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Dienstag, 12. Mai 2015
SG MD, S 7 KR 212/08 ER vom 15.12.2008, Sozialgericht Magdeburg
SG MD Beschluss -15.12.2008-S 7 KR 212/08 ER 1/2

Sozialgericht Magdeburg

Beschluss (rechtskräftig)

Sozialgericht Magdeburg S 7 KR 212/08 ER

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 10. Juli 2008 wird zurückgewiesen. Die
außergerichtlichen Kosten des Antragstellers sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob die Antragsgegnerin verpflichtet ist, die Kosten für die Besuchsfahrten des Antragstellers zu seiner
Ehefrau nach B. zu übernehmen.

Die Ehefrau des Antragstellers war seit dem 20. März 2007 bis zum 26. Dezember 2007 im Deutschen
Herzzentrum B. in stationärer Behandlung. Am 20. März 2007 ist sie mit einem Kunstherz versorgt worden. Seit
dem 26. Dezember 2007 war sie in stationärer Behandlung im Paulinen-Krankenhaus in B. . Am 23. Juli 2008 ist
die Ehefrau des Antragstellers verstorben.

Mit Bescheid vom 25. Mai 2007 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller daraufhin, dass Besuchsfahrten von
Angehörigen nicht durch die Krankenkasse zu finanzieren seien. In diesem Bescheid und den nachfolgenden
Bescheiden hat die Antragsgegnerin im Rahmen von Einzelfallentscheidungen Fahrtkosten des Antragstellers
übernommen, maximal für 2 Fahrten pro Woche. Mit Bescheid vom 21. September 2007 teilte die Antragsgegnerin
dem Antragsteller mit, dass sie Fahrtkosten noch bis zum 31. Oktober 2007 übernehmen werde, darüber hinaus
jedoch nicht mehr. Auf den Widerspruch des Antragstellers hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 31. Januar
2008 weitere Fahrtkosten bis zum 26. Dezember 2007 für maximal 2 Fahrten pro Woche übernommen. Den
weitergehenden Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 09. Juni 2008 zurück. Zur
Begründung gab sie u. a. an, eine Kostenübernahme für die beantragten Besuchsfahrten sei aufgrund der
gesetzlichen Möglichkeiten in § 60 SGB V nicht vorgesehen. Seit dem 01. Januar 1989 habe der Gesetzgeber den
gesetzlichen Krankenkassen die Möglichkeit genommen, Kosten für Besuchfahrten bei stationärer Behandlung von
Angehörigen zu übernehmen.

Hiergegen hat der Antragsteller am 10. Juli 2008 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben, welche unter dem
Az.: S 7 KR 208/08 geführt wird. Ferner hat er am 10. Juli 2008 den vorliegenden Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung gestellt. Der Antragsteller vertritt die Auffassung, er habe Anspruch auf Erstattung der
Kosten für Besuchsfahrten zum Krankenhaus, da es sich hierbei um notwendige Behandlungskosten handele.
Ausweislich des letzten ärztlichen Attestes des Paulinen-Krankenhauses vom 20. Juni 2008 sei das Begleiten der
Patientin von einem Familienangehörigen zur Stabilisierung ihres psychischen Zustandes medizinisch indiziert.

Der Antragsteller beantragt nach seinem Vorbringen sinngemäß -,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu ver-pflichten, weiterhin die dem Antragsteller
entstehenden Kosten für 2 Besuchsfahrten pro Woche zum jeweiligen stationären Benand-lungsort der Ehefrau
des Antragstellers zu bezahlen, längstens bis zum Ab-schluss ihrer stationären Behandlung.

Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzuweisen.

Nach ihrer Auffassung liegt weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund vor. Rechtsgrundlage für
die Kostenübernahme von Fahrtkosten bilde § 60 SGB V. Im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse
würden insbesondere Aufwendungen stehen, mit denen der Zweck verfolgt wird, Erkrankte an den Ort zu
transportieren, an dem die Leistung bestimmungsgemäß zu erbringen ist.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von ihnen eingereichten Schriftsätze Bezug
genommen. Die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin haben vorgelegen und sind
Gegenstand dieser Entscheidung gewesen. Auch auf ihren Inhalt wird verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag ist nicht begründet.

Nach § 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine
einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine
Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder .
W wesentlich erschwert werden könnte. Soweit ein Fall des Absatzes nicht vorliegt sind einstweilige Anordnungen

SG MD Beschluss - 15.12.2008 - S 7 KR 212/08 ER 2/2

auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine
solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Hierfür muss der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund haben.
Anordnungsanspruch ist der materiell-rechtliche Anspruch auf die begehrte Leistung, dessen Bestehen von der
Gegenseite bestritten oder nicht erfüllt wird. Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn ohne eine Entscheidung im
vorläufigen Rechtsschutz dem Antragsteller schwere und unzumutbare, anders nicht anwendbare Nachteile
entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre
(Beschluss des Bundesverfassungsgericht vom 19.10.1977 2 BvR 42/76-‚ zuletzt Beschluss vom 12.05.2005
1 BvR 569/05-).

Der Antragsteller hat den geltend gemachten Anspruch nicht glaubhaft gemacht. Eine Tatsache ist glaubhaft
gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordert, dass
mehr für als dagegen spricht (Keller in Mayer-Ladewig u.a., Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, § 86 b Rd. Nr.
16 b).

Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Übernahme von Fahrtkosten für die Besuche bei seiner Ehefrau. Nach §
60 SGB V sind die Fahrtkosten eines Versicherten für seine eigene stationäre oder ambulante Behandlung zu
übernehmen. Die Übernahme von Fahrtkosten zum Besuch eines erkrankten Versicherten sieht § 60 SGB V nicht
vor. Eine andere Rechtsgrundlage für die Übernahme von Kosten für Besuchsfahrten besteht im Bereich der
gesetzlichen Krankenversicherung nicht. Die Antragsgegnerin hätte daher bereits die Fahrtkosten bis zum 26.
Dezember 2007 nicht übernehmen dürfen.

Dem Antrag konnte daher nicht stattgegeben werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.

Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes hat das Sozialgericht Magdeburg nur über die Kosten zu
entscheiden, die seit dem Eingang des Antrages vom 10. Juli 2008 beim Sozialgericht Magdeburg, also ab dem 10.
Juli 2008 entstanden sind. Nach den vorliegenden Bestätigungen des Paulinen-Krankenhauses hat der
Antragsteller seine Ehefrau in der Zeit vom 17. Juli 2008 bis zum 19. Juli 2008 täglich besucht sowie am 23. Juli
2008. Es handelt sich somit um Besuchsfahrten für zwei Wochen, wobei in der zweiten Woche nur eine
Besuchsfahrt angefallen ist. Seitdem 10. Juli 2008 sind somit 3 Besuchsfahrten angefallen. Der Antragsteller hatte
in seiner Aufstellung der Fahrt- und Übernachtungskosten vom 11. Juli 2007 pro Fahrstrecke 45,00 EUR an
Fahrtkosten angegeben, so dass für die Hin- und Rückfahrt 90,00 EUR und für drei Besuchstage somit insgesamt
270,00 EUR an Fahrtkosten anzusetzen sind. Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ist die Beschwerde ausgeschlossen in
Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Nach §
144 Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Berufung nicht zulässig in Verfahren mit einem Beschwerdewert von weniger als
750,00 EUR. Da der Beschwerdewert von 750,00 EUR nicht erreicht wird, ist die Beschwerde gegen diesen
Beschluss ausgeschlossen.

A. Richter am Sozialgericht

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SG MD, S 19 AS 3294/13 RG vom 25.10.2013, Sozialgericht Magdeburg
Sozialgericht Magdeburg
S 19 AS 3294/13 RG

Aktenzeichen

BESCHLUSS

in dem Rechtsstreit

- Antragsteller —-
gegen

Kommunale Beschäftigungsagentur Jobcenter Landkreis H.‚
— Antragsgegnerin —

hat die 19. Kammer des Sozialgerichts Magdeburg am 25. Oktober 2013 durch die Vorsit—
zende Richterin Dr. B. beschlossen:

Die Gegenvorstellung gegen den Beschluss vom 16. September 2013 wird als unzulässig
zurückgewiesen.

Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Gründe:

l.

Die erkennende Kammer lehnte in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unter
dem Aktenzeichen S 19 AS 2594/13 ER den Antrag des Antragstellers auf Übernahme von
„Dokumentenkosten“ für die Erstellung eines Personalausweises insbesondere die Kosten
für Passbilder sowie die Kosten i.V.m. dem Behandlungsschein bei fehlender Gesundheits—
karte der Krankenkasse ab.

Am 23 September 2013 hat der Antragssteller „Gegenvorstellung zum nicht anfechtbaren
Beschluss“ beim Sozialgericht Magdeburg eingereichte Er hat dabei die fehlende Bezifferung
der untersten Grenze des soziokulturellen Existenzminimums und dessen Nichtgewährleis—
tung gerügt. Dies widerspreche der Garantie nach Art. 1, 3, 20 Grundgesetz (GG).

Der Antragsteller beantragt wörtlich,

1. Eine Bezifferung der untersten Grenze des mSKEM (soziokulturellen Existenzminimums
nach der Definition: 1 BvL 1/09 vom 9.2.2010 u.a.) erfolgte bisher nicht, es ist daher eine
Bezifferung vorzunehmen.

2. Die Anwendung einer Bagatellgrenze selbst ist system-, verfassungswidrig und führt
regelmäßig zu einer fortlaufenden kumulativen Unterdeckung und ist daher als rechtswidrig.

3. Eine Verweisung ist unzulässig (SGB II —- Verweisung auf nicht systematische Ansparbe—
trag).

Anonymisierte Fassung

4. Eine Folgenabwägung ist nicht erkennbar. der iandkreiseigene Regelbetrag entspricht
nicht dem bundesdeutschen Regelbetrag und ist daher als rechtswidrig einzustufen.

Die Antragsgegnerin stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten im anhängigen
Verfahren der Gegenvorstellung sowie im Verfahren S 19 AS 2594/13 ER verwiesen.

II.

Die Gegenvorstellung des Antragstellers wird als unzulässig zurückgewiesen.

Offen kann bleiben, ob nach der Einführung des Rechtsbehelfs der Anhörungsrüge eine
Gegenvorstellung weiterhin grundsätzlich statthaft ist (so Bundessozialgericht ‚
Beschluss vom 19. Januar 2010 —-— B 11 AL 13/09 C juris). Ihre Zulässigkeit setzt die Rüge
groben prozessuales Unrechts voraus. Insbesondere durch eine Verletzung von Verfahrens-
grundrechten, das im Wege der richterlichen Selbstkontrolle beseitigt werden muss (BSG,
Beschluss vorn 29. Dezember 2005, B 7a AL 2921/05 B, juris).

Die gerügte unterbliebene Feststellung des soziokulturellen Existenzminimums, die gerügte
Anwendung eines Bagatellbetrags. die gerügte Verweisung auf Ansparbeträge sowie die
gerügte fehlende Folgenabwägung bei bestehender Rechtswidrigkeit des .‚landkreiseigenem
Regelbetrags“ stellt keinen Widerspruch zum Prozessrecht oder eine Verletzung der Verfah-
rensgrundrechte des Antragstellers dar. Der Einwand betrifft allein die Wertung der Kammer
hinsichtlich der entscheidungsrelevanten Tatsachen und Rechtsfragen. Die Gegenvorstel-
lung ist kein prozessuales Mittel, um einen rechtskräftig beendeten Streit fortzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

 

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SG MD, S 19 AS 3265/13 RG vom 25.10.2013, Sozialgericht Magdeburg
Sozialgericht Magdeburg
S 19 AS 3265/13 RG

Aktenzeichen

BESCHLUSS

in dem Rechtsstreit

—— Antragsteller ——
gegen

Kommunale Beschäftigungsagentur Jobcenter Landkreis H.
— Antragsgegnerin --

hat. die 19 Kammer des Sozialgerichts Magdeburg am 25. Oktober 2013 durch die Vorsit-
zende Richterin Dr. B. beschlossen:

Die Gegenvorstellung gegen den Beschluss vom 20. September 2013 wird als unzulässig
zurückgewiesen

Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Gründe:

l.

Die erkennende Kammer lehnte in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unter
dem Aktenzeichen S 19 AS 2665/13 ER den Antrag des Antragstellers auf Auszahlung
bisher aufgelaufener Kosten bisheriger Meldeaufforderungen und aus dem Vermittlungsbud—
get, Kosten einer Meldeaufforderungen vom 22. August 2013 ab. Ebenfalls lehnte die
erkennende Kammer die Hilfsanträge auf Klärung der zukünftigen Kostenvorschüsse, die
Auszahlung eines Mehrbedarfs sowie die Aussetzung auf Aussetzung des Meldetermins ab.

Am 27. September 2013 hat der Antragssteller „Gegenvorstellung zum nicht anfechtbaren
Beschluss“ beim Sozialgericht Magdeburg eingereicht, Er hat dabei die fehlende Bezifferung
der untersten Grenze des soziokulturellen Existenzminimums und dessen Nichtgewährleis—
tung gerügt. Dies widerspreche der Garantie nach Art. 1, 3, 20 Grundgesetz (GG).

Der Antragsteller beantragt wörtlich,

1. Eine Bezifferung der untersten Grenze des mSKEM (soziokulturellen Existenzminimums
nach der Definition: 1 Bvl 1/09 vom 9.2.2010 u.a.) erfolgte bisher nicht, es daher eine
Bezifferung vorzunehmen

2. Eine Folgeabwägung bei der Wiederholungsgefahr ist nicht erkennbar, der landkreiseige—
ne Regelbedarf entspricht nicht dem bundesdeutschen Regelbedarf und ist daher als
rechtswidrig einzustufen.

Anonymisierte Fassung

3. Ein Maßstab und ein Maßstab für die Angemessenheit ist nicht vorhanden. Es ist damit
Willkürlichkeit auszugehen

Die Antragsgegnerin stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten im anhängigen
Verfahren der Gegenvorstellung sowie im Verfahren S 19 AS 2665/13 ER verwiesen.

ii.

Die Gegenvorstellung des Antragstellers wird als unzulässig zurückgewiesen.

Offen kann bleiben, ob nach der Einführung des Rechtsbehelfs der Anhörungsrüge eine
Gegenvorstellung weiterhin grundsätzlich statthaft ist (so Bundessozialgericht ‚
Beschluss vom 19. Januar 2010 — B 11 AL 13/09 C, juris). Ihre Zulässigkeit setzt die Rüge
groben prozessuales Unrechts voraus. Insbesondere durch eine Verletzung von Verfahrens—
grundrechten das im Wege der richterlichen Selbstkontrolle beseitigt werden muss (BSG,
Beschluss vom 29. Dezember 2005. B 7a AL 2921/05 B. juris).

Die gerügte unterbliebene Feststellung des soziokulturellen Existenzminimums, die gerügte
fehlende Folgenabwägung bei Bestehen einer Wiederholungsgefahr, die fehlende Feststel—
iung der Rechtswidrigkeit des „landkreiseigenem Regelbetrags“ sowie das Fehlen eines
Maßstäbe zur Angemessenheit stellt keinen Widerspruch zum Prozessrecht oder eine
Verletzung der Verfahrensgrundrechte des Antragstellers dar. Der Einwand betrifft allein die
Wertung der Kammer hinsichtlich der entscheidungsrelevanten Tatsachen und Rechtsfra-
gen. Die Gegenvorstellung ist kein prozessuales Mittel. um einen rechtskräftig beendeten
Streit fortzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

 

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SG MD, S 19 AS 2665/13 ER vom 20-09-2013, Sozialgericht Magdeburg

 

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SG MD, S 19 AS 2594/13 ER vom 16.09.2013, Sozialgericht Magdeburg
Sozialgericht Magdeburg
S 19 AS 2594/13 ER

Aktenzeichen

BESCHLUSS

in dem Rechtsstreit
- Antragsteller —
gegen

Kommunale Beschäftigungsagentur Jobcenter Landkreis H.,
- Antragsgegnerin -

Die 29. Kammer des Sozialgerichts Magdeburg hat am 16. September 2013 durch die
Richterin Dr. B. als Vorsitzende beschlossen:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

I .

Der Antragsteller begehrt im Wesentlichen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die
Übernahme von „Dokumentenkosten“ für die Erstellung eines Personalausweises, insbeson-
dere die Kostenübernahme für Passbilder sowie die Kostenübernahme für die Kosten i.v.m.
dem Behandlungsschein bei fehlender Gesundheitskarte seiner Krankenkasse.

Der am geborene Antragsteller bezieht seit dem 1. Januar 2005 Leistung zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Schreiben vom 12. August 2013 wies ihn das
Bürgeramt der Stadt I. drauf hin. dass er nicht im Besitz eines gültigen Ausweisdokuments
sei bzw. deren Gültigkeit demnächst ablaufen werde. Der Antragsteller wurde aufgefordert,
ein gültiges Personaldokument umgehend beim Bürgeramt zu beantragen. Weiter wurde
darauf hingewiesen dass für die Erstellung eines Personaldokuments biometrietaugliche
Passfotos notwendig seien und die Ausstellung eines Personalausweises eine Gebühr von
28.80 € koste.

Bereits mit Schreiben vom 13. Juli 2012 forderte die Krankenkasse des Antragstellers diesen
auf, für die neue elektronische Gesundheitskarte ein Passbild oder ein bereits vorhandenes
Foto (elektronisch) zu übermitteln. Bereits am 26. September 2012 stellte der jetzige An-
tragsteller erfolglos unter dem Aktenzeichen S 19 AS 4614/12 einen Antrag auf einstweilige
Anordnung der Kostenübernahme für die Erstellung eines Passbilds bzw. die Kostenüber—
nahme zuzüglich der Nebenkosten für die Erstellung und das Hochladen eines solchen
Bildes und die Kostenübernahme für die Kosten in Verbindung mit dem Behandlungsschein
beim Sozialgericht Magdeburg. Eine Beschwerde vor dem Landessozialgericht Sachsen-
Anhalt (Aktenzeichen: L 5 AS 389/13 B ER) blieb ebenfalls erfolglos.

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Mit Schriftsatz vom 15. August 2013. Eingang beim Sozialgericht Magdeburg am 16. August
2013, stellte der Antragsteller einen Antrag auf einstweilige Anordnung. Dies begründete er
damit, dass bisher die Amtsermittlungsergebnisse zu „Dokumentenkosten“, insbesondere
zum Sozialpass. Gesundheitspass sowie Personalausweisdokumenten fehlen würden. Der
Antragsgegnerin sei bekannt, dass Passbilder nicht im Regelbedarf enthalten seien. Es
stünde noch die Kostenübernahme für die noch notwendige Erstellung von Passbildern für
den Sozial— und Reisepass sowie Bewerbungen aus. Zudem seien noch Nachweis- und
Dokumentationskosten sowie Fahrkosten offen. im Übrigen seien auch die Kosten der
Unterkunft noch streitig. Durch die bisherige Weigerung der Antragsgegnerin diese Kosten
zu begleichen sei das Existenzminimum nicht mehr gewährleistet. insbesondere sei das
Problem der „Dokumentenkosten“ und des fehlerhaften Regelbetrages bisher durch eine
mögliche Darlehensvergabe nicht gelost worden. Es besteht damit weiterhin ein dauerhafter
Systeme, Rechts- und verfassungswidriger Zustand seit dem 1. Januar 2011. im Übrigen
weist der Antragsteller darauf hin, dass im Gesetzentwurf BT-Drs. 17/3404 (S. 64) für die
Änderung des Regelbedarfs stünde:

“Den sonstigen Dienstleistungen werden die neu festgelegten Gebühren von 28,80 €
bezogen auf 10 Jahre für den Personalausweis. die künftig auch hilfebedürftigen Personen
zu entrichten haben. zusätzlich berücksichtigt.“

Der Antragsteller beantragt wörtlich,

1. die Übernahme von Dokumentenkosten aufgrund des Schreibens der Stadt I. zuzüglich
sonstiger Entstehungs- und Verfahrenskosten.

2. Kostenübernahme für Passbilder.

3. Kostenübernahme zuzüglich Nebenkosten für das Hochladen (PC/Kamera/Software,/
Internet/Strom).

4. die Kostenübernahme für die Kosten in Verbindung mit dem Behandlungsschein.

5. Kostenübernahme per Darlehen in Höhe des dreifachen Auffüllbetrags (750,01 € x 3) (1.
Dokumentationskosten zuzüglich, 2. Ausweis—Passbild 3. Gesundheitspass-Passbild, 4.
Sonstige Entstehungs— und Verfahrenskosten).

6. die Auszahlung eines atypischen Mehrbedarfs in Höhe eines eventuell bestehenden
Schadensersatzanspruchs.

7. einen sozialrechtlichen Wiederherstellungsanspruch.

8. die nachträgliche Ausweisung des Ansparbetrages in Euro für Dokumentenkosten in den
laufenden Bescheiden.

Hilfsweise beantragt der Antragsteller wörtlich,

die Aussetzung der Ausweispflicht für den Ansparzeitraum.

Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.

Der Antrag sei bereits unzulässig. Die Kostenübernahme für ein Passbild für die Gesund—
heitskarte bzw. das Hochladen eines Bildes sei bereits in einem anderen Verfahren des
Anonymisierte Fassung

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einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt worden. Die Gebühren für den Personalausweis
seien im Regelbedarf enthalten. Bei einer darlehensweisen Gewährung müsse zur Tilgung
des Darlehens sofort mit 10% des Regelbedarfs aufgerechnet werden. Das Darlehen sei
sofort im nächsten Monat getilgt. Der Antragsteller hätte in den letzten Jahren bereits
Ansparungen für den Personalausweis treffen können. Für die Auffüllbeträge bestünde keine
Rechtsgrundlage im SGB II. Die weiteren geltend gemachten Ansprüche könnten nicht
Gegenstand eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird
auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin verwiesen

I. in der Hauptsache geht es dem Antragsteller um den Kostenersatz für die Gebühren des
Personalausweises (Hauptantrag zu 1.) sowie der Kostenersatz für die Erstellung von
Passfotos (Hauptantrag zu 2.). Der Hauptantrag zu 2 ist zu den Anträgen zu 3. und 4. nach
der Auslegung durch das Gericht im Verhältnis Haupt— und Hilfsantrag gestellt. Im Antrag zu
3. macht der Antragsteller hilfsweise die Kosten der Erstellung von Passfotos mit eigener
Kamera und der elektronischen Übertragung an die Krankenkasse für die Gesundheitskarte
geltend. Ebenfalls hilfsweise beantragt dieser im Antrag zu 4. die Kostenübernahme für
Kosten in Verbindung mit dem Behandlungsschein. Die Anträge zu 5 bis 8 sind als Hauptan—
träge auszulegen. Ausdrücklich hilfsweise beantragt der Antragsteller die Aussetzung der
Ausweispflicht.

2. Die Hauptanträge zu 1. und 2. sind zulässig aber unbegründet.

Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache
auf Antrag eine einstweilige Anordnung auf den Streitgegenstand treffen. wenn die Gefahr
besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines
Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige
Anordnungen sind nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen
Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung
zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies ist etwa dann der Fall, wenn
dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders
abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache
nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG. Beschluss vom 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, Rn. 5 ff).
Nach § 86 b Abs. 3 SGG ist der Antrag schon vor Klageerhebung zulässig. Eine solche
Regelungsanordnung begehrt der Antragsteller. soweit er von der Antragsgegnerin Leistun—
gen erhalten möchte.

Eine Regelungsanordnung kann das Gericht erlassen. wenn der Antragsteller glaubhaft
macht (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO)).
dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsan—
spruch) und dass der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche
Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Voraussetzung für die Gewährung einstweili—
gen Rechtsschutzes ist damit das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anord—
nungsgrundes. wobei der Anordnungsanspruch den materiellen Anspruch auf die Regelung
an sich beinhaltet und der Anordnungsgrund ein besonderes Eilbedürfnis, also die Dringlich
keit der begehrten Regelung für den Antragsteller voraussetzt.

Bei der Beurteilung sind hierbei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt
der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich.

Ein Anordnungsanspruch wurde nicht glaubhaft gemacht.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Übernahme der Gebühren für die Ausstellung
eines neuen Personalausweises sowie der Kosten für das Anfertigen der dazu erforderlichen

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biometrischen Fotos als Zuschuss. Es fehlt an einer Anspruchsgrundlage für dieses Begeh—
ren (so auch: LSG Baden—Württemberg, Urteil vom 21.10.2011 —— L 12 AS 2597/11 — juris).
Grundsätzlich hat der Leistungsberechtigte seinen Bedarf zur Sicherung des Lebensunter-
halts durch den Regelbedarf des § 20 Zweites Sozialgesetzbuch (SGB ll) zu decken. Der
Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst nach § 20 Abs. 1 SGB II insbe—
sondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die
Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnis-
se des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in
vertretbarem Umfang die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft.
Die mit der Erstellung eines Personaldokuments verbundenen Kosten sind im Regelbedarf
enthalten (so die Begründung der Gesetzentwurfs BT-Drs. 17/3404, S. 64), auf die der
Antragsteller ausdrücklich verweist. Dem Gericht ist es nicht möglich, abweichend vom
pauschalierten Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II Leistun-
gen festzusetzen (vgl. beispielsweise BSG, Urteile vorn 10. Mai 2011 4 B 4 AS 11/10 B -:
vom 28. Oktober 2009 - B 14 AS 44/08 R —: vom 19. August 2010 — B 14 AS 47/09 R —
jeweils zitiert nach juris). Kann ein notwendiger Bedarf durch den Regelbedarf tatsächlich
nicht gedeckt werden, soll der Hilfebedürftige zunächst den „Ansparbetrag“ einsetzen. Nur
wenn ihm das nicht gelingt. kommt eine darlehensweise Bewilligung nach § 24 Abs. 1 SGB II
in Betracht.

Auch abweichend vom Regelbedarf fehlt es in der Systematik des SGB II an einer An—
spruchsgrundlage für die begehrte Übernahme der Kosten für den Personalausweis und des
Reisepasses. Es handelt sich bei den Aufwendung für den Personalausweis und den
Reisepass sowie die damit zusammenhängenden Kosten für biometrische Fotos weder um
einen Mehrbedarf, der in § 21 SGB II gesondert normiert ist, noch um Sonderbedarfe nach §
24 Abs. 3 SGB II.

Es liegen auch die Voraussetzungen des § 21 Abs. 6 SGB II nicht vor, wonach bei Leis-
tungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt wird. wenn im Einzelfall ein unabweisbarer,
laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Hintergrund dieser mit Wirkung
zum 08. Juni 20t0 gesetzlich normierte Härtefallregelung ist das Urteil des Bundesverfas-
sungsgericht vom 09. Februar 2010 (1 BvL 1/09. 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09 —). ln diesem
monierte das Bundesverfassungsgericht, dass in der Systematik des SGB II eine Regelung
nicht enthalten sei, nach der es einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung eines zur
Deckung eines menschenwürdigen Existenzminimums unabweisbaren. laufenden, nicht nur
einmaligen, besonderen Bedarf gäbe. Durch den Bezug auf einen laufenden und nicht nur
einmaligen besonderen Bedarf wird der Mehrbedarf nah § 21 Abs. 6 SGB II von dem
Darlehen für unabweisbare Bedarfe nach § 24 Abs. 1 SGB II abgegrenzt (LSG Baden
Württemberg, Urteil vom 21.10.2011 -—- L 12 AS 2597/11 —— juris). Auch das Bundesverfas-
sungsgericht ist davon ausgegangen, dass nur einmalig auftretenden Bedarfsspitzen über
die Darlehensregelung erfasst werden können.

Von einem einmaligen Bedarf ist auszugehen, wenn der besondere Bedarf im Bewilligungs—
abschnitt nicht nur einmal, sondern bei prognostischer Betrachtung mehrfach auftritt (so
bspw. Behrend in jurisPK - SGB II, § 21 RdNr. 81). Dies ist dann anzunehmen, wenn der
Bedarf absehbar wiederholt in einem zeitlich vom Zeitpunkt der Beurteilung her abschätzba—
ren Zeitraum von ca. 1 — 2 Jahren anfällt (so z.B. Münder in LPK — SGB II, 4. Aufl. 2011, § 21
RdNr. 42). Bei einem einmaligen Bedarf handelt es sich nicht um einen Härtefall in diesem
Sinne (so auch: Sauer in derselbe, SGB II, 1. Aufl. 2011, § 21 RdNr. 84). Bei den Kosten für
die Erstellung eines Personalausweises und die biometrischen Passbilder handelt es sich
um keinen laufenden, in einem überschaubaren Zeitraum wiederkehrenden, sondern um
einen einmaligen Bedarf anlässlich der Ausstellung eines Personalausweises und eines
Reisepasses (LSG Baden—Württemberg, Urteil vom 21.10.2011 — L 12 AS 2597/11 — juris).
Mit einem erneuten Bedarf ist erst nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Personalausweises,
die 10 Jahre beträgt, zu rechnen.

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Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung eines gegebenenfalls
rückzahlungsfreien Darlehens nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB
II erbringt der Leistungsträger nach dem SGB II bei entsprechendem Nachweis den Bedarf
als Sachleistung oder Geldleistung und gewährt der oder dem Leistungsberechtigten ein
entsprechendes Darlehen, wenn im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des
Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt
werden kann. Das Darlehen wird ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatli—
che Aufrechnungen in Höhe von 10 % des maßgebenden Regelbedarfs getilgt (§ 42a Abs. 2
Satz 1 SGB II). Weitergehende Leistungen sind ausgeschlossen (§ 24 Abs. 1 Satz 8 SGB II).
Für die Gewährung einer von vornherein rückzahlungsfreien Darlehensleistung fehlt es im
SGB II an einer Rechtsgrundlage (vgl. beispielsweise BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 in B 4 AS
11/10 R -).

Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus § 1 Abs. 6 Personalausweisgebühren—verordnung
vom 1. November 2010, wonach die Gebühr für die Ausstellung eines Personalausweises
ermäßigt oder von ihrer Erhebung abgesehen werden kann, wenn die Person, die die
Gebühr schuldet, bedürftig ist. Denn für die Entscheidung über die Gebührenermäßigung
bzw. das Absehen von der Gebührenerhebung sind die Personalausweisbehörden zuständig
(§ 7 Abs. 1 Personalausweisgesetz).

Es bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Gebühren für die
Ausstellung eines Personalausweises und eines Reisepasses sowie die Kosten für die
Anfertigung biometrischer Fotos nicht nach den Vorschriften des SGB II gesondert über-
nommen werden können, sodass kein Anlass für eine Vorlage gemäß Art. 100 Grundgesetz
an das Bundesverfassungsgericht besteht.

3. Die hilfsweise geltend gemachten Anträge auf Kostenübernahme zuzüglich Nebenkosten
für das Hochladen (Antrag zu 3.) sowie die Kostenübernahme in Verbindung mit dem
Behandlungsschein (Antrag zu 4.) sind bereits unzulässig. Hier fehlt es am Rechtsschutzbe-
dürfnis. Entstehende Kosten sind weder vorgetragen noch der Kammer ersichtlich.

4. Der Antrag zu 5. ist zwar zulässig, aber unbegründet. Ein Anordnungsanspruch für die
Kostenübernahme per Darlehen in Höhe eines dreifachen Auffüllbetrags liegt nicht vor. Ein
Auffüllbetrag ist in der Systematik des SGB II nicht vorgesehen. Inwieweit die Summe von
jeweils 750,01 € als einmalige Bedarfsspitze im Rahmen des § 24 Abs. 1 SGB II über den
Betrag der Gebühr für den Ausweis hinausgeht, herzuleiten ist, ist der Kammer nicht ersicht—
lich und auch nicht vorgetragen. Insofern fehlt die Rechtsgrundlage für den in der Höhe von
750,01 € vom Antragssteller geltend gemachten Anspruch.

Die mit diesem Betrag wohl auch geltend gemachte darlehensweise Bewilligung der Gebühr
für den Personalausweis in Höhe von 28,80 € kann vom Antragsteller von der aus der
Regelleistung gezahlt werden, insofern fehlt es am unabweisbaren Bedarf der Bewilligung
nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Es ist nicht vorgetragen und für das Gericht auch nicht
ersichtlich, dass der Betrag nicht vom ausgezahlten Regelbedarf getragen werden kann. Im
Übrigen fehlt es auch an einem Anordnungsgrund, da die regelmäßig anzusetzende Baga-
tellgrenze bei einmalig zu zahlenden Beträgen nicht erreicht wird (vgl. dazu LSG Sachsen-
Anhalt Beschluss vom 30.03.2009 — L 5 B 121/08 ER — juris). Die Grenze ergibt sich aus der
Heranziehung der für ein solches Darlehen vorgesehenen Tilgung in Raten durch monatliche
Aufrechnung von bis zu 10% der Regelleistung (nunmehr 38,20 €) als generellen Rahmen.
Dieser Betrag ist hier nicht überschritten. Daran ändert auch nichts, dass der Antragsteller
bereits ein Darlehen in Höhe von 34,70 € monatlich zurückzahlt, da mit der Wertung von §
43 Abs. 2 SGB II sogar eine Aufrechnung bis 30 % möglich ist. Hier ist keine existenzielle,
das heißt akute wirtschaftliche Notlage glaubhaft gemacht, der mit Mitteln des gerichtlichen
Eilrechtschutzes begegnet werden müsste.

- 6 -

Der Antrag zu 6. ist zulässig, aber unbegründet. Ein Anordnungsanspruch liegt nicht vor.
Die Zahlung eines Mehrbedarfs in Höhe eines Schadensersatzanspruchs ist im Sozialge—
setzbuch II (SGB II) nicht vorgesehen. Insofern fehlt die Rechtsgrundlage für den vom
Antragssteller geltend gemachten Anspruch.

6. Nichts anderes ergibt sich aus dem geltend gemachten sozialrechtlichen Herstellungsan-
spruch. Dieser setzt voraus. dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund des Gesetzes
oder eines Soziairechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und
Auskunft (§§ 14, 15 Sozialgesetzbuch Erstes Buch) verletzt hat. Ferner ist erforderlich, dass
zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen
ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige
Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt
werden können. Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Geset-
zeszweck nicht widersprechen ist (st Rspr. vgl BSG 01.04.2003, B 7 AL 52/03 B, BSGE 92.
267. 279 = SozR 4-43005 § 137 Nr 1: BSG 31.10.2007. B 14/11b AS 63/06 R, SozR 4-1200 §
14 Nr 10). Hier ist schon eine Pflichtverletzung der Antragsgegnerin nicht ersichtlich. Eine
solche wurde auch nicht vorgetragen.

7. Der Antrag zu 8. ist bereits unzulässig. Eine solche Anordnung der nachträglichen
Ausweisung des Ansparbetrages in den laufenden Bescheiden unterfällt nicht den Fallgrup-
pen des § 86 b SGG.

8. Der Hilfsantrag auf Aussetzung der Ausweispflicht ist unzulässig. Das Sozialgericht ist für
eine solche Entscheidung sachlich unzuständig.

9. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

10. Die Beschwerde ist nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG nicht statthaft, da der Beschwerdewert
von 750 € nicht erreicht ist. Soweit der Antragsteller hier Kosten in Höhe des dreifachen
Auffüllbetrages von jeweils 750.01 € geltend macht, geht das Gericht davon aus, dass dieser
Betrag nur zum Erreichen des Beschwerdewerts angegebenen wurde. Wirtschaftlich werden
lediglich die Gebühren für den Personalausweis sowie für die Erstellung von Passfotos
begehrt, welche den Beschwerdewert nicht annähernd erreichen.

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SG MD, S 11 AS 1370/07 ER vom 13.08.2007, Sozialgericht Magdeburg
SOZIALGERICHT MAGDEBURG

Aktenzeichen:

S 11 AS 1370/07 ER

BESCHLUSS

in dem Verfahren

- Antragsteller —

gegen

— Antragsgegner —

Die 11. Kammer des Sozialgerichts Magdeburg hat am 13. August 2007 durch den
Vorsitzenden beschlossen:

Der Antragsgegner wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet,
dem Antragsteller vorläufig für die Monate Juli 2007 bis September 2007,
längstens bis zum Abschluss der stationären Behandlung der Antragstellerin,
einen Zuschuss zu den Fahrkosten in Höhe von 100 € monatlich zu zahlen.

Der Antragsgegner hat den Antragstellern die notwendigen außergerichtlichen
Kosten zu erstatten.
Gründe:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung zusätzlicher Leistungen zu den Grundsiche-
rungsleistungen für Arbeitsuchende (Arbeitslosengeld ll).

Die Antragsteller sind verheiratet. Sie beziehen seit November 2005 Arbeitslosengeld ll. Die
Antragstellerin wurde seit dem Jahr 2006 wegen akuter Herz- und Lungenprobleme (rechts-
seitige Herzlastigkeit und dilatative Kardiomyopathie) behandelt. Seit dem 20. März 2007
wird die Antragstellerin im Herzzentrum B. stationär versorgt. Am 13. April 2007 wurde ihr ein
Kunstherz mit einem mobilen Antriebssystem (Typ Cardiowest) implantiert. Der Antragsteller
hielt sich in diesem Zeitraum für mehrere Tage in B. auf. Mit Schreiben vom 16. April 2007
erklärte eine Diplom Psychologin vom Deutschen Herzzentrum B., die Antragstellerin leide
an einer subdepressiven Stimmung. Die Anwesenheit des Ehemannes erscheine zur Stabili-
sierung des Gesundheitszustandes als sehr wichtig. Am 24. April 2004 beantragte er bei der
AOK die Übernahme der Fahrkosten nach B. und der Übernachtungskosten in B.. Die AO-
bewilligte als „Einzelfallentscheidung“ die
Übernahme der Fahrkosten nach B. und einen Zuschuss von 150 € für die Übernachtung,
insgesamt 330 €. Sie wies daraufhin, der Antragsteller müsse sich an das Herzzentrum B.
wenden, wenn es Besuchsfahrten weiterhin als medizinisch notwendig erachte. Diese Kos-
ten seien den Leistungen der Krankenhausbehandlung zuzurechnen.

Der Antragsgegner bewilligte mit Bescheiden vom 21. und 25. Juni 2007 Leistungen von Juli
2007 bis Dezember 2007. Die Leistungen für Unterkunft und Heizung begrenzte er auf die —
seiner Ansicht nach — angemessenen Kosten. Wegen der stationären Behandlung der An-
tragstellerin berücksichtigte er außerdem eine häusliche Ersparnis im Bereich der Verpfle-
gung, die er als Einkommen in Höhe von 35 vom Hundert der maßgeblichen Regelleistung
bedarfsmindernd anrechnete. Die Antragsteller legten am 2. Juli 2007 Widerspruch gegen
die Anrechnung der Verpflegung als Einkommen und die Absenkung der Kosten für Unter-
kunft und Heizung ein. Außerdem beantragten sie eine zusätzliche monatliche Leistung in
Höhe von 100 €. Zur Begründung trugen sie vor, der Krankenhausaufenthalt der Antragstel-
lerin verursache zusätzliche Kosten.

Am 4. Juli 2007 haben die Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz ersucht. Der An-
tragsgegner hat mit Bescheid vom 6. Juli 2007 unter dem Vorbehalt der Rückforderung die
Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten bewilligt und häusliche Einsparungen nicht
mehr bedarfsmindernd berücksichtigt. Die Antragsteller haben das Verfahren insoweit für
erledigt erklärt.

An ihrem weiteren Begehren halten sie fest. Sie tragen zur Begründung ergänzend vor, die
monatlich zusätzlich benötigte Leistung beruhe auf Mehrkosten, die wegen des Kranken-
hausaufenthalts der Antragstellerin entstünden. Die ärztliche Behandlung werde weiterhin in
B. durchgeführt, voraussichtlich bis zum Ende dieses Jahres. Eine Versorgung am Wohnort
oder in der näheren Umgebung sei auszuschließen, die Antragstellerin sei für eine Herz-
transplantation vorgesehen. Der Antragsteller müsse täglich fünf Euro für die Fahrten in B.
aufwenden. Die Antragstellerin benötige wegen des vergrößerten Bauchs und des schlanke-
ren Oberkörpers in der nächsten Zukunft eine komplette Neueinkleidung. Zudem fielen Über-
nachtungskosten wegen des notwendigen Aufenthalts des Antragstellers in B. an. Einen An-
trag auf Übernahme dieser Aufwendungen hätten sie bei dem Herzzentrum B. nicht gestellt.
Ein Mitarbeiter habe in einem persönlichen Gespräch dem Antragsteller davon abgeraten.

Demnächst fielen auch wieder zusätzliche Telefonkosten in Höhe von zwei Euro täglich an.

Die Antragsteller beantragen (sinngemäß),
den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihnen zusätzliche Leistungen in Höhe von

100 € monatlich zu zahlen.

Die Antragsgegner beantragt,

den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, die Antragsteller hätten keinen Anspruch auf zusätzliche Leistungen. Er
habe den besonderen Umständen bereits Rechnung getragen und den Geldeswert der Ver-
pflegung während des stationären Aufenthalts unberücksichtigt gelassen.

Der Antragsteller hat als Nachweis seiner Aufwendungen in Höhe von 10 € je Übernachtung
in B. Quittungen für verschiedene Zeiträume zwischen dem 20. März 2007 und 26. Juli 2007
vorgelegt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Antragsgegner haben vorgelegen und waren
Gegenstand der Entscheidung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf deren

Inhalt verwiesen.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist zulässig und begründet.

Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG kann, soweit ein Fall des Absatz 1 nicht vorliegt, das Ge-
richt der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegens-
tand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zu-
stands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich er-
schwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur
Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig,
wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, § 86 b
Abs. 2 Satz 2 SGG (Regelungsanordnung).

Der Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung ist statthaft. Die Antragsteller begehren
(nur noch) eine vorläufige Entscheidung über ihren Antrag auf Verpflichtung des Antrags-
gegners, zusätzliche Leistungen in Höhe von 100 € monatlich zu gewähren. Damit zielen sie
auf die Erweiterung ihrer Rechtsposition. Da sie sich nicht gegen eine belastende Entschei-
dung wenden, mit dem Ziel, deren Wirkung vorübergehend zu suspendieren, liegt auch kein
Fall des § 86 b Abs. 1 SGG vor.

Der Antrag ist auch begründet.

Ein Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung ist begründet, wenn ein Anordnungsan-
spruch und ein Anordnungsgrund vorliegen. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn das
materiell-rechtliche Begehren, dessen vorläufige Verwirklichung und Sicherung der Rechtsu-
chende begehrt, mit überwiegender Wahrscheinliche begründet ist. Das Gericht entscheidet
hierüber auf Grund einer summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache
oder auf der Grundlage einer umfassen Folgen- und Güterabwägung. Die zugrunde liegen-
den Tatsachen sind gemäß 5 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit 5 920 Abs. 2 Zivil-
prozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen. Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn besonde-
re Gründe eine vorläufige Entscheidung in einem gerichtlichen Eilverfahren erfordern.

Die Antragsteller haben nach den Regelungen des Sozialgesetzbuch Zweites Buch — Grund-
sicherung für Arbeitsuchende (SGB ll) keinen Anspruch auf einen pauschalen monatlichen
Zuschuss von 100 € (1.). Allerdings hält die Kammer nach dem Ergebnis der summarischen
Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache und einer Folgenabwägung einen Anspruch
des Antragstellers auf einen Zuschuss zu den Fahrkosten für den Besuch im Herzzentrum B.
gemäß § 73 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch — Sozialhilfe (SGB XII) für überwiegend
wahrscheinlich (2.).

1.

Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf eine Erhöhung der pauschalierten Regelleis-
tung. Das Arbeitslosengeld II setzt sich zusammen aus der Regelleistung nach ä 20 SGB ll
und den angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung nach ä 22 Abs. 1 SGB ll. Die
Regelleistung dient der Sicherung des Lebensunterhalts und ist pauschaliert. Eine davon
abweichende Festlegung ist gemäß 5 3 Abs. 3 Satz 2 SGB II ausdrücklich ausgeschlossen.

Dies steht auch einem (Dauer-)Darlehen in Höhe von 100 € monatlich gemäß 5 23 Abs. 1
SGB II entgegen. Hiernach kann im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster nach
den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts durch die Ge-
währung eines Darlehens gedeckt werden. Die Antragsteller begehren hier eine zusätzliche
Leistung für einen monatlich wiederkehrenden Bedarf. Dieser kann nach der Regelungssys-
tematik des SGB II nicht unter Rückgriff auf ä 23 Abs. 1 SGB ll gedeckt werden. Ein Darle-
hen ist gemäß 5 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II durch Aufrechnung gegen die Leistungsansprüche
in der Folgezeit zu tilgen. Damit wird die darlehensweise Deckung eines wiederkehrenden
Bedarfs zu einer Dauerbelastung in der Zukunft. Den Auswirkungen der monatlichen Auf-
rechnung kann zwar durch Erlass nach 5 44 SGB ll entgegnet werden. Das führte im Ergeb-
nis jedoch zu einer Umgehung der mit 5 3 Abs. 3 Satz 2 SGB II ausgeschlossen Erhöhung
des Regelsatzes (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 7. November 2006, Az: B 7b
AS 14/06 R, SozR 4-4200, ä 20, Nr. 1, m.w.N.).

Höhere bzw. zusätzliche Leistungen sind im Leistungsbereich des SGB ll ansonsten nur
nach Maßgabe der §§ 21 Abs. 2 bis 5 und 23 Abs. 3 SGB lI möglich.

Die Voraussetzungen für zusätzliche Leistungen zum Ausgleich eines besonderen Mehrbe-
darfs im Sinne des 5 21 Abs. 2 bis 5 SGB ll erfüllen die Antragsteller jedoch nicht. Keiner der
dort geregelten Fälle (Mehrbedarf für werdende Mütter, für Alleinerziehende, für behinderte
Menschen, die Eingliederungsleistungen in Anspruch nehmen oder für eine krankheitsbe-
dingte kostenaufwändige Ernährung) liegt hier vor.

Nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II könnte lediglich die in Folge der Operation notwendig gewor-
dene Erneuerung der Garderobe einen Anspruch auf Leistungen für die Erstausstattung be-
gründen. Ob ein solcher besteht, kann allerdings dahinstehen. Es fehlt insoweit an einem
Anordnungsgrund für eine vorläufige gerichtliche Entscheidung. Ein Anordnungsgrund liegt
vor, wenn es dem Rechtsuchenden unter Abwägung seiner sowie der Interessen Dritter und
des öffentlichen Interesses nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Es
müssen erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Nachteile drohen, die nicht mehr mit
einer Entscheidung in der Hauptsache beseitigt werden können. Das setzt zumindest eine
gegenwärtige, dringliche Notlage voraus. Daran fehlt es hier. Die Antragsteller haben vorge-
tragen, dass die neue Kleidung erst in der Zukunft benötigt wird.

Auch im Wege einer weiteren Einzelbetrachtung der benannten Mehrkosten kann die Kam-
mer keinen Anspruch auf zusätzliche Leistungen nach dem SGB ll feststellen. lm Einzelnen
haben die Antragsteller zusätzlichen Aufwendungen für die tägliche Fahrt in B. zum Kran-
kenhaus, für die Pendelfahrten von B. nach B., für das Telefonieren, für die Garderobe der
Antragstellerin und für die Übernachtung in B. angegeben.

Die Fahrkosten in B. sind aus dem Regelsatz zu finanzieren. Insoweit kann der Antragsteller
nicht anders behandelt werden, als Leistungsempfänger, die in B. wohnen. Das gilt auch für
die Telefonkosten. Eine abweichende Festlegung wegen 5 3 Abs. 3 Satz 2 SGB ll ist nicht
möglich (s.o). Der darlehensweise Übernahme der Fahrkosten nach B. gemäß § 23 Abs. 1
SGB ll stehen die oben ausgeführten Erwägungen gegenüber.

Die zusätzlichen Übernachtungskosten des Antragstellers in B. können schließlich auch nicht
als Kosten der Unterkunft im Sinne des ä 22 Abs. 1 SGB II berücksichtigt werden. Die Leis-
tungen nach ä 22 Abs. 1 SGB ll sollen den Grundbedarf Wohnen sichern. Das ist mit der
Übernahme der Kosten für eine Unterkunft erreicht. Es überstiege den Regelungszweck,
Aufwendungen für weitere Unterkünfte als Bedarf zu berücksichtigen, selbst wenn sie auf-
grund besonderer Umstände erforderlich sind. Werden Leistungen für eine bedarfsgerechte,
menschenwürdige Unterkunft erbracht, ist dieser Bedarf gedeckt.

Nach alledem enthält das SGB ll keine geeignete Anspruchsgrundlage für eine monatliche
Pauschale von weiteren 100 €.

2.

Der Antragsteller hat jedoch sehr wahrscheinlich gemäß ä 73 Sozialgesetzbuch Zwölftes
Buch — Sozialhilfe (SGB Xll) einen Anspruch auf einen Zuschuss zu den Fahrkosten für ei-
nen wöchentlichen Krankenbesuch in Berlin. Hiernach können Leistungen als Beihilfe oder

Darlehen in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel
rechtfertigen. Diese Regelung findet nur in engen Grenzen Anwendung. Es handelt sich nicht
um eine allgemeine Auffangregelung für Leistungsempfänger des SGB ll. Der Bedarf muss
zu den persönlichen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören, der eine den Regel-
satz für laufende Leistungen übersteigende einmalige oder laufende Leistung erforderlich
macht und den Einsatz weiterer öffentlicher Mittel rechtfertigt. Es ist eine besondere Bedarfs-
lage erforderlich, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den 55 47 bis 74 SGB Xll gere-
gelten Bedarfslagen aufweist (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az: B 7b AS 14/06,
SozR 4-4200, 5 20, Nr. 1 m.w.N.).

Das ist hier der Fall. Die Antragsteller befinden sich in einer besonderen Lebenslage. Die
Antragstellerin lebt vorübergehend mit einem künstlichen Herz und wartet auf ein Spender-
organ. Das macht eine Behandlung in dem ca. km entfernt liegenden B. erforderlich. Da-
mit sind zusätzliche Kosten zumindest für den Besuch im Krankenhaus verbunden. Die
Fahrkosten für den Besuch des erkrankten Ehegatten gehören zum persönlichen Lebensbe-
darf, der aus dem Regelsatz gedeckt werden muss. Das ergibt sich aus der Verordnung zur
Durchführung des § 28 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch — Sozialhilfe (Bundesgesetzblatt
[BGBL] 2004, Teil l, S. 1067; im Folgenden: Regelsatzverordnung). Diese kann für die Be-
stimmung der Zusammensetzung der Regelleistung herangezogen werden. Darauf lässt der
Verweis auf 5 28 Abs. 3 Satz 5 SGB Xll in 5 20 Abs. 3 SGB ll schließen (vgl. auch Bundes-
tagsdrucksache [BT—Drs.] 15/1516, S. 56). Nach 5 2 Abs. 2 Nr. 6 der Regelsatzverordnung
wurden bei der Bestimmung des Eckregelsatzes Aufwendungenfür den Verkehr berücksich-
tigt. Jedoch fallen hier Kosten in einer Höhe an, die der Verordnungsgeber nicht als regel-
satzrelevant berücksichtigt hat. Die Aufwendungen für die Nutzung von Verkehrsdienstleis-
tungen sind mit einem Anteil von 14,03 € (11,04 € und 2,99 €) im Regelsatz eingerechnet
(vgl. Drucksache des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages,
[BT—ADrs.] 16[11]286 vom 15. Juni 2006, S. 13). Für eine Bahnfahrt von B. nach B. fallen
hingegen — ohne Bahncard — Kosten in Höhe von 31,30 € an (Reiseauskunft der Deutschen
Bahn, www.bahn.de). Diese Kosten könnten zwar mit einem Umzug nach B. vermieden wer-
den. Die Aufgabe des bisherigen Lebensmittelpunktes erscheint jedoch unverhältnismäßig.
Die stationäre Behandlung ist zeitlich begrenzt bis voraussichtlich Ende dieses Jahres. Auch
dürfte die Rückkehr in das vertraute Wohnfeld, mit den gewohnten sozialen Bindungen nach
einer erfolgreichen Transplantation förderlich für den weiteren Heilungsverlauf sein. Schließ-
lich sind mit dem Umzug Kosten verbunden, die möglicherweise die Aufwendungen für Be-

suchsfahrten nach B. übersteigen.
Diese besonderen Umstände rechtfertigen den Einsatz weiterer öffentlicher Mittel. Allerdings
ist nach Ansicht der Kammer zu berücksichtigen, dass aufgrund der Verpflegung im Kran-
kenhaus Mittel aus dem Regelsatz der Antragstellerin erspart werden. Diese muss der An-
tragsteller für die Fahrkosten einsetzen. Aufgrund der Pauschalierung des Regelsatzes ist
eine derartige Umschichtung nicht benötigter Mittel möglich. Das führt auch nicht zu einer
verdeckten Kürzung des Regelsatzes oder einer Anrechnung der Verpflegungsleistungen als
Einkommen. Die Leistung wird weiterhin ungekürzt ausgezahlt. Es wird nur verlangt, den
Anteil des Regelsatzes für den Ausgleich eines erhöhten Bedarfs wegen besonderer Um-
stände zu verwenden, der gerade aufgrund der besonderen Umstände erspart wird. Das ist
zumutbar und belastet die Antragstellerin nicht. Die ersparten Mittel werden zudem für einen
regelsatzrelevanten Bedarf verwendet. Dabei berücksichtigt die Kammer auch, dass das
Arbeitslosengeld ll ein Individualanspruch ist. Es ist der Antragstellerin als Inhaberin des An-
spruchs jedoch zumutbar, sich an den Fahrkosten zu beteiligen und den ersparten Teil ihrer
Regelleistung insoweit ihrem Ehemann zur Verfügung zu stellen. Da die Antragstellerin be-
reits seit März 2007 stationär behandelt wird, ist sie nicht mehr mit der Zuzahlung von 10 €
täglich gemäß § 61 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch — Gesetzliche Krankenversiche-
rung (SGB V) belastet. Diese ist auf 28 Tage innerhalb eines Kalenderjahres beschränkt,
5 39 Abs. 4 Satz 1 SGB V.

Hiernach ist ein Anteil von (gerundet) 127 € und ein weiterer Betrag von (gerundet) 14 €‚
zusammen 141 € auf die durchschnittlich im Monat zu erwartenden Fahrkosten anzurech-
nen. Nach 5 2 Abs. 2 Nr. 1 der Regelsatzverordnung enthält die Regelleistung einen Anteil
von 96 vom Hundert der in der Abteilung 01 und O2 der Einkommens- und Verbrauchsstich-
probe 2003 erfassten Verbrauchsangaben für Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren u.Ä.
Das ergibt einen regelsatzrelevanten Gesamtbetrag von 127,31 € (BT—ADrs. 16[11]286,
S. 8). Dieser Betrag ist zusammen mit dem regelsatzrelevanten Anteil für Verkehr (14,03 €)
für die Besuchsfahrten zur Antragstellerin aufzuwenden. Es ergibt sich eine Summe von
141‚34 €, gerundet 141 €. Eine einfache Bahnfahrt von B. nach B. kostet 31,30 € (Reiseaus-
kunft der Deutschen Bahn, www.bahn.de). Unter Berücksichtigung der Rückfahrt werden im
Monat durchschnittlich 271,27 € anfallen (31,30 x 2 = 62.60 € x 13 Wochen / 3 Monate), ab-
züglich der 141 € verbleiben (gerundet) 130 €. Da die Antragsteller nur einen Betrag von 100
€ benötigen, ist das Gericht in seiner Tenorierung auf diesen beschränkt, § 123 SGG.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass ä 73 SGB Xll dem Leistungsträger ein Ermessen
einräumt. Dem Gericht ist es versagt, an Stelle der Verwaltung eine eigene Ermessensent-

scheidung zu treffen. Es ist darauf beschränkt, die Entscheidung der Behörde auf Ermes-
sensfehler (Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung, Ermessensfehlgebrauch)
zu überprüfen und die Behörde gegebenenfalls zur Neubescheidung des Antrags zu ver-
pflichten, ä 54 Abs. 2 Satz 2 SGG. Eine Verpflichtung zur Stattgabe des Antrags könnte es
nur aussprechen, wenn Umstände vorliegen, aufgrund derer diese Entscheidung die einzig
richtige ist. Davon geht die Kammer nach dem Ergebnis einer Abwägung der widerstreiten-
den Interessen aus. Dabei ist die besondere Situation der Antragsteller ein gewichtiges Indiz
für deren überwiegendes Interesse. Die Antragstellerin befindet sich in einer sehr kritischen
Lebensphase. Der Krankenbesuch muss dem Ehegatten ermöglicht werden. Ihm stehen
jedoch nur die begrenzten Mittel der Regelleistung nach dem SGB ll zur Verfügung. Diese
genügen nicht, um die Aufwendungen zu decken. Ein weiteres Abwarten bis zu einer Ermes-
sensentscheidung der Sozialverwaltung und einer etwaigen nachgehenden gerichtlichen
Kontrolle ist nicht zumutbar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der weitere Zeitablauf die
Entscheidung durchaus endgültig erledigen kann und der verfassungsrechtlich garantierte
Rechtsschutz (Art 19 Abs. 4 Grundgesetz) zu spät käme. Demgegenüber müssen die wirt-
schaftlichen Interessen des Antragsgegners an der Vermeidung möglicherweise zu Unrecht
gezahlter Leistungen zurücktreten. Ohnedies steht die vorläufige Verpflichtung der Zahlung
des Zuschusses unter dem Vorbehalt der Entscheidung in der Hauptsache. Im Falle des Un-
terliegens muss der Antragsteller mit einer Erstattung der Leistung rechnen.

Ob der Antragsgegner die Leistungen als Zuschuss oder als Darlehen gewährt, steht gemäß
5 73 Satz 2 SGB XII in seinem Ermessen.

Einen Anspruch auf einen Zuschuss zu den Übernachtungskosten hat der Antragsteller vor-
aussichtlich nicht gemäß 5 73 SGB XII. Die Kammer hält eine besondere Bedarfslage nur
hinsichtlich der Fahrkosten nach B. für gegeben. Die Anwesenheit des Antragstellers vor Ort
aus medizinischen Gründen erscheint nach seinem Vortrag nicht mehr erforderlich. Das
Schreiben des Krankenhauses mit dem dies zunächst dargelegt wurde, stammt vom 16. Ap-
ril 2007. Auf Nachfrage des Gerichts vom 19. Juli 2007, ob der Antragsteller sich wegen der
Übernachtungskosten aus medizinischen Gründen an das Herzzentrum B. gewandt habe,
erklärte dieser, ihm sei in einem persönlichen Gespräch von einem Mitarbeiter des Herzzent-
rums davon abgeraten worden. Dies spricht gegen die weitere medizinische Notwendigkeit.
Sollte gleichwohl eine medizinische Notwendigkeit bestehen, würde es sich wahrscheinlich
um eine allgemeine Krankenhausleistung im Sinne des 5 2 Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes über
die Entgelte für voIl- und teilstationäre Krankenhausleistungen (KHEntgG) handeln. Diese

erhält der Rechtsträger des vorleistenden Krankenhauses nach Maßgabe des ä 109 Abs. 4

-10-

SGB V in Verbindung mit dem Vertrag über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbe-
handlung nach 5 112 Abs. 2 SGB V vergütet.

Der Anordnungsgrund ergibt sich bereits aus den vorhergehenden Ausführungen. Die An-
tragsteller befinden sich in einer dringlichen Notlage. Es ist ihnen nicht zumutbar, eine Ent-
scheidung in der Hauptsache abzuwarten.

Der hiesige Antragsgegner kann unmittelbar zur Leistung nach 5 73 SGB Xll verpflichtet
werden. Der Landkreis H. ist nach 55 1 und 3 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften
Buches Sozialgesetzbuch (GVBl. LSA, Nr. 3/2005, S. 8 ff.) örtlicher Träger der Leistungen
nach 5 73 SGB Xll.

Die Kammer beschränkt die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners auf zunächst drei
Monate (Juli bis September 2007). Der Antragsgegner wird noch über den Antrag auf Leis-
tungen nach 5 73 SGB Xll, der in dem formlosen Antrag der Antragsteller vom 2. Juli 2007
enthalten ist (5 16 SGB X), im Rahmen seines Ermessens entscheiden müssen. Der An-
tragsteller wird seinerseits die Fahrkosten nachweisen müssen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des 5 193
SGG.


-11-

Rechtsmittelbelehrung;

Gegen diesen Beschluss ist nach 5 172 Abs. 1 SGG die Beschwerde zum Landessozialge-
richt Sachsen-Anhalt möglich.

Die Beschwerde ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Beschlusses bei dem

Sozialgericht Magdeburg
Breiter Weg 203 - 206
39104 Magdeburg (Postfach 39 11 25, 39135 Magdeburg)

schriftlich oder mündlich zur Niederschrift der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle einzule-
gen.

Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Monatsfrist bei dem

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
im Justizzentrum Halle
Thüringer Straße 16
06112 Halle (Postfach 10 02 57, 06141 Halle)

schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt
wird.

Hilft das Sozialgericht Magdeburg der Beschwerde nicht ab, so legt es diese dem Landessozi-
algericht Sachsen-Anhalt in Halle zur Entscheidung vor.

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