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Freitag, 8. Mai 2015
BVerfG, 1 BvR 1411/91 vom 09.08.1991, Bundesverfassungsgericht
anselmf
382 E 86, 382,1 Nr. 17
Nr. 17 1. Droht einem Beschwerdeführer, der sich unmittelbar gegen ein Ge- setz wendet, bei der Verweisung auf den Rechtsweg in der Hauptsache ein schwerer Nachteil, kann er nach dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gehalten sein, vor der Anrufung des Bundesver- fassungsgerichts wenigstens den Rechtsweg im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erschöpfen. 2. Hält ein Gericht eine für seine Entscheidung maßgebliche Gesetzes- norm für verfassungswidrig, so ist es durch Art. 100 Abs. 1 GG nicht gehindert, vor der im Hauptsacheverfahren einzuholenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, wenn dies im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes geboten erscheint und die Hauptsache dadurch nicht vorweggenommen wird. Beschluß des Ersten Senats vom 24. Juni 1992 gemäß 524 BVerfGG - 1 BvR 1028/91 - in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde 1. des Herrn A... und weiterer 98 Beschwerdeführer — Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Willi A. Handorn, Klaus Wagner und Partner, Talstraße 27, Homburg/Saar — gegen das Gesetz vom 23. September 1990 zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokrati- schen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands — Einigungs- vertragsgesetz — und der Vereinbarung vom 18. September 1990 (BGBl. II S. 885), soweit darin den Regelungen des Vertrages, wonach Kiese und Kiessande im Beitrittsgebiet als bergfreie Bodenschätze im Sinne des 53 Abs. 3 BBergG eingestuft werden, zugestimmt worden ist. ENTSCHEIDUNGSFORMEL: Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen. GRÜNDE: A. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Regelung des Einigungsvertrages, daß Kiese und Kiessande im Beitrittsgebiet als bergfreie Bodenschätze behandelt werden und damit — im Unter- schied zu der Rechtslage, die nach dem Bundesberggesetz im alten Bundesgebiet galt und weiterhin gilt — nicht im Eigentum des Grundstückseigentümers stehen. 24. 6. 92 383 1. Das Bundesberggesetz — BBergG —— vom 13.August 1980 (BGBl.I S. 1310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.Februar 1990 (BGBl.I S.215), unterscheidet zwischen grundeigenen und bergfreien Bodenschätzen. Grundeigene Bodenschätze stehen im Eigentum des Grundeigentümers; auf bergfreie Bodenschätze er- streckt sich das Eigentum an einem Grundstück nicht (53 Abs.2 BBergG). Sofern Bodenschätze weder bergfrei (5 3 Abs. 3 BBergG) noch grundeigen (5 3 Abs. 4 BBergG) sind, stehen sie als sonstige Grundeigentümerbodenschätze ebenfalls im Eigentum des Grund- eigentümers. Jedoch findet das Bundesberggesetz‚ das auch Vor- schriften über das Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten grundei- gener Bodenschätze enthält, darauf keine Anwendung. Nach der im alten Bundesgebiet bestehenden Rechtslage gehören Kiese und Kiessande zu den grundeigenen Bodenschätzen, soweit sie untertägig aufgesucht oder gewonnen werden (5 3 Abs. 4 Nr. 2 BBergG), und, soweit dies nicht der Fall ist, zu den sonstigen Grund- eigentümerbodenschätzen. 2. In der Deutschen Demokratischen Republik bestimmte 53 des Berggesetzes vom 12. Mai 1969 (GBl. I S. 29): Mineralische Rohstoffe, deren Nutzung von volkswirtschaftlicher Be- deutung ist, sind Bodenschätze und - unabhängig Vorn Grundeigentum - Volkseigentum. In der Verordnung über die Verleihung von Bergwerkseigentum vom 15. August 1990 (GBl. I S. 1071) wurden als Bodenschätze im Sinne von 5 3 des Berggesetzes die in der Anlage zu dieser Verord- nung aufgeführten mineralischen Rohstoffe bestimmt. Nach Nr. 9.23 der Anlage fielen darunter: Kiese und Kiessande zur Herstellung von Betonzuschlagstoffen (Kies- anteil größer 2mm: mehr als 10% geologische Vorratsmenge: größer 1,0 Mio t), einschließlich darin enthaltener Quarzkiese zur Herstellung von Ferro-‚ Chemie- und Filterkies. Durch 51 Abs. 1 dieser Verordnung wurde der Ministerrat oder eine von ihm bestimmte Stelle ermächtigt, der Treuhandanstalt auf Antrag für ein bestimmtes Feld und für bestimmte unter 53 des 384 E 86, 382, I Nr. 17 Berggesetzes fallende Bodenschätze Bergwerkseigentum zu verlei- hen mit der Befugnis, es gegen Entgelt weiter zu übertragen. 3. Gemäß Art.8 des Einigungsvertrages und dessen Anlage I Kapitel V Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 1 (BGBl.II S. 1004f.) ist das Bundesberggesetz im Beitrittsgebiet mit folgenden Maßgaben in Kraft getreten: a) Mineralische Rohstoffe im Sinne des 53 des Berggesetzes der Deutschen Demokratischen Republik vom 12.Mai 1969 (GBl.I Nr.5 S. 29) und der zu dessen Durchführung erlassenen Vorschriften sind bergfreie Bodenschätze im Sinne des 53 Abs. 3. d) (1) Gewinnungsrechte an mineralischen Rohstoffen im Sinne des 5 3 des Berggesetzes der Deutschen Demokratischen Republik kann der zur Ausübung Berechtigte innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach dem Tage des Wirksamwerdens des Beitritts bei der für die Zulassung von Betriebsplänen zuständigen Behörde zur Bestätigung anmelden. . .. Die Bestätigung ist unter den in Absatz 2 dieser Regelung ge- nannten Voraussetzungen zu erteilen. Ein bestätigtes Gewinnungs- recht gilt, wenn das Gewinnungsrecht dem Antragsteller aufgrund der Verordnung vom 15.August 1990 als Bergwerkseigentum übertragen worden war, als Bergwerkseigentum im Sinne von 5151 BBergG (Absatz 4 Nr.2 i.V.m. Absatz 2 Nr. 1.2 der Rege- lung). II. Mit der am 3.Juli 1991 erhobenen Verfassungsbeschwerde, der sich weitere Beschwerdeführer am 20. August 1991 angeschlossen haben, wenden sich die Beschwerdeführer gegen die genannte Re- gelung des Einigungsvertrages‚ soweit danach Kiese und Kiessande als bergfreie Bodenschätze im Sinne von 53 Abs. 3 BBergG einge- stuft worden sind. Sie rügen eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 2 GG und tragen vor: Sie seien Eigentümer oder Miteigentümer von Kiesgrundstücken, die sich innerhalb zweier der insgesamt 1300 auf dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik vorhandenen Kieslagerstätten befänden. Durch die angegriffene Regelung sei ihnen das Gewinnungsrecht am Kies auf ihren Grundstücken entzo- gen. Die Treuhandanstalt habe von der Möglichkeit gemäß 51 der Verordnung vom 15. August 1990 Gebrauch gemacht und sich an sämtlichen Kies- und Kiessandgrundsstücken in den neuen Bundes- ländern das Bergwerkseigentum verleihen lassen. Inzwischen habe die Treuhandanstalt sämtliche Kiesbetriebe nach einzelnen Be- triebsstätten ausgeschrieben und sei jetzt dabei, die Betriebsstätten zur Ausbeutung zu vergeben. Einige Vergaben seien bereits erfolgt. Sie seien durch die gesetzliche Regelung selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen. Außer der Verfassungsbeschwerde hätten sie keine Möglichkeit, sich gegen die Verletzung ihrer Grundrechte zu wehren. Die vorliegende Verfassungsbeschwerde sei auch von großer allgemeiner Bedeutung. Die Ungewißheit über die rechtli- che Zulässigkeit der Vergabe des Bergwerkseigentums durch die Treuhandanstalt an Dritte stelle ein bedeutsames Hemmnis für den wirtschaftlichen Aufbau in den neuen Bundesländern dar. Insge- samt seien etwa 65 O00 Grundstückseigentümer betroffen. Im Falle der Fortgeltung der jetzigen Regelung entstünde ihnen durch die Vorenthaltung des Eigentums am Kies ein schwerer und unabwend- barer Nachteil. Für die ungleiche Behandlung der Grundstückseigentümer im Osten und im Westen Deutschlands sei ein sachlicher Grund nicht ersichtlich. Die Gründe, die nach dem Bundesberggesetz für die Bergfreiheit bestimmter Bodenschätze in Betracht kämen (Siche- rung der Rohstoffversorgung, Abwehr von Gefahren beim Abbau der Bodenschätze), träfen auf den Abbau von Kies nicht zu. Des weiteren sei Art. 14 Abs. 1 GG verletzt. Bei der Ausgestal- tung des Eigentums sei der Gesetzgeber an die Tradition des Berg- rechts gebunden. Er dürfe danach nur die volkswirtschaftlich be- sonders wichtigen Bodenschätze vom Verfügungsrecht des Grund- eigentümers ausschließen. Die angegriffene Regelung sei grob sach- widrig und verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 386 E 86, 382,1 Nr. 17 B. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. I. Die angegriffene Regelung kann in Verbindung mit dem Eini- gungsvertragsgesetz Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein (vgl. BVerfGE 84, 90 [113]). Die Beschwerdeführer haben auch hinreichend dargelegt, daß sie von der Regelung selbst, gegen- wärtig und unmittelbar betroffen sind. Insbesondere bewirkt die angegriffene Regelung allein — ohne Hinzutreten eines weiteren hoheitlichen Aktes (vgl. BVerfGE 79, 174 [187f.]) —, daß sich das Grundstückseigentum nicht auf den in einem Grundstück liegenden Kies erstreckt. Ob der Sachvortrag, mit dem die Beschwerdeführer hre Betroffenheit schlüssig dargelegt haben, tatsächlich zutrifft, wäre eine Frage der Begründetheit der Verfassungsbeschwerde (vgl. BVerfGE 84, 90 [117]). II. i Der Zulässigkeit steht jedoch der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde entgegen. Die Beschwerdeführer können zwar vor den Fachgerichten nicht unmittelbar gegen die angegriffe- ne Regelung Rechtsschutz erlangen. Sie können aber die Fachge- richte zur Sicherung und Durchsetzung der Rechte in Anspruch nehmen, die sie aus der Verfassungswidrigkeit der Regelung herlei- ten. Zur Herbeiführung einer Verklärung der tatsächlichen und ein- fachrechtlichen Lage sind sie gehalten, zunächst — zumindest vor- läufigen — Rechtsschutz vor den Fachgerichten zu suchen. 1. Der in 5 90 Abs. 2 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität gewährleistet unter anderem, daß dem Bundesverfassungsgericht in der Regel nicht nur die abstrakte Rechtsfrage und der Sachvortrag des Beschwerdeführers unterbrei- tet werden, sondern auch die Beurteilung der Sach- und_ Rechtslage durch ein für diese Materie zuständiges Gericht (vgl. BVerfGE 69, 122 [125]; 74, 69 [74f.]). Der Verklärung durch die Fachgerichte kommt inbesondere dort Bedeutung zu, wo die Beurteilung der mit der Verfassungsbeschwerde erhobenen Rügen die Prüfung tatsäch- licher oder einfachrechtlicher Fragen Voraussetzt, für die das Ver- fahren vor den Fachgerichten besser geeignet ist. Der Subsidiari- tätsgrundsatz stellt sicher, daß dem Bundesverfassungsgericht in solchen Fällen infolge der fachgerichtlichen Vorprüfung der Be- schwerdepunkte ein bereits eingehend geprüftes Tatsachenmaterial vorliegt und ihm auch die Fallanschauung und die Rechtsauffassung der Fachgerichte vermittelt werden. Für die verfassungsrechtliche Beurteilung der mit der Verfas- sungsbeschwerde erhobenen Rügen bedarf es hier der Klärung sowohl tatsächlicher als auch einfachrechtlicher Fragen. So müßte zunächst das Eigentum der Beschwerdeführer an den betroffenen Grundstücken festgestellt werden. Des weiteren müßte geklärt werden, ob das Kiesvorkommen an den Grundstücken, die im Eigentum der Beschwerdeführer stehen, unter die angegriffene ge- setzliche Regelung fällt. Schließlich könnte für die verfassungs- rechtliche Beurteilung auch von Bedeutung sein, wie die Kiesaus- beutung in der Deutschen Demokratischen Republik praktisch ge- handhabt wurde, insbesondere auch, ob und in welchem Umfang die Eigentümer in der Lage waren, in ihren Grundstücken lagern- den Kies zu verwerten. Solange die Treuhandanstalt das ihr verliehene — jedenfalls dem Rechtsschein nach bestehende — Bergwerkseigentum noch nicht auf Dritte übertragen hat, können die Beschwerdeführer vor den Fach- gerichten geltend machen, daß die Verleihung des Bergwerkseigen- tums auf einer verfassungswidrigen Norm beruhe und daß die Treu- handanstalt deshalb keine Rechte daraus herleiten könne. Sofern eine Weiterübertragung auf Dritte erfolgt ist, können sich die Be- schwerdeführer gegen einen Kiesabbau auf ihren Grundstücken im Zivilrechtsweg zur Wehr setzen. Diese Verfahren ermöglichen eine Klärung der tatsächlichen und einfachrechtlichen Fragen. Sie bieten auch nicht von vornherein so wenig Aussicht auf Erfolg, daß sie den Beschwerdeführern unzumutbar wären. Insbesondere kann nicht von vornherein davon ausgegangen werden, daß die Fachgerichte im Falle der Übertragung des Bergwerkseigentums auf private Drit- te - bei Annahme der Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Regelung - jedenfalls die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs des Bergwerkseigentums durch die Vertragspartner der Treuhand- anstalt bejahen würden. 2. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung vor Erschöpfung des Rechtswegs nach der - im Rahmen des Subsidiaritätsgrundsat- zes sinngemäß anwendbaren - Vorschrift des 590 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG sind nicht erfüllt. a) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Verfassungsbeschwerde allgemeine Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift zukommt. Selbst wenn diese unterstellt wird, würde sie nicht für sich allein eine Vorabentscheidung durch das Bundesverfassungsgericht gebieten. Sie wäre vielmehr nur ein Moment bei der Abwägung für und wider eine sofortige Sachentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 71, 305 [349] m.w.N.). Bei dieser Abwägung wäre insbesondere auch zu bedenken, daß eine Vorabentscheidung in der Regel dann nicht in Betracht kommt, wenn entscheidungserhebliche Tatsachen noch nicht aufgeklärt sind (vgl. BVerfGE 8, 222 [227] ; 13, 284 [289]). Gegen eine Vor- abentscheidung kann ferner sprechen, daß die einfachrechtliche Lage nicht hinreichend geklärt ist (vgl. BVerfG, Beschluß vom 25. März 1992 — 1 BvR 1859/91 —, NJW 1992, S. 1676 [1677])1. Das ergibt sich aus dem Sinn des Subsidiaritätsgrundsatzes. Dieser dient auch einer sachgerechten Aufgabenverteilung zwischen dem Bun- desverfassungsgericht und den Fachgerichten (vgl. BVerfGE 55, 244 [247]; 77, 381 [401] m.w.N.). Danach obliegt es vorrangig den Fachgerichten, einfachrechtliche Vorschriften auszulegen und die zur Anwendung der Vorschriften erforderlichen Ermittlungen so- wie die Würdigung des Sachverhalts vorzunehmen. Das Interesse an der fachgerichtlichen Verklärung wiegt hier so schwer, daß das allgemeine Interesse an einer sofortigen Entscheidung des Bundes- verfassungsgerichts zurücktreten muß. b) Eine Vorabentscheidung ist auch nicht wegen eines den Be- schwerdeführern drohenden schweren und unabwendbaren Nach- teils geboten. Die Verweisung auf den Rechtsweg könnte sich insofern für die 1 Nr. 2 S. 15, 22f. 24. 6. 92 389 Beschwerdeführer nachteilig auswirken, als nicht auszuschließen ist, daß während des fachgerichtlichen Verfahrens, das möglicher- weise längere Zeit in Anspruch nimmt, das Kiesvorkommen auf ihren Grundstücken ausgebeutet wird. Es ist nicht sicher abzuse- hen, daß sie nach der einfachrechtlichen Lage dafür einen Ausgleich erlangen könnten, wenn die angegriffene Regelung für verfassungs- widrig erklärt würde. Ebenso ist nicht vorherzusehen, 0b und mit welchem Inhalt der Gesetzgeber, falls die Regelung für verfassungs- widrig erklärt wird, nachträglich einen Ausgleich schaffen würde. Die Beschwerdeführer können jedoch im fachgerichtlichen Ver- fahren gegen die Inanspruchnahme ihrer Grundstücke für den Kies- abbau vorläufigen Rechtsschutz beantragen. An der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wären die Fachgerichte für den Fall, daß sie die angegriffene Regelung für verfassungswidrig erachten, nicht dadurch gehindert, daß sie über die Frage der Verfassungswi- drigkeit nicht selbst entscheiden könnten, sondern insoweit die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG einholen müßten. Das dem Bundesverfassungsgericht vorbe- haltene Verwerfungsmonopol hat zwar zur Folge, daß ein Gericht Folgerungen aus der (von ihm angenommenen) Verfassungswidrig- keit eines formellen Gesetzes — jedenfalls im Hauptsacheverfah- ren— erst nach deren Feststellung durch das Bundesverfassungsge- richt ziehen darf (vgl. BVerfGE 79, 256 [266]). Die Fachgerichte sind jedoch durch Art. 100 Abs. 1 GG nicht gehindert, schon vor der im Hauptsacheverfahren einzuholenden Entscheidung des Bundes- verfassungsgerichts auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung vor- läufigen Rechtsschutz zu gewähren, wenn dies nach den Umstän- den des Falles im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes geboten erscheint und die Hautsacheentscheidung dadurch nicht vorwegge— nommen wird. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes würde den Eintritt von Nachteilen während der Durchführung des Haupt- sacheverfahrens verhindern. Selbst wenn den Beschwerdeführern vorläufiger Rechtsschutz versagt werden sollte, wäre dieses Verfah- ren jedenfalls bereits zur Verklärung der offenen tatsächlichen und einfachrechtlichen Fragen geeignet. Auch insoweit überwiegt bei der zu treffenden Abwägung das 390 E 86, 390, II N11 13 Interesse an der fachgerichtlichen Verklärung das Interesse der Beschwerdeführer an einer sofortigen Entscheidung des Bundes- verfassungsgerichts jedenfalls so lange, als die Beschwerdeführer noch nicht einmal vorläufigen Rechtsschutz im fachgerichtlichen Verfahren begehrt haben. Ob darüber hinaus, wenn das Begehren auf vorläufigen Rechtsschutz erfolglos bleiben sollte, auch noch der Rechtsweg in der Hauptsache erschöpft werden muß, hängt von dem Ergebnis des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes und der bis dahin im übrigen eingetretenen weiteren Entwicklung ab. (gez.) Herzog Henschel Seidl Grimm Söllner Dieterich Kühling Seibert Kein Faksimile verfügbar ... comment 0 Kommentare |
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