Ausgewählte Rechtsprechung und Rechtsentwicklung
Dienstag, 12. Mai 2015
LSG HES, L 9 AS 600/10 B ER vom 15.11.2010, Hessisches Landessozialgericht
Hessisches Landessozialgericht
L 9 AS 600/10 B ER
S 23 AS 766/10 ER (Sozialgericht Wiesbaden)

Beschluss


In dem Beschwerdeverfahren

A.,
A-Straße, A-Stadt,

Antragstellerin und Beschwerdegegnerin,

gegen

Arbeitsgemeinschaft Limburg-Weilburg - Grundsicherung für Arbeitsuchende -,
vertreten durch die Geschäftsführung, Cahenslystraße 2, 65549 Limburg,

Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin,

hat der 9. Senat des Hessischen Landessozialgerichts in Darmstadt durch den
Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht S. sowie die Richter am
Landessozialgericht K. und Dr. B. am 15. November 2010 beschlossen:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den
Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom
11. Oktober 2010 wird aus den zutreffenden Gründen
des Beschlusses des Sozialgerichts zurückgewiesen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

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Montag, 11. Mai 2015
LSG HES, L 7 AS 41/09 B ER und L 7 AS 42/09 B vom 16.06.2010, Hessisches Landessozialgericht
Hessisches Landessozialgericht

L 7 AS 41/09 B ER und L 7 AS 42/09 B

S 29 AS 1467/08 ER (Sozialgericht Frankfurt am Main)

Beschluss

In den Beschwerdeverfahren

A.,

A-Straße, A-Stadt,

Antragsteller und Beschwerdeführer,

gegen

Rhein-Main-Job-Center GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer,

Geleitsstraße 25, 60599 Frankfurt am Main,

Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin,

hat der 7. Senat des Hessischen Landessozialgerichts in Darmstadt am 16. Juni 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht K., den Richter am
Landessozialgericht H. und den Richter am Sozialgericht R. beschlossen:

I. Die Beschwerden des Antragstellers gegen den
Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom
2. Januar 2009 werden zurückgewiesen.

II. Kosten des Beschwerdeverfahrens mit dem
Az. L 7 AS 41/09 B ER sind auch nicht zu erstatten.

- 2 -

Gründe

Die am 7. Januar 2009 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) eingelegten
Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des SG vom 2. Januar 2009 mit
den sinngemäßen Anträgen,
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 2. Januar 2009
aufzuheben und

a) die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der
Antragsgegnerin vom 28. Oktober 2008 anzuordnen, soweit die Bewilligung
von Arbeitslosengeld II mit Bescheid vom 25. Juli 2008 für den Zeitraum ab
1. September 2008 bis 28. Februar 2009 zurückgenommen oder aufgehoben
ist,

b) Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug unter anwaltlicher Beiordnung
zu bewilligen.

sind zulässig, ohne in der Sache Erfolg zu haben.

1. Statthaft ist das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung
anzuordnen, gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und S. 2 SGG.

Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen
(Anfechtungs-) Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung
haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (S. 1). Ist der
Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden,
kann das Gericht auch die Aufhebung der Vollziehung anordnen (S. 2).

Die Voraussetzungen liegen vor, weil dem Widerspruch des Antragstellers gemäß § 39
Nr. 1 SGB II gesetzlich keine aufschiebende Wirkung zukommt, soweit die Aufhebung
oder Rücknahme der Leistungsbewilligung betroffen ist (so: Sächsisches LSG, 3.11.2008
– L 7 B 154/07 AS-ER; LSG Niedersachsen-Bremen, 30.7.2007 – L 8 AS 186/07; LSG
Berlin-Brandenburg, 2.3.2007 – L 5 B 125/07 AS-ER; LSG Bad.-Württ., 21.11.2006
- L 8 AS 4680/06 ER-B; Thür. LSG, 14.8.2006 – L 7 AS 772/05 ER; LSG Schleswig-
Holstein, 5.7.2006 – L 6 B 196/06 AS-ER; LSG Rhld.-Pf., 4.4.2006 – L 3 ER 46/06 AS;
LSG NRW, 31.3.2006 – L 19 B 15/06 AS-ER; a.A. Hess. LSG, 17.7.2007 – L 9 AS
89/07 ER; LSG Sachsen-Anhalt, 27.04.2006 – L 2 B 62/06 AS-ER). Allein hinsichtlich der

- 3 -

Erstattungsregelung kommt dem Widerspruch des Antragstellers ohnehin aufschiebende
Wirkung zu, wie § 39 Nr. 1 SGB II idF des Gesetzes zur Neuausrichtung der
arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl I 2917) – SGB II F. 2009 -
nach Auffassung des Senats mit Wirkung ab 1. Januar 2009 nur klarstellt (so auch:
Sächsisches LSG, 10.12.2007 - L 2 B 442/07 AS-ER; Berlit, info also 2005, 3, 5; Eicher in
Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 39 Rn. 12; Groth, NJW 2007, 2294 f. und
Udsching/Link, SGb 2007, 513, 518; anderer Auffassung zB der 3. Senat des Sächs.
LSG in ständiger Rechtsprechung, vgl. zB Beschlüsse vom 16. Juli 2007 - L 3 B
381/06 AS-ER und 1. November 2007 - L 3 B 292/07 AS-ER; jeweils m.w.N.).

Ist der Antrag damit zulässig, insbesondere statthaft, liegen gleichwohl die
Voraussetzungen für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht vor.
Einen ausdrücklichen gesetzlichen Maßstab für die gerichtliche Anordnung der
aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage sieht § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG
nicht vor. Entscheidungserheblich ist, ob im Rahmen einer offenen Interessenabwägung
einem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes Vorrang
gegenüber schützenswerten Interessen des Adressaten einzuräumen ist (vgl. Krodel,
NZS 2001, S. 449 ff. m.w.N.). Sind Widerspruch oder Klage in der Hauptsache
offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf Anordnung der
aufschiebenden Wirkung ohne weitere Interessenabwägung grundsätzlich abzulehnen,
weil der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes kein
schützenswertes Interesse des Bescheidadressaten entgegenstehen kann. Sind
dagegen Widerspruch oder Klage in der Hauptsache offensichtlich zulässig und
begründet, ist hingegen dem Antrag stattzugeben, weil dann kein öffentliches Interesse
an der sofortigen Vollziehung besteht. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens,
wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen
Rechtsschutz nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden,
welchem Interesse bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache Vorrang einzuräumen
ist. Dabei darf einerseits in die Abwägung einfließen, dass der Gesetzgeber für den
Regelfall die sofortige Vollziehung vorgesehen hat, solange das Rechtsschutzinteresse
des Antragstellers unter Beachtung seiner Rechte aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG
berücksichtigt bleibt; insbesondere mit einer sofortigen Vollziehung keine schwere,
unzumutbare Härte für ihn verbunden ist. Andererseits ist dem Aussetzungsinteresse des

Antragstellers je eher der Vorrang einzuräumen, desto wahrscheinlicher sein Erfolg in der

Hauptsache ist (Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Aufl., § 86b, Rn. 12c m.w.N.).

- 4 -

Der anderslautende Maßstab des § 86a Abs. 3 S. 2 SGG, nach dem der
Sozialleistungsträger von sich aus die Vollziehung aussetzen soll, wenn ernstliche
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes im Sinne des
§ 86 a II Nr. 1 SGG bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder
Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen
gebotene Härte zur Folge hätte (§ 86 a III S. 2 SGG), ist zwar im Rahmen des
gerichtlichen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG zu beachten, gilt aber
als spezialgesetzliche Regelung nur für die ausdrücklich in § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG
genannten Bescheide, insbesondere Versicherungs-, Beitrags und Umlagebescheide
(Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Aufl., § 86b Rn. 12b m.w.N. auch zur Gegenansicht).

Hiernach ist davon auszugehen, dass der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin
mit der Folge als rechtmäßig anzusehen ist, dass ein berechtigtes Aufschubinteresse des
Antragstellers ausgeschlossen ist.

Die Befugnis zur Aufhebung oder Rücknahme der Leistungsbewilligung folgt aus § 40
Abs. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 oder 3 SGB III und § 45 Abs. 1, Abs. 2 S. 3 Nr. 2,
Abs. 3 - 5 SGB X oder § 48 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 und S. 3 und Abs. 4 SGB X.

Danach ist ein Bewilligungsbescheid auch für die Vergangenheit aufzuheben, wenn er
rechtswidrig ist und die Bewilligung auf mindestens grob fahrlässig falschen oder
unterbliebenen Angaben beruht, zu deren Mitteilung der Bescheidadressat durch
Rechtsvorschrift verpflichtet ist.

Das ist vorliegend der Fall, weil die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom
25. Juli 2008 Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 1. September 2008 bis
28. Februar 2009 bewilligt hat, obwohl die Leistungsvoraussetzungen jedenfalls ab dem
1. September 2008 nicht vorgelegen haben.

Gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Gesetz Personen, die
das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im
Bundesgebiet haben. Zu den zu gewährenden Leistungen gehören als
Arbeitslosengeld II insbesondere die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 Nr. 1
SGB II). Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt und den
Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder

- 5 -

nicht ausreichend aus eigenen Mitteln oder aus den zu berücksichtigenden Einkommen
oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere
von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Die danach erforderliche Hilfebedürftigkeit des Antragstellers hat entgegen seiner
Angaben im Weiterzahlungsantrag vom 20. Juli 2008 nicht vorgelegen. Insoweit stützt
sich der Senat auf die öffentlichen Außerungen des Antragstellers in privaten
Medienunternehmen, in denen er selber angegeben hat, Arbeitslosengeld II zu erhalten,
obwohl er nicht bedürftig sei. Soweit der Antragsteller im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren behauptet, die Außerungen seien nur Ausdruck einer Provokation
in den Fernsehmedien gewesen, tatsächlich verfüge er entgegen seiner Außerungen
über kein Einkommen, ist er nicht glaubwürdig. Entgegen seiner Behauptung haben im
Beschwerdeverfahren sowohl XY.Produktions-GmbH (XY.) als auch ZZ. Service GmbH
bestätigt, an den Antragsteller im Bewilligungszeitraum Honorare gezahlt zu haben.

Erschüttert ist die Glaubwürdigkeit des Antragstellers darüber hinaus besonders, weil er
zunächst die Verwechslung des Vornamens durch XY. dazu benutzt hat, vorsätzlich
wahrheitswidrig zu behaupten, das Honorar habe allenfalls ein anderes Familienmitglied
erhalten und sich letztlich zu diesem Vorhalt trotz Aufforderung auch nicht mehr geäußert
hat.

Aufgrund dieser erheblichen Täuschung des Senats ist davon auszugehen, dass der
Antragsteller entgegen seiner Mitwirkungsobliegenheit nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 und 2
SGB I vorsätzlich seine Bedürftigkeit falsch behauptet oder wenigstens eine wesentliche
Anderung nicht mitgeteilt hat. Ungeachtet dessen soll es allein der Antragsgegnerin als
Geschädigte vorbehalten bleiben, ggf. nach eigener Prüfung Strafanzeige zu erstatten.

Nicht zu entscheiden ist, ob die Bedürftigkeit bereits bei Erlass des
Bewilligungsbescheides vom 25. Juli 2008 oder erst zu Beginn des
Bewilligungszeitraumes weggefallen ist. Für beide Sachverhaltsalternativen liegen die
Voraussetzungen für eine Aufhebung oder Rücknahme der Bewilligung vor.

Insbesondere die weiter erforderlichen Fristen sind eingehalten.
Rechtfertigt allein die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids kein vorrangiges
Vollzugsinteresse des Leistungsträgers, ist das hier ausnahmsweise der Fall, weil ein
öffentliches Interesse daran besteht, einen öffentlich zur Schau gestellten
Leistungsmissbrauch rechtzeitig korrigieren zu können.

- 6 -

2. Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das SG die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe unter anwaltlicher Beiordnung für das Ausgangsverfahren abgelehnt
hat.

Insoweit fehlt es bereits an einem Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers, weil er im
Ausgangsverfahren nicht anwaltlich vertreten gewesen ist und daher im Rahmen der
Prozesskostenhilfe übernahmefähige Kosten nicht angefallen sein können.

Einer Kostenentscheidung bedarf es insoweit nicht, da das Bewilligungsverfahren wie
das Hauptsacheverfahren kostenfrei ist (§ 183 SGG) und eine Erstattung der dem
Gegner entstandenen Kosten ausgeschlossen ist (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 118
Abs. 1 S. 4 ZPO, für Beschwerdeverfahren: § 127 Abs. 4 ZPO).

3. Die Kostenentscheidung in dem Beschwerdeverfahren mit dem Az. L 7 AS 41/09 B ER
beruht auf dem Ausgang des Rechtsstreits entsprechend § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit einer weiteren Beschwerde angefochten werden
(§ 177 SGG).

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