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Dienstag, 5. Mai 2015
BSG 11 BA 8/75 vom 22.08.1975, Bundessozialgericht
anselmf
Bundessozialgericht
- 11 BA 8/75 - Beschluß in dem Rechtsstreit Kläger und Revisionskläger, gegen Beklagte und Revisionsbeklagte Der 11. Senat des Bundessozialgerichts hat am 22. August 1975 durch den Vorsitzenden Richter Dr. B. und die Richter H. und Dr. Z. sowie die ehrenamtlichen Richter V. und Dr. L. beschlossen: Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Januar 1975 wird zurück- gewiesen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. - 2 - Der Kläger war nach seinem Hochschulstudium von August 1932 bis April 1934 arbeitslos, aber nicht beim Arbeits- amt gemeldet. Er begehrt dennoch von der Beklagten die Anerkennung (Vormerkung) dieser Zeit als Ausfallzeit im Sinne des § 36 Abs.1 Nr. 3 des Angestelltenver- sicherungsgesetzes (AVG).Die Beklagte hat das abge- lehnt. Klage und Berufung waren ohne Erfolg.Nach An- sicht des Landessozialgerichts (LSG) ist es nicht grund- gesetzwidrig (willkürlich), daß das Gesetz die Anrech- nung einer Arbeitslosigkeit als Ausfallzeit von der Arbeitslosmeldung abhängig macht und für ehemals un- beschäftigte Jungakademiker keine Ausnahme zuläßt. Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.Mit der dagegen eingelegten Beschwerde beantragt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Be- deutung der Rechtssache. In der damals herrschenden größten Arbeitslosigkeit sei - insbesondere für Jung- akademiker - eine Meldung beim Arbeitsamt nutzlos ge- wesen, weil die Arbeitsämter keine Stellen hätten ver- mitteln können. Damit stelle sich die Frage, ob § 36 Abs. 1 Nr. 3 AVG mit der Verfassung im Einklang stehe, soweit das Gesetz von seinen Vorteilen die große Gruppe der Arbeitslosen ausschließe, die sich wegen Nutzlosigkeit nicht beim Arbeitsamt gemeldet hätten. Diese Frage sei noch nicht entschieden. Die Beschwerde ist zulässig. Zu den Voraussetzungen der Zulässigkeit gehört nach § 160 a Abs. 2 Satz 3 SGG, daß in der (fristgebundenen) Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt wird. Demgemäß ist in der Begründung die zu entscheidende Rechts- - 3 - frage klar zu bezeichnen; außerdem muß ersichtlich sein, weshalb ihrer Klärung eine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das gilt auch, wenn die Verfassungswidrigkeit einer Vor- schrift behauptet wird. Hier kann die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht ausreichen; vielmehr muß dargetan sein, welche Vorschrift des Grundgesetzes verletzt ist und aus welchen Gründen. Insbesondere bei behaupteten Verstößen gegen den Gleichheitsgrundsatz ist zu erläutern, worin Ungleichbehandlung und Willkür er- blickt werden (vgl. BVerwG, Buchholz, 448.3 § 7 USG Nr. 1); erst dann sind Inhalt und Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfrage der Verfassungswidrigkeit genügend gekennzeichnet. Diesen Anforderungen genügt indessen die Beschwerdebegründung des Klägers; es ist vor allem nicht zweifelhaft, daß und warum er Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) für verletzt erachtet. Auch sonst sind Bedenken gegen die Zulässigkeit der Be- schwerde nicht gegeben. Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Der Senat kann allerdings nicht der Meinung des Bundes~ gerichtshofs (BGH) folgen, daß die Frage der Verfassungs~ mäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift die Zulassung einer Revision wegen grundsätz- licher Bedeutung der Rechtssache nicht rechtfertigen könne (Rzw 1964, 225; 1967, 368). Der BGH begründet diese Ansicht damit, daß eine solche Zulassung nur das Ver- fahren verzögere, weil gegen eine die Verfassungsmäßig- keit bejahende Entscheidung noch der Weg der Verfassungs- beschwerde zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) offen- stehe; die Verfassungswidrigkeit könne nur vom BVerfG ausgesprochen werden; dieses könne aber auch angerufen - 4 - werden, wenn die Revision nicht zugelassen werde. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß das BVerfG auch bei Fragen der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes, wenn diese Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist, vor der Einlegung der Verfassungsbeschwerde zur Erschöpfung des Rechtsweges die Einlegung der Nichtzulassungsbe- schwerde verlangt (BVerfG 16, 3; vgl. auch 21, 167). Im übrigen ist die Klärungsfähigkeit auch dieser Rechts- fragen im Revisionsverfahren nicht zu bestreiten, selbst wenn eine Klärung im Sinne der Verfassungswidrigkeit nur durch Anrufung des BVerfG möglich ist. Zu Recht schließt deshalb das BVerwG die Zulassung einer Revision zur grundsätzlichen Klärung der Verfassungsmäßigkeit bzw. - widrigkeit einer Vorschrift nicht aus (vgl. BVerwG, Buchholz aaO sowie 232 § 90 BBG Nr. 14 und 235.16 § 5 LBesG Nr. 1). Wegen der Divergenz zum BGH braucht der erkennende Senat allerdings nicht den Ge- neinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes anzurufen; dies ist jedenfalls deshalb nicht erfor- derlich, weil der Senat aus anderen Gründen hier eben- falls zur Zurückweisung der Beschwerde kommt. Der Senat hält die Rechtsfrage nämlich nicht für klärungsbedürftig. Richtig ist zwar, daß über die Ver- fassungsmäßigkeit des Erfordernisses der Arbeits- losmeldung in § 36 Abs. 1 Nr. 3 AVG bzw. § 1259 Abs. 1 Nr. 3 RVO, sei es allgemein, sei es für die vom Klä- ger bezeichnete Gruppe, soweit bekannt, bisher weder vom BSG noch vom BVerfG entschieden worden ist. Wenn auch Ausführungen in mehreren Urteilen des BSG (vgl. SozR Nr. 13, 35 und 50 zu § 1259 RVO) die Arbeits- losmeldung wiederholt als zusätzliches gesetzliches Tatbestandsmerkmal bezeichnen, ohne die eine Arbeitslo- sigkeit nicht als Ausfallzeit anerkannt werden kann, - 5 - so ist doch nicht ersichtlich, daß in diesen Urteilen eine beantragte Anrechnung einer Arbeitslosigkeit wegen der fehlenden Meldung abgelehnt worden ist; andererseits haben diese Urteile keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift erkennen lassen. Wie der Senat im Beschluß vom 4. Juni 1975 (11 BA 4/75) dargelegt hat, kann indessen eine Rechtsfrage auch ohne einschlägige.Rechtsprechung dann nicht klärungsbedürftig sein, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht. Das ist hier der Fall. Die angeführ- ten Urteile des BSG (vgl. Nr. 13 und 35) haben bereits die Gründe deutlich gemacht, weshalb der Gesetzgeber die Ar- beitslosmeldung fordert. Der Gesetzgeber wollte eine zu- sätzliche Sicherung für das Bestehen echter Arbeitslosig- keit. Er wollte bei den in Betracht kommenden bis 1927 zurückreichenden Zeiträumen Mißbräuche ausschließen und sicherstellen, daß der Arbeitslose auch ernstlich arbeits- willig war und der Arbeitsvermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stand. Das sind sachlich ein- leuchtende Gründe. Im übrigen hat der Kläger das Erfordernis der Arbeits- losmeldung nicht allgemein als verfassungswidrig bezeichnet. Bei der Prüfung von Zulassungsgründen ist der Senat auf die geltend gemachten Gründe beschränkt. Entscheidend ist daher die Frage, ob das Erfordernis der Arbeitslosmeldung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, soweit es auch für Arbeits- lose gilt, bei denen eine Meldung beim Arbeitsamt von vorn- herein nutzlos erschien, insbesondere in der hier streitigen Zeit. Auch hier kann jedoch von Willkür keine Rede sein. Es ist schon nicht dargetan, daß Meldungen in der Zeit der "größten Arbeitslosigkeit" allgemein wirklich nutzlos gewe- sein seien; keinesfalls läßt sich das für alle in Betracht kommenden Vermittlungen annehmen. Hinzu kommt, daß sich - 6 - die vom Kläger bezeichnete Gruppe nicht sinnvoll abgrenzen läßt. Abgesehen von der bestehenden Arbeitslosigkeit und der Meldung beim Arbeitsamt erfordert § 36 Abs. 1 Nr. 3 AVG außerdem, daß der Arbeitslose versicherungsmäßiges Ar- beitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe oder Fürsorgeunter- stützung oder Familienunterstützung bezogen hat oder daß eine dieser Leistungen wegen Zusammentreffens mit anderen Bezügen, wegen eines Einkommens oder wegen der Berück- sichtigung von Vermögen nicht gewährt worden ist. Auf dieses weitere Tatbestandserfordernis ist der Kläger in der Beschwerdebegründung nicht eingegangen; auch aus dem angefochtenen Urteil des LSG ist nicht zu ersehen, ob eine dieser alternativen weiteren Voraussetzungen beim Kläger gegeben ist. Der Senat kann jedoch offenlassen, ob die in- soweit fehlenden Feststellungen und Ausführungen ebenfalls dem Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde hätten im wege stehen müssen. Die Beschwerde ist nach alledem zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus entsprechender An- wendung des § 193 SGG. ... comment 0 Kommentare |
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