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Sonntag, 10. Mai 2015
LSG RPF, L 5 KR 43/07 vom 06.09.2007, Landessozialgericht Rheinland-Pfalz
anselmf
Verkündet am: 06.09.2007
L 5 KR 43/07 S 6 KR 140/05 L Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle IM NAMEN DES VOLKES URTEIL In dem Rechtsstreit - Klägerin und Berufungsklägerin - Prozessbevollmächtigter: gegen AOK - Die Gesundheitskasse in Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Vorstand, Virchowstraße 30, 67304 Eisenberg - Beklagte und Berufungsbeklagte — hat der 5. Senat des Landessozialgerichts Rheinland—Pfalz in Mainz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06.09.2007 durch Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Dr. F. Richterin am Landessozialgericht Dr. J. Richter am Landessozialgericht W. ehrenamtliche Richterin O. ehrenamtlichen Richter I. für Recht erkannt: - 2 - 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 28.11.2006 wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand Streitig ist die Erstattung von Fahrkosten für Fahrten zu einer ambulanten einmal wöchentlich durchzuführenden LDL-ApheresebehandIung sowie die Übernahme von Fahrkosten als Sachleistung. Die 1948 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Unter Vorlage eines Attests der Gemeinschaftspraxis Dres. H /A , I , vom 29.01.2004 beantragte sie bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Fahrten zu einer wöchentlichen LDL-Apheresetherapie. ln dem Attest wurde ausgeführt, die Klägerin leide an einer schwersten familiären Fettstoffwechselerkrankung mit der Folge einer koronaren Herzerkrankung. Ihr Gesundheitszustand sei derzeitig ausschließlich durch eine wöchentliche LDL-Apheresetherapie zu stabilisieren, die ebenso wie eine Dialysebehandlung im Kern eine Blutwäsche beinhalte. Die Klägerin werde dabei an beiden Oberarmen punktiert und müsse während der Behandlungszeiten ca. 1,5 Stunden unbeweglich sitzen. Während der Behandlung werde die Blutgerinnung stark verändert, so dass sie für mehrere Stunden nach der Behandlung vermehrt blutungsgefährdet sei. Aus diesem. Grund empfehle es sich, dass die Klägerin von einer Begleitperson zur Behandlung gebracht und wieder nach Hause zurückgefahren werde. Von der Beeinträchtigung des Organismus her sei die gesamte Behandlung durchaus mit einer Dialysetherapie zu vergleichen. Mit Schreiben vom 17.02.2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, - 3 - die Kosten für die Fahrten mit einem Pkw würden übernommen. Für Januar und Februar 2004 erfolgte sodann eine Kostenerstattung. Mit Schreiben vom 18.03.2004 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme für die Zukunft mit der Begründung ab, nach der Gesundheitsreform könnten Fahrkosten zur ambulanten Behandlung nur in ganz wenigen Ausnahmefällen übernommen werden. Erforderlich sei, dass eine Gefährdung für das Leben bestehe und die Behandlung mindestens zweimal in der Woche erforderlich sei. Die Klägerin legte ein Attest der Gemeinschaftspraxis Dres. H /A vom 03.05.2004 vor, die angab, durch die wöchentliche Therapie habe der Prozess der koronaren Herzerkrankung der Klägerin weitgehend verhindert werden können. Es werde um Überprüfung gebeten, ob die Klägerin bezüglich ihrer Fahrkosten unterstützt werden könne. Mit Bescheid vom 10.12.2004 und Widerspruchsbescheid vom 09.05.2005 lehnte die Beklagte die Erstattung bzw. Übernahme der beantragten Fahrkosten mit Hinweis auf die Krankentransport-Richtlinlen (KT-Rl) des Gemeinsamen Bundesausschusses ab. Die hiergegen am 09.06.2005 erhobene Klage hat das Sozialgericht Mainz durch Urteil vom 28.11.2006 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt nach § 8 S. Abs. 1 Satz 2 KT-Rl sei Voraussetzung für die beantragte Kostenerstattung, dass die Therapie eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweise und dass die Behandlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtige, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich sei. Vorliegend könne dahingestellt bleiben, ob eine hohe Behandlungsfrequenz in diesem Sinne gegeben sei, denn es fehle schon an der zwingenden medizinischen Notwendigkeit des Krankentransports. Die Gemeinschaftspraxis Dres. H /A habe lediglich ausgeführt, es empfehle sich, dass die Klägerin von einer Begleitperson zur Behandlung und wieder nach Hause gebracht werde. - 4 - Gegen das ihr am 08.02.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 08.03.2007 Berufung eingelegt. Sie hat eine Stellungnahme des Dr. H vom 15.03.2007 vorgelegt, in der ausgeführt wird, zusätzlich zu den vorhandenen chronischen Erkrankungen habe sich ein Diabetes mellitus entwickelt, der die Multimorbidität der Klägerin noch vermehre. Sie werde derzeit alle fünf Tage behandelt. Die Einrichtung sei für die Behandlung in besonderer Weise geeignet, da es sich um ein Dialysezentrum mit erheblicher Erfahrung mit extrakorporalen Blutreinigungsverfahren handele und zugleich die Infrastruktur einer diabetischen Schwerpunktpraxis vorhanden sei. Im Sinne der Sicherheit der Klägerin vor dem Hintergrund ihrer Mehrfacherkrankungen sei es "mehr als sinnvoll", dass sie von ihrem Ehemann zu den Behandlungen gebracht und wieder zurücktransportiert werde. Die Klägerin sei im Anschluss an die Behandlung sicherlich nicht in der Lage, einen Pkw zu steuern. Es dauere ca. 4 Stunden bis sich der Stoffwechsel wieder normalisiere. In einer weiteren Bescheinigung vom 26.06.2007 hat Dr. H mitgeteilt, die Klägerin werde im Durchschnitt einmal pro Woche behandelt. Es bestehe die Möglichkeit, sie nach der Behandlung in einem Wartebereich unterzubringen. Nach der ca. 2-stündigen Behandlungszeit stelle sich lediglich noch die Frage der Zumutbarkeit einer anschließenden 4-stündigen Aufenthaltszeit. Der Bescheinigung ist eine Aufstellung über die Behandlungstage in der Zeit vom 07.01.2004 bis zum 12.06.2007 beigefügt. Die Klägerin hat mitgeteilt, die Entfernung von ihrem Wohnort zur Praxis Dres. H /A betrage 60,2 km. Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 28.11.2006 sowie die Bescheide der Beklagten vom 18.03.2004 und 10.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die wöchentliche Beförderung in einem Pkw zu den LDL-Apheresetherapien in der Gemeinschaftspraxis Dres. H / - 5 - A in Höhe von jeweils 24,08 € zu erstatten und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, diese Kosten auch künftig zu übernehmen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie macht geltend, es liege keine hohe Behandlungsfrequenz im Sinne der KT-Rl vor. Die Richtlinien gingen davon aus, dass eine hohe Behandlungsfrequenz bei Dialysebehandlungen, onkologischen Strahlentherapien und onkologischen Chemotherapien gegeben sei. Ein vergleichbarer Fall sei vorliegend nicht gegeben. Wenn das Komplikationsrisiko, wie Dr. H nunmehr attestiert habe, auf 4 Stunden nach der Behandlung beschränkt sei, sei es der Versicherten außerdem zumutbar, diese Zeit in den Räumen der Praxis zu verbringen und anschließend selbst oder unter Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel wieder nach Hause zu fahren. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung waren, Bezug genommen. Entscheidungsgründe Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für Pkw-Fahrten mit Begleitperson zu den ambulanten Behandlungsterminen in der Gemeinschaftspraxis Dres. H /A in l . - 6 - Als Anspruchsgrundlage für das Kostenerstattungsbegehren kommt allein § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Betracht. Nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen als Sach- oder Dienstleistungen. Das gilt auch für Fahrkosten nach § 60 SGB V. Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kosten nur erstatten, soweit es das SGB V oder das Neunte Buch Sozialgesetzbuch vorsieht (§ 13 Abs. 1 SGB V). Ein Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch. Vorliegend ist indessen ein Sachleistungsanspruch nicht gegeben. Nach § 60 Abs. 1 S. 1 SGB V übernimmt die Krankenkasse nach den Abs. 2 und 3 die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 SGB V (Fahrkosten), wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. Welches Fahrzeug benutzt werden kann, richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall (§ 60 Abs. 1 S. 2 SGB V). Die Krankenkasse übernimmt Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 S. 1 SGB V ergebenden Betrags nur noch nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 12 SGB V festgelegt hat. Nach § 8 Abs. 1 S. 1 KT-Rl können in besonderen Ausnahmefällen auch Fahrten zur ambulanten Behandlung bei der zwingenden medizinischen Notwendigkeit von der Krankenkasse übernommen V und vom Vertragsarzt verordnet werden; sie bedürfen der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse. Voraussetzungen für eine Verordnung und eine Genehmigung sind nach Abs. 2, dass der Patient mit einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema behandelt wird, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist und dass diese Behandlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist. Diese Voraussetzungen sind in den in Anlage 2 dieser Richtlinien genannten Ausnahmefällen (Dialysebehandlung, onkologische Strahlentherapie, onkologische Chemotherapie) erfüllt. Diese Liste ist nicht abschließend. Diese - 7 - gesetzeskonforme Konkretisierung der Ausnahme nach § 60 Abs. 1 S. 3 SGB V durch die KT-Rl ist nicht aufgrund ranghöheren Rechts erweiternd auszulegen. Mit der Änderung des § 60 SGB V zum 01.01.2004 wird stärker als zuvor auf die medizinische Notwendigkeit der im Zusammenhang mit der Krankenkassenleistung erforderlichen Fahrt abgestellt. Fahrkosten in der ambulanten Behandlung sollen grundsätzlich nicht mehr erstattet werden; Ausnahmen sollen nur noch nach Genehmigung der Krankenkassen gelten. Die Möglichkeit der Krankenkassen, Fahrkosten generell in Härtefällen zu übernehmen, soll somit ausgeschlossen werden. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. im Einzelnen BSG 26.09.2006 - B 1 KR 20/05 R, juris, Rn. 13 f). Vorliegend ist eine hohe Behandlungsfrequenz i. S. d. § 8 Abs. 2 KT—Rl nicht gegeben. Die in der Anlage 2 der Richtlinien genannte Dialysebehandlung, die onkologische Strahlentherapie sowie die onkologische Chemotherapie erfordern in der Regel mehr als eine Behandlung wöchentlich (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 17.08.2006 - L 5 KR 65/06, juris, Rn. 17 m. w. N.). Auch wenn die erforderliche Behandlungshäufigkeit unterschiedlich ist und in einzelnen Fällen bei den aufgezählten Therapien auch eine höhere Frequenz in Betracht kommen mag, erscheint es angemessen, ausgehend von der regelmäßigen Behandlungshäufigkeit eine Therapiedichte von mindestens zwei Mal pro Woche zu fordern. Unter Berücksichtigung des oben dargelegten Ziels des Gesetzgebers, die Kosten für Fahrten zu ambulanten Behandlungen nicht generell in Härtefällen, sondern nur in besonderen Ausnahmefällen zu erstatten, ist diese enge Auslegung des Begriffs der hohen Behandlungsfrequenz geboten. Die Voraussetzungen für einen Ausnahmefall i.S.d. § 8 Abs. 2 KT-Rl sind somit nicht erfüllt, so dass - da auch Abs. 3 nicht eingreift - es bei dem Grundsatz verbleibt, dass Fahrkosten zu ambulanten Behandlungen vom Versicherten selbst aufzubringen sind. - 8 - Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr.1 SGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. - Rechtsmittelbelehrung - ... B 1 KR 27/07 R Landessozialgericht Rheinland-Pfalz L 5 KR 43/07 vom 06.09.2007 ... comment 0 Kommentare |
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