Ausgewählte Rechtsprechung und Rechtsentwicklung
Samstag, 9. Mai 2015
BSG, 9a BVi 7/83 vom 21.11.1983, Bundessozialgericht
SozR 1500 § 160 Nr 51

Bundessozialgericht

9a BVi 7/83

Beschluß

in dem Rechtsstreit

Kläger und Beschwerdeführer,

Prozeßbevollmächtigter:

gegen

Beklagter und Beschwerdegegner.

Das Bundessozialgericht, 9a Senat, hat am 21. November 1983

beschlossen:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision durch das Landessozialgericht Niedersachsen im

Urteil vom 19. Mai 1983 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

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Gründe

Die Beschwerde ist nicht zulässig; mit ihr wird keine der Vor—
aussetzungen, die nach § 160 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für
die Zulassung der Revision aufgeführt sind, in der nach § 160a
Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form bezeichnet.

Der Kläger sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) darin, daß die "Beweislastumkehr" im
Impfschadensrecht jedenfalls dann geboten sei, wenn der streitige
ursächliche Zusammenhang trotz erschöpfender Sachaufklärung nicht
wahrscheinlich, aber auch nicht unwahrscheinlich sei. Diese
Rechtsfrage ist nicht mehr klärungsbedürftig, da sie vom Revi—
sionsgericht — wie übrigens vom Kläger selbst vorgetragen — be—
reits entschieden ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13). Nach den Ur—
teilen des erkennenden Senats vom 28. Oktober 1980 (Breithaupt
1981, 803f) und vom 19. August 1981 (BSG SozR 3850 § 52 Nr 1)
kehrt sich die Beweislast bei der Feststellung des ursächlichen
Zusammenhangs zwischen Impfung und Gesundheitsstörung (= haf—
tungsausfüllende Kausalität) nicht um. Vielmehr ist die Wahr-
scheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs genügend, aber auch
erforderlich. Läßt sich unter diesen erleichterten Bedingungen
der Wahrscheinlichkeit ein anspruchsbegründender Umstand nicht
ermitteln, geht dies zu Lasten desjenigen, der daraus eine ihm
günstige Rechtsfolge geltend macht (ständige Rechtsprechung des
BSG ua BSGE 30, 121, 123 = SozR Nr 83 zu § 128 SGG; SGb 1976,
490). Demgegenüber beziehen sich die vom Reichsgericht und

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Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze über die Beweislastum—
kehr bei Arzthaftpflichtprozessen auf die haftungsbegründende
Kausalität. Da der Kläger gleichwohl eine grundsätzliche Bedeu-
tung der Rechtsfrage geltend macht, obliegt es ihm darzulegen, in
welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher Begründung der
Rechtsprechung widersprochen bzw die Beantwortung der Rechtsfrage
umstritten ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13; 1500 § 160 Nr 17).
Dies ist nicht geschehen. Der Kläger bezieht sich lediglich auf
die Ausführungen von Walter Bogs, mit denen sich der Senat
bereits in seinem Urteil vom 19. August 1981 (aaO) auseinander—
gesetzt hat.

Ebensowenig ist der Rechtsbegriff der Wahrscheinlichkeit im
Impfschadensrecht klärungsbedürftig. Wie der erkennende Senat in
den oben zitierten Entscheidungen entschieden hat, ist das Impf-
schadensrecht allen Rechtsgrundsätzen des Bundesversorgungsge-
setzes (BVG) unterstellt worden, soweit nicht Besonderheiten
ausdrücklich angeordnet worden sind. Das Impfschadensrecht ist
dem sozialen Entschädigungsrecht im Sinne der §§ 5 und 24 So-
zialgesetzbuch (Allgemeiner Teil) - SGB 1 - eingegliedert. Dieses
soziale Entschädigungsrecht richtet sich nach versorgungsrecht-
lichen Grundsätzen (Art II § 1 Nr 11 Buchst d SGB 1). Infolge-
dessen ist die gleichlautende Rechtsnorm über die Anforderung,
die an den Gewißheitsgrad für den ursächlichen Zusammenhang ge-
stellt wird, hier nicht anders als im Recht der Kriegsopferver-
sorgung auszulegen. Der erkennende Senat hat auch in den genann—
ten Entscheidungen ausgeführt, daß die besondere Ausgestaltung
des Sozialstaatspostulats im Sozialgesetzbuch die Beweisanfor—

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derungen auch im Impfschadensrecht unangetastet läßt. Die dem
einzelnen zustehenden sozialen Rechte begründen Ansprüche nur
insoweit, als sie im besonderen Teil des Sozialgesetzbuches
normiert sind (§ 2 Abs 1 Satz 2 SGB 1). Als ein solcher im
genannten Sinne besonderer Teil rechnet das BVG, auch soweit § 51
des Bundesseuchengesetzes die entsprechende Anwendung der
Leistungsvorschriften des BVG vorsieht (Art II S 1 Nr 11 Buchst d
SGB 1).

Bei der ebenfalls als Grund für die Zulassung der Revision gel-
tend gemachte Abweichung des angefochtenen Urteils von den Ur-
teilen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21. Februar 1980
- 5 RKnU 4/79 —‚ vom 19. August 1981 - 9 RVi 5/80 -‚ vom
22. September 1977 - 10 RV 15/77 — sowie BSGE 19, 52 und 24, 25,
fehlt es an der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen "Bezeich-
nung". Zur Zulässigkeit der Divergenzrüge (5 160 Abs 2 Nr 2 SGG)
gehört die Darlegung, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine Ab—
weichung vorliegt; der Beschwerdeführer muß dartun, mit welcher
konkreten rechtlichen Aussage das Landessozialgericht (LSG) von
einer bestimmten Aussage der höchstrichterlichen Rechtsprechung
abgewichen ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 21 und Nr 29). Soweit der
Kläger unter Bezugnahme auf die drei erstgenannten Urteile des
BSG darauf verweist, daß die einzige konkrete Möglichkeit aber
auch wahrscheinlich sei, ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu
entnehmen, welche konkrete Rechtsfrage das LSG anders entschieden
haben soll. Daß andererseits bei der gegebenen Fallgestaltung der
Kläger sich in einem Beweisnotstand befunden habe, erörtert er
nicht im einzelnen. Auch ist ein Abweichen von einer konkreten

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Rechtsfrage nicht dargelegt. Abgesehen davon befaßt sich die
Entscheidung BSGE 19, 52, 56 mit der Beweiswürdigung bei unge—
klärter Todesursache und gerade nicht mit dem ursächlichen Zu-
sammenhang, um den es hier ausschließlich geht. Die Entscheidung
BSG 24‚ 25 nimmt zu der Frage der Feststellungslast und Beweis—
würdigung bei schuldhaft vereitelter Sachverhaltsaufklärung
Stellung, hat also ebensowenig den ursächlichen Zusammenhang zum
Inhalt. Inwieweit dennoch eine Abweichung gegeben sein soll, ist
dem Beschwerdevorbringen des Klägers nicht zu entnehmen.

Mit der Rüge, das Berufungsgericht hätte den Beweisanträgen
stattgeben müssen, macht der Kläger eine Verletzung der Sach—
aufklärungspflicht (§ 103 SGG) geltend. Indes fehlen Angaben
darüber, um welche Anträge es sich im einzelnen handelt und wann
diese gestellt worden sind. Sie sind mithin für das Revisions—
gericht nicht ohne weiteres auffindbar. Infolgedessen fehlt es an
einer hinreichenden Kennzeichnung derselben (BSG SozR 1500 § 160
Nr 5).

Die Beschwerde des Klägers enthält in seinem wesentlichen Teil
den Vorwurf, das LSG habe das Recht der freien Beweiswürdigung
(§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) verletzt. Diese Rüge ist als Zulas—
sungsgrund schlechthin ausgenommen (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2
SGG). Das gilt auch insoweit, als der Kläger sich gegen die
materielle Richtigkeit des Berufungsurteils wendet. Gegenstand
der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht die Prüfung, ob das
Berufungsgericht richtig entschieden hat. Vielmehr kann auf die
Beschwerde lediglich geprüft werden, ob eine der in § 160 Abs 2

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SGG abschließend aufgezählten Zulassungsgründe geltend gemacht
ist und auch vorliegt (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 9).

Nach alldem ist das Rechtsmittel zu verwerfen (S 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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