Ausgewählte Rechtsprechung und Rechtsentwicklung
Samstag, 9. Mai 2015
BSG, 9/9a BV 196/87 vom 15.02.1988, Bundessozialgericht
Bundessozialgericht



9/9a BV 196/87





Beschluß





in dem Rechtsstreit







Klägerin, Antragstellerin



und Beschwerdeführerin,



Prozeßbevollmächtigte:







Beklagter, Antragsgegner



und Beschwerdegegner.







Das Bundessozialgericht, 9. Senat, hat am 15. Februar 1988



beschlossen:







Der Antrag der Klägerin, ihr Prozeßkostenhilfe für das Ver-



fahren vor dem Bundessozialgericht zu gewähren und Rechts-



anwalt K als Prozeßbevollmächtigten beizuordnen,



wird abgelehnt.







Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der



Revision durch das Landessozialgericht Niedersachsen im



Urteil vom 14. August 1987 wird als unzulässig verworfen.







- 2 -







Kosten sind nicht zu erstatten.







G r ü n d e :







Prozeßkostenhilfe kann der Klägerin nicht gewährt werden, weil



ihre Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg



bietet (§ 73a Sozialgerichtsgesetz -SGG- iVm § 11H Abs 1 Satz 1



Zivilprozeßordnung -ZPO-).







Die Revision ist nicht durch das Bundessozialgericht (BSG) zuzu-



lassen; denn die Klägerin hat einen Beweisantrag, den das Lan-



dessozialgericht (LSG) ohne hinreichende Begründung übergangen



haben soll (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 iVm § 103), nicht form-



gerecht bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).







Einen solchen Antrag hätte sie entweder nach dem Inhalt der



Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem



Berufungsgericht oder wenigstens nach dem Urteilsinhalt gestellt



oder vorher schriftlich vorgebracht und bis zum Ende der Sitzung



aufrecht erhalten haben müssen (BSG SozR 1500 § 160 Nr 12). Nach



der Beschwerdebegründung ist keine dieser Voraussetzungen er-



füllt.







Die Klägerin bezieht sich lediglich auf einen mündlich gestellten



Antrag, der nicht protokolliert wurde. Sie behauptet nicht, er



sei in die Sitzungsniederschrift aufgenommen worden (§§ 153, 122







- 3 -







SGG iVm § 159 Abs 1 Satz 1, § 160 Abs 3 Nr 2 und Abs 6 ZPO), was



auch nicht zutrifft. Ein Beweisantrag, der über § 160 Abs 2 Nr 3



Halbsatz 2 SGG für die Zulassung der Revision bedeutsam wird, muß



protokolliert sein; er gehört zu den Anträgen "im weiteren Sinn",



und zwar zu den rechtserheblichen Angriffsmitteln, die in § 136



Abs 2 Satz 2 SGG neben dem "erhobenen Anspruch" (vgl dazu § 123



SGG) genannt werden. Das Beachten dieser vorgeschriebenen Förm-



lichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden (§ 165



ZPO). wenn eine Klägerin - wie im gegenwärtigen Fall - vor dem



LSG durch einen Rechtsanwalt vertreten war, ist der protokol-



lierte Antrag iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ebenso maß-



geblich, wie wenn sie nicht rechtskundig vertreten war. Im



zweiten Fall muß das Revisionsgericht davon ausgehen, daß der



Vorsitzende des Berufungsgerichts einen gestellten Beweisantrag



hätte protokollieren lassen (§ 112 Abs 2 Satz 2 SGG iVm § 160



Abs 3 Nr 2 ZPO). Die Klägerin behauptet nicht, sie habe durch



ihren Rechtsanwalt die Protokollierung eines Beweisantrages, auf



den die Beschwerde abstellt, beantragt (§ 160 Abs 4 Satz 1 ZPO)



und dies sei abgelehnt worden (§ 160 Abs 4 Satz 2 und 3 ZPO).



Schließlich hat die Klägerin keine Protokollergänzung oder -be-



richtigung beantragt (§ 160a Abs 2 Satz 3 und § 164 ZPO).







Ein Beweisantrag, auf den sich die Klägerin jetzt bezieht, wird



auch nicht im Tatbestand des Berufungsurteils wiedergegeben



(§ 136 Abs 1 Nr 5 und Abs 2 Satz 2 SGG). Insoweit hat die Kläge-



rin keine Berichtigung des Urteils beantragt (§ 139 SGG). Eine



Prozeßhandlung, die für die Eröffnung des Revisionsverfahrens



unerläßlich wäre, muß in verfahrensrechtlich vorgeschriebener







- 4 -







Form beurkundet sein, dh im Protokoll oder wenigstens im Ur-



teilstatbestand. Die Zulassung der Revision kann nicht davon ab-



hängig sein, ob sich bei einer vom Revisionsgericht zu veran-



lassenden Zeugenvernehmung die Richter, der Schriftführer oder



ein Beteiligter daran erinnern können, daß der Kläger eine wei-



tere Beweiserhebung mündlich beantragt hat.







Die Beschwerdebegründung verweist mit ihrem Bezug auf die beiden



Schriftsätze der Klägerin vom 14. März 1986 und 29. April 1986



nicht auf einen solchen Beweisantrag. Die Beschwerde wird darauf



-gestützt, daß ein Ursachenzusammenhang zwischen einer Leberschä-



digung und einer Lues-Behandlung mit arsenhaltigem Neo-Salvarsan



nicht geprüft worden sei. Zwar hat die Klägerin in den bezeich-



neten Schriftsätzen für notwendig erklärt, noch durch ein Gut-



achten zu klären, ob eine Salvarsan-Behandlung ihren Leberschaden



verursacht habe. Aber damit stellte sie kein neues Beweisthema



zur Diskussion; denn Prof. Dr. K , dessen Gutachten vom



25. Mai 1984 die Klägerin damals beanstandete und noch weiterhin



für unzureichend hält, hat auch eine Leberschädigung durch andere



Medikamente als Quecksilberpräparate zur Behandlung einer Lues



nicht als wahrscheinlich beurteilt (vgl das wörtliche Zitat in



der Beschwerdebegründung). Bei dieser Sachlage hätte die Klägerin



zu ihren schriftlichen Anträgen darlegen müssen, warum das Gut-



achten insoweit unzureichend sein sollte. Abgesehen davon wird



mit der Beschwerde nicht schlüssig geltend gemacht, nach dem



weiteren Verfahrensverlauf müsse angenommen werden, daß der Be-



weisantrag in der mündlichen Verhandlung aufrecht erhalten wurde



(BSGE 3, 284, 285; SozR 1500 § 160 Nr 12). Falls der Klägerin die







- 5 -







nach ihrer schriftlichen Beweisanregung vorgenommene Sachaufklä-



rung nicht genügte, hätte ihr Prozeßbevollmächtigter im Hinblick



auf § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG zuletzt vor der mündlichen



Verhandlung oder im Termin selbst einen ergänzenden Beweisantrag



entsprechend dem jetzigen Beschwerdevorbringen ausdrücklich stel-



len müssen. Die Klägerin behauptete nicht, sie habe genau einen



derartigen Beweisantrag in der Sitzung vorgebracht. Bei dieser



Verfahrenslage durfte das LSG davon ausgehen, daß eine Begutach-



tung über eine Verursachung durch Neo-Salvarsan nicht mehr bean-



tragt wurde.







Die Kostenentscheidung entspricht § 193 SGG.

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