Ausgewählte Rechtsprechung und Rechtsentwicklung
Montag, 11. Mai 2015
SG R, S 2 KR 379/08 vom 18.02.2010, Sozialgericht Regensburg
S 2 KR 379/08

SOZIALGERICHT REGENSBURG

In dem Rechtsstreit

- Kläger -

Proz.-Bev.:

gegen

...-Krankenkasse,

- Beklagte -

erlässt die Vorsitzende der 2. Kammer, Richterin am Sozialgericht G., ohne
mündliche Verhandlung am 9. September 2009 folgenden

Beschluss:

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

- 2 — S 2 KR 379/08

Gründe:

Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für seinen Rechtsstreit gegen die Beklagte.

Streitgegenstand des zu Grunde liegenden Rechtsstreites ist, ob der Kläger von
der Beklagten eine pauschale vorherige Genehmigung für Fahrten zur ambulanten
Behandlung verlangen kann und die Beklagte ferner verpflichtet ist, im Nachhinein
auch die vorherige Genehmigung für alle in der Vergangenheit ab dem 26.04.2007
durchgeführten entsprechenden Fahrten zu erteilen.

Mit Schreiben vom 13.07.2008, 21.07.2008, 22.07.2008 und 21.08.2008 beantrag-
te der Kläger bei der Beklagten die vorherige Genehmigung für Fahrten zur ambu—
lanten Behandlung — unter anderem unter Auflistung einzelner bereits durchgeführ— .
ter Fahrten und diesbezüglich entstandener Kosten. Darüber hinaus beantragte er,
Vorschusszahlung und vorläufige Leistung nach §§ 42 und 43 SGB l.

Mit Bescheid vom 13.08.2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine pau-
schale Genehmigungserteilung nicht möglich sei, sondern im Einzelfall jeweils die
Voraussetzung zur vorherigen Genehmigung zu prüfen sei, weswegen weitere ln-
formationen benötigtwerden. Bezüglich der Fahrtkosten zur ambulanten Behand-
lung bei Herrn Dr. W. am 21.07.2008 könnten Fahrtkosten nicht erstattet wer—
den, da die diesbezüglichen Voraussetzungen (inhaltlich unter Bezugnahme auf
die Krankentransportrichtlinien) nicht vorliegen würden.

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 17.08.2008 und 20.08.2008 Wider-
spruch ein, wobei er zügleich weitere ambulante Behandlungen mitteilte und um
eine entsprechende Fahrtkostenerstattung und eine vorherige Genehmigung er-
suchte. Zugleich verweigerte er unter Hinweis auf den Datenschutz die von der
Beklagten zuvor begehrten weiteren Auskünfte zur Prüfung der Genehmigungser—

- 3 - S 2 KR 379/08

teilung zur ambulanten Behandlung im Einzelfall.

Per Schriftsatz vom 20.08.2008 beantragte der Kläger für weitere in der Zukunft
beabsichtigte Arztbesuche die vorherige Genehmigung und die Erstattung der
entsprechend anfallenden Fahrtkosten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2008 wies die Beklagte den Widerspruch
des Klägers zurück, wobei sie ausführte, dass für eine entsprechende Genehmi-
gungserteilung und eine Übernahme der Fahrtkosten die notwendigen Vorausset-
zungen nach 5 60 SGB V in Verbindung mit 5 8 der Krankentransportrichtlinien für

andere als die Fahrten zur Dialyse nicht erfüllt seien.

Dagegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16.12.2008, beim Sozialgericht Re-
gensburg am 18.12.2008 eingegangen, Klage erhoben und beantragt, die Beklag-
te zu verurteilen, vorherige Genehmigungen betreffend die Fahrten des Klägers zu
ambulanten Behandlungen und die diesbezüglich anfallenden Fahrtkosten zu er-
teilen. Zugleich stellte er einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe.

Mit Schriftsatz vom 23.02.2009 hat der Kläger darüber hinaus beantragt, die Be-
klagte zu verurteilen, vorherige Genehmigungen auch für die Vergangenheit, das
heißt für alle Fahrten ab dem 26.04.2007, zu erteilen. Hilfsweise seien ihm die
bisher angefallenen Fahrtkosten nach § 13 Abs. 3 SGB V zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe man-
gels Erfolgsaussicht der Klage abzulehnen.

Das Gericht hat die Beklagtenakte, sowie die Schwerbehindertenakte des Klägers
vom Zentrum Bayern Familie und Soziales, ferner die Akten des Sozialgerichts
Regensburg S 2 KR 264/08, S 2 KR 175/09, S 2 KR 296/08 und S 2 KR 284/08
zum Verfahren beigezogen, auf deren Inhalt im Übrigen ergänzend Bezug ge-
nommen wird.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

-4- S 3 KR 379/08

Nach § 73 a Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 S. 1
Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil
oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beab-
sichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Er-
folg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Vorliegend scheidet die Gewährung von Prozesskostenhilfe schon deshalb aus,
weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, da für die Rechtsverfol-
gung nicht einmal eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit besteht, so dass es auf
die weiteren Voraussetzungen nicht ankommt. In den Zusammenhang hat die
Kammer auch verfassungsrechtliche Vorgaben (vor allem das Verbot überspannt
ter Anforderungen um eine Rechtsschutzgleichheit zwischen bemittelten und un-
bemittelten Klägern zu gewährleisten (Art. 3, 19 IV, 20 Ill GG)) berücksichtigt, da
hier vorliegende Rechtsfragen angesichts der gesetzlichen Regelung ohne
Schwierigkeiten beantwortet werden können (vergleiche dazu Bundesverfas-
sungsgericht, Beschluss vom 14.06.2006, Aktenzeichen 2 BvR 626/06) und eine
Beweiserhebung nicht notwendig ist (vgl. Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG,
9.Aufl., ä73a Rn. 7a).

Gemäß § 60 Abs. 1 SGB V übernimmt die Krankenkasse nach den Abs. 2 und 3
die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 (Fahrtkosten),
wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingen-
den medizinischen Gründen notwendig sind. Welches Fahrzeug dabei benutzt
werden kann, richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall.
Nach § 60 Abs. 1 S. 3 SGB V übernimmt die Krankenkasse Fahrkosten zu einer
ambulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 S. 1 ergebenden Betra—
ges nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der
Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 12
festgelegt hat.

- 5 - S 2 KR 379/08

Von dieser Ermächtigung hat der Gemeinsame Bundesausschuss Gebrauch ge- '
macht und die Krankentransportrichtlinien in der Fassung vom 22.01.2004 erlas-
sen.

Gemäß § 8 der Krankentransportrichtlinien können in besonderen Ausnahmefällen
auch Fahrten zur ambulanten Behandlung außer den in § 7 Abs. 2 Buchstabe b
und c geregelten Fällen bei zwingender medizinischer Notwendigkeit von der
Krankenkasse übernommen und vom Vertragsarzt verordnet werden, wobei sie
der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse bedürfen.

Voraussetzung ist demnach unter anderem eine Verordnung des Vertragsarztes
gemäß § 2 der Krankentransportrichtlinien. Danach hat der Vertragsarzt die Not-
wendigkeit der Beförderung nach § 3 der Krankentransportrichtlinien zu prüfen
und das erforderliche Transportmittel nach Maßgabe der §§ 4 bis 7 auszuwählen,
wobei die Verordnung auf dem vereinbarten Vordruck entsprechend der Anlage 1
der Krankentransportrichtlinien auszustellen ist. Nicht erforderlich ist jedoch eine
vertragsärztliche Verordnung bei Fahrten mit einem privaten Kraftfahrzeug oder
mit einem öffentlichen Verkehrsmittel (vergleiche § 2 Abs. 3 Krankentransportricht-
linien).

Vorliegend mangelt es schon an einer entsprechenden vertragsärztlichen Verord-
nung, auf die es allerdings nicht ankommt, sofern der Kläger Fahrten mit dem pri-
vaten Kraftfahrzeug und die entsprechende Kostenübernahme begehrt.

Aber auch ohne vertragsärztliche Verordnung hat die Klage zur Überzeugung der
Kammer keine Aussicht auf Erfolg, da die sonstigen Voraussetzungen des § 8 der
Krankentransportrichtlinien vorliegend nicht gegeben sind.

Nach dem Wortlaut und der Systematik des § 8 der Krankentransportrichtlinien
können Fahrten zur ambulanten Behandlung außer den ausdrücklich genannten
Fällen lediglich in "besonderen Ausnahmefällen" und "bei zwingender medizini-
scher Notwendigkeit " von der Krankenkasse übernommen werden.

Unter § 8 Abs. 2 und S. 3 der Krankentransportrichtlinien sind die einzelnen Vor-
aussetzungen für eine Genehmigung beziehungsweise eine mögliche Genehmi-
gung seitens der Krankenkasse im Einzelnen aufgeführt. Ein Fall nach § 8 Abs. 2
der Krankentransportrichtlinien liegt hier nach Überzeugung der Kammer nicht vor,
da der Kläger außerhalb der Dialysebehandlung nicht mit einem vorgegebenen
Therapieschema behandelt wird, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen

- 6 — S 2 KR 379/08

längeren Zeitraum aufweist. Ein solches wurde weder vorgetragen noch lässt es
sich aus den sonstigen übersandten Unterlagen entnehmen. Insbesondere leidet I
der Kläger ausweislich der beigezogenen Schwerbehindertenakte - abgesehen
von der Nierentransplantation in Heilungsbewährung - nicht unter entsprechenden
Gesundheitsstörungen, die ein entsprechendes Therapieschema mit einer hohen
Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum rechtfertigen. Zwar liegen bei
dem Kläger außerhalb der Nierentransplantation in Heilungsbewährung eine Viel-
zahl von Erkrankungen vor, die jeweils für sich aber nicht mit einem vorgegebenen
Therapieschema behandelt werden, und daher für sich nicht die hohe Behand-
lungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweisen.

Daneben kommt nach Überzeugung der Kammer auch keine Genehmigung der
Fahrten zur ambulanten Behandlung nach 5 8 Abs. 3 der Krankentransportrichtli-
nien in Betracht.

Das Merkzeichen '"aG" ist ausweislich des Bescheides des Zentrum Bayern Fami-
lie und Soziales vom 06.03.2009 nicht vergeben.

Aber auch eine Genehmigung der begehrten Fahrten nach § 8 Abs. 3 S. 2 SGB V
scheidet nach Überzeugung der Kammer aus, da dies neben der vergleichbaren
Beeinträchtigung der Mobilität entsprechend dem Merkzeichen aG, BL, H oder der
Pflegestufe II, einer ambulanten Behandlung über einen längeren Zeitraum und
einer zwingenden medizinischen Notwendigkeit bedarf und es sich dabei um einen
besonderen Ausnahmefall handeln muss (vergleiche § 8 Abs. 1 der Krankentrans—
portrichtlinien, der nach seiner Systematik auch zur Beurteilung des § 8 Abs. 3 der
Krankentransportrichtlinien heranzuziehen ist).

In Anbetracht des Willens des Richtliniengebers (für die Krankentransportrichtli-
nien) und des Gesetzgebers (§ 60 Abs. 1 S. 3 SGB V), der Systematik und des
eindeutigen Wortlauts kommt eine Übernahme von Krankenfahrten zur ambulan-
ten Behandlung gemäß § 8 der Krankentransportrichtlinien nur in besonderen
Ausnahmefällen in Betracht (siehe auch § 60 Abs. 1 S. 3 SGB V).

In Anbetracht der in Anlage 2 der Krankentransportrichtlinien (beispielhaft) ge-
nannten Ausnahmefälle (Dialysebehandlung, onkologische Strahlentherapie, on—
kologische Chemotherapie) sollen Fahrkosten zur ambulanten Behandlung nur im
Falle schwerwiegender und die Mobilität erheblich beeinträchtigender Erkrankun-
gen und Behandlungen gewährt werden.

- 7 - S 2 KR 379/08

Mit der Wortwahl "besonderer Ausnahmefall" haben sowohl Gesetzgeber als auch >
Richtliniengeber zum Ausdruck gebracht, dass es sich nicht nur um einen Aus-
nahmefall, sondern zudem noCh um einen besonderen Ausnahmefall handeln
muss, um Krankenfahrten zur ambulanten Behandlung übernehmen zu können.
Um einen solchen handelt es sich nach Überzeugung der Kammer bei dem Kläger
im Rahmen der beantragten vorliegenden Kostenübernahme nicht.

Die Klage hat daher schon aus diesem Grund keine Aussicht auf Erfolg.

Darüber hinaus ist der Beklagten zuzustimmen, wenn sie ausführt, dass eine pau-
schale Vorabgenehmigung nicht möglich ist, da in jedem Einzelfall die Vorausset-
zungen des § 8 der Krankentransportrichtlinien geprüft werden müssen, so dass
die Klage auch aus diesem Grunde keine Aussicht auf Erfolg hat.

Soweit der Kläger einen entsprechenden Anspruch auf Übernahme der Fahrkos-
ten aus § 13 Abs. 3 SGB V herleitet, ergibt sich nichts anderes, da diese Norm le-
diglich als Surrogat für den nicht mehr oder nicht zu erfüllenden Sachleistungsan-
spruch geschaffen wurde; ein entsprechender Anspruch auf Sachleistung (das
heißt schon im Vorfeld Freistellung von den anfallenden Parkgebühren) steht dem
Kläger nach dem oben Gesagten gerade nicht zu.

Soweit sich der Kläger auf einen entsprechender Anspruch auf § 43 Abs. 1 S. 2
SGB I stützt, ist ein entsprechender Anspruch auf "Sozialleistungen" weder gegen
die Beklagte noch gegen einen sonstigen Leistungsträger gegeben. Was in dem
Zusammenhang unter Sozialleistungen zu verstehen ist, lässt sich aus § 11, §§ 18
ff SGB l entnehmen. Für die im Rahmen der Inanspruchnahme ärztlicher Behand-
lung anfallenden Fahrtkosten ist die Krankenkasse der zuständige Leistungsträ-
ger. Ein entsprechender Anspruch lässt sich einzig auf § 60 SGB V stützen. Die
diesbezüglichen Voraussetzungen liegen nach dem oben Gesagten nicht vor.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist daher mangels Erfolgsaus-
sicht der Klage abzulehnen.

-8- SZKR 379/08

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist gemäß §§ 73a, 172 Abs.1 SGG iVm § 127 Abs.2 Satz
2 ZPO Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht statthaft. Die Beschwerde ist
binnen eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Sozialgericht Re—
gensburg, Safferlingstraße 23, 93053 Regensburg, schriftlich oder zur Nieder-
schrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist
beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der
Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstel—
le eingelegt wird. '

DieVorsitzende der 2. Kammer

G.
Richterin am Sozialgericht


Faksimile 1 2 3 4 5 6 7 8

L 5 KR 382/09 B PKH

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