Ausgewählte Rechtsprechung und Rechtsentwicklung
Donnerstag, 7. Mai 2015
BSG, 12/11 BA 116/75 vom 02.03.1976, Bundessozialgericht
SozR 1500 § 160 Nr 17

Bundessozialgericht

12/11 BA 116/75

Beschluß

in dem Rechtsstreit

Kläger und Beschwerdeführer

gegen

Bundesversicherungsanstalt für Angestellte,

Berlin 57, Ruhrstreße 2,

Beklagte und Beschwerdegegnerin„

Der 12. Senat des Bundessczielgerichts hat am 2. März
1976 durch den Vorsitzenden Richter Dr. H.
und die Richter Dr. F. und
O. beschlossen:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin
vom 16 Juli 1975 wird als unzulässig verworfen.

Anßergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens
haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

- 2 -

Gründe:

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers_ist als unzu-
lässig zu verwerfen (§ 169 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Da der Kläger seine Nichtzulassungsbeschwerde allein auf
den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der
Rechtssache (§ 160 Abs.2 Nr. 1 SGG) stützt, hätte er in
der Beschwerdebegründung hinreichend die grundsätzliche
Bedeutung der Rechtssache darlegen müssen (§ 160 a Abs. 2
Satz 3 SGG. Das ist nicht geschehen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat es, wie bereits die
Beklagte und das Sozialgericht (SG), abgelehnt, dem Kläger
auf dessen Antrag gemäß Art. 2 § 49 a Abs. 2 des Ange
stelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes zu gestatten,
freiwillige Beiträge (§ 40 des Angestelltenversicherungs-
gesetzes -AVG-) für die Zeiten vom 1. Januar 1956 an bis
31. Dezember 1973 nachzuentrichten. Die Voraussetzungen
der Nachentrichtung hat das LSG damit verneint, der
Kläger habe weder seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik
Deutschland, da er seit Jahrzehnten in den Vereinigten
Staaten von Amerika lebe, noch sei er Deutscher i.S. des
Art. 116 Abs. 4 des Grundgesetzes, da er seit 1944 ameri-
kanischer Staatsbürger sei. Die Nachentrichtung sei auch
nicht auf Grund der in Art. IV Abs. 2 des Freundschafts-,
Handels- und Schiffahrtsvertrages zwischen der Bundes-
republik Deutschland und den Vereinigten Staaten von
Amerika vom 29. Oktober 4954 verfügten Inländerbehand-
lung gerechtfertigt„ Nach dem eindeutigen Wortlaut und
dem Sinn dieser Vorschrift erstrecke sich diese Inländer-
behandlung nur auf Leistungen. Die in Abs. 4 des Art. IV
genannten "anderen Vorteile" seien in Abs. 2 ausdrücklich

- 3 -

nicht erwähnt. Der Bundesminister für Arbeit (BMA) habe in
seinem Erlaß vom 10 Oktober 1956 (abgedruckt in: Deutsche
Sozialversicherungsabkommen mit ausländischen Staaten, XVI
USA, Art. IV des Freundschaftsvertrags, An. 1) in diesem
Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Vorschriften über
die freiwillige Versicherung (§ 21 AVG damaliger Fassung)‘
durch den Vertrag nicht berührt würden, weil Art, IV die
Gleichbehandlung nur in bezug auf die innerstaatlichen Vor-
schriften vorschreibe, die Leistungen aus der Sozialversi-
cherung oder der Arbeitslosenversicherung vorsehen. Das
Recht auf Selbstversicherung stelle jedoch keine Leistung·
dar.

Der Kläger möchte der Sache deshalb grundsätzliche Bedeutung
beimessen, weil das Bundessozialgericht bisher über die
Auslegung des Art. IV Ab. 2 des Freundschaftsvertrages im
Hinblick auf das Recht der Selbstversicherung noch nicht
entschieden habe, eine solche Entscheidung aber für eine
Unzahl gleichgelagerter Fälle bedeutsam sei. Der Vertrags-
text des Art. IV Abs. 2 des Vertrages sei nicht so eindeu-
tig, daß sich bereits von vornherein die Rechtsfrage nicht
stelle. Wie er näher ausführt, hält er die Inländerbehand-
lung auch bei der Anwendung des Rechts zur Selbstversiche-
rung für zulässig.

Diese Ausführungen des Klägers entsprechen nicht den Anfor-
derungen an die dem Beschwerdeführer obliegende Pflicht,
die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen
(§ 460 a Abs. 2 Satz 5 SGG). Eine Rechtsfrage hat u.a. nur
dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie klärungsbedürftig
ist. Dies ist aber regelmäßig dann zu verneinen, wenn
- wie hier - die Beantwortung der Rechtsfrage so gut wie
unbestritten ist (Weyreuther, Revisionszulassung und Nicht-
zulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten
Bundesgerichte, NJW-Schriften 14, RdNr. 65 mit weiteren Hin-

- 4 -

weisen auf die höchstrichterliche Rechtsprechung). Der Kläger
hätte daher, um die Ausnahme darzutun, im einzelnen darlegen
müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen
Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten und inwie-
fern sie im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist. Zu
einer solchen Darlegung mußte sich der Kläger im vorliegenden
Fall schon deshalb gedrängt fühlen, weil sich das LSG in seiner -
Begründung noch ausdrücklich auf den gegen die Auffassung des ·
Klägers sprechenden, den Inhalt des Vertrages klarstellenden
Erlaß des BMA vom 10. Oktober 1956 gestützt hat. Auf den Er-
laß ist der Kläger aber überhaupt nicht eingegangen. Das·wäre
jedoch erforderlich gewesen. Bei der Auslegung von Sozial-
versicherungsabkommen - hier des Freundschaftsvertrages - ist
nämlich die Auffassung des beim Zustandekommen eines solchen
Abkommens beteiligten Fachministers wegen dessen Kenntnis der
Zusammenhänge und der mit dem Abkommen verbundenen Verstellun-
gen beider Vertragsteile von nicht geringer Bedeutung.

Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des
§ 195 SGG.

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