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Dienstag, 5. Mai 2015
BSG 11 BA 4/75 vom 04.06.1975, Bundessozialgericht
anselmf
Bundessozialgericht
- 11 BA 4/75 - Beschluß in dem Rechtsstreit Kläger und Beschwerdeführer, Prozeßbevollmächtigter: gegen Beklagte und Beschwerdegegnerin Der 11. Senat des Bundessozialgerichts hat am 4. Juni 1975 durch den Vorsitzenden Richter Dr. B. und die Richter H. und Dr. Z. sowie die ehrenamtlichen Richter B. und Dr. B. Beschlossen: 1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzu- lassung der Revision im Urteil des Landessozial- gerichts Berlin vom 5. November 1974 wird zurückgewiesen 2. Äußergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfah- rens sind nicht zu erstatteno - 2 - Gründe: Das Landessozialgericht (LSG) hat in dem angefochtenen Urteil, das am 5, November 1974 ohne mündliche Verhandlung ergangen und dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers in New York am 16. Januar 1975 zugestellt worden ist, die Revision nicht zugelassen. Die dagegen gerichtete Beschwer- de des Klägers hat keinen Erfolg. Die Beschwerde ist zwar fristgerecht eingelegt und auch fristgerecht begründet worden, obwohl die Begründung erst am 10. April 1975 und damit - entgegen der Vorschrift des § 160a Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) - nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des Berufungsurteils beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen ist, Für den Kläger lief nämlich nicht eine Begründungs- frist von zwei, sondern eine solche von vier Monaten, weil ihm das Berufungsurteil außerhalb des Geltungsbereiches des SGG zugestellt worden ist. In Fällen der Auslandszustellung hatte die Rechtsprechung bisher schon für die Einlegung der Revision in entsprechen- der Anwendung des § 87 Abs, 1 Satz 2 SGG eine Frist von drei Monaten zugebilligt (SozR Nr, 42 zu § 164 SGG aF); demzufolge hatte der Revisionskläger, da sich damals noch die einmonatige Begründungsfrist der Revisionsfrist an- schloß, bei Auslandszustellung praktisch vier Monate Zeit zur Revisionsbegründung (SozR Nr, 51 zu § 164 SGG aF), Mit dieser Rechtsprechung wurde bezweckt_ den im Ausland leben- den Beteiligten ausreichende Zeit zur Nachprüfung des Urteils, zu Überlegungen und zur Einleitung der erforderlichen Maß- nahmen zu belassen; sie sollten nicht gegenüber inländischen Prozeßgegnern benachteiligt sein, Diese Erwägungen haben kein minderes Gewicht für die Fristen, die bei der neueinge- - 3 - führten Nichtzulassungsbeschwerde zu wahren sind, Da nicht erkennbar ist, daß der Gesetzgeber anläßlich der Änderung des SGG zum 1. Januar 1975 die genannte Rechtsprechung nicht mehr hätte akzeptieren wollen, erscheint es geboten, sie bei den Fristen für die Nichtzulassungsbeschwerde fort- zuführen. Das bedeutet, daß bei Urteilszustellung außer- halb des Geltungsbereichs des SGG die Frist für die Ein- legung der Beschwerde - in entsprechender Anwendung des § 87 Abs, 1 Satz 2 SGG - drei Monate ab Zustellung beträgt. Daran kann sich die Begründungsfrist zwar nicht an- schließen, weil sie nach § 160a Abs. 2 Satz 1 SGG ( mit zwei Monaten ) ab Zustellung des Urteils zu berechnen ist ( wie jetzt auch die Revisiensbegründungsfrist, vgl. § 164 Abs. 2 Satz 1 SGG); wenn das Urteil - wie hier - außer- halb des Geltungsbereichs des SGG zugestellt worden ist, muß daher die Begründungsfrist sinngemäß auf eine Zeit von vier Monaten ab Zustellung des Urteils festgesetzt werden. Die vom Kläger vorgetragenen Zulassungsgründe gebieten je- doch keine Zulassung der Revision, Soweit der Kläger zunächst eine Verletzung des § 105 SGG rügt, könnte diese nach § 160 Abs. 2 Nr. 5 SGG nur dann einen Zulassungsgrund bilden, wenn das LSG einem Beweis- antrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt wäre. Die Beschwerdebegründung enthält keine dahingehenden An- gaben; sie genügt damit nicht den Erfordernissen des § 160 a Abs. 2 Satz 5 SGG. Nach dieser Vorschrift ist in der Begründung der Verfahrensmangel zu bezeichnen; wenn Ver- stöße gegen § 105 SGG gerügt werden, muß also dargelegt werden, welchem Beweisantrag das LSG zu Unrecht nicht ge- folgt sein soll. - 4 - Soweit der Kläger außerdem eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, läßt der Senat dahingestellt, ob die Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung in dem von § 160a Abs. 2 Satz 5 SGG geforderten Maße ausreichend darlegt; dieser Zulassungsgrund ist jedenfalls nicht gegeben. Der Kläger zitiert Ausführungen des LSG, daß wegen des. Fehlens genauer Unterlagen "sich nicht feststellen läßt", ob die "Beitragsentrichtung oder die Nichtentrichtung“ von Beiträgen zur Angestelltenversicherung für die Zeit von März 1952 bis Juni 1953 "ein höheres Maß an Wahrscheinlich- keit hat". Nach seiner Meinung ist hier die grundsätzliche Rechtsfrage zu klären, ob nicht bei Verfolgten die Fest- stellung von Tatsachen gemäß § 5 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung - WGSVG - vom 22. Dezember 1970 grundsätzlich zugunsten der Verfolgten zu treffen ist. Des- halb hat der vorliegende Rechtsstreit indessen keine grund- sätzliche Bedeutung. Dieser Zulassungsgrund (vgl. aus der bisherigen Rechtsprechung des BSG dazu BSG 2, 129, 152 und 15, 17, 19) verlangt zwar, daß die zu treffende Entscheidung sich über den Einzelfall hinaus auswirkt; insofern hat die Antwort auf die dargelegte Rechtsfrage ohne Zweifel eine erhebliche Breitenwirkung; sie beträfe viele Fälle von Verfolgten, in denen § 5 WGSVG an- zuwenden ist. Die Bedeutung über den Einzelfall hinaus ge- nügt aber noch nicht. Erforderlich ist vielmehr ferner, daß die Rechtsfrage auch klärungsbedürftig ist (vgl„ BSG aaO und Neyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der Obersten Bundesgerichte, S. 29); eine schon geklärte Frage hat kein grundsätzliches Gewicht nein; Eine Klärungsbedürftigkeit ist aber nicht erst denn' - 5 - zu verneinen, wenn bereits eine gefestigte Recht- sprechung die Rechtsfrage klar entschieden hat; eine Rechtsfrage kann schon dann nicht klärungsbedürftig sein, wenn von vornherein die Antwort darauf praktisch außer Zweifel steht. Das aber ist hier der Fall. Nach § 5 Abs. 1 WGSVG genügt es für die Feststellung der nach diesem Gesetz erheblichen Tatsachen, wenn sie glaubhaft gemacht sind; das ist der Fall, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen überwiegend wahrscheinlich ist; nach Abs. 2 können als Mittel der Glaubhaftmachung eidesstattliche Versicherungen zuge- lassen werden. Die Vorschrift des § 3 gibt damit den Verfolgten Beweiserleichterungen, vor allem dadurch, daß für die Feststellung der rechtserheblichen Tat- sachen die überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreicht. Die Vorschrift enthält aber keinen Grundsatz, daß Tatsachenfeststellungen allgemein oder regelmäßig zugunsten der Verfolgten zu treffen seien; die Beweis- last (Feststellungslast) bleibt unberührt„ Auch im Rah- men des § 5 Abs. 1 WGSVG verbleiben Fälle, in denen weder das Vorhandensein noch das Nichtvorhandensein einen Tatsache überwiegend wahrscheinlich ist; dann ist nicht "im Zweifel zugunsten der Verfolgten" zu entscheiden. Ein derartiger Grundsatz wäre auch dem Sozialversicherungsrecht fremd. - 6 - Die Kostenentscheidung ergibt sich aus entsprechender Anwendung des § 195 SGG Dr. B. Dr. Z. Zugleich für Richter am BSG H., der durch Urlaub an der Unterzeichnung verhindert ist. ... comment 0 Kommentare |
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