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Mittwoch, 1. Juli 2015
SG DD, S 12 AS 192/15, 29.04.2015, Sozialgericht Dresden
anselmf
Beglaubigte Abschrift
S 12 AS 192/15 SOZIALGERICHT DRESDEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL In dem Rechtsstreit — Kläger - gegen Landkreis Meißen Jobcenter Meißen, vertreten durch den Landrat, Brauhausstraße 21, 01662 Meißen — Beklagter — hat die 12. Kammer des Sozialgerichts Dresden auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 2015 in Dresden durch die Richterin am Sozialgericht und die ehrenamtli— chen Richter Herr und Frau für Recht erkannt: 1. Der Beklagte wird verurteilt, den Überprüfungsantrag des Klägers vom 11.07.2014, eingegangen am 11.07.2014, auf Überprüfung aller Leistungsbe- scheide für ihn und seinen Sohn rückwirkend zum 01.09.2013 zu bescheiden. II. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers. — 2 — S 12 AS 192/15 Tatbestand: Gegenstand des Verfahrens ist eine Untätigkeitsklage, mit welcher der Kläger die Verurtei- lung des Beklagten zur Entscheidung über seinen Überprüfungsantrag vom 11.07.2014 be— gehrt. Der im Jahr geborene Kläger bewohnt seit Mai 2010 eine 74 m2 große erdgasbeheizte Drei-Raum—Wohnung in Meißen. Die monatliche Gesamtmiete für diese Wohnung beträgt Euro und setzt sich aus einer Grundmiete von Euro und den Vorauszahlun- gen für Heiz— und Warmwasserkosten von Euro sowie für sonstige Betriebskosten von Euro zusammen. Vor dem Amtsgericht Meißen schlossen der Kläger und seine von ihm getrenntlebende Ehefrau am 22.08.2013 eine Vereinbarung dahingehend, dass sie die elterliche Sorge für den im Jahre geborenen gemeinsamen Sohn des Klägers künftig gemeinsam ausüben werden und das Kind sich im wöchentlichen Wechsel bei jedem Elternteil aufhalten wird. Das Kindergeld für den Sohn des Klägers erhält die Kindsmutter. Der Kläger bezieht vor— läufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II und erhält seit dem 01.09.2013 den Regelsatz für seinen Sohn sowie den alleinerziehenden Mehrbedarf anteilig zu 50 % ausgezahlt. Mit Schreiben vom 11.07.2014, eingegangen beim Beklagten per Fax am gleichen Tage, machte der Kläger geltend, dass sein Sohn entgegen der familienrechtlichen Vereinbarung nicht im Wechselmodel beim Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau lebt, sondern sich bei der Kindesmutter maximal zwei Tage pro Woche, nämlich von Mittwochabend 17:30 Uhr bis zum Kitabeginn am Donnerstagmorgen sowie von Freitagabend bis Sams— tagabend, maximal Sonntagmorgen, aufhält. Dass der Regelsatz und der alleinerziehenden Mehrbedarf vor diesem Hintergrund nur hälftig gezahlt würden, sei aufgrund der tatsächli— chen Gegebenheiten nicht korrekt. — 3 — S 12 AS 192/15 Am 12.01.2015 hat der Kläger die hier streitgegenständliche Untätigkeitsklage mit dem Ziel erhoben, den Beklagten zu verpflichten. über den Überprüfungsantrag vom 11.07.2014 zu entscheiden. Zur Begründung hat er ausgeführt, für die Nichtbescheidung sei kein zureichender Grund erkennbar. Auch auf die Nachfrage vom 09.12.2014 sei eine Reaktion des Beklagten nicht erfolgt. Der Kläger beantragt, den Beklagten zum Erlass eines rechtmäßigen Bescheides mit Leistungen in rechtmäßiger Höhe zu verpflichten. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er ist der Auffassung. dass die begehrte Überprüfungsentscheidung noch nicht habe getrof— fen werden können. da der insofern maßgebliche Sachverhalt noch nicht geklärt sei. Der Kläger habe sich zu dem konkreten Umfang des Aufenthaltes seines Sohnes bei sich nicht näher erklärt und auch mit der Klage keine genauen Angaben gemacht. Darüber hinaus handele es sich bei dem geltend gemachten Mehrbedarf lediglich um eine bedarfserhöhen— de Position, die nicht gesondert beansprucht werden könne. Es könne sich lediglich unter Zugrundelegung eines insoweit bestehenden höheren Bedarfs ein höherer Leistungsan- spruch insgesamt ergeben. Eine diesbezügliche Prüfung setze jedoch eine bestehende Klarheit insbesondere über die Einkommensverhältnisse des Klägers in dem zu überprü— fenden Leistungszeitraum ab 2013 voraus. Hierüber habe sich der Kläger nicht erklärt. Ab— gesehen hiervon sei ein Anspruch auf höhere SGB—II—Leistungen auch dann nicht gegeben. wenn der leistungsrechtliche Bedarf ohne Notwendigkeit erhöht werde. Zwischen dem Kläger und seiner zwischenzeitlich geschiedenen Frau sei vor dem Familiengericht Meißen eine Umgangsregelung getroffen worden. Diese Regelung sei auch durch keine neue rich- terliche Entscheidung abgeändert worden. Dass eine anderweitige Praktizierung zwingend erforderlich sei, sei nicht dargelegt worden. — 4 — S 12 AS l92/15 Hinsichtlich des weiteren Sach— und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten. die beigezo— genen Verfahren S 43 AS 4197/14, S 43 AS 2298/14 ER sowie S 43 AS 5294/14 ER und ' die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die dem Gericht vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren. Entscheidungsgründe: Die fom— und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig und begründet. Der Beklagte war verpflichtet. über den Überprüfungsantrag des Klägers vom 11.07.2014 grundsätzlich in— nerhalb der Frist des § 88 Abs. l Satz 1 SGG zu entscheiden. Nach § 88 Abs. l Satz l SGG ist eine Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes zulässig, wenn ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht be— schieden worden ist. Die Frist war bei Klageerhebung abgelaufen und der für einen zu— reichenden Grund darlegungspflichtige Beklagte hatte keinen hinreichenden Grund für die Nichtbescheidung. Soweit der Beklagte in der Klageerwiderung vorgetragen hat. der Klä- ger habe sich zum konkreten Umfang des Aufenthaltes seines Sohnes bei sich nicht näher erklärt, ist dies nicht zutreffend. Der Kläger hatte bereits in seinem Überprüfungsantrag vom l.07.2014 genau dargestellt, in welchen Zeiträumen sich sein Sohn bei der geschie- denen Ehefrau aufhält und damit in welchen anderen Zeiträumen bei ihm. Insofem er— scheint die erneute Nachfrage des Beklagten im Schreiben vom 19.08.2014 an den Kläger diesbezüglich nicht nachvollziehbar, da der Kläger die Antwort auf die Frage schon gege— ben hatte. Die Einholung weiterer Auskünfte, insbesondere von der geschiedenen Ehefrau des Klägers obliegt der Amtsermittlungspflicht des Beklagten. Der Beklagte hätte im Rahmen dieser Pflicht eine Bestätigung der geschiedenen Ehefrau selbst anfordern können und müssen. Zutreffend hat der Kläger hervorgehoben, dass er in Kenntnis der Tatsache, dass es sich bei dem Mehrbedarf nur um eine bedarfserhöhende Position handelt, eine Überprüfung der Leistungsbescheide insgesamt für den Überprüfungszeitraum beantragt hat. Eine etwaige — 5 — S 12 AS l92/l5 fehlende Mitwirkung des Klägers für die Neuberechnung des gesamten Anspruches stellt keinen sachlichen Grund für die Nichtbescheidung des Überprüfungsantrages dar. Gegebe— nenfalls nach Prüfung der entsprechenden Voraussetzungen muss der Leistungsträger nämlich nach § 66 SGB I vorgehen, um einer Untätigkeitsklage die Grundlage zu entzie— hen (BSG, Uiteil vom 26.08.1994, L 13 RJ 17/94; LSG Nordrhein—Westfalen, Beschluss vom 16.05.2013 L 19 AS 535/13 B). Auch im vorliegenden Falle gilt nichts anderes. Ne- ben einer Versagungsentscheidung hätte der Beklagte darüber hinaus die Möglichkeit ge- habt, über den Anspruch des Klägers erneut vorläufig zu entscheiden. Es ist kein Grund erkennbar, warum eine vorläufige Entscheidung auch nach Ablauf des Bewilligungszeit— raumes nicht zulässig sein sollte. Die Kammer teilt die insofern vom LSG Sachsen im PKH—Beschluss vom 23.01.2013 (L 7 AS 1033/12 B PKH) vertretene Auffassung nicht. Die Auffassung, einer Klage auf höhere vorläufige Leistungen fehle das Rechtsschutzbe— dürfnis, wenn der betreffende Leistungszeitraum abgelaufen ist, kann nur dann richtig sein, wenn zugleich der Grund für die Vorläufigkeit entfallen ist. Wenn hingegen eine endgülti- ge Festsetzung für den abgelaufenen Bewilligungszeitraum tatsächlich noch nicht möglich ist, z. B. weil Einkünfte noch nicht sicher feststehen, ist eine Klage auf höhere vorläufige Leistungen auch für diesen Zeitraum zulässig (so zutreffend auch 3. Senat des Sächsischen LSG vom 22.04.2013. Az.: L 3 AS 1310/12 B PKH. SG Berlin, Beschluss vom 29.08.2014 S 197 AS 8527/13, SG Dresden, Urteil vom 27.08.2013, Az.: S 49 AS 2681/12). Weiterhin hätte der Beklagte im Falle unklarer Einkommensverhältnisse die Möglichkeit, das Ein- kommen zu schätzen. Ob die Voraussetzungen einer vorläufigen Bewilligung bei Klageerhebung vorgelegen ha— ben, ist vorliegend jedoch für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich, denn Streitge— genstand ist lediglich die Pflicht des Beklagten zur Bescheidung. Insofern genügt hier die Feststellung, dass auch eine gegebenenfalls unklare Tatsachengrundlage den Beklagten grundsätzlich nicht daran hindert, über einen Antrag zu entscheiden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache. Die Berufung ist von Gesetzes wegen zulässig, da der Gesamtbetrag der in Streit stehenden Leistungen den Beschwerdewert nach § 144 Abs. l Nr. l SGG übersteigt. — 6 — S 12 AS 192/15 Rechtsmittelbelehrung Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Sächsischen Landessozialgericht. Kauffahrtei 25, 09120 Chemnitz. schriftlich, mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäfts— stelle oder in elektronischer Form einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Dresden. Fachgerichtszentrum, Hans-Oster-Straße 4, 01099 Dresden schriftlich, mündlich zur Niederschrift des Ur- kundsbeamten der Geschäftsstelle oder in elektronischer Form eingelegt wird. Die elektronische Form wird durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa über den elektronischen Rechts- verkehr in Sachsen (SächsERVerkVO) vom 6. Juli 2010 (SächsGVBl. S. 190) in den elektronischen Ge- richtsbrielkasten zu übermitteln ist: nähere Hinweise finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de, Die Einlegung der Berufung durch einfache E-Mail wahrt daher die Form nicht. Es wird darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel innerhalb der Frist in der vorgeschriebenen Form einzulegen ist. Die Berufungsschritt soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Die Vorsitzende der 12. Kammer Richterin am Sozialgericht Für die Richtigkeit der Abschrift: Sozialgericht Dresden Dresden, den 06.05.2015 Sozialgericht Dresden Dresden, den 29.04.2015 - öffentliche Sitzung - S 12 AS 192/15 Niederschrift über die mündliche Verhandlung der 12. Kammer In dem Rechtsstreit - Kläger — gegen Landkreis Meißen Jobcenter Meißen, vertreten durch den Landrat, Brauhausstraße 21, 01662 Meißen - Beklagter - Anwesend: Vorsitzende: Richterin am Sozialgericht ehrenamtlicher Richter Herr ehrenamtliche Richterin Frau Auf die Hinzuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle wird verzichtet. Die Vor- sitzende übernimmt die Protokollierung durch Aufzeichnung auf einem Tonträger. Nach Aufruf der Sache erscheinen: fiir den Kläger der Kläger persönlich für den Beklagten Herr unter Berufung auf eine bei Gericht hinterlegte Generalterminsvoll- macht sowie Herr , - 2 – S 12 AS 192/15 Beigezogen ist die Verwaltungsakte des Beklagten unter dem Az.: 1104.0012157, die zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wird. Die Vorsitzende eröffnet die mündliche Verhandlung und trägt den Sachverhalt vor. So- dann erhalten die Beteiligten das Wort. Das Sach— und Streitverhältnis wird mit ihnen erör- tert. Der Kläger erklärt: Bis Juli 2014 war meine geschiedene Frau wegen ihrer Ausbildung nicht in der Lage, das vorm Familiengericht geschlossene Wechselmodel einzuhalten, weshalb mein Sohn sich mehr bei mir als bei ihr aufgehalten hat. Deshalb habe ich den Überprüfungsantrag gestellt, wobei ich den Antrag im Hinblick auf den Regelsatz bezüglich meines Sohnes zwischen— zeitlich zurückgenommen habe und nur den Antrag auf den erhöhten alleinerziehenden Mehrbedarf aufrechterhalten habe, weil ich im Hinblick auf meinen Sohn nicht mehr genau angeben kann, an welchen Tagen er bei mir war. Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, über den Überprüfungsantrag des Klägers vom 11.07.2014, eingegangen am 11.07.2014, auf Überprüfung aller Leistungsbe- scheide für ihn und seinen Sohn rückwirkend zum 01.09.2013 zu bescheiden. - vorgespielt und genehmigt ' Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. - vorgespielt und genehmigt - Die Vorsitzende schließt die mündliche Verhandlung. Das Gericht zieht sich zur geheimen Beratung zurück. -3- S 12 AS 192/15 Nach geheimer Beratung verkündet die Vorsitzende IM NAMEN DES VOLKES folgendes Urteil: 1. Der Beklagte wird verurteilt, den Überprüfungsantrag des Klägers vom 11.07.2014, eingegangen am 11.07.2014, auf Überprüfung aller Leistungsbescheide für ihn und seinen Sohn rückwirkend zum 01.09.2013 zu bescheiden. 2. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers. Der wesentliche Inhalt der Entscheidungsgründe wird den Beteiligten mitgeteilt. - F.d.R.d.Ü.V. Tonträger - Richterin am Sozialgericht Justizbeschäftigte Beginn der Verhandlung: Ende der Verhandlung: Faksimile ... comment 0 Kommentare |
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