Ausgewählte Rechtsprechung und Rechtsentwicklung
Dienstag, 31. Mai 2016
11 RA 9/79 vom 15.11.1979, Bundessozialgericht
Bundessozialgericht

- 11 RA 9/79 -

Verkündet am

15. November 1979
als Urk. Beamter
der Gesch. Stelle

Im Namen des Volke

Urteil

in dem Rechtsstreit

Kläger,

Prozeßbevollmächtigter

gegen

Beklagte und Revisionsbeklagte,

beigeladen

Revisionsklägerin

Der 11. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die
mündliche Verhandlung vom 15. November 1979
für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beigeladenen werden die Urteile
des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom
11. Oktober 1978 und des Sozialgerichts Konstanz
vom 25. Februar 1977 aufgehoben.

Die Klage auf Verurteilung der Beigeladenen zur Ge-
währung vorläufiger Leistungen wird abgewiesen.

- 2 -

Auf die Klage gegen die Beklagte werden deren Bescheide
vom 25. März und 8. August 1974 aufgehoben. Die Beklagte
wird verurteilt, dem Kläger unter Beachtung der Rechts-
auffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu er—
teilen. Im übrigen wird die Klage gegen die Beklagte
abgewiesen.

1 .

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen
Kosten des Rechtsstreits zu zwei Dritteln, die Beige—
ladene hat sie ihm zu einem Drittel zu erstatten.

Gründe:

Der Kläger begehrt berufsfördernde Maßnahmen.

Er beantragte sie im September 1972 bei der beigeladenen
Bundesanstalt für Arbeit (BA); dabei strebte er die Um-
schulung zum Bautechniker an; als Dachdeckermeister könne
er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr tätig sein. Da
der Kläger Versicherter im Sinne des § 15 des Angestellten—
versicherungsgesetzes (AVG) damaliger Fassung - überdie
auch im Sinne des § 15a idF des Rehabilitations-Angleichungs-
gesetzes (RehaAnglG) - ist, erklärte sich die Beklagte für
zuständig. Sie lehnte den Antrag ab, weil ein Berufswechsel
aus medizinischer Sicht nicht angezeigt sei (Bescheid vom
25. März 1974, Widerspruchsbescheid vom 8. August 1974).

Der Kläger hat hierauf Klage erhoben zunächst mit dem An—
trag, die Beklagte zur Gewährung von berufsfördernden Maß-
nahmen zu verurteilen. Nachdem die Beklagte die Beiladung
der BA beantragt hatte, begehrte er hilfsweise noch deren
Verurteilung. Im Hinblick hierauf lud das Sozialgericht (SG)

- 3 -

die BA nach § 75 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)
zum Rechtsstreit bei. Es holte ärztliche Gutachten ein,
die sich für eine Umschulung des Klägers aussprechen. In
der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 25. Februar 1977
beantragte der Kläger daraufhin, die Beigeladene zur Ge-
währung von Beihilfen zur beruflichen Umschulung in gesetz-
licher Höhe, hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung ihrer
Bescheide zur Gewährung berufsfördernder Maßnahmen zu ver-
urteilen. Durch Urteil vom 25. Februar 1977 hat das SG dem
Hauptantrag in der Weise entsprochen, daß es die Beige-
ladene verurteilt hat, dem Kläger berufsfördernde Maßnahmen
zu gewähren. Es hielt den Hauptantrag nach § 6 Abs 2
Nr 2 RehaAnglG für begründet; aufgrund dieser Bestimmung
müsse die Beklagte hier vorläufige Leistungen erbringen,
da seit dem Beiladungsbeschluß streitig und ungeklärt sei,
welcher Rehabilitationsträger die zur Erhaltung der
Leistungsfähigkeit des Klägers erforderlichen berufs-
fördernden Maßnahmen zu gewähren habe.

Auf die Berufung der Beigeladenen hat das Landessozial—
gericht (LSG) deren Verurteilung in die Feststellung ihrer
Verpflichtung zu vorläufigen Leistungen umgewandelt; außer—
dem hat es die Bescheide der Beklagten aufgehoben, da die
Beklagte die gerichtlich voll nachprüfbaren materiell—
rechtlichen Voraussetzungen des § 13 AVG zu Unrecht verneint
habe (Urteil vom 11. Oktober 1978). Zur Begründung der vor—
läufigen Leistungspflicht der BA hat das LSG noch geltend
gemacht, daß die Zuständigkeit der Beklagten gemäß § 13
Abs 5 AVG die Zuständigkeit der Beigeladenen nach § 56
Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG, idF des RehaAnglG)
unberührt lasse. Deren Leistungspflicht entfalle nach
§ 57 AVG nicht bereits bei Zuständigkeit eines anderen
Rehabilitationsträgers, sondern erst, wenn dieser vorrangig
verpflichtet sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme be—
stehe kein Streit mehr darüber, daß der Kläger Behinderter
und berufsfördernde Maßnahmen bei ihm zur Rehabilitation
erforderlich seien. Im Rahmen des § 6 Abs 2 RehaAnglG sei

- 4 -

über die von der Beigeladenen behauptete Verpflibhtung
der Beklagten zur Leistung nach §§ 15 ff AVG nicht zu be-
finden. Lediglich die Verurteilung der Beigeladenen zur
Leistung sei in eine entsprechende Feststellung abzuändern
gewesen, weil ein Leistungsurteil die genaue Bezeichnung
der Maßnahme voraussetzen.'

Die Beigeladene beantragt mit der vom LSG zugelassenen
Revision,

das Urteil des LSG aufzuheben, soweit

ihre Leistungspflicht festgestellt sowie
ihre (weitergehende) Berufung zurück—
gewiesen wurde, und die Beklagte zu verur—
teileng über den Antrag des Klägers auf
Gewährung berufsfördernder Leistungen zur
Rehabilitation erneut zu entscheiden.

Sie rügt Verletzung der §§ 6 Abs 2 RehaAnglG, 57 AFG. Der
Streit, ob sie oder die Beklagte vorrangig verpflichtet
sei, betreffe eine reine Rechtsfrageg die im gericht-
lichen Verfahren keinen Fall der ungeklärten Zuständigkeit '
im Sinne des § 6 Abs 2 RehaAnglG zu begründen vermöge. Die
Vorleistungspflicht gelte nur im Verwaltungsverfahren, sie
sei nicht dazu da, den Gerichten die Entscheidung über
die endgültige Zuständigkeit zu ersparen. Im übrigen stehe
§ 57 AFG ihrer Verurteilung entgegen, da die Beklagte
ihre Zuständigkeit nicht durch eine Ermessensausübung
beseitigen könne.

Der Kläger und die Beklagte beantragen,
die Revision zurückzuweisen,

hilfsweise schließt sich der Kläger dem
Revisionsantrag der Beigeladenen an.

II.

Die Revision der Beigeladenen ist begründet.

1. Auf das Rechtsmittel ist.zunächst zu prüfen, ob das LSG
zu Recht eine Verpflichtung der Beigeladenen zu vor-
läufigen Leistungen aufgrund von § 6 Abs 2 RehaAnglG fest-
gestellt hat. Diese vorrangige Prüfungspflicht ergibt
sich aus der vom Kläger vor dem SG vollzogenen Klage-
änderung. Seine dort in der letzten mündlichen Verhandlung
gestellten Anträge bedeuteten aus mehreren Gründen eine
Klageänderung. Zum einen richtete der Kläger damit die
Klage von da an in erster Linie gegen die Beigeladene. Da-
für konnte er sich nicht auf § 75 SGG stützen. In dessen
Absatz 5 ist zwar bestimmt, daß ein Versicherungsträger
nach Beiladung verurteilt werden kann. Diese Vorschrift
erlaubt einem Kläger jedoch nicht Jede gewünschte Rechts—
verfolgung gegen einen solchen Beigeladenen ohne Vor-
schalten der sonst erforderlichen Rechtsbehelfe. § 75
Abs 5 SGG gibt den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit
aus prozeßökonomischen Gründen die Befugnis, in Fällen,
in denen der Kläger einen nicht leistungspflichtigen
Versicherungsträger verklagt, den in Wirklichkeit
leistungspflichtigen Versicherungsträger nach Beiladung
zu verurteilen, um einen neuen Rechtsstreit und die Gefahr
sich widersprechender Entscheidungen zu vermeiden (BSGE
9, 67, 69). Demnach kommt eine Verurteilung der Beige—
ladenen nur subsidiär in Betracht; sie darf erst statt—.
finden, wenn (soweit) die Klage gegen den Beklagten keinen
Erfolg haben kann. Das schließt zwar nicht aus, daß ein
Kläger nach einer inzwischen feststehenden Zuständigkeit
des Beigeladenen sich auf Anträge gegen den Beigeladenen
beschränkt und sogar die Klage gegen den Beklagten zurück—
nimmt (BSG, Breithaupt 1966, 800), weil dabei die Sub-
sidiarität der Verurteilung des Beigeladenen erhalten
bleibt. Im vorliegenden Fall hat der Kläger jedoch nicht

- 5 -

seine Anträge aus solchen Gründen gegen die Beigeladene
beschränkt. Er hat vielmehr mit seiner nun in erster Linie
gegen die Beigeladene gerichteten Klage-diese zur Be-
klagten gemacht. Hierin lag ein Parteiwechsel, der als ein
Fall der Klageänderung gilt (BSGE 8, 115; 20, 218). Ab-
gesehen davon hat der Kläger mit der Klage gegen die Bei—
geladene einen Anspruch erhoben, zu dessen Erfüllung die
Beigeladene nach § 75 Abs 5 SGG nicht verurteilt werden
durfte. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob der Kläger
dabei ursprünglich mehr einen Anspruch auf Förderung der
beruflichen Umschulung nach § 47 AFG im Auge hatte oder
ob er entsprechend der Deutung des SG (und auch des LSG)
schon bei der Änderung seiner Anträge einen Anspruch auf
vorläufige Leistungen nach § 6 Abs 2 RehaAnglG geltend
machen wollte. In beiden Fällen handelte es sich gegen—
über dem gegen die Beklagte erhobenen Rehabilitations-
begehren um im Anspruchsgrund und in den Rechtsfolgen
verschiedene Ansprüche. Einer Verurteilung nach § 75
Abs 5 SGG muß allerdings nicht stets inhaltlich derselbe
Anspruch wie der gegen den Beklagten erhobene zugrunde
liegen; so kann zB auch nach einer Abweisung der Klage auf
Zahlung von Übergangsgeld der Beigeladene zur Zahlung de
Krankengeldes verurteilt werden, das zum Ruhen des Über—
gangsgeldes führt (vgl Urteil vom 9. September 1971
— 3 RK 110/69 -, Die Leistungen aus der gesetzlichen
Krankenversicherung 1972, 152). In solchen Fällen müssen
sich aber die - inhaltlich verschiedenen — Ansprüche gegen
den Beklagten und den Beigeladenen gegenseitig ausschließen;
es muß sich um zwei Ansprüche handeln, die nicht nebenein—
ander bestehen. Hier hat der Kläger gegen die Beigeladene
aber einseitig einen Anspruch geltend gemacht, der in keiner
Wechselwirkung zu dem gegen die Beklagte erhobenen
Rehabilitationsanspruch stehen konnte. Dem steht nicht ent-
gegen, daß der Rehabilitationsanspruch gegen den zu-
ständigen Träger nach § 6 Abs 2, Satz 1, letzter Halb—
satz RehaAnglG als erfüllt gilt, wenn (soweit) vorläufige
Leistungen erbracht werden, weil diese Wirkung nicht dem

- 7 -

Anspruch auf vorläufige Leistungen anhaftet, vielmehr
erst mit seiner Erfüllung eintritt.

Die somit vollzogene Klageänderung war allerdings nach
§ 99 Abs 2 SGG zulässig, weil sich die übrigen Beteiligten
in der mündlichen Verhandlung vor dem SG auf sie eingelassen
haben. Zu Recht haben sich daher die Vorinstanzen in erster
Linie mit dem neuen Hauptantrag des Klägers befaßt. Sie
haben jedoch verkannt, daß die in ihm verkörperte Klage
gegen die Beigeladene unzulässig ist. Denn die Beigeladene
hat über den nunmehr in erster Linie gegen sie erhobenen
Anspruch nicht durch Verwaltungsakt entschieden. Eine reine
Leistungsklage gegen sie nach § 54 Abs 5 SGG kam nicht in
Betracht, da über den Antrag ein Verwaltungsakt zu ergehen
hatte. Richtige Klageform war damit die kombinierte An—
fechtungs— und Leistungsklage. Deren Erhebung setzt jedoch
die Durchführung des Verwaltungsverfahrens voraus. Die
Zulässigkeit der Klageänderung konnte den Kläger von dieser
Voraussetzung nicht freistellen (vgl BSG 10, 218). Der vor-
liegende Mangel ist auch nicht durch die schriftsätzlichen
Äußerungen der BA während des Berufungsverfahrens geheilt
worden. Die Beklagte hat darin zwar eine Verpflichtung zu
vorläufigen Leistungen bestritten; damit hat sie aber er-
sichtlich keine Verwaltungsentscheidung über den Anspruch
treffen wollen (vgl BSG aaO). Die Vorinstanzen hätten somit
die gegen die Beigeladene gerichtete Klage als unzulässig
ansehen müssen. Auf die Revision der Beigeladenen mu
ßder Senat die gegen sie gerichtete Klage aus diesem Grunde
abweisen.

Damit hat der Senat aufgrund der weiteren Revisionsanträge
über den vor dem SG zuletzt gestellten Hilfsantrag de
Klägers auf Verurteilung der Beklagten zu befinden, mit dem
der Kläger seinen ursprünglichen Klageantrag weiterverfolgt.
Durch die Klageänderung des Klägers ist diese Klage wegen
der seitdem vorliegenden eventuellen subjektiven Klagen—
häufung zu einer bedingten Klage geworden. Eine bedingte

- 8 -

Klageerhebung wird nach überwiegender Meinung zwar als un—
zulässig erachtet (vgl vor allem LG Berlin NJW 1958, 833).
Trotzdem hält der Senat die "Hilfsklage" unter den bem
sonderen Umständen des vorliegenden Rechtsstreits für zu-
lässig. Denn die sonst allgemein gegen die Zulässigkeit
einer bedingten Klageerhebung angeführten Gründe greifen
hier nicht durch. Kostenrechtliche Schwierigkeiten können
im sozialgerichtlichen Verfahren kaum befürchtet werden.
Auch dürften Komplikationen vor Rechtsmittelinstanzen nach
Abweisung einer in Vorinstanzen erfolgreichen Hilfsklage
hier nicht entstehen; denn wenn auf eine solche Hilfsklage
ein Rehabilitationsanspruch gegen die Beklagte und bei der
nach § 75 SGG gebotenen Prüfung ferner gegen die Beige-
ladene nicht anerkannt würde, dann bedarf es keines Rück-
griffs auf die Hauptklage, weil dann auch kein Anspruch auf
vorläufige Leistungen gegeben sein könnte. Dem Kläger läßt
sich ferner ein Bedürfnis am hilfsweisen Festhalten an der
Klage gegen die Beklagte nicht absprechen. Im übrigen ist
in diesem Zusammenhang noch darauf hinzuweisen, daß da
sozialgerichtliche Verfahren in der nach § 75 Abs 5 SGG
hilfsweise eröffneten Möglichkeit zur Verurteilung eine
Beigeladenen für den Anwendungsbereich dieser Vorschrift
im Ergebnis eine bedingte Klageerhebung bereits anerkennt,
so daß diese Klageform im sozialgerichtlichen Verfahren
nicht als schlechthin ausgeschlossen angesehen werden kann.

Der Hilfsantrag, dh die in ihr verkörperte Klage gegen die
Beklagte ist auch im wesentlichen begründet, weil die Be-
klagte zu Unrecht die gesetzlichen Voraussetzungen für die
Gewährung von berufsfördernden Maßnahmen durch sie ver-
neint hat. Aus den vom LSG getroffenen tatsächlichen Fest-
stellungen, die nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden v
sind, ergibt sich, daß die Erwerbsfähigkeit des Klägers in-
folge von Krankheit gefährdet ist und voraussichtlich durch
berufsfördernde Maßnahmen erhalten werden kann. Damit sind
die Voraussetzungen des § 13 Abs 1 AVG (idF vor und nach
dem RehaAnglG) erfüllt. Festgestellt ist auch, daß der

- 9 -

Kläger zu dem von der Beklagten zu betreuenden Personen-
kreis von Versicherten gehört; die die Leistungspflicht der
Beklagten einschränkenden Vorschriften des 20. Renten—
anpassungsgesetzes vom 27. Juni 1977 (20. RAG) sind auf den
vorliegenden Fall, in dem die Notwendigkeit zu berufs-
fördernden Maßnahmen schon vor deren Inkrafttreten gegeben
war, nicht anzuwenden (vgl Urteil des Senats vom 14. Sep-
tember 1978 — 11 RA 70/77 —). Die Ansicht der Beklagten, da
ßnach § 15 Abs 3 AVG vorrangig die Beigeladene zur beruf-
lichen Rehabilitation des Klägers verpflichtet sei, ist un—
zutreffend; diese Vorschrift läßt lediglich eine Zuständig-
keit und Verpflichtung der Beigeladenen "unberührt"; sie
wird demnach nur bedeutsam, wenn eine Zuständigkeit und eine
Verpflichtung der BA aufgrund einer anderen Vorschrift über—
haupt bestehen (vgl §§ 2 Abs 2; 4 Abs 1 Satz 3, 5 Abs 1
Satz 2 RehaAnglG, die ebenfalls andere Gegebenheiten "unbe-
rührt" lassen). Wie der Senat in seinem Urteil vom
15. März 1979 — 11 RA 56/78 — aber bereits ausgeführt und
in seinem heutigen Urteil in der Sache 11 RA 22/79 erneut
entschieden hat, sind nach § 57 AFG berufsfördernde Maßnahmen
der BA ausgeschlossen, wenn der zu Betreuende zu den Per-
sonen gehört, für die der Rentenversicherungsträger nach
§§ 15 ff AVG "zuständig" ist. Eine solche "Zuständigkeit"
der Beklagten ist aber hier gegeben.

Die Bescheide der Beklagten sind daher aufzuheben, wie e
das LSG im Ergebnis zu Recht bereits getan hat; zugleich
ist die Beklagte zur Erteilung eines neuen Bescheides auf
den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauf—
fassung des Gerichts zu verpflichten. Dabei wird die Be-
klagte nunmehr ihr Ermessen auszuüben und zu berücksich-
tigen haben, daß der Kläger, wenn nicht die Beklagte für ihn
"zuständig" wäre, einen Rechtsanspruch gegen die Beigeladene
haben würde (vgl hierzu Urteil des Senats vom 15. März 1979
- 11 RA 36/78 —). Das bedeutet allerdings nicht, daß da
Ermessen der Beklagten schon jetzt in dem Sinne einge-
schränkt wäre, daß jede andere Entscheidung als die

- 10 -

Leistungsgewährung an den Kläger als rechtswidrig im
Sinne des § 54 Abs 2 Satz 2 SGG angesehen werden müßte;
deshalb war die Klage gegen die Beklagte, soweit sie
deren Verurteilung zur Leistung verlangte‚ abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Dabei hat der Senat mitberücksichtigt, daß die Beige-
ladene nach § 6 Abs 2 RehaAnglG gegebenenfalls auch von
Amts wegen tätig werden muß; für die Beigeladene hätte
im Verlauf des Rechtsstreits vor den Vorinstanzen wegen
des Zuständigkeits— und Verpflichtungsstreites mit der
Beklagten Anlaß zur Gewährung von vorläufigen Leistungen
an den Kläger gemäß § 6 Abs 2 RehaAnglG bestanden, zumal
damals eine Entscheidung des Bundessozialgerichts zur
Abgrenzung der Zuständigkeiten noch ausstand.

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B 1 KR 41/08 B vom 09.07.2008, Bundessozialgericht
BUNDESSOZIALGERICHT
Beschluss
in dem Rechtsstreit
Az: B 1 KR 41/08 B
L 5 KR 362/07 (Bayerisches LSG)
S 4 KR 186/05 (SG Landshut)


Kläger und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigte:


g e g e n


A,
Beklagte und Beschwerdegegnerin.


Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat am 9. Juli 2008 durch den Präsidenten
M und die Richter Prof. Dr. S und Dr. H
beschlossen:

Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nicht-
zulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom
10. Dezember 2007 gewährt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im genannten Beschluss
wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

- 2 -

G r ü n d e :

I

1
Der 1926 geborene Kläger bat seine Krankenkasse (Beklagte) im Dezember 2004 um eine
"verbindliche" Mitteilung, in welcher Höhe seine Hinterbliebenen Sterbegeld aus seiner
Krankenversicherung erhalten werden. Die Beklagte teilte ihm unter Übersendung einer
formularmäßigen "Information zum Wegfall des Sterbegeldes" mit, der Anspruch auf Sterbegeld
sei seit dem 1.1.2004 ausgeschlossen (Schreiben vom 17.12.2004 und 9.2.2005). Hiergegen
erhob der Kläger Widerspruch. Die Beklagte wies ihn im Folgenden erneut auf den Wegfall des
Sterbegeldes sowie darauf hin, dass gegen ihre Auskunft ein Widerspruch nicht zulässig sei.
Der Kläger bat um Erteilung eines rechtsmittelfähigen Verwaltungsaktes, worauf die Beklagte
seinen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.7.2005 zurückwies. Sie führte aus, der
Widerspruch sei unzulässig, weil sie dem Kläger eine bloße Auskunft erteilt, aber keinen
Verwaltungsakt erlassen habe.

2
Das Sozialgericht (SG) hat die auf Mitteilung der Höhe des Krankengeldes, hilfsweise auf Ver-
pflichtung der Beklagten zur Erteilung eines entsprechenden Bescheides gerichtete Klage ab-
gewiesen. Dem Kläger fehle das Rechtsschutzinteresse sowohl für die begehrte Mitteilung über
die Höhe des Sterbegeldes als auch hinsichtlich des Antrags auf Neubescheidung, weil er
selbst nicht Inhaber eines möglichen Anspruchs auf Sterbegeld sein könne (Urteil vom
29.3.2007). Das Landesozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen. Die Schreiben der
Beklagten vom 17.12.2004 und 9.2.2005 seien als Ablehnungsbescheide zu qualifizieren, denn
sie verneinten unter Erläuterung der Rechtsgrundlagen konkret einen Anspruch des Klägers auf
Sterbegeld. Die Beklagte sei zwar nicht berechtigt gewesen, den Widerspruch als unzulässig
zurückzuweisen. Weil der Widerspruchsbescheid in der Sachverhaltsbeschreibung jedoch auch
Ausführungen zur materiellen Regelung enthalte und die Beklagte unmissverständlich zum
Ausdruck gebracht habe, dass sie einen Anspruch des Klägers verneine, sei auch insoweit von
einer materiellen Entscheidung auszugehen. Ebenso habe das SG durch die "tenorierte Abwei-
sung der Klage zum Ausdruck gebracht, dass dem Kläger kein Anspruch auf Sterbegeld zu-
steht". Dies sei rechtlich zutreffend, sodass nicht näher darauf einzugehen sei, ob die Klage im
Ergebnis mangels Rechtsschutzbedürfnisses oder mangels materiellen Anspruchs ohne Erfolg
bleibe. Dem Kläger stehe ebenso wenig wie seinen Rechtsnachfolgern ein Anspruch auf
Sterbegeld zu. Der Ausschluss des Sterbegeldes seit 1.1.2004 sei mit dem GG vereinbar (Be-
schluss vom 10.12.2007).

3
Mit Beschluss vom 3.4.2008 hat der erkennende Senat den Antrag des Klägers, ihm für das
Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG
Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren und einen Rechtsanwalt beizuordnen, mangels Erfolgs-


- 3 -


aussicht der Beschwerde abgelehnt. Der Kläger hat jetzt durch einen Rechtsanwalt Nichtzulas-
sungsbeschwerde eingelegt und beantragt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

II

4
1. Dem Kläger ist, nachdem sein Antrag auf Bewilligung von PKH zwecks Durchführung des
Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde abgelehnt worden war, Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand zu gewähren. Wird das in der Rechtsmittelfrist ordnungsgemäß eingereichte
Prozeßkostenhilfegesuch eines iS von § 114 Satz 1 ZPO "armen" Beteiligten abgelehnt, ist
Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn das Rechtsmittel binnen eines Monats nach Zustellung
der Ablehnung formgerecht eingelegt wird (vgl BSG SozR 1500 § 67 Nr 13, 15). So liegt der
Fall hier.

5
2. Die Beschwerde ist jedoch unzulässig. Die Revision ist nur zuzulassen, wenn die Rechts-
sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), wenn das Urteil von einer Ent-
scheidung des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichts-
höfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung
beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2) oder ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird, auf dem die an-
gefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1). Derartige Gründe
werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a
Abs 2 Satz 3 SGG dargetan.

6
a) Die Beschwerdebegründung lässt schon nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, wel-
cher der drei Zulassungsgründe geltend gemacht werden soll; Normen werden insoweit nicht
genannt und Zulassungsgründe nicht ausdrücklich bezeichnet. Soweit in der Beschwerde-
begründung ausgeführt wird, die der angefochtenen Entscheidung des LSG zu Grunde
liegende Meinung des BSG in SozR 4-2500 § 58 Nr 1 könne nicht aufrechterhalten werden,
weil sie gegen Art. 3, 14, 20 und 25 GG sowie Art 6 EMRK verstoße, macht der Kläger allenfalls
sinngemäß eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend.
Die Darlegungserfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG verlangen insoweit jedoch, dass
eine Rechtsfrage klar formuliert und ausgeführt wird, inwiefern diese Frage im angestrebten
Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall
hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100
§ 111 Nr 1 S 2 f; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Zwar kann auch die
Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift von grundsätzlicher Bedeutung sein (vgl BSG SozR
1500 § 160a Nr 17). Jedoch ist eine Rechtsfrage, die das BSG bereits entschieden hat, nicht
mehr klärungsbedürftig. Sie kann somit keine grundsätzliche Bedeutung mehr haben, es sei
denn, die Beantwortung der Frage ist aus besonderen Gründen klärungsbedürftig geblieben
oder erneut geworden. Auch das muss substantiiert vorgetragen werden (BSG SozR 3-1500
§ 160a Nr 21 S 38 mwN). Hieran fehlt es. Der Kläger setzt sich jedoch weder mit der

- 4 -

Entscheidung des BSG vom 13.12.2005 (SozR 4-2500 § 58 Nr 1) auseinander, in welcher der
Senat die verfassungsrechtlichen Aspekte des Wegfalls des Sterbegeldes eingehend behandelt
hat, noch zeigt er in seiner Beschwerdebegründung sonstige, darüber hinausgehende
verfassungsrechtliche Gesichtspunkte auf.

7
b) Die Beschwerde ist auch nicht nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG wegen Vorliegens eines Verfah-
rensfehlers zuzulassen. Zwar wird in der Beschwerdebegründung ausgeführt, das SG habe die
Klage mit der "denkwürdigen Begründung" abgewiesen, das Sterbegeld gehe den Kläger nichts
an. Und weiter "es wird - auch in der Fachliteratur - wiederholt festgestellt, dass erstinstanzliche
Gerichte (zum Zwecke der Selbstentlastung) Klagen und sonstige Anträge auch mit 'abwegigen'
Argumenten abweisen, um die Sache loszuwerden und der Rechtsmittelinstanz die eigentliche
Sachaufklärung und Entscheidungsfindung zu überlassen. Diese Vorgehensweise ist rechts-
widrig und widerspricht sozialstaatlichen Prinzipien. Denn die Rechtsmittelinstanz hat vornehm-
lich die Aufgabe, einen weitestgehend erschöpfend aufbereiteten Sachverhalt und die darauf
gegründete Entscheidung zu überprüfen, nicht aber erstinstanzlich tätig zu werden. Denn sonst
ginge dem/der Rechtsuchenden eine wichtige Tatsacheninstanz verloren, also auch die Über-
prüfungsmöglichkeit des Sachverhalts. In vorliegender Sache könnte ein solcher Fall vorliegen."

8
Mit diesem Vorbringen werden Verfahrensfehler nicht in der gebotenen Weise dargetan. Der
Senat hat jedoch bereits in seinem Beschluss vom 3.4.2008 darauf hingewiesen, dass das LSG
eine Sachenscheidung über den geltend gemachten Anspruch getroffen hat. Ob das SG einen
Verfahrensfehler begangen hat, ist für die Nichtzulassungsbeschwerde nur dann erheblich,
wenn es sich um einen auch in der Berufungsinstanz fortwirkenden Verfahrensfehler handelt
(BSG, Beschluss vom 13.8.1998 - B 2 U 251/97 B). Hierzu trägt der Kläger nichts vor.
9 Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG abgesehen.
10 Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
M H S

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