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Samstag, 9. Mai 2015
BSG, B 1 KR 128/09 B vom 21.01.2009, Bundessozialgericht
BUNDESSOZIALGERICHT

Beschluss

in dem Rechtsstreit

Az: B 1 KR 128/09 B
L 5 KR 100/08 (LSG Rheinland-Pfalz)
S 5 KR 118/06 (SG Trier)

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigter:

gegen

BARMER GEK,

Axel-Springer-Straße 44, 10960 Berlin,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat am 21. Januar 2010 durch den
Präsidenten M., den Richter Dr. K. und die Richterin
Dr. B.
beschlossen:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des
Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. August 2009 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

- 2 -

Gründe:

I

[Abs 1]
Die 1957 geborene, bei der beklagten Ersatzkasse versichert gewesene Klägerin, die an se-
kundär progredienter Multipler Sklerose leidet, ist mit ihrem Begehren auf Erstattung der ihr von
März 2005 bis 28.2.2009 entstandenen Kosten (132 Euro pro Quartal, insgesamt 2.112 Euro)
für das Mittel "Algonot plus" in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Landes-
sozialgericht (LSG) hat die Berufung gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil
zurückgewiesen und ua ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1
Fall 2 SGB V: Das hier betroffene Mittel unterfiele - wäre es ein Arzneimittel - mangels erforder-
licher arzneimittelrechtlicher Zulassung nicht der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenver-
sicherung. Wäre "Algonot plus" dagegen als Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel ein-
zustufen, scheitere die Leistungspflicht der Beklagten daran, dass solche Mittel grundsätzlich
nicht beansprucht werden könnten und dass die Bestandteile des Mittels nicht unter die Aus-
nahmeregelungen fielen, die der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) nach § 31 Abs 1
Satz 2 SGB V in den Arzneimittel-Richtlinien festgelegt habe. Leistungsrechtliche Er-
leichterungen kämen weder unter dem Blickwinkel eines sog Seltenheitsfalls noch unter
demjenigen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6.12.2005
(BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) in Betracht; die Krankheit der Klägerin sei nach der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht als lebensbedrohlich einzustufen und
stehe einer solchen Krankheit auch nicht gleich. Ferner fehle es an einer nicht ganz fern
liegenden Aussicht auf eine positive Einwirkung des Mittels auf den Krankheitsverlauf (Urteil
vom 20.8.2009).

[Abs 2]
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-
Urteil.

II

[Abs 3]
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2
SGG iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a
Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Re-
visionszulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 SGG.

[Abs 4]
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160
Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese
Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig

- 3 -

und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38;
BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Die
Klägerin formuliert die Rechtsfrage, "ob die Arzneimittelrichtlinien den gesetzlichen An-
forderungen des § 34 Abs 1 Satz 2 und 3 SGB V sowie § 92 Abs 2 Satz 2 SGB V entsprechen";
sie meint, die Vorgehensweise des GBA führe "zwangsläufig zu einem ... Systemversagen".
Damit werden die Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung indessen
nicht erfüllt. Die Klägerin übersieht, dass sich das LSG in dem hier zu entscheidenden Fall -
anders als in dem Beschwerdeverfahren B 1 KR 127/09 B - gar nicht auf Ausnahmeindikationen
von der Verschreibungspflicht nach § 34 SGB V gestützt hat, sondern auf andere tatsächliche
und rechtliche Gesichtspunkte (fehlende Arzneimittelzulassung; fehlende Ausnahmeindikation
für Lebens- bzw Nahrungsergänzungsmittel nach § 31 Abs 1 Satz 2 SGB V). Damit aber fehlt
es schon an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage.

[Abs 5]
2. Die Klägerin macht als Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG geltend, das LSG-
Urteil weiche vom Beschluss des BVerfG vom 6.12.2005 (aaO) ab. Auch damit kann sie jedoch
nicht durchdringen. Um eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den Anforderungen des
§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG darzulegen, müssen nämlich entscheidungstragende abstrakte
Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in dem heran-
gezogenen höchstrichterlichen Urteil andererseits gegenübergestellt und Ausführungen dazu
gemacht werden, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB Leitherer in:
Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 160a RdNr 15 ff, § 160 RdNr 10 ff,
jeweils mwN). Das Beschwerdevorbringen enthält darauf bezogen keine hinreichenden Aus-
führungen. Es wird schon nicht behauptet, dass das LSG (das dem BVerfG folgen wollte) einen
vom BVerfG abweichenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt habe, aus dem sich das Bedürf-
nis nach Herstellung von Rechtseinheit in einem Revisionsverfahren ergibt. Geltend gemacht
wird im Kern vielmehr nur, dass das LSG-Urteil auf einer fehlerhaften Anwendung der Recht-
sprechung des BVerfG beruhe; dazu wird dann auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen
der Klägerin verwiesen, welche abweichend von der Einschätzung des LSG das Kriterium der
besonderen Krankheitsschwere erfüllten (die wiederum erst Voraussetzung für eine grund-
rechtsorientierte Erweiterung des Leistungsspektrums auf der Rechtsfolgenseite wäre). Das
Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde dient indessen nicht dazu, die angezweifelte sach-
liche Richtigkeit der Begründung des LSG erneut durch das BSG umfassend überprüfen zu
lassen.

[Abs 6]
3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

[Abs 7]
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

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