zur Entscheidung annahm (BSG, Beschluss vom 21. Mai 2010 - B 1 KR 6/10 BH).

Darin bestätigte das Gericht explizit, dass es den Krankenkassen verwehrt ist, aus
Billigkeitsgesichtspunkten im Einzelfall auf § 5 Absatz 2 BRKG zurückzugreifen. Zur Begründung
führte es aus, dass nach derzeitiger Rechtslage eine entsprechend enge Auslegung der Norm

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allgemein anerkannt sei. Zudem böten die insoweit maßgeblichen Gesetzgebungsmaterialen
auch keinen Raum für eine anderweitige Interpretation der Vorschrift, da in diesen ebenfalls nur
auf den damals geltenden § 6 Absatz 1 Satz 1 BRKG verwiesen werde (vgl. BT-Drs. 12/3608, S. 82
f.) Dieser entspricht dem heutigen § 5 Absatz 1 BRKG.

Abschließend sei angemerkt, dass die gegen diesen Beschluss erhobene Verfassungsbeschwerde
vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen wurde (BVerfG, Beschluss
vom 28. September 2010 - 1 BvR 1484/10). Auch aus grundgesetzlicher Sicht bestehen gegen die
Regelungen damit keine Bedenken, so dass eine Änderung des § 60 SGB V insoweit nicht
angezeigt ist.

19.11.2013 Schreiben des Ausschussdienstes

Deutscher Bundestag
Referat Pet 2

Sehr geehrter Herr ...,

beigefügt übersende ich Ihnen eine weitere, zu Ihrer Eingabe an-
geforderte Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesund-
heit vom 06.11.2013 mit der Bitte um Kenntnisnahme.

Der Ausschussdienst des Petitionsausschusses, dem die Aus-
arbeitung von Vorschlagen für den Ausschuss obliegt, hat das
von Ihnen vorgetragene Anliegen erneut geprüft und in diese
Prüfung die beigefügte Stellungnahme einbezogen.

Auch nach erneuter Prüfung aller Gesichtspunkte kommt der
Ausschussdienst zu dem Ergebnis, dass Ihre Petition nicht den
gewünschten Erfolg haben wird. Diese Auffassung stützt sich
insbesondere auf die in der Stellungnahme des Fachministe-
riums schlüssig dargelegte Begründung, weshalb eine Gesetzes-
änderung im Sinne Ihres Anliegens nicht in Aussicht gestellt
werden kann.

Einwendungen gegen diese Bewertung können Sie innerhalb von
sechs Wochen mitteilen. Nach Ablauf dieser Zeit wird den Abge-
ordneten des Petitionsausschusses vorgeschlagen, das Petitions-
verfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen
werden kann. Folgen der Ausschuss und das Plenum des Deut-
schen Bundestages diesem Vorschlag, erhalten Sie keinen weite-
ren Bescheid.

03.12.2013 Stellungnahme zum Schreiben des Bundesministerium für Gesundheit vom 06.11.2013

Sehr geehrte Damen und Herren,

zu Ihrem oben genannten Schreiben beziehungsweise dem mit diesem übersandten Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 06.11.2013 erhebe ich folgende Einwendungen:

Zunächst ist erneut klarzustellen, dass der Petent keine Gesetzesänderung fordert. Er fordert weder eine Änderung des Bundesreisekostengesetzes noch des § 60 oder 92 SGB V. Er fordert auch keine Änderung der untergesetzlichen Krankentransport-Richtlinen. Vielmehr fordert er, dass klargestellt wird, dass wieder verstärkt auf den Wortlaut abzustellen ist, insbesondere, dass zu berücksichtigen ist, dass die Norm auf den „Höchstbetrag für Wegstreckenentschädigung“ verweist, nicht etwa auf den „Betrag für Wegstreckenentschädigung“ oder den „Betrag für Wegstreckenentschädigung ausschließlich nach § 5 Abs. 1 BRKG“.

Im Einzelnen nimmt der Petent zum Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit wie folgt Stelllung:

Das Bundesministerium für Gesundheit behauptet

Der Petent fordert, die Wegstreckenentschädigung für die Nutzung eines privaten PKW für Fahrten zu ambulanten Behandlungen von 20 auf 30 Eurocent zu erhöhen.

Dies ist nur teilweise zutreffend. Würde dem Begehren des Petenten entsprochen, würde dies nicht zu einer Verpflichtung der Krankenkassen führen, in jedem Fall, in dem ein privates Kraftfahrzeug benutzt wird, eine Kilometerpauschale von 30 Cent zu erstatten. Dies ist nämlich nicht der der Fall, wenn die Kosten, die bei Inanspruchnahme des erforderlichen Transportmittels entstanden wären, niedriger sind. Somit greift die Erstattungserhöhung höchstens dann, wenn ein privates Kraftfahrzeug oder ein noch teureres Transportmittel erforderlich ist. Dies ergibt sich direkt aus § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V, der durch die Petition unangetastet bleibt.

Das Bundesministerium für Gesundheit führt weiter aus

Die vom Petenten angesprochene Höhe der Erstattungsbeträge im Falle der Benutzung eines privaten Fahrzeugs bemisst sich nach § 60 Absatz 3 Nr. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Hierin erfolgt eine Anknüpfung an das Bundesreisekostengesetz (BRKG).

Dies ist zutreffend und zwar erfolgt die Anknüpfung ausdrücklich per Verweis auf den „auf Grund des Bundesreisekostengesetzes festgesetzten Höchstbetrag“.

Das Bundesministerium für Gesundheit führt weiter aus

Der somit einschlägige § 5 Absatz 1 Satz 2 BRKG sieht eine Wegeentschädigung von 20 Eurocent je gefahrenem Kilometer vor.

Soweit das Bundesministerium für Gesundheit mit dem Bezug „somit“ auf den vorhergehenden Satz aussagen will, dass die Anknüpfung an das Bundesreisekostengesetz bereits begründet, dass nur § 5 Absatz 1 Satz 2 BRKG einschlägig sein könne, ist dies nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, weil der Wortlaut der Bezugnahme eben gerade nicht nur auf diesen Teil des Bundesreisekostengesetzes geht, sondern auf den „auf Grund des Bundesreisekostengesetzes festgesetzten Höchstbetrag“. Eine Einschränkung auf einzelne Paragraphen des Bundesreisekostengesetzes oder gar einzelne Absätze hierin als Grundlage zur Ermittlung des Höchstbetrags sieht der Wortlaut gerade nicht vor.

Soweit der Deutsche Bundestag sich dem Begehren des Petenten verweigern sollte, würde es dieser allerdings für sinnvoll halten, ersatzweise den Wortlaut des § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V dahingehend zu ändern, dass dieser zukünftig Bezug nimmt auf den „Betrag für Wegstreckenentschädigung ausschließlich nach § 5 Abs. 1 BRKG“. Damit wäre auch bei Ablehnung der Petition zumindest der Normenklarheit gedient.

Das Bundesministerium für Gesundheit führt weiter aus

Insbesondere ist nach derzeitiger Rechtslage der vom Petenten angesprochene Rückgriff auf § 5 Absatz 2 BRKG, der einen Erstattungsbetrag von 30 Eurocent je gefahrenem Kilometer vorsieht, nicht möglich. Dies stellte jüngst das Bundessozialgericht klar, das eine sich hiergegen wendende Revision nicht zur Entscheidung annahm (BSG, Beschluss vom 21. Mai 2010 – B 1 KR 6/10 BH). Darin bestätigte das Gericht explizit, dass es den Krankenkassen verwehrt ist, aus Billigkeitsgesichtspunkten im Einzelfall auf § 5 Absatz 2 BRKG zurückzugreifen.

Diese Darlegung ist im Ergebnis korrekt, wiewohl es sich bei dem bezeichneten Beschluss um die Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrags handelt, da diese Ablehnung wegen Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Beschwerde erfolgte. Es ergibt sich somit, dass es nicht etwa ohne Weiteres aus dem Wortlaut der einschlägigen Normen ersichtlich ist, dass nur 20 Cent erstattet werden, sondern dass dies maßgebend auf eine Entscheidung der Rechtsprechung zurückzuführen ist.

Dementsprechend begehrt der Petent auch keine Änderung einer gesetzlichen oder untergesetzlichen Norm, sondern eine Klarstellung durch den Deutschen Bundestag in seiner Rolle als Gesetzgeber, die die bisherige Auslegung der Normen durch das Bundessozialgericht unterbindet und die Auslegung stattdessen zurückführt zum Wortlaut der Normen.

Das Bundesministerium für Gesundheit führt weiter aus

Zur Begründung führte es aus, dass nach derzeitiger Rechtslage eine entsprechend enge Auslegung der Norm allgemein anerkannt sei.

Der Petent hat bereits in seiner Petition vom 04.07.2013 ab Seite 4, Zeile 1 Stellung zu den Ausführungen des Bundessozialgerichts genommen. Leider geht das Bundesministerium für Gesundheit auf diese Darlegungen nicht ein.

Damit, dass das Bundesministerium für Gesundheit ausführt, das Bundessozialgericht sei der Ansicht, dass die „Auslegung der Norm allgemein anerkannt“ sei, stellt es vermutlich auf die Ausführung des Gerichts ab, dass eine Revisionszulassung auch bei Nichtvorliegen höchstrichterlicher Rechtsprechung ausscheide, wenn die Antwort auf die Rechtsfrage „so gut wie unbestritten ist“ oder „die Antwort von vorneherein praktisch außer Zweifel steht“. Zum ersten Nichtzulassungsgrund ist anzumerken, dass das Bundessozialgericht keinerlei Rechtsprechung anführt, die seine Auffassung bestätigt. Auch sonst ist dem Petenten keine Gerichtsentscheidung aus der Zeit vor dem 21.05.2010 bekannt außerhalb des durch B 1 KR 6/10 BH selbst bestimmten Instanzenzugs, die sich mit der Frage der Höhe der Kilometerpauschale nach § 60 SGB V befasst. Dass die Auffassung des Bundessozialgerichts „unbestritten“ ist, scheint demzufolge nicht etwa darauf zu beruhen, dass sich mit der Frage bereits eine Vielzahl von Gerichten befasst hat und diese im Wesentlichen zum selben Ergebnis wie das Bundessozialgericht gekommen wären, sondern darauf, dass es nie eine Befassung mit der Frage und somit nie eine Möglichkeit zum Bestreiten der vom Bundessozialgericht favorisierten Antwort gegeben hat. Es handelt sich somit mutmaßlich um eine einsame ad hoc Entscheidung des Bundessozialgerichts. Zum zweiten Nichtzulassungsgrund fehlt es an jeder Darlegung, warum eine Abweichung vom Wortlaut der Vorschrift hier nicht nur möglich, sondern sogar unausweichlich sein soll.

Das Bundesministerium für Gesundheit führt weiter aus

Zudem böten die insoweit maßgeblichen Gesetzgebungsmaterialien auch keinen Raum für eine anderweitige Interpretation der Vorschrift, da in diesen ebenfalls nur auf den damals geltenden § 6 Absatz 1 Satz 1 BRKG verwiesen werde (vgl. BT-Drs. 12/3608, S. 82 f.) Dieser entspricht dem heutigen § 5 Absatz 1 BRKG.

Zu den entsprechenden Ausführungen des Bundessozialgerichts hat der Petent bereits in seiner Petition vom 04.07.2013 ab Seite 5, Zeile 7 Stellung genommen. Leider geht das Bundesministerium für Gesundheit auf diese Darlegungen nicht ein. Es ist schlicht nicht ersichtlich, wie das Bundessozialgericht hier überhaupt argumentiert, da es nur unter Benennung der Bundesdrucksache eine Behauptung aufstellt, ohne dass ein argumentativer Zusammenhang zwischen der in Bezug genommenen Drucksache und der gezogenen Folgerung dargelegt oder erkennbar wäre. Es ist insbesondere nach wie vor nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Bezeichnung „Höchstbetrag“ gedankenlos verwandt hat oder dass er mit der Einführung einer Dynamisierung beabsichtigte die Fahrkostenpauschale in den Fällen, in denen ein privates Kraftfahrzeug erforderlich ist, zu reduzieren.

Das Bundesministerium für Gesundheit führt weiter aus

Abschließend sei angemerkt, dass die gegen diesen Beschluss erhobene Verfassungsbeschwerde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen wurde (BVerfG, Beschluss vom 28. September 2010 - 1 BvR 1484/10). Auch aus grundgesetzlicher Sicht bestehen gegen die Regelungen damit keine Bedenken, so dass eine Änderung des § 60 SGB V insoweit nicht angezeigt ist.

Das Bundesministerium für Gesundheit verkennt die Aussagekraft einer nicht zur Entscheidung angenommenen Verfassungsbeschwerde. Alleine dass eine gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichtete Verfassungsbeschwerde ohne Erfolg bleibt, belegt nicht, dass die dem Verfahren zugrundeliegenden Normen oder Rechtsauslegungen des Gerichts verfassungskonform wären. Verfassungsbeschwerden können aus vielfältige Gründen bis hin zu reinen Formalia wie beispielsweise nicht oder zu spät übersandter vollständiger Unterlagen, unvollständigen Vortrags oder Nichterschöpfung anderer Abhilfemöglichkeiten scheitern. Insoweit bedürfte es einer Darlegung durch das Bundesministerium für Gesundheit, warum vorliegend aus der Entscheidung 1 BvR 1484/10 folgt, dass die Regelung und ihre Auslegung keinen Verfassungsbedenken begegnen.

Im Übrigen ist es auch nicht notwendig, dass die Normen oder Rechtsauslegungen verfassungswidrig wären, damit dem Begehren des Petenten entsprochen werden kann, denn dem Deutschen Bundestag steht es zu, auch nicht verfassungswidrige Normen abzuändern und auch nicht verfassungswidrige Rechtsauslegungen der Gerichte für obsolet zu erklären. Letzteres begehrt der Petent. Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob zusätzlich aus „grundgesetzlicher Sicht“ Änderungsbedarf besteht.

In seinem Schreiben vom 19.11.2013 führt der Petitionsausschuss aus

Auch nach erneuter Prüfung aller Gesichtspunkte kommt der Ausschussdienst zu dem Ergebnis, dass Ihre Petition nicht den gewünschten Erfolg haben wird. Diese Auffassung stützt sich insbesondere auf die in der Stellungnahme des Fachministeriums schlüssig dargelegte Begründung, weshalb eine Gesetzesänderung im Sinne Ihres Anliegens nicht in Aussicht gestellt werden kann.

Dies greift jedoch ins Leere, denn der neuerlichen Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit ist keinerlei Empfehlung für das weitere Vorgehen zu entnehmen, insbesondere behauptet das Bundesministerium für Gesundheit nicht, der Petition könne oder solle nicht entsprochen werden. Das Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit gibt lediglich einen, im im oben dargelegten Umfang teilweise zutreffenden, teilweise unzutreffenden Kommentar zur Rechtslage ab, ohne eine ausdrückliche Empfehlung in die eine oder andere Richtung überhaupt auszusprechen, geschweige denn eine entsprechende Empfehlung zu begründen.

Zwar führt das Bundesministerium für Gesundheit aus

Insbesondere ist nach derzeitiger Rechtslage der vom Petenten angesprochene Rückgriff auf § 5 Absatz 2 BRKG, der einen Erstattungsbetrag von 30 Eurocent je gefahrenem Kilometer vorsieht, nicht möglich.

und dies wird vom Petenten auch nicht bestritten. Jedoch ist gerade dies der Anlass für die Petition. Wäre die derzeitige Rechtslage so, dass 30 Cent erstattet werden könnten, wäre die Petition in ihrer vorliegenden Form unnötig, da dann jeder betroffene Bürger durch Anrufung der Gerichte selbst auf Abhilfe dringen kann. Da dem jedoch nicht so ist, ist ein Wort des Gesetzgebers, welches die Rechtslage ändert, erforderlich. Der Petent ist der Auffassung, dass sein Vorschlag, insoweit er ohne eine Gesetzesänderung auskommt die mildeste und insoweit er die Normenklarheit wieder herstellt zugleich konsequenteste Variante darstellt, dem Missstand abzuhelfen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich die neuerliche Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit ausschließlich mit formellen Rechtsgründen beschäftigt, die darlegen, wie die derzeitige Lage ist. Rechtliche oder inhaltliche Gründe die gegen die Petition sprechen führt das Bundesministerium für Gesundheit nicht mehr an. Auch scheint es von seiner bisherigen Ansicht im Schreiben vom 30.08.2013, Seite 3 abgerückt zu seine, dass die derzeit gewährte Pauschale kostendeckend sei, da es auf die vom Petenten aufgezeigte Fehlerhaftigkeit dieser Auffassung nicht weiter eingeht. Es führt jedoch nicht aus, ob und gegebenenfalls warum es diesen Zustand für hinnehmbar hält oder wie seiner Ansicht nach diesem abgeholfen werden könnte.

Das Bundesministerium für Gesundheit geht nicht auf die inhaltliche Darlegung des Petenten ein, dass und warum die begehrte Klarstellung aus rechts- wie sozialstaatlichen Gründen wünschenswert ist. Da sich somit auch unter Berücksichtigung der zweiten Stellungnahme keine nachvollziehbaren Gründe ergeben, warum die Petition, so sie sach- und rechtsfehlerfrei bewertet wird, aussichtslos wäre, hält der Petent sie aufrecht und bittet, sie nochmals zu überdenken. Er bittet eine Abschrift dieses Schreibens dem Bundesministerium für Gesundheit zu übersenden und diesem die Gelegenheit zu weiterer Stellungnahme zu geben. Da das Bundesministerium für Gesundheit mit seiner Wiedergabe des Beschlusses B 1 KR 6/10 BH des Bundessozialgerichts vom 21.05.2010 möglicherweise beabsichtigt, sich inhaltlich auf diesen zu stützen, sowie aufgrund der dargelegten Unklarheiten in der Begründung dieses Beschlusses, bittet der Petent, dem Bundessozialgericht eine Abschrift der Petitionsakte zu übersenden und diesem die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Er bittet um Mitteilung der Entscheidung des Petitionsausschusses.

25.09.2014 Beschlussempfehlung

- 144 -

Gesetzliche Krankenversicherung

— Leistungen —

Beschlussempfehlung

Das Petitionsverfahren abzuschließen

Begründung

Der Petent fordert eine Klarstellung, wonach für Krankenfahrten die höchste im Bun-
desreisekostengesetz genannte Kilometerpauschale maßgebend ist.

Die Petition betrifft die Wegstreckenentschädigung für die Nutzung eines privaten
Pkw für Fahrten zu ambulanten Behandlungen, die von 20 auf 30 Eurocent zu erhö-
hen sei.

Zu den Einzelheiten des Vortrags des Petenten wird auf die von ihm eingereichten
Unterlagen verwiesen.

Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung stellt sich auf der Grundlage von Stel-
lungnahmen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) wie folgt dar:

Der Petitionsausschuss weist auf die ausführliche erläuternde Stellungnahme des
BMG vom 30.08.2013 hin, welche er inhaltlich unterstützt. Sie ist dem Petenten be-
reits im Rahmen des Petitionsverfahrens übersandt worden. Zur Vermeidung von
Wiederholungen verweist der Petitionsausschuss auf diese Ausführungen.

Mit ergänzendem Vortrag verfolgt der Petent sein Anliegen weiter. Der Petitions-
ausschuss verweist insoweit auf die dem Petenten übersandte zweite Stellungnahme
des BMG vom 06.11.2013, die der Petitionsausschuss inhaltlich unterstützt.

Im Übrigen weist der Petitionsausschuss auf Folgendes hin:

§ 60 (Fahrkosten) Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V bestimmt, die
Krankenkasse übernimmt nach den Absätzen 2 und 3 die Kosten für Fahrten ein-
schließlich der Transporte nach § 133 (Fahrkosten), wenn sie im Zusammenhang mit
einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig
sind. Welches Fahrzeug benutzt werden kann, richtet sich nach der medizinischen
Notwendigkeit im Einzelfall. Die Krankenkasse übernimmt Fahrkosten. zu einer am-
bulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrages
nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemein-
same Bundesausschuss in den Richtlinien festgelegt.hat.

Nach § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V werden als Fahrkosten anerkannt bei Benutzung ei-
nes privaten Kraftfahrzeugs für jeden gefahrenen Kilometer der jeweils aufgrund des
Bundesreisekostengesetzes festgesetzte Höchstbeitrag für Wegstrecken-
entschädigung, höchstens jedoch die Kosten, die bei Inanspruchnahme des nach Nr.
1 bis 3 erforderlichen Transportmittels entstanden wären.

Der Petitionsausschuss verweist insoweit wie bereits das BMG auf den Beschluss
des Bundessozialgerichts vom 21.05.2010, B 1 KR 6/10 BH, nach dem die "Ver-
weisungsregelung in § 60 Abs. 3 Nr. 4 SGB V hinsichtlich der Höhe der Weg-
streckenentschädigung bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für den Aus-
nahmefall des § 5 Abs.2 Satz 2 Bundesreisekostengesetz bezüglich erhöhter Weg-
streckenentschädigung, sofern ein erhebliches dienstliches Interesse an der Benutz-
ungleines Kraftwagens besteht, keinen Anwendungsraum bietet."

Eine erhöhte Wegstreckenentschädigung von 30 Cent je Kilometer, wie mit der Peti-
tion gefordert, kommt daher nach der ausdrücklichen Entscheidung des BSG nicht in
Betracht.

Die gegen diesen Beschluss erhobene Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundes-
verfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom
28.09.2010 - 1 BvR 1484/10).

Das BSG bestätigte damit die Vorinstanz (Bayerisches Landessozialgericht), die in
ihrem Urteil (17.11.2009, L 5 KR 187/08) ausführte: "Schließlich kann der Kläger kei-
ne höhere als die Fahrtkostenpauschale von 20 Cent pro gefahrenen Kilometer wie
von der Beklagten erstattet erhalten. Dieses ist gemäß § 5 Bundesreisekostengesetz
der regelmäßige Erstattungsbetrag, auf welchen § 60 Abs. 3 SGB V Bezug nimmt.
Der höhere Erstattungsbetrag von 30 Cent ist für die Regelungen des SGB V nicht
zugänglich, weil sich dieser ausschließlich auf dienstliche Erfordernisse bezieht, die
nur mit Besonderheiten des Reisekostenrechtes des öffentlichen Dienstes zu be-
gründen sind"...

Für diese Auslegung spricht im Übrigen bereits der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 2
Bundesreisekostengesetz, wonach das erhebliche dienstliche Interesse vor Antritt
der Dienstreise in der Anordnung oder Genehmigung schriftlich oder elektronisch
festgestellt werden muss.

Vor dem Hintergrund des Dargelegten vermag der Petitionsausschuss ein weiteres
Tätigwerden nicht in Aussicht zu stellen und empfiehlt daher, das Petitionsverfahren
abzuschließen.

Anfrage vom 09.10.2014

... ich danke für die Übersendung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses zur oben genannten Petition. Interessant ist für mich vor allem, dass darin ein weiteres Argument aufgeführt wird, welches mir bislang nicht bekannt war. Nämlich heißt es im vorletzten Absatz der Beschlussempfehlung

Für diese Auslegung spricht im Übrigen bereits der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 2 Bundesreisekostengesetz, wonach das erhebliche dienstliche Interesse vor Antritt der Dienstreise in der Anordnung oder Genehmigung schriftlich oder elektronisch festgestellt werden muss.

Ich wäre daher an weiteren Informationen hierzu interessiert und bitte daher gemäß § 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (IFG) um Aktenauskunft zu allen Unterlagen, Stellungnahmen, Protokollen, Akten des Ausschussdienstes und dergleichen die bei der Erstellungen der Beschlussempfehlung herangezogen wurden oder diese in sonstiger Weise betreffen, soweit mir diese noch nicht bekannt sind und soweit die Auskunft nicht gesetzlich ausgeschlossen ist. Es handelt sich meines Erachtens um eine einfache Auskunft für welche somit nach § 10 IFG keine Gebühren anfallen sollten. Sollte die Auskunft Ihrer Meinung nach gebührenpflichtig sein, bitte ich, mir dies vorab mitzuteilen und dabei die Höhe der Kosten anzugeben. Natürlich sind mir auch Erläuterungen außerhalb der förmlichen Akteneinsicht willkommen, falls der Petitionsausschuss oder ein Mitarbeiter oder Mitglied desselben von sich aus solche abzugeben wünscht.

Um Missverständnissen vorzubeugen erlaube ich mir, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass mir bekannt ist, dass das Petitionsverfahren abgeschlossen ist; die Nachfrage ist kein Teil des Petitionsverfahrens und dient nur meiner sonstigen Information. Das Aktenzeichen der erledigten Petition habe ich angegeben, um Ihnen die Zuordnung des Vorgangs zu erleichtern.

Bescheid vom 06.11.2014
Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG)

Sehr geehrter Herr ...,

mit Ihrem an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages
adressierten Schreiben vom 9. Oktober 2014 baten Sie unter Be—
zugnahme auf das IFG um weitere Ausführungen hinsichtlich
des vorletzten Satzes des Ihnen übersandten Beschlusses des
Deutschen Bundestages vom 25. September 2014. Sie beantragten
in diesem Zusammenhang den Zugang zu den Petitionsakten
Ihrer Petition (Pet 2-17-15-8271-052556), insbesondere zu allen
Unterlagen, Stellungnahmen, Protokollen und Akten des Aus-
schussdienstes.

Ihrem Antrag kann auf Grundlage des IFG nicht entsprochen
werden.

Begründung:

Das IFG ist auf die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deut-
schen Bundestages nicht anwendbar.

Der Deutsche Bundestag ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG zur Ge—
währung des Zugangs zu amtlichen Informationen verpflichtet,
soweit er Öffentlich—rechtliche Verwaltungsaufgaben wahr—
nimmt. Nach der Gesetzesbegründung bleibt der spezifische Be-
reich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten von
der Anwendung des IFG ausgenommen (vgl. Rossi, IFG-Kom—
mentar, 5 1 Rn. 33 ff). Hierzu gehört insbesondere auch der Be-
reich der Petitionen (vgl. Bundestags—Drucksache 15/4493, S. 8).

Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages handelt auf—
grund der Regelungen der Art. 17 und 45 c Grundgesetz (GG). Er
erfüllt dabei keine öffentlich-rechtlichen Verwaltungsaufgaben,
sondern Aufgaben, die er als Teil des Verfassungsorgans Deut—
scher Bundestag wahrzunehmen hat. Dabei überprüft der Petiti—

Seite 2

onsausschuss aufgrund der verfassungsrechtlichen Regelungen
die Tätigkeit der Verwaltung.

Bei der Tätigkeit des Petitionsausschusses handelt es sich somit
um die Wahrnehmung verfassungsrechtlicher Aufgaben. Dies
wurde von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bestä-
tigt (vgl. zuletzt VG Berlin, Urteil vom 24. April 2013,
Az.: 2 K 63.12). Auch die Bundesbeauftragte für den Datenschutz
und die Informationsfreiheit (BfDI) vertritt unter Punkt 5.1.4 des
Tätigkeitsberichts zur Informationsfreiheit für die Iahre 2010 und
2011 diese Auffassung (vgl. Bundestags-Drucksache 17/9100,
S. 46).

Sie haben daher gegenüber dem Petitionsausschuss des Deut—
schen Bundestages gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG keinen Anspruch
auf Zugang zu den von Ihnen begehrten Unterlagen.

Bundestags-Drucksache 18/4990 vom 09.06.2015, Seiten 70 und 71

2.12.4 Wegstreckenentschädigung für Pkw-Fahrten zu ambulanten Behandlungen
Mit dieser Petition wurde gefordert, die Wegstreckenentschädigung für die Nutzung eines privaten Pkw für
Fahrten zu ambulanten Behandlungen von 20 auf 30 Cent zu erhöhen.
Der Petitionsausschuss verwies auf die Regelung zu den Fahrkosten in § 60 Absatz 1 des Fünften Buches
Sozialgesetzbuch (SGB V). Dieser bestimmt, dass die Krankenkasse nach den Absätzen 2 und 3 die Kosten für
Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 SGB V übernimmt, wenn die Fahrten im Zusammenhang mit
einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. Welches Fahrzeug
benutzt werden kann, richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall. Die Krankenkasse
übernimmt Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung nur in besonderen Ausnahmefällen, die der
Gemeinsame Bundesausschuss in
seinen Richtlinien festgelegt hat. Für die Übernahme der Fahrkosten ist eine
vorherige Genehmigung erforderlich. Von den Fahrkosten abgezogen wird der zuzahlungsbetrag nach § 61
Satz 1 SGB V. Bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs wird nach der Regelung zu den Fahrkosten in § 60
Absatz 3 Nummer 4 SGB V für jeden gefahrenen Kilometer der jeweils aufgrund des Bundesreisekosten-
gesetzes festgesetzte Höchstbeitrag für Wegstreckenentschädigung anerkannt, es werden jedoch höchstens die
Kosten anerkannt, die bei Inanspruchnahme des nach § 60 Absatz 3 Nummer 1 bis 3 SGB V erforderlichen
Transportmittels entstanden wären.

Der Petitionsausschuss verwies wie bereits das BMG auf den Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom
21. Mai 2010, B 1 KR 6/10 BH, nach dem die „Verweisungsregelung in § 60 Absatz 3 Nummer 4 SGB V
hinsichtlich der Höhe der Wegstreckenentschädigung bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für den
Ausnahmefall des § 5 Absatz 2 Satz 2 Bundesreisekostengesetz bezüglich erhöhter Wegstreckenentschädigung,
sofern ein erhebliches dienstliches Interesse an der Benutzung eines Kraftwagens besteht, keinen
Anwendungsraum bietet."
Die in der Petition geforderte erhöhte Wegstreckenentschädigung von 30 Cent je Kilometer kommt daher nach
der ausdrücklichen Entscheidung des BSG nicht in Betracht. Die gegen diesen Beschluss erhobene
Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen
(Beschluss vom 28. September 2010 - 1 BvR 1484/10).
Das BSG bestätigte damit die Vorinstanz (Bayerisches Landessozialgericht), die in ihrem Urteil (17. November
2009 - L 5 KR 187/08) ausführte: „Schließlich kann der Kläger keine höhere als die Fahrtkostenpauschale von
20 Cent pro gefahrenen Kilometer wie von der Beklagten erstattet erhalten. Dieses ist gemäß § 5 Bundes-
reisekostengesetz der regelmäßige Erstattungsbetrag, auf welchen § 60 Absatz 3 SGB V Bezug nimmt. Der
höhere Erstattungsbetrag von 30 Cent ist für die Regelungen des SGB V nicht zugänglich, weil sich dieser
ausschließlich auf dienstliche Erfordernisse bezieht, die nur mit Besonderheiten des Reisekostenrechtes des
öffentlichen Dienstes zu begründen sind..."
Für diese Auslegung spricht im Übrigen bereits der Wortlaut des § 5 Absatz 2 Satz 2 des Bundesreise-
kostengesetzes, wonach das erhebliche dienstliche Interesse vor Antritt der Dienstreise in der Anordnung oder
Genehmigung schriftlich oder elektronisch festgestellt werden muss.
Vor dem Hintergrund des Dargelegten empfahl der Petitionsausschuss, das Petitionsverfahren abzuschließen,
weil dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.

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Mittwoch, 20. Mai 2015
Vergabepraxis von Betreuungsplätzen in Einrichtungen freier Träger
Gekürzte Chronologie
der Petition Pet 3-18-17-2165-18257
Vergabepraxis von Betreuungsplätzen in Einrichtungen freier Träger

20.03.2015 Kurzfassung der Petition

Petition 58089 an den Deutschen Bundestag (mit der Bitte um Veröffentlichung) vom 20.03.2015

Kinder- und Jugendhilfe - Vergabepraxis von Betreuungsplätzen in Einrichtungen freier Träger

Wortlaut der Petition

Der Deutsche Bundestag möge, gegebenenfalls durch eine Gesetzesänderung, wirksame Vorkehr treffen, dass
es bei der Vergabe von Betreuungsplätzen in Einrichtungen jeglicher Träger, insbesondere auch jeglicher
freier Träger nicht zu Diskriminierungen, insbesondere nicht aufgrund rein glaubensbasierter Vorgaben
kommt. Die Begründung nimmt Bezug auf die Sachverhaltsdarstellung in der Petition 45587 „Kinder- und
Jugendhilfe - Vergabepraxis von Betreuungsplätzen in konfessionellen Einrichtungen".


Begründung

Eine betroffene Mutter legte dar, dass ihr in KITAs freier, in ihrem konkreten Fall konfessioneller Träger,
gesagt wurde, dass ihre Kinder keine Chance auf Plätze hätten, da sie nicht getauft sind. Sie führte weitere,
gleichartige Erfahrungen von Personen aus ihrem Umfeld an. Mit der genannten Petition hatte die Petentin
beantragt, der Deutsche Bundestag möge die Rolle der Konfession bei der Vergabepraxis von
Betreuungsplätzen in konfessionellen Einrichtungen überprüfen.

Der Deutsche Bundestag hat beschlossen, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht
entsprochen werden könne. Zur Begründung hat der Petitionsausschuss im Wesentlichen ausgeführt, dass sich
die Petentin auf konfessionelle Träger bezieht, der Petitionsausschuss aber eine Einschränkung der
Trägerautonomie nur für diese nicht unterstütze. Obwohl die Petentin nicht ausdrücklich verlangt hatte, dass
die Regelungen für andere Träger unangetastet bleiben, sondern diese nur nicht ausdrücklich für auch möglich
erklärte, hat der Petitionsausschuss das Anliegen implizit so interpretiert als wäre eine Sondereinschränkung
nur für konfessionelle Träger begehrt. Bei dieser Interpretation ist die ablehnende Haltung nicht
verwunderlich.

Durch die Nichtweiterbefassung verbleibt es jedoch beim von der Petentin bemängelten Zustand, dass Kinder
aufgrund einer an ihnen vollzogenen reinen Kulthandlung beziehungsweise des Fehlens einer solchen, bei der
Vergabe von regelmäßig in erheblichem Umfang öffentlich finanziell geförderten Betreuungsplätzen
systematisch benachteiligt werden. Das trifft für konfessionelle Einrichtungen sicher zu und mag in ähnlicher
Weise auch für andere freie Träger zutreffen. Der jetzige Petent hält diesen Zustand für nicht erstrebenswert
und im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gebotene Gleichbehandlung für bedenklich und zwar
unabhängig davon bei welchen freien Trägern solche Benachteiligungen auftreten mögen. Die Erfüllung des
Anspruchs nach § 24 SGB VIII ist staatlicherseits zu garantieren, sie muss daher zwingend
diskriminierungsfrei sein, auch wenn sich der Staat – was ihm ja freisteht – freier Träger als Gehilfen bedient.
Der Petent macht sich daher das Begehren der Petentin zu eigen, indes mit der wesentlichen Modifikation,
dass er ausdrücklich fordert sämtliche freien Träger gleichermaßen zu verpflichten.

Anregungen für die Forendiskussion

Für Ansätze, welche Normen sinnvollerweise angepasst werden könnten, verweist der Petent auf die bereits
abgeschlossene Petition, hebt allerdings ausdrücklich hervor, dass dies nicht von vorneherein andere oder
weitere Anpassungen ausschließen soll, wenn diese im Hinblick auf die formulierten Ziele zweckmäßig
erscheinen. Insbesondere schließt der Petent auch weitere Folgeänderungen des SGB VIII oder anderer
Normengefüge ausdrücklich nicht von vornherein aus, soweit solche erforderlich sein sollten.

Als konkrete Möglichkeit käme etwa eine Verankerung im SGB VIII, Zweites Kapitel, Zweiter Abschnitt und
Drittes Kapitel, Zweiter Abschnitt in Frage, die die Zulassung der Träger und deren (Teil-)Finanzierung aus
öffentlichen Mitteln an eine entsprechende Selbstverpflichtungserklärung bindet, deren Einlösung kontrolliert
und Verletzung sanktioniert wird und ein Diskriminierungsverbot, das notfalls von Betroffenen mit
Rechtsmitteln durchsetzbar ist.

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Beglaubigte Abschrift S 9 SO 5/15 SOZIALGERICHT REGENSBURG In dem Rechtsstreit — Kläger - Proz.-Bev.: gegen —...
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