Ausgewählte Rechtsprechung und Rechtsentwicklung
Samstag, 9. Mai 2015
SG R, S 14 KR 69/08 ER vom 12.03.2008, Sozialgericht Regensburg
S 14 KR 69/08 ER

SOZIALGERICHT REGENSBURG

In dem Antrags Verfahren


— Antragsteller —

g e g e n

… —Krankenkasse,

— Antragsgegnerin —

erlässt der Vorsitzende der 14. Kammer, Richter am Sozialge-
richt Dr. E… , ohne mündliche Verhandlung am
12. März 2008 folgenden

Beschluss:

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anord-
nung bezüglich der Erstattung von Fahrtkosten zur
ambulanten Behandlung wird abgelehnt.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

- 2-

Gründe

Die Beteiligten streiten in dem Hauptverfahren und vorliegenden
Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Erstattung
von Fahrtkosten.

Der am ... geborene Antragsteller (Ast) ist Dialysepati—
ent, im Rahmen der Schwerbehindertenrechts verfügt er über das
Merkzeichen "G" und "RF". Streitig ist zum einen, ob für die
Fahrten mit dem privaten Pkw zu den Behandlungen 20 Cent oder
30 Cent pro gefahrene Kilometer erstattet werden, zum anderen
ob Fahrten mit dem Taxi anlässlich ambulanter Behandlungen zu
übernehmen sind.

Letztlich mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2008 sind beide
Begehren des Ast abgelehnt worden. Der Ast selbst bezieht Hilfe
zum Lebensunterhalt durch das Sozialamt Regensburg.

Mit seinem Antrag auf einstweilige Anordnung möchte er gerade
wegen des Verwiesenseins auf Hilfe zum Lebensunterhalt die
Fahrtkosten bzw. die erhöhten Fahrtkosten bezahlt bekommen, um
seine Fahrten zu gewährleisten. Derzeit werde er durch Angehö-
rige gefahren, dieser Zustand sei jedoch nicht tragbar, falls
die Hilfsperson ausfallen sollte.

Die Antragsgegnerin (Ag) führte zu dem Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung aus, dass weder ein Anordnungsanspruch
noch ein Anordnungsgrund gegeben sei. Der Anordnungsanspruch
hinsichtlich einer erhöhten Entschädigung mit einer Pauschale
von 30 Cent pro gefahrenen Kilometer scheitere an dem anwendba-
ren Bundesreisekostengesetz, wonach ein erhebliches dienstli-
ches Interesse bestehen müsse (analog angewandt auf das Kran-

- 3 -

kenversicherungsrecht). Dies sei nicht gegeben. Ebenso seien
die Taxifahrten nicht zu übernehmen, da die Voraussetzungen
nach den Krankentransport—Richtlinien beim Ast nicht vorliegen
würden. Nachdem er die erforderlichen Merkzeichen "aG" und "H"
nicht aufweise‚ des Weiteren nicht die Pflegstufe II, sei auf
eine hohe Behandlungsfrequenz abzustellen. Der Medizinische
Dienst der Krankenversicherung habe sich dahingehend eingelas-
sen, dass eine solche nicht gegeben sei.

Des Weiteren liege kein Anordnungsgrund vor, da der Ast durch-
aus öffentliche Verkehrsmittel benutzen könne. Schwere oder un-
zumutbare, nicht anders abzuwendende Nachteile würden nicht
entstehen. Als letztes Mittel würden dem Ast Leistungen der So-
zialhilfe zur Verfügung stehen.

Bezug genommen wird zur Ergänzung der Gründe auf die Ausführun-
gen des Ast sowie der Ag.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zuläs-
sig, jedoch nicht begründet.

Gemäß § 86 b Abs.2 Sozialgerichtsgesetz TSGG) kann das Gericht
der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug
auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass
durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirkli-
chung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich
erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur
Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streiti-
ges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur
Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Antrag
ist schon vor Klageerhebung zulässig. Erfasst werden somit in
§ 86 Abs. 2 SGG sowohl die sogenannte Sicherungsanordnung als
auch die sogenannte Regelungsanordnung.

- 4 -

Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist,
dass sowohl ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund ge-
geben sind. Anordnungsanspruch ist dabei der materielle An-
spruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtschutz
sucht, Anordnungsgrund ist die Eilbedürftigkeit der begehrten
Sicherung oder Regelung (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m.
§ 920 ZPO). Das Gericht prüft, ob Anspruch und Grund glaubhaft
gemacht worden sind. Eine endgültige Entscheidung in der Haupt-
sache wird durch die einstweilige Anordnung nicht vorweggenom—
men .

Aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zuläs-
sigen summarischen und pauschalen Prüfung der Sach- und Rechts-
lage kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass zumindest ein An-
ordnungsgrund nicht gegeben ist. Das Gericht sieht ebenso wie
die Ag keine unzumutbaren Nachteile für den Ast, das Hauptver-
fahren abzuwarten. Denn wenn nunmehr positiv für den Ast im
Verfahren der einstweiligen Anordnung entschieden werden würde,
so käme dies der Vorwegnahme der Hauptsache gleich, da dem Ast
die begehrten Fahrtkosten vorerst zugestanden würden. Nachdem
der Ast Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt bezieht, wären
diese Leistungen nicht mehr rückabwickelbar, falls sich im
Hauptverfahren herausstellen sollte, dass dem Ast der Anspruch
nicht zusteht. Soweit eine Verweisung auf Leistungen der Sozi-
falhilfe ausscheidet‚ müsste bei Nichtgewährung der beantragten
Leistungen eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben des Ast
bestehen (LSG Niedersachsen—Bremen, NZS 2004, 112). Dies hat
der Ast ebenso nicht dargetan. Vielmehr gibt er selber zu, dass
er im Notfall durch Angehörige gefahren werden kann. Er benö-
tigt die einstweilige Anordnung nur deshalb, um für den Ausfall
dieser Personen oder dieser Person eine Rückversicherung zu ha-
ben. Dies ist mit dem Rechtsinstitut der einstweiligen Anord-
nung mangels nunmehriger konkreter Gefährdung nicht machbar.
Zwar geben die hereingereichten ärztlichen Bescheinigungen um-
fassende Diagnosen des Ast an, wie z.B. die Niereninsuffizienz
seit 1977 und darauffolgende Nierentransplantationen. Eine
Übernahme der Taxikosten wird auch durch die ärztlichen Be-

scheinigungen für Fahrten außer zu den Dialysebehandlungen zur
ambulanten Untersuchungen gefordert. Insoweit ist jedoch darge-
tan, dass der Ast seinen eigenen Pkw fahren kann, dies ihm je-
doch mitunter oftmals nicht möglich ist. Zudem kann der Ast, so
die Bescheinigungen, Bus und Bahn benutzen, diese jedoch nicht
regelmäßig. Im Hinblick auf die Möglichkeiten der Fortbewegung
ist eine erhebliche Gefährdung, die für einen Anordnungsan—
spruch erforderlich wäre, nicht gegeben.

Zudem zweifelt das Gericht an dem Anordnungsanspruch. Zum einen
ist der Betrag von 20 Cent gesetzlich im anwendbaren Reiseko-
stengesetz ausgewiesen, zum anderen sind die Taxifahrten zu den
ambulanten Behandlungen durch die Krankentransportrichtlinien
nur für Fälle einer hohen und dichten Behandlungsfrequenz vor-
behalten, nachdem der Ast weder das Merkzeichen "aG” noch "H"
noch die Pflegestufe II aufweist. Die hohe Behandlungsfrequenz
hat der Medizinische Dienst der Krankenversicherung nach Sich-
tung der Unterlagen abgelehnt. Diese Stellungnahme müsste durch
weitere Beweisaufnahmen erst erschüttert werden. Dafür ist das
Hauptverfahren zuständig, nicht im Zusammenhang mit dem Fehlen
des Anordnungsgrundes das Verfahren des einstweiligen Rechts-
schutzes.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist gemäß den §§ 172 Abs.1, 173 SGG Be-
schwerde zum Bayer. Landessozialgericht statthaft. Die Be-
schwerde ist binnen eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Sozialgericht Regensburg, Safferlingstraße 23, 93053
Regensburg, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeam—
ten der Geschäftsstelle einzulegen.

Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde in-
nerhalb der Frist beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße

15‚ 80539 München oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landesso—
zialgerichts‚ Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder
mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäfts-
stelle eingelegt wird.

Der Vorsitzende der 14. Kammer

Dr. E...
Richter am Sozialgericht

Faksimile    1   2   3   4   5   6  



L 5 B 314/08 KR ER

L 5 B 748/08 KR ER C

1 BvR 1601/08

... comment

0 Kommentare


To prevent spam abuse referrers and backlinks are displayed using client-side JavaScript code. Thus, you should enable the option to execute JavaScript code in your browser. Otherwise you will only see this information.

status
Menu
Suche
 
Kalender
Mai 2015
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 6 
14
15
16
19
23
24
26
27
28
29
30
31
 
 
Letzte Aktualisierungen
Beweislast für den Zugang...
Gekürzte Chronologie der Petition Beweislast für den Zugang und Garantenpflicht nach § 60 Abs. 1...
by anselmf
BVerfG, 1 BvR 1484/10 vom 28.09.2010,...
Ausfertigung BUNDESVERFASSUNGSGERICHT - 1 BvR 1484/10 - In dem Verfahren über die...
by anselmf
LSG FSB, L 8 SO 116/09 B ER RG...
L 8 SO 116/09 B ER RG BAYERISCHES LANDESSOZIALGERICHT in dem Beschwerdeverfahren - Antragsteller gegen Bezirk...
by anselmf
11 RA 9/79 vom 15.11.1979, Bundessozialgericht
Bundessozialgericht - 11 RA 9/79 - Verkündet am 15. November 1979 als Urk. Beamter der Gesch. Stelle...
by anselmf
SG R, S 9 SO 5/15 vom 28.10.2016,...
Beglaubigte Abschrift S 9 SO 5/15 SOZIALGERICHT REGENSBURG In dem Rechtsstreit — Kläger - Proz.-Bev.: gegen —...
by anselmf

xml version of this page

made with antville